Bahnhofstraße ZEITUNG FÜR DAS AKTIVE ZENTRUM LICHTENRADE BAHNHOFSTRASSE AUSGABE 04 / 2018

Lichtenrade wird flügge

In dieser Ausgabe: Interview Geschäfts- straßenmanagement Unterwegs auf dem Mauerweg Porträt Norcros 2 Editorial AUSGABE 04 / 2018

Liebe Lichtenraderinnen und Lichtenrader, Kunst in Lichtenrade

Der Bär ist los in Lichten- wenn eines die Bahnhofstraße von vielen anderen Geschäftsstraßen rade! Zum 11. Mal präsen- abhebt, dann der große Anteil inhabergeführter Läden hier. Immer tiert sich vom 1. bis 29. wieder wird betont, dass dies ein besonderes Charakteristikum die- September das Lichtenra- ser Straße sei. Diesen Schatz gilt es zu hüten. Aus diesem Grund ist der Kunstfenster. Rund 50 das Geschäftsstraßenmanagement (GSM) ein wichtiger Baustein im Geschäfte und Dienstleis- AZ-Programm. Denn es ist die Aufgabe des GSM, den Händlern Hilfe- ter der Bahnhofstraße stellungen dabei zu geben, sich im Angebotsdschungel aus Centern, stellen Werke von mehr als Online-Angeboten und Vergleichsportalen zu behaupten. Was genau 50 Künstlern aus. im GSM geschieht, wie die Geschäftsstraßenmanagerinnen an ihre Arbeit herangehen und wie ihre Erfahrungen in Lichtenrade sind, Die Aktion ist multime­ können Sie im Interview mit Johanna Begrich und Lena Horst auf dial: Malereien, Grafiken, den Seiten 4 und 5 nachlesen. Collagen, Fotografien, plastische Werke, Schmuck Es ist eine heiße Zeit gerade – nicht nur im Wortsinn. Denn die Som- und Kunstdrucke können merferien versetzen Kinder in Glücksgefühle und Eltern in Panik, wie bestaunt und auch erwor­ sie in diesen sechs Wochen Job, Familie und Jahresurlaub unter ei- ben werden. nen Hut bekommen sollen. In wechseln die Ferientermine von Jahr zu Jahr – aber was halten Kinder und Eltern eigentlich davon? Organisiert wird das jähr­ Lesen Sie unsere Straßenumfrage auf den Seiten 6 und 7. lich wiederkehrende Event von einem 8-köpfigen Team Sommerzeit ist Ausflugzeit. Raus ins Grüne ist die Devise, der auch aus drei Geschäftsleuten wir uns anschließen. Mit dem Rad setzten wir uns auf die Spuren der (Katja Tiedtke, Anneliese ehemaligen innerdeutschen Grenze rund um Lichtenrade. Kommen Friesecke, Astrid Klein) Sie mit uns zur Mauerweg-Tour auf den Seiten 8 und 9. und fünf Künstlern (Horst Auf dieser Reise sind wir fast an seinem Domizil am Kirchhainer Zeitler, Sylvia Zeeck, Damm vorbeigekommen: Taner Aksöz. Dort, im tiefsten Süden Dorothea Paschke, Liane , hat er gemeinsam mit seiner Frau Serpil das Modelabel Matia und Manfred Raß). „Paul Grant“ auf die Beine gestellt. Lesen Sie mehr darüber in unserem Porträt auf den Seiten 10 und 11. Die Vernissage findet am 1. September um 14:30 Uhr im Hort Shanúù der Stadtindianer, Mellenerstr. 28, statt. Die musikalische Untermalung übernehmen Gaby Weber- Wir wünschen Ihnen einen schönen Sommer Wagnitz (Klavier) und Uli Zeitler (Querflöte). Der Eintritt ist frei. und viel Spaß beim Lesen Weitere Infos zum Kunstfenster: Ihre Redaktion www.lichtenrader-kunstfenster.de, Aktuelle und weiterführende Informationen zum AZ-Gebiet facebook: Lichtenrader Kunstfenster, finden Sie unter: www.az-lichtenrade.de über Horst Zeitler Tel.: 7 00 59 64 , [email protected]

Termine 2018 Treffen der Gewerbetreibenden: Vernissage für das 11. Lichtenrader Kunstfenster: Mo, 03.09.2018 / Di, 09.10.2018 01.09.2018, 14:30 Uhr, Mi, 14.11.2018 Kita Stadtindianer, Mellener Str. 28 jeweils 19:00 Uhr, AZ-Büro, Prinzessinnenstraße 31 11. Lichtenrader Kunstfenster in der Bewerbungsfristen für Anträge im Gebietsfonds: und rund um die Bahnhofstraße: 30.09.2018 01.09. – 29.09.2018

Markt der Möglichkeiten – Abfallfreies Umweltfest Wein- und Winzerfest am Dorfteich: vor der Alten Mälzerei: 07. – 09.09.2018 25.08.2018, 14:00 – 17:30 Uhr, mit regionalen Produkten, Das Wein- und Winzerfest findet bereits zum 31. Mal statt. Kaffee und Kuchen, Straßentheater, Kinderprogramm, Fahrradparcours, leihen statt kaufen, Musik und Tanz, Plastik Nein Danke! u.v.m. Eintritt frei! Alle Termine finden Sie auch unter www.az-lichtenrade.de AUSGABE 04 / 2018 Vermischtes 3

Förderglossar BILDERrätsel

In dieser Rubrik versuchen wir, Begriffe aus der„Beamtensprache“ im Förder­kontext leicht verständlich zu erklären. Die Serie wird fortgesetzt.

Kennen Sie dieses Detail aus Lichten- rade? Dann schicken Sie uns eine E-Mail mit Ihrer Lösung. Unter den richtigen Einsendungen verlosen wir einen Ein­ kaufsgutschein in Höhe von 100 Euro für Norcros / Paul Grant mit Aussuchen direkt im Studio am Kirchhainer Damm 104.

Illustration: Søren Tang Bertelsen Das Suchmotiv vom letzten Rätsel fin­ den Sie in den Fenstern des Hauses ge­ genüber von Tryonadt Immobilien in Heute: Kooperationsprojekte Alte Mälzerei der Bahnhofstraße. Der Gewinner des von Tryonadt Immobilien gespendeten Folgendes Gedankenspiel: Eine Familie kauft für die Region und andere Gebiete haben, für 40-Euro-Tankgutscheins wird benach­ ein altes Haus und renoviert es. Aber das den privaten Eigentümer wären die Investiti- richtigt. Haus ist viel zu groß für sie alleine. Die zwei onen ohne Förderung unrentabel, das Ge- Räume, die zu viel sind, könnte aber die Ge- bietsgremium befürwortet die Maßnahmen Neues Rätsel, neues Glück! meinde gut gebrauchen - etwa, um hier eine und diese können in der Laufzeit des AZ-Pro- Schicken Sie Ihre Lösung an: Bibliothek mit Computerarbeitsplätzen ein- gramms umgesetzt werden. Die Förderung [email protected] zurichten. Die Familie und die Gemeinde ei- kann bis zu 50% der Gesamtkosten betra- nigen sich darauf, dass die Bibliothek hier gen. Ein Beispiel für ein Kooperationsprojekt einziehen kann. Allerdings muss der Raum ist die Kindl-Treppe in Neukölln. Dahinter Lichtenrader Augenblick für die Anforderungen der Bibliothek speziell verbirgt sich eine Treppenanlage, die eine Eine Fahrradtour rings um Lichtenrade sollte hergerichtet werden: Ein strapazierfähiger Verkürzung der Wege im Quartier und einen es werden. Doch dann verlieren die beiden Fußboden muss her, außerdem Lärmschutz Zugang zum Kindl-Gelände vom U-Bahnhof den Mauerweg und finden sich in der Braun- und jede Menge Steckdosen für Computer. Rathaus Neukölln aus ermöglicht. felsstraße wieder. Egal, ist ja fast der Mauer- weg. Interessiert stellen sie die Fahrräder ab Stünde unser Beispiel-Haus in einem AZ-Ge- Auch für das AZ-Gebiet Lichtenrade sind Ko- und schauen sich um. Eine Reihe von sechs biet, könnte aus dieser Bibliothek ein Koope- operationsprojekte geplant. Diese beziehen Häusern mit fast quadratischen Fassaden be- rationsprojekt werden. Dann kann der Um- sich auf die Alte Mälzerei und deren Umfeld. geistern sie so, dass sie die Kamera aus der bau aus dem Budget des AZ-Programms So ist ein Umzug der Stadtteilbibliothek und Fahrradtasche holen und Fotos machen. Ein finanziell unterstützt werden, wenn er im eine Niederlassung der Volkshochschule in älterer Herr kommt die Straße herunter und öffentlichen Interesse ist (was bei einer Bib- der Mälzerei vorgesehen, Nutzungen, die im beobachtet das Treiben. Als die Kamera wie- liothek ja so sein sollte). Zum öffentlichen öffentlichen Interesse stehen. Und Eigentü- der in der Fahrradtasche verschwindet, Interesse treten noch andere Gründe, die mer der Mälzerei ist eine Privatperson. Da- spricht er die beiden an: „Ist fast wie im Os- eine Unterstützung begünstigen: Das Pro- mit sind die Rahmenbedingungen für ein ten hier, oder?!“ jekt könnte einen beispielhaften Charakter Kooperationsprojekt gegeben. jh 4 Interview AUSGABE 04 / 2018

Die ganze Straße im Blick behalten Interview mit den Geschäftsstraßenmanagerinnen Johanna Begrich und Lena Horst

