NICHT RETOURNIEREN Addendum DIE RECHERCHEPLATTFORM ÖSTERREICHISCHE POST AG — MZ 18Z041574 M MZ— 18Z041574 AG POST ÖSTERREICHISCHE REDAKTIONS GMBH., VERITAS QUO HALLEINER VADIS 5061 LANDESSTRASSE ELSBETHEN24, Tätigkeitsbericht Drei Jahre Quo Vadis Veritas und Addendum Addendum-Mitgliedern geht der Gesprächs- und Lesestoff nie aus.

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Werden Sie Addendum-Mitglied, und Sie bekommen jede Ausgabe der Addendum-Zeitung frei Haus! Außerdem Bücher aus der Edition QVV und von Autoren der Addendum-Redaktion und Einladungen zu Blattkritiken und Diskussionen exklusiv für die Addendum-Mitglieder! Addendum Nichts ist mehr wie damals

iese Version des Tätigkeitsberichts ist Drei Jahre Addendum eigentlich schon die zweite. Aber Sie ha- Addendum wurde am 1. April 2017 als Medienplatt- D ben trotzdem nichts verpasst, weil wir die form der gemeinnützigen Quo Vadis Veritas Stiftung erste Ausgabe zwar fertiggestellt, aber nie gegründet, um an der Wiederherstellung der gemein- verbreitet haben. Wir gerieten in den letzten beiden samen Faktenbasis für eine qualifizierte politische De- Monaten in einen Ausnahmezustand, der Ihnen wohl- batte zu arbeiten. Dieser rekonstruktive Journalismus bekannt ist, und der unserer Rechercheplattform einen nimmt nicht für sich in Anspruch, die Wahrheit gefun- gehörigen Nachfragezuwachs bescherte. Unsere Zu- den zu haben, er bemüht sich aber, ihr mit den Mitteln griffe haben sich auf wöchentlicher Basis mehr als ver- von investigativer Recherche und Datenanalyse so fünffacht, und wir haben, seit das Coronavirus zu dem nahe wie möglich zu kommen. Thema wurde, das unser Leben bestimmt, auch unsere Wir sehen unsere Aufgabe darin, uns um die Dinge journalistische Arbeit auf den Erreger fokussiert, der zu kümmern, die bestehende journalistische Organi- so viele Konsequenzen nach sich zieht: gesundheitli- sationen aus unterschiedlichen Gründen nicht leisten che Schäden, Tod, Arbeitslosigkeit, Einschränkungen können oder wollen. Addendum bietet keine Alterna- grundlegender bürgerlicher Freiheiten und nebst vielen tive zum herkömmlichen Journalismus, sondern eine anderen Kollateralschäden wahrscheinlich eine welt- Ergänzung. Addendum kümmert sich um das, was fehlt. weite Rezession ungekannten Ausmaßes. Also nicht um Nachrichten oder Meinung, denn da- Das war für uns Anlass genug, den Tätigkeitsbe- von gibt es genug. richt vor seinem Erscheinen doch noch einmal zu aktu- alisieren. Die Überschrift dieses Editorials hat sich üb- Viel probiert, das Beste behalten rigens seit der ersten Version nicht geändert. Sie passt Erklärte Aufgabe von Addendum war es, als Platt- aber jetzt noch besser als zuvor. form nicht an einen Verbreitungskanal gebunden zu sein, sondern permanent den Mix der aktuellen Mög- Die Medienkrise begleitet uns schon länger lichkeiten zu optimieren, auch in Kooperation mit an- Digitalisierung, Vernetzung und Globalisierung deren Medien. haben die Nutzungsgewohnheiten von Medienkonsum- In den ersten drei Jahren entwickelten wir daher enten in den letzten drei Jahrzehnten fundamental ver- neben der zentralen Digitalplattform addendum.org ändert. Die diesen Gewohnheiten folgenden Geschäfts- mehrere TV-Formate (Im Kontext, Factum), die mo- modelle der Medienproduzenten konnten aber bislang natlich erscheinende Addendum-Zeitung, eine App, den nicht erfolgreich an die neuen Spielregeln angepasst Politometer, Audioservices und Podcasts (Addendum werden. Im Gegenteil: Sie geraten immer stärker un- ter Druck. Das hat neben ökonomischen und kulturel- len Auswirkungen auch eine politische Konsequenz: Die Debatten und Auseinandersetzungen werden kurzatmi- ger, um nicht zu sagen hysterischer. Das kommt neben dem Drang zur vorschnellen Veröffentlichung daher, dass man sich oft nicht einmal mehr auf eine gemeinsame Faktenbasis verständigen kann, die Medien immer weniger bereit und in der Lage sind zu liefern. Hauptsächlich aus zwei Gründen: erstens weil sie aufgrund der zerbrechenden Ge- schäftsmodelle nicht mehr ausreichend Ressourcen für tiefgehende Recherche der Sachverhalte zur Ver- fügung stellen können. Zweitens, weil es üblich gewor- den ist, dass Medien im Zuge der zunehmenden ideolo- gischen Polarisierung der Gesellschaft ebenfalls Partei ergreifen und deshalb jene Aspekte der Wirklichkeit, die weniger gut in ihr Weltbild passen, ignorieren, ver- Niko Alm Michael Fleischhacker kürzen oder mit einem neuen Spin versehen. Geschäftsführer Geschäftsführer

Impact Report | 3 Editorial / Inhalt

zum Anhören) und – weil uns einmal auch der Platz im Schnappatmung der Massen beitragen. Wir legen keine Internet für einen langen Text zu knapp war – einen digitalen Köder als Clickbait aus, sondern konzentrieren Buchverlag (Edition QVV). die Veröffentlichung der Recherchen auf die saubere Darstellung von Daten und Fakten. Die Ergebnisse die- Impact und Reichweite ser Arbeit sollen idealerweise in der Folgewirkung in Dass Medienproduktion naturgemäß nach größt- Politik, Gesellschaft und Medien spürbar sein. Nämlich möglicher Verbreitung strebt, ist eine Versuchung, als Impact. der sich Addendum mit willentlicher Anstrengung ent- zieht. Es wäre ein Leichtes, unsere Inhalte so zu ge- Wir bitten Sie, diesen Report als Leistungsschau auch stalten, dass sie ein breites Publikum anziehen und zur unter diesem Blickwinkel zu lesen.

Impact: Was hat gefehlt?

Als gemeinnütziges Medium steht man vor der Frage: bewegten. Oder auch außergewöhnliches Feedback, Woran erkennen wir, wie gut wir unsere Arbeit ma- wie zum Beispiel, dass unsere Artikel oder Filme als chen? Dass wir unsere Ziele erreichen? Lernmaterialen in Schulen, Universitäten, in Arzt- Die Quo Vadis Veritas Redaktions GmbH hat es Wartezimmern und bei Vorträgen verwendet werden. sich zur Aufgabe gemacht, mit Addendum zu einer Wo uns dieses Feedback erreichte, haben wir es ge- faktenbasiert geführten politischen Debatte beizu- sammelt und dürfen es nun weitererzählen. Mit der tragen und darüber hinaus das zu liefern, „was fehlt“. Corona-Krise, das kann man wohl ohne Übertreibung Doch für diese Kriterien gibt es keine anerkannten sagen, sind wir mit unserer Mission in eine neue Di- Metriken. Daher haben wir einfach begonnen, Kon- mension vorgestoßen. Das Bewusstsein, dass ohne sequenzen und Einfluss unserer Arbeit zu dokumen- „Addendum“ in der österreichischen Medienland- tieren: Reaktionen aus dem Parlament. Aufgeregte schaft etwas sehr Wichtiges fehlt, hat sich in dieser Pressestimmen. Dokumente, die belegen, dass unsere Zeit weit verbreitet und stark verfestigt. Das zeigen Recherchen für eine bestimmte Zeit das ganze Land nicht nur, aber auch die Zahlen.

Impressum

Geschäftsführung Autoren Niko Alm, Michael Fleischhacker Dieter Berliz, Stefanie Braunisch, Judith Denkmayr, Marlies Faulend, Rainer Fleckl, David Freudenthaler, Creative Direction New York / Wien Gerald Gartner, Konstantin Glinitzer, Markus Hamet- Sagmeister & Walsh / Hubertus J. Schwarz ner, Ralph Janik, Timo Küntzle, Christoph Lehermayr, Lucia Marjanović, Michael Mayrhofer, Dennis Meyer, Projektleitung Moritz Moser, Monika Müller, Johannes Perterer, Elisabeth Pfneisl Elisabeth Pfneisl, Sebastian Reinhart, Hubertus J. Schwarz, Jan Thies, Thomas Trescher, Andreas Wetz Lektorat Elisabeth Woditschka Lucia Marjanović, Martina Paul Marketing & Communication Art Direction Judith Denkmayr Edith Heigl Verlagsadresse / Herausgeber Grafik Quo Vadis Veritas Redaktions GmbH Manuel Fronhofer Siebensterngasse 21, 1070 Wien

3D Design Druck Teodoru Badiu Styria GmbH

Fot os Web APA, Teodoru Badiu, DPA, Oliver Gast, Ricardo www.addendum.org Herrgott, Martin Juen, Kleine Zeitung, Marcel Kusch, Christian Lendl, Hanna Lenz, Peter Mayr, Die Bildcredits der Fotografen, mit denen wir regelmäßig Petra Rautenstrauch, Hubertus J. Schwarz, gerne und gut zusammenarbeiten, sowie die Autoren Daniel Shaked, SEPA Media, ServusTV, der Texte dieser Ausgabe sind im Sinne des Gemein- Robert Staudinger schaftswerks gesammelt im Impressum angeführt.

4 | Addendum Seit bald drei Jahren versucht Addendum das zu liefern, Inhalt was fehlt. Was bleibt? Ein Report.

Corona-Ausbruch in Österreich 6 In den Klassenzimmern der 54 Brennpunktschulen Überblick: Coronavirus in Österreich 8 Übersehene Morde 56 Addendum und die Corona-Pandemie 10 Sterbehilfe schonungslos 58 Quo Vadis Veritas als TV-Produzent 12 Verbrauchen wir zu viel Platz? 60 Wer kontrolliert die Helfer? 14 Wissenschaft vs. Haltung: 62 An der Grenze: Wie Addendum auf 15 Was wahr ist, muss wahr bleiben aktuelle Ereignisse reagiert Die Addendum-Zeitung 64 Addendum im Ausland 16 addendum.org 2.0 68 Die Geschäfte der Bürgermeister 18 Für jeden eine andere Geschichte 69 Schmutzige Holzgeschäfte 20 Innovative Erzählformen 70 Burgtheater: Ein Musterfall 22 struktureller Korruption Addendum auf YouTube 72

Penibel nachgezeichnet: 24 Datennetzwerk Österreich 74 Martin Schlaff und Neigungsgruppe Addendum 76 Medizingewerbe ohne Zertifikat 26 Addendum zum Anhören und 78 Misshandlung von Schwererziehbaren? 28 Addendum-Podcasts

Das Benko-Reich 30

Die Datenaffäre der Österreichischen Post 34

Ein bricht das Gesetz 36 Preise und Nominierungen Die Addendum-Transparenzdatenbank 37 • Gewinner des Prälat-Leopold-Ungar-Preises, Kindergartengebühr: Die Fakten zu den Folgen 38 Hauptpreis in der Kategorie „Online“ 2018 für das Addendum-Projekt: „Wie weit reicht der Arm des Wie pendelt Österreich? 40 Glücksspiels?“ • Nominierung zur „Story des Jahres“ der Der Klimawandel in allen Gemeinden 42 Österreichischen Journalismustage: „Wir haben weniger Platz, als Sie denken“ Wie frei ist der Seezugang? 44 • Gewinner des Journalistenpreises des Vermessung der Landflucht 46 Österreichischen Integrationfonds 2018, Haupt- preis in der Kategorie Online, für den Beitrag Nonstop-Pflege 47 „Brennpunkt Schule – Kulturkampf im Klassenzimmer“ Politik messbar machen 48 • Nominierung für die Sigma Awards des European Journalism Center für das datenjournalistische Die Wahrheit über das Bundesheer 50 Projekt „Keine WG mit Mohammed?“ (Bekanntgabe des Gewinners im Mai 2020) Ein streng geheimer Lipizzaner 52

Impact Report | 5 Ausnahmezustand Corona-Ausbruch in Österreich Addendum liefert die Information, die fehlt.

ls absehbar wurde, dass die Coronavirus- Pandemie nicht nur eine von Medien her- A beigeschriebene, sondern eine tatsächliche Krise werden würde, machte Addendum es sich zur Aufgabe, das zu liefern, was in der Berichter- stattung fehlt, und konzentrierte sich auf einen seiner Kernbereiche: Datenvisualisierung. Schon kurz darauf brachten die enorm ansteigenden Zugriffe die Server- kapazitäten vorübergehend an ihre Belastungsgrenze. Die meisten Besucher kamen über Google: ein Hinweis darauf, dass Addendum etwas zur Verfügung stellte, was viele Leute gesucht hatten. Neben Datenvisualisierungen konnte das Adden- Die Addendum-Zugriffszahlen sind mit Ausbruch dum-Team auch mit juristischer Expertise weiterhel- der Krise sprunghaft angestiegen. fen: Was darf der Staat im Ausnahmezustand und was darf er nicht? Auch das Thema der Addendum-Zeitung wurde kurzfristig geändert, innerhalb einer Woche • Was steht eigentlich in den Corona-Gesetzen? wurde eine Ausgabe mit dem Schwerpunkt Corona- • Unternehmer: Zu Bittstellern der Nation gemacht virus produziert. Wie immer man zu den Entscheidungen der Regie- Plötzlich in der Krise rung steht, es ist in dieser Situation für jeden einzel- Das Informationsbedürfnis in Zeiten der Krise ist nen Bürger entscheidend, über möglichst präzise und hoch. Mit den von der österreichischen Regierung er- valide Informationen über den Ist-Stand des Corona-­ griffenen Maßnahmen zur Einschränkung des öffentli- Geschehens zu verfügen. Das Addendum-Team ver- chen Lebens befand sich das Land von einem Tag auf sucht mit allen verfügbaren Ressourcen, diese Infor- den anderen im akuten Krisenmodus. Ähnlich wie in mationen bereitzustellen bzw. darauf hinzuweisen, wo Italien hatte sich die Regierung dazu entschlossen, diese Informationen fehlen, und auf ihre Zurverfügung- schwere wirtschaftliche Schäden in Kauf zu nehmen stellung zu drängen. Angst und Panik sind schlechte und sich zur Vermeidung von Engpässen in der Ge- Ratgeber und hoch infektiös, die einzig wirksame Me- sundheitsversorgung ganz auf eine Verlangsamung des dizin dagegen sind Fakten. Ansteckungsgeschehens zu konzentrieren. Auf dem Feld der Meinung wird es wohl weiterhin Auseinandersetzungen geben, weil Kritiker, die eine Timeline bewusst in Kauf genommene Weltwirtschaftskrise für das größere Risiko halten, sich nicht gänzlich zu- • Am 25. Februar wurde die ersten beiden Corona- rückziehen werden. Das Addendum-Rechercheteam Fälle in Österreich bekannt. Es handelte sich um ein zum Thema Corona hat sich die Aufgabe gestellt, den Paar in Tirol. grundsätzlichen Fragen nachzugehen, die sich mit der neuen Situation stellen: • 26. Februar 2020: Ein Anwalt wurde in Wien positiv auf das Virus SARS-CoV-2 getestet. Er lag zu diesem Ein Auszug daraus: Zeitpunkt bereits seit zehn Tagen im Krankenhaus. • Wie ist das Coronavirus nach Österreich gekommen? • Ab Anfang März nahm die Anzahl der gemeldeten • Welche konkreten Auswirkungen werden die Ver- Fälle stetig zu. ordnungen der Regierung auf das Alltagsleben ha- ben? Was ist rechtlich möglich? • Zum Redaktionsschluss dieser Sonderausgabe • Wie gut ist das österreichische Gesundheitssystem (23. April 2020), waren in Österreich knapp 15.000 für eine Pandemie gerüstet? Wie viele Intensiv- Menschen mit SARS-CoV-2 infiziert, 502 waren betten stehen für die Versorgung der schweren Fälle bereits daran verstorben. zur Verfügung?

