Filmprogramm Februar 2018 Kino Als Selbstbehauptung: Filme Aus
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Filmprogramm Februar 2018 Kino als Selbstbehauptung: Filme aus Palästina →4 Re-Edition →11 Premieren: Grace Jones: Bloodlight and Bami / Favela Olímpica →13 Ex Libris: The New York Public Library / Mobile Homes →15 Agenda →16/17 02 Anna Huber: Fingerdances →18 Filmgeschichte / Festivalfilme →19 Special: Flucht →20 Berner Premiere →21 18 Rex Kids →22 / Uncut / Rex Tone →23 8. sonOhr Radio & Podcast Festival→24 www.rexbern.ch DIE ZELLE Editorial Von Thomas Allenbach «Kino als Selbstbehauptung»: Unter diesen Titel stellt Irit Neidhardt ihren Text zu unserem Februar-Schwerpunkt mit Spielfilmen palästinensischer Filmschaffender. Tatsächlich sind diese Filme auch Instrumente im kultu- rellen Kampf um die Behauptung der eigenen Identität: Indem sie paläs- tinensisches Leben reflektieren, machen oder halten sie sichtbar, was zu verschwinden droht. Doch sie erschöpfen sich nicht darin, sondern gewin- nen künstlerisch Freiheit gerade dadurch, dass sie auch Konflikte und Wider- sprüche innerhalb der palästinensischen Gesellschaft aufgreifen. Das zeigt sich bereits in Michel KhleifisHochzeit in Galiläa aus dem Jahr 1987, mit FLUCHT dem wir die Reihe eröffnen, und wird noch deutlicher in Annemarie Jacirs neuem Film Wajib, mit dem wir – in Anwesenheit der Regisseurin – den 25.01. – 16.09.2018 Zyklus beschliessen. In dieser Programmreihe KUNSTHALLE BERN Wir zeigen Filme von Regisseurinnen und Regisseuren, die sich bewusst präsentieren wir Live-Kino- 24. Februar – 6. Mai 2018 der Politik der Eskalation widersetzen, auf welche die Hardliner auf beiden events der dritten Art. John Armleder, Bianca Baldi, Cosima von Bonin, Seiten des ausweglos scheinenden Konflikts setzen. Sie geraten damit oft Manuel Burgener, Tom Burr, Marc Camille Chaimowicz, Beat Feller, Beat Frank, Anita Leisz, Annina Matter / Urs Zahn, zwischen alle Fronten, wie etwa Hany Abu-Assad, dessen Paradise Now Donnerstag, 15.2. Park McArthur, Edit Oderbolz, Vaclav Pozarek, Magali Reus, sowohl von palästinensischer wie israelischer Seite hart kritisiert wurde. ab 22:30 Nicole Wermers, Joseph Zehrer und Heimo Zobernig Damit bleibe Abu-Assad jenseits aller Propaganda für die eine oder andere ∞ × Super 8 zum zweiten Mal im dunklen REX! Seite, bilanzierte Verena Lueken in der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung». ... es zieren mehr anonyme Der Platz zwischen allen Stühlen sei der beste Ort für einen Regisseur. «China Girls» die Anfänge AB 8. FEBRUAR IN DEN KINOS der Filmrollen, als es ein Filmstar je tat. Und doch Der Platz dazwischen: Kaum einer nutzt diesen spielerischer als Elia Sulei- sehen die Kinobesucher man in seinen autobiografisch geprägten FilmenChronique d’une dispari- sie nie! tion, Intervention divine und The Time That Remains. Er spricht darin die Unterlegt mit rohen und Themen an, die zentral sind für die Palästinenserinnen und Palästinen- weiten Geräuschwelten, ser, und sie kommen alle vor, die Symbole des Konflikts, die Checkpoints besetzen ratternde Pro- und Strassenkontrollen, die Mauer, die Expansion israelischer Siedlungen. jektoren sowie Lichtbilder verschiedenster Art das LONGING Doch Suleiman unterläuft die sogenannten «Narrative» beider Seiten Foyer. LONGINGVON SAVI GABIZON und setzt diesen seine eigene Sicht entgegen. Mit den Mitteln von Buster Keaton und Jacques Tati macht er unvergleichliche Filme, pazifistische In einem Remix von ana- logen Bildern im Raum Manifeste in einer Welt der Gewalt. Die Situation im Nahen Osten erscheint überlagern sich Voyeuris- ausweglos? Auch wenn manchmal nur noch absurde Komik bleibt: Solange mus, Intimes und Doku- solche Filme realisiert werden, besteht noch Hoffnung. Für beide Seiten. mentarisches in allen möglichen Farbtönen. Alle Macht der Super 8! Bittersüss und aberwitzig: Der Publikumsliebling aus Venedig Rubriktitel 3 Kino als Selbstbehauptung: Filme aus Palästina Chronique d’une disparition – Chronik eines Verschwindens nannte der palästinensi- sche Regisseur Elia Suleiman seinen ersten, 1996 erschienenen Spielfilm. Der Titel ist programmatisch für das gesamte palästinensische Filmschaffen. Wir zeigen je drei Spielfilme von Elia Suleiman, Hany Abu-Assad und Annemarie Jacir sowie zum Auftakt Hochzeit in Galiläa von Michel Khleifi, der mit seinem Schaffen den Weg für die folgenden Generationen bereitete. Den Abschluss macht Wajib, der neue Film von Annemarie Jacir, den wir als Vorpremiere und in Anwesenheit der Regisseurin zeigen. 4 Rubriktitel Rubriktitel 5 Omar Irit Neidhardt ihrer palästinensischen Kolleginnen und Kolle- gen im Exil. Die Palästinenserinnen und Paläs- tinenser, die meist als Binnenflüchtlinge in dem Gebiet blieben, das 1948 zu Israel wurde, lebten von 1949 bis 1966 unter israelischer Militärver- waltung. Ihre Bürgerrechte waren weitgehend International ist die Filmproduktion nationalstaat- ausser Kraft gesetzt. Die nachhaltigen Auswir- lich organisiert, was sich beispielsweise in Länder- kungen dieser Zeit auf Individuum und Gesell- reihen oder der Herkunftsangabe eines Films im schaft zeigt Emile Habibis Schlüsselroman «Der Kinoprogramm zeigt. Staaten mit einer starken Peptimist oder von den seltsamen Vorfällen um öffentlichen Filmförderung nutzen ihre Produk- das Verschwinden Saids des Glücklosen» (1974). tionen als kulturelle Diplomaten. Zur kulturellen Dazu gehören Entfremdung und das gegensei- Diplomatie, als Waffe, haben auch die nationa- tige Misstrauen innerhalb der palästinensischen len Befreiungsbewegungen der 1960er- und Bevölkerung, welches von der starken israeli- Intervention divine 1970er-Jahre das Medium Film eingesetzt. schen Geheimdiensttätigkeit in den palästinen- sischen Ortschaften herrührt. Die Motive von Suleiman hat sich dem Autorenfilm verschrieben. für die Oscars ist so deutlich wie noch nie von Das palästinensische Filmschaffen begann Ende Entsolidarisierung und Kollaboration ziehen sich Für ihn, sagte Suleiman der «Krytyka Polityczna», Deutschen geprägt.» De jure ist Paradise Now der 1960er-Jahre im arabischen Exil. Die Werke, direkt oder indirekt durch sämtliche palästinensi- schaffe «ein wahrhaft politischer Film einen offe- ein deutscher Film. die in den verschiedenen Gruppen unter dem Dach sche Filmproduktionen «von drinnen». nen Raum, in dem sich das Publikum emanzipie- der PLO entstanden, verfolgten primär das Ziel, ren kann, indem es die Bedeutung der Bilder, die Unter den unabhängigen Filmschaffenden Paläs- Gegenöffentlichkeit herzustellen. Selbstbestim- Während die Filmschaffenden der PLO in der man anbietet, mit herstellt». Dieser partizipato- tinas ist Abu-Assad der Einzige, der Genrekino mung und Bildhoheit wurden propagiert. Abge- Regel staatenlos waren, haben diejenigen «von rische Ansatz erfordert eine tiefe Kenntnis der im macht. Seine neueren Filme finden grossen An- sehen von einem Langspielfilm produzierte die drinnen» einen israelischen Pass, der ihnen rela- Film verwendeten politischen, historischen und klang beim palästinensischen Publikum, Omar lief PLO, den damaligen internationalen Gepflogen- tive Reisefreiheit und Aufenthaltsgenehmigun- sozialen Codes seitens des Publikums, das im vier Wochen lang im Kino in Ost-Jerusalem, eine heiten entsprechend, kurze Dokumentarfilme. gen in Westeuropa ermöglicht. Vor allem dort Falle des unabhängigen palästinensischen Films absolute Ausnahme für einen palästinensischen Artistisch spannten sie den Bogen von Lehr- und finden sie cineastische Referenzen sowie die Fi- vor allem im Westen zu finden ist. So verwundert Film. Viele sagten, sie sähen sich das erste Mal Informationsfilmen über den künstlerischen Doku- nanzierung für ihre filmischen Arbeiten. es nicht, dass Suleimans Bildraum sich von sei- in ihrem Kino gespiegelt und repräsentiert. Wenn mentar- zum experimentellen Stummfilm. Zwei nem ersten zu seinem dritten und bisher letzten sonst auf die eigenen Filme Bezug genommen Tabus zeichneten dieses Filmschaffen aus: Paläs- Michel Khleifi ging 1971 nach Brüssel, wo er The- Spielfilm zunehmend geschlossen hat. wird, dann eher, weil ein wichtiger Filmpreis aus tina wurde nicht kritisiert, also gesellschaftliche ater studierte, bevor er sich dem Film zuwandte. dem Ausland die Menschen mit Stolz erfüllt. Den Geschlossenheit suggeriert. Während die Forde- Er sei nicht zum Kino gekommen, weil er cinéphil Das palästinensische Kulturministerium schickte Film zu kennen, braucht man dafür nicht. rung nach Rückkehr der Flüchtlinge und damit war, sondern um Palästina verteidigen zu kön- mit Intervention divine (2002), Suleimans zwei- die Umsetzung des Artikels 11 der UN-Resolution nen, so der Regisseur in einem früheren Interview tem Spielfilm, erstmals einen Beitrag ins Rennen Annemarie Jacir realisierte ihren ersten Film aus 194 vom Dezember 1948 ein Kernanliegen der mit der Autorin dieses Textes. In seinen Spiel- um den Oscar für den besten nicht englischspra- dem US-amerikanischen und den zweiten aus PLO ist, wurde die Rückkehr nie konkret darge- filmen, besonders inHochzeit in Galiläa (1987), chigen Film. Die Einreichung wurde zurückgewie- dem jordanischen Exil. Das Drehbuch für ihr neus- stellt. Mit dem Abzug der PLO-Führung aus Bei- hält er mit einer gewissen Besessenheit die Kultur sen, weil Palästina kein international anerkannter tes Werk, Wajib (2017), schrieb sie, als sie bereits in rut im Spätsommer 1982 kam das Filmschaffen fest – Bräuche, Farben, Klänge –, wissend, dass Staat sei. Da jedoch Bewerbungen aus Hong- der palästinensischen Stadt Haifa wohnte. Ihrem der Befreiungsbewegung nahezu zum Erliegen. sie aufgrund der Besatzung verschwinden wer- Kong, Taiwan und Puerto Rico um die begehrte Œuvre chronologisch