Johanna Begrich, können Sie uns etwas zu Was sind die Aufgaben des GSM? terstützen. Neue Aktionen werden meistens Ihrem beruflichen Werdegang erzählen? BEGRICH: Grob gesagt: Förderung der loka- voll durch das GSM finanziert. Allerdings BEGRICH: Schon während meines Studiums len Ökonomie und Unterstützung der loka- werden die verfügbaren Mittel über die Jahre hat mich das Thema „Mensch und Wohnen“ len Gewerbetreibenden. Entscheidend ist, weniger. Dahinter steckt der Gedanke der fasziniert. Dieses Interesse führte mich in dass man die ganze Straße im Blick behält. Verstetigung, den das Programm Aktive Zen- Richtung Quartiersmanagement (QM). Für Unter den Gewerbetreibenden eine Gemein- tren vorgibt. Etwas bedauerlich ist es, wenn drei Jahre arbeitete ich in einem QM in schaft herzustellen, ist eine Herausforde- – wie bei den Weihnachtsbäumen – im ersten Frankfurt am Main, das gerade aufgebaut rung. Die Händler nehmen sich oft als Einzel- Jahr bei Vollfinanzierung ganz viele mitma- wurde. Das Gebiet lag in Zentrumsnähe, war kämpfer in einem Verdrängungswettbewerb chen, im Folgejahr aber nur noch wenige da- durch Verkehrsinfrastruktur-Stränge abge- wahr. Es ist ein bisschen wie QM für Gewer- bei sind. Da gab es „nur“ noch eine 50%ige schnitten. Ein Thema war die „lokale Ökono- be: die Händler stärken und sich überlegen, Finanzierung durch den Gebietsfonds. Ein mie“, die wie in Lichtenrade unter den Vor- wie man ihnen helfen kann, sich selbst zu Gegenbeispiel ist das Kunstfenster. Die Initi- zeichen bevorstehender Baumaßnahmen helfen. Der Vorteil ist, dass es etwas Geld zur atoren haben andere Wege gefunden, die stand. Im Anschluss bin ich zum Verkehrs­ Unterstützung gibt. Es ist eine ganz klassi- Aktion selbständig auf die Beine zu stellen. club Deutschland (VCD) gegangen, wo ich sche Vernetzungs- und Aktivierungsarbeit. Das läuft alleine sicher auch sehr gut. mich mit klimaverträglicher Mobilität insbe- Funktioniert das gut in der Bahnhofstraße? Wie ist die Aktivierung der Gewerbetreiben- sondere für die Generation 60+ beschäftigt BEGRICH: Es ist hier besonders, weil die Ge- den durch das GSM einzuschätzen? habe. Es zog mich zurück nach Berlin, wo ich werbetreibenden schon vorm AZ-Programm BEGRICH: Das GSM ist für alle da, spricht alle zunächst wieder in einem QM arbeitete. aktiv waren. Das ist etwas ganz Wertvolles. an. Bei meinen Rundgängen erlebe ich Schließlich habe ich mich auf eine Stellen- Auch die Rahmenbedingungen sind beson- manchmal, dass Händler mir sagen: „Was ausschreibung der raumplaner beworben. So ders, denn die Baustelle an der Bahn steht soll denn AZ jetzt noch? Es gibt doch schon bin ich nach Lichtenrade gekommen. wie ein großer Elefant immer im Raum. die AG oder die Initiative.“ Wir wollen aber Lena Horst, ist Ihre Beschäftigung beim alle zusammenbringen. Und das ist dann Ist die Parallelität von Bahnbauarbeiten und GSM mehr als „nur“ ein Studentenjob? schon ein Unterschied und eine große Her- AZ-Programm ein unglücklicher Umstand? HORST: In meiner Bachelorarbeit in Ham- ausforderung – zum Beispiel auch die Ärzte BEGRICH: Für uns ist das Timing schon ein burg habe ich die Auswirkungen eines inner- und Rechtsanwälte mit ins Boot zu holen. wenig unglücklich. Sonst könnte man sagen: städtischen Einkaufszentrums auf den um- Die Ärzte als Ankerpunkte sind für die Ge- Guckt mal, ihr habt jetzt zwar eine Baustelle, liegenden Einzelhandel untersucht. Die schäftsstraße wichtig. Deren Patienten wer- aber danach wird alles schöner. Die Dresdner Befürchtungen, dass der neue große Konkur- den weiterhin in die Bahnhofstraße kom- Bahn ist eine Baustelle mit einem Ergebnis, rent den Geschäften Angebot und Kunden men, auch wenn gebaut wird. Und die sind auf das viele sich nicht freuen. Diese Um- klaut, konnte ich nachvollziehen. Gleichzei- auch potentielle Kunden. stände müssen wir als GSM mit auffangen. tig bot sich die Chance, zusätzliche Kunden Wie laufen die Händlertreffen ab? anzuziehen und damit neue Impulse für das HORST: Gleichzeitig bietet der Umbau der BEGRICH: Da gibt es in Sachen Teilnahme bestehende Stadtteilzentrum zu schaffen. Bahnhofstraße jedoch auch eine ungeheure noch Potential. Mal sind es viele, mal weni- Wertvolle Erfahrungen für meine Arbeit in Chance. Ich würde mir wünschen, dass die ge, es kommt auf das Thema an, das behan- Lichtenrade. Hier helfe ich bei verschiedenen positiven Effekte des Umbaus stärker ins Be- delt wird. Im Moment sind wir kurz vor Be- Aktionen zur Vernetzung und Verstetigung wusstsein rücken und dabei die allzu häufige ginn der Bauarbeiten in einer schwierigen der Händlergemeinschaft und betreue den Schwarzmalerei ein bisschen mildern. Phase, viele sind verunsichert. Gebietsfonds. Ich freue mich, wenn dadurch Einige Aktionen der Händler kommen aus viele kleine Erfolge auf dem Weg zu mehr HORST: Es gibt auch viele, die noch nie bei der Zeit vorm GSM. Unterscheiden sich diese Aufenthaltsqualität und Gemeinsinn in der einem Treffen waren. Der E-Mail-Verteiler von denen, die vom GSM initiiert wurden? Bahnhofstraße erzielt werden. Also ein kla- hingegen wächst immer noch. Viele, die HORST: Für uns ist es ein großes Glück, dass res „Ja“: Die Arbeit beim GSM macht nicht nicht kommen, sind trotzdem mit dem Kopf es schon vor uns viele Aktionen gab. Da geht nur Spaß, sie knüpft auch an meine Erfah- dabei. Über den Verteiler erreichen wir sie es nicht darum, Attraktionen zu erfinden, rungen an und bereitet mich damit gut auf und sie können auch auf diesem Weg ihre sondern um die Frage, wie wir am besten un- mein späteres Berufsleben vor. Themen einbringen. AUSGABE 04 / 2018 Interview 5

LENA HORST, 27 (links): studiert im Masterstudiengang Stadt- und Regionalplanung an der TU Berlin. Seit Sep- tember 2017 arbeitet sie als studentische Mitarbeiterin beim GSM. JOHANNA BEGRICH, 37 (rechts): ist Diplom-Geografin und kommt aus Berlin. Sie studierte im Nebenfach Soziologie und Politik, Schwerpunkt Stadtentwicklung. Seit Juni 2017 betreut sie für die raumplaner das Geschäftsstraßenmanagement (GSM) im AZ-Gebiet Bahnhofstraße.

Von einigen wird als Kritikpunkt der Wegfall BEGRICH: Es müsste eigentlich laut unseres Wünsche der Lichtenrader. Auch Wohnun- von Parkplätzen genannt, der die Geschäfte Auftrags mehr konzeptionell sein. Das Ge- gen entstehen, in die neue Nachbarn einzie- dort beeinträchtige. Stimmt das? schäftsstraßenkonzept etwa wartet darauf, hen. Lichtenrade wird größer. BEGRICH: Dass Parkplätze wegfallen wer- erstellt zu werden, auch das Baustellenma- HORST: Ich weiß noch, als ich das erste Mal den, ist Ergebnis eines Kompromisses des nagement-Konzept. Was vergeben wird, ist nach Lichtenrade kam, hat mich vor allem Verkehrs- und Gestaltungskonzeptes. Ich bin theoretisch weg vom eigenen Schreibtisch. der ebenerdige S-Bahnübergang fasziniert. optimistisch, dass damit Verbesserungen Trotzdem hat man noch Arbeit damit. Man Obwohl wir hier ja immer noch in Berlin sind, einhergehen und die Geschäfte eben nicht muss diese Projekte betreuen, sich abspre- fühlt es sich relativ dörflich an. Das sehe ich beeinträchtigt werden, sondern es Vorteile chen, rückkoppeln. Es gibt im Moment drei für mich persönlich als kleinen Schatz. Es bringt. An anderen Stellen zeigte sich, dass solcher Projekte, die das GSM betreffen: der entspannt mich tatsächlich ein bisschen, in Geschäftslagen, die für Fußgänger und Lieferverkehr, die Positionierungsstrategie nach Lichtenrade zu kommen. Radfahrer attraktiv sind, mehr Geld gelassen und die Auswirkungsanalyse für das Areal wird als in solchen, die vor allem mit dem rings um die Alte Mälzerei. Einiges baut auf- Macht die Arbeit beim GSM Spaß? Auto angefahren werden. Die Kunden parken einander auf, sodass wir in der Reihenfolge BEGRICH: Ja, ich finde sie gut. Manchmal vor dem Laden, kaufen was sie brauchen und nicht ganz frei sind. So ist das Geschäftsstra- braucht man ein dickes Fell, wenn man in ei- sind wieder weg. Als Fußgänger bekommt ßenkonzept unbedingt in Zusammenhang nen Laden geht zum Beispiel und eigentlich man Kaufanreize aus den umliegenden Ge- mit der Auswirkungsanalyse für das neu an- ein Angebot kommunizieren will und sich schäften. Der Kfz-Verkehr insgesamt sollte zusiedelnde Gewerbe in der Mälzerei zu be- dann erstmal anhören muss, wie schlecht al- weniger und ruhiger werden. Geschäftsstra- trachten. Auch die Positionierungsstrategie, les ist. Aber man trifft sehr viele freundliche ßen punkten heutzutage vor allem mir ihrer in der gefragt wird, wie sich die Bahnhofstra- Menschen, die interessiert sind und Lust ha- Aufenthaltsqualität und ihrer Individualität, ße aufstellen sollte, um langfristig erfolg- ben, etwas gemeinsam zu machen. nicht primär mit ihren Parkplätzen. reich zu bleiben, gibt wichtige Bausteine fürs Mit welchen Anliegen kommen die Händler Geschäftsstraßenkonzept vor. Die Zusammensetzung der hiesigen Händ- zum GSM? lerschaft ist insofern besonders, dass es hier HORST: Auch der Gebietsfonds nimmt eini- BEGRICH: Viele Fragen kommen zum Thema noch viele inhabergeführte Läden gibt. ges an Zeit in Anspruch. Manche Anträge Bauen, gerade zu aktuellen Projekten und Macht das die GSM-Arbeit einfacher? oder Abrechnungen sind kompliziert und da zum Gebietsfonds. Manchmal kommen An- HORST: Auf jeden Fall. Man weiß ja immer, unterstützen wir die Antragsteller gerne. fragen, in denen jemand leerstehende Ge- wen man ansprechen kann. Diese Ansprech- werberäume sucht. Da können wir leider Gibt es so etwas wie die „verborgenen partner haben ein großes Interesse an allem, auch nicht weiterhelfen, wir sind keine Mak- Schätze“ von Lichtenrade? was der Förderung des Geschäftsklimas ler. Was wir wissen, geben wir natürlich wei- BEGRICH: Ich denke, dass man das Steinstra- dient. Es ist eher schwierig, Filialisten anzu- ter. Und in der Regel weiß ich schon, wohin ßenareal zu oft vergisst. Alle sind so auf die sprechen. Obwohl, hier sind einige sehr ko- ich die Leute weiterleiten kann. Prinzipiell Baustellen an der Bahn und in der Bahnhof- operativ und aktiv, etwa Apollo oder Edeka. können die Händler also mit jedem Anliegen straße fixiert, dass die Steinstraße hinten aufschlagen. Ist Ihre Arbeit in Lichtenrade mehr das In- runterfällt. Was dort entsteht wird viel ver- der-Straße-unterwegs-sein oder ist es eher ändern, im positiven Sinne. Da wäre Platz für eine konzeptionelle Tätigkeit? einen Biomarkt oder die anderen unerhörten

Interview: Johannes Hayner, Foto: Johannes Hayner 6 Straßenumfrage AUSGABE 04 / 2018

Finden Sie die wechselnden Berliner Ferientermine gut? Und wann hätten Sie am liebsten

TOM, 11 JAHRE: Ferien? meint, sein asiatischer Name wäre zu kompliziert, wir sollen ihn wie alle Tom nennen. Seine Meinung: Die Ferien sollten so früh wie möglich starten, weil er es zum Ferien?Schluss nicht mehr abwarten kann.

GERNOT, 46 JAHRE:

ist leidenschaftlicher Wanderer, und bisher ziehen seine beiden Kinder mit. Als Hoch- gebirgs-Fan hätte er gern späte Ferien, weil im Juni manchmal die Alpenpässe noch verschneit sind.

RICO, 14 JAHRE:

hat einen Freund in Bayern. Die Familien fahren gerne gemein- sam in den Urlaub. Er beneidet die Bayern darum, dass sie im- mer wissen, wann im nächsten Jahr Ferien sind – nämlich genau wie immer. Bisher hat es aber meistens zu wenigstens ein paar gemeinsamen Ferientagen gereicht.

MATS, 10 JAHRE: MURAT, 12 JAHRE : war letztes Jahr in der dritten Klasse. Da hat er gemerkt, dass zwischen verbringt die Sommerferien bei seiner Sommerferien und Weihnachten Familie in der Türkei. Egal, ob die Ferien eine lange Zeit zu überbrücken ist. früh oder spät sind: Wenn er ankommt, Nun wünscht er sich späte Ferien, sind seine Großeltern, die sonst auch in damit der Weihnachtsmann früher Berlin wohnen, schon da. Wenn er fährt, kommt. bleiben sie noch Wochen dort. Klar: Murat wünscht sich längere Ferien! AUSGABE 04 / 2018 Straßenumfrage 7

HAGEN, 43 JAHRE:

hat drei Kinder und es nervt ihn, sich jedes Jahr neue CHRISTIANE, 45 UND HARALD, 56 JAHRE: Ferientermine merken zu müssen. Am liebsten wäre ihm deshalb ein fixes Datum für den Ferienbeginn, egal auf ist das Thema inzwischen völlig egal. Seit ihre welchem Wochentag der liegt. Einen Vorschlag, wann Kinder aus der Schule sind, fahren sie grundsätz- das sein soll, hat er auch: der 10. Juli. lich außerhalb der Ferien in den Urlaub. Wobei – räumt Harald lachend ein – man dafür natürlich Ferien? auch wissen muss, wann diese sind.

THOMAS, 28 JAHRE:

Mit Blick auf viele europäische Reiseziele findet KAROLA, 60 JAHRE: er frühe Ferien gar nicht schlecht. Denn dann haben zum Beispiel die Franzosen oder die Itali- ist in der ehemaligen DDR aufgewach- ener selbst noch keine Ferien und die Strände sen. Da waren immer zwei Monate frei, sind nicht so voll wie im August. Sein Tipp ist, der ganze Juli und der ganze August. schon im Juni aufzubrechen. Am Ende der Ferien hat sie sich immer schon wieder auf die Schule gefreut, weil ihr langweilig wurde. HANNA UND EMMA, FAST 9 JAHRE:

haben am 4. August Geburtstag. Die Zwillinge können dann nie feiern, weil alle ihre Freundinnen im Urlaub sind. Am liebsten wäre es ihnen des- halb, wenn die Ferien an ihrem Geburtstag erst anfangen würden.

VERONIKA, 53 JAHRE:

fährt mit ihrer Familie jedes Jahr nach Andalusien in dasselbe Dorf. Sie freut sich, dass die Ferienzeit wechselt. So kann sie dort unterschiedliche Phasen des Sommers kennenlernen.

Illustrationen: Søren Tang Bertelsen 8 Ökumenische Umweltgruppe AUSGABE 04 / 2018

Lost in Lichtenrade Unterwegs auf dem südlichen Mauerradweg

Ferienzeit. Wer (noch) nicht weggefahren oder schon wieder zurück steig und Putenweg ist, macht gern einen Ausflug in die nähere Umgebung. Was bietet gehen. Am Rudower sich an? An Lichtenrade vorbei führt der Berliner Mauerweg, der den Fließ werden wir zu- ehemaligen Verlauf der innerdeutschen Grenze rund um Westberlin rück an die alte Gren- auf 160 km er- und befahrbar macht. Um zu sehen, welches Erlebnis­ ze geführt und pas- potential sich dort bietet, sind wir einen Teil des Mauerwegs mit dem Fahrrad von Schöne- feld bis gefahren.

Es ist ein freundlicher Tag mit Wolken am Morgen, die im Laufe des Tages verschwinden werden. 22°C, ideales Radlerwetter. Der Ein- sieren eine gewaltige Brombeerhecke, die eine stieg in den Mauerweg ist an der Waltersdor- Milderung der angespannten Lage in der fer Chaussee, dort, wo früher ein Grenzüber- Bauchgegend meiner Begleiterin ermöglicht. gang in Richtung Süden führte. Praktisch Die ersten Beeren sind reif und wer Brombee- direkt daneben: der Flughafen Schönefeld. 2,1 ren kennt, weiß, dass diese über Wochen Stück km sind es von hier zur U7, Endstation , für Stück nachreifen und somit noch wie einer der charismatischen Wegweiser verrät, die wir auf der manchen Radler verköstigen können. Strecke noch öfter sehen. Der idyllische Familienbauernhof Stadt- Genug übrig gelassen haben wir jeden- rand steht am Wegesrand. Ein Spielplatz, der mit bäuerlichen Spiel­ falls … elementen wie Traktor, Arbeitspferd und Anhänger kindliche Nutzer Schmale asphaltierte Wege, Betonplat- anlockt, gehört dazu und stimmt mit seinem anti-urbanen Ambien- ten, Kieswege und Wege auf märki- te auf die folgenden 30 Kilometer ein, die wir vor uns haben. Meine schem Sand wechseln sich über den Begleiterin macht auf ihren aufkommenden Hunger aufmerksam, gesamten Wegverlauf ab. Mal sind wir aber ich stelle sicher am Weg zu erwartende Beköstigungs- auf dem ehemaligen DDR-Grenzpos- möglichkeiten in Aussicht und drängle zum Start. tenweg unterwegs, mal auf dem West- berliner Pendant, das wesentlich zivi- LICHTENRADE ler genutzt wurde. Durchweg ist der Weg aber gut befahrbar und man wun- dert sich, dass ziemlich wenige Men- schen ihn nutzen, zumal Ferien sind. Nach wenigen Kilometern erreichen wir den ehemaligen Grenzübergang für Mülltransporte am Kölner Damm. Gegen Devisen entsorgte die DDR Westberliner Haushaltsmüll auf ih- ren Deponien. Eine davon ist an dieser Stelle als gewaltiger Berg zu Zunächst führt uns der schmale, sehen. Ab 1997 wurde hier auch Bauschutt und Erdaushub von der asphaltierte Weg entlang des Großbaustelle am Potsdamer Platz angefahren, auch um die Deponie nördlich gelegenen Südparks Rudow in Richtung Westen. Reiterhöfe langfristig zu sichern. Bagger, Kipplaster, Planierraupen und weiteres rechts, Felder links. Der Weg ist gut und von Bäumen begleitet, also schweres Gerät sind aus der Ferne dabei zu bewundern, wie sie den vermutlich beschattet. Für eine sichere Auskunft in dieser Sache war Berg in eine Freizeitanlage umgestalten. das Wetter noch nicht geeignet, erst später kam die Sonne heraus. Wenig später treffen wir erstmals auf das dunkelste Kapitel, das sich Der gut mit grauen Schildern markierte Mauerweg erfährt wenig spä- mit diesem Weg verbindet. Was heute als touristisches Angebot zur ter eine Umleitung, die ihn vom ehemaligen Grenzverlauf wegführt. Erkundung der Berliner Vergangenheit da steht, wurde ursprünglich Man freut sich über den Erfindungsreichtum Rudower Straßenna- angelegt, um Menschen daran zu hindern, eine freie Entscheidung mensgeber, auf deren Konto Namen wie Kapaunenstraße, Geflügel- AUSGABE 04 / 2018 Ökumenische Umweltgruppe 9

hier für eine normale Berliner Straße halten. Heute, 29 Jahre nach der Maueröffnung, ist der Unterschied zwischen alter DDR und Westber- lin an manchen Stellen nicht mehr auszumachen – an anderen schon. Wo nicht, lassen zumindest die Rudolf-Breitscheid- und Karl-Lieb- knecht-Straßen erahnen, was einst DDR war.

Wenig später erreichen wir nach abgeernteten Kornfeldern und wei- ten Blicken ins Brandenburgische Lichtenrade. Und haben auch schon den Mauerweg verloren. Ein Pärchen, das in unsere Richtung unter- wegs ist, irrt ebenfalls orientierungslos umher. Wir ziehen eine Karte zur Hilfe. Nun, es ist einfach: So weit wie möglich in Richtung Bran- denburg, da muss der Weg sein. So fahren wir irregulär die Braunfelsstraße, ehemals letzte Straße im freien Berlin, entlang bis zur Großziethener Straße. Dort treffen wir auf den Grenzstreifen, auf dem sich gerade Circus Hopplahopp eingerichtet hat. Gerade ist keine Vorstellung, also weiter.

Südlich der Großziethener Straße erwarten uns idyllische Waldwege, die, als der Weg nach Westen abbiegt, immer schattiger werden.

SCHÖNEFELD über ihren Aufenthalt zu treffen – mit brutalsten Mitteln. Eine Stele Lichtenrade präsentiert sich dunkel: Wald und Pioniergehölz säumen erinnert an Eberhard Schulz, der an dieser Stelle versuchte, nach den Grenzstreifen und lassen kaum Durchblicke zu. Kurz vorm Kirch- Westberlin zu gelangen und dabei erschossen wurde. Wie Hohn hört hainer Damm empfängt uns eine Streuobstwiese. Leider sind wir zu sich da an, was die „Singegruppe Hermann Jahn“ in ihrem Lied „Wir spät für die Kirsch- und zu früh für die Apfelsaison, die Verkostung Grenzsoldaten“ dazu dichtete und sang: muss verschoben werden.

Wir Grenzsoldaten halten Wacht, Schnell erreichen wir die Dresdner Bahn, die man hier nicht queren sind nicht zu überlisten! kann. Mauerweg-Nutzer werden zur Horstwalder Straße umgeleitet. An unseren Grenzen bricht die Macht Wir fahren noch ein Stückchen weiter, um am S-Bahnhof Lichtenrade der Imperialisten! eine Currywurst zu essen. Gut gestärkt geht es zurück zur Wegstre- cke, am Ende der Mozartstraße rechts. Der Weg westlich von Lichten- Es hat sich schon so mancher hier rade ist deutlich lichter und von Birken gesäumt. In der Ferne taucht den Schädel eingerannt. das dreitürmige Kraftwerk von Lichterfelde auf, weiter hinten schon In unser Haus geht‘s durch die Tür Potsdam. Der Mauerweg empfindet die ehemals exponierte Lage und nicht durch Wand. Lichtenrades als südlichste Enklave Westberlins nach, die in drei Him- melsrichtungen vom Osten umgeben war. Wer weiß schon, was 28 Zynischer geht’s nicht, und Eberhard Schulz und all die anderen Mau- Jahre als Vorposten der freien Welt im Moskauer Imperium in der See- eropfer, an die auf dem Mauerweg erinnert wird, wollten ja nicht in le Lichtenrades hinterlassen haben … „unser“ Haus – sondern hinaus. Mit einem Kloß im Hals geht es weiter. An der Osdorfer Straße in Lichterfelde verlassen wir den Weg. Ein ge- lungener Tag liegt hinter uns. Der südliche Mauerweg ist angenehm Wie aus dem Nichts stehen plötzlich Hochhäuser vor uns: Gropius- zu fahren, die Topographie nicht anstrengend, die Beschilderung gut. stadt. Bis direkt an die Mauer heran haben die Planer ihre bis zu 30 Wer an der Geschichte des Weges interessiert ist, bekommt viele In- Etagen hohen Wohngebäude gestellt, auch aufgrund der sich nach formationen. Einziges Manko: Die Verköstigung auf der Strecke lässt dem Mauerbau 1961 radikal veränderten Rahmenbedingungen. Süd- Wünsche offen. Entweder man nimmt sich Verpflegung mit oder man lich der hat sich der Osten verändert. Großziethen ist an nimmt einen kleinen Abstecher in die Ortszentren in Kauf. Aber das Berlin herangewachsen. Wer es nicht besser weiß, würde den Weg kann ja auch immer ganz interessant werden …

Text und Fotos: Johannes Hayner 10 Reportage AUSGABE 04 / 2018

Taner Aksöz, Hausherr in der alten Villa am Kirchhainer Damm Man weiß nie, was dabei rauskommt Zu Besuch bei Taner Aksöz, Geschäftsführer der Norcros Manufaktur GmbH

Der Besucher klingelt am Eingangstor der alten Villa am Kirchhainer Aksöz die Produktion als Hasardspiel beschreibt: „Es ist wie russi- Damm 104, die sich hinter hohen Bäumen, steinernen Mauern und sches Roulette. Die Textilien werden bei 70°C acht Stunden gewa- einem großen Tor vor neugierigen Blicken versteckt. Ein Hauch von schen. Und man weiß nie, was dabei rauskommt. Aber wir mögen Edgar Wallace liegt in der Luft, als sich wie von Geisterhand das Tor das.“ öffnet. Doch statt eines zwielichtigen Butlers mit Schmiss oder einer starräugigen Zofe nimmt mich ein freundlicher Mann in Empfang, der Norcros besteht heute im Wesentlichen aus Serpil und Taner Aksöz. mit schnellen Schritten und ausgestreckter Hand auf mich zukommt. Die Firma ist mit der Produktion von Textilien groß geworden. Für „Hallo, ich bin Taner Aksöz“, sagt er, „herzlich Willkommen bei Labels aus ganz Europa produzierten sie über Jahrzehnte Textilien in Norcros.“ Statt englischem Grusel also Berliner Mode mit einem tüch- der Türkei. Zeitweise gehörten 250 Mitarbeiter zum Unternehmen. tigen Schuss Bosporus – beruhigend, aber nicht weniger aufregend. Heute wird die Produktion unter Regie von Norcros von Lohnateliers ausgeführt. Design, Zuschnitt und Endkontrolle übernimmt Norcros Mit staunenden Augen betritt der Besucher die Villa. Das Treppen- selbst. Mit der heutigen Ex-und-Hopp-Mentalität der Modebranche, haus ist holzvertäfelt und großzügig, auf bequemen Stufen gehen wir wo T-Shirts weniger als ein Brot kosten, oft aber auch so aussehen, leichten Fußes ins Obergeschoss. Interessiert frage ich nach der Ge- sind viele Produzenten nach Fernost ausgewichen. Auch Norcros hat schichte des Hauses. Taner Aksöz erzählt, dass hier einst die Leiter sein Glück in Bangladesch versucht, die ganze Familie – die Aksöz’ des benachbarten Sanatoriums Birkenhaag wohnten. Das Sanatori- haben eine Tochter und einen Sohn – zog nach Dhaka. Die Probleme um gibt es lange nicht mehr, irgendwann stand auch die Villa leer. Er ließen nicht auf sich warten: „Wenn du in Bangladesch eine Produkti- ist vor zwei Jahren privat und mit der Firma eingezogen. Weitere Mie- ter existieren nicht. Es gibt also Platz. Auf kunstvoll verlegtem Fisch- Eine Herausforderung war für Norcros, grät-Parkett leitet mich Herr Aksöz in seinen Showroom. die neue Marke bekannt zu machen.

Der Raum macht nicht den Eindruck einer Boutique, dafür ist er zu on einrichtest und für fünf Tage wegfährst, sieht es nach den fünf individuell eingerichtet. In der steht ein großer Tisch, an den Tagen aus wie am ersten. Man muss immer da sein, 365 Tage im Wänden zwei Druckmaschinen; über sie wird noch zu reden sein. Was Jahr“, beschreibt Aksöz sein Dilemma. Berlin und Istanbul als Lebens- in den Auslagen liegt, sind sämtliche Entwürfe von Taner und vor al- mittelpunkte aufzugeben, war nicht beabsichtigt. So entschieden sie: lem seiner Frau Serpil Aksöz. Den Teilen sieht man die Liebe zum De- „Wir müssen das hier nicht machen“, und brachen die Zelte ab. tail an, zum Beispiel stück-gefärbte Textilien aus mehreren Materiali- en, die im Rohzustand vernäht und erst dann gemeinsam eingefärbt Das Ehepaar beschließt, mit einem eigenen Label sein Glück zu versu- werden. Interessant, was die gleiche Behandlung bei unterschiedli- chen. Paul Grant wird geboren. Was steckt hinter dem Namen? Taner chen Materialien auslöst. Der Effekt ist so einfach wie schön. Wobei Aksöz lacht: „Es ist eine Idee meiner Frau. Es war schon länger ihr AUSGABE 04 / 2018 Reportage 11

Wunsch, eigene Sachen zu machen. Einmal, mitten in der Nacht, sie war noch in Bangladesch, ich in Istanbul, weckte sie mich mit einem Anruf.“ Serpil Aksöz stellte ihrem schlaftrunkenen Mann Paul Grant vor, Produkt einer spontanen Eingebung. Ihren Auftrag, sich um die Namensrechte in Deutschland zu kümmern, hatte er vergessen, als am nächsten Morgen der Wecker klingelte. In den knapp fünf Jahren seiner Existenz hat sich der Name als Glücksgriff erwiesen. Bei „Paul Grant“ denken viele, sie hätten den Namen schon mal gehört. Paul wird mit einem lebenslustigen Mann assoziiert, der das Leben ge- nießt, aber durchaus wählerisch ist. Der Zusatz Grant ist internatio- nal und leicht zu merken.

In den wechselnden Paul-Grant-Kollektionen für Damen und Herren finden sich Jeans, Oberteile, Kleider, T-Shirts und vieles mehr, das meiste davon im Casual-Style. Die „Renner“ sind abgesteppte Dau- nenjacken mit Elementen aus angerautem Baumwollstoff. Der moderne Direktdruck ermöglicht fotorealistische Abbildungen mit Millionen Farben Eine Herausforderung war für Norcros, die neue Marke bekannt zu machen. Zwei Vertreter wurden engagiert, die deutschlandweit Bou- Nun also Lichtenrade - wie ist es dazu gekommen? Früher hatten sie tiquen aufsuchten. Klappte so lala. Taner Aksöz nahm die Sache einen Laden, ein Lager und eine Wohnung – über Berlin verteilt. War- selbst in die Hand. So schnurrte er mit seinem Kombi 90.000 km her- um sollte man nicht alles an einem Ort vereinigen? So landeten sie unter, im gesamten deutschsprachigen Raum. Das Ergebnis ist ein am Kirchhainer Damm, wo sich dies wunderbar realisieren ließ. Lich- Abnehmer-Netz vom Bodensee bis nach Schleswig-Holstein. tenrade findet er gut, die richtige Mischung zwischen Stadt und Ruhe.

Hier, in der meditativen Ruhe der Lichtenrader Villa, ist die neue Ge- schäftsidee von Taner Aksöz entstanden. Mit den bereits erwähnten Druckmaschinen möchte er die Individualisierung von Textilien schneller und besser machen. Egal ob Fußballmannschaft, Kneipen- team oder Arztpraxis, der Wunsch nach preiswerten Möglichkeiten, die Kleidung entsprechend zu kennzeichnen, ist groß. Mit seinen mo- dernen Direktdruckmaschinen kann Aksöz Millionen von Farben in fotorealistischer Qualität auch in Kleinstauflagen erzeugen – zu ei- nem fairen Preis und von einem Tag auf den anderen. Hinzu kommt das gut gefüllte Lager, in dem T-Shirt-Rohlinge in verschiedenen Grö- ße, Farben und Ausführungen liegen – natürlich in Norcros- Qualität.

Bleibt noch die Frage, wie potentielle Kunden an die Angebote von Norcros kommen. Zunächst lädt Aksöz alle herzlich ein, ihn am Kirch- hainer Damm 104 zu besuchen – egal, ob man sich individuell einklei- Für die Bedruckung stellt Norcros ab sofort 2 Mitarbeiter ein den möchte, größere Posten für den eigenen Laden auf Kommission sucht oder sich für Bedruckung interessiert. Hier winken Outlet-Prei- So viel Expertise im Textilbereich - dahinter stecke doch sicher eine se und ein ungewöhnliches Ambiente. Feste Öffnungszeiten gibt es solide Ausbildung, will ich wissen. Taner Aksöz lacht: „Wir beide sind nicht, am besten sei es, vorher anzurufen (0176 / 30 55 50 57) und Autodidakten!“ Erste Berührungspunkte in die Welt der Mode ent- einen Besuch zu verabreden. Augenzwinkernd fügt er hinzu: „Lich- standen, als Taner, Sohn einer türkischen Gastarbeiterin der ersten tenrade bekommt natürlich Nachbarschaftsrabatt!“ Ab Anfang Sep- Generation, am Otto-Suhr-Institut der FU Politikwissenschaften stu- tember wird zudem auf der Norcros-Webseite www.norcros.de ein dierte. Die Tochter war unterwegs. Das Paar brauchte ein sicheres Shop eröffnet, über den man von überall aus individuelle Bedruckun- Einkommen. Familiär vorbelastet durch die zuhause nähende Mutter gen bestellen kann. und mit einem intuitiven Gespür für Material, Verarbeitung und Mode ausgestattet, griff Serpil Aksöz zu, als ihr eine Änderungsschneiderei Es wird Zeit zu gehen. Ich bitte den Hausherrn, mir noch einen Blick in in angeboten wurde. Schnell kam ein zweiter Laden hinzu - die weiteren Räume der Villa zu gewähren. Nicht ohne Stolz macht er die Keimzelle von Norcros. In den 30 Jahren, die seitdem vergangen eine kleine Führung und weist auf ein besonderes Detail hin: In jedem sind, haben sie in Sachen Produktion alles mitgemacht - und dabei Raum gibt es eine versteckte Klingel, über die man früher den Butler mehr gelernt als in jeder Ausbildung. Die Kunden von anderen Labels, rufen konnte. Heimlich drücke ich den Knopf – und bin beruhigt, dass für die Norcros arbeitet, lieben insbesondere Frau Aksöz, weil sie im nichts passiert. Paul Grant ist mir heute lieber als Edgar Wallace. Produktionsbereich sehr genau ist.

Text und Fotos: Johannes Hayner Lichtenrader ehagener Str.

Mellener Damm

Lichtenrade

Str. 6 Auf der Übersichtskarte Bahnhofstraße Zescher Str. zum AZ-Gebiet verorten i wir Einrichtungen, die in der Zeitung redaktionell Erwähnung finden. Goltzstraße 5 1 AZ-Büro 2 S-Bahnhof Lichtenrade 3 südlicher Mauerweg 4 Norcros Manufaktur 5 Braunfelsstraße 1 2 3 4 6 Alte Mälzerei

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