SWR2 Musikstunde
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SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE SWR2 Musikstunde Saudade Neue Fado Stimmen aus Portugal Von Susanne Herzog Sendung: Samstag, den 23. Mai 2015 9.05 – 10.00 Uhr Redaktion: Martin Roth Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Mitschnitte auf CD von allen Sendungen der Redaktion SWR2 Musik sind beim SWR Mitschnittdienst in Baden-Baden für € 12,50 erhältlich. Bestellungen über Telefon: 07221/929-26030 Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der kostenlosen SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2-Kulturpartner-Netz informiert. Jetzt anmelden unter 07221/300 200 oder swr2.de 2 Musikstunde Samstag, den 23. Mai 2015 Saudade Neue Fado Stimmen aus Portugal Mit Susanne Herzog Mit Susanne Herzog. Herzlich Willkommen zu einer Stunde voll sehnsüchtiger, melancholischer und ernster, aber auch sinnlicher, fröhlicher und beschwingter Musik. Mit einem musikalischen Blick in die portugiesische Seele: neue Fado Stimmen aus Portugal gibt es heute zu hören. 0„17 Titelmusik An ihr erstes Spielzeug könne sie sich nicht mehr erinnern, an ihr erstes Fado Lied aber schon, sagt Mariza, die große Fado Sängerin aus Portugal. In der Taverne ihrer Eltern in Lissabon da wuchs sie mit dem Fado auf: quasi als musikalische Muttersprache lernte sie den Fado wie selbstverständlich von den Sängern, die dort auftraten. Die ursprünglich in Mozambique geborene Diva mit dem platinblonden Kurzhaarschnitt, die so ganz anders aussieht als die legendäre Fadoqueen Amália Rodrigues, sie hat dem Fado nach dem Tod von Amália Rodrigues 1999 zu neuem Leben verholfen. Ihr erstes Album habe allerdings erst mal keine Plattenfirma haben wollen, erzählt Mariza über ihre Anfänge. Denn man war überzeugt: Fado verkaufe sich nicht. Der sehnsuchtsgetränkte Gesang galt als verstaubt, als Erinnerung an Portugals diktatorische Zeit, als „Musik der alten Leute“. Es kam aber anders: 2002 erschien Marizas Debüt CD und holte dann in Portugal mehrfach Platin. Und inzwischen ist Fado längst auch bei jungen Leuten und weit über die Grenzen Portugals hinaus wieder sehr angesagt. Denn es gibt eine neue Generation von Fadosängerinnen und –sängern, die zwar durchaus auch traditionellen Fado singen, aber den Fado auf ihre Art modernisiert haben: zuweilen mit anderen Musikstilen gemischt, manchmal neu instrumentiert oder mit zeitgenössischen Texten versehen. Was immer bleibt ist die saudade, dieses Grundgefühl der portugiesischen Seele, das sich so schwer beschreiben lässt: irgendwo zwischen heiterer Melancholie, unstillbarer Sehnsucht und schmerzlicher Verzweiflung, da findet man sie, die saudade. Und so klingt sie bei der neuen Queen des Fado, bei Mariza. 1‟52 3 1. Musik Ary dos Santos / Alain Oulman Alfama <8> aufblenden bei 0‟20 bis Ende 3„55 [frei 3„35] Mariza, Gesang Ensemble Titel CD: Terra EMI Music Portugal, 2294232, 10794 WDR 5830 607 Mariza mit „Alfama“, einem Fado von ihrem Album „terra“, bei dem sie sich von Jazz, afrikanischer und Latin Musik hat inspirieren lassen. Und in der Alfama, in eben diesem alten, legendären Stadtviertel Lissabons befindet sich heutzutage auch das Fado Museum, wo man alles über die lange Geschichte des Fados seit dem 19. Jahrhundert erfahren kann. Einst in den Armenvierteln beheimatet, im Hafen- und Rotlichtmilieu gesungen, ist dieser bittersüße Gesang von Lissabon 2011 zum immateriellen Weltkulturerbe der Unesco erklärt worden. Und Mariza, sie war damals die offizielle Botschafterin für den Blues von Lissabon. Den Fado in die Welt getragen, haben inzwischen einige junge Sänger und Sängerinnen, jeder auf seine ganz eigene Art: Fado von Carminho bis Camané und noch einiges mehr erwartet Sie heute in der SWR 2 Musikstunde. 1„05 2. Musik Jaime Santos / Fernando Pinto Ribeiro As meninas dos meus olhos <3> rein bei 0‟16 bis Ende 2„33 [frei 2„17] Mariza, Gesang Diogo Clemente, Gitarre José Marino de Freitas, Bassgitarre Angelo Freire, Portugiesische Gitarre Titel CD: Fado tradicional Capitol, 5099907017322, LC 00148 WDR 5442 583 Ein beschwingter Fado gesungen von Mariza, die mit Sängerinnen wie Mísia und Cristina Branco die Renaissance des Fado eingeleitet hat. Und Branco ist eine Sängerin, deren Stimme besonders sanft und weich klingt, weniger pathetisch im Ausdruck als viele ihrer Kolleginnen. Fado sei nämlich gar nicht immer traurig, erklärt Cristina Branco. Schließlich sei es ja die Musik 4 der „Seefahrer, Prostituierten und Landstreicher“ gewesen. Heutzutage werde Fado durchaus auch mit einem Lächeln auf den Lippen gesungen. Branco ist übrigens ganz anders als etwa Mariza überhaupt gar nicht im typischen Fado Ambiente aufgewachsen: die engen Gassen von Lissabon, die urigen Tavernen, die spontanen Gesangseinlagen von Fadistas bei Kerzenlicht und Rotwein begleitet von Gitarre und portugiesischer Gitarre: von all dem war Branco als Teenager weit entfernt. Sie wurde 1972 in einer portugiesischen Kleinstadt geboren, mochte Jazz, bewunderte Ella Fitzgerald und Billie Holiday. Und sie plante eine Karriere als Journalistin. Doch dann kam alles anders: ihr Großvater schenkte ihr zum achtzehnten Geburtstag eine Schallplatte von Amália Rodrigues. Und da war es um Cristina Branco geschehen: der leidenschaftliche Gesang von Amália Rodrigues traf sie mitten ins Herz. Fado singt Branco bis heute mit großem Erfolg auf ihre ganz eigene Art. Mit der Tradition will sie nicht brechen, aber sie doch erweitern: zum Beispiel durch zeitgemäße Texte oder durch andere Musikfarben. Fado und Tango sei da eine ganz wunderbare Verbindung, sagt Cristiana Branco. Denn: „Der Fado ist wie der Tango, die Musik derer, die arm und verrückt sind, aber große Seelen haben!“ 1‟52 3. Musik Guillermo Desiderio Barbieri Anclao en Paris <2> rein bei 0‟10 bis Ende 1‟56 [frei 1„46] Cristina Branco, Gesang Ensemble Titel CD: fado / tango Emarcy Records, 0602527669625, LC 00699 WDR 5462 140 „Anclao en Paris“, ein Tango, den der legendäre Carlos Gardel gesungen hat, hier aber gesungen von der Fadista Cristina Branco, die sagt: man könne leicht einen Tango im Fadostil singen. Und zwar einfach deshalb, weil die beiden Musikstile viele Gemeinsamkeiten hätten: besonders beim historischen Hintergrund. „Sowohl Buenos Aires, als auch Lissabon haben wichtige Häfen gehabt, wo viele Kulturen, Religionen und Völker gelandet sind, dazu das Heißblütige und die Leidenschaft fürs Leben.“ So erklärte das Cristina Branco in einem Interview. Trotzdem gebe es natürlich auch einige Unterschiede: „Der Tango ist theatralischer, visueller, sehr viel schamloser, spontaner und gewagter, während der Fado zurückhaltender, reservierter ist. Aber es ist trotzdem durchaus logisch, diese beiden Universen miteinander zu verbinden.” 5 Ja und das hat Cristina Branco 2011 getan: da hat sie ein ganzes Album dem Fado Tango gewidmet: und aufeinander trifft all das in der Stadt der Liebe, in Paris: „Não há só tangos em Paris“ – „Es gibt nicht nur Tangos in Paris“ singt Cristina Branco. 1„10 4. Musik Pedro da Silva Martins Não há só tangos em Paris <5> rein bei 0‟08 bis Ende 3‟23 [frei 3„15] Cristina Branco, Gesang Ensemble Titel CD: fado / tango Emarcy Records, 0602527669625, LC 00699 WDR 5462 140 Cristina Branco war das mit einem Fado Tango: einer Mischform zwischen portugiesischem Weltschmerz und argentinischer Sinnlichkeit. Wollte man in der Generation der jungen Fadosängerinnen einen neuen Superstar benennen, dann wäre das sicherlich Carminho. Sie ist die Tochter der in Portugal bekannten Fadosängerin Teresa Siqueira und wen wundert‟s: natürlich hat sie schon im Bauch ihrer Mutter Fado gehört, gefühlt, in sich aufgenommen. Und später ist sie dann selbst Sängerin geworden. Doch als junge Erwachsene fühlte sie sich irgendwie verloren und wollte sich erst einmal selbst finden: sie hatte das Gefühl, dass ihr noch die Reife fehle, um die Tiefgründigkeit des Fado wirklich ausdrücken zu können. „Der Fado ist unser größter Stolz, unser größter Schatz, mit ihm muss ich verantwortungsvoll umgehen“ erklärte Carminho einmal in einem Interview. Und da hat die junge Sängerin kurzerhand den Rucksack gepackt und sich auf Weltreise begeben: in Indien ist sie unter anderem gewesen und hat dort todkranke Menschen betreut, in Peru für eine Hilfsorganisation bei dem Wiederaufbau nach einem Erdbeben geholfen. Ja und bei all dem viel Lebenserfahrung gewonnen. Zurück in Portugal fühlte sie sich nun bereit, wieder Fado zu singen. Und sie behielt recht: ihr Debütalbum 2009 wurde ein riesen Erfolg. Der seitdem nicht nachgelassen hat: Carminho ist momentan neben Mariza die Fadosängerin, die international am bekanntesten ist. 2012 kam ihr Album „Alma“ heraus: portugiesisch für Seele. Denn Carminho meint: „Ich denke, dass der Fado eine Musik für die Seele ist, der die Seele nährt und auch von der Seele lebt.“ 1„43 6 5. Musik Carlos Conde / Alfredo Marceneiro Lágrimas do céu <1> rein bei 0‟19 bis Ende 3‟41 [frei 3„22] Carminho, Gesang Ensemble Titel CD: alma Capitol, Mundo Records, 6386402, LC 00148- WDR 1909 561 Lágrimas do céu – Tränen des Himmels, herzzerreißend gesungen von Carminho. Die auf ihrer aller neusten CD mit dem Titel „Canto“ übrigens auch ihre besondere Liebe zu brasilianischer Musik beweist. Schon bei ihrem Album „Alma“ hatte Carminho Titel von