Ein Neues Zuhause Schaffen
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Ein neues Zuhause schaffen. Zwischen Raumverlust und Raumaneignung: der Wohnraumpro- zess der Zufluchtsuchenden im Nachkriegsdeutschland – dargestellt am Landkreis Harburg Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades Doktor der Philosophie (Dr. phil.) der Fakultät für Geisteswissenschaften der Universität Hamburg Institut für Volkskunde/Kulturanthropologie vorgelegt von Corinna Löhning aus Lüneburg Hamburg im Juli 2018 Erste Gutachterin: Prof. Dr. Sabine Kienitz Zweiter Gutachter: Prof. Dr. Norbert Fischer Tag der mündlichen Prüfung 20. Mai 2019 2 Eidesstattliche Erklärung Ich versichere an Eides Statt durch meine eigenhändige Unterschrift, dass ich die beiliegende Arbeit selbständig und ohne fremde Hilfe angefertigt und alle Stellen, die wörtlich oder annä- hernd wörtlich aus Veröffentlichungen entnommen sind, als solche kenntlich gemacht habe. Außerdem habe ich mich keiner anderen als der angegebenen Literatur bedient. Diese Versi- cherung bezieht sich auch auf zur Arbeit gehörige Zeichnungen, Skizzen, bildliche Darstel- lungen etc. _____________ ___________________________ Ort, Datum Unterschrift (Vor- und Nachname) 3 Inhaltsverzeichnis A. Einleitung 8 I. Hinführung zum Thema 8 II. Untersuchungsgegenstand 9 III. Fragestellung und Forschungsstand 12 IV. Vorgehensweise 15 1. Empirischer Zugang 15 2. Quellenmaterial 20 B. Räume der Mobilität 24 I. Einleitung 24 II. Vom Erholungsraum zum Übergangsraum 27 III. „Es war immer ständig ein Kommen und ein Gehen nach diesen Angriffen“ −Pendelmobilität 31 IV. „...wir waren in dieser Pufferzone“ − administrierte Mobilität 36 V. Wie Bedarfsmobilität den Raum verändert 39 C. Räume des Übergangs 47 I. Einleitung 47 II. Szenarien des Ankommens 50 1. Über das Delegiertwerden im Raum 51 2. Der Geschmack des Ankommens 52 3. Facetten der eigenen Fremdheit 54 4. Räume des Transits 55 5. Zwischen Ausgrenzung und Teilhaftwerden 57 4 6. Integration durch Mitarbeit 59 7. Die Vereinnahmung des privaten Raumes der einheimischen Bevölkerung 61 durch die Zufluchtsuchenden III. Die Bewirtschaftung des Raumes – die administrative Aneignung von Wohnraum 64 1. Die „Disziplinierung“ des privaten Wohnraumes – eine neue Raumordnung entsteht 65 2. Die Beschlagnahmung des Wohnraumes 67 3. Das Verhandeln um Raum – die Administrative als Bindeglied 70 4. Das Neuprivatisieren von Wohnraum 72 5. Das Prinzip der Konkurrenz im Raum 74 IV. Das Wohnen im Übergang 76 1. Auf der Schwelle von Besitz und Besitzlosigkeit – über die Bedeutung 77 von Artefakten und Objekten in der Phase des Übergangs 2. Transfer von Hausrat zwischen Einheimischen und Zufluchtsuchenden 79 3. Möbelprogramme für Zufluchtsuchende 81 4. Wenn Not erfinderisch macht – Artefakte des Übergangs 83 5. Zwischen Besitz und Besitzlosigkeit – die Wochenendhäuser 84 als Schauplatz des Mangels 6. Facetten der Beengtheit im Raum − über Wahrnehmungen und Strategien 86 7. Über das Verstehen und Nichtverstehen im neuen Raum 95 8. Über die Bedeutung der Selbstbestimmung 96 9. Übergangswohnraum als Ausweg aus der Fremdbestimmung 98 10. Vorurteile und Konflikte im Wohnraumprozess 100 11. Wahrnehmungskonstruktionen − Selbstidentifikation und 102 Fremdwahrnehmung in der Phase des Übergangs D. Räume des Ankommens 106 I. Einleitung − neue Siedlungen in der Nachkriegszeit 106 5 II. Im Keller wohnen − der Wunsch nach einem Eigenheim 108 1. Neue Raumkonstellationen − Wie Wohnraum über Vernetzung hergestellt wird 110 2. Im Keller wohnen − die Baustelle als Neubeginn 113 3. Über den Umgang mit dem Kellerwohnraum 114 4. Zwischen Neuanfang und Ausgrenzung − Mechanismen des „Otherings“ 123 in einer Siedlung III. Steine herstellen 126 1. Organisierte Selbsthilfe und Baumaterialbeschaffung 127 2. Wie Raum über die Steinproduktion konstituiert wurde 129 3. Bauland als Identitätsraum 132 4. Das Siedlungshaus als Bedeutungsraum 134 IV. Die Entstehung eines neuen Raumes unter administrativer Einflussnahme 138 1. Organisationsformen und Finanzierung von Siedlungsvorhaben 140 unter politischer Regelung 2. Zwischen Herkunftsraum und neuem Raum − finanzielle Unterstützung 143 als Medium der Raumaneignung 3. Über das Zuteilen von Siedlungsraum 147 4. Der Einfluss der Raum-Vorschriften auf das Wohnen und Leben in der Siedlung 153 5. Der Einfluss des Materialmangels auf das Bauen und Wohnen 154 V. Das Wohnen in einer Nachkriegssiedlung 162 1.Von der Antistruktur zu fremdbestimmten Struktur? − Der Einfluss 163 der Raum-Vorschriften auf das Wohnen 2. Der Umgang mit dem Wohnraum 167 3. Mobiliar in der Anfangszeit 173 4. Über die Raum-Ordnung und den Frei-Raum im Wohnraumprozess 179 6 VI. Zwischen Heim(at)verlust und Eigenheim: wie Raum und Ankommen 186 zusammenhängen 1. Wie die alte und neue Existenz das Ankommen im Raum beeinflussen 188 2. Wie wurde die soziokulturelle Identität wieder hergestellt? 191 3. Heimat als Ressource? − wie die Erinnerung an die alte Heimat den Aufbau 194 der neuen Existenz beeinflusste 4. Zwischen Identitätszuschreibung und Identitätsfindung 197 5. Eigenzeit und Eigenräume − die Ordnung vom Eigenen und Fremden 200 E. Resümee 203 F. Anhang 229 I. Kurzfassung 229 II. Abstract 230 III. Dokumente 232 G. Quellen- und Literaturverzeichnis 239 I. Ungedruckte Quellen 239 II. Gedruckte Quellen und zeitgenössische Literatur 239 III. Zeitungsartikel 243 IV. Literatur 244 V. Eigene Veröffentlichung im Rahmen der Promotion 267 VI. Bildnachweis 267 VII. Abkürzungsverzeichnis 267 7 A. Einleitung I. Hinführung zum Thema 2020 jährt sich das Ende des Zweiten Weltkrieges zum 75. Mal, und somit rückt auch die Er- innerung an Flucht, Vertreibung und organisierter Zwangsumsiedlung wieder verstärkt in das Bewusstsein der Öffentlichkeit. Dabei hat das Thema Flucht und Vertreibung selbst nach über 75 Jahren immer noch nicht an Aktualität eingebüßt. Flucht und Vertreibung beschreiben ei- nen langen Prozess. Angefangen bei dem Verlassen eines Ortes, über den Weg, den die Men- schen gehen müssen, bis zur Ankunft in einem neuen und oft beziehungslosen Raum. Hier treffen die Geflüchteten häufig auf bereits beanspruchten Grund, den es neu aufzuteilen gilt – und schließlich geht es auch um das Mit- und Nebeneinanderwohnen. Nach dem Zweiten Weltkrieg war dies aufgrund der hohen Anzahl an Flüchtlingen und Vertriebenen sowie der angespannten Wohnraumsituation infolge der Kriegszerstörungen keine einfache Aufgabe. Schätzungsweise 20 Millionen Menschen hatten ihr angestammtes Zuhause verloren. Auf- grund des anhaltenden Zustroms von Vertriebenen und Flüchtlingen hatte sich die Bevölke- rungszahl Westdeutschlands gegenüber dem Vorkriegsstand um 20% auf etwa 51 Millionen erhöht.1 Die fast 8 Millionen Flüchtlinge und Vertriebenen, die bis 1950 in der Bundesrepub- lik aufgenommen wurden, blieben zunächst überwiegend in den grenznahen Landkreisen Schleswig-Holsteins, Niedersachsens, Hessens und Bayerns. Der Bevölkerungszuwachs be- trug dort gegenüber dem Vorkriegsstand über 50 %. Niedersachsen gehörte aufgrund seiner Nähe zur sowjetisch besetzten Zone zu den Ländern mit den höchsten Flüchtlingsanteilen in der Bevölkerung2 In Niedersachsen wurden mit rund 1,8 Millionen Menschen nach Bayern die meisten Flüchtlinge und Vertriebenen aufgenommen. Die Hauptlast trug hierbei der östliche Teil Niedersachsens. Allein im Regierungsbezirk Lüneburg hatte sich die Bevölkerungszahl 1950 gegenüber dem Vorkriegsstand von 1939 verdoppelt. Demgegenüber stand, dass wäh- rend des Zweiten Weltkrieges jedoch über 20 % des gesamten Wohnraums in Deutschland zerstört wurde. Noch 1950 mussten sich in der Bundesrepublik statistisch jeweils drei Haus- halte zwei Wohnungen teilen. Darüber hinaus verfügte nur etwa die Hälfte der Haushalte über 1 Axel Schildt: Gesellschaftliche Entwicklung, S. 7. 2 Doris von der Brelie-Lewien: Flüchtlinge in Niedersachsen, S. 94f. 8 eine Kochstelle zur alleinigen Nutzung. Das „Untermieterdasein“ war nicht mehr durch al- leinstehende Personen gekennzeichnet, sondern zum Schicksal ganzer Familien geworden. Erst Mitte der 1950er Jahre stand statistisch wieder jeder Person ein Raum zu. Dessen unge- achtet waren noch 1960 im damaligen Bundesgebiet ein Sechstel aller Wohnungen mit mehr als einem Haushalt belegt3. II. Untersuchungsgegenstand In der vorliegenden Arbeit wurde der Landkreis Harburg, der sich südlich von Hamburg er- streckt, als Untersuchungsraum gewählt. Der Landkreis Harburg kennzeichnet sich durch sei- ne Nähe zur Großstadt Hamburg und diente vielen Hamburgern als Ausflugsziel oder Woche- nenddomizil. Nach dem Zweiten Weltkrieg erfuhr dieses Gebiet einen immensen Bevölke- rungsanstieg. Da bereits während des Krieges viele ausgebombte Hamburger im Landkreis- gebiet untergebracht werden mussten, verschärften die ankommenden Flüchtlinge und Ver- triebenen aus den ehemaligen deutschen Ostprovinzen die Wohnraumknappheit. Daher muss auch die Wohn- und Versorgungssituation der Stadt Hamburg mit Berücksichtigung finden, da diese immer auch unmittelbare Auswirkungen auf die benachbarten Gebiete hatten. Der ländlich geprägte Landkreis Harburg liegt im Norden Niedersachsens und grenzt unmit- telbar an das Bundesland Hamburg und somit gleichzeitig an die zweitgrößte Stadt Deutsch- lands. Während des Zweiten Weltkrieges und auch noch danach bekam diese geographische Nähe zur Großstadt eine besondere Bedeutung. Als Standort wichtiger militärischer und in- dustrieller Stützpunkte stellte Hamburg für die alliierten Luftstreitkräfte ein zentrales An- griffsziel dar und war dadurch starken Bombardements ausgesetzt. Die Nähe zur Großstadt bedingte, dass der Landkreis Harburg in dieses Geschehen mit