6 | Addendum Konsequenzen

• Die Addendum-Redaktion gründete eine interne und so in einer unübersichtlichen Situation Fakten, Task Force, um schnell und umfassend auf die Hintergründe und Daten zu liefern. Die täglichen aktuellen Entwicklungen reagieren zu können. Zugriffszahlen zeigen, dass dieses Angebot hervor- ragend angenommen wird. • Ab dem 12. März berichtete Addendum engmaschig über die sich überschlagenden Ereignisse. • Die Anzahl der Unique User auf Addendum ist seit Beginn der Corona-Maßnahmen am 13. März um • Die täglich aktualisierte Übersicht, wo es in 883 Prozent gestiegen. Österreich wie viele Krankheitsfälle gibt, hatte bereits am Tag der Veröffentlichung die meisten Das Corona-Projekt steht Mitte April 2020 bei sechs Zugriffe, die ein Artikel auf Addendum je hatte. Millionen Seitenaufrufen. Damit handelt es sich um Die Aufrufe sind ausschließlich organisch, sie das mit Abstand reichweitenstärkste Projekt seit der wurden also ohne Werbekampagne generiert. Gründung von Addendum. • Zum Redaktionsschluss der vorliegenden Sonder- ausgabe arbeitet das Team weiterhin fieberhaft daran, den Informationsfluss aufrecht zu erhalten Link zum Projekt www.addendum.org/corona

Impact Report | 7 Dashboard

Überblick: Coronavirus in Österreich Rund fünf Millionen Mal haben sich Nutzer über die Entwicklung der Zahlen zum Coronavirus informiert. Seit der ersten Version wurde die Anwendung mehrfach überarbeitet.

o gibt es bestätigte neue Fälle? Diese pandemischen Geschehen nun auch maschinenlesbar, Frage stand am Beginn unserer Recher- sodass Forscher damit arbeiten können. Auch dieser W che, um ein Lagebild zur Verbreitung des Schritt lässt sich zum Teil auf eine Initiative von Adden- Coronavirus in Österreich zu skizzieren. dum zurückführen: Nach wiederholter Kritik an Umfang Gleichzeitig mit der Verkündung von Ausgangsbe- und Art der Bereitstellung von Daten von mehreren Sei- schränkungen durch Bundeskanzler Sebastian Kurz ten formierte sich ein informelles Netzwerk aus APA, am Freitag, 13. März, veröffentlichte Addendum die OR F, Standard, Presse und der Kleinen Zeitung, das erste Übersicht. Sie stieß auf großes Interesse: Am Addendum ins Leben gerufen hatte. Erste Etappensiege Tag darauf brachten 200.000 Zugriffe den Server an zeigten sich kurz nach der ersten gemeinsamen Kon- seine Kapazitätsgrenze. Seither ist das Leserinteresse taktaufnahme mit dem Ministerium. Geplant ist, dass die auf hohem Niveau geblieben. Täglich informierten sich statistische Übersicht zum Coronavirus für die nächsten im April durchschnittlich 115.000 Nutzer auf adden- Monate weiter ausgebaut wird – und das Format auf an- dum.org über die Entwicklung bestätigter Fälle. Das dere Themenbereiche ausgedehnt wird. ist mitunter auf die kontinuierliche Weiterentwicklung der Analysen zurückzuführen: Während in der ersten Version der Fokus auf dem schnellen Anstieg bestä- Konsequenzen tigter Fälle lag, wechselte er Mitte April darauf, ob die Zuwachsraten weiterhin rückläufig sind. Artikel mit den meisten Aufrufen

Regionalität im Fokus Bis Ende April erhielt der Artikel rund fünf Millionen Eine Konstante ist die Konzentration auf regionale Aufrufe von 3,5 Millionen Nutzern. Entwicklungen. Addendum war das einzige Medium in Österreich, das in den ersten beiden Wochen die bestä- Überdurchschnittliche Verweildauer tigten Fälle je Bezirk recherchierte. Dafür kontaktier- Nutzer verbringen durchschnittlich länger als ten Redakteure täglich die verantwortlichen Stellen in fünf Minuten mit dem Artikel, um sich über das den Bundesländern und überführten die Zahlen in eine nationale und internationale pandemische Datenbank. Im Anschluss stellten wir die Ergebnisse Geschehen zu informieren. und Visualisierungen den Partnern aus dem Daten- netzwerk der Bundesländer-Zeitungen zur Verfügung. Tiroler Tageszeitung, Vorarlberger Nachrichten und Datenrecherche, die fehlte auch die nahmen die interaktive Karte Wiener Zeitung Durch den täglichen Kontakt mit den Behörden der Fälle je Bezirk in ihre Berichterstattung auf. In den jedes Bundeslandes gibt es eine Dokumentation für ersten Wochen des Lockdowns haben uns mehrere hun- die Zahl bestätigter Fälle auf Ebene der Bezirke ab dert E-Mails mit genauen Nachfragen und Wünschen Verkündung der Ausgangsbeschränkungen. zu unserer Übersicht und der Methodik erreicht sowie Excel-Tabellen mit eigenen Berechnungen der Leser – und viel Lob. Zudem wurde die exklusiv erfasste Zeit- reihe zahlreichen Wissenschaftlern im In- und Ausland zur Verfügung gestellt. Seit Mitte April veröffentlicht Link zur Geschichte www.addendum.org/coronavirus/oesterreich-verbreitung das Gesundheitsministerium Basisinformationen zum

8 | Addendum Dritte Version: Mitte April verschob sich der Fokus auf niedrigere Zuwachs- raten und den Anstieg genesener Patienten.

Zweite Version: Ende März konzen- trierte sich die Darstellung auf den raschen Anstieg bestätigter Fälle und die Darstellung regionaler Hotspots.

Erste Version: Die minimalistische Variante zeigte neben den bestätigten Fällen durchgeführte Tests, Genesene und Todesfälle. Wichtigste Anwendung war die Karte zu bestätigten Fällen je Bezirk.

Impact Report | 9 Martin Sprenger Addendum und die Corona-Pandemie Die ruhige, analytische und kritische Berichterstattung wird von den Lesern honoriert. Drei Jahre nach Gründung hat Addendum mehr Klicks als je zuvor.

s geht viel mehr, als uns die Politik weisma- dung und ist nur ein Beispiel für die erfolgreiche Be- chen will“, sagte der Arzt und Public-Health- richterstattung während der Pandemie. Die Quo Vadis E Experte Martin Sprenger im Interview mit Veritas Redaktions GmbH ist 2017 mit dem Ziel ge- Michael Fleischhacker. Dem Text, der am gründet worden, das, was fehlt zu einer qualifizierten, 6. April auf addendum.org veröffentlicht wurde, war ein politischen Debatte beizutragen. Dieses Ziel wird auch Wochenende voller langer Gespräche vorausgegangen. – oder gerade wegen der Krise – Tag für Tag weiter- Martin Sprenger war zum Zeitpunkt der Veröf- verfolgt. Bis Redaktionsschluss dieses Tätigkeitsbe- fentlichung Mitglied des Expertenstabs in der Coro- richts konnten die Corona-Publikationen zusammen na-Taskforce des Gesundheitsministeriums gewesen. 6 Millionen Seitenaufrufe verbuchen. Ein Auszug: Zwei Tage später war er es nicht mehr. Es war ein Interview, das für Aufsehen gesorgt und • Wo sich das Coronavirus in Österreich verbreitet 125.795 Menschen direkt auf Addendum erreicht hat. Dieser Artikel war nicht nur der Spitzenreiter der Fast alle namhaften österreichischen Medien bitten Corona-Berichterstattung, sondern mit knapp 4,2 Mil- Sprenger in Folge ebenfalls um seine Einschätzung. lionen Aufrufen der meistgeklickte Artikel seit Adden- Sprenger übte offen und klar – ohne jegliches Interesse dum-Gründung. an Schuldzuweisungen – Kritik am politischen und be- hördlichen Handeln. Noch am Abend des Erscheinens • Corona-Verbote: Es ist mehr erlaubt, als wir glauben zitierte Armin Wolf in der ZIB 2 aus dem Interview und Was ist erlaubt, was nicht? In vielen Fällen war die formulierte daraus direkt eine Frage an den im Studio Rechtslage unklar. Darf ich zu Hause Besuch empfan- anwesenden Bundeskanzler Sebastian Kurz. gen? Darf ich mit Familienmitgliedern Ostern feiern? Oder auf einer Parkbank sitzen? Seit Einführung der Wissenschaftliche Meinungsfreiheit Ausgangsbeschränkungen hat es österreichweit rund Sehr viele Leser brachten nach Lektüre des Inter- 17.000 Anzeigen gegeben. Immer wieder wird von har- views ihre Erleichterung über die ruhige Analyse zum ten Strafen berichtet. Addendum liefert Antworten, Ausdruck, die das Vorgehen der Regierung in seinen die die Leser im Detail interessieren, denn die Verweil- Stärken würdigt (schnell und konsequent das Tempo dauer ist bei diesem Artikel überdurchschnittlich lang. aus dem Geschehen genommen zu haben), und in sei- nen Schwächen kritisiert (kaum Vorbereitungen für ei- nen vernünftigen Ausstieg aus dem Lockdown getrof- Tirol Wien Niederösterreich fen zu haben), verbunden mit konkreten Vorschlägen zur Entwicklung eines smarten Risikomanagements für die Zukunft. 1 2 4 5 6 7 8 9 Empfehlungen, die von der österreichischen Bun- desregierung offenbar nicht honoriert wurden. Martin Hotelangestellte Familie und Freund Sprenger hat seine ehrenamtliche Funktion als Mitglied des Expertenrats in der Taskforce des Gesundheits- +23 ministeriums zurückgelegt. Er schätze die Arbeit des Gymnasium in Hollabrunn in Quarantäne Gremiums sehr und hege keinerlei Groll, sagte er, es Wien gehe ihm nur darum, seine „bürgerliche und wissen- schaftliche Meinungsfreiheit wiederzugewinnen“. 3 10 11 12 13 14 15 16 17

Anwalt 8. März: Korneuburg Die erfolgreichsten Artikel seit Addendum-Gründung Das Interview mit Martin Sprenger steht auf Platz Addendum hat rekonstruiert, wie das Coronavirus nach zwei der meistgeklickten Artikel seit Addendum-Grün- Österreich kam und wer die ersten Infizierten waren.

10 | Addendum Martin Sprenger ist Arzt und Experte für Public Health. Sein aufsehenerregendes Addendum-Interview zur Corona-Pandemie wurde von zahlreichen Medien aufgegriffen.

• Die ersten Infizierten: Wie Corona nach Österreich kam Ende Februar wurden in Tirol zum ersten Mal Per- sonen positiv auf das Coronavirus getestet. Seitdem gibt es knapp 15.000 bestätigte Infektionen. Die ersten Fälle sind fast alle auf Italien zurückzuführen. Adden- dum hat den Weg der ersten 50 Infektionen akribisch nachgezeichnet.

• Was Corona von SARS und der Grippe unterscheidet Die Corona-Pandemie bewegt China und die Welt. Addendum erklärt, warum SARS-CoV-2 gefährlicher ist als andere Erreger. 102.029 Unique User haben sich dafür interessiert.

• Wie lange hält sich das Coronavirus auf Oberflächen? Das Coronavirus verbreitet sich vor allem durch Tröpfcheninfektion von Mensch zu Mensch. Aber auch außerhalb unseres Organismus kann es im Extremfall bis zu 72 Stunden infektiös bleiben. Auf visuell beein- druckende Weise hat Addendum dargestellt, bei wel- chen Alltagsgegenständen besondere Vorsicht gebo- ten ist. Auf Oberflächen aus Edelstahl hält sich das Coronavirus zwischen Link zum Projekt www.addendum.org/coronavirus zwei und drei Tage lang.

Impact Report | 11 Fernsehen Quo Vadis Veritas als TV-Produzent Seit der Gründung der Quo Vadis Veritas Stiftung hat sich die QVV Redaktions GmbH auch als Produzent von TV- und Video-Inhalten etabliert.

ur Eindämmung des Coronavirus setzte die und QVV produzierten halbstündigen Reportagen Bundesregierung auf massive Einschränkun- „Wer zahlt die Rechnung?“, „Sind Zweifel erlaubt?“ Z gen der persönlichen Freiheiten und Bürger- und „Strategie oder Chaos?“ ließen auch jene Experten rechte. Waren diese Maßnahmen verhältnis- zu Wort kommen, die der Regierungslinie widerspra- mäßig? Hätte es auch andere Wege geben können? Und chen. Bei den anschließenden Ausgaben des „Talk im welche langfristigen Folgen hat der sogenannte Shut- Hangar-7“ wurden diese grundsätzlichen Fragen und down für Gesellschaft und Wirtschaft unseres Landes? Aspekte tiefgehend, breit und gewohnt kontrovers Das sind Fragen, mit denen sich die überwiegende Zahl diskutiert; auch hier mit einem klaren Fokus auf die der Medien in Österreich lange Zeit gar nicht oder nur Frage nach der Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen. am Rande beschäftigte. In den Reportagen und Diskussionssendungen gelang Bei den Spezialausgaben des „Talk im Hangar-7“ es, herausragende Persönlichkeiten aus Österreich, aus dem Studio in Wien ging es von Anfang an dar- Deutschland und der Schweiz zusammenzubringen, um, die Debattenkultur am Leben zu erhalten, den die aus dem Einerlei der übrigen Berichterstattung politischen Schulterschluss zu hinterfragen und über herausstachen. So konnten den Zusehern ein echter Alternativen zu diskutieren. Jede Woche bildete der informativer Mehrwert und andere Blickwinkel auf das Talk das Forum für Meinungsvielfalt in der Krise. Die alles dominierende Thema dieser Wochen und Monate Sendung verzichtete als einziges Talk-Format in Öster- geboten werden. reich auf den bei anderen Formaten obligaten Einsatz von Video-Konferenzen, sondern setzte auch während Hohe Glaubwürdigkeit und hohe Einschaltquoten der gesamten Krise – unter Einhaltung aller Sicher- So behandelten sowohl Talk als auch Reportage heitsbestimmungen – auf eine persönliche Debatte mit sprichwörtlich „das, was fehlt“ und erarbeiteten sich allen Gästen am selben Ort. Vertrauen und Glaubwürdigkeit bei einem Publikum, In enger Abstimmung mit ServusTV und intensiver das in der Fülle der Corona-Berichterstattung nach Zusammenarbeit mit der Redaktion der „Servus Repor- unabhängiger, unvoreingenommener, kontroverser tage“ gelang es in den ersten Wochen des Shutdowns, und kritischer Debatte sucht. Das belegen auch die jeweils die wirklich brennenden Fragestellungen der Quoten, die sich seit der Corona-Pandemie auf einem Zeit zu thematisieren. Die gemeinsam von ServusTV sehr hohen Niveau bewegen.

12 | Addendum Die Einschaltquoten beider Formate lagen dabei produziert. Seit dem Ende der Sendereihe hat QVV deutlich über dem Durchschnitt, so erreichte der Talk für das Nachfolgeformat „Servus Reportage“ als Auf- im Hangar-7 seit Inkrafttreten der Einschränkungen tragsproduzent bereits elf weitere Reportagen reali- durchschnittlich 111.000 Zuseher, die von QVV co- siert, darunter im Februar, März und April 2020 jeweils produzierten Reportagen durchschnittlich 100.000 binnen einer Woche aktuelle Reportagen über die Aus- Zuseher. In der Spitze lagen die Marktanteile bei breitung und Bekämpfung des Coronavirus zunächst in 6,7 Prozent. China, danach in Europa und Österreich. Gemeinsame Absicht von ServusTV und QVV ist es, solche kurzfris- Lineares Fernsehen und Web-TV tigen Projekte künftig häufiger zu verwirklichen und Der wöchentlich ausgestrahlte „Talk im Hangar-7“ damit die Berichterstattung des Senders zu drängen- mit Michael Fleischhacker konnte auch schon vor der den Themen zu stärken. Corona-Pandemie eine erfreuliche Entwicklung voll- Mit dem politischen TV-Magazin „Factum“ wagte ziehen. Seit der Übersiedelung der Redaktion nach QVV in der Zeit von März bis Juli 2019 den schwieri- Wien wurden bei Zuseherzahlen und Marktanteilen gen Versuch, das wöchentliche Politikgeschehen in der starke Zuwächse verzeichnet. Im Jahr 2017 erreichte Republik auf eine neue und andere Weise als etablierte die Sendung im Schnitt noch 55.000 Zuseher (21.000 öffentlich-rechtliche Formate darzustellen. in der ZG 12–49), was einem Marktanteil von 3 Pro- Auch bei der Produktion von Video-Content für zent (2,7 in der Zielgruppe) entspricht. 2018 konnten Addendum ist QVV zu einer festen Größe in der öster- 60.000 Zuseher erreicht werden, 2019 waren es be- reichischen Medienlandschaft geworden. In der Reihe reits im Schnitt 76.000 (bzw. 25.000 in der ZG 12–49), „4 Minuten“ werden politische, wirtschaftliche und der Marktanteil lag bei 3,7 Prozent (bzw. 3,1 Prozent in gesellschaftliche Phänomene anschaulich und kom- der ZG). pakt erklärt. Auch im Bereich hochwertiger TV-Dokumentatio- Der YouTube-Kanal von Addendum gehört zu den nen und Reportagen zu gesellschaftlich relevanten The- erfolgreichsten YouTube-Kanälen von Medienhäusern men ist QVV seit Gründung aktiv am Markt vertreten. in ganz Österreich. So wurde allein die Reportage Von September 2017 bis Dezember 2018 wurde für „Zum Sterben nach Liestal“ bis heute von fast einer ServusTV die wöchentliche Reportage „Im Kontext“ Million Nutzer gesehen.

Impact Report | 13 Spendengeld / Addendum aktuell Wer kontrolliert die Helfer? Addendum zeichnete nach, wie prominente Seenotretter Schiffbruch erlitten.

in medial gut inszenierter Spendenaufruf für die Seenotrettung im Mittelmeer lieferte den E Anlass für eine Addendum-Investigativre- cherche. Nach der Aufregung um die in Itali- en festgenommene Kapitänin Carola Rackete sammelte der deutsche Comedian Klaas Heufer-Umlauf im Som- mer 2018 297.036 Euro, um Aktionen der privaten See- notrettung fortführen zu können. Er versprach seinen Spendern, „persönlich dafür Sorge zu tragen, dass das Geld auch dort ankommt, wo es hinmuss“. Der Fernseh- star plante, mit dem Geld unter dem Logo „Civilfleet“ ein eigenes Rettungsschiff im Mittelmeer zu finanzieren. „Es geht darum, Schiffe zu chartern“, erklärte der TV- Comedystar, „und inoffiziell von mir aus, wieder raus- zufahren und weiterhin Menschen zu retten – weil was soll daran illegal sein?“ Nachdem ihm sein Engagement viel Publicity und Lob eingebracht hatte, wurde es je- doch ruhig um die Aktion. 2018 rief der deutsche TV-Star Klaas Heufer-Umlauf zu Spenden für die Erst die Addendum-Recherchen zeigten mehr als Seenotrettung auf. Mit den gesammelten 297.000 Euro sollte ein NGO-Schiff ein Jahr später auf, dass ein solches Rettungsschiff im Mittelmeer finanziert werden. Doch ein solches lief niemals aus. nicht nur niemals ausgelaufen war, sondern auch die Spender über das Scheitern des Projekts im Dunklen gelassen wurden. Die Rekonstruktion der Ereignisse Konsequenzen legte dar, dass die Verantwortlichen bei der Suche nach einem geeigneten Schiff bei einem ominösen Eigen- In allen deutschen Medien tümer in der Offshore-Oase Panama gelandet waren. Sie überwiesen ihm größere Geldbeträge, doch ließ er Fast alle deutschen Zeitungen und Online- sie im wahrsten Sinn des Wortes auf dem Trockenen Portale übernahmen die Addendum-Recherchen. sitzen. Dies hielt die „Civilfleet“-Aktivisten aber nicht „Seenotretter ohne Schiff“, titelte die FAZ, „Klaas’ davon ab, weiteres Spendengeld in einen bereits aus- gescheiterte Mission“ schrieb die Süddeutsche, „Mit sichtslos erscheinenden Versuch zu pumpen. 297.036 Euro Spenden keinen Flüchtling gerettet“, vermerkte Die Welt und „300.000 Euro Spenden Niemanden gerettet versenkt?“, fragte etwa Der Spiegel. Am Ende war ein Großteil des Geldes in die ver- suchte Anschaffung und Ausrüstung eines Schiffs ge- Heufer-Umlauf auf Tauchstation flossen, das den Hafen zu keinem Zeitpunkt verlassen und damit auch keinen einzigen Menschen in Seenot Klaas Heufer-Umlauf lehnte weiterhin jede gerettet hatte. Seitens der „Civilfleet“ stellte man sich Interviewanfrage zu dem Thema ab. Er verwies den Ergebnissen der Addendum-Recherchen nur zö- lediglich auf eine Stellungnahme der „Civilfleet“, in gerlich. Auch das Management des Comedians Klaas der der Verlauf der Spendenaktion bedauert wurde. Heufer-Umlauf beschied die Bitte um eine Stellung- nahme negativ. Man bekäme „unzählige Anfragen zu „Ich würde es wieder tun“ dem Thema“ und müsse „allein schon aus zeitlichen Erst später äußerte sich der Comedian in einem Gründen absagen“. So erfuhren sowohl die damaligen Branchenmedium. Er bestätigte, in wesentliche Spender als auch die Öffentlichkeit erst durch das Er- Fragen des Projekts eingebunden gewesen zu sein. scheinen des Addendum-Artikels vom wahren Verlauf Er glaube nicht, „dass die Spender enttäuscht sind“. der Spendenaktion. Schließlich gab Heufer-Umlauf zu, dass „man zuletzt mehr kommunizieren hätte müssen“, er sich aber Link zur Geschichte deswegen von ähnlichen Aktionen nicht abhalten www.addendum.org/seenotrettung/civilfleet lasse: „Ich würde es wieder tun.“

14 | Addendum An der Grenze: Wie Addendum auf aktuelle Ereignisse reagiert Addendum ist keine Tageszeitung, sondern liefert Hintergründe. Manchmal auch tagesaktuell.

m 29. Februar machte der türkische Präsi- dent Recep Tayyip Erdoğan seine mehrfach A wiederholte Drohung wahr und öffnete die „Tore“ nach Europa. Addendum reagierte und stellte eine fünfköpfige Taskforce zusammen, die sich eine Woche lang mit den aktuellen Ereignissen an der türkisch-griechischen Grenze befasste und darü- ber hinaus die dem Konflikt zwischen EU und Türkei zugrundeliegenden politischen und völkerrechtlichen Fragestellungen analysierte. Mit dieser Mischung aus aktueller und Hintergrund-Berichterstattung sollte den Nutzern die Möglichkeit gegeben werden, nicht nur einen Überblick, sondern auch einen Durchblick in der unübersichtlichen Situation zu erhalten. Zwei Reporter berichteten aus Griechenland und Bulgarien und versorgten die Redaktion in Wien mit ex- klusiven Inhalten und Informationen aus erster Hand. Statt Agenturmeldungen und Medienberichte zu über- nehmen, die zum Teil schwer verifizierbar sind, machten die Reporter sich ein eigenes Bild von der Situation ent- lang der Grenze. Im ständigen Austausch mit den Kol- legen in Wien sind so Geschichten entstanden, die den Addendum-Nutzern einen echten Mehrwert gegenüber der Berichterstattung anderer Medien geboten haben. Die Lage an der griechisch-türkischen In einem täglichen Update wurden die aktuellsten Grenze drohte zu eskalieren. Entwicklungen zusammengefasst und jeden Tag zur Mittagsstunde veröffentlicht, dieses Update wurde auch als Newsletter angeboten. In einem täglichen Pressespiegel fasste die Addendum-Redaktion zusam- men, wie griechische und türkische Medien über die neue Flüchtlingskrise berichteten. Der Redaktion gelang es in dieser aufgeheizten Nachrichtenlage, jeden Tag den großen Bogen von den aktuellen Entwicklungen zu den vorausgegange- nen politischen Entscheidungen und Versäumnissen zu schlagen, mit Mythen aufzuräumen und den Lesern zu erklären, wer mit welcher Behauptung recht hat und wer nicht.

Link zum Projekt Addendum-Reporter waren bei den www.addendum.org/neue-fluechtlingswelle Grenzkonflikten direkt vor Ort.

Impact Report | 15 Internationales / Zitat Addendum im Ausland Vor-Ort-Recherchen statt Übernahme von Agenturmeldungen.

Am Anfang war die „Wahrheit“ (Quo Vadis Veritas), dann kam die Überzeugung, dass sie der österreichischen Medienlandschaft fehlt (Addendum). Ein ambitionierter Anspruch. Ihm versuchte das Team immer wieder gerecht zu werden. Möge die Übung gelingen – in Zukunft immer öfter, hoffentlich. Wahr ist: Alles braucht seine Zeit.“ Anneliese Rohrer, Kolumnistin

Das „Widerstands-Museum“ im libanesischen Mleeta: Manche bezeichnen es als „Dschihadisten-Disneyland“.

ie Berichterstattung aus dem Ausland, ins- Bewegtbild. Dadurch können unterschiedliche Ziel- besondere aus Krisengebieten, fällt in immer gruppen über möglichst viele Kanäle erreicht werden. D mehr Redaktionen dem Sparstift zum Opfer. Statt eigene Reporter vor Ort recherchieren Impact zu lassen, vertrauen viele Medien auf Agenturmeldun- Schon im Juni 2019 stellte Addendum die Frage, ob gen und somit auf Informationen aus zweiter Hand. Die sich eine neue Flüchtlingswelle anbahnt. Dazu reisten Folge: ein Einheitsbrei in der Berichterstattung und die Reporter nach Bosnien, um sich selbst ein Bild von Analyse ohne Hinterfragen. Die Deutungshoheit liegt der unübersichtlichen Lage in der Grenzregion zum damit in den Händen einiger weniger. EU-Mitglied Kroatien zu machen. In dem Bericht wur- Addendum verfolgt das Ziel, Problemen und Phä- de deutlich, dass die Balkanroute trotz der intensiven nomenen, die direkte oder indirekte Auswirkungen auf Maßnahmen zur Unterbindung illegaler Migrations­ Österreich, ihren Ursprung aber andernorts haben, an bewegungen wieder durchlässiger wird. Das Fazit der ihrem Ausgangspunkt auf den Grund zu gehen. Nur so Reporter: Die Situation am Balkan sei ein deutliches lassen sich Zusammenhänge verstehen und vermitteln, Indiz dafür, dass die EU künftig wieder mit mehr An- nur so können politische und gesellschaftliche Trends künften rechnen müsse. Im Dezember 2019 veröffent- frühzeitig erkannt werden. lichte Addendum unter dem Titel „Neues Jahr, neue Ob im Bürgerkriegsland Syrien, an den Flüchtlings- Flüchtlingswelle“ eine umfassende Analyse der Mig- hotspots im Libanon, auf den griechischen Inseln, auf rationsbewegungen in Richtung Europa. Darin setzen dem Balkan, bei einer Zusammenkunft reaktionärer sich die Reporter mit den unterschiedlichen Brenn- russischer und europäischer Kräfte in Italien oder in punkten vor den Toren Europas auseinander und zei- den gesellschaftlich gespaltenen Vereinigten Staaten: gen, warum die Befürchtung, es könne 2020 zu einem Die Reporter von Addendum sind vor Ort, sprechen mit neuen Flüchtlingsansturm kommen, begründet ist. Die den Menschen und gehen unvoreingenommen an die Entwicklungen von Ende Februar geben diesen frühen Geschichten heran. Nur so kommen überraschende Analysen recht. Bei der Berichterstattung zum The- und neue Perspektiven zustande, die den Lesern und ma Migration setzt Addendum auf eine enge Koopera- Zusehern einen echten Mehrwert bieten. tion mit Migrationsexperten, die sich durch profundes Dabei setzen die Reporter auf eine multimediale Hintergrundwissen und hervorragende Kenntnisse von Darstellung: tiefgehende Analysen, starke Fotos und Zusammenhängen auszeichnen.

16 | Addendum Wahrheit ist, was der Mensch nicht ändern kann.

Hannah Arendt

Impact Report | 17 Flächenwidmung Die Geschäfte der Bürgermeister In einer kleinen Marktgemeinde nördlich von Wien haben ein Bürgermeister und sein Vorgänger mit Grundstücksspekulationen Millionen eingenommen. Wohl kein Einzelfall.

ürgermeister verfügen in Österreich über Und auch nicht mit einer Widmung für zwei Wohnein- ungewöhnlich viel Macht, auch im Vergleich heiten pro Grundstück versehen. Auch der Vater von B zu anderen europäischen Staaten. Denn in Bürgermeister Hoffinger, Altbürgermeister Hoffinger, ihrer Hand und der des Gemeinderats liegt Vorgänger von Josef Krist, ist im Bereich Salzstraße die Entscheidungsbefugnis in Fragen der Flächenwid- Liegenschaftsbesitzer und wird am Ende acht Bau- mung, ob also Flächen im Gemeindegebiet, unabhän- grundstücke sein Eigen nennen. gig von den Eigentumsverhältnissen, als Ackerland, als Am 5. März 2018 verkaufen der amtierende Bürger- Grünland oder als Bauland gewidmet sind. Das wiede- meister Hoffinger und sein Vorgänger Krist die 10.559 rum hat enormen Einfluss auf die Grundstückspreise. Quadratmeter im Bereich Salzstraße um 2,639 Mil- Umwidmungen am richtigen Ort zur richtigen Zeit kön- lionen Euro an eine niederösterreichische Bau- und nen für die richtigen Käufer innerhalb weniger Jahre Siedlungsgenossenschaft. Vier weitere Baugrundstü- zu einer Verzehnfachung ihrer Investition führen. Ad- cke zu je rund 500 Quadratmeter sind noch in ihrem dendum hat einen Fall aufgedeckt, bei dem ein Bürger- Besitz und haben als Bauplätze einen Wert von rund meister und sein Vorgänger von Flächenumwidmungen 400.000 Euro. Die Genossenschaft will auf dem großen persönlich profitiert haben. Areal eine Wohnhausanlage bauen. Hoffingers Vater, Großebersdorf, 2.500 Einwohner, ist eine kleine der Altbürgermeister, erhält durch die Parzellierung Marktgemeinde am nördlichen Stadtrand von Wien, acht aufgewertete Baugrundstücke: Zwei verkauft er, am südlichen Zipfel des niederösterreichischen Wein- zwei schenkt er seiner Frau, vier gibt er an seine Enkel- viertels. Für Diskussionen im Ort sorgen Aufschlie- kinder weiter. ßungen und Grundstücksaufwertungen im größeren Stil, von denen offensichtlich ein kleiner Machtzirkel massiv profitiert. Landwirtschaftlich genutzte Flächen Link zum Projekt wurden aufgekauft, um in Bauland verwandelt zu wer- www.addendum.org/flaechenwidmungen den, auf dem neuer Wohnraum entsteht. Beobachter vermuten ein System aus Intransparenz und Insider- wissen, das seit Jahrzehnten zu bestehen scheint. Konsequenzen Großebersdorf hatte seit 1971 drei Bürgermeister – aus zwei Familien. Verluste bei der Gemeinderatswahl Im Frühjahr 2012 erwerben der damalige Bürger- meister Josef Krist und sein Vizebürgermeister Georg Bei den Gemeinderatswahlen in Niederösterreich Hoffinger, der bald darauf sein Nachfolger werden soll- am 26. Jänner 2020 verliert die regierende ÖVP te, als Privatpersonen eine landwirtschaftliche Nutzflä- Großebersdorf ein Viertel ihrer Stimmen und hält nur che am Ortsrand. Verkäuferin ist eine knapp 80-jährige noch elf von 21 Mandaten. Dame. Der Kaufpreis: 262.000 Euro. 2014 übernehmen Hoffinger und Krist zwei weitere landwirtschaftliche Rückzug des Bürgermeisters Flächen für 120.000 bzw. 317.986,50 Euro. Eineinhalb Wochen nach der Wahl, rund drei Wochen nach Erscheinen des Artikels, kündigte Aufwertung durch Umwidmung Bürgermeister Hoffinger seinen Rückzug aus der Damals ist ein größerer Teil dieses Bereichs noch Politik an. Das Fallbeispiel sorgt für eine breite nicht als „Bauland Wohngebiet“ gewidmet. Das sollte Diskussion in niederösterreichischen Medien, sich ab 2015 ändern. Die Bauland-Widmung wird er- Addendum erhält zahlreiche weitere Hinweise zu weitert, auch über jene landwirtschaftliche Nutzfläche strukturellen Problemen in anderen Gemeinden. hinaus, deren Miteigentümer der aktuell amtierende Vizebürgermeister ist. Dann wird das Gebiet am Ortsrand aufgeteilt, also Im Parlament behandelt parzelliert. Die Bauplätze haben zumeist rund 500 Qua- Anfang März erreichen die Grundstücksspekulationen dratmeter und sind mit einer Widmung für maximal in Großebersdorf sogar das österreichische zwei Wohneinheiten pro Grundstück versehen. Nur Parlament. Der FPÖ-Abgeordnete Christian Lausch ein großer Bereich am Rand, das 10.559 Quadrat­meter bringt dazu eine parlamentarische Anfrage an große Grundstück, das Altbürgermeister Krist und Justizministerin Alma Zadić ein. Bürgermeister Hoffinger erhalten, wird nicht zerteilt.

18 | Addendum Grundstücksgeschäfte vor den Toren Wiens: In der Marktgemeinde Großebersdorf gab es ein System aus Insiderwissen und Intransparenz.

Auch nach sechsjährigem Lateinkonsum im Gymnasium geht der Titel Addendum nicht wirklich leicht über die Lippen. So kompliziert der Markenname, so einfach und klar die Philosophie: vertiefende Recherchen, genauere Blicke dahinter. Das halte ich in Zeiten knapper werdender Budgets und marktschreierischer Medienprodukte für eine großartige Bereicherung der österreichischen Medienlandschaft. Wie in vielen anderen Redaktionen mangelt es auch noch an Diversität im Autor*innenteam. Aber guter Journalismus anderer ist auch immer Ansporn und Auftrag für uns im ORF.“ Matthias Schrom-Kux, Chefredakteur der ORF2-Information / ZIB

Impact Report | 19 Holzmafia Schmutzige Holzgeschäfte Die Spur illegaler Abholzungen führt nach Österreich.

ine Addendum-Reportage beschäftigte sich zuerst mit der Verantwortung österreichi- E scher Unternehmen bei der Abholzung großer Waldflächen in Rumänien. Dort liegen zwei Drittel von Europas letzten Urwäldern, von denen nur ein Bruchteil geschützt ist. Deren Fläche schrumpfte in den vergangenen zwei Jahrzehnten massiv. Die öster- reichischen Firmen Schweighofer und Kronospan haben Anteil daran, da sie vor Ort gewaltige Strukturen schu- fen, die sie anfällig für den Bezug von illegal geschla- genem Holz machen. Addendum veröffentlichte unter Verschluss gehaltene Zahlen, aus denen hervorgeht, dass mehr als die Hälfte des Einschlags in Rumänien Konsequenzen aus ­illegalen Quellen stammt, und beleuchtete die ma- fiösen Verbindungen dahinter, die allein im Jahr 2019 zu EU-Mahnung an Rumänien zwei Morden geführt haben. Recherchen zeigten sowohl die verheerenden Folgen für die Umwelt als auch die Der Bericht über den Raubbau an den rumänischen Schwierigkeiten, dem Treiben dieser Holzmafia Einhalt Wäldern ließ Umweltschützer eine Beschwerde an zu gebieten und „saubere“ Lieferketten zu garantieren. die EU-Kommission formulieren. Diese reagierte und setzte der rumänischen Regierung eine Frist, gegen Heimisches Parkett aus der Ukraine illegale Praktiken vorzugehen, und drohte weitere Auf die Frage nach der Rolle österreichischer Fir- Schritte an. men beim illegalen Einschlag im Ausland folgten Re- cherchen, die zeigen sollten, dass solches Holz auch Reaktionen aus der Holz-Branche zurück nach Österreich gelangt. Addendum wurde dabei in Rumäniens Nachbarland, der Ukraine, fündig. Großes Echo erfuhren die Parkett-Recherchen in Dort führte die Spur zu zwei ominösen Firmen, die die der heimischen Holzindustrie. Es meldeten sich größten österreichischen Parkettproduzenten mit ver- zahlreiche Eigentümer österreichischer Sägewerke, arbeitetem Eichenholz beliefern. Eine dieser Firmen die durch die „Dumping-Preise der Ukrainer“ als war Teil eines kriminellen Kartells, das großflächig il- Zulieferer der Parkettproduzenten vom Markt legal einschlug. Das andere Unternehmen setzte auf Off- gedrängt worden waren. Sie bedankten sich bei shore-Finanzkonstruktionen, behinderte journalistische Addendum, das „große Geheimnis der Branche“ Recherchen und wendete Gewalt an. Konfrontiert mit aufgedeckt zu haben. Die Parkettfirmen versprachen, den Addendum-Erkenntnissen reagierten die österrei- die Beziehungen zu ihren ukrainischen Zulieferern zu chischen Parkettfirmen ganz unterschiedlich. Während überprüfen.

sich der Marktführer schockiert zeigte und eine Über- prüfung seiner Geschäftsbeziehungen in die Ukraine Beschwerde des WWF versprach, schienen andere das Thema lieber ignorieren Der WWF hat als Reaktion auf die Parkett- zu wollen. Warben all diese Firmen zuvor noch offensiv Recherchen offiziell eine Beschwerde beim mit dem Claim des heimischen Holzes, das für ihr Parkett österreichischen Bundesamt für Wald eingebracht. Verwendung finde, begannen sie dies nach und nach zu Er fordert umfassende Prüfung und Aufklärung korrigieren. Zugleich stieg der Druck auf das österrei- durch die Behörde, welche ihre Kontrollpflichten im chische Bundesamt für Wald, das unter Verantwortung Rahmen der Europäischen Holzhandelsverordnung des Landwirtschaftsministeriums dazu verpflichtet ist, vernachlässige. mit Kontrollen den Import von illegalem Holz zu verhin- dern. Nachdem die Addendum-Recherchen bewiesen, dass diese Kontrollen vollkommen unzureichend sind, Folgen in der Ukraine fordern EU-Stellen strengere Maßnahmen. In der Ukraine zitierte eine Reihe landesweit erscheinender Medien den Addendum-Bericht. Er spielte auch bei der Auswahl des künftigen Direktors Link zum Projekt www.addendum.org/holzmafia der Staatsforste eine Rolle.

20 | Addendum Lagerplatz des österreichischen Holzverarbeiters Schweighofer in Rumänien

Eine illegal gerodete Waldfläche im rumänischen Apuseni-Gebirge

Addendum zeichnet sich durch hartnäckige­ journalistische Recherchen aus und setzt neue Standards bei der digitalen Umsetzung von P­ rojekten. Exzellente Beispiele dafür sind die Enthüllungen über den internationalen Holz-Raubbau in Osteuropa und die Reportagen über die dunklen Seiten der Wasserkraft.“ Hanna Simons, Programmleiterin WWF Österreich

Impact Report | 21 Burgtheater Burgtheater: Ein Musterfall struktureller Korruption In der öffentlichen Wahrnehmung war der Burgtheaterskandal ein Hartmann-Skandal. Addendum zeigte auf, wie es wirklich war.

n der bedeutendsten Theaterbühne im deut- in die Hände bekam, um es an die Wirtschaftsprüfer schen Sprachraum währte über Jahrzehnte weiterzureichen, „flog das bilanzielle Luftschloss in die A eine Misswirtschaft. Die plakativsten Bei- Luft“, so formuliert es der Wirtschaftsanwalt P­ eter spiele sind seit Bekanntwerden der Affäre Vogl, der Hartmann im späteren Arbeitsgerichtspro- im Jahr 2014 vielfach berichtet worden – und betreffen zess vertrat: „Mit dem Thema Bilanzfälschung ist in die ehemalige Finanzdirektorin Silvia Stantejsky: Sie dem ganzen System anscheinend ziemlich offen um- reichen vom Aufrufen von fantasievollen Beraterho- gegangen worden. Da muss eine ganze Reihe von Per- noraren durch das Management der Toten Hosen über sonen gewusst haben, dass das Anlagevermögen der jene knapp 100.000 Euro, die der Schauspieler Michael ­ ­Bilanzen zu einem wesentlichen Teil aus potemkin- Maertens in den früheren Nullerjahren – pars pro schen Dörfern bestanden hat.“ toto – gut verzinst am Burgtheater deponierte, bis zum Schulgeld für das Wiener Theresianum, das für Stan- tejsky von einem Burgtheater-Konto abgebucht wurde. Link zum Projekt www.addendum.org/burgtheater Systemfehler im Interesse der Politik Abgesehen von diesen Fehlleistungen, die sich dutzendfach mit gleichsam tragikomischen Anekdoten Konsequenzen untermauern ließen, gilt die Burgtheater-Causa rund um die ehemalige Finanzdirektorin Silvia Stantejsky Selbstanzeige von Drozda und Kollegen als Musterfall struktureller Korruption: Viele Verant- wortliche – der einstige Finanzdirektor und spätere Die Bilanzen der Burgtheater GmbH waren zumindest Kurzzeit-Kulturminister Thomas Drozda, der einstige seit 2003/2004 das Papier nicht wert, auf dem sie Bundestheater-Holding-Chef Georg Springer, die Re- geschrieben standen. Der ehemalige kaufmännische visionsabteilung der Holding, die Prüfer von PWC – Direktor Thomas Drozda, der ehemalige haben in der Einzelbetrachtung zwar möglicherweise künstlerische Direktor Klaus Bachler und andere Fehler erkannt, aber nichts dagegen unternommen. ehemalige Verantwortliche kamen bereits 2014 mit Ein nicht von der Hand zu weisender Grund: Die Fehler einer Selbstanzeige bei der Finanz einem möglichen lagen im System – im Interesse von Politik und Kul- Ermittlungs- bzw. Strafverfahren zuvor. tur. Aktives Wegschauen, im Haus am Wiener Ring wohl auch eine Art von schauspielerischer Manage- Rechnungshof prüft mentleistung. Wären die Bilanzen nicht zumindest ab 2019 beauftragten ÖVP und FPÖ den Rechnungshof 2003/2004 das Papier nicht wert gewesen, auf dem sie mit einer Prüfung der Ära Drozda als Burgtheater- im Firmenbuch geschrieben standen, und wären längst Geschäftsführer. Es geht um den Zeitraum von der vernichtete Bühnenbilder nicht noch bilanziell aktiviert Ausgliederung im Herbst 1999 bis zum Geschäftsjahr worden, wäre die stets gewünschte „schwarze Null“ 2008/09. am Ende des Geschäftsjahres schon früher unerreich- bar gewesen. Dann hätte die Politik all die Jahre viel mehr Subventionsgeld zuschießen müssen. Verurteilung von Stantejsky Im Jänner 2020 wurde die ehemalige kaufmännische Und dann kam Hartmann Geschäftsführerin am Wiener Landesgericht für Burgtheater-intern kursierten mehrfach Papiere, Strafsachen wegen Untreue und Veruntreuung aus denen eine Bilanzfälschung herauszulesen gewe- zu zwei Jahren bedingt verurteilt. Zudem wurde sen wäre. Als der ab 2009 eingesetzte künstlerische ihr eine Schadenswiedergutmachung gerichtlich Direktor Matthias Hartmann sich über die permanent aufgetragen. fehlende Liquidität wunderte und eines dieser Papiere

22 | Addendum Musste sich selbst bei der Finanz anzeigen: Ex-Burgtheater-Finanzchef Thomas Drozda

Deckte die Malversationen seiner kaufmännischen Geschäftsführerin auf: Ex-Burgtheater-Direktor Matthias Hartmann

Die Redaktion von Addendum entwickelt Themen innovativ und erfrischend anders. Sie blickt hinter die politischen Kulissen und leistet einen wichtigen Beitrag zu einem breiten und lebendigen gesellschaftlichen Diskurs. Herzlichen Glückwunsch zum dreijährigen Bestehen! Ich freue mich auf viele weitere Jahre.“ Alma Zadić, Bundesministerin für Justiz

Impact Report | 23 Beteiligungen Penibel nachgezeichnet: Martin Schlaff und Christian Kern Christian Kern beteiligte sich im August 2016 offiziell an der israelischen Firma seiner Frau. Zeitgleich mit dem Bundeskanzler stieg eine diskrete Liechtensteiner Anstalt ein, die dem SPÖ-nahen ehemaligen Osthändler Martin Schlaff zugerechnet wird.

s ist der 8. August 2016. Zwischen einem Bundesländertag in Niederösterreich und E dem Empfang des serbischen Premierminis- ters Aleksandar Vučić in Wien bringt Chris- tian Kern einen privaten Deal in Israel unter Dach und Der österreichische Milliardär Martin Schlaff Fach. Der damalige Bundeskanzler wird als Privatper- son Teilhaber einer Firma namens „Blue Minds Innova- tion Limited“, deren größte Einzelgesellschafterin die „The Blue Minds Company GmbH“ seiner Frau Eveline Verhandlungen, die bereits über ein Dreivierteljahr Steinberger-Kern ist. Später, im durchwegs turbu- gedauert hätten, habe es „auch schon gültige Verein- lenten Nationalratswahlkampf 2017, wird Kern dazu barungen gegeben“, aus denen ihn die RHI-Eigentümer mitteilen, es habe sich nur um eine Beteiligung von nach seiner Entscheidung, doch Bundeskanzler werden „symbolischer Natur“ gehandelt. Und diese sei auch zu wollen, großzügig „rausgelassen“ hätten. ordnungsgemäß gemeldet worden. Wesentlicher Player bei der RHI ist die MSP-Stif- Symbolischen Charakter hatte möglicherwei- tung von Martin Schlaff, jenes Mannes, dem auch die se auch die Tatsache, dass der sozialdemokratische „Alpha Capital Anstalt“ zugerechnet wird, die sich am Bundeskanzler an diesem 8. August 2016 zeitgleich 8. August 2016 gleichzeitig mit Christian Kern an der mit einer diskreten Liechtensteiner Anstalt, die im Firma beteiligt hat, welche damals zu einem Drittel im Einflussbereich des österreichischen Milliardärs Mar- Besitz der Frau des damaligen Bundeskanzlers ist. Nach tin Schlaff steht, in das israelische Firmenbuch ein- seinem Abschied aus der Politik im Herbst 2018 stieg getragen wird. Hätte ihn diese private geschäftliche Christian Kern in die Firmengruppe seiner Frau ein. Bei Verbindung über die Symbolik hinaus auch in einen der Foresight fungiert er nunmehr als Chairman. politischen Interessenkonflikt bringen können? Im- merhin verfolgt Martin Schlaff in Österreich massive wirtschaftspolitische Interessen, unter anderem als Konsequenzen Errichter einer Stiftung, die als Hauptaktionär des RHI-Konzerns fungiert. Kern-Investor im Visier der US-Behörden Im Dezember 2018, wenige Tage nach dem Einstieg Kern hatte bereits einen Vertrag als RHI-Chef Kerns als Chairman bei der Foresight Energy Limited, Hinweise darauf, dass zwischen Christian Kern wurde durch Addendum-Recherchen bekannt, dass und Martin Schlaff ein guter Kontakt bestehen dürfte, die US-Börsenaufsicht SEC gegen die Liechtensteiner lieferte Kern selbst, als er im Wahlkampf 2017 darauf Alpha Capital Anstalt Ermittlungen wegen des hinwies, er habe zugunsten seiner Kanzlerschaft ab Mai Vorwurfs des Aktienbetrugs rund um Penny Stocks 2016 einen exzellent dotierten Job als Vorstandsvorsit- einleitete. Die Alpha Capital wurde zur Zahlung einer zender ausgeschlagen. Wörtlich sagte der Regierungs- Geldstrafe verurteilt. chef in einem ORF-TV-Duell: „Ich habe einen Job sau- sen lassen, der mir ein Millioneneinkommen beschert hätte.“ Gegenüber Addendum bestätigte Kern, dass es nicht nur das Angebot gab, den CEO-Posten beim Feu- Link zur Geschichte www.addendum.org/kern/kern-schlaff erfestwerkstoff-Hersteller RHI zu übernehmen: Nach

24 | Addendum Christian Kern blieb auch als Bundeskanzler wirtschaftlich aktiv. Gemeinsam mit seiner Frau und mit einer Firma im Einflussbereich des Unternehmers Martin Schlaff.

Impact Report | 25 Spitalsinfrastruktur Medizingewerbe ohne Zertifikat Krankenhäuser bauten aus Kostengründen medizinische Gasanlagen ohne Zertifikat ein.

ie österreichische Gesundheitsversorgung (…) von Installationsarbeiten hätte (…) eine (…) Neu­ gilt als eine der besten der Welt. Probleme, installation der medizinischen Gasanlagen durch Alter- D die an die Substanz gehen, werden an den nativfirmen mit massiven Mehrkosten, Bauzeitverzöge- zuständigen Stellen vermutlich auch deshalb rungen und Betriebsausfällen bedeutet.“ Und weiter: nur als störend empfunden. So wie im Fall von medizi- „In Wien hätte ein neues Krankenhaus z. B. nicht den nischen Gasanlagen, einer Spitalsinfrastruktur, bei der Betrieb aufnehmen können.“ Tausende Patienten und die Aufsichtsbehörde einst vorab Alarm schlug. Als sich Spitalsmitarbeiter sind seither von ihnen nicht bekann- jedoch abzeichnete, was das in der Realität bedeuten ten Infrastrukturen abhängig, die über keine Zulassung würde, galten mit einem Schlag keine Regeln mehr. verfügen und womöglich sogar gefährlich sind.

Explosionen, Verletzte und keine Konsequenzen Für Medizinprodukte gelten in ganz Europa stren- ge Regeln. Wer sie verkaufen will, muss ihre Sicherheit Timeline garantieren können und sich selbst laufenden Überprü- fungen unabhängiger Prüflabore stellen. Regelverstöße • Juni 2019: Erster anonymer Hinweis auf mögliche werden mit dem Ausschluss vom Markt bestraft. Nur Missstände nicht im vorliegenden Fall. • Bis Jänner 2020: Recherche in Spitälern und bei Seit dem 1. Februar 2017 verkauft der zweitgröß- Branchenkennern te Anbieter am Markt, die Wiener Kern GmbH, seine Produkte an Spitäler, obwohl er seit diesem Zeitpunkt • 3. Februar 2020: Veröffentlichung über keine Zulassung mehr verfügt. Vor Verlust der Zu- lassung wurden zwei Unfälle mit Personenschaden do- kumentiert, die beim Betrieb von Anlagen des Unter- nehmens geschahen. Dennoch bestätigt Kern bis heute Link zum Projekt www.addendum.org/news/medgas-anlagen-zertifizierung allen Abnehmern schriftlich, dass das Unternehmen alle vorgesehenen Regeln einhält. Damit verstößt das Unternehmen nicht nur gegen das Medizinprodukte- gesetz, sondern macht sich nach der Beurteilung un- Konsequenzen serer Rechtsberatung auch des Betrugs schuldig. Be- merkenswert an der Geschichte: Spitalsbetreibern und Bei den Behörden Aufsichtsbehörden ist der Missstand bewusst, doch niemand zieht Konsequenzen. Warum? Wir konfrontierten das Bundesamt für Sicherheit im Bei den betroffenen Medizinprodukten handelt es Gesundheitswesen (BASG) damit, dass das Amt selbst sich um sogenannte medizinische Gasanlagen. Die- die Firma Kern vor dem Zulassungsverlust warnte se fest mit dem Gebäude verbundenen Installationen und feststellte, dass ohne Zulassung der Vertrieb von transportieren Sauerstoff, Sticksoff und Narkosegase Gasanlagen verboten sei und dass die Behörde ihre von der Haustechnik zu den Patienten in die Zimmer eigenen Vorgaben seit drei Jahren nicht exekutiert. und in die Operationssäle. Bevor die Firma Kern ihre Kurz nach unserer Recherche wurde auf der Website Zulassung verlor, wurde sie von der zuständigen Auf- der Behörde jener Bereich gelöscht, der diese vormals sichtsbehörde des Bundes davor gewarnt, dass ohne kritische Sicht des BASG dokumentierte. Zulassung auch der Marktzugang verwehrt sei. Doch seither geschah: nichts. In der Fachwelt Im Rahmen unserer Recherchen stellte sich her- Ein Techniker, der die dokumentierten Explosionen aus, dass private Spitalsbetreiber und Geschäftspart- von Kern-Anlagen untersuchte, meldete sich nach ner von Kern die Angelegenheit ernst nahmen und die der Veröffentlichung in der Redaktion. Er sprach von Zusammenarbeit mit der Firma einstellten. Öffentliche „konstruktiven Mängeln“ bei den Installationen des Krankenhausträger, die seit Februar 2017 zahlreiche Unternehmens. Da er mit seiner Pensionierung vor Kern-Anlagen in Betrieb genommen hatten, argumen- einem Jahr alle Unterlagen dazu abgab, sind weitere tierten ihr Verhalten etwa so wie die verantwortlichen Recherchen nötig, um seine Angaben zu verifizieren. Beamten beim Land Niederösterreich: „Eine Einstellung­

26 | Addendum Medizingewerbe ohne Zertifikat

Gasanlagen in Spitälern erhalten Patienten am Leben.

In der Verwaltung Von zwei Quellen aus betroffenen Spitälern in Niederösterreich wissen wir, dass dort über Strafanzeigen wegen Betrugs durch den Hersteller nachgedacht wird. Im niederösterreichischen Landtag stellte die Fraktion der NEOS eine Ausführliche und neutrale Recherchen sind Anfrage an den für die Landeskliniken zuständigen essenziell für guten Journalismus. Nur dadurch Landesrat (u. a.: „Wie war es möglich, dass in können Hintergründe richtig beleuchtet oder niederösterreichischen Spitälern die betreffende auch der eine oder andere verdeckte Skandal Firma Anlagen ohne Zulassung verbaute?“). aufgedeckt werden. Addendum ist dies in seinem erst jungen journalistischen Leben bisher sehr In den Medien gut gelungen. Machen Sie weiter so!“ Am 12. Februar 2020 berichtete die Kronen Zeitung ao. Univ.-Prof. Dr. Thomas Szekeres, Präsident der über die Addendum-Recherche zum Thema. Österreichischen und Wiener Ärztekammer

Impact Report | 27 Kinder und Jugend Misshandlung von Schwererziehbaren? Missstände in Jugendwohneinrichtungen bringen Betreiber und Politik in Bedrängnis.

n einer Wohngemeinschaft für Jugendliche im uns selbst ein Bild zu machen. Die Reportage, die am niederösterreichischen Ebenfurth soll ein Ju- 25. Jänner 2018 ausgestrahlt wurde, zeigte das umfas- I gendlicher am Boden fixiert worden sein, bis er sendste Bild des Falles TG, in dem alle Beteiligten ihre uriniert habe. Daraufhin habe man ihn eiskalt Sicht der Dinge selbst erzählten. abgeduscht, dann hätte er den Urin selbst aufwischen Wie so oft, wenn sich Erwachsene streiten, waren müssen. Einem anderen Jugendlichen sei der Kopf ra- die Kinder die Leidtragenden: „Wir bekommen das na- siert worden, weil er seinen Handycode nicht hergeben türlich mit, wir verfolgen das auch. Wir diskutieren da- wollte. Als Erziehungsmaßnahmen wären in der WG rüber auch sehr viel. Es ist auch bei uns jetzt fast 24/7 angeordnet worden: Grashalme zählen, Unkraut jäten, ein Thema, was hier passiert, was in den Medien abläuft, Wäsche halten, bis sie trocken ist. warum man uns Kinder dazu eigentlich nicht befragt. So lauteten die Vorwürfe gegen die „Therapeu- Und wir machen uns halt alle große Sorgen“, erzählte tischen Gemeinschaften“ (TG), die Ende 2017 an die eine 14-jährige Bewohnerin der WG in Jaidhof. Öffentlichkeit kamen. Zu diesem Zeitpunkt betrieb der private Träger sechs Wohngemeinschaften für schwererziehbare Jugendliche. Link zur Geschichte add.at/016_06 Konflikte gab es vor allem am Standort im nieder- österreichischen Jaidhof, nachdem die Polizei im Laufe eines Jahres mehr als dreißigmal ausrücken musste. Dort soll es zu Suizidversuchen, Sexualstraftaten, Kör- Timeline perverletzungen und Diebstahl gekommen sein. Die Betreuer seien maßlos überfordert. Das sagten ehema- • Gewaltvorwürfe kommen Ende 2017 an die lige Mitarbeiter der Therapeutischen Gemeinschaften, Öffentlichkeit aber auch einige jugendliche Bewohner. • Addendum-Recherche ab Anfang Dezember 2017 Wegen der Vorfälle in der Ebenfurther Einrichtung hat schon einmal die Staatsanwaltschaft ermittelt, die • Ebenfalls Anfang Dezember: Land NÖ setzt Ermittlung wurde allerdings eingestellt. Als Ende 2017 Sonderkommission ein der öffentliche Druck stieg, gründete Landesrat Franz • Öffentlicher Druck steigt Schnabl (SPÖ) eine Sonderkommission zur Untersu- chung der Ereignisse. Die vierköpfige Sonderkommis- • 25. 1. 2018: Ausstrahlung ServusTV-Reportage, sion produzierte einen 250-seitigen Bericht, der bis umfassendste Berichterstattung zu dem Zeitpunkt heute unter Verschluss ist. Aus Datenschutzgründen, • 7. 3. 2018: Unangekündigte Schließung von drei wie es heißt. Die 210.898 Euro, die das gekostet hatte, Wohneinrichtungen für Kinder und Jugendliche brachten Landesrat Schnabl politisch unter Druck. • März 2018: Therapeutische Gemeinschaften müssen Schwere Vorwürfe Insolvenz anmelden Der Chef der Therapeutischen Gemeinschaften, • Auf Facebook und einer Website formiert sich Hermann Radler, einst selbst SPÖ-Gemeinderat, ver- Widerstand gegen den zuständigen Landesrat Franz suchte sich gegen die Anschuldigungen zu wehren. Er Schnabl, ihm wird Amtsmissbrauch vorgeworfen erstattete Anzeigen, schickte Sachverhaltsdarstel- lungen an die Staatsanwaltschaft und reichte eine Be- • Schnabl klagt daraufhin den TG-Betreiber Hermann schwerde beim Psychotherapiebeirat ein. Radler wegen übler Nachrede und Kreditschädigung, Addendum gelang es, mit der Kamera die beiden zieht aber kurz darauf die Klage zurück umstrittensten Einrichtungen in Jaidhof und Ebenfurth • Mehrere Verfahren rund um die Therapeutischen zu besuchen. Wir konnten mit den Betreibern, den Be- Gemeinschaften sind seitdem anhängig treuern und vor allem den Jugendlichen sprechen, um

28 | Addendum Eine ehemalige Wohneinrichtung für schwer erziehbare Jugendliche im niederösterreichischen Jaidhof: Hier soll es zu Gewalt, Suizidversuchen und Sexualstraftaten gekommen sein. Konsequenzen

WGs werden behördlich geräumt Im März 2018 werden drei Wohneinrichtungen der Therapeutischen Gemeinschaften in Jaidhof, Ebenfurth TG meldet Insolvenz an und Sitzendorf an der Schmida behördlich geräumt. Die Therapeutischen Gemeinschaften müssen Bericht der Kommission unter Verschluss Insolvenz anmelden. Eigenen Angaben zufolge waren von der Insolvenz etwa 70 Mitarbeiter betroffen. Die Sonderkommission des Landesrats Franz Schnabl stellt gravierende Missstände fest. Welche Schnabls Untersuchungskommission hat hohe das sind, wurde bis heute nicht näher erläutert, Kosten verursacht man verwies auf den „Schutz aller Beteiligten“. Es gehe um strafrechtliche Handlungen und den Die Untersuchungskommission, die von Landesrat höchstpersönlichen Lebensbereich der Betroffenen. Franz Schnabl eingesetzt wurde, hat Kosten in der Der Abschlussbericht der Sonderkommission wurde Höhe von 210.898 Euro verursacht. Schnabl wurde mit dieser Begründung nie veröffentlicht. dafür heftig kritisiert.

Impact Report | 29 René Benko Das Benko-Reich Addendum zeichnete akribisch nach, wie der Mann agiert, der die Kronen Zeitung übernehmen möchte und wer in die vielen Gesellschaften seiner Signa-Gruppe investiert hat.

pätestens mit seinem 50-Prozent-Einstieg zu anderen weltweit agierenden Unternehmen dieser in das Auslandsgeschäft der deutschen Größenordnung legt die Signa-Gruppe nach wie vor S Funke-Mediengruppe, die über die Media- keine konsolidierte Konzernbilanz. print knapp 50 Prozent am Kurier und exakt In einem wesentlichen Punkt unterscheidet sich 50 Prozent an der Kronen Zeitung hält, hat sich der René Benko ebenfalls von anderen Unternehmens- Unternehmer René Benko, der an sich nicht an die gründern: Er nimmt in der von ihm beherrschten Fir- Öffentlichkeit drängt und großen Wert auf Privatheit mengruppe seit Jahren keine Organfunktionen wahr, legt, zur öffentlichen Person gemacht. Dass die lange ist also weder operativ, etwa als CEO, noch als Vor- schwelenden Konflikte zwischen den deutschen Mitei- sitzender des Aufsichtsrats tätig. Das überlässt Mis- gentümern und der Familie des Krone-Gründers Hans ter Signa einer Handvoll Managern, die zum Teil mehr Dichand im März 2019 eskaliert sind, wird zumindest in als hundert Geschäftsführungsfunktionen bekleiden. der Berichterstattung der von Eva Dichand gegründe- Der Grund dafür liegt wohl in einem Bruch im Lebens- ten Tageszeitung Heute nicht zuletzt den Ambitionen lauf: 2014 wurde Benko von einem österreichischen des Immobilienunternehmers zugeschrieben. Auch für Gericht verurteilt, die Strafe ist mittlerweile getilgt. Addendum war Benkos Einstieg in das Mediengeschäft René Benko selbst agiert nun als eine Art Chefberater, der Ausgangspunkt einer Recherche, in der es aller- der für seine Tätigkeit Provisionen erhält. dings nicht darum ging, etwaige unlautere Motive des Unternehmers aufzudecken, sondern ausschließlich Eine Anleihe, die nicht platziert wurde darum, das Agieren Benkos und seiner Signa-Gruppe Verhältnismäßig diskret ließ die Signa im zweiten besser zu verstehen. Das ist schwer genug. Halbjahr 2019 Planungen zu einer Anleihe wieder ab- Im Zuge unserer Recherchen haben wir auch die brechen. Ursprünglich sollten über den Kapitalmarkt Strukturen der Signa analysiert. In Unternehmens- und mit Unterstützung der Credit Suisse 300 Millio- porträts wird das Firmennetzwerk meist sehr simpel nen Euro eingesammelt werden, doch eine Roadshow dargestellt – eine Holding, einige Star-Investoren, führte nicht zum erhofften Erfolg. In dem 415-Seiten- eine Handvoll Tochterfirmen. Eine Firmenbuch-Durch- Prospekt, den die Signa-Gruppe für die Schweizer forstung später stellt sich das Firmenkonstrukt aller- Banker erstellte, legte Benkos Immobilienkonzern dings nicht annähernd so einfach dar, sondern sehr übrigens ein interessantes Detail zum Kika-Leiner- viel komplexer. So komplex, dass es kaum in seiner Flagshipstore in der Wiener Mariahilfer Straße offen. Gesamtheit skizziert werden kann: Benkos Firmen- Das Gebäude, auf dessen Dach ein 1.000 Quadrat- netzwerk besteht aus mehreren hunderten Firmen, meter großer Garten einen Blick über Wien erlaubt, die unter anderem von Stiftungen in Österreich und wurde in dem Anleiheprospekt – Stand 31. Dezember in Luxemburg gehalten werden, bis zu einem Brief- 2018 – als Projekt „KaDeWe Vienna“ mit 259 Millionen kasten in Delaware reichen und teilweise wieder mit- Euro beschrieben. René Benko hatte die Liegenschaft einander verschränkt sind. Ein Geflecht, das ange- „Maria ­hilfer Straße 10–18“ rund um Weihnachten sichts seiner Komplexität überrascht. Im Gegensatz 2017 – mit tatkräftiger Unterstützung der Bundesre-

30 | Addendum Qualitätsvoller Journalismus ist Basis für das Funktionieren der Demokratie und für das erfolg- reiche Miteinander in der Gesellschaft. Mit investigativer journalistischer Recherche und Datenanalyse leistet Addendum einen innovativen wie wichtigen Informationsbeitrag für die Bürgerinnen und Bürger in Österreich.“ Georg Kapsch, Präsident der Industriellenvereinigung (IV)

Er ist umtriebig, mächtig und gewinnt mit dem Einstieg bei der Kronen Zeitung weiter an Einfluss. Addendum schilderte erstmals die Anfänge des Tiroler Investors und stieß bei der Analyse des Netzwerks seiner Signa-Gruppe auf Privatstiftungen und eine Briefkastenfirma. Das Protokoll einer Recherche auf dem Finanzmarkt.

Impact Report | 31 René Benko / Ukio-Leaks

René Benko ist ein einflussreicher, verschwiegener Mann, der längst über Österreichs Grenzen hinaus zu einem gewichtigen Akteur wurde. gierung, die extra das Grundbuchamt hatte aufsper- Link zum Projekt www.addendum.org/benko ren lassen – um 60 Millionen Euro erworben. Ob diese Veränderung möglicherweise an einer veränderten Bilanzierungsmethodik liegt, lässt sich an dieser Stel- le nicht feststellen. Die Signa wollte auch dazu keine Konsequenzen Stellungnahme­ abgeben. Das Haus in der Mariahilfer Straße Stille Beteiligungen Der Bericht über den Kauf des Kika-Leiner-Flagship- Seit Veröffentlichung des Projekts, das auf der Adden- stores in der Wiener Mariahilfer Straße wurde von dum-Website rund 350.000 Zugriffe erreichte, konn- News, Heute, Österreich, Standard, Presse, Vorarl- ten weitere Erkenntnisse gewonnen werden: Der lang- berger Nachrichten, Tiroler Tageszeitung, Kleine jährige Chef eines großen deutschen Konzerns schied Zeitung, Salzburger Nachrichten, Salzburg 24, vor gut drei Jahren aus dem Aktionärskreis der Signa- Leadersnet, Krone und Liechtensteiner Vaterland Gruppe aus, weil er mit dem Geschäftsgebaren nicht übernommen. Darin wurde offenbart, dass die Signa- länger einverstanden war. Er will mit seinen Wirt- Gruppe das Haus für rund 60 Millionen erwerben schaftsprüfern im Rahmen einer Sonderrevision nicht konnte, obwohl es einen Interessenten gab, der nur Ungereimtheiten zu internen Provisionszahlungen 90 Millionen auf den Tisch legen wollte. Einige Wochen entdeckt haben. Zum einen scheinen tatsächliche Ei- später stellte sich heraus, dass ein dritter, ebenfalls gentumsverhältnisse durch Treuhand-Konstruktionen sehr finanzstarker Interessent bereit gewesen wäre, verschleiert zu werden, von denen beispielsweise Sig- mehr als 70 Millionen dafür auszugeben. na-Manager über Schweizer Gesellschaften profitie- ren. Zum anderen tauchen bei einigen Gesellschaften in der Öffentlichkeit bislang nicht bekannte Aktionäre Platz 1 der iTunes-Charts auf. Die Frage, wer also tatsächlich nach der Krone Für dieses Projekt produzierte Addendum erstmals greift, lässt sich angesichts dieser neuen Erkenntnisse einen Podcast. Er landete auf Platz 1 der iTunes-Charts. noch nicht seriös beantworten.

32 | Addendum Land der Geldwäsche Internationales Rechercheprojekt: Welche Rolle Raiffeisen als Korrespondenzbank fragwürdiger osteuropäischer Kreditinstitute gespielt haben soll.

er sich im März 2019 auf die Internet­seite men transferiert. Das alles ist per se nicht verboten. Es der litauischen Ukio Bankas verirrte, stellt sich jedoch die Frage, wer tatsächlich hinter be- W wurde von einem kurzen, trockenen Text stimmten Transaktionen stand – und wie sorgfältig die begrüßt. Zu lesen war, dass am 2. Mai Hintergründe abgeklärt wurden. 2013 ein Konkursverfahren gegen das Finanzinstitut eingeleitet worden war. Einige Wochen vorher hatte Briefkasten in der Karibik die litauische Nationalbank bereits den Betrieb einge- Auffälligkeiten gibt es genug: Zum Beispiel legte am schränkt. Eine Überprüfung hatte eine Reihe schwer- 26. Juni 2008 eine Limited mit Sitz auf den British Virgin wiegender Beanstandungen ergeben. Unter anderem Islands und Bankkonto bei der RZB eine Rechnung über habe Ukio „riskante Aktivitäten“ durchgeführt. Mehr rund 1,2 Millionen US-Dollar an eine Firma auf Belize. als fünf Jahre später legt der amtierende Chef der litau­ Angeblich als Zahlung für verschiedene Förderbänder. ischen Notenbank, ­Vitas Vasiliauskas, nach: „Soweit es Bei der auf der Rechnung angegebenen Anschrift der Geldwäsche betrifft, würde ich schon sagen, dass diese RZB-Kundin aus der Karibik handelt es sich um ein Ge- Bank Probleme hatte. Ukio war ein Transaktionsvehikel bäude auf Tortola, in dem unzählige Briefkastenfirmen für gewisse Geldflüsse.“ registriert sind. Eine solches Vehikel verkauft Förder- bänder – soweit es diese überhaupt gegeben hat – wohl Datenleck aus Litauen kaum aus Eigenerzeugung.Es ist nicht die einzige der- Welche Geldflüsse das waren, offenbart ein riesiges artige Rechnung der Briefkastenfirma, die sich in den ge Leck aus Bankdaten, das unter dem Titel „Ukio-­Leaks“ leakten Dokumenten findet. Ins Auge sticht nicht zuletzt, bzw. „Troika Laundromat“ von Medien in zahlreichen dass die RZB-Kundin ihre eigene Adresse im Briefkopf Ländern – darunter der britische Guardian, die Süd­ mehrerer Rechnungen falsch geschrieben hat. deutsche Zeitung und Addendum – ausgewertet wur- Raiffeisen erklärte zu alldem denkbar knapp: „Wir de. Insgesamt handelt es sich um mehr als 1,3 Millionen nehmen Ihre Anfrage ernst und analysieren die von Ihnen Überweisungsdaten und darüber hinaus noch zahllose genannten Sachverhalte. Bitte haben Sie Verständnis, Rechnungen, Verträge und E-Mails. Erhalten hat diese dass wir weitere Details aufgrund des österreichischen Daten das Organized Crime and Corruption Reporting Bankgeheimnisses nicht beantworten dürfen.“ Project (OCCRP) – eine internationale Investigativjour- nalismusplattform. Bei der Analyse der Österreich- Daten zeigte sich: Die litauische Bank, die den zitierten Link zur Geschichte www.addendum.org/geldwaesche Aussagen zufolge ein Geldwäsche-Problem hatte, und Raiffeisen agierten mitunter Hand in Hand. Zahlreiche Kontoinhaber bei Ukio wiesen auf Rechnungen die Raiff- Konsequenzen eisen Zentralbank (RZB) als Korrespondenzbank aus. Demzufolge hat also die RZB die Ukio Bankas bei ihren Auch die New York Times berichtete Auslandsgeschäften unterstützt. Addendum berichtete in diesem Geldwäscheprojekt 630 Millionen Dollar auf RZB-Konten konkret über eine Anzeige der britischen Fondsfirma Bei Überweisungen zur Ukio Bankas im Gesamt- Hermitage Capital bei der Wiener Wirtschafts- und ausmaß von mehr als 5 Milliarden Dollar taucht in den Korruptionsstaatsanwaltschaft in Zusammenhang Daten wiederum die Raiffeisen Bank International (RBI) mit einem internationalen Geldwäschefall. Dabei auf. Aus den Datensätzen geht nicht hervor, welche kon- ging es um umgerechnet 967 Millionen Dollar, kreten Leistungen die RBI bei den Transfers erbracht die über die Ukio Bank und die ebenfalls mit haben soll. Raiffeisen war jedoch nicht nur als Dienst- Geldwäscheverdachtsfällen konfrontierte Danske leister für Ukio oder andere Banken aktiv. Von 2005 bis Bank auf Konten in Russland flossen. Laut Hermitage 2013 flossen zumindest umgerechnet 630 Millionen US- stehen die Zahlungen in Zusammenhang mit einem Dollar auf Konten bei der RZB. Die analysierten Daten 230-Millionen-Betrugsfall Ende 2007 in Russland und Dokumente zeigen, dass die Raiffeisen Zentralbank bzw. mit anderen Straftaten. auch Offshore-Firmen, die mit Österreich augenschein- Der Addendum-Bericht wurde weltweit zitiert – lich wenig zu tun hatten, eine Bankverbindung zur Ver- sogar von der New York Times. fügung stellte. Über diese wurden mitunter hohe Sum-

Impact Report | 33 Datenhandel Die Datenaffäre der Österreichischen Post Die Post verdient Millionen Euro mit dem Verkauf von Kundendaten. Dass dabei auch die Parteiaffinität von Millionen Österreichern an Parteien verkauft und das Surfverhalten mancher Nutzer im Internet überwacht wird, hat viele überrascht, auch die Datenschutzbehörde. Die hat das Unternehmen deswegen zu einer Rekordstrafe von 18 Millionen Euro (nicht rechts- kräftig) verurteilt. Gleichzeitig hat die Post mit einer Sammelklage auf Schadenersatz zu kämpfen.

ie Post berechnet, speichert und verkauft Parteiaffinitäten von Millionen Kunden, das D legten Addendum-Recherchen Anfang Jän- ner 2019 erstmals offen. Kundendaten wur- den um Präferenzen für politische Parteien erweitert und an wahlwerbende Parteien veräußert. Die Post sicherte zu jedem Adresssatz neben Name, Adresse, Geschlecht und Alter auch andere Parameter, wie etwa die Bio-Affinität oder die Investment-Affinität ­einer Person. Diese angereicherten Datensätze können Unternehmen und Parteien kaufen, um zielgruppen- gerecht postalische Werbung zu versenden. Dass die Österreichische Post AG in ihren Datenbanken auch die Parteiaffinitäten abspeicherte, war freilich weniger be- kannt. Rund 3 Millionen Datensätze und Profile werden von der Post dabei verwaltet. Bei rund 2,2 Millionen Ös- terreichern war auch die Parteiaffinität abgespeichert.

Rekordstrafe von 18 Millionen Euro Nach der Veröffentlichung der Recherchen hat Timeline die Post angekündigt, alle Daten zur Parteiaffinität un- widerruflich zu löschen. Das änderte aber nichts da- • Beginn Recherche im Juli 2018 ran, dass die Datenschutzbehörde den Datenhandel der Post zuerst kritisierte und neun Monate später die • Veröffentlichung am 7. 1. 2019 Post zu einer Rekordstrafe von 18 Millionen Euro ver- • Die Post kündigt am 10. 1. 2019 an, Millionen urteilte. In der Begründung wird ausdrücklich auf die Datensätze zur Parteiaffinität zu löschen illegale Verarbeitung der Parteiaffinitäten verwiesen. Das Straferkenntnis ist nicht rechtskräftig. Die Post • Am 12. 2. 2019 befindet die Datenschutzbehörde, hat angekündigt, gegen den Bescheid Berufung einzu- dass die Post illegal gehandelt hat legen. Die Enthüllungen haben aber gleichzeitig auch • Anfang Juli 2019 klagt ein Betroffener die Post auf Schadenersatzklagen von Betroffenen nach sich gezo- Schadenersatz – und bekommt recht gen. So hat ein Vorarlberger Anwalt das Unternehmen wegen der Speicherung der Parteiaffinitäten geklagt – • Ende September 2019 startet eine Sammelklage und bekam recht. Ihm wurden 800 Euro zugesprochen. auf Schadenersatz gegen die Post – knapp 2.000 Das (noch nicht rechtskräftige) Urteil kann für die Post Betroffene beteiligen sich weitreichende Folgen haben. Denn: Ende September • Am 29. Oktober 2019 verurteilt die Datenschutz- 2019 startete eine ebensolche Sammelklage auf Scha- behörde die Post zu einer Rekordstrafe von denersatz gegen die Post – knapp 2.000 Betroffene 18 Millionen Euro ­beteiligten sich. Ausgang offen.

34 | Addendum Ausschnitt aus einem retournierten Profil der DSGVO-Auskunftsbegehren

Konsequenzen Sammelklage auf Schadenersatz Ende September 2019 startet eine Sammelklage Post löscht Daten zur Parteiaffinität auf Schadenersatz gegen die Post – knapp 2.000 Einen Tag nach Veröffentlichung leitet die Betroffene beteiligen sich. Ein Vorarlberger Anwalt österreichische Datenschutzbehörde ein führte bereits eine solche Klage gegen die Post und Prüfverfahren gegen die Post aufgrund der bekam erstinstanzlich recht. Ihm wurden 800 Euro gespeicherten Parteiaffinitäten ein. Während die zugesprochen. Post noch am Tag der Veröffentlichung darauf bestanden hat, dass hier alles rechtens sei, Millionen-Rekordstrafe für Post kündigte sie wenig später an, alle Informationen zur Im Oktober 2019 wurde die Post zu einer Rekordstrafe Parteiaffinität zu löschen. von 18 Millionen Euro verurteilt. Das Unternehmen legte Berufung ein. In der Begründung wird aus­ Datenschutzbehörde sieht illegales Verhalten drücklich auf die illegale Verarbeitung der Partei­ In einem Prüfverfahren stellte die Daten­ affinitäten verwiesen. Außerdem wird dem Unter­ schutzbehörde fest, dass die Post diese sensiblen nehmen der Negativpreis Big Brother Award zuerkannt. Daten nicht hätte speichern und schon gar nicht verkaufen dürfen. Sie forderte eine unverzügliche Löschung der Daten zur Parteiaffinität. Link zum Projekt www.addendum.org/datenhandel

Impact Report | 35 Justiz / Förderungen Ein Minister bricht das Gesetz Addendum fiel als erstem Medium auf, dass ein ehemaliger Justizminister jahrelang seine Berichtspflicht an den Nationalrat übersah.

as Staatsanwaltschaftsgesetz sieht vor, dass der Bundesminister für Justiz dem National­ D rat und dem Bundesrat jährlich einen Be- richt über die Weisungen vorlegt, die er den Staatsanwaltschaften erteilt hat. Dieser gesetzlichen Bestimmung wurde allerdings sieben Jahre lang kei- ne Beachtung geschenkt, ohne dass es im Nationalrat Wahrheit ist, was der Mensch nicht ändern jemandem aufgefallen wäre. Erst eine Addendum-­ kann, sagt Hannah Arendt. Doch wie erkennen Recherche im Gesetz legte offen, dass das Parlament in wir, was nicht geändert werden kann? diesem sensiblen Bereich über Jahre in Unwissenheit Ganz allein ist das kaum zu schaffen. gelassen worden war. Welch ein Glück, dass es Addendum gibt.“ In Bearbeitung Irmgard Griss, Präsidentin des Obersten Gerichts­ Nachdem Addendum 2017 beim Justizministe- hofes i. R., Nationalsratsabgeordnete a. D. rium nachfragte, wo die Weisungsberichte seit dem Jahr 2010 zu finden seien, hieß es aus dem Ressort: „Der Bericht über die letzten Jahre steht noch in Be- arbeitung.“ Trotz der eindeutigen Bestimmung sah der damalige Justizminister Wolfgang Brandstetter „keine stichhaltigen Vorwürfe“ für einen Gesetzesbruch. Die Weisungsberichte seien nicht vorgelegt worden, weil die entsprechenden Strafverfahren noch nicht abge- schlossen worden seien. Im Widerspruch dazu ver­ öffentlichte das Justizministerium nur Tage nach dem Addendum-Bericht einen 117-seitigen Weisungsbericht Konsequenzen über die vergangenen Jahre. Erklärung des Ministers Justizminister Wolfgang Brandstetter erklärte die jahrelang unterlassene Berichterstattung in einem Schreiben an die damalige Präsidentin des Nationalrats Doris Bures.

Parlamentarische Anfrage Die Abgeordnete Irmgard Griss (NEOS) stellte eine parlamentarische Anfrage an Brandstetter, in der sie wissen wollte, welche gesetzlichen Bestimmungen es ihm erlaubten, „keinen jährlichen Weisungsbericht an den Nationalrat zu erstatten“.

Nachreichen der Berichte Die fehlenden Weisungsberichte wurden vom Justizministerium innerhalb weniger Tage nachgereicht.

2013 nahm Wolfgang Brandstetter auf der Regierungs­ bank Platz. Er kündigte an, als „unabhängiger und Link zur Geschichte überparteilicher“ Justizminister „mehr Ruhe in die www.addendum.org/justiz/der-vergessene-bericht Justiz bringen“ zu wollen.

36 | Addendum Die Addendum- Transparenzdatenbank Addendum hat die erste Sammlung von Förderempfängern auf Gemeindeebene erstellt.

as Rechercheteam hat den Versuch unter- kunft, sondern dafür, dass sie unser Schreiben (unse- nommen, die seit Jahren grundsätzlich re Eingabe) erhalten hatten. Das Problem: Die Gebühr D beschlossene, aber von den Gebietskör- darf nur für Eingaben im privaten Interesse verrech- perschaften nicht befüllte Transparenzdaten- net werden. Wir haben erfolgreich argumentiert, dass bank gewissermaßen in Handarbeit zu erstellen. Dazu unsere Anfrage rein im öffentlichen Interesse war und haben wir Anfragen an alle Gemeinden Österreichs die Gebühren zurückzunehmen sind. gestellt. Die Bereitschaft der Gemeinden, über ihr För- derwesen transparent Auskunft zu erteilen, ist noch immer relativ überschaubar. Trotzdem liegen Daten zu Link zum Projekt www.addendum.org/transparenz Sport- und Kulturförderungen und ihren Empfängern im Wert von über einer Milliarde Euro vor – ein Drittel der Gemeinden hat Daten zur Verfügung gestellt und Timeline ist in der Datenbank auffindbar. Das ist wohl eine grö- ßere Sammlung an ­Gemeindeförderungen, als sie je ein • Beginn der Recherche im Jänner 2018 ­Finanzminister zu Gesicht bekommen hat. So konnten beispielsweise Projekte identifiziert • Erste Veröffentlichungen im April 2018 zum werden, die sich Gemeinden pro Einwohner am meisten Verhalten der Behörden kosten ließen: 82 Euro pro Einwohner für einen Kabi- • Veröffentlichung der Addendum- nenzubau des Sportvereins, immerhin 70 Euro pro Ein- Transparenzdatenbank im April 2019 wohner für eine Halle gingen an die Sport-Vereinigung Schwechat. Auch Förderungen von niederösterreichi- schen Gemeinden an Erwin Pröll (wohl als Privatperson) oder Anschlussförderungen, die zuvor vom Gemeinde- Konsequenzen rat ausgeschlossen wurden, konnten wir finden. Journalistenanfragen sind gebührenfrei Der lange Weg zur Transparenzdatenbank Fast die Hälfte der Gemeinden beging einen ein- Das Finanzamt bestätigte mittlerweile offiziell in deutigen Gesetzesbruch, indem sie unsere Anfrage einem Aufhebungsbescheid, dass Anfragen wie die nicht beantworteten. Gesetzlich vorgeschrieben ist von Addendum im öffentlichen Interesse liegen und eine Antwort innerhalb von acht Wochen. Es gab gro- somit von der Bundesgebühr von 14,30 Euro für ße Unterschiede zwischen den Bundesländern. Trotz Eingaben befreit sind. mehrerer Erinnerungen erhielten wir im Burgenland von 68 Prozent der Gemeinden keine Antwort, in Salz- Erstes positives Gerichtsurteil burg antworteten 40 Prozent der Gemeinden nicht auf die Anfrage. Kam eine Antwort, fiel sie in Kärnten Nach einem mittlerweile rechtsgültigen Urteil des am häufigsten negativ aus, in Niederösterreich am Landesverwaltungsgerichts Steiermark lieferte eine häufigsten positiv. Gegen einzelne Ablehnungen und Gemeinde schon Daten nach. Andere Verfahren Nicht-Antworten gehen wir nun gerichtlich vor – erste laufen noch. Erfolge haben wir schon erzielt. Rechnungshofprüfung 30.000 Euro Gebührendruck Auf Twitter wurde mit Bezug auf die Addendum- Der Gemeindebund wies die Gemeinden zusätzlich Berichterstattung bekannt gegeben, dass eine darauf hin, dass sie jeweils eine Gebühr von 14,30 Euro Prüfung zum Thema geplant wurde. verrechnen können – nicht für das Erteilen der Aus-

Impact Report | 37 Kindergärten Kindergartengebühr: Die Fakten zu den Folgen Oberösterreichs Landesregierung führte eine Gebühr für die Nachmittagsbetreuung im Kindergarten ein – ohne zu messen, wie viele Kinder deshalb abgemeldet werden. Wir holten das nach.

Von der Infrastruktur über Integration bis zur Impfdebatte: Ich schätze Addendum für die aufwendigen Rechercheprojekte zu gesellschaftlich wie politisch brisanten Themen. Mit Zahlen, Fakten und Analysen leistet die Plattform einen wertvollen Beitrag zum politischen Diskurs in Österreich.“ Dr. Pamela Rendi-Wagner, SPÖ-Bundesparteivorsitzende, Klubobfrau

it 1. Februar 2018 führte Oberösterreich sagte zu den Daten: „Es gibt jetzt Daten, die geradezu eine Gebühr für die Nachmittagsbetreuung nach Handeln schreien.“ M im Kindergarten ein. Von Eltern und Ge- meinden folgte Kritik, einzelne Kindergrup- Landesrätin beharrte auf eigener Erhebung pen wurden geschlossen. „Wir kennen die Zahl der Landesrätin Christine Haberlander wollte die re- Abmeldungen nicht“, sagte die verantwortliche Lan- cherchierte Zahl abgemeldeter Kinder nicht direkt desrätin Christine Haberlander einen Monat danach. kommentieren. Denn: „Unterschiedlichste Abmelde- Für uns war klar: Das müsste nicht so sein. In einer Re- zahlen haben nur zu Verunsicherung geführt.“ Sie woll- cherche-Kooperation mit der Fachhochschule Wien für te auf ihre eigene Erhebung vertrauen, die viereinhalb Journalismus kontaktierte Addendum in der Folge alle Monate auf sich warten ließ (und ähnliche Ergebnisse 442 Gemeinden telefonisch. Resultat: Rund 3.450 Kin- zutage förderte). Die Detailergebnisse hält das Büro der wurden abgemeldet. In vielen Gemeinden ist mehr der Landesrätin nach wie vor zurück. Die mangelhaf- als die Hälfte der Kinder von der Nachmittagsbetreu- ten Beantwortungen von Anfragen, die SPÖ-Abge- ung abgemeldet worden. Insgesamt hatte sich die Zahl ordnete im Landtag stellten, bezeichnete der Klub als der Kinder in Nachmittagsbetreuung in zumindest 162 „Missachtung des parlamentarischen Anfragerechts“. Gemeinden verringert. Addendum-Anfragen nach den Rohdaten wurden ab- gewiesen. Wir seien „ja auch so zu unseren Zahlen ge- Opposition forderte Rücknahme der Gebühren kommen“. Im Juni 2019, ein Jahr später, präsentierte Die erhobenen Zahlen führten zu einer umfassen- die nunmehrige Landeshauptmannstellvertreterin den Kritik der Oppositionsparteien an der Maßnahme: Haberlander die aktuelle Kindertagesheimstatistik Auf Landesebene sagte die SPÖ dazu, dass sich nun mit dem Resultat, dass sich die Anzahl der Gemeinden „erstmals ein Bild von den katastrophalen Folgen der ohne Nachmittagsbetreuung von 40 auf 78 nahezu ver- Kindergartensteuer ergibt“ und forderte danach die doppelt hat. Abschaffung der Gebühr. Zwischen 42 und 110 Euro pro Monat mussten an die Gemeinde überwiesen werden, Breites Medienecho in wichtigsten Zeitungen wenn ein Kind an fünf Tagen nach 13 Uhr im Kindergar- des Bundeslandes ten betreut werden sollte. Auf Bundesebene sagte der In Österreichs Medienlandschaft stieß die Erhe- damalige SP-Bundesgeschäftsführer, dass nun sicht- bung auf großes Interesse. Alle Tageszeitungen und bar werde, dass das „schwarz-blau regierte Oberös- Lokalmedien griffen den Artikel von Addendum auf, terreich das Versuchslabor für die schwarz-blaue Kür- darunter die Oberösterreichischen Nachrichten, die zungspolitik im Bund“ wäre. Stefan Kain­eder, der nun Kronen Zeitung, der ORF, Heute, Kurier, die Presse Landessprecher der oberösterreichischen Grünen ist, und der Standard.

38 | Addendum Di., 29. Mai 2018 Chronik B 9

Japanische Fotografie in Salzburg Szenario Seite 13 Serena Williams gibtnichtauf Sport Seite 14 derStandard.at/Panorama Vassilakou will Citymaut ab der Stadtgrenze Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou (Grüne) schlägt abermals die Einführung einer Citymaut für Wien vor. Die SPÖ ist „gesprächsbereit“, in Niederösterreich und der Opposition gibt es wenig Verständnis für die Idee.

ärm, Stau, schlechte Luft und eine erhöhte CO2-Be- L lastung –Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou (Grüne) will, dass sich die derzeitige Verkehrs- situation in Wien verbessert und bringt dafür –wieder einmal –die Citymaut ins Spiel. 2010 hatten in einer Volksbefragung 77 Prozent der Stadtbevölkerung eine solche noch abgelehnt. Vassilakou befürchtet aber durch den Lobautunnel mehr Autoverkehr, es brauche deswe- gen den „nächsten großen Wurf“. Sie schlägt eine Maut für sämtli- che Einpendler vor –und zwar schon ab der Stadtgrenze. Sämtli- Foto: Karl Schöndorfer che Autofahrer, die aus dem Um- Weil es grünes Licht für den Lobautunnel gab, rechnet Maria Vassilakou mit mehr Verkehr –und will ab der Stadtgrenze Maut kassieren. land in die Bundeshauptstadt kommen, müssten also zahlen. Viel konkreter wird die Ver- Die Oppositionsparteien begeg- wiewohl die Idee eine enge Ab- cher Christian Gratzer. In der der Zulassungsbesitzer eine Rech- kehrsstadträtin nicht. Was die neten dem Vorschlag großteils mit stimmung mit der ganzen Ostre- schwedischen Hauptstadt wurde nung. Allerdings: Das rund 30 Einfahrt in die Stadt kosten wür- Ablehnung. ÖVP-Stadtrat Markus gion voraussetze, sagt SPÖ-Ver- die Citymaut 2007 endgültig ein- Quadratkilometer großeMautge- de, wie kontrolliert und abgerech- Wölbitsch argumentierte mit dem kehrssprecher Siegi Lindenmayr. geführt, davor wurde ein halbes biet in Stockholm ist von Wasser net werden würde, dazu gab die Wirtschaftsstandort –eineCity- Und dort war die Begeisterung Jahr getestet. Waren die Bewohner umgeben, es gibt nur 18 Einfahr- Stadträtin noch keine Auskunft. maut mache den Wien für Liefe- wiederum nicht groß. Mobilitäts- vor der Einführung noch mehr- ten. Eine zeitliche Begrenzung kann ranten teurer –, die Neos zeigten landesrat Ludwig Schleritzko heitlich dagegen, hat sich nach Wien hat eine Fläche von 145 sich Vassilakou vorstellen, bei- sich „irritiert“ und nennen den (ÖVP) sieht einen „populistischen dem Test eine Mehrheit für die Quadratkilometern, Videokame- spielsweise von sechs bis zehn Ausbau der Öffis als Bedingung. Schnellschuss, den wir so klar ab- Einführung ausgesprochen. ras an jeder einzelnen Straße, die Uhr vormittags. „So soll auch ver- Die FPÖ spielt den Ball zum neu- lehnen“. Der gebührenpflichtige Zeit- in die Stadt führt, zu installieren, mieden werden, dass es Urlauber en Bürgermeister: „Wenn Michael raum ist auf Montag bis Freitag, würde also einiges an Investitio- trifft“, sagt eine Sprecherin Vassi- Ludwig jetzt die schikanöse Abzo- Stockholm als Vorbild von 6.30 bis 18.29 Uhr beschränkt. nen erfordern. lakous. Es gehe darum, die Pend- cke von über 350.000 Pendlern Der Verkehrsclub (VCÖ) steht Das Passieren der Stationen kostet Eine Alternative ist die seit 1998 ler zum Umstieg auf die Öffis zu aus den Bundesländern durch der Citymaut hingegen positiv je nach Uhrzeit unterschiedlich in Singapur praktizierte Variante, bewegen. „Deswegen ist nun der eine Citymaut nicht im Keim er- gegenüber. In europäischen Städ- viel. Gedeckelt liegen die Kosten in der jedes Fahrzeug einen elekt- dringendste Schritt der Ausbau stickt, kann er gleich wieder zu- ten wie Stockholm, Mailand oder bei umgerechnet knapp sechs ronischen Transponder hat –ana- des öffentlichen Verkehrs. Es wer- rücktreten“, sagt der freiheitliche London könne man positive Aus- Euro. Erfasst werden die Num- log zur LKW-Maut in Österreich. den weiterhin Gespräche mit Ver- Klubobmann Toni Mahdalik. wirkungen sehen, etwa wie Staus merntafeln der einfahrenden Doch auch hier würden Kontrol- tretern aus Niederösterreich und Beim Koalitionspartner zeigt verhindert und der Radverkehr Autos vollautomatisch mit Kame- len extensive Videoüberwachung dem Bund geführt.“ man sich aber „gesprächsbereit“, gefördert wurde, sagt VCÖ-Spre- ras, einmal im Monat bekommt erfordern. (moe, lhag, van) KURZ GEMELDET Personelle Baustelle bei Gebühren leeren Oberösterreichs Kindergärten Liste Pilz prolongiert Wien –Auchüber das Wochenen- Anmeldungfür Nachmittagsbetreuung halbierten sich seit Februar in manchen Orten de konnten sich die Mandatare der Liste nicht einigen, wer für Partei- Linz –Mindestens 3450 Kinder ge- meinden, in denen nun mehr Kin- bis 414 Euro. In einigen Kommu- gründer Peter Pilz seinen Platz im hen in Oberösterreich seit 1. Feb- der betreut werden als vor dem 1. nen zahlt die Gemeinde die Tages- Parlamentsklub räumt. Für den ruar am Nachmittag nicht mehr in Februar. mütter oder die Nachmittagsge- am Mittwoch als Klubchef abdan- den Kindergarten, weil das Land Die zuständige Landesrätin bühren. In Linz gibt es ein eigenes, kenden Peter Kolba konnte auch dafür einkommensabhängige Ge- Christine Haberlander (ÖVP) sag- von der Stadt finanziertes Modell noch kein Nachfolger gefunden bühren von 42 bis 110 Euro einge- te auf Anfrage der Rechercheplatt- mit geringeren Beiträgen. Andere werden. Kolba selbst bedauert die führt hat. In 162 Gemeinden hat form, dass mithilfe einer Evaluie- behelfen sich mit einem „Spätab- Entscheidung von Martha Biß- sich die Zahl der Nachmittagskin- rung, die nun durchgeführt wird, holertarif“ bis 13.45 Uhr, einem mann, ihren Platz nicht für Pilz der seit dem 1. Februar verringert, die wirklichen Zahlen erhoben Tagestarif –gegen den Willen des freimachen zu wollen: „Die Situa- in 43 blieb die Zahl konstant, 53 werden und sie das Ergebnis nicht Landes –oder einer Änderung der Die Oberösterreichischen Nachrichten und die tion ist nicht einfacher gewor- Kommunen gaben keine Aus- vorwegnehmen könne –imAu- Öffnungszeiten. den“, sagte er am Montag. (red) kunft, berichtete die Recherche- gust solle es vorliegen. Ziel der Ge- Nachgefragt wurde bei öffentli- plattform Addendum. bühren waren Einsparungen in chen Kindergärten, die 600 priva- In vielen Gemeinden seien Höhe von 13 bis 15 Millionen Euro ten Erhalter wurden nicht kontak- Wiener Wahrzeichen mehr als die Hälfte der Kinder von durch den Wegfall der Förderun- tiert. Die Caritas gab nur an, dass Donauturm wieder offen Kronen Zeitung – die beiden reichweitenstärksten der Nachmittagsbetreuung abge- gen, die Gemeinden bisher für die von den rund 13.500 in Oberöster- Wien –Der Wiener Donauturm hat meldet worden, ergab die telefoni- Kindergartengruppen am Nach- reich betreuten Kindern 1050 seit wieder geöffnet. Nach einer fünf- sche Anfrage in allen 442 Kommu- mittag zugestanden sind. Februar kürzer oder gar nicht monatigen Umbauphase sind seit nen des Landes. Addendum nennt „Das wird sich meiner Einschät- mehr am Nachmittag betreut wür- der Vorwoche das neu gestaltete Edlbach als Beispiel, wo 70 Pro- zung nach nicht ausgehen. Die Ge- den. Insgesamt waren laut Zahlen Drehrestaurant, die Aussichts- zent abgemeldet wurden. Von meinden werden zusätzliche Kos- des Landes 43.775 Kinder im Ok- Tageszeitungen in Oberösterreich – nahmen die plattformen und das Café wieder ehemals zehn besuchen nur noch ten haben, weil zu viele Kinder tober 2017 in Oberösterreich in Ob der Enns stehen die Stiefel für Besucher zugänglich. Die Er- drei Kinder den Kindergarten ab sich abgemeldet haben“, wird einem Kindergarten –nicht alle oft nur mehr bis Mittag. öffnung des Bierlokals und des 13 Uhr, ab Herbst 2018 wird kei- Edith Bürgler-Scheubmayr, Ge- davon auch am Nachmittag. (APA) Foto: APA/Neubauer Gastgartens am Fuße des Turms ne Nachmittagsbetreuung mehr schäftsführerin der Caritas für verzögert sich allerdings. Derzeit zustande kommen, weil dafür Kinder und Jugendliche, zitiert. laufen die Behördenverfahren, mindestens zehn Kinder in einer In etlichen Gemeinden, in Firma Hartmann kauft: Recherche ebenso in ihre Berichterstattung auf spätestens im Herbst soll der Um- Gruppe sein müssen. denen die Nachmittagsbetreuung bau abgeschlossen sein, sagte eine „Mir sind die Kosten eigentlich im Kindergarten wegen zu kleiner • Hochwertige Pelzbekleidung • Gold- und Silberschmuck Kontakt: Sprecherin der Firma Blaguss, die egal. Aber mich ärgert es, dass es Gruppen wegfällt, setzt man auf • Markentaschen von Hermes, sowie Markenschmuck Ronny-Hartmann.at oder das 1964 erbaute Wahrzeichen im überhaupt keine Nachmittagsbe- eigene Lösungen, etwa in Saxen Louis Vuitton, Dior, Chanel • mechanische Armband- telefonisch: 0650/584 92 33 Donaupark –gemeinsam mitPart- treuung mehr geben wird“, sagt mit dem Verein Tagesmütter. Das • Kleinkunst, Bilder und Taschenuhren Seriöse Abwicklung • Porzellan, Bleikristall, • Münzen, auch ganze Abholung vor Ort nern –Ende 2015 von der Bank eine betroffene Mutter. Es gebe werde für Eltern und Gemeinden Silberbesteck Münzsammlungen Barzahlung. wie der Standard. gekauft hatte. (APA) laut der Umfrage aber auch Ge- teurer, die Beiträge reichen von 54

Persönliches Exemplar für AOM-Benutzer fhwjour33 - (C) APA-DeFacto GmbH. Alle Rechte vorbehalten.

Link zum Projekt www.addendum.org/kinderbetreuung

In vielen Gemeinden wurden mehr als 50 Prozent der Kinder abgemeldet.

Impact Report | 39 Pendler Wie pendelt Österreich? 2,2 Millionen Österreicher pendeln zu ihrem Arbeitsplatz. Wir haben Pendlerachsen und die Versorgungsqualität der Regionen mit öffentlichen Verkehrsverbindungen visualisiert.

Legende mit dem Auto / „Öffi“ erreichbar nur mit dem Auto erreichbar Zentrum außer Reichweite

as Pendeln zur Arbeitsstelle ist für die Mehr- heit der Erwerbstätigen fixer Bestandteil D ihres Alltags. Ob für den Weg öffentliche Verkehrsmittel oder ausschließlich das Auto infrage kommen, unterscheidet sich von Region zu Re- gion. In einem umfassenden Rechercheprojekt haben Link zum Projekt www.addendum.org/pendler wir deshalb zwei Fragen beantwortet: Wohin zieht es die Pendler jeder Gemeinde – und wie hat sich deren Zahl entwickelt? Außerdem: Wie sind Österreichs Regionen mit öffentlichen Verkehrsmitteln versorgt? Konsequenzen Für die erste Frage hat unser Rechercheteam einen personalisierten Artikel gestaltet, der die persönliche Umfassende Kooperation innerhalb des Pendlerreise von jeder Gemeinde Österreichs nach- Datennetzwerks zeichnet. Für die zweite Frage haben wir Daten aufbe- reitet, die bis dahin einem Fachpublikum vorbehalten Integraler Bestandteil der Recherche war das waren. Anhand der Erreichbarkeitsanalyse der Raum- Teilen der Analysen mit den Kooperationspartnern ordnungskonferenz haben wir nachgezeichnet, wo das des Datennetzwerks. In jedem Bundesland wurden öffentliche Verkehrsnetz dem Auto nachfährt und nicht die Recherchen von zumindest einem Medium konkurrenzfähig ist. So ist erstmals interaktiv für je- aufgenommen. Bundesweit hat die Wiener Zeitung den Bezirk zu sehen, wo die Qualität von Bus und Bahn die Recherche übernommen. hinterherhinkt. Bis dahin gab es keine Möglichkeit zu erfahren, wo die parteiübergreifenden Absichtserklä- Große Verbreitung auf Facebook rungen der Politik („Der öffentliche Verkehr soll aus- Eine Grafik zum Thema, dass im Großteil gebaut werden“) ansetzen müssten. Österreichs die „Öffis“ nicht mit dem Auto mithalten Für die Analyse mussten föderalistische Hinder- können, erreichte mehr als 50.000 Personen auf nisse überwunden werden: Damit die Daten vom Ver- Facebook. Sie wurde 160-mal geteilt und war das kehrsministerium weitergegeben werden durften, reichweitenstärkste Posting des Jahres 2019. war das Einverständnis aller verantwortlichen Stellen in den Bundesländern notwendig. Ein Spießrutenlauf durch die Landesverwaltung war die Folge. Diesen Re- Erwähnung durch das Global Investigative chercheweg gingen wir auch für unsere Kooperations- Journalism Network partner. Ziel war, dass Addendum eine Datenbasis für Das Projekt wurde im Newsletter des Global eine faktenbasierte Debatte zur Verfügung stellt und Investigative Journalism Network als eines der die Zeitungen in den Bundesländern die Stimmen von besten Datenjournalismus-Projekte der Woche Entscheidungsträgern und Bürgern vor Ort einholen – hervorgehoben. jede Seite sollte damit ihre Stärken einbringen.

40 | Addendum Timeline

• Beginn Recherche im Oktober 2019 • Kontakt der Kooperationspartner 4. November 2019 • Veröffentlichung auf Addendum ab 18. 11. 2019 • Veröffentlichungen bei Kooperationspartnern 18. 11. 2019 – 18. 1. 2020

Addendum ist mit seinen innovativen Journalismus­ formaten und anspruchs- vollen Geschichten einer der wichtigsten Akteure für qualitativ hochwertigen Journalismus in Österreich. Die Wiener Zeitung widmete Insbesondere die datenjour- sich der Pendler-Recherche nalistischen Aufbereitungen ganzseitig. und Visualisierungen sind wegweisend und können sich auch im internationalen Kontext durchaus behaupten.“ Die Kleine Zeitung übernahm die Rechercheergebnisse in mehrere Univ.-Prof Hajo Boomgarden Lokalausgaben.

Impact Report | 41 Klima Der Klimawandel in allen Gemeinden Wir haben für die Sommer- und die Wintermonate aufbereitet, wie sich das Klima in jeder Gemeinde Österreichs entwickelt hat und je nach Szenario weiterentwickeln könnte.

ls die „Fridays for Future“-Bewegung Hoch- konjunktur hatte und eine Hitzewelle über A Österreich rollte, veröffentlichte Addendum eine Grundlage für eine qualifizierte Debatte: Das Datenteam hat für jede Gemeinde aufgeschlüsselt, wie sich die Temperaturen im vergangenen Jahrzehnt verschoben haben und wie sie sich verändern könnten, wenn das Pariser Abkommen eingehalten wird – und wie, wenn nicht. Datenanalyse, Design, Programmie- Im Projekt wurde visualisiert, wie sich die Zahl der Hitzetage bis zum Ende des rung und das Briefing der Kooperationspartner fanden Jahrhunderts entwickeln könnte. Für jede Gemeinde wurden zwei Projektionen innerhalb von drei Wochen statt. Es war das erste Big- gezeigt: Einerseits das Einhalten des Pariser Klimaabkommens und andererseits Data-Projekt der Redaktion: Uns lagen die tagesaktu- das Fortsetzen ohne Klimaschutzmaßnahmen. ellen Temperaturdaten aus 50 Jahren für 61.000 Ras- terzellen in Österreich vor. Daraus haben wir jeweils das Gemeindezentrum extrahiert. Dafür wurden von Wikipedia die Koordinaten des Gemeindezentrums, in Link zum Projekt www.addendum.org/klima den meisten Fällen des Gemeindeamts, automatisiert ausgelesen. So war es möglich, nicht nur einen Arti- kel für alle Leser zu gestalten, sondern für jeden einen Konsequenzen individuellen. Um die User vom Allgemeinen – der weltweiten Klimaentwicklung und jener in Österreich Sieben kooperierende Medien – zum Speziellen – dem Klima in jeder Gemeinde – zu bringen, haben wir zudem ein Intro gestaltet, das die Salzburger Nachrichten, Vorarlberger Nachrichten, wichtigsten Erkenntnisse zusammenfasst und einen Wiener Zeitung, Tiroler Tageszeitung, Die Woche, Spannungsbogen aufbaut. NÖN und die Kleine Zeitung erhielten eigene Analysen für ihre Gemeinden und veröffentlichten Artikel auf Basis der Daten.

Timeline Umweltbundesamt verwendet Visualisierungen • Beginn Recherche am 24. Juli 2019 Von offizieller Seite nahm das österreichische • Abstimmung mit Kooperationspartnern ab Umweltbundesamt Grafiken in seine Publikationen auf. 6. August 2019 Publikation des Gemeindebundes • Veröffentlichung auf Addendum ab 12. 8. 2019 Zudem wies der österreichische Gemeindebund • Veröffentlichungen bei Kooperationspartnern von die knapp 2.100 Bürgermeister auf den Artikel hin. 13. 8. 2019 bis 4. 9. 2019 Der Artikel könnte diesen als Basis dienen, um • Neuauflage des Projekts zu den Wintermonaten einzuordnen, welche Klimaveränderungen aktuell 19. 12. 2019 je Szenario in ihrer Gemeinde wahrscheinlich sind.

42 | Addendum Journalismus im besten Sinne, ohne die Dimension von Besserwisserei, Belehrung oder Zuspitzung. Neugieriges Fragen. Kompetentes Zusammenstellen des Interviews, das der Sache entsprach und meine Intentionen korrekt darstellte. Doch, Addendum kann sich sehen (und lesen) lassen.“ Hans von Storch, Klimaforscher

20 PANORAMA Sa./So., 21./22. Dezember 2019 Tief im warmen Winter Die Temperaturen in den Wintermonaten stiegen österreichweit in den vergangenen fünfzig Jahren stetig an. Kalte Winter, Frosttage und Schnee besonders in niedrigeren Lagen werden langfristig zu einer Rarität.

Von Jan Michael Marchart gefähr 0,3 Grad pro Jahrzehnt.“ Das eine widerspricht aber dem ande- lles schaute auf den Welt- ren nicht. Langfristig gesehen klimagipfel in Madrid. prognostizieren die Daten wärme- A Doch dieser wurde zu ei- re Winter und weniger Schnee. ner Enttäuschung. Abgesandte Grundsätzlich ist es aber nicht von fast 200 Staaten konnten sich ausgeschlossen, dass es in insge- fünf Jahre nach den Klimazielen samt wärmeren Wintern in dem von Paris bloß auf eine gemeinsa- ein oder anderen Jahr zu stärke- me Abschlusserklärung einigen, rem Schneefall kommt. die nur einen kleinen Kompro- Ähnliche Erfahrungen macht miss enthielt. Ambitioniertere auch die Kärntner Gemeinde Wei- Pläne der Länder zur Reduktion ßensee. Der Ort ist für das gleich- ihrer Emissionswerte scheiterten namige Gewässer bekannt, dass – während der Planet immer wär- im Winter gefriert und von Mitte mer und wärmer wird. Dezember bis Anfang März als Die „Wiener Zeitung“ berichte- Natