BADISCHE HEIMAT M ein Heimatland 53. Jahrg. 1973, Heft 3

Zum 100.Todestag des Malers Franz Xaver Winterhalter Am 8. Juli 1973 veranstaltete die nie verleugneten Heimat und Herkunft. In Schwarz waldgemeinde Menzenschwand zur seinem Testament hat der Künstler den Ge­ Erinnerung an ihren großen Sohn eine wür­ meinden Menzenschwand Vorderhof und dige Feierstunde, bei der Dr. Werner Zim­ Hinterdorf eine Stiftung von 50 000 Fr. aus­ mermann von der Staatl. Kunsthalle Karls­ gesetzt, die Winterhalter-Stiftung genannt ruhe folgende Gedenkrede hielt: werden sollte, und deren Zinsen zur Unter­ stützung der Jugend, die nützliche Hand­ Wir sind hier zusammengekommen, um werke, Künste oder Wissenschaften erlernen des großen Sohnes der Gemeinde Menzen­ wollte und teils zur Unterstützung Hilfs­ schwand zu gedenken, des Malers Franz bedürftiger und Armer verwendet werden Xaver Winterhalter, der heute vor 100 sollten. Jahren die Augen für immer geschlossen hat. F. X. Winterhalter wurde am 20. April Ein arbeitsreiches und bewegtes Leben lag 1805 hier in Menzenschwand geboren. Zwei hinter ihm, in welchem ihm als dem ge­ Schwestern, Justine und Theresia, waren vor feiertsten Porträtmaler seiner Zeit Ruhm ihm geboren worden. Am 23. September und Bewunderung in einem Maße zuteil ge­ 1808 erblickte Hermann, als Jüngster der worden waren, wie das keinem deutschen Geschwister, das Licht der Welt. Er blieb Maler des 19. Jh. zu Lebzeiten je vergönnt wie Franz Xaver unverheiratet und ist gewesen ist. Alles was Rang und Namen im diesem ein treuer Freund und Mitarbeiter damaligen Europa besaß, hat Winterhalter geworden. In beiden Brüdern muß die gehuldigt und mit Recht wird er der Prin­ künstlerische Neigung schon früh erwacht zen- oder Fürstenmaler genannt; denn die sein. Der gerade 13jährige Franz Xaver be­ Zahl der von ihm porträtierten Angehöri­ sucht bereits 1818 das Herdersche Kunst­ gen des europäischen Hochadels übersteigt institut in Freiburg i. Brsg., wo er die Kunst weit ein halbes Tausend. Als dem 25jährigen des Lithographierens erlernte; eine eben erst Künstler sein Landesherr, Großherzog Leo­ erfundene Technik, die ihm in den ersten pold, «für das von ihm gemalte Bildnis Lob Jahren seiner künstlerischen Tätigkeit zum und Anerkennung zollte, da dürfte der junge Broterwerb gereichte. Dem jungen Eleven, Künstler sichs kaum haben träumen lassen, dessen Talent man inzwischen erkannt hatte, daß ihn dereinst der Beifall fast aller ge­ wurde ein großherzogliches Stipendium ge­ krönten Häupter Europas erreichen würde. währt, so daß er 1824 an die Münchner Doch alle Gunstbeweise konnten unserm Akademie gehen konnte, um sich zum Maler Maler nichts anhaben. Sein Altersbildnis auszubilden. Sein Bruder Hermann beglei­ zeigt ihn als einen in sich ruhenden Mann, tete ihn dorthin, gleichfalls in der Absicht, dem jegliches Posieren oder Sich-ins-rechte- Maler zu werden. Aus dieser Zeit isf uns Licht-Rücken fernliegt; eine stille Bescheiden­ ein Brief der Brüder an die Eltern erhalten, heit spricht vielmehr daraus, Erbgut seiner den ich, obwohl manche von Ihnen diesen

17 Badische Heimat 1973 255 Franz Xaver Winterhalter, Selbstbildnis

kennen werden, doch vorlesen möchte, da er aufnehmen ließen, so müssen wir nun be­ bezeichnend ist für beider liebenswerte Ein­ stimmt zum Zeichnen kommen. Das Por­ fachheit und Eifer. trät der Frau Herzogin von Leuchtenberg Liebe Eltern, schreibt F. X., verzeiht, daß ist fertig. Es ist so ausgefallen, daß dar­ wir Euch so lange warten ließen. Der über und auch über ein Bildnis, das ich Grund ist folgender: Wir wollten warten, nach einem Galeriegemälde auf Stein bis wir Euch einmal etwas schicken konn­ zeichnete, ein Lobesartikel im „Morgen­ ten. Weil wir aber mit Arbeit überlastet blatt“ erscheinen wird. sind, nämlich am Tage, setzen wir uns Herr Stieler sagte immer zu uns, die nachts hin, die Porträts von uns zu zeich­ Zeichnung sei für die Frau Herzogin nen. Diese wurden auch fertig, allein sie selbst. Als sie aber fertig war, teilte er sind nicht so gut, wie es sich gehört. uns mit, sie sei für ihn gewesen. Nun Wir können sie nun wieder nicht schicken. konnten wir nicht soviel Geld verlangen. Und jetzt ist es schon einige Wochen her, Ich erbat also 18 Louisdors. Ich will sehen, daß in der Akademie auch nachts gezeich­ ob er es gibt oder nicht. Jetzt malt mein net wird, mit lebenden Figuren in allerlei Bruder ein Porträt von der verstorbenen Stellungen. Da wir uns bei dem neuen Tochter eines Generals. Dreißig Louisdors Direktor, Herrn Cornelius, auch wieder sind vereinbart. Wenn das Porträt der

256 Geburtshaus des Künstlers in Menzenschwand

Herzogin von Leuchtenberg abgedruckt Ein schönes Zeugnis der Anhänglichkeit ist, werden wir sofort einen Abdruck der jungen Männer an ihr Elternhaus. Beide schicken. sind, wie wir hörten, im Porträtfach tätig Jetzt lebt alle wohl! Ich wünsche, daß und der erwähnte Maler Stieler ist der da­ Ihr in jedem Brief soviel Angenehmes mals große Bildnismaler Münchens gewesen, sagen könnt wie im Letzten, der mich sehr dem Franz Xaver für seinen Werdegang erfreut hat. Entscheidendes verdankt. Euer Sohn Xaver. Nach beendetem Studium siedelte Winter­ halter 1828 nach über, wo die Diesem am 3. Dezember 1825 datierten Brief junge Markgräfin Sophie alsbald seine fügt Hermann hinzu: Schülerin wurde und wo er drei Jahre später Ich weiß, liebe Eltern, weiter nichts zu mit dem eingangs erwähnten Bildnis Groß­ schreiben, als was Xaver bereits geschrie­ herzog Leopolds, seinen ersten bedeutenden ben hat. Aber ich muß Euch herzlich dan­ Erfolg erzielte. Er malte seine Schülerin als ken für Eure Liebe und Fürsorge für mich, Großherzogin in einem Staatsbild und in wovon Euer letzter Brief mir Kunde gab. einem intimeren Gemälde, das seine edle Ich freue mich herzlich, daß es noch nicht Gönnerin mit ihrem Sohn Wilhelm in einer so weit gekommen ist, daß ich Euch um Landschaft zeigt. Außerdem entstanden Beihilfe für meine Existenz zu bitten nötig Bildnisse weiterer Mitglieder der großher­ hätte. Wir erwarten nun wieder recht zoglichen Familie. Sie alle weisen eine schöne baldige Nachricht. Ich grüße Euch alle Frische der Beobachtung und ein feines Ko­ herzlich. Euer dankbarer Sohn Fidel W. lorit auf. Die Erwartungen, die man in das

17 257 junge Talent gesetzt hatte, haben sich er­ deutsche Künstler wie ehedem in die Ewige füllt. Winterhalter sen., wie man ihn in­ Stadt am Tiber in die Metropole an der zwischen zur Unterscheidung zu seinem jün­ Seine einkehren. Hier seien stellvertretend geren Bruder nannte, war ein Bildnismaler nur zwei Ihnen wohlbekannte Namen ge­ geworden, mit welchem man in zu nannt: Anselm Feuerbach und Hans Thoma. rechnen hatte. Dank der Protektion des Bürgerkönigs Doch Winterhalter unterbrach die sich vor Louis Philipp hat Winterhalter als Bildnis­ ihm abzeichnende Laufbahn, um, abermals maler in Paris rasch Fuß gefaßt. Doch erst mit einem großherzoglichen Stipendium aus­ der 1837 im Salon ausgestellte „Decame- gestattet, nach Italien zu ziehen, das jeder rone“ verhalf ihm zu dem erhofften end­ damals etwas auf sich haltende Künstler gültigen Erfolg. Dieses wieder im italieni­ besucht haben mußte; denn Italien vor allem schen Genre ausgeführte Bild, das so sehr Rom, galten als die Heimat der Künste den Sitten und Anschauungen der eleganten schlechthin. Von 1833 bis 1834, also gut ein Welt damals entsprach, hat bei seinem Er­ Jahr, währte der Aufenthalt, in dessen Ver­ scheinen einen Sturm der Begeisterung und lauf unser Maler sich ein neues Gebiet für des Entzückens hervorgerufen und ist sofort sein Schaffen erschloß: das italienische oder von einem französischen Kunstsammler für römische Genre. Der Erfinder dieser italie­ die ansehnliche Summe von 10 000.— Fr. nischen Volksdarstellungen ist der franzö- erworben worden. Das in der Karlsruher sisch-Schweizer Leopold Robert gewesen, der Kunsthalle befindliche und Ihnen aus Re­ mit seinen Bildern ebenso europäische Be­ produktionen bekannte Bild ist eine eigen­ rühmtheit erlangt hat wie bald darauf händige Wiederholung davon. Dargestellt ist Winterhalter mit seinen Porträts. Es ist be­ die Eingangsszene zu Boccaccios Decame- zeichnend für Franz Xaver Winterhalter, rone, wo eine Anzahl schöner Frauen mit wie rasch er sich dieses Genre zu eigen einigen jungen Männern vor der in Florenz machen wußte, denn die kleine „römische wütenden Pest auf ein Landgut flüchten Genreszene“ in unserer Ausstellung ist schon und sich dort die Zeit mit Erzählungen jener 1833 in Rom entstanden. Geschichten verkürzt, die seit einem halben Uns heutigen mag das Ganze vielleicht ein Jahrtausend die Welt ergötzen. „Es ist wohl bißchen zu geschönt, zu bunt erscheinen aber nicht möglich“, heißt es in einer Kritik, „in Winterhalter traf damit den Geschmack einem so kleinen Raum mehr mannigfaltige seiner Zeitgenossen, den er übrigens immer Anmut und Schönheit, geistvolle Eleganz zu treffen wußte. So nimmt es dann auch und Feinheit zu konzentrieren.“ nicht wunder, daß Großherzog Leopold das Indem Winterhalter der verwöhnten Pari­ Bildchen für seine Sammlung erwarb, aus ser Gesellschaft zeigte, was er auf diesem welcher es 1853 in den Besitz der Karlsruher Gebiet vermochte — und für einen Augen­ Kunsthalle überging. Der in die Heimat zu­ blick überschattete sein Bild auch den Ruhm rückkehrende Künstler aber wurde zum des kurz zuvor verstorbenen Leopold Ro­ Großherzoglich badischen Hofmaler er­ bert —, hatte er sich aber für die Porträt­ nannt. malerei entschieden. Trotzdem hielt es Winterhalter nicht lange Und nun beginnnt jener kometenartige in Karlsruhe. Noch gegen Ende des Jahres Aufstieg unseres Malers aus Menzenschwand 1834 brach er schon wieder auf, diesmal zum berühmtesten Bildnismaler der euro­ nach Paris, das soeben im Begriff war, Rom päischen Hocharistokratie und europäischen den Rang der führenden Kunststadt Europas Herrscherhäuser, dessen Erfolg über 35 Jahre abzulaufen. In der Folgezeit werden viele lang nicht abriß und dem in seiner Zeit

258 Franz Xaver und Hermann Winterhalter 1842 Gemälde v. Franz Xaver Winterhalter (Kunsthalle Karlsruhe)

259 Gräfin Catharina Langenstein Gemälde v. Franz Xaver Winterhalter 1832 öl, Foto: Herrmann

260 Gräfin Luise Langenstein, später Gräfin Douglas (iemäldev. Franz Xaver Winterhalter 1832 Öl, Foto: Herrmann

261 nichts Vergleichbares an die Seite gestellt Komposition erinnert von fern an die des werden kann. Er malt den König Louis Decamerone, doch ist die Farbe lichter und Philipp, die Königin Amelie, die könig­ leichter geworden. Wie die Blumen in einem liche Familie sowie die Damen und Herren Teppich, so breiten sich die weiten Krinoli- des Hofes. 1840 erhält er den Auftrag, das nen der Damen im Bilde aus. belgische Königspaar zu malen. Schon im Als einen Stern aus dem Norden rühmt folgenden Jahr ergeht an ihn der ehrenvolle ihn ein Kritiker auf einer 1846 in Mailand Ruf, ein Bildnis der jungen Königin Vic­ stattfindenden allgemeinen Ausstellung, als toria von England anzufertigen, und im fol­ einen Fixstern, den eine Menge von Plane­ genden Jahrzehnt wird er die Königin, den ten und Trabanten zu jeder Stunde um­ Prinzgemahl Albert und den Prinzen von kreisen, die er jedoch nicht beleuchtet, son­ Wales noch einige Male porträtieren. Be­ dern vielmehr verdunkelt. Trotz jener un­ rühmt geworden ist das Bild, welches die zähligen Verpflichtungen, welche den Künst­ königliche Familie auf der Terrasse des ler durch ganz Europa führten, hat er in Schlosses Windsor zeigt. Von der englischen häufigen Aufenthalten in Baden-Baden Presse wurde dieses Gemälde allerdings immer wieder die Verbindung zu seiner ba­ wegen der schlecht gemalten Hände, wie es dischen Heimat und zu der Familie seines heißt, kritisiert. Doch gerade in England Landesherren, so Großherzog Leopold und erfreute sich der Künstler großer Beliebtheit Großherzogin Sophie, seinen ersten erlauch­ und in den zahlreichen Adelssitzen des ten Gönnern, aufrechterhalten. Hier ent­ Landes dürften noch viele unbekannte Werke stand 1854, zwei Jahre nach dem Tode des seiner Hand aufzufinden sein. Winterhalter Großherzogs das Bild seiner verwitweten malt die junge Kaiserin von Öster­ Gemahlin, das zu den besonders feinsinnigen reich in mehreren Bildern, darunter jenes, Gemälden des Künstlers rechnet. Hier auch das sie im offenen Haar darstellt und das hat er zahlreiche Skizzen des preußischen der kaiserliche Gemahl Franz Josef über und russischen Adels angefertigt, die er dann seinem Schreibtisch anbringen ließ. Die rus­ in seinem Pariser Atelier mit Hilfe seines sische Zarin wird von ihm gemalt, Königin Bruders Hermann vollendete. Isabella von Spanien: die Bildnisse beider Schon gegen Ende der dreißiger Jahre hat befinden sich in unserer kleinen Ausstellung. Franz Xaver seinen Bruder nach Paris nach- Das preußische Königspaar läßt sich von kommen lassen, wie in Vorausahnung der Winterhalter malen, der Adel in Deutsch­ ihn bald erwartenden Überfülle an Arbeit. land, Österreich, Rußland und von vielen Bei den sich ständig mehrenden Aufträgen anderen Ländern Europas. Und als 1856 seiner ins Riesenhafte gewachsenen Kund­ Napoleon III. das zweite Kaiserreich in schaft war Winterhalter schließlich auf Frankreich begründet, wird Winterhalter fremde Unterstützung angewiesen, die ihm auch jetzt der bevorzugte Maler bei Hofe. Hermann, der auch als Maler und Porträtist Wer denkt nicht, wenn der Name unseres tätig war, in aller Selbstverleugnung an­ Künstlers genannt wird, zugleich an die gedeihen ließ. In vielen Gemälden geht der schöne Kaiserin der Franzosen, an Kaiserin äußere Apparat des Kostüms und der Re­ Eugenie, deren Erscheinung Winterhalter in quisiten auf Hermann zurück, der schließlich mehreren Bildern festgehalten hat, am herr­ auch die vielfach verlangten Kopien der lichsten vielleicht in jenem Kolossalgemälde, Porträts angefertigt hat. Am Anbeginn das die Kaiserin im Kreise ihrer Hofdamen dieser brüderlichen Arbeitsgemeinschaft hat im Park vom Compiegne darstellt. Die Winterhalter 1840 in Paris das bezaubernde

262 Kaiserin Eugenie mit ihren Hofdamen Museum Comptegne öl, Fr. X. Winterhalter, Foto: Rothmann

Doppelbildnis von seinem Bruder und sich serhof, Fürstin Metternich, als der Künstler gemalt, das wir heute auch in unserer kleinen auch in den Fünfziger war, Ausstellung bewundern können. Durch einen Glücksfall gelangte es vor „Lieber Winterhalter! Sie beschämen mich einigen Jahren in den Besitz der Staat­ mit Ihrem so freundlichen Anerbieten, lichen Kunsthalle zu Karlsruhe. Die enge indessen kann ich Ihnen nur Zusagen, in­ menschliche Verbundenheit der beiden Brü­ dem mir damit Gelegenheit geboten wird, der, welche wir schon in ihrem Brief ver­ ein Stündchen in Ihrer, mir so angeneh­ nommen haben, klingt hier aufs innigste an. men Gesellschaft zuzubringen, und ich zu Hierin wie in der heiteren Offenheit ihres egoistisch bin, um mir diese Freude zu Wesens und der frischen malerischen Wir­ versagen. — Befehlen Sie, wann das Mo­ kung liegt der besondere Reiz der so un­ dell zu kommen hat! — Ich stehe Ihnen mittelbar zu uns sprechenden Darstellung. zur Disposition von Donnerstag angefan­ Und es wird einem angesichts des Bildes ver­ gen. Ich werde sodann mit gewünschter ständlich, daß Winterhalter mit seinem Coiffüre und mehreren Kleinigkeiten und Charme alle Welt bezaubert hat, namentlich Blumen erscheinen; ich überlasse Ihnen die Damen; so ist es auch nicht von un­ meinen Kopf und werde meinerseits nur gefähr, daß Winterhalter vor allem der so gut als möglich posieren, und sonst Maler schöner Frauen und Mädchen gewor­ keinen Willen haben. — Zu welcher den ist. „Lieber Winterhalter“, schreibt in Stunde, an welchem Tage, steht Ihnen wie den fünfziger Jahren die Gattin des öster­ natürlich, vollkommen frei. Mit den herz­ reichischen Gesandten am französischen Kai­ lichsten Grüßen, Fürstin Metternich.“

263 Oroßherzogin Sophie v. Baden, geborene Prinzessin von Schweden 1801 — 1865 Öl Fr. X. W interhalter 1854 Kann man sich einen schöneren Beweis von traggeberinnen ihre kostbare Garderobe der gewinnenden Persönlichkeit unseres recht ins Bild gerückt zu sehen wünschte. Malers denken und der Art, wie er seine Und welch beschwingte Robe war es auch, hochgestellten Modelle zu nehmen wußte? die damals die modische Silhouette der Man hat getadelt, daß Winterhalter in Damen bestimmte, die von der Kaiserin seinen weiblichen Bildnissen am kostümlichen Eugenie hoffähig gemachte Krinoline! In Arrangement bisweilen zuviel des Guten ge­ den besten seiner Werke weiß Winterhalter geben habe. Wer möchte ihm das verübeln, jedoch das rechte Maß zu wahren. In ihnen da zweifellos manche seiner reizenden Auf- vereint sich die Feinheit der malerischen

264 Bildnis der Zarin Marie Alexandrouma von Rußland Öl Fr. X. Winterhalter (Staatl. Kunsthalle, Karlsruhe)

Ausführung mit der Anmut und Eleganz „Die Porträts sind vorgestern angekom­ der Dargestellten in schöner Vollendung. Die men (von der Zarin und dem Zar). Ich Damen mochten ihm das wohl danken und habe sie mit Geschick und in gutem Licht vielleicht wußten sie, daß unter seinem ausgestellt, und erst dann sind Ihre schmeichelnden Pinsel die schöne Wirklich­ Majestäten eingetreten. Ich wollte den keit zuweilen noch übertroffen wurde. Und ersten Eindruck sehen, um ihn Ihnen, mein sie haben es ihm zu danken gewußt, wie wir lieber Herr Winterhalter, mitzuteilen. einem Brief der Gräfin Tolstoi, Hofdame Also, Sie müssen zufrieden sein, denn der der Zarin Marie Alexandrowna entnehmen: Kaiser und die Kaiserin waren beide ent­

265 zückt und wußten nicht, welchem der zwei Das Porträt der Zarin schließlich, von wel­ Porträts den Vorzug zu geben, jeder be­ chem die Gräfin Tolstoi spricht, ist uns ver­ geistert von dem seinigen. — Aber es gab mutlich in einer Kopie von Hermann Win­ noch eine größere Ausstellung, und unter terhalter überliefert, die sich in unserer Aus­ den zahlreichen Gästen hat der deutsche stellung befindet. Lebensgroß, in dreiviertel Kaiser Ihre Werke sehr bewundert und Ansicht leicht nach rechts gerichtet, steht die uns erzählt, daß Sie ihn in zwei Sitzun­ Zarin Marie Alexandrowna, eine geborene gen gemalt haben. Die Meinungen über Prinzessin von Hessen-Darmstadt, vor uns. die Ähnlichkeit der zwei Porträts waren Ihr ebenmäßiges Gesicht, von dunklen Haar­ geteilt, wie üblich, aber der Enthusiasmus flechten umkränzt, in die Perlen gebunden für die Schönheit der Malerei war all­ sind, wendet sich auf schlankem Hals dem gemein und einstimmig. Ich selbst glaubte Betrachter zu. Ein kaum merkliches Lächeln mich, wenn ich die schönen Bilder be­ umspielt den Mund während die Augen ver­ trachtete, in dem schönen Petersthal, wo sonnen blicken. Hoheit und menschliche wir so schöne Tage verbracht haben. Ich Würde sprechen aus diesem Bildnis, um ge­ wünschte nur, daß Sie sie auch nicht ver­ ziemenden Abstand zu wahren. — gäßen und daß diese Erinnerung Sie eines Tages nach St. Petersburg brächte, wo Sie Von den letzten Lebensjahren des Malers dieselben Freunde wiederfinden wer­ ist nun rasch berichtet. Der Deutsch-Franzö­ den . . . Der Kaiser wiederholte mir so­ sische Krieg von 1870/71, dessen Ausbruch eben: Ich bin entzückt von den zwei Por­ den Künstler vermutlich in der Schweiz träts.“ „Hoffentlich auf Wiedersehen, lie­ überraschte, wo er Erholung von der an­ ber Herr Winterhalter. Ich drücke Ihnen strengenden Arbeit suchte, veranlaßte die bei­ die Hand und bitte Sie, mich Ihrem Bru­ den Brüder, sich 1871 in Karlsruhe nieder­ der zu empfehlen. zulassen. Mit dem Untergang des französi­ schen Kaiserreiches war auch jene Gesell­ Jugenheim, 26. Juli E. A. Tolstoi.“ schaft dahingegangen, die den Künstler einst in Frankreich so enthusiastisch auf genommen Dieser in so warmherzigen Ton gehaltene hatte; und es ist bezeichnend, daß eine der Brief wirft noch einmal ein Licht auf die führenden französischen Kunstzeitschriften, Zuneigung, die Winterhalter allenthalben die Gazette des Beaux Arts, seinen Tod entgegengebracht worden ist: von den Freun­ lediglich mit Angabe des Datums erwähnt, den, welche ihn in Petersburg erwarten wer­ mit sonst nichts: im Frankreich der II. Re­ den, ist die Rede und das ist zweifellos keine publik war für Winterhalters Kunst kein Phrase. — Wir hören aber auch von der Platz mehr. — Über Winterhalters weiteres raschen Arbeitsweise des Künstlers, wenn Schaffen in Karlsruhe sind wir nicht unter­ der deutsche Kaiser rühmend erwähnt, daß richtet. Bei einem Freundesbesuch in Frank­ sein Bildnis in zwei Sitzungen vollendet ge­ furt am Main erkrankte er am Typhus und wesen sei. Es dürfte sich dabei jedoch ledig­ starb dort daran am 8. Juli 1873 im Alter von 68 Jahren. Sein Bruder Hermann über­ lich um eine Skizze gehandelt haben, die lebte ihn um 17 Jahre. Der einstige Liebling dann später erst ausgearbeitet wurde. Den der Fürsten Europas hinterließ ein Vermö­ hohen Herren war jedenfalls das lange Sit­ gen von zweieinhalb Millionen Mark dama­ zen weniger angenehm als den Damen, die liger Währung. die unterhaltende Gesellschaft des Künstlers so sehr zu schätzen wußten, wie wir ja aus Es war, so darf man sagen, ein gütiges den Worten der Fürstin Metternich wissen. Geschick, das unseren Künstler in jenem Mo­

266 ment abgerufen hat. Denn auch in Deutsch­ Malers ebenso bewundern wie den sicheren land bereitete sich allmählich ein Wandel des Takt, mit welchem Winterhalter die sich ihm Geschmacks vor. Die Zukunft gehörte ande­ gestellte Aufgabe gelöst hat. Denn das Bild­ ren Künstlern wie dem dramatischen Franz nis, das er uns von seiner Zeit überliefert Lenbach oder dem schlichten Hans Thoma, hat, ist nicht nur schön und elegant, sondern der bedeutende Sohn der Menzenschwand in seinen besten Werken auch menschlich benachbarten Gemeinde Bernau. (Winterhal­ empfunden. Als schönes und bleibendes Zei­ ter und Thoma waren übrigens über ihre chen bewahrt die Kunsthalle in Karlsruhe Mütter miteinander verwandt.) Winterhal­ das Doppelbildnis der Brüder Winterhalter ters Zeit war abgelaufen, es ist ihm erspart auf, das zu den besonders eindrucksvollen geblieben, das zu erleben. Porträts in ihrer Sammlung rechnet. Dafür Blicken wir zurück auf diesen Lebensweg, haben wir ihm zu danken, nicht nur am heu­ so müssen wir die gewaltige Arbeitskraft des tigen Tag, sondern auch zukünftig.

Schwarzwald Die hohen Tannen sind wie Saiten drin spielt der Wind sein wildes Lied, und durch das wirre Netz der Äste das Mondgesicht gespenstisch sieht. Tief aus des Dickichts blauem Dunkel blickt dich Geheimnis fragend an, wie du auch läufst, du hörst die Schritte von Hexe, Gnom und wildem Mann. Die Nebel schweben aus den Tälern und wandeln sich in Vielgestalt, in Menschen-, Tier- und Fabelwesen — und dann ist alles wieder Wald. Und ohne Ende geht das Rauschen wie Orgel- und wie Stimmenschwall, der wilde Jäger stürzt zu Tale, und vor ihm tost der Wasserfall. Felsblöcke stehen wie Giganten, sie stehen wie in Ewigkeit, die Wasser aber gehn die Wege der Zeit in die Vergänglichkeit. Otto Gillen

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