Offizielles Organ für die Schiedsrichter im Deutschen Fußball-Bund 1/2010 Januar/Februar

Handspiel! So deutlich wie hier ist die Absicht des Spielers oft leider nicht zu erkennen.

Titelthema Lehrwesen Neue Aktion Analyse Volker Roth: Überzeugen, Mit Hilfe der Lehrbeispiele Wie ist das ohne viel zu reden: DEKRA den von fünf denn nun mit So wichtig ist die Nachwuchs Spieltagen der dem Handspiel? Körpersprache anwerben Bundesliga Editorial Inhalt

Dass der DFB-Schiedsrichter-Ausschuss sich intensiv um die Belange der Basis kümmert, braucht nicht besonders betont zu werden. Zwischenzeitlich sind die vielen Lehrmateri- alien, die in verschiedenen Kommissionen erar- beitet werden, schon fast zur Normalität geworden. Gleichwohl möchte ich an dieser Stelle auch einmal den Mitarbeitern danken, die ihre Ideen wirkungsvoll einbringen. So hat beispielsweise die Kommission „Schiedsrich- ter-Werbung und –Erhaltung“ ein neues Kon- zept entwickelt. Nach den erfolgreichen Kam- pagnen mit den Überschriften: „Ohne Schieds- richter geht es nicht“, „Sei fair zum 23. Mann“ oder „Faszination Schiedsrichter“ sind in Zusammenarbeit mit der DEKRA 80.000 Plakate Ruhig mal unter dem Motto „ Zeig Deine wahren Stärken“ in Umlauf gebracht worden. Diese Aktion wird Titelthema ihre Wirkung nicht verfehlen. Allerdings sind Wie ist das denn nun nachfragen Erfolge damit allein nicht zu bewerkstelligen, mit dem Handspiel? da für die Gewinnung und Erhaltung von 4 Liebe Leserinnen und Leser, Schiedsrichtern stets der direkte Kontakt zu Interessierten und später dann untereinander Report ich hoffe sehr, dass Sie beschwingt ins WM- maßgeblich ist. Übrigens sind unter Neue Werbeaktion gestartet 11 Jahr 2010 gekommen sind und wünsche Ihnen www.schiedsrichter-nachwuchs.de eine Reihe alles erdenklich Gute, vor allem Gesundheit. von Internetseiten eingerichtet, die interessante Analyse Wie schnell die Zeit vergeht, kann man daran Informationen bereithalten. ablesen, dass die hervorragende Weltmeister- Die Sportart verwechselt 12 schaft in Deutschland bereits knapp vier Jahre Dass Journalisten neuen Informationen aufge- hinter uns liegt und in Südafrika schon bald schlossen gegenüberstehen, liegt in ihrem Regel-Test neue Herausforderungen auf den Fußball eigenen Interesse. Jeder muss sich in seinem Falscher Einwurf zum Gegner 15 zukommen. Damit natürlich auch auf die zu Beruf fortbilden, um nicht den Anschluss an nominierenden Schiedsrichter, die sich in den die sich wandelnden Gegebenheiten zu verlie- Lehrwesen letzten Jahren einem intensiven Vorberei- ren. Dass Journalisten kritische Zeitgenossen tungs-Programm unterziehen mussten. Hoffen sind, ist nicht nur auf Deutschland beschränkt. Der Körper spricht mit 16 wir mit ihnen, dass sie die immer schwieriger Dass Aktionen wie beispielsweise „Der größte werdenden Rahmenbedingungen meistern. Heim-Schiedsrichter“ allerdings weit über das Panorama 19 Ziel hinaus schießen, ist nicht nur meine Mei- Teilweise machen sich Schiedsrichter ihre Auf- nung. Dass der Verband Deutscher Sportjour- Report gabe aber auch schwerer als es an sich not- nalisten das Fortbildungsangebot für seine Mit- Zwei nehmen die nächste Hürde 22 wendig wäre. Ich denke da beispielsweise an glieder seit Jahren auch auf die Vermittlung das Spiel Frankreich gegen Irland, als Thierry von Regelfachwissen ausgedehnt hat, ist hin- Henry den Ball vor dem entscheidenden 1:1 (im gegen erfreulich. So waren in zwei Veranstal- Blick in die Presse 26 Fernsehen eindeutig erkennbar) mit der Hand tungen in Hamburg beziehungsweise München spielte. Oder an einen vom Boulevard sofort als Anfang Januar jeweils etwa 60 Fachjournalis- Report „Phantom-Tor“ titulierten Treffer zum 5:0 beim ten zugegen, die das für die Halbzeit-Tagung Viel mehr als nur Sport 27 Zweitligaspiel MSV Duisburg gegen FSV Frank- produzierte Video mit den DFB-Vertretern kri- furt. Der Ball hatte so deutlich die Torlinie nicht tisch diskutierten. Die Resonanz war entspre- Aus den Verbänden 29 überschritten, dass ich mich fragen muss, wie chend, und ich bin davon überzeugt, dass mit erfahrenen Leuten solche Fehlentscheidungen solchen Veranstaltungen die Berichte über unterlaufen können. Sicher gibt es immer mal Schiedsrichter-Leistungen, wenn auch nicht in wieder Situationen, in denen die Offiziellen allen Medien, so doch in den meisten, fach- falsch liegen. Wenn aber fast die gesamte orientierter werden. Mannschaft eine Entscheidung anzweifelt, dann muss man sich auch einmal hinterfragen, In diesem Sinn wünsche ich viel Freude beim ob da nicht doch irgendetwas „faul“ war. Kein Lesen der wiederum interessant gestalteten Schiedsrichter verbiegt sich, wenn er in sol- aktuellen DFB-Schiedsrichter-Zeitung. chen Einzelfällen Spieler befragt, ob er etwas falsch eingeschätzt hat. Vielleicht kommt dann Ihr ja doch der Fair-Play-Gedanke zum Tragen und wenn nicht, ist der Schiedsrichter jedenfalls nicht der allein Schuldige. Volker Roth

Dieser Ausgabe ist ein Prospekt der Firma Allzweck-Sportartikel beigeheftet. Wir empfehlen, zur Durchsicht diesen Teil herauszunehmen. SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 1/2010 3 Titelthema Wie ist das denn nun mitde „Absicht“ und „Ansicht“ sind die Schlüsselwörter, wenn es um einen der heikelsten Bereiche des Regel der Spieler mit Absicht den Ball mit seiner Hand berührt, muss er eingreifen. Die klaren Fälle werden verschleiern vor allem die Spieler im Profibereich ihre Absichten. Volker Roth untersucht hier detailliert

h je, wie haben wir unseren Otunesischen Schiedsrichter- Kollegen Ali Ben Naceur bedauert. Nicht während des Viertelfinal- Spiels England gegen Argentinien am 22. Juni bei der Weltmeister- schaft 1986 im Aztekenstadion von Mexiko-Stadt. Aber danach. Keiner der 114.580 Zuschauer hatte die irreguläre Torerzielung durch Diego Maradona gesehen, und damit auch wir nicht. Wir – das waren einige WM-Schiedsrichter, die sich auf der Tribüne aufhielten, um das Spiel zu beobachten.

Maradona versuchte mit seinem Mitspieler Valdano einen Doppel- pass, der misslang. Der englische Verteidiger Steve Hodge schoss den Ball hoch in die Luft Richtung Torhüter Peter Shilton, der ihn fan- gen wollte. Maradona sprang eben- falls hoch, erwischte den Ball vor Shilton und lenkte ihn mit seiner linken Hand (später von ihm als „Hand Gottes“ bezeichnet) ins Tor. Gleichwohl, Ali Ben Naceur erkannte den Treffer an. Das Fernsehen ent- larvte den Spielzug als eindeutig irregulär, England verlor 1:2 und verpasste damit das Halbfinale, Argentinien wurde letztendlich Wenn Spieler so spontan und einhellig auf den Schiedsrichter zukommen, muss er alles tun, Weltmeister im Endspiel gegen um eine eklatante Fehlentscheidung zu vermeiden – als letztes Mittel sollte er auch den Deutschland. Erst 2005 gab Mara- beschuldigten Spieler befragen. dona zu, den Ball wirklich mit der Hand gespielt zu haben. Aber finalspiel gegen die USA vor berücksichtigte! Was war gesche- ballanhänger in den USA. Sie (und selbst wenn er 1986 gleich nach 30.000 Zuschauern in Ulsan durch hen? Der Amerikaner Lewis kam nicht nur sie) lagen allerdings dem Spiel sein Vergehen gestan- ein Tor von Ballack in der 29. Minute nach einer Vorlage von Donovan falsch, weil nicht die Verhinderung den hätte – Ali Ben Naceur wäre mit 1:0. Das Endergebnis stand also zum Schuss auf das deutsche Tor. der Torerzielung maßgeblich ist, damit nicht geholfen worden. bereits zur Pause fest, wobei das Der Ball prallte an den Unterarm sondern die Frage „Absicht“ oder Unser Kollege war nach Ansicht US-Team in der zweiten Halbzeit von Frings, der auf der Torlinie „keine Absicht“. Dallas lag mit sei- der Fernsehbilder regelrecht stark aufkam und Torhüter Kahn stand, Kahn konnte danach klären. ner Ansicht nach Meinung der geschockt, im Schiedsrichter-Hotel ein ums andere Mal rettend ein- Unbestritten ist, dass ein Tor Fachleute richtig. nicht mehr ansprechbar, reiste am greifen musste. Die Korres- erzielt worden wäre, wenn der Arm nächsten Tag ab und beendete pondenten berichteten von viel von Frings nicht im Wege gewesen Und da war ja auch noch das Play- seine Karriere. Glück für Deutschland in der wäre. Hugh Dallas sah diese Berüh- off-Rückspiel für die Weltmeister- 49. Minute, weil Schiedsrichter rung durchaus, entschied aber auf schaft 2010 in Südafrika zwischen Bei der Weltmeisterschaft 2002 in Hugh Dallas aus Schottland ein „keine Absicht“ und ließ weiter- Frankreich und Irland vor 74.000 Japan und Südkorea gewann Handspiel von Frings auf der Tor- spielen. Die US- Spieler protestier- Zuschauern am 18. November 2009 Deutschland am 21. Juni im Viertel- linie nicht (wie geschrieben wurde) ten vehement, ebenso viele Fuß- im Stade de France in Paris. Das

4 SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 1/2010 ter, der stets die Schuld für die Spielstrafe (Freistoß, Strafstoß) ihrer Ansicht nach fehlerhaften hat, dann werden die Spieler sehr Entscheidungen trägt, möglichst schnell Techniken entwickeln, m Handspiel? ausschalten. ihren Gegner so anzuschießen, dass der Schiedsrichter „Hand“ werks geht. Ist der Schiedsrichter der Ansicht, dass So soll zum Beispiel nur noch pfeifen muss. Kurioserweise liegt gepfiffen werden, … die Absicht dann beim Angreifer. dabei offenbar weniger, denn immer geschickter Und es werden neue „Experten“ den Stand der Dinge in Sachen Handspiel. ● …wenn „sich jemand per Hand kommen, die vom Schiedsrichter in einen Vorteil verschafft“ (Stefan einem solchen Fall verlangen, dass Hermanns im Tagesspiegel). er diese Absicht des Angreifers Hinspiel in Dublin hatten die Fran- Entscheidung um Strafstoß oder erkennt und deshalb eben nicht zosen unter der ausgezeichneten keinen Strafstoß, um Tor oder kein Sich „etwas verschaffen“ setzt pfeift… Leitung von mit 1:0 Tor handelt. Im Mittelfeld ist das in aber eine bewusste Handlung gewonnen. In der 32. Minute des der Regel kein großer Streitpunkt, voraus, also Absicht. Und wer Lassen wir also die Absicht erst- Rückspiels hatte Robbie Keane die wohl aber im und um den Straf- beurteilt diese Absicht? Nebenbei: mal so, wie sie im Regelwerk steht, Iren, die nach einhelliger Meinung raum herum. Und da kann es dann Es ist schließlich auch ein Vorteil, und kümmern uns lieber um ihre das bessere Team waren, mit 1:0 in schon mal zu hitzigen Diskussio- wenn der Ball vom normal gehalte- Auslegung und Anwendung. Führung gebracht. Da dieses nen kommen, in denen die Sach- nen Arm abprallt, statt als gefähr- Resultat nach 90 Minuten noch lichkeit auf der Strecke bleibt. Das liche Flanke vor das Tor zu segeln. Bereits in meinen Ausführungen zu Bestand hatte, war eine Verlänge- konnte man beispielsweise nach den Unterschieden von „Theorie rung notwendig. In der 103. Minute dem Henry-Betrug daran ablesen, ● …wenn „der Ball durch Einsatz und Praxis“ (DFB-Schiedsrichter- war es Kapitän Thierry Henry, der dass der irische Justizminister von Hand oder Arm in Geschwin- Zeitung 4/09) habe ich darauf ver- den Ball, bevor er ins Aus sprin- Dermot Ahern von der FIFA nicht digkeit oder Richtung beeinflusst wiesen, dass es tatsächlich nicht gen konnte, mit der Hand spielte weniger als eine Neuansetzung wird“ (User Markus im Internetpor- möglich ist, zu 100 Prozent objektive (was im Fernsehen deutlich zu des Spiels forderte, was naturge- tal Doktor Fußball). Auch hier: Kriterien aufzustellen, wann ein sehen war, für den Schiedsrichter mäß abgelehnt wurde. „Einsatz“ setzt bewusstes Handeln Spieler den Ball „absichtlich“ mit wohl nicht) und zu seinem Mit- voraus, das von jemandem bewer- der Hand spielt und wann nicht. spieler William Gallas passte, der Vor allem nach solch spektakulä- tet werden muss. Kein Spieler wird vor dem Berüh- zum 1:1-Ausgleich einköpfte. Trotz ren Ereignissen gibt es Vorschläge, ren des Balles mit der Hand ankün- massiver Proteste fast der gesam- die auf eine Veränderung der ● Ganz deutlich schreibt es Jens digen, dass „ich dies nun absicht- ten irischen Mannschaft (das ist Regel 12 bezüglich des „Hand- Jeep im Juni 2009 in Spiegel-Online. lich mache“. Dass die Spielregeln übrigens meistens ein Indiz dafür, spiels“ abzielen. Letztlich münden Die Lösung sei ganz einfach, weil dem Schiedsrichter in Regel 12 die dass irgendetwas „faul“ gewesen sie alle in der Streichung des Wor- „in Regel 12 beim Handspiel ledig- Verantwortung dafür geben, zu sein muss) ließ der schwedische tes „absichtlich“. Diese „Experten“ lich das Wort absichtlich zu strei- entscheiden, wann ein absicht- Schiedsrichter Martin Hansson wollen so die Bewertung durch den chen ist“. Wenn die Absicht aber liches Handspiel vorliegt, ärgert das Tor gelten. Frankreich war für „Unsicherheitsfaktor“ Schiedsrich- keine Bedeutung mehr für die viele Kritiker, da sie darin, wie die WM qualifiziert. Nach dem Spiel sagte Henry: „Um ehrlich (!) zu sein, es war Handspiel. Aber ich bin nicht der Referee.“ Der irische Trainer Giovanni Trapattoni kam der Sache schon ein bisschen näher: „Wir reden alle über das Fair Play. Ich mache Thierry Henry keinen Vorwurf. Ich bin sicher, wenn der Schiedsrichter ihn gefragt hätte, hätte er zugegeben, dass es ein Handspiel war.“ Na ja, wer weiß? Aber in jedem Fall wäre Martin Hansson, wenn er Henry gefragt hätte, aus der Schusslinie gekommen.

Immer wieder neue Vorschläge

Diese Beispiele ließen sich ohne Problem fortsetzen. Es ist klar, dass die Meinungen der „Exper- ten“ oftmals konträr sind, wenn ABSICHT: Die „Schutzhand“ ist wieder in Mode gekommen. Auch wenn es immer noch behaup- es sich bei einer Schiedsrichter- tet wird: Erlaubt war sie nie.

SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 1/2010 5 Titelthema gesagt, eine unangemessene „Ent- aus gesehen hat, beurteilt er sie (Schuh, Schienbeinschützer er ihn berührt. Die Kriterien, die scheidungshoheit“ der Unpartei- und baut darauf seine Entschei- usw.), was ein Vergehen dar- den Schiedsrichter zur Auslegung ischen sehen, die der Ungerechtig- dung auf. Die Einschätzung eines stellt. „unabsichtlich“ veranlassen sind: keit Tür und Tor öffnet. Aber Handspiels wird dem erfahrenen gemach. Sie übersehen dabei die Schiedsrichter sicher leichter fal- Während ich im Rahmen dieser – Der Spieler steht oder springt für ein geordnetes Miteinander auf len als es beim Anfänger der Fall Ausführungen auf die Punkte 4 mit natürlicher Handhaltung. dem Fußballfeld fundamentale sein kann. und 5 wegen ihrer Eindeutigkeit – Der Ball geht zur Hand. Bestimmung der Regel 5: „Jedes nicht weiter eingehe, müssen die – Der Spieler sieht den Ball nicht Spiel wird von einem Schiedsrich- Arme hoch wie Punkte 1 bis 3 doch näher unter- kommen. ter geleitet, der die unbeschränkte beim Handball? sucht werden. Dabei muss bemerkt – Der Spieler wird von hinten Befugnis hat, den Fußballregeln in werden, dass „Absicht“ fast nie angeschossen. dem Spiel, für das er aufgeboten Die FIFA hat in den „Auslegungen durch eines dieser Kriterien allein – Im Kampf mit einem Gegner um wurde, Geltung zu verschaffen.“ Es und Richtlinien“ zur Regel 12 unter definiert werden kann, sondern den Ball kommt es zu einer sind also nicht die Schiedsrichter, dem Begriff „Handspiel“ fünf dass oft erst alle drei Punkte im Berührung. – Der Ball wird aus kurzer Entfernung und mit hoher Geschwindigkeit geschossen. – Der Ball springt dem Spieler vom Boden an die Hand.

Auf der anderen Seite ist „Absicht“ zu unterstellen, wenn

– der Spieler mit unnatürlicher Handhaltung steht oder springt – die Hand zum Ball geht – der Spieler seine Hand oder seinen Arm nicht aus der Flugbahn des Balles entfernt, obwohl er dazu in der Lage wäre

Beim Vorliegen dieser Fälle müs- sen drei weitere Überlegungen angestellt werden: KEINE ABSICHT: Der linke Arm befindet sich in einer normalen Haltung. Dass mit diesem Handspiel offensichtlich ein Tor verhindert wird, spielt keine Rolle für die Entscheidung des – Kann die Vorteilbestimmung Schiedsrichters. angewendet werden? – Handelt es sich hier um eine die sich diese Befugnisse geben, erläuternde Anmerkungen zur Zusammenspiel zu einem einiger- Unsportlichkeit mit der Folge sondern es sind die Spielregeln. Bewertung der „Absicht“ gemacht. maßen verlässlichen Ergebnis füh- „Gelb“? Und die werden bekanntlich von Diese sind: ren. – Wurde eine klare Torchance allen am Spiel Beteiligten aner- verhindert mit der Folge kannt, auch wenn sie nicht alle 1. Die Bewegung der Hand zum Wenn zum Beispiel der Punkt 1 „Rot“? kennen. Ball (nicht des Balles zur Hand). allein zählen würde, könnten Abwehrspieler vor der Ausführung Kann ein neuer Das zentrale Problem bei der 2. Die Entfernung zwischen Geg- des Freistoßes die Arme wie beim Begriff helfen? Bewertung von Handspielen ist ner und Ball (unerwartetes Handball nach oben strecken. Beim also die Beurteilung von „Absicht“, Zuspiel). Schuss bewegt sich die Hand dann Wenn die Beurteilung der was keine neue Erkenntnis ist. Die nicht zum Ball, sondern der Ball „Absicht“ allerdings in der Praxis Interpretation wird aber immer 3. Die Position der Hand (Das zur Hand. Hier muss der Schieds- so einfach wäre, wie es sich hier in umstritten bleiben, weil der Berühren des Balles an sich ist richter Punkt 3 hinzuziehen: Mit der Theorie liest, hätten die am Schiedsrichter sich seine Ansicht noch kein Vergehen). der Positionierung der Hand (der Spiel Beteiligten sicherlich selte- von der Absicht des Spielers Hände) haben die Spieler eine ner Probleme, die Entscheidungen jeweils nach seiner Meinung und 4. Das Berühren eines Balles regelwidrige Absicht verbunden. der Schiedsrichter zu akzeptieren. Einschätzung bildet, wobei darin durch einen Gegenstand in der Mehr und mehr kann man im heuti- eine ganze Portion Subjektivität Hand des Spielers (Schienbein- Relativ klar wird ein Handspiel zu gen Spitzenfußball feststellen, dass enthalten ist. Die wird dadurch schützer, Kleidung usw.), was bewerten sein, wenn der Gegner einige „Künstler“ in der Lage sind, noch verstärkt, dass das deutsche ein Vergehen darstellt. eindeutig angeschossen wird. Das den Ball zentimetergenau dorthin Wort „Ansicht“ ja auch das Sehen bedeutet, dass dem Spieler der zu transportieren, wo sie ihn hin des Schiedsrichters meint. So wie 5. Das Treffen des Balles durch Ball eher zufällig an die Hand haben wollen. Dies ist besonders er eine Szene von seinem Standort einen geworfenen Gegenstand kommt. Er kann nichts dafür, dass erfreulich bei exzellenten Toren

6 SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 1/2010 nach Freistoß-Situationen in Straf- cherweise hoffen sie auf Straffrei- raumnähe. Allerdings könnte man heit, weil die Hand ja nicht zum auf die Idee kommen, dass es auch Ball geht, sondern der Ball zur möglich ist, den Ball absichtlich an Hand. Ein Irrtum, gegen den der die Hand des Gegners zu bugsieren, Schiedsrichter am besten präven- wenn man beispielsweise eine tiv vorgehen sollte. „unnatürliche“ Handhaltung erkannt hat. Womit wir bei einer der ● Man wird auch auf „Absicht“ entscheidenden Fragen dieses The- entscheiden, wenn ein Spieler die mas sind: Was ist eine „natürliche“ Hand über den Kopf streckt und so und was eine „unnatürliche“ Hand- einen Ball abwehrt, selbst wenn er haltung? sich, nachdem er den Ball hat kom- men sehen, abwendet. Wenn eine Verhaltensweise nicht so ist, wie man es normalerweise ● Der natürliche Bewegungsab- erwartet, spricht man von „unna- lauf beim Hochspringen bringt es türlich“. Eine Frage schließt sich zwangsläufig mit sich, dass die damit automatisch an: Was ist ABSICHT: Der Angreifer mit der Nr. 6 hat den Ball aus ziemlich Arme zum Schwungholen verwen- denn „normal“? Fest steht, dass kurzer Entfernung geköpft. Das ist häufig ein Indiz für ein det werden. Wenn in einer solchen das Wort „normal“ in der engli- unabsichtliches Handspiel. Aber in diesem Fall… Phase der Ball mit der Hand oder schen und französischen Sprache dem Arm berührt wird, kann man genauso geschrieben wird und mit nicht von „unnatürlich“ sprechen. der gleichen Bedeutung vorkommt Allerdings wird der Schiedsrichter wie im Deutschen. Demnach schei- es nicht tolerieren, wenn die Arme nen sich in vielen Lebensbereichen bei der Abwärtsbewegung weiter- Verhaltensweisen herausgebildet hin ausgebreitet bleiben. Das ent- zu haben, die den vorhandenen spricht nicht der natürlichen Hal- (oder den erwarteten) Normen ent- tung, da man sie normalerweise sprechen. Man sagt: „Das war ein wieder anlegt, um so sicher zu lan- ganz normaler Vorgang.“ Man sagt den. aber auch: „Der ist nicht normal.“ Das muss nicht heißen, dass er ● Fällt der Spieler mit seiner „verrückt“ ist, er handelt eben nur Hand oder seinem Arm auf den nicht so, wie es im Regelfall Ball, so wird man im Normalfall von geschieht. „unabsichtlich“ sprechen. Macht er allerdings im Fallen eine bewusste Mit diesen Überlegungen könnte Bewegung mit seiner Hand oder man sich der Auslegung von …verlagert der Abwehrspieler sein Gewicht nach rechts und seinem Arm und berührt dadurch „natürlichen“ und „unnatürlichen“ hebt dabei den Arm Richtung Ball, um zu verhindern, dass er den Ball, liegt Absicht vor. Handhaltungen im Fußball annä- an ihm vorbeifliegt. hern. Allerdings wird dies allein Kein Strafstoß nicht ausreichen. Man müsste Einige weitere (theoretische) Über- ● Auch wenn es immer wieder für die Bayern noch einen zusätzlichen Begriff legungen sorgen für mehr Klar- behauptet wird, selbst von Profis wie etwa „fußballspezifisch“ mit heit. („ich wollte nur mein Gesicht Klarer als mit all diesen theoreti- einbeziehen, um eine Verzahnung schützen“) und renommierten Trai- schen Betrachtungen wird unsere zur Auslegung in den Fußballre- ● Wenn man im „normalen“ nern: Es gibt keine „Schutzhand“. Auslegung von „natürlicher“ und geln herzustellen. Wenn zum Bei- Leben mit den Füßen auf dem Ein Spieler, der sein Gesicht vor „unnatürlicher“ (oder vielleicht spiel ein Spieler zum Ball grätscht, Boden steht, sind die Arme ange- dem herankommenden Ball schüt- doch besser von „normaler“ und ist das eine Bewegung, die fast legt. Das ist bei praktisch allen zen will, muss nicht die Hände zu „nicht normaler“) Handhaltung mit ausschließlich im Fußball vor- Menschen der Fall und damit Hilfe nehmen. Schneller als er die Hilfe einiger weiterer Beispiele aus kommt. Auf der Straße, im „norma- „natürlich“. Steht ein Spieler hin- Hände oben hat, kann er nämlich der Praxis. len“ Leben also, sieht man sie gegen auf dem Spielfeld mit aus- den Kopf zur Seite drehen oder eigentlich nie. Dass der Spieler bei gebreiteten Armen, so ist dies einziehen. Wenn er das tut und Im Champions-League-Spiel Bayern der Grätsche die Arme ausbreitet, dementsprechend „unnatürlich“ damit ein Gegentor verursacht, München gegen Girondins Bor- um die Balance zu halten, ist aber und hat auch nichts mit Fußball zu muss er vielleicht um Versetzung deaux am 3. November 2009, das ganz normal im Fußball, eben „fuß- tun. aus der „Mauer“ bitten; die Spiel- Bayern mit 0:2 verlor, erzielten ballspezifisch“. Der aus kurzer regeln kann er dafür jedenfalls Yoann Gourcuff in der 37. Minute Distanz und mit einigermaßen ● Es ist auch nicht fußballspezi- nicht verantwortlich machen. das 0:1 und Marouane Chamakh in hoher Geschwindigkeit gegen den fisch, wenn sich Spieler während Immer öfter sieht man seit einiger der 81. Minute das 0:2. Was das Arm fliegende Ball kann so nicht der „Mauerbildung“ unterhaken, Zeit, dass Spieler einen Arm schon Handspiel angeht, war vor allem absichtlich mit diesem Arm sie bilden eine „unnatürliche“ quer vor ihr Gesicht halten, bevor eine Szene in der 32. Minute von gespielt worden sein. Sperre. der Freistoß ausgeführt ist. Mögli- Interesse: Nach einem Freistoß von

SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 1/2010 7 Titelthema

Bastian Schweinsteiger konnte Tor- Absicht geschah, was der Schieds- wart Carrasso den Ball in höchster richter auch so auslegte. Schaut Not abwehren. Der Ball blieb aller- man sich das Geschehen noch mal dings im Torraum, wo nach einigem mit freiem Blick auf Klose und Gewühl Miroslav Klose knapp drei Ciani an, ist der natürliche (fuß- Meter vor dem Tor zum Schuss ballspezifische) Bewegungsablauf kam. Doch die linke Hand des ihm des Franzosen gut zu erkennen. entgegengrätschenden Michael Würde man die Szene aber ledig- Ciani verhinderte den sicheren lich nach der Super-Zeitlupe Treffer (Foto unten). Eine deutsche bewerten, könnte man argumen- Tageszeitung schrieb: „Es war wohl tieren, dass Ciani genügend Zeit keine Absicht, doch wenn Schieds- hatte, um seine Hand aus der richter Pedro Proenca die Situation Gefahrenzone zu entfernen. Es sei gesehen hätte, dann hätte er Elf- allerdings daran erinnert, dass die meter geben müssen.“ Offensicht- Zeitlupe nicht die Wahrheit, son- lich hatte der Journalist den Kom- dern vielmehr die Suche nach der mentar eines Trainer-Experten im Wahrheit ist. In der Wirklichkeit TV für bare Münze genommen: spielen sich diese Vorgänge in „Absicht oder nicht, das ist egal. Bruchteilen von Sekunden ab, was Ein Tor wurde verhindert, das muss es dem Schiedsrichter teilweise Elfmeter und ,Rot’ geben.“ wirklich schwierig macht, die rich- tige Beurteilung zu finden. Nun, dass dem nicht so ist, brauche ich nicht zu wiederholen. Aber wie ABSICHT: Hier handelt es sich zwar um eine fußballtypische Eine Szene aus ist diese Situation denn nun einzu- Bewegung, die ist allerdings dem Torwart vorbehalten. Trotz Dortmund – Mainz schätzen? der kurzen Entfernung vom Schützen zur Nr. 27 kann man auf keinen Fall „angeschossen“ entscheiden, sondern einzig und Das Spiel am 21. November 2009 Zunächst einmal ist festzuhalten, allein Strafstoß. endete 0:0. In der 45. Minute konnte dass der Verteidiger mit der Hand der Mainzer Schlussmann Müller den Ball berührte und so ein Tor ner Arme der Grätsche entspre- dadurch Fahrt verlor und deshalb einen Schuss des Borussen Schmel- verhinderte. Die Frage, die der chend „natürlich“, weil fußballspe- einen halben Meter vor der Torlinie zer nicht festhalten. Der Dortmun- Schiedsrichter sich stellen und in zifisch? Kloses Flachschuss von einem Mitspieler aus der der Mittelfeldspieler Hummels Sekundenbruchteilen beantworten rutschte unter dem grätschenden Gefahrenzone bugsierte werden schoss den Abpraller aus sechs musste: Hatte sich Ciani in Kloses Bein von Ciani hindurch. Die linke konnte. Metern Entfernung aufs Tor und Schuss geworfen, um den Ball zur Hand, mit der sich der Franzose hätte wohl auch einen Treffer Not mit der Hand abwehren zu kön- hinter seinem Körper abstützen Aus all dem kann geschlossen wer- erzielt. Allerdings traf der Ball den nen? Oder war die Bewegung sei- wollte, landete auf dem Ball, der den, dass das Handspiel ohne Arm des Mainzer Noveski, der sich Hummels grätschend vor die Füße geworfen hatte (Foto auf Seite 9). Schiedsrichter erkannte auf nicht absichtliches Handspiel und pfiff zur Halbzeit- pause.

Nach dem Spiel die übliche Trai- ner-Diskussion im TV. Thomas Tuchel (Mainz 05): „Klar keine Absicht.“ Etwas später dann, ohne den regeltechnischen Widerspruch zu bemerken: „Ich glaube nicht, dass wir uns beschweren könnten, wenn er gepfiffen hätte. Der Dort- munder Coach Jürgen Klopp: „Das ist ein Elfmeter und nichts ande- res.“ Dann weiter: „Er hat’s nicht gepfiffen, und jetzt können wir es auch nicht mehr ändern.“ Das fand ich positiv. Bemerkenswert auch, KEINE ABSICHT: Der Abwehrspieler, der versucht hat, den Schuss mit einer Grätsche zu ver- was Klopp dann noch sagte: „Und hindern, muss sich mit dem linken Arm abstützen. Ein natürlicher, fußballtypischer Bewe- gerade beim Handspiel geht jedes gungsablauf, der in diesem Fall dazu führt, dass er den Ball mit der Hand aufhält - aber eben Mal aufs Neue die Diskussion los: unabsichtlich. so oder so. Der Arm war in diesem

8 SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/20081/2010 Fall absichtlich oben, um die Fläche in einigen Fällen keine Hilfe anbie- zu vergrößern. Die Schiedsrichter ten, da ihnen vielfach die Sicht erklären es, wie sie es gerade wollen.“ durch Spieler verwehrt ist. Ob die zusätzlichen, hinter der Torlinie Es braucht nicht weiter betont zu postierten Schiedsrichter helfen werden, dass dem nicht so ist. können, ist nach der Testphase in Dass es sich in diesem Fall um ein der Europa League vielleicht Reingrätschen handelte, konnte geklärt. man an Hand des Fernsehbildes eindeutig feststellen. Michael Wei- Compper sah den ner hatte die kurze Distanz zwi- Ball nicht kommen schen den beiden Spielern von einem Meter und die Tatsache, Ein weiteres Beispiel soll zeigen, dass die Arme bereits vor dem warum in der Par- Schuss oben waren (was eben bei tie Gladbach gegen Hoffenheim, einer Grätsche die bereits genannte die am 19. September 2009 statt- „fußballspezifische“ und damit fand und 2:4 ausging, ein Hand- natürliche Bewegung ist), in sei- spiel des Spielers Compper nach nen Entscheidungsprozess einbe- den hier vorgetragenen Argumen- ABSICHT: Nicht ganz einfach zu erkennen, aber der Abwehr- zogen. ten als Absicht hätte ahnden sol- spieler hat den linken Arm „ausgefahren“, obwohl das nicht len. Gladbach führte nach Toren notwendig war, um sich von der Flanke abzuwenden. Eine Dass es eine Reihe von schwieri- von Arango (10.) und Colautti (17.) unnatürliche Bewegung, mit der er verhindert, dass der Ball gen und deshalb auch strittigen und einem Gegentreffer von Sali- vors Tor fliegt. Handspiel-Situationen gibt und hovic (22.) 2:1, als Arango in der immer wieder geben wird, kann 64. Minute im Strafraum nahe der Handspiel. Da der Abwehrspieler des „absichtlichen Handspiels“ in man auch an diesem Beispiel Grundlinie eine scharfe Flanke sich aber bereits in der Abwärts- der Praxis vor allem wegen der sehen. Woche für Woche wird das schlug. Dort war der Hoffenheimer bewegung befand und dennoch enormen Geschwindigkeit des Bal- in den verschiedensten Fernseh- Compper bereits hochgesprungen, seine Arme fast wie ein Fallschirm- les und der Position der Spieler programmen, mit verschiedensten wendete sich ab und hatte die springer vom Körper weg hielt, und/oder des Schiedsrichters teil- Bildgeschwindigkeiten und ver- linke Hand klar über Kopfhöhe. Der war dies keine „normale“ Haltung weise äußerst schwierig sind. schiedensten Kommentaren Ball flog aus zwei Metern von hin- mehr, Strafstoß die eigentliche demonstriert. Dass Schiedsrichter ten gegen seinen ausgebreiteten Konsequenz. Mit dieser Erkenntnis wird aller- aufgrund ihrer Position und der Arm (Foto oben). Compper sah den dings auch das Vorurteil beiseite- Schnelligkeit der Ereignisse nicht Ball überhaupt nicht kommen, da An dieser letzten Szene lässt sich geräumt, dass die aktiven Schieds- immer die richtige Wahrnehmung er Arango bereits den Rücken vortrefflich nachweisen, dass die richter und die für sie Verantwort- haben können, darauf wurde ver- zugewandt hatte. Das spricht hier aufgezeigten Kriterien für lichen die Situationen so kommen- wiesen. Auch Assistenten können eigentlich für ein unabsichtliches eine korrekte Regel-Interpretation tieren, wie sie es gerade brauchen. Uns geht und ging es immer um eine möglichst einheitliche Regel- auslegung und -anwendung in der Praxis. Dass dies trotz der wöchentlichen Internet-Veröffent- lichung von schwierig zu beurtei- lenden Spielszenen und der ent- sprechenden Kommentierung durch den DFB-Schiedsrichter-Aus- schuss in einem internen Portal manchmal eben nicht reibungslos vonstattengeht, ist allerdings auch Praxis.

Und ein letztes Wort noch an die Fußball-Interessierten, die meinen, es sei doch alles ganz einfach („Hand ist Hand – und fertig!“ oder „Abseits ist Abseits – und fertig!“): Der Stein der Weisen, den sie glau- ben gefunden zu haben, ist über die Jahrzehnte immer wieder von KEINE ABSICHT: Der Ball fliegt aus einem Meter gleich gegen den Oberarm des Abwehrspie- Regelexperten untersucht – und lers. Der hat die Arme ausgebreitet, weil er bei seiner Grätsche nur so das Gleichgewicht hal- jedes Mal für zu leicht befunden ten kann. Diese fußballspezifische Bewegung kann niemand mit angelegten Armen ausführen. worden. ■

SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 1/2010 9 Nur 15 Euro im Jahr! So entgeht Ihnen keine Ausgabe! Hier schreiben die Fachleute – alle Informationen aus erster Hand!

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ines der vielen Porträts, die zu lassen. „Zeig deine wahren Stär- soll denjenigen, die noch nie ein ● Vorteile als Schiedsrichter Einzwischen über Michael Kemp- ken!“ heißt der Slogan der deutsch- Spiel geleitet haben, „Appetit Ausstattung, Fahrtkosten, Spesen, ter geschrieben worden sind, trug landweiten Kampagne. Ex-Bundes- machen“ auf die Tätigkeit, die seit freier Eintritt. die Überschrift: „Er sorgte schon liga-Schiedsrichter Wolfgang Miers- mehr als 25 Jahren einen großen im Sandkasten für Ordnung.“ wa, als Leiter der AG „Schiedsrich- Teil seines eigenen Lebens prägt. ● Bundesliga-Schiedsrichter Meyer: „Mich haben damals auch Vorstellung der Vorbilder, Interviews ein Werbeplakat und der Ansporn, mit ihnen. den Fußball aus einem anderen Blickwinkel kennen zu lernen, dazu ● Veranstaltungskalender bewogen, Schiedsrichter zu wer- Verbindung zu den Schiedsrichter- den. Ich würde mich sehr freuen, Seiten der Verbände, Möglichkeit, wenn durch das aktuelle Plakat per Mail nach Lehrgängen zu fra- zahlreiche junge Menschen ange- gen. sprochen werden, die reizvolle Auf- gabe als Schiedsrichter wahrzu- ● Aus-, Fort- und Weiterbildung nehmen.“ Berichte über die Juniorenlager in Duisburg und die Entwicklung bei Der Unparteiische vom WSV Braun- den Mädchen und Frauen. schweig gehört inzwischen zu den lediglich zwei Dutzend Top-Schieds- ● Faszination Schiedsrichter richtern in Europa, die die UEFA in Viele lesenswerte Texte, die ihre Elitegruppe aufgenommen hat. Schiedsrichter für Schiedsrichter Seine Erfahrung: „Schiedsrichter zu und vor allem für solche, die es wer- sein, ist eine faszinierende Möglich- den wollen, geschrieben haben. keit, um die eigenen ,wahren Stär- ken’ wie Mut und Verantwortungs- Vor allem dieser letzte Punkt ist es, bereitschaft einzubringen und wei- der den Ausschlag geben kann, sel- ter zu fördern.“ Und was Florian ber Schiedsrichter zu werden. Wer Meyer für junge Leute besonders zum Beispiel den Beitrag „… doch am Herzen liegt: „Sie lernen, Kon- heute ist Sonntag“ von Tobias Alte- präsentiert das neue Plakat. flikt-Situationen zu erkennen und henger liest, kann einen Teil der zu lösen. Dadurch entwickelt sich Faszination verstehen, der für viele Möglicherweise war diese Formu- ter-Werbung und -Erhaltung“ die Persönlichkeit, Menschenkennt- Sportler davon ausgeht, Schieds- lierung mehr plakativ als realis- zuständig für die Aktion: „Hierzu nis und die Fähigkeit zur Selbst- richter zu sein. Noch einmal Wolf- tisch, dennoch steckt in ihr der wurden 80.000 Plakate gedruckt, kritik werden gestärkt.“ gang Mierswa: „Deshalb bauen wir Hinweis auf Stärken, die sich bei die in Schulen und an die Vereine auch sehr auf die schon aktiven dem jetzigen FIFA-Schiedsrichter über die Schiedsrichter-Obleute Mit dem Plakat allein ist es Schiedsrichter. Sie sollen die poten- wohl schon früh erkennen ließen: und Öffentlichkeits-Mitarbeiter der natürlich nicht getan. Der DFB ziellen Kandidaten aus ihrem der Wille, für Gerechtigkeit zu sor- Verbände verteilt werden. Wir hat unter der Internet-Adresse Bekanntenkreis zum Beispiel auf gen; aufzupassen, dass Regeln ein- haben uns bewusst eine Spielszene www.schiedsrichter-nachwuchs.de diese Internetseite aufmerksam gehalten werden; sich zur Verfü- mit Florian Meyer herausgesucht, auf diversen „Sites“ viele Informa- machen, um das Interesse zu för- gung stellen, um ein Miteinander weil er in seinem gesamten Auftre- tionen zusammengefasst, die den dern.“ im Spiel zu ermöglichen. ten die Stärken eines modernen Interessenten den Einstieg erleich- Schiedsrichters verkörpert.“ tern. Einige Beispiele seien hier Den möglichen Neulingen deutlich Genau hier setzt die neue Aktion angeführt. zu machen, dass sie als Schiedsrich- des DFB-Schiedsrichter-Ausschusses Der 41-jährige FIFA-Schiedsrichter ter eben keine Einzelkämpfer sind, zur Werbung von Schiedsrichtern steht aber auch stellvertretend für ● Wie werde ich Schiedsrichter? sondern zu einer Gemeinschaft an. Gemeinsam mit der DEKRA, seit die annähernd 80.000 Unpartei- Vom Mindestalter bis zu den ersten gehören, in der jeder seine Stärken 2003 Partner des DFB, werden ischen, die jedes Wochenende im Einsätzen. Dazu alle Ansprechpart- zeigen kann – das gelingt denen am Sportler gesucht, die bereit sind, Einsatz sind und einen geordneten ner in den 21 Landeverbänden des besten, die entsprechende Erfah- sich zum Schiedsrichter ausbilden Spielbetrieb garantieren. Und er DFB. rungen schon gemacht haben. ■

SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 1/2010 11 Analyse Die Sportart verwec Die letzten Bundesliga-Spieltage vor der Winterpause brachten wieder einige interessante Szenen von Bedeutung, wie Eugen Strigel in seiner Analyse feststellt.

13. Spieltag Foto 1 Es fehlten zwei Rote Karten Im Spiel VfL Wolfsburg gegen den 1. FC Nürnberg hatte es Schieds- richter Markus Schmidt sehr schwer. In der ersten schwierigen Situation lag er richtig: Nürnbergs Torwart Raphael Schäfer hatte am Boden liegend die flache Hand auf dem Ball, als Misimovic die Kugel ins Tor schoss. Der Schiedsrichter sah in dieser Aktion ein Foulspiel, entschied auf Freistoß und erkannte das Tor für Wolfsburg nicht an.

Die Begründung: Torhüter Schäfer hatte die Hand auf dem Ball und ihn deshalb im Sinne der Regel unter Kontrolle. Dann ist es keinem Gegner mehr erlaubt, den Ball zu spielen. Tut er es trotzdem, ist als Spielstrafe ein indirekter Freistoß die Folge, wenn er nur den Ball berührt. Werden Hand oder Arm getroffen, gibt es einen direkten Freistoß. Dass der Nürnberger Spieler bei diesem „Kung-Fu-Sprung“ auch noch den Ball leicht berührt hat, Längst nicht so gut wurde eine spielt für die Persönliche Strafe keine Rolle - „Rot“! zweite Situation gelöst. Der Nürn- berger Wolf hatte offensichtlich Schiedsrichter-Team nicht wahrge- seinem Schlusspfiff beim Spiel des Aber was wäre richtig gewesen? die Sportart verwechselt und traf nommen wurde. Da deshalb über VfB Stuttgart gegen Hertha BSC Verlorengegangene Spielzeit muss seinen Gegenspieler Dzeko mit diese Szene von Markus Schmidt Berlin, das 1:1 endete, um die Nach- ein Schiedsrichter nachspielen einem „Kung-Fu-Tritt“ am Kopf keine (Tatsachen-)Entscheidung spielzeit. In fast allen Spielen lassen – unabhängig vom Spiel- (Foto 1). Dabei berührte er zwar gefällt wurde, konnte das DFB- eigentlich eine vollkommen neben- stand. Darunter sind zum Beispiel auch noch den Ball; wer aber mit Sportgericht aufgrund der TV-Bil- sächliche Sache, dennoch bei die- Verletzungsunterbrechungen oder solch einem üblen Tritt versucht, der den Torwart nachträglich sper- ser Gelegenheit einmal ein paar auch Unterbrechungen wegen an den Ball zu kommen und dann ren. Es ist sicherlich richtig, dass Worte dazu. Die Stuttgarter, die Gewitter oder anderer Wetterunbil- den Gegner trifft, der muss „Rot“ solche klaren Verstöße gegen die erst in der 82. Minute den Aus- den zu verstehen. Vergeudete Zeit sehen. Das ist ein grobes Foulspiel, Spielregeln auch im Nachhinein gleich erzielt hatten und nun auf kann nachgespielt werden. Dazu mit dem auch die Gesundheit des bestraft werden können. Dennoch den Siegtreffer drängten, waren zählt, wenn die Spieler sich bei- Gegenspielers in hohem Maße muss man erwarten können, dass verärgert, weil der Schiedsrichter spielsweise bei den Spielfortset- gefährdet wird. Leider gab es hier ein Mitglied des Teams einen sol- nur eine Minute Nachspielzeit zungen unverhältnismäßig viel Zeit nur einen direkten Freistoß. chen Tritt erkennt, damit der Täter anzeigen ließ. Das war auch in mei- lassen. Bei dieser Kann-Bestim- sofort mit einem Feldverweis nen Augen deutlich zu wenig. mung spielt das aktuelle Ergebnis Eine weitere Rote Karte wäre fällig bestraft werden kann. Nur dann Immerhin hatte er zwei Berliner natürlich eine ganz entscheidende gewesen, als der Nürnberger Tor- hat ja der betroffene Gegner mög- Spieler wegen Zeitverzögerung Rolle. Auf das hier genannte Spiel hüter Raphael Schäfer nach einem licherweise einen Vorteil davon. verwarnt, es wurden zwei Tore bezogen: Verzögert Hertha laufend Zweikampf seinen Gegenspieler erzielt, fünf Auswechslungen fan- die Zeit und dem VfB gelingt dann Misimovic trat. Eine klare Tätlich- Nach einer sehr guten Leistung den statt, und es gab auch noch dennoch in der 90. Minute der keit, die leider vom gesamten von ging es nach eine Gelb/Rote Karte. Siegtreffer, so wird die von den

12 SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 1/2010 Foto 2 lobenswerter, dass Christian Ban- durski sie richtig gelöst hat.

16. Spieltag Was tun, wenn der hselt Torwart mal muss? allgemeingültiger „Wenn der Torwart den Stürmer lockt“, hieß die Überschrift dieser Kolumne in der vorigen Ausgabe. Die Situation: Der Ball liegt „frei“ im Strafraum, aber der Torwart Berlinern vergeudete Zeit nicht spielt ihn nicht, sondern wartet, mehr nachgespielt. Denn die bis ein Angreifer kommt und Mannschaft, die sich zuvor nimmt ihn dann schnell auf. Ein unsportlich verhielt, bekäme sonst provozierendes Verhalten, das lei- ja als „Belohnung“ die Chance, der nicht bestraft werden kann. noch den Ausgleich zu erzielen. Noveskis Grätsche kommt einen Augenblick zu spät, er trifft Elia Wer weiß, vielleicht hat Jens Leh- genau am Knöchel. mann das genau gelesen. Jeden- Die Dauer der Nachspielzeit wegen falls „lockte“ er an diesem Spieltag Zeitverzögerungen liegt im Ermes- chen und traf mit seiner Sohle Elia Anders wäre es gewesen, wenn zehn Minuten vor Schluss beim sen des Schiedsrichters und wird am Knöchel. Dass der dadurch Caligiuri, als er sich den Ball vor- Stand von 1:0 für seinen VfB Stutt- nur von ihm festgelegt und ange- ruckartig umknickte, war erst in legte, seinen Gegenspieler ange- gart gegen Mainz 05 Stürmer zeigt (diese zweite Aufgabe über- der Zeitlupe zu erkennen. Nach schossen hätte und von dem wäre Bancé zu sich. Der Mainzer griff nimmt im Lizenzfußball der Vierte diesen Bildern wäre „Rot“ ange- Offizielle). Wir im DFB-Bereich bracht gewesen. Aber es gibt nun Foto 3 geben dafür keine exakten Zeiten mal keinen Menschen, der in „Zeit- vor. In der Schweiz beispielsweise lupe“ schauen kann. haben die Schiedsrichter die Anweisung, dass für jede Aus- 15. Spieltag wechslung 30 Sekunden nachge- Eine ganz schwierige spielt werden müssen. Da kommt Abseits-Situation man dann insgesamt schnell auf Im Spiel VfL Wolfsburg gegen den drei, vier oder gar fünf Minuten SC Freiburg gab es für Assistent Nachspielzeit. Das sind bei uns Christian Bandurski eine knifflige eher die Ausnahmen. Wichtig ist Aufgabe zu lösen: Als der Freibur- noch dies: Wurde eine Nachspiel- ger Caligiuri sich zentral vor dem zeit angezeigt, so muss sie auch Tor den Ball in Richtung Strafraum- ausgespielt werden. Ein Schieds- linie vorlegt, befindet sich sein richter kann die bekannt gegebene Kollege Idrissou in einer Abseits- Zeit zwar noch verlängern, nicht Stellung, greift aber (zunächst) aber reduzieren. nicht ins Spiel ein. Also kein Grund In diesem Moment spielt Riether den Ball, den sich Caligiuri für Bandurski, die Fahne zu heben. (Zweiter von rechts) vorgelegt hatte, in Richtung Idrissou. 14. Spieltag Christian Bandurski (hinten) hat die Szene gut im Blick. Schiedsrichter schauen Genau wie Caligiuri setzt der Wolfs- nicht in Zeitlupe burger Riether dem Ball nach und der Ball zu Idrissou geprallt. Dann den Torwart nicht nur an, sondern Im Spiel Mainz 05 gegen den Ham- kommt dabei, gestört durch seinen hätte strafbares Abseits von Idris- traf ihn dabei auch mit dem Knie burger SV gab es eine Entschei- Kollegen Hasebe, unmittelbar vor sou vorgelegen, weil er aus seiner an dessen Knie. Eine Gelbe Karte dung, die nach dem Spiel zu der Strafraumlinie leicht ins Strau- Position einen Vorteil zog, „indem hätte er dafür verdient gehabt, Diskussionen führte. Der Mainzer cheln. Um zu verhindern, dass der er den Ball spielt, der vom Pfosten Schiedsrichter Wolfgang Stark ließ Noveski foulte seinen Gegenspieler knapp hinter ihm laufende Caligiuri oder der Querlatte oder einem sie aber stecken. Lehmann musste Elia mit einer Grätsche (Foto 2), so an den Ball kommt, schiebt Riether gegnerischen Spieler zu ihm zwei Minuten behandelt werden. dass dieser verletzt ausgewechselt ihn mit seinem rechten Fuß nach springt“, wie es in Regel 11 heißt. werden musste. Im Normalablauf rechts (Foto 3). Von dort kommt Sieben Minuten später: Nachdem der Fernsehbilder war für mich die aber nun Idrissou herangeprescht Davon kann hier aber nicht die er den Ball gefangen hat, tritt der Gelbe Karte, die Schiedsrichter und schießt das 1:0 für Freiburg. Die Rede sein, denn der Ball „springt“ Torwart sechs Meter vor dem Tor Manuel Gräfe für das Foulspiel Frage: Hat Idrissou aus seiner nicht von Riether zu Idrissou, son- mit rechts den vor ihm stehenden zeigte, absolut angemessen. Im Abseits-Stellung einen Vorteil gezo- dern der Wolfsburger spielt Bancé mit Absicht auf den Fuß Stadion dachte kein Mensch an gen, beantwortet Christian Ban- bewusst den Ball. Somit lag kein (Foto 4 auf der nächsten Seite). eine Rote Karte. Die Zeitlupenbil- durski für sich mit „nein“ und lässt strafbares Abseits vor, und das Tor Wie man später auf Fotos erken- der zeigten dann jedoch die die Fahne unten. Schiedsrichter wurde korrekt erzielt. Diese kom- nen kann, legt er dabei auch noch Schwere des Foulspiels. Noveski Guido Winkmann erkennt das Tor plizierte Abseits-Konstellation sein ganzes Gewicht auf sein rech- konnte den Ball nicht mehr errei- an. Und das war genau richtig. kommt zum Glück selten vor. Umso tes Bein. Dazu schubst er den

SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 1/2010 13 Analyse

Foto 4 Foto 5

Das linke Bein entlastet, tritt Jens Lehmann mit rechts und mit Absicht auf den Fuß von Bancé. Die Schraubstollen am Schuh des Torwarts lassen ahnen, wie schmerzhaft das gewesen sein muss

Mainzer Stürmer leicht. Bancé ein Spieler während des Spiels auf geht zu Boden. Klasse von Wolf- die Toilette, so hat er sich beim gang Stark, dass er die Situation Schiedsrichter ab- und anschlie- genau erkannte und Lehmann ßend auch wieder anzumelden. richtigerweise des Feldes verwies. Handelt es sich um einen Feldspie- Offensichtlich war der erfahrene ler, setzen wir das Spiel unmittel- Schiedsrichter durch die Szene bar fort. Muss jedoch ein Torhüter sieben Minuten zuvor besonders die Toilette aufsuchen, so sollte sensibilisiert, was ein weiteres der Schiedsrichter das Spiel unter- Boateng (rechts) hat den von Marin gespielten Ball verpasst. Er Aufeinandertreffen von Lehmann brechen und abwarten, bis der Tor- trifft stattdessen das Bein des Gladbachers... und Bancé angehen würde. hüter wieder zurückkehrt. Die Dauer der Unterbrechung sollte in Foto 6 Natürlich gab es auch noch einen etwa der Verletzungsbehandlung Strafstoß, da sich der Ball zum eines Torhüters entsprechen. Der Zeitpunkt des Tritts im Spiel darf ja für einen angemessenen befand. Der führte dann zum 1:1- Zeitraum behandelt werden, ohne Endstand. dass er ausgetauscht werden muss. Schon einige Tage zuvor hatte es im Champions-League-Spiel VfB 17. Spieltag Stuttgart gegen Urziceni eine wei- „Rot“ gegen Boateng tere Szene mit Jens Lehmann war richtig gegeben, auf die ich hier eingehen Der letzte Spieltag vor der Winter- möchte. Viele Medien berichteten pause verlief trotz schlechter Wit- darüber, dass der Torhüter mitten terungsbedingungen aus Schieds- im Spiel eine „Pinkelpause“ einge- richter-Sicht ruhig und problemlos. legt hätte. Ob es wirklich so war, Lediglich auf eine Entscheidung im oder ob er seinen Tiefschutz in Spiel Hamburger SV gegen Werder ...und die „Tatort“-Übersicht verdeutlicht, dass Marin ohne das Ordnung brachte, ist aus der Sicht Bremen möchte ich näher einge- Foul eine glasklare Torchance gehabt hätte. der Spielregeln egal. Fest steht, hen. Schiedsrichter Florian Meyer dass Lehmann sich außerhalb des verwies den Hamburger Boateng ohne das Foul innerhalb der nächs- chance war unbestreitbar gege- Spielfeldes hinter der Bande wegen einer „Notbremse“ des Fel- ten Sekunden ein Tor hätte schie- ben. Den Ermessensspielraum hat niederkniete. Für dieses unerlaubte des. ßen können. Nahezu ein klassi- ein Schiedsrichter bei einer sol- Verlassen des Spielfelds hätte der scher Fall von „Notbremse“. chen Spielszene nur bei der Ent- Torwart „Gelb“ sehen müssen. Der Bremer Marko Marin lief zent- scheidung, ob überhaupt ein Foul- Dass er die Karte nicht bekam, lag ral nur wenige Meter außerhalb Boateng war sauer auf den spiel vorliegt oder nicht. Im Fall daran, dass der Schiedsrichter des Strafraumes Richtung gegneri- Schiedsrichter, da er seinen Boateng hatte Florian Meyer aber Lehmanns Verhalten nicht gese- sches Tor. Boateng brachte ihn Gegenspieler nur „ganz leicht nicht einmal diese Wahl. ■ hen hat. Das Spielgeschehen war durch Beinstellen zu Fall (Foto 5) berührt“ habe. Das mag sein, das ja weit entfernt, sonst hätte der und nahm ihm so eine offensichtli- Foul war wirklich nicht schlimm, Eugen Strigel ist Torwart seinen „Ausflug“ gar nicht che Torchance (Foto 6), selbst aber es war eben ein Foulspiel. seit 1995 Lehr- riskieren können. wenn Marin den Ball etwas nach Und wenn der Schiedsrichter das wart im DFB- Schiedsrichter- rechts gelegt hatte. „Rot“ war rich- pfeift, hat er bei der Persönlichen Ausschuss. Bleiben wir noch mal kurz bei die- tig, da kein anderer Abwehrspieler Strafe keinen Ermessensspielraum ser delikaten Angelegenheit: Muss mehr eingreifen konnte und Marin mehr, denn die eindeutige Tor-

14 SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 1/2010 Regel-Test Fragen Falscher Einwurf zum Gegner Ein Schiedsrichter beweist am besten sein Verständnis für das Spiel, indem er es laufen lässt, wo es nur möglich ist. Warum allerdings in einer speziellen Situation die Vorteilsanwendung untersagt ist, erläutert Eugen Strigel in den Auflösungen auf Seite 18.

Situation 1 Situation 9 Der Schiedsrichter entscheidet auf Während der Halbzeitpause tauschen einen indirekten Freistoß. Bevor er der Torwart und ein Feldspieler die seinen Arm heben kann, führt die Positionen, ohne den Schiedsrichter Mannschaft den Freistoß aus und darüber zu informieren. Erst nach 10 erzielt ein Tor. Minuten in der zweiten Halbzeit stellt der Schiedsrichter den Tausch fest. Situation 2 Der Schiedsrichter muss wegen Situation 10 einer Verletzungsbehandlung am Ein Abwehrspieler führt einen Torhüter das Spiel für fünf Minuten Abstoß aus. Außerhalb des Straf- unterbrechen. Da das Spiel nach raums trifft der Ball den Schieds- 90 Minuten 3:0 steht, lässt der richter. Von dort prallt er wieder Schiedsrichter nicht nachspielen. zum Abwehrspieler zurück, der den Ball mit der Hand noch Situation 3 berührt, aber nicht verhindern Ein Spieler führt einen Einwurf kann, dass er ins Tor geht. aus, steht dabei aber mit einem Fuß deutlich im Spielfeld. Der Ball Situation 11 kommt jedoch zu einem Gegen- Ein Spieler kritisiert den Schieds- spieler, der eine gute Tormöglich- richter lautstark, da er eine ver- keit hat. meintliche Abseitsstellung nicht gepfiffen hatte. Situation 4 Ein Schiedsrichter wird in einem Situation 12 Spiel, das er ohne neutrale Assis- Wegen eines überzogenen und tenten leitet, vom Ball im Gesicht rücksichtslosen Foulspiels zeigt getroffen. Benommen bleibt er der Schiedsrichter einem Spieler kurz am Boden liegen. Als er sich die Gelb/Rote Karte. Jetzt zeigt der wieder erholt hat, stellt er fest, Vereins-Assistent an, dass der Ball dass der Ball im Tor war. zuvor bereits die Seitenlinie über- schritten hatte und der Ball daher Situation 5 beim Foulspiel nicht im Spiel war. Ein Verteidiger spielt den Ball mit dem Fuß zu seinem Torwart. Da der Situation 13 Torwart den Ball mit dem Fuß nicht Ein Schiedsrichter sieht, wie ein mehr erreichen kann, nimmt er ihn Spieler seinen Mitspieler anspuckt. mit den Händen auf und verhin- dert damit ein Tor. Situation 14 Ein Auswechselspieler befindet Situation 6 sich in der Technischen Zone. Von Ein Schiedsrichter stellt fest, dass ein dort aus wirft er, während der Ball Spieler Schienbeinschoner mit einer Wenn der Spieler seinen linken Fuß auf den Rasen setzt, steht im Spiel ist, einen Schuh auf einen Länge von 10 Zentimetern trägt. er deutlich im Spielfeld – falscher Einwurf. Gegenspieler, der sich auf dem Spielfeld befindet. Situation 7 Auswechslung erst in der nächsten müssen behandelt werden. Nach Ein Spieler wird wegen einer Verlet- Spielunterbrechung zu. der Behandlung veranlasst der Situation 15 zung auf dem Spielfeld behandelt, Schiedsrichter, dass der Gegen- Ein Abwehrspieler hängt sich an kann jedoch nicht mehr weiterspie- Situation 8 spieler das Spielfeld verlassen seine eigene Torlatte und kann len und muss deshalb ausgewechselt Ein Torwart und ein Gegenspieler muss, der Torwart aber auf dem dadurch den Ball von der Torlinie werden. Der Schiedsrichter lässt die prallen zusammen. Beide Spieler Spielfeld bleiben darf. wegköpfen. ■

SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 1/2010 15 Lehrwesen Der Körper spricht mit Es gehört inzwischen wohl zum Allgemeinwissen, dass Kommunikation im täglichen Leben nicht nur mit Worten stattfindet. Das gilt natürlich auch im Spannungsfeld zwischen Schiedsrichtern und Spie- lern. Den Lehrbrief Nr. 29, der wie immer für die Lehrwarte auf allen Ebenen unseres Sports vom DFB erstellt worden ist, fasst Günther Thielking hier zusammen.

echsmal wurde Pierluigi Collina Szwischen 1998 und 2003 zum „Welt-Schiedsrichter des Jahres“ gewählt. Die internationale Fuß- ballszene bestätigte damit, dass dieser Referee zu den besten Regelwächtern der Fußballge- schichte gehörte. Berühmt wurde der Unparteiische aus dem nord- italienischen Viareggio jedoch nicht nur durch seine Entscheidun- gen mit der Pfeife. Zu Collinas Mar- kenzeichen wurde seine mitunter theatralisch anmutende Mimik gepaart mit einer Gestik, die nie eine Kritik der Spieler zuließ. Der kompromisslose Blick aus seinen eisblauen Augen konnte selbst einen überaus parteiischen Zuschauer ruhigstellen.

Häufig zelebrierte Collina seine Entscheidungen und machte so deutlich, dass zur Leistung eines guten Schiedsrichters mehr gehört als die sichere Kenntnis der Spielregeln und deren Umsetzung auf dem grünen Rasen. Mit seiner Körpersprache, seinem Auftreten setzte er Maßstäbe für die Position des Schiedsrichters als Ordnungs- wächter gegen alle Widerstände. Durch seine Art, die Spielregeln anzuwenden, gab er Impulse für neue Inhalte in der Ausbildung der Unparteiischen weltweit.

Ein guter Grund für die Redakteure Strafstoßpfiff gegen den Torwart! Bevor er aufspringen und sich beschweren kann, beruhigt des DFB-Lehrbriefs 29, einmal ihn der Schiedsrichter auch mit Hilfe seiner Körpersprache. intensiv auf die Körpersprache des Schiedsrichters einzugehen. Beschäftigt man sich näher mit wird das Verhalten der Schieds- starkes Erscheinungsbild und das vom Referee mehr kommen. Er diesem Thema, wird schnell deut- richter beobachtet und bewertet. damit verbundene sichere Auftre- muss deutlich machen, dass er lich, dass die Unparteiischen vor, Er steht durchgehend im Fokus der ten des Unparteiischen mehr denn seine Kompetenz aus seiner star- während und nach jedem Spiel den Beteiligten und der Zuschauer. je gefordert. Dort, wo noch vor ken Persönlichkeit herleitet. Auf Offiziellen und den Spielern in wenigen Jahrzehnten die schwarze Neudeutsch sagt man da gern, er einem Kommunikationsprozess Deshalb ist in Zeiten eines verän- Kluft und die aus Regel 5 hergelei- muss seine Entscheidungen „ver- begegnen, der verbale und nonver- derten Autoritätsdenkens und oft tete Macht des Schiedsrichters für kaufen“ können. Die genaue Regel- bale Elemente enthält. Ständig hektisch-kritischer Medien ein Akzeptanz sorgten, muss heute kenntnis, eine ausgeprägte Kondition

16 SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 1/2010 Lehrbrief Nr. 29 erschienen

Körpersprache lernen und die Sprache der Pfeife sind Situationen zum Beispiel mit seinen Der Lehrbrief 29 zeigt auf, dass es nur noch das selbstverständliche Händen spricht und welche Position zunächst darum geht, wichtige Ele- Kommunikation verläuft auf zwei Beiwerk des souveränen Schieds- er zum Gegenüber einnimmt. Am mente von Körpersprache zu erken- Ebenen. Im Gespräch teilen wir richters. besten ist der Schiedsrichter, dem nen. Die Mimik wird angesprochen, in unsere Gefühle, Bedürfnisse und es damit gelingt, das Feuer schon der der Schiedsrichter in besonde- Fragen unserem jeweiligen Gegen- Mimik und Gestik nutzen im Keim zu ersticken. rem Maße seine Emotionen zeigt. über mit. Wir kommunizieren mit Ärger und Aggressionen wegen unserer gesprochenen Sprache Mancher mag bedauern, dass auf Aber oft genug stehen dem Schieds- eines groben Fouls oder einer Kritik und setzen hier ganz bewusst die den Fußballplätzen inzwischen richter in Windeseile aggressive an seinen Entscheidungen werden Wörter, Sätze und Satzzusammen- meist die verbale Kommunikation Spieler gegenüber und dringen auf ebenso sichtbar, wie die Zufrieden- hänge ein, die wir kennen und die im Mittelpunkt steht, die Spieler ihn ein. Von allen Seiten wird er mit heit über eine gelungene Vorteils- wir dabei benötigen. reden viel mehr als früher. Aber die Forderungen, Vorwürfen und Ankla- aktion oder über ein ehrliches Lob Amts-Autorität des Schiedsrichters gen überschüttet. Es kommt zur von Spielern. Eher unbewusst vermitteln wir auf reicht heutzutage ebenso wenig aus „Rudelbildung“. Jetzt ist es wichtig, der nonverbalen Ebene Signale, wie die eines Lehrers oder eines dass die Unparteiischen den Über- Gerade in der unmittelbaren Kon- die ebenfalls unsere Empfindun- Polizisten, die Spieler (Schüler, Ver- blick behalten, und dass sie gelernt frontation mit den Aktiven hat der gen und unsere Anliegen deutlich kehrssünder) in ihrem Bedürfnis zu haben, ihre Körpersprache gezielt Schiedsrichter seine Mimik zu kon- machen. Diese Form der Kommuni- stoppen, sich selbst und ihr Verhal- einzusetzen. Sie müssen ihre Gestik trollieren. Verbunden mit seiner kation bindet den ganzen Körper ten zu verharmlosen. Einfach einzu- und Mimik nutzen, um das Gesche- Blickrichtung und seiner Körperhal- mit ein. Es ist der lebendige Aus- gestehen, dass man etwas falsch hen zu deeskalieren. Kurze Anspra- tung zum Spieler erweist sich in sol- druck unserer Persönlichkeit. gemacht hat und die „Strafe“ zu chen oder Zurufe des Schiedsrich- chen Abläufen die Stärke des Unpar- Diese „Körpersprache“ zeigt auf akzeptieren, wird kaum noch vorge- ters werden in solchen stressbela- teiischen. Geht der Blick nach unten, anschauliche Weise, welche Ein- lebt und deshalb auch nicht nachge- denen Augenblicken von den Spie- zur Seite oder nach oben, dann wirkt stellungen wir uns selbst und macht. lern vielfach gar nicht wahrgenom- der Schiedsrichter unsicher, ängst- anderen Menschen gegenüber men. Körpersignale des Schiedsrich- lich, vielleicht sogar arrogant. haben. Zur auf dem Platz ja notwendigen ters an fehlbare Spieler müssen nun Kommt er dem anzusprechenden schnellen Lösung solcher Konflikte klar und automatisiert ablaufen. Der Spieler zu nahe, dann gerät er in Meist ist es schwer, sie zu verber- ist es für einen Schiedsrichter von Unparteiische darf nicht lange über- einen Persönlichkeitsbereich, in dem gen. Unsere Mimik, die Gestik, die großer Bedeutung, dass er seine legen: Was muss ich jetzt machen, die Nähe als Angriff gewertet wird. Haltung unseres Körpers und Körpersprache kennt. Er muss wis- wie kriege ich das wieder in den Ist der Abstand zu diesem Spieler zu unsere Bewegungen verraten sen, wie er in konfliktträchtigen Griff? groß, geht die Ansprache ins Leere. unseren Gemütszustand. Noch bevor wir Worte mit einem Gegen- über gewechselt haben, reagiert dieser unbewusst auf die von uns ausgesandten Signale. Deshalb ist es wichtig, die Körpersprache bei sich und anderen Menschen genauer zu beachten und verste- hen zu lernen. Es hilft uns, in der alltäglichen Kommunikation Miss- verständnisse schnell zu bemerken und zu vermeiden.

Haben wir als Unparteiische die elementarsten Formen der Körper- sprache gelernt und können wir sie im Ansatz bei den Spielern deuten, so wird es uns leichter fallen, prä- ventiv auf Konfliktsituationen zu reagieren. Darüber hinaus wird es uns Schiedsrichtern gelingen, mit gezieltem Einsatz unserer Körper- sprache eine große Zahl von Hand- lungsabläufen besser zu steuern und Situationen voller Konflikte schneller als sonst in den Griff zu bekommen. Es lohnt sich wirklich, in der Lehrarbeit das Thema „Kör- persprache als Mittel zur Konflikt- vermeidung“ mit verschiedenen Methoden intensiv zu behandeln. Doppelter Zeigefinger - da ist die Verständigung so gut wie ausgeschlossen.

17 Regel-Test Antworten

Zeigefinger verboten lassen hatte, war er korrekt im Spiel. Der Spieler berührte dann Gut kontrollierbar und damit leich- Falscher den Ball zwar zum zweiten Mal, ter zu trainieren ist die Gestik eines ohne dass er von einem anderen Schiedsrichters. Schon ein fester Spieler berührt worden war, aber Händedruck bei der Seitenwahl sig- hier wird dann auf Vorteil entschie- nalisiert den Mannschaftskapitänen den und das Tor anerkannt. „Gelb“ Verlässlichkeit. Geöffnete Hände Einwurf gibt es, da der Spieler noch ver- können in einer Situation zum Bei- suchte, das Tor zu verhindern, was spiel sagen: „Tut mir leid, aber so ihm aber nicht gelang. ist die Entscheidung nun mal“ Eine konsequente Handbewegung von zum Gegner Situation 11 einer Seite zur anderen vor dem Der Schiedsrichter unterbricht das Körper signalisiert dagegen: So werden die auf Seite 15 beschriebenen 15 Spiel und verwarnt den Spieler. Das „Stopp! Schluss jetzt, so geht es Spiel wird mit einem indirekten nicht!“ Vermeiden muss ein Situationen richtig gelöst. Freistoß gegen die Mannschaft des Schiedsrichter auf jeden Fall den Spielers fortgesetzt, und zwar dort, ausgestreckten Zeigefinger. Dieses Situation 1 Torwart normalerweise den Ball in wo der Spieler reklamierte. Dabei „Wehe, wenn Sie noch einmal…“ Wiederholung des Freistoßes, da es seinem Strafraum mit der Hand ist aber unbedingt auf die Vorteil- wirkt belehrend, zurechtweisend sich um einen indirekten Freistoß spielen darf. gewährung zu achten. In diesem und schließt den Kommunikations- gehandelt, der Schiedsrichter das Fall wird dann die Verwarnung erst kanal. Zeichen dafür aber nicht gegeben Situation 6 in der nächsten Spielunterbrechung hatte. Schienbeinschoner müssen die ausgesprochen. „Head up!“, fordert die FIFA in einer Schienbeine bedecken und sollen Abhandlung zum Thema Körper- Situation 2 einen ausreichenden Schutz vor Ver- Situation 12 sprache. Wer aufrecht auf sein Der Schiedsrichter hätte diese fünf letzungen bilden. Daher sind ledig- Der Spieler wird mit „Gelb/Rot“ des Gegenüber zugeht, wirkt stark, wer Minuten wegen der Verletzungsbe- lich 10 Zentimeter lange oder Pseu- Feldes verwiesen. Bei einer Diszipli- den Kopf einzieht und eine gebeugte handlung nachspielen lassen müs- do-Schienbeinschoner nicht zulässig. narstrafe spielt es keine Rolle, ob Haltung an den Tag legt, ist in sen. Verloren gegangene Zeit – die sich der Ball beim Foulspiel im Spiel jedem Fall der Unterlegene. Welcher Zeit für eine Verletzungsbehand- Situation 7 befand oder ob er aus dem Spiel Schiedsrichter will das schon sein? lung fällt darunter – muss nachge- Dies ist nicht richtig. Eine Aus- war. Eine Spielstrafe kann es dage- spielt werden, egal wie der Spiel- wechslung kann sofort erfolgen. gen nur geben, wenn der Ball im Die Verfasser des Lehrbriefs wei- stand ist. Lediglich ein verletzter Spieler darf Spiel war und das Foulspiel auf dem sen darauf hin, dass der theoreti- erst wieder ins Spiel eintreten, Spielfeld stattfand. sche Einstieg in die Elemente der Situation 3 wenn das Spiel bereits wieder fort- Körpersprache durch geeignete, Das Spiel muss unterbrochen und gesetzt wurde. Situation 13 kurze Rollenspiele aufgelockert der Einwurf von der gegnerischen Der Schiedsrichter unterbricht das werden kann. Darüber hinaus wird Mannschaft ausgeführt werden. Situation 8 Spiel und verweist den schuldigen mit dieser Methodik für alle Betei- Eine Vorteilanwendung ist nicht Obwohl ein verletzter Spieler nach Spieler des Feldes. Das Spiel wird ligten am konkreten Beispiel deut- möglich, da der Ball nicht korrekt einer Verletzungsbehandlung erst mit einem indirekten Freistoß dort lich, wie die Mimik, die Gestik und ins Spiel kam. wieder ins Spielfeld eintreten darf, fortgesetzt, wo der Spieler spuckte. die Körperhaltung in Konfliktsitua- wenn das Spiel fortgesetzt wurde, tionen richtig eingesetzt werden Situation 4 wird hier eine Ausnahme gemacht. Situation 14 können. Sie stellen fest, dass eine Da der Schiedsrichter das Spiel Da ein Torhüter auf dem Spielfeld Der Schiedsrichter verweist den zielgerichtete, sinnvolle Körper- ohne neutrale Assistenten leitet, bleiben darf, wird in diesem Fall aus Auswechselspieler des Feldes und sprache trainiert werden kann. kann er ein Tor, das er nicht mit sei- Gründen der Gleichbehandlung da- zeigt ihm die Rote Karte. Das Spiel Nach jeder Sequenz ist das Verhal- nen Augen wahrnimmt, nicht aner- rauf verzichtet. Beide Spieler kön- wird mit einem indirekten Freistoß ten des Unparteiischen zu reflektie- kennen. Das Spiel muss mit einem nen also unmittelbar weiterspielen. an der Stelle fortgesetzt, wo sich ren. Positives Vorgehen muss Schiedsrichter-Ball fortgesetzt wer- der Ball bei der Spielunterbrechung gelobt werden, Fehler in der Kör- den. Situation 9 befand. persprache sind zu korrigieren. In der nächsten Spielunterbrechung Situation 5 werden beide Spieler verwarnt. Situation 15 Als Abschluss bei der Arbeit am Indirekter Freistoß gegen den Tor- Falls der neue Torwart den Ball in Der Schiedsrichter verwarnt den Thema „Die Körpersprache des wart, da er den Ball mit der Hand seinem Strafraum mit der Hand Spieler und setzt das Spiel mit Schiedsrichters“ bietet sich eine spielte, obwohl er ihm von einem spielte, wird dies nicht mit Strafstoß einem indirekten Freistoß auf der Analyse von Spielszenen an. Am Mitspieler absichtlich mit dem Fuß geahndet. Torraumlinie fort. Hier war bisher Beispiel ihrer Vorbilder in den zugespielt wurde. Der Torwart wird umstritten, ob dies mit einer Roten höchsten Spielklassen können die aber weder verwarnt noch erhält er Situation 10 oder Gelben Karte zu bestrafen ist. Unparteiischen erkennen, wie Kör- die Rote Karte. Dieses Handspiel Das Tor wird anerkannt und das Die FIFA teilte jetzt mit, dass in die- persprache richtig eingesetzt wird, zählt nicht zu den Vergehen, die Spiel mit Anstoß fortgesetzt. Der sem Fall eine Gelbe Karte ausreicht, um möglichst konfliktfrei ein Spiel wegen Verhinderung eines Tores Abwehrspieler wird verwarnt. Nach- obwohl damit ein Tor verhindert zu leiten. ■ mit „Rot“ zu bestrafen sind, da ein dem der Ball den Strafraum ver- wurde. ■

18 SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 1/2010 ball-Regeln vertraut. Die Pop-up- len, stellten alle Akteure das Spiel kurz Effekte und die zahlreichen Aus- ein - außer Ascolis Kapitän Sommese. klapp- und Herausziehmöglich- Der erwischte die Kugel noch vor notiert keiten des stabilen Buchs sind der- dem Passieren der Seitenlinie, lief maßen vielfältig und überraschend, an den bewegungslosen Gegenspie- dass nicht nur Kinder ihren Spaß lern vorbei und bediente seinen ■ Für zehn Jahre Zugehörig- an diesem Werk haben. Auch eine Stürmer Mirko Antenucci. Der keit zur DFB-Liste wurde folgen- „Rote“ und eine „Gelbe“ Karte schoss den Ball locker ins Tor. Spie- den Schiedsrichtern die DFB- fehlen natürlich nicht. „Das große ler und Anhänger von Reggina Verdienstnadel verliehen: FUSSBALL Pop-up-Buch“ kostet schäumten vor Wut. Verteidiger Christine Beck, Felix Brych, 9,95 Euro. Andrea Costa nahm sich Sommese Manuel Gräfe, Norbert Grud- vor und wurde deswegen mit „Rot“ zinski, Marc Seemann, Bibiana vom Platz gestellt. Steinhaus, .

Nachdem sich die Gemüter etwas ■ Niedersächsische Nach- beruhigt hatten, holte Ascolis Trai- wuchs-Schiedsrichter werden ner Giuseppe Pillon seine Profis als erste Unparteiische bundes- zusammen. Sie entschieden: Die weit an einem Pilotprojekt zum Jungs von der Reggina regen sich so genannten Online-Lernen für zu Recht auf, wir schenken ihnen Schiedsrichter teilnehmen. Dabei ein Tor. Als das Spiel wieder frei bilden sie sich über das Internet Durch die inter- gegeben war, blieben sie regungs- fort. Die dafür erforderlichen essanten Effekte los stehen. Regginas Biagio Pagano modernen Netbooks sind eine hat das „FUSSBALL trabte mit dem Ball am Fuß unbe- Spende der Sparkasse Göttin- Pop-up-Buch“ viel mehr Inhalt helligt über das halbe Feld und gen und des Niedersächsischen als man zunächst glaubt. schob das Leder am Torwart vor- Sparkassen- und Giroverbandes. bei ins Tor. Reggina erzielte danach in Unterzahl sogar noch ■ Das Exekutivkomitee der FIFA Zusammenarbeit zwei reguläre Treffer und gewann beschloss in Kapstadt, zur WM das Spiel 3:1. 2010 noch keine Torrichter ein- mit Israel geplant zuführen. Zunächst soll die Aus- Der DFB und der Israelische Fuß- Wegen der Niederlage ihres wertung des Experiments der Panorama ball-Verband haben Mitte Dezem- abstiegsgefährdeten Teams nah- UEFA (zwei Torrichter bei Euro- ber 2009 einen Kooperationsver- men die Fans von Ascoli die Fair- pa-League-Spielen bis zum Ende trag geschlossen. In dem so Play-Aktion zunächst eher unge- dieser Saison) abgewartet und genannten „Memorandum of halten auf. Einige Anhänger dann eventuell weitere Tests in Understanding“, das von DFB-Prä- bedrohten Team und Trainer sogar anderen Kontinental-Verbänden sident Dr. Theo Zwanziger und sei- derart, dass diese sich noch zwei gemacht werden. nem israelischen Amtskollegen Avi Stunden nach dem Spiel in der Luzon in Tel Aviv unterzeichnet Kabine verstecken mussten. Trai- ■ Der ehemalige Bundesliga- wurde, ist auch eine Zusammenar- ner Pillon verteidigte aber das Schiedsrichter Heinz Werner beit im Schiedsrichter-Wesen ent- Handeln der Mannschaft. „Wir (63) wurde am ersten Weih- halten. So ist geplant, dass israeli- haben ein Zeichen gesetzt. Wir nachtsfeiertag tot in der Mosel sche Unparteiische die Leitung haben getan, was in unserer Macht aufgefunden. Der Unternehmer einiger Spiele in der 3. Liga über- stand, um eine Ungerechtigkeit aus Auersmacher (Saarland) nehmen, während im Gegenzug aus der Welt zu schaffen. Erinnert leitete von 1983 bis 1990 ins- Ein Buch – nicht deutsche Schiedsrichter in der euch daran, wie sich Frankreich gesamt 65 Spiele in der höchs- nur für Kinder israelischen Liga eingesetzt wer- verhalten hat“, erklärte er und ten deutschen Spielklasse. den. Zudem wird ein deutscher spielte damit auf das Handspiel ■ Kinder und Jugendliche für die Schiedsrichter-Ausbilder einen Thierry Henrys in der WM-Qualifi- Bei einer Umfrage der „Sport Schiedsrichterei zu interessieren - Kurs in Israel durchführen. kation gegen Irland an. Bild“ in Sachen Tor-Szenen, auf damit kann man gar nicht früh die 17 der 18 Bundesliga-Mana- genug anfangen. Der DFB-Schieds- Nach der ersten Aufregung emp- ger antworteten, sprachen sich richter-Ausschuss startet deshalb Ascoli besinnt sich fanden dann auch Ascolis Fans vor neun für den Chip im Ball aus. auch immer wieder neue Aktionen allem Stolz für ihre Mannschaft, Drei Befragte hätten gern (siehe auch Seite 11 dieser Ausga- aufs Fair Play denn alle Welt berichtete über die Kameras in den Torpfosten, be). Wunderbar dazu passt eine Einen Fair-Play-Preis hat sich das ungewöhnliche Geste ihrer Lieblinge. einer will den Torrichter einfüh- bemerkenswerte Veröffentlichung italienische Zweitliga-Team von Eine Untersuchung wegen Spiel- ren, drei möchten alles so las- aus dem Nelson-Verlag in Ham- Ascoli Calcio verdient. Nachdem manipulation muss der Verein sen, wie es ist, und ein Manager burg: „Das große FUSSBALL Pop- sich ein Verteidiger des Gegners übrigens nicht fürchten. „Es ist enthielt sich der Stimme. up-Buch“ macht auf wirklich Reggina verletzt hatte und noch klar, warum Ascoli das Tor zugelas- anschauliche Weise mit den 17 Fuß- versuchte, den Ball ins Aus zu spie- sen hat. Eine solche Handlungs-

SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 1/2010 19 Panorama weise liegt im Ermessen der Spie- Entstanden ist die Aktion aus Kir- Der Inhalt der 94 Kartons ist aber ler und ist kein Anlass für ein Ver- chers Freundschaft mit Youssouf nicht nur für die Schiedsrichter fahren“, ließ der italienische Ver- Mohamed. Der Kreisliga-A-Schieds- gedacht. Komplette Trikotsätze band verlauten. richter, 1996 von den Komoren sind für diverse Mannschaften vor- nach Deutschland ausgewandert, gesehen. 94 Kartons für hatte schon öfter auf eigene Kosten private Hilfsgüter an seine Der Fußball-Verband der Komoren die Komoren Landsleute geschickt. Das Pfeifen wurde 1979 gegründet und im Sep- in Deutschland macht Youssouf tember 2005 in den Weltverband Eine bemerkenswerte Aktion hat Mohamed Freude, auch weil sein FIFA aufgenommen. FIFA-Schiedsrichter Verein SSC Tübingen ein multikul- mitgestaltet - für die Komoren, tureller Klub mit ausgeprägtem Theobald jetzt im einen Inselstaat, der zwischen Migrations-Hintergrund ist. Moha- Verbands-Obmann Herbert Madagaskar und Mosambik im Indi- med hatte seinem Tübinger Kolle- Klub der Sechziger Ohlmann (links) gratulierte schen Ozean liegt. 94 Kartons mit gen Kircher die Hilfsaktion Gerhard Theobald, der in der Sportkleidung schipperten seit schmackhaft gemacht. Bundesliga ebenso freundlich dem 10. Dezember 2009 in einem wie energisch seine Spiele riesigen Schiffscontainer auf die Auf dem Dachboden von Moha- leitete. Komoren (615.000 Einwohner) zu. meds Mietwohnung in Dußlingen landes leitete von 1982 bis 1993 Anfang Februar kam die Ladung stapelte, sondierte und sortierte insgesamt 95 Spiele der Fußball- mit 880 Trikots, 110 Paar Fußball- er mit Kirchers Hilfe in den vergan- Bundesliga. Heute ist er als Ver- schuhen, Fahnen für Schiedsrich- genen Monaten die Spenden. Die ter-Assistenten, Bällen und jeder häufig kalten Füße haben sich bands-Schiedsrichter-Lehrwart im Menge anderer Utensilien auf gelohnt. Als die Fracht auf fünf SFV tätig. Zudem ist er als Beob- Njadzidja, der größten unter den Paletten mit über 1.200 Kilogramm achter im Regionalverband unter- vier Komoren-Inseln, an. Die gut Gewicht seetauglich verschweißt in Mit seiner Familie, den Lehrer- wegs und für den DFB bundesweit 3.000 Euro Transportkosten wur- seine Komoren-Heimat verschifft Kollegen, vielen Freunden und in der Schulung von Lehrwarten den dank Kirchers Aufruf mehr als wurde, war Mohamed stolz und Verbands-Funktionären feierte tätig. Im Namen des Saarländi- gedeckt. Allein bei den 41 Schieds- glücklich. Knut Kircher: „Youssoufs Gerhard Theobald in Wiebelskir- schen Fußballverbandes überreichte richter-Gruppen in Württemberg Bruder hat mir erzählt, dass Leute chen seinen 60. Geburtstag. Der Verbands-Schiedsrichter-Obmann kamen rund 5.600 Euro für die jeden Tag im Hafen schauten, ob ehemalige Bundesliga-Schiedsrich- Heribert Ohlmann dem Geburts- gute Sache zusammen. das Schiff angekommen ist.“ ter und jetzige Lehrwart des Saar- tagskind ein Präsent.

Die internationalen Spiele der Deutschen im November und Dezember 2009

FIFA-Schiedsrichter unterwegs Name Wettbewerb Heim Gast Assistenten/Vierte Offizielle/Torrichter* Christine BECK Frauen Champions League Sparta Prag Arsenal LFC Müller/Söder Felix BRYCH Champions League AC Mailand Real Madrid Schiffner/Borsch/Drees Felix BRYCH WM-Qualifikation Irland Frankreich Schiffner/Borsch/Weiner Felix BRYCH Champions League Rubin Kazan Dinamo Kiew Schiffner/Borsch/Aytekin Manuel GRÄFE U 21-EM-Qualifikation Niederlande Spanien Scheppe/Lupp/Fleischer Stephan KAMMERER UEFA-Futsal-Cup Chrudim FC Time Lviv Stephan KAMMERER UEFA-Futsal-Cup FC Time Lviv Interviu Madrid Stephan KAMMERER UEFA-Futsal-Cup Puntar FC Time Lviv Thorsten KINHÖFER U 21-EM-Qualifikation England Portugal Bornhorst/Dankert/Zwayer Knut KIRCHER UEFA Europa League Villarreal Lazio Rom Voss/Achmüller/Aytekin/Sippel/Schmidt Knut KIRCHER UEFA Europa League Slavia Prag FC Genua Glindemann/Siebert/Perl/Sippel/Schmidt Anja KUNICK Frauen-WM-Qualifikation Finnland Armenien Müller/Rafalski Florian MEYER Freundschaftsspiel Österreich Spanien Kadach/Glindemann Florian MEYER Champions League Olympique Lyon SC Debreceni Kadach/Glindemann/Zwayer Peter SIPPEL Meisterschaft Katar Gharafa SC Rayyan Scheppe/Borsch Wolfgang STARK Champions League Olympique Marseille Real Madrid Salver/Pickel/Fritz Bibiana STEINHAUS Frauen Champions League Zvezda Perm Röa IL Wozniak/Kurtes Michael WEINER UEFA Europa League Dinamo Bukarest Galatasaray Istanbul Bornhorst/Anklam/Fritz/Rafati/Gagelmann Michael WEINER UEFA Europa League Partizan Belgrad Schachtjor Donezk Kadach/Ittrich/Winkmann/Rafati/Gagelmann * Vom DFB nominierte Assistenten, Vierte Offizielle und Torrichter

20 SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 1/2010 Handy-Gespräch an der Linie Lob für Meyer und Weiner: Wie die „Goslarsche Zeitung“ berichtet, machte ein Assistent in „Das war eine glatte Eins!“ einem Kreisligaspiel auf unge- wöhnliche Art Furore. Er wurde In Abstimmung mit dem DFB bot der Ver- dabei fotografiert, wie er während band Deutscher Sportjournalisten (VDS) des Spiels telefonierte - rechts die Mitte Januar eine Regelkunde auf höchstem Fahne in der Hand, links das Handy internationalen Niveau an. Mehr als 50 am Ohr. Ein so genannter Leser- interessierte Journalisten waren in das Klub- Reporter schickte das Bild einer heim des FC St. Pauli gekommen, um den Boulevard-Zeitung. „Das ist wirk- Ausführungen der beiden FIFA-Schiedsrich- lich dumm gelaufen“, sagte der ter Florian Meyer (Burgdorf) und Michael Schiedsrichter-Assistent hinterher. Weiner (Giesen) zu folgen. Die Referees Aufmerksame Zuhörer: In der ersten Reihe Er habe am Sonntag keine Uhr erläuterten in einem zweistündigen Seminar von rechts unter anderem Carsten Harms dabei gehabt und daher sein anhand von Videoaufzeichnungen besonders (WELT), Jochen Zwingmann (VDS), Wolf- Handy mitgenommen und ver- knifflige Spielsituationen. Heikle Abseits- Dieter Poschmann, Claudia Neumann, Béla gessen, es stumm zu schalten. szenen, Handspiel und die Bewertung von Réthy (alle ZDF). „Auf einmal hat es furchtbar laut Foulspielen wurden angeregt besprochen. geklingelt, und ich bin kurz dran ken, Beleidigungen und aufheizende Gesten gegangen.“ Der Kreis-Schiedsrich- „Was sind eigentlich wirklich Fehlentschei- sollen stärker sanktioniert werden. dungen?“, fragte Florian Meyer. „Ist es eine ter-Obmann kündigte umgehend Fehlentscheidung, wenn laut angehaltenem Vizepräsident Hans-Joachim Zwingmann an, das sich sein Ausschuss mit Bild im Fernsehen ein Spieler mit einer Fuß- vom VDS zog ein positives Fazit der Veran- dem Fall beschäftigen werde. Der spitze im Abseits steht? Und wer kann staltung: „Ich glaube, wir alle haben viel mit- Schiedsrichter-Assistent war reu- eigentlich das Bild genau im Moment der bekommen. Wir haben gesehen, wie schwer mütig: „Das ist mir mehr als pein- Ballabgabe anhalten?“ der Schiedsrichter-Job in der Bundesliga ist. lich. Ich hoffe nur, dass sie mich Vielen Dank an Michael Weiner und Florian jetzt nicht rausschmeißen.“ Diese Aussagen, das absichtliche und unab- Meyer, unser Horizont ist erweitert worden.“ sichtliche Handspiel und auch aktuelle Sze- Steinhaus, Beck nen aus den Bundesligaspielen Hamburger SV Dieter Matz vom Hamburger Abendblatt gegen Werder Bremen oder Mainz 05 gegen mochte da nicht nachstehen: „Das war eine und Kunick den Hamburger SV wurden erklärt. Die bei- glatte Eins“, lobte der erfahrene Sportjour- im Auslands-Einsatz den FIFA-Referees sparten aber auch nicht nalist und war besonders von Michael Weiner mit Selbstkritik und warben um etwas mehr überrascht, den er bisher auf dem Platz aus Die deutschen Top-Schiedsrichte- Verständnis für ihre Zunft. Ein Hinweis für der Ferne ganz anders eingeschätzt hatte: rinnen sind international gefragt. die Rückrunde der Bundesligen durfte nicht „Ich kannte Michael Weiner und Florian Bibiana Steinhaus leitet am fehlen. Besonders auf das Verhalten auf den Meyer bislang nicht persönlich, aber sie 17. März mit Marina Wozniak und Bänken soll stärker geachtet werden. Abwin- haben auf mich einen sehr, sehr netten und Christina Jaworek das Champions- keineswegs unnahbaren Eindruck gemacht. League-Viertelfinal-Rückspiel zwi- Da standen zwei Menschen vor uns, die auf schen Torres Calcio (Italien) und ihre Art für mich wie Kumpeltypen wirkten: Olympique Lyon. Der Sieger dieser locker, witzig, sympathisch.“ Partie trifft im Halbfinale auf den Sieger aus Umea IK und SC Mont- Am Tag danach gab es eine zweite Veranstal- pellier. Dieses Halbfinal-Hinspiel tung dieser Reihe. Diesmal in München, wo pfeift Anfang April Christine Beck FIFA-Schiedsrichter Felix Brych und Manfred mit Inka Müller und Christina Amerell, Mitglied im DFB-Schiedsrichter-Aus- Jaworek. Ende März reist Anja schuss, ebenfalls mehr als 50 Journalisten Kunick nach Weißrussland - als die Gelegenheit boten, aus erster Hand Kon- Assistentinnen dabei sind Inka kretes über Auslegung und Anwendung der Müller und Kathrin Rafalski. Das Regeln zu erfahren. Auch hier war nach den Trio leitet dort das Qualifikations- zwei Stunden der Wunsch der Medienvertre- spiel für die WM 2011 in Deutsch- Michael Weiner erläuterte engagiert die ter groß, solche Seminare weiterhin anzubie- land zwischen den Gastgeberinnen Szenen für die Journalisten. ten. und Norwegen. ■

Reporter-Weisheit „Der Regel nach hat er richtig entschieden, aber vielleicht ist die Regel nicht richtig.“ Philosophisch Sky-Kommentator über ein Handspiel beim Spiel Hertha gegen Wolfsburg.

SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 1/2010 21 Report Zwei nehmen die näc Die kurze Winterpause brachte es mit sich: Eine Woche war das neue Jahr gerade alt, da trafen sich bereitung auf die Rückrunde.Zum ersten Mal dabei:die Unparteiischen der 3. Liga, die bei der Halbzeit- nen. Und auch für Michael Kempter und Markus Wingenbach wird der Anfang des Jahres 2010 besonders

s hat schon Tradition: Am zwei- Eten Abend der Halbzeit-Tagung der Lizenzliga-Schiedsrichter über- reicht Volker Roth den FIFA- Schiedsrichtern das mit der Jah- reszahl versehene Abzeichen des Weltverbandes, das sie dann bis zum 31. Dezember an ihr Trikot „kletten“ dürfen.

In diesem Jahr bekam Michael Kempter zum ersten Mal vom Vor- sitzenden des Schiedsrichter-Aus- schusses das FIFA-Emblem verlie- hen. Durch den Rücktritt von Her- bert Fandel war in der Gruppe der deutschen FIFA-Schiedsrichter ein Platz frei geworden. Dreieinhalb Jahre und 47 Spiele nach seinem Bundesliga-Aufstieg nahm Kempter damit die nächste Hürde seiner bemerkenswerten Karriere. Der 26- Jährige vom VfR Sauldorf (Südba- den) muss sich, wie das üblich und auch richtig ist, auf internationaler Ebene erstmal hinten anstellen. Volker Roth: „Sicher wird er zunächst einmal bei Junioren-Tur- nieren angesetzt. In den vergange- nen Jahren hat Michael in der Bundesliga sehr gute Leistungen gezeigt, was man auch an der Anzahl seiner Einsätze und der Bedeutung der von ihm geleiteten Neue Aufgaben: Markus Wingenbach (links) und Michael Kempter. Begegnungen ablesen kann. Ich bin sicher, dass er seine überzeu- Gewöhnlich ist ja der Sommer die gen in der 2. Bundesliga waren die an die Atmosphäre und die Anfor- genden Spielleitungen auch auf Zeit des Aufstiegs in die Bundes- beste Voraussetzung dafür. derungen in diesem Umfeld zu internationaler Ebene fortsetzen liga. In dieser Saison hat der DFB- gewöhnen.“ Schließlich werden kann.“ Schiedsrichter-Ausschuss aller- Bevor Kempter und Wingenbach aus diesem Kader mit hoher Wahr- dings schon im Winter Bedarf mit ihren neuen „Ehren“ versehen scheinlichkeit die Bundesliga- Als Michael Kempter den verdien- angemeldet, weil Marc Seemann in die Rückrunde starteten, muss- Schiedsrichter der Zukunft kom- ten Beifall der Kollegen entgegen- nach einer Fersen-Operation noch ten sie wie ihre 40 Kollegen aus men. nahm, klatschte natürlich auch in der Reha steckt und Dr. Helmut der Bundesliga und der 2. Liga die Markus Wingenbach. Da wusste der Fleischer im April beruflich in die dreitägige Halbzeit-Tagung in Die insgesamt also 64 Schiedsrich- Zweitliga-Schiedsrichter aus Diez USA geht. Und so stimmte das DFB- Mainz absolvieren. Zum ersten Mal ter hatten in den Tagen von Mainz (Rheinland-Pfalz) allerdings noch Präsidium am 15. Januar zu, dass dabei waren auch die 22 Schieds- ein volles Programm zu absolvie- nicht, dass auch er in diesen Tagen Markus Wingenbach in die höchste richter der 3. Liga. Lehrwart Eugen ren, das Nachbereitung und Vorbe- eine bedeutende Hürde nehmen deutsche Spielklasse aufrückt. Strigel: „Wir wollen den jungen reitung zugleich war. Das galt vor würde. Seine beständig starken Leistun- Leuten die Gelegenheit bieten, sich allem für die Videoszenen aus der

22 SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 1/2010 hsteHürde Deutschlands beste Schiedsrichter schon zur Vor- Tagung wichtige Eindrücke für ihre Zukunft gewan- in Erinnerung bleiben. Lutz Lüttig berichtet aus Mainz.

Hinrunde, die intensiv ausgewertet So sieht es auch Felix Brych, der wurde. Aber auch für einen beein- gemeinsam mit Meyer und Wolf- druckenden Vortrag von Herbert gang Stark diese Diskussion leitete: Fandel, der sich mit dem Thema „Am Anfang haben wir im Team „Körpersprache und Außenwirkung zuviel miteinander gesprochen. in den höchsten Spielklassen“ Weniger ist mehr. Aber die Kommu- befasste. nikation im Team wird auf jeden Trainingspause: Patrick Ittrich versucht sich als „Rastelli“, Fall erleichtert.“ beobachtet von Christian Bandurski, Thorsten Kinhöfer und Erfahrungen Robert Kempter (von links). mit dem Headset Daran, dass man die Stadion- Atmosphäre nur noch auf dem Sachverhalts mit vielleicht weitrei- Es wurde auch darüber nachge- Seit Beginn der Saison nutzen die freien Ohr hört, haben sich die chenden Folgen notwendig sind, dacht, ob es sinnvoll ist, dass der Bundesliga-Schiedsrichter ein Schiedsrichter schnell gewöhnt. muss man weiter an der Seitenli- Schiedsrichter und die Assistenten Headset, um sich im Team schnell Auch die Gefahr, den „Stöpsel“ aus nie führen.“ Denn auch in den Zei- jederzeit alles hören, was das ein- und ohne Spielverzögerung ver- dem Ohr zu verlieren, ist äußerst ten der Blitzschnell-Kommunika- zelne Team-Mitglied spricht. Mögli- ständigen zu können. In Mainz gering, da beim Sommer-Lehrgang tion bleibt ein ehernes Schieds- cherweise ist es besser, wenn der wurden die Erfahrungen der ersten 2009 von jedem Schiedsrichter ein richter-Gesetz gültig: Sicherheit Assistent den Kanal zum Schieds- Monate ausgetauscht. Sie fallen Ohrabdruck genommen und so das geht vor Schnelligkeit. richter erst per Knopfdruck öffnet, mehrheitlich positiv aus, wenn Headset individuell angepasst man, wie Aktivensprecher Florian wurde. Meyer betonte, dieses Kommunika- Alle deutschen FIFA-Schiedsrichter 2010 tionsmittel für den Austausch Wolfgang Stark mahnte aber auch, „kurzer, bündiger Infos nutzt und sich nicht ausschließlich auf das Schiedsrichter: es mit dem Reden nicht über- neuartige Hilfsmittel zu verlassen: Wie bisher: Dr. Felix Brych, Manuel Gräfe, Thorsten treibt“. Funkdisziplin ist ein Wort, „Der Blickkontakt bleibt nach wie Kinhöfer, Knut Kircher, Florian Meyer, Babak Rafati, Peter Sippel, das jetzt auch Eingang in die vor sehr wichtig. Und längere Dia- Schiedsrichter-Sprache findet. loge, die zur Aufklärung eines Wolfgang Stark, Michael Weiner. Neu: Michael Kempter für . Schiedsrichter-Assistenten: Wie bisher: Christoph Bornhorst, Mark Borsch, Sönke Glindemann, Mike Pickel, Jan-Hendrik Salver, Detlef Scheppe, Thorsten Schiff- ner, Volker Wezel. Neu: Markus Häcker und Holger Henschel für Carsten Kadach und Kai Voß. Schiedsrichterinnen: Wie bisher: Christine Beck, Dr. Riem Hussein, Anja Kunick, Bibiana Steinhaus. Schiedsrichter-Assistentinnen: Wie bisher: Inka Müller, Marina Wozniak. Neu: Christina Jaworek und Katrin Rafalski für Miriam Dietz und Moiken Reichert. Futsal-Schiedsrichter: Wie bisher: Swen Eichler, Stephan Kammerer. Videoschulung mit Eugen Strigel: Auch für Top-Schiedsrichter ein Muss.

SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 1/2010 23 Report bevor er ihm etwas sagt. So wie es schon beim Vierten Offiziellen der Fall ist, damit der „Chef“ nicht durch die Gespräche am Spielfeld- rand (zum Beispiel Vorbereitungen von Auswechslungen oder Ermah- nungen an die „Bank“) abgelenkt wird.

Am Ende dieses Tagesordnungs- punktes stand auf jeden Fall der Wunsch der Aktiven, auch die Teams der 2. Bundesliga mit den Headsets der französischen Firma Adeunis auszurüsten.

Vorbild Trainer

Nützlich ist das Headset natürlich auch, wenn der Vierte Offizielle den Schiedsrichter zunächst mal ohne großes Lamento auf die Ver- haltensweisen in der Coaching- Zone hinweisen muss. Volker Roth machte in seinen Ausführungen vor den Schiedsrichtern und auch in der Pressekonferenz auf eine Tendenz aufmerksam, die in der

Auch für Lutz Wagner (links) und Daniel Siebert ist neben den obligatorischen Laufein- heiten die intensive Arbeit mit dem Gym-Stick fester Teil des Trainings.

Hinweise vom Kontrollausschuss

Und wenn so ein Fall eintritt, muss das Schiedsrichter-Team natürlich einen Bericht über diese Maßnahme anfertigen. Da passte es sehr gut ins Tagungsprogramm, dass Dr. Anton Nachreiner, der Vorsit- zende des DFB-Kontrollausschus- ses, zu einem Vortrag nach Mainz gekommen war. Hinrunde in diesem Bereich außer- nicht mehr hinsetzen zu müssen. Gestik zum Vierten Offiziellen ren- halb des Spielfelds zu beobachten Es gibt viele Fußball-Lehrer, die nen, Wutausbrüche aller Art – die- „Wir sind die Fußball-Staatsanwalt- war: „Wir wollen keine Trainer damit umgehen können und sich ses Verhalten, das Spieler wie schaft und haben 15 Ligen zu sehen, die das Publikum verrückt auf die Anweisungen an ihre Spie- Publikum aufwiegelt, steht schär- betreuen.“ Mit diesen Worten stellte machen. Es kann nicht sein, dass ler beschränken. Sorgen machen fer unter Beobachtung. „Ich weiß, sich der ehemalige Fußball-Profi die Zuschauer durch Gesten ange- dem Schiedsrichter-Ausschuss dass Emotionen zum Fußball gehö- (TSV München 1860) und Nachfol- stachelt werden.“ aber die unbeherrschten Trainer, ren“, so Roth, „und unsere ger von Horst Hilpert den Schieds- die praktisch jede Entscheidung Schiedsrichter und die Vierten richtern vor. Nachreiners Ausfüh- Hintergrund der Mahnung ist des Schiedsrichters für alle Offiziellen wissen das auch. Aber rungen waren dann ein bemer- sicherlich die Tatsache, dass es Zuschauer sichtbar „körpersprach- gerade die Trainer haben eine kenswerter Beleg für die Einheit den Trainern inzwischen erlaubt lich“ kommentieren. große Vorbildfunktion. Falls sie des Fußballs, denn all die Dinge, ist, das gesamte Spiel über in der der nicht gerecht werden, müssen auf die er die Spitzen-Schiedsrich- Coaching-Zone zu stehen und sich Wildes Abwinken, mit aggressiver sie eben den Innenraum verlassen.“ ter im Zusammenhang mit einem

24 SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 1/2010 Attacken wörtlich aufschreiben.

● … sollen Gegenstände, die aufs Spielfeld fliegen, identifiziert wer- den, vor allem wenn jemand getroffen wurde.

Nachreiner: „Der Kontrollaus- schuss ist ein Gremium, das in jeder Hinsicht unabhängig ist. Allerdings ist der Schiedsrichter in Verhandlungen für uns der wich- tigste Zeuge, weil er wegen seiner Neutralität besonders glaubwürdig ist. Ob er sein Spiel gut oder schlecht geleitet hat, spielt für die Gerichtsbarkeit keine Rolle.“

Nicht nur Training für den Kopf

Auch wenn das Wort „Tagung“ es vermuten lässt – die Zeit in Mainz FIFA-Schiedsrichter Felix Brych blättert interessiert in dem bestand nicht nur aus Referaten gerade erschienenen DFB-Buch. und Diskussionen im Plenum. Neben vielen Gesprächen in klei- len ist, und die selbstständige nen Gruppen, die das Gemein- Physiotherapeutin, die seit 1983 schaftsgefühl förderten, gab es die Frauen-Fußball-National- natürlich auch körperliche Trai- mannschaft betreut, haben ihr Fehlverhalten der Spieler aufmerk- ningsarbeit. In der Sporthalle der großes Wissen und ihren Erfah- sam machte, gelten bis hinunter in Universität Mainz ging es an zwei rungsschatz zusammengetragen die Kreisklasse. Bei der Abfassung Tagen gewohnt intensiv zur Sache. und gemeinsam mit dem Sportwis- eines Berichts über einen Feldver- senschaftler Dr. Andreas Schlum- weis oder andere schwerwiegende Verantwortlich für diesen Teil der berger für den DFB ein Buch ver- Vorfälle … Tagungen und Lehrgänge der Spit- fasst. zen-Schiedsrichter sind seit Mitte ● … soll man immer diese fünf der 90er-Jahre Heinz-Dieter Nicht nur der Titel „Fitnesstraining Fragen gewissenhaft beantworten: Antretter und Christel Arbini. Der für Schiedsrichter“ lässt darauf Wer? Wann? Wo? Was? Wie? Diplom-Sportlehrer, der auch lei- schließen, dass es ein Klassiker für tender Landestrainer im Fußball- diesen Bereich des Fußballs wer- ● … soll man niemals Wertungen und Leichtathletik-Verband Westfa- den dürfte. Auch der enge Praxis- vornehmen wie „vorsätzlich“ oder bezug, der sich in den vielen Fotos „absichtlich“, sondern nur den niederschlägt und schon beim Ablauf beschreiben. ersten Durchblättern auffällt, macht Lust aufs Lesen und Anwen- ● … soll man unbedingt anmer- den. Die Schiedsrichter-Zeitung ken, wenn ein Feldverweis provo- wird in ihrer nächsten Ausgabe ziert wurde, beispielsweise durch ausführlich auf dieses Buch einge- eine verbale Attacke. hen, das im Philippka-Sportverlag erschienen ist und 33,80 Euro ● … ist das so genannte „Nach- kostet. Tatverhalten“ zu erwähnen. Gab es zum Beispiel eine Entschuldigung? Ganz sicher werden sich auch Michael Kempter und Markus Win- ● … muss darauf geachtet wer- genbach intensiv mit diesem Fach- den, dass Assistenten aus ihrer buch beschäftigen und ihre Lehren Sicht selbst berichten, wenn sie in daraus ziehen. Damit schaffen sie den Vorfall verwickelt waren. eine wichtige Voraussetzung, um auch die nächsten Hürden ihrer ● … sollte man sich auf jeden Fall Schiedsrichter-Karriere sicher zu schon auf dem Spielfeld Notizen Dr. Anton Nachreiner ist seit 2007 Vorsitzender des DFB-Kon- überspringen. machen, zum Beispiel Verbal- trollausschusses. ■

SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 1/2010 25 Blick in die Presse

47-Jährige, der beim Fußballkreis tenz bedeutet, dass ich als Trainer Aachen offene Türen einrannte. nicht dulden kann, dass mein Kind „Wir waren von der Idee sofort unfair spielt“, erklärt der Herzogen- Die Aachener Zeitung berichtete angetan, weil es genau das ist, was rather. „Der Trainer ist im Kinder- Jens Kirschneck über Mimosen, über einen Jugendleiter, der ein wir brauchen“, unterstreicht Kreis- fußball wichtigster Ansprechpart- Rugbyspieler und Kniescheiben- ganz besonderes Projekt auf den jugendwart Thorsten Meier. ner und hat somit den schwierigs- brüche. Weg gebracht hat. ten Job inne.“ Er sei vor allem Part- So besagt die „Fanregel“, dass sich ner der Kinder, der bei unfairem Würdelose Eine Liga ohne die Zuschauer und somit vor allem Verhalten auf sie einwirken müsse. die Eltern in einer vom Spielfeld Wehleidigkeit Schiedsrichter rund 15 Meter entfernten Zone auf- In sportlicher Hinsicht soll es dage- halten und somit die direkte gen nur die notwendigsten Anwei- Kann es sein, dass alle Fußballer Fußball ohne Schiedsrichter, aber Ansprache an die Kinder unterbun- sungen geben. „Wichtig sind vor ein Glaskinn haben? Das möchte mit Trainern, die sich gemeinsam in den wird. „Grundsätzlich gilt: Kein allem zuverlässige Absprachen der man annehmen, wenn man wieder einer Coaching-Zone aufhalten und Elternteil betritt den Platz. Es muss beiden Trainer vor dem Spiel. Diese mal sieht, wie ein Profi nach allen- von dort das Spiel gemeinsam für die Kinder ruhiger werden, dürfen sich nicht gegenseitig in den falls leichtem Körperkontakt zu begleiten, und mit Fans (Eltern), die damit sie ihre Kreativität voll ent- Rücken fallen, denn beim Kinder- Boden geht, als habe ihn der Blatt- sich in angemessenem Abstand wickeln können und nicht dauernd fußball ruht fast alles auf ihnen.“ schuss einer doppelläufigen zum Spielfeldrand befinden und die abgelenkt werden“, begründet Ralf Schrotflinte erwischt. Unsere Spieler nicht durch unkontrolliertes Klohr diesen Schritt. „Zwar ist dies Dass noch ein weiter Weg bis zur Redaktions-Praktikantin, die in Hereinbrüllen aus der Fassung brin- für manche Eltern ein Drama, doch hundertprozentigen Umsetzung der ihrer Freizeit Rugby spielt und gen. Ein Traum? Nein! wenn wir von den Kindern erwar- Vorgaben vor ihnen liegt, dessen danach oft so aussieht, als habe ten, dass sie Regeln einhalten, soll- sind sich Ralf Klohr, Thorsten Meier sie sich durch mehrere Wirtshaus- In der Fair-Play-Liga des Fußball- ten Erwachsene dies auch können.“ und Detlef Knehaus bewusst. „In schlägereien gearbeitet, begegnet kreises Aachen wird seit mehr als der Fair-Play-Liga ist nicht alles gut, dem Gebaren der Kicker mit Fas- zwei Jahren versucht, genau dies Die Regel, ohne Schiedsrichter zu die Fair-Play-Liga bedeutet Entwick- sungslosigkeit. Fußballer, die sich umzusetzen. Und zwar im F-Juni- spielen, richtet sich natürlich kei- lung“, weiß Ralf Klohr. Thorsten nach jeder Berührung wälzen wie oren-Bereich, für den dieses Regel- nesfalls gegen die Herren und Meier pflichtet ihm bei: „In vielen eine zweitklassige Bodenturnerin, werk seit der Saison 2008/2009 im Damen in Schwarz, sondern soll die Vereinen läuft es in dieser Hinsicht würden im Rugby soziale Ächtung Regelspielbetrieb gilt. jungen Fußballer in ihrer Entwick- gut, aber noch setzt nicht jeder das erfahren. Im Fußball hingegen ist lung voranbringen. „Die Kinder ler- Thema so um, wie wir es uns vor- die Wehleidigkeit legitimiert, es Mehr als 120 Mannschaften sind in nen, Verantwortung für sich selbst stellen und wünschen. Deshalb wird gejammert, gewinselt und der laufenden Spielzeit im Fußball- und Mitverantwortung für andere müssen wir an die Trainer ran“, noch im Flug die nötige Auswechs- kreis Aachen in dieser Altersstufe zu übernehmen“, so Ralf Klohr. nennt er den Grund für die Schulun- lung angezeigt, wie es die Spezia- aktiv. Um vor allem die Trainer für Dabei ist ihm bewusst, dass auch gen. Diese sollen alle an der Fair- lität des früheren Bielefelders die Fair-Play-Liga zu sensibilisieren, und gerade Kinder häufig auf ihren Play-Liga Beteiligten näher an das Fatmir Vata war. stehen seit Oktober verpflichtende eigenen Vorteil bedacht sind. Und Leitmotiv des Projekts heranbrin- Schulungen auf dem Programm. genau dort sei es Aufgabe der Trai- gen: „Wir müssen den Kindern das Bedauerlich, wie das Vorbild des Kürzlich war das „Fair-Play-Liga- ner, einzugreifen. „Soziale Kompe- Spiel zurückgeben.“ Profitums bis an die Basis durch- Team“ mit Projektinitiator Ralf schlägt. So hatten wir in unserem Klohr, Kreisjugendwart Thorsten Wilde-Liga-Team einen Kollegen, der Meier und Detlef Knehaus, Vorsit- nach harmlosen Zweikämpfen mit zender des Kreisjugendausschus- dem Schrei „Kniescheibenbruch!“ ses, im Vereinsheim des SCB Lau- zusammenklappte. Da lobe ich mir renzberg im Sportpark am See zu jene Spieler, die auch im Angesicht Gast. schwerer Verletzungen Würde und Contenance bewahren. Einmal fiel „Bei der Fair-Play-Liga geht es ein- in einem Freizeitspiel ein Gegner so deutig um Kinderfußball, nicht um unglücklich, dass irgendwas Blödes Jugend- und schon gar nicht um mit seinem Arm passierte, jeden- Seniorenfußball“, machte Ralf Klohr falls stand der Unterarm lotrecht gleich zu Beginn der Schulung deut- vom Oberarm ab, in die falsche lich. Der Jugendleiter des SuS Her- Richtung. Der Mann blieb ruhig zogenrath las Ende 2005 einen Zei- liegen, und als der Krankenwagen tungsbericht, in dem von einem kam, um ihn abzutransportieren, Abbruch eines F-Jugendspiels sagte er mit fester Stimme: „Nein, berichtet wurde. „So kann es nicht nein, ich möchte hier einfach ein weitergehen“, waren damals seine bisschen ausruhen.“ Man musste Gedanken. ihn außer Gefecht spritzen, um ihn ins Spital zu bekommen. Solchen „Das Konzept der Fair-Play-Liga war Ein interessantes Experiment: Kinder spielen Wettkampf-Fuß- Leuten würde auch im Rugby eine eigentlich nicht neu“, betont der ball ohne Schiedsrichter. große Karriere offenstehen.

26 SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 1/2010 Report Viel mehr als nur Sport Eine große Gruppe norddeutscher Schiedsrichter bereitete sich Mitte Januar in der Türkei auf die Rückrunde vor. Nicht ohne besonderen Grund fand dieses Trainingslager schon zum vierten Mal in Belek statt. Günther Thielking war dabei.

orsichtig drückt der kleine es zur Vorbereitungs-Routine des VGökhan Gürsoy ein weiches Organisations-Teams um Wilfred Kuscheltier an seine Brust. Der Diekert, den Schiedsrichter- behinderte 9jährige Junge hatte Obmann des Hamburger Fußball- den Hund aus Plüsch und Wolle Verbandes, und seinen „Adjutanten“ gerade vom Unparteiischen Andreas Bandt, rechtzeitig die Wei- Sebahattin Aksoy aus Bremerhaven chen für eine problemlose Einreise überreicht bekommen. Der sympa- zu stellen, so dass die türkischen thische Referee vom Bremer Fuß- Grenzbeamten und der dortige Zoll ball-Verband gehörte zu einer die große deutsche Reisegruppe Gruppe von 70 Schiedsrichterinnen ohne besondere Formalitäten pas- und Schiedsrichtern, Fußball-Obleuten sieren lassen. und Lehrwarten aus Norddeutsch- land, die schon zum vierten Mal in Bereits im Vorfeld des Trainings- ein einwöchiges Trainingslager lagers in diesem Jahr mussten die nach Belek gereist waren. Aksoy Organisatoren einige weitere Hür- war Dolmetscher und Botschafter den aus dem Weg räumen. Nicht über die Grenzen zugleich, denn er einfach war es, einen gemeinsamen lebt, einst aus der Türkei gekom- Flugtermin für die große Zahl an men, seit 35 Jahren in der Stadt an Teilnehmerinnen und Teilnehmern zu der Nordsee. bekommen. Etliche Verhandlungen mit dem Bremer Reisebüro und der Die Geschichte dieser deutsch- Sebahattin Aksoy, Schiedsrichter aus Bremerhaven, beschenkte Fluggesellschaft waren zudem not- türkischen Begegnungen begann Gökhan mit einem Kuschelhund. wendig, um den Transport von im Januar 2000, als die Verant- sechs Rollstühlen, mehreren Rolla- wortlichen im Norddeutschen Fuß- Beamten vermuteten allerdings Heitmann, dem Vorsitzenden des toren und zahlreichen weiteren ball-Verband (NFV) eine witterungs- einen groß angelegten Schmuggel NFV-Schiedsrichter-Ausschusses, medizinischen Hilfsmitteln im Wert sichere Möglichkeit für ihre Unpar- mit Drogen und wollten zunächst ließen die Herzen der Zöllner weich von rund 5.000 Euro zu sichern. teiischen zur Rückrunden-Vorberei- jedes der Tiere aufschneiden. Erst werden, und die Gäste aus Deutsch- Diese orthopädischen Geräte gehör- tung suchten. Das milde Klima zum viele gute Worte der damaligen land konnten mit „unverletzten“ ten wie in der Vergangenheit zum Jahresbeginn und die Rahmen- Delegationsleitung um Wilfried Stofftieren einreisen. Heute gehört Reisegepäck und wurden vor Ort an bedingungen im Urlaubsort Belek behinderte Kinder und Erwachsene erwiesen sich als sehr gut geeig- vom Verein „Engel kennen keine net. Darüber hinaus erhofften sie Hindernisse“ überreicht. sich den Aufbau eines dauerhaften Kontakts mit einer türkischen Bei der Übergabe machte deren Schiedsrichter-Gruppe und die Vorsitzender Özkan Gönenc deut- Möglichkeit, behinderten Menschen lich, dass ein so großzügiges in dem Land am Bosporus mit klei- Geschenk durch die deutsche Dele- nen und großen Geschenken eine gation mehr sei als nur eine Geste. Freude machen zu können. Sichtlich bewegt sagte er: „Mit Ihrem Besuch stärken Sie die Doch gerade damit gab es zunächst Akzeptanz unseres Vereins in der ein Problem – und ausgerechnet Öffentlichkeit. Sie zeigen uns, dass mit den seit diesem ersten Besuch wir in der täglichen Arbeit mit im Jahr 2000 obligatorischen behinderten Menschen auf einem Kuscheltieren. Damals mussten guten Weg sind. Sie sind gekom- mehr als hundert dieser Teddys, men, um mit uns zu teilen – danke.“ Hunde, Seelöwen und Elefanten in FIFA-Schiedsrichterin Riem Hussein aus Bad Harzburg leitete zwei großen Säcken durch den tür- mit zwei türkischen Assistentinnen das Spiel, nach dessen Dieter Jerzewski, der als ehemali- kischen Zoll gebracht werden. Die Ende sich alle über das 2:2 freuten. ger Präsident des Norddeutschen

SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 1/2010 27 Report

Fußball-Verbandes die Delegation Gelben Karte aus. Die gute Stim- führte, wies darauf hin, dass der mung setzte sich fort, so dass beim Fußballsport über die nationalen abschließenden türkisch-deut- Grenzen hinaus zunehmend seiner schen Abend zahlreiche Freund- sozialen Funktion gerecht werden schaften zwischen den Schieds- müsste und zitierte den DFB-Ehren- richterinnen und Schiedsrichtern präsidenten Egidius Braun: „Fußball beider Nationen geschlossen wur- muss mehr sein als ein 1:0. Wir den und die seit zehn Jahren bemühen uns deshalb, mit dieser bestehenden Kontakte weiter Übergabe ein wenig von dem, was gepflegt wurden. uns der Fußball geschenkt hat, an bedürftige Menschen weiterzuge- Ergänzend zum sportpraktischen ben.“ Teil des Trainingslagers sorgten mehrere theoretische Lehreinhei- Zur Tradition der Woche an der ten für Abwechslung im Lehrgangs- türkischen Riviera gehörte neben programm. Themen wie „Der etlichen Trainingseinheiten ein Schiedsrichter in der Mediengesell- In der Behinderten-Einrichtung gibt es Schul- und Werkräume Freundschaftsspiel gegen eine schaft“, „Rollenspiele zur Persön- und auch Räumlichkeiten für Bewegungs- und Physiotherapie.

Unparteiischer von der Basis bis zur Spitze mehr denn je eine große Rolle“, so der Ausschuss-Vorsitzen- de.

Die Schiedsrichterobleute Torsten Rischbode (Bremer Fußball-Ver- band), Wolfgang Mierswa (Nieder- sächsischer Fußballverband), Egon Biere (Schleswig-Holstein) und Wilfred Diekert (Hamburg) zogen am Ende ein positives Fazit der Fußballwoche. Sie waren sich einig, dass dieses Trainingslager nicht nur in seiner sozialen und interkul- turellen Bedeutung bei der Begeg- nung mit den Menschen in der Özkan Gönenc, Präsident des Vereins „Engel kennen keine Hindernisse“, bedankte sich für die Türkei wichtig sei. Darüber hinaus Spenden bei NFV-Schiedsrichter-Chef Wilfried Heitmann (links) und dem NFV-Ehrenpräsidenten stärkt es den Zusammenhalt der Dieter Jerzewski. Unparteiischen in den vier nord- deutschen Verbänden erkennbar. Mannschaft der örtlichen Schieds- lichkeitsbildung“ und „Formen pfeifen. Begriffe wie soziale Kom- richter. Der Trainer und Orthopäde einer situationsgerechten Kommu- petenz und Kommunikationsfähig- Die nächste Reise nach Belek Dr. Bernd Brexendorf trainierte die nikation“ gehörten ebenso zum keit spielen bei der Arbeit als kommt bestimmt. deutschen Schiedsrichter und Tagesablauf wie ein Referat von sorgte für die notwendige medizi- Dr. Bernd Brexendorf, in dem die nische Betreuung. Er hatte sein Unparteiischen Hinweise auf Team konditionell gut vorbereitet, gezielte Präventionsmaßnahmen so dass durch den zweifachen Tor- zur Vermeidung von Verletzungen schützen Dennis Krohn vom Ham- erhielten. burger Fußball-Verband gleich zweimal ein Rückstand aufgeholt Wilfried Heitmann hob die beson- werden konnte und nach dem dere Bedeutung dieser theoreti- Abpfiff ein 2:2 auf beiden Seiten für schen Arbeit hervor. Er wies darauf Zufriedenheit sorgte. hin, dass es im aktuellen Fußballge- schehen nicht ausreicht, nur mit Ein großes Dankeschön gab es einer guten körperlichen Verfassung auch für die Unparteiischen, erwies und einer sicheren Regelkenntnis sich die deutsche FIFA-Schiedsrich- ausgestattet in die Spiele zu gehen. terin Riem Hussein zusammen mit „Wer als Referee leistungsgerecht ihren türkischen Assistentinnen und zukunftsorientiert seinen Auf- Der 13-jährige Faruk freute sich sehr über seine Geschenke – doch als jederzeit souverän und gaben gerecht werden will, der und hat zwei neue Freunde gefunden: David Bornhöft (links) kam auf beiden Seiten mit je einer muss mehr können als nur gut und Björn Hinrichs, Schiedsrichter aus Schleswig-Holstein.

28 SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 1/2010 Aus den Verbänden

unteren Klassen erlebt. „Wenn 70 Obmann von Gerhard Andres für elf Bundesligaspiele. Bereits 1945 Brandenburg Zuschauer um den Platz herum vier Jahre. legte Werner Spiewak die Schieds- stehen und auf den Schiedsrichter richter-Prüfung ab. Nach seiner Die Faszination des Fußballs schimpfen, verstehst du jedes Obmann Edmund Heiliger ehrte aktiven Karriere war er viele Jahre Wort“, so Kirschen. Bei 80.000 anschließend Schiedsrichter als Beobachter im Verbands- Seit einiger Zeit können Bürgel- Menschen im Stadion sei zwar die Thomas Kraft (TuRa Otterstadt) Schiedsrichter-Ausschuss tätig. schüler aus Rathenow den Kulisse gewaltig. Aber die Distanz mit der goldenen Nadel der Schiedsrichter-Ausweis erlangen. zu den Fans ermögliche eine Vereinigung für 25-jährige Carsten Byernetzki Kürzlich erhielten sie Informati- Gelassenheit, die in der Kreisklasse Schiedsrichter-Tätigkeit. Für onen aus erster Hand. Siegfried oft durch direkte und radikale Ein- 15-jährige Schiedsrichter-Tätigkeit Kirschen, ehemaliger FIFA-Schieds- flussnahme der Zuschauer gefähr- wurden Lehrwart Martin Brücken richter, war gekommen, um über det werde. (FV Dudenhofen) und Thomas Baden seine Erlebnisse zu berichten. Brech (S.W. Speyer) ausgezeichnet. Den Schülern, die sich für die Pforzheim Sieger 17 Jahre lang hat er Fußballspiele Schiedsrichter-Ausbildung interes- Der stellvertretende Kreisvor- beim Hallen-Turnier auf höchster internationaler Ebene sieren, machte er trotz dieser sitzende Klaus Baumann (Schiffer- geleitet. Die weltberühmten Sta- Erfahrungen Mut. Auf dem Platz stadt) konnte zum Abschluss der Knapp vor Karlsruhe (19 Punkte) dien San Siro (Mailand), Wembley lerne man Gelassenheit, Durchset- Ehrungen noch drei Ehrenamts- und Veranstalter Tauberbischofs- (London), Bernabeu (Madrid) zungsvermögen, Selbstbewusst- preise an langjährige verdiente heim (17) gewannen die Unpartei- waren sein „Arbeitsort“, an zwei sein. Tugenden, die auch jenseits Schiedsrichter vergeben, die von ischen aus Pforzheim (20 Zähler) Weltmeisterschaften (1986 in des Sports, im Berufs- und Privat- ihren Heimatvereinen vorgeschla- das 29. Schiedsrichter-Hallen-Tur- Mexico, 1990 in Italien) wirkte er leben, von großem Nutzen seien. gen wurden. Mit Heinz Birkle nier des Badischen Fußballverban- mit und leitete dort insgesamt (SV Geinsheim, Schiedsrichter seit des in der Laudaer Stadthalle und vier Partien. Heute ist Siegfried Markus Kniebeler 1961), Celestino Devora (FC Lustadt, wurden damit Nachfolger von Kirschen Präsident des Fußball- Unparteiischer seit 1966) und Titelverteidiger Heidelberg, der Landesverbandes Brandenburg. Roland Möltner (TuRa Otterstadt, lediglich auf den fünften Rang Kurzum: Der Mann kann was erzäh- Südwest aktiv seit 1965) wurden drei im kam. len. Kreis Speyer bekannte und beliebte Verdiente Schiedsrichter Unparteiische ausgezeichnet, die Pforzheim holte sich den Vorteil Und das tat er. Mit Leidenschaft ausgezeichnet noch heute regelmäßig Jugend- durch einen Sieg über Vizemeister sprach er über die Kraft des Sports spiele und Begegnungen in den Karlsruhe (2:1) und ein 1:1-Unent- im Allgemeinen und die Faszina- Die Kreis-Schiedsrichter-Vereini- unteren Klassen leiten. schieden gegen Tauberbischofs- tion des Fußballs im Besonderen, gung Speyer ehrte zahlreiche lang- heim, während die beiden Verfol- ohne dessen Schattenseiten uner- jährige Schiedsrichter für ihre Ver- Frank Roß ger gleichzeitig remis spielten und wähnt zu lassen. Gerade der Tod dienste im Schiedsrichter-Wesen. sich damit gegenseitig Punkte Robert Enkes habe gezeigt, dass Harald Hettrich (Phönix Schiffer- abnahmen. Keinen Einfluss auf die vor allem im Leistungssport der stadt), Horst Rasch (ASV Harthau- Hamburg Titelvergabe hatte das Schluss-Trio Druck immens hoch sein könne. sen) und Peter Schmidt (ASV Speyer) Buchen, Mosbach und Bruchsal, Der Fall Enke ändere aber nichts wurden vom Bezirks-Schiedsrich- das lediglich jeweils auf fünf Punkte daran, dass Millionen Menschen ter-Obmann Armin Kummermehr Trauer um kam. Aber auch Heidelberg und weltweit das Fußballspiel mit gro- zum „Ehren-Schiedsrichter“ Werner Mannheim boten zu unterschiedli- ßer Freude betreiben. Der Fußball ernannt. Spiewak che Leistungen, um ernsthafte könne in manchen Dingen sogar Konkurrenten für das Führungs- ein Vorbild sein für das alltägliche Hettrich, der 1979 seine Schieds- Trio zu sein. Hier konnte lediglich Leben. Denn in vielen Klubs spiel- richter-Prüfung ablegte, leitete Sinsheim noch ein wenig mithal- ten Menschen unterschiedlichster Spiele bis zur Bezirksliga und ten, verlor jedoch die letzte Aus- Herkunft zusammen. Religion, wurde darüber hinaus als Assistent einandersetzung gegen Karlsruhe. Nationalität, Gesinnung – im Sport bis zur Oberliga eingesetzt. Horst spielten diese Dinge oftmals keine Rasch legte 1968 die Schiedsrich- Der Hamburger Ex-Bundesliga- Unter den zahlreichen Besuchern Rolle. Was zähle, sei der Zusammen- ter-Prüfung im Saarland ab und Schiedsrichter Werner Spiewak ist weilte auch der Bürgermeister von halt, die gemeinsame Leistung, der leitete Spiele bis zur Bezirksliga. am 23. Dezember 2009 verstorben. Lauda, Thomas Maertens, der nicht Teamgeist. Als Assistent war er bis zur ersten Spiewak, der dem HSV Barmbek- nur den Turnier-Anstoß ausführte, Amateurliga des Saarlands einge- Uhlenhorst angehörte, wurde 82 sondern auch die Stadthalle für Nach diesen allgemeinen Worten setzt. Auch im benachbarten Jahre alt. die Schiedsrichter kostenlos zur plauderte Kirschen auch ein biss- Elsass war er als Unparteiischer im Verfügung stellte. chen aus dem Nähkästchen. Und Austausch unterwegs. Peter Er war ein Bundesliga-Schiedsrich- brachte dabei Erstaunliches zu Schmidt, der 1970 die Pfeife in die ter der ersten Stunde (1963 bis Bewährt hat sich auch, dass die Gehör. Nicht die Europapokalspiele Hand nahm, qualifizierte sich als 1965). Am 2. Spieltag der neu Veranstaltung nach den Futsal- seien die anstrengendsten gewe- Schiedsrichter bis zur Verbandsliga gegründeten Bundesliga leitete Regeln ausgetragen wurde. „Die sen, berichtete er beispielsweise. und als Assistent bis zur Oberliga. Spiewak am 31. August 1963 die Spiele verliefen ohne besondere Als nerven- und kräftezehrend Von 1980 bis 1984 übernahm er in Partie MSV Duisburg gegen Ein- Vorkommnisse und wurden von habe er vor allem die Spiele in den der Vereinigung das Amt als tracht Frankfurt. Insgesamt pfiff er den Schiedsrichtern mit viel Enga-

SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 1/2010 29 Aus den Verbänden gement und Elan ausgetragen“, bandes in Cloppenburg gewonnen. gewählt, zum besten Torhüter einen guten Zweck, indem sie ihre stellte der Schiedsrichter-Obmann Wie schon 2009 setzten sich die Dominik Grimpke (Kreis Hildes- Aufwandsentschädigung – und des Badischen Fußballverbandes, Ostfriesen im Finale mit 2:1 gegen heim). Erfolgreichster Torschütze manchmal auch etwas mehr – für Jürgen Groh, bei der Siegerehrung die Kollegen aus dem Kreis Hildes- mit elf Treffern war Oktawian Menschen in Not spenden. fest. heim durch und konnten ihren Titel Ciaciak (Kreis Emden). aus dem Vorjahr damit erfolgreich Jetzt kamen 1.000 Euro zusammen, Siegfried Müller verteidigen. Den Fairness-Pokal erhielten die die Obfrau Renate Schießler Schiedsrichterinnen aus dem Kreis weiterreichte. So gingen 750 Euro Den dritten Platz sicherte sich die Cuxhaven. Obwohl sie letztlich nur an den Caritas-Kreisverband zu Mannschaft aus Uelzen durch zwei Spielerinnen aufbieten konn- Gunsten der Tafeln für in Not gera- Niedersachsen einen 4:3-Sieg gegen den Kreis ten, hatten sie die Anreise nach tene Menschen und 250 Euro an Harburg. Der Hans-Jürgen-Kaiser- Cloppenburg nicht gescheut und ein an Krebs erkranktes Kind aus Gedächtnispokal ging an die wurden im Frauen-Wettbewerb dem Ostallgäu als Zuschuss für Emden gewinnt Jung-Schieds- Schiedsrichter-Gruppe aus dem jeweils durch Spielerinnen der eine Therapie, die die Krankenkasse richter-Turnier Kreis Cloppenburg für ihre laut- anderen beteiligten Mannschaften nicht übernimmt. starke Unterstützung der Aktiven unterstützt. Bei den Frauen setzte Die Jung-Schiedsrichter aus dem während der Finalspiele. sich am Ende der Bezirk Braun- Im Laufe der vergangenen 21 Jahre Fußballkreis Emden haben das schweig mit einem 2:0-Erfolg im kamen so insgesamt 20.260 Euro 28. Jung-Schiedsrichter-Turnier Zum besten Turnierspieler wurde Finale gegen den Kreis Delmen- an Spenden zusammen. des Niedersächsischen Fußballver- Dennis Flügge (Kreis Uelzen) horst durch. Edmund Lanzer Die Organisatoren vom NFV-Kreis Cloppenburg zeigten sich mit dem Turnierverlauf hinterher sehr zufrieden und ernteten für die hervorragende Organisation und Durchführung des Turniers von allen Seiten hohes Lob. Die 29. Auf- lage des Turniers findet im Januar 2011 in Braunschweig statt.

Peter Bartsch

Bayern Bildnachweis „Sozialer Tag“ für guten Zweck ARD, Augenklick, Getty, Imago, Meingast, Sky, Thielking Die Mannschaft des Fußballkreises Emden freute sich über die erfolgrei- Einmal im Jahr haben die Schieds- che Titelverteidigung beim Jung-Schiedsrichter-Turnier des Niedersäch- richter aus dem Ostallgäu ihren sischen Fußballverbandes. „Sozialen Tag“ und pfeifen für

Herausgeber: Deutscher Fußball-Bund e.V., Frankfurt am Main Redaktion: Klaus Koltzenburg, DFB-Direktion Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit, Lutz Lüttig, Berlin Gestaltung, Satz und Druck: kuper-druck gmbh, Eduard-Mörike-Straße 36, 52249 Eschweiler, Telefon 0 24 03 / 94 99 - 0, Fax 0 24 03 / 949 949, ISDN 0 24 03 - 94 99 71 (Leonardo) Anzeigenleitung: kuper-druck gmbh, Franz Schönen Abonnement bequem per e-mail: Zur Zeit ist die Anzeigenpreisliste vom 1. 1. 2002 gültig. [email protected] Erscheinungsweise: zweimonatlich. Abonnementpreis: Jahresabonnementpreis 15,– €. Lieferung ins Ausland oder per Streifband auf Anfrage. Abonnementskündigungen sind sechs Wochen vor Ablauf des berechneten Zeitraums dem Abonnement-Vertrieb bekannt zu geben. Zuschriften, soweit sie die Redaktion betreffen, sind an den Deutschen Fußball-Bund e.V., Otto-Fleck-Schneise 6, 60528 Frankfurt am Main, zu richten. Vertrieb: kuper-druck gmbh, Eduard-Mörike-Straße 36, 52249 Eschweiler, Telefon 0 24 03 / 94 99 - 0, Fax 0 24 03 / 949 949, ISDN 0 24 03 - 94 99 70 PC, 0 24 03 - 94 99 71 MAC Nachdruck oder anderweitige Verwendung der Texte und Bilder – auch auszugsweise und in elektronischen Systemen nur mit schriftlicher Genehmigung und Urhebervermerk. IMPRESSUM

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