Body Pressure Skulptur Seit Den 1960Er Jahren 25. Mai 2013 – 12. Januar 2014 Marina Abramovic´ Georg Baselitz Floriano Bodini
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BODY PRESSURE Skulptur seit den 1960er Jahren 25. Mai 2013 – 12. Januar 2014 Marina Abramovic´ Georg Baselitz Floriano Bodini Berlinde De Bruyckere Valie Export Hans-Peter Feldmann Urs Fischer Peter Fischli / David Weiss Ryan Gander Gilbert & George Duane Hanson Martin Kippenberger Paul McCarthy John McCracken Bruce Nauman Nam June Paik Friederike Pezold Marc Quinn Thomas Schütte Rosemarie Trockel Franz Erhard Walther und Wilhelm Lehmbruck Body Pressure. Skulptur seit den 1960er Jahren zeichnet, anhand einer Auswahl von Werken aus den Sammlungen der National- galerie, die vielfältige Beschäftigung mit der menschlichen Figur in der zeitgenössischen Skulptur nach. Die weit läufige Historische Halle verwandelt sich – von jeder Ausstellungsarchitektur befreit – in einen lichtdurchfluteten „Skulpturengarten“. Die Skulptur, seit der Antike vorrangig der Darstellung der mensch- lichen Figur gewidmet, hat sich ausgehend von den 1960er-Jahren dramatischer verändert als in ihrer vorherigen Entwicklungs- geschichte. Die figurative Skulptur wird in ihren Materialien, ihren Sujets und ihrem Einbeziehen des Betrachters so facettenreich wie nie zuvor. Die Materialität der Werke verändert sich seit den 1960er-Jahren drastisch, Künstler verwenden neben Marmor und Bronze auch Plastik, Keramik, Wachs, Gummi und sogar die eigenen Exkremente. Die figürliche Plastik versinnbildlicht nicht mehr Repräsentations- und Herrschaftsansprüche, Religion und Mytho- logie, sie benötigt keine Denkmalaufgabe mehr. Im Kontext der feministischen Kritik und der Prozesskunst der 1970er Jahre findet die Plastik ihre performative Erweiterung. Der Körper selbst wird zum skulpturalen Objekt. Oftmals fragmentiert und abstrahiert, verhandelt die figurative Skulptur der Gegenwart so immer auch den zeitgenössischen sozialen und kulturellen Kontext. 1 Marina Abramovic´ * 1946 Belgrad (RS, ehemals Jugoslawien); lebt und arbeitet in New York (US) Freeing the Body, 1976 Video, digitalisiert und übertragen auf Flash Card, s/w, Ton, 9 Min. (Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie, 1999 Schenkung Mike Steiner) Die Performance Freeing the Body von Marina Abramovic´ wurde im Dezember 1976 im Künstlerhaus Bethanien in Berlin aufgeführt und aufgezeichnet. Sie ist Teil einer Serie von frühen Arbeiten, in denen Abramovic´ die Grenze ihrer körperlichen Kräfte testet, um sich, wie sie sagt, in einen „meditativ leeren Zustand“ zu versetzen. Über sechs Stunden, die hier im Zusammenschnitt zu sehen sind, bewegt sich die Künstlerin zu den Schlägen einer Trommel. Zu immer neuen Rhythmen verbiegt und streckt sie sich vor der weißen Wand des leeren Raumes. Mit einem schwarzen Tuch ver- hüllt Abramovic´ ihr Gesicht. Ihr nackter Körper ist dadurch umso exponierter. Er wird zu einer lebendigen Skulptur, die sich dem Publikum bis zur extremen Erschöpfung darbietet. 2 Georg Baselitz * 1938 Deutschbaselitz (DE); lebt und arbeitet in Inning am Ammersee (DE) Männlicher Torso, 1993 Lindenholz, Dispersionsfarbe (Sammlung Marx, Leihgabe aus Privatbesitz) Georg Baselitz bearbeitet seine Holzskulpturen mit Ketten sägen und Äxten. Der rohen Oberfläche zum Trotz „ist es nicht“, so Baselitz, „meine Absicht, ein Schreckgespenst oder etwas Monströses zu machen, sondern eine Ausformung zu finden, die neu, un- gewöhnlich, nur mir zugehörig ist, und die auch Rückblicke zulässt auf die Tradition“. Der Torso, die Darstellung des menschlichen Körpers ohne Gliedmaßen und Kopf, war von der Antike bis zum frühen 19. Jahrhundert ein Hauptmotiv der Bildhauerei. Baselitz nimmt in seinen Skulpturen, die seit 1980 neben seinen groß- formatigen Gemälden entstehen, Bezug auf eine kunsthistorische Tradition, verwandelt aber ihre Gestalt und Materialität. Der männliche Torso soll keineswegs anmutig oder etwa schön sein; der expressive Farbauftrag und die Spuren des Arbeitsprozesses entstehen in seinen Werken vielmehr im Spannungsverhältnis von Figuration und Abstraktion. 3 Floriano Bodini *1933 Gemonio (IT) – † 2005 Mailand (IT) Bildnis eines Industriellen, 1973 Bronze (Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie, 1976 Geschenk des Künstlers zur „Donation Haftmann“) Das künstlerische Werk des Bildhauers Floriano Bodini wird als „existenzieller Realismus“ bezeichnet, jedoch finden sich in seinen Skulpturen auch Übergänge zur Abstraktion. Bodini ver arbeitet in ihnen Themen wie Krieg, Familie, Religion und politisches Engage- ment – so auch in dem Bildnis eines Industriellen. Die Figur mit dem aus einzelnen Elementen zusammengesetzten Oberkörper wirkt wie ein Roboter. Das Herzstück bildet ein münzartiges Objekt, das perfekt in die Öffnung der Brust zu passen scheint. Die Darstellung verweist, gepaart mit dem Titel der Skulptur, der zugleich eine Tätigkeit wie eine gesellschaftliche Position bezeichnet, auf die beißende Kritik des Künstlers. 4 Berlinde De Bruyckere * 1964 Gent (BE), lebt und arbeitet in Gent Robin V., 2007 Wachs, Epoxid, Holz, Metall, Glas (Friedrich Christian Flick Collection im Hamburger Bahnhof) Berlinde De Bruyckere setzt sich seit den frühen 1990er-Jahren in ihren Skulpturen mit dem menschlichen Körper auseinander. Die Künstlerin platziert die Figur Robin V. in einer historisch an- mutenden Vitrine, die an eine Wunderkammer oder ein Na tur kunde - museum erinnert. Wie eine Kuriosität oder ein ausgestopftes Tier wird der fragmentierte Körper in der Vitrine ausgestellt. Der Titel der Figur verweist auf den Namen des Modells, dessen Gestalt aus zahlreichen Schichten von Wachs und Ölfarbe modelliert wurde. Ohne Kopf und vollständigen Namen ist der Körper jedoch nicht näher identifizierbar. Kennzeichen von De Bruyckeres Skulpturen ist das Fehlen des Kopfes – in ihrer gesichtslosen Anonymität ver- weisen sie auf die Vergänglichkeit alles Leiblichen. 5 Valie Export * 1940 Linz (AT), lebt und arbeitet in Wien (AT) Tapp- und Tastkino, 1968 16 mm Film, digitalisiert und übertragen auf Flash Card, s/w, Ton, 1:08 Min. (Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie, Courtesy Electronic Arts Intermix (EAI), New York) Valie Export setzt sich seit den 1960er-Jahren in ihren Werken mit sozialen und gesellschaftlichen Machtstrukturen auseinander, insbesondere der durch die feministische Kritik thematisierten Geschlechterhierarchie. Die Videoaufzeichnung Tapp- und Tastkino zeigt Ausschnitte einer Aktion der Künstlerin anlässlich des „Inter- nationalen Treffens Unabhängiger Filmemacher“ 1968 in München. Sie trägt einen über ihren nackten Oberkörper geschnallten, mit zwei Löchern ausgestatteten Pappkasten und lässt sich von Passanten auf der Straße die Brüste betasten. Mit dem, was sie als „Mini kino für zwei Hände“ bezeichnet, verwehrt sie die voyeuristischen Blicke der Männer und liefert die Tastenden selbst den Blicken der Menschen in der Fußgängerzone aus. Sie selbst schrieb über die legendär gewordene Arbeit: „Solange sich der Bürger mit der reproduzierten Kopie sexueller Freiheit begnügt, erspart sich der Staat die reale sexuelle Revolution.“ 6 Hans-Peter Feldmann * 1956 Düsseldorf (DE), lebt und arbeitet in Düsseldorf David, Kopf groß, 1978 Gips bemalt (Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie, 2006 erworben durch die Stiftung des Vereins der Freunde der Nationalgalerie) Seit den 1970er-Jahren beschäftigt sich Hans-Peter Feldmann mit der Wirkung alltäglicher Gegenstände und Bilder sowie der Überwindung von tradierten Kunst- und Kitschgrenzen. Mit seiner Version des David hinterfragt er augenzwinkernd den etablierten Kanon, indem er sich auf eine kunsthistorische Ikone bezieht – Michelangelos David (1501–1504) in Florenz. Feldmann fragmentiert den imposanten Körper der Renaissance-Skulptur, indem er nur deren Kopf reproduziert. Statt Marmor verwendet er das wesentlich günstigere Material Gips und malt den Kopf in schrill-bunten Farben an. Feldmanns Freude am Aneignen, Ergänzen und Dekon- textualisieren tritt dabei ebenso zum Vorschein wie seine Suche nach allgemeinen und subjektiven Schönheitsvorstellungen. U7 rs Fischer * 1973 Zürich (CH), lebt und arbeitet in New York (US) What If the Phone Rings, 2003 Wachs, Dochte, Pigment (Friedrich Christian Flick Collection im Hamburger Bahnhof) Das Modell für diese Frauenfigur schnitzte Urs Fischer in Styropor, wovon dann die Gussform hergestellt wurde. Aus dieser Form wird eine massive Kerze aus 250 kg Paraffin und Mikrowachs gegossen, welche ein verzweigtes Dochtsystem beherbergt. Während der Ausstellung brennen die Dochte langsam herunter und flüssiges Wachs breitet sich über den Boden der Historischen Halle aus. Die nackte Liegende, die gattungsübergreifend ein klassisches Motiv der Kunstgeschichte darstellt, wird hier zu einem prozesshaften Werk, von dem am Ende der Präsentation nur noch Spuren übrig bleiben. Fischer greift hier in humorvoller Weise auch die Kerze als Vanitas-Motiv in der Malerei auf, wo sie auf den unaufhaltsamen Fluss der Zeit und die Vergänglichkeit des Lebens hinweist. 8 Peter Fischli / David Weiss * 1952 Zürich (CH), lebt und arbeitet in Zürich/* 1946 Zürich – † 2012 Zürich Beliebte Gegensätze: Brutal oder Lustig?, 1981 Ungebrannter Ton (Friedrich Christian Flick Collection im Hamburger Bahnhof) Sie und Er, 1981 Ungebrannter Ton (Friedrich Christian Flick Collection im Hamburger Bahnhof) Das Künstlerduo Fischli/Weiss schuf 1981 Plötzlich diese Übersicht, einen enzyklopädisch anmutenden Werkkomplex von über zwei- hundert kleinen, ungebrannten Tonskulpturen. Zu dieser Gruppe gehören auch die beiden ausgestellten Arbeiten Beliebte Gegen- sätze: Brutal oder Lustig? und Sie und Er. „Dargestellt werden wichtige, vergessene, entscheidende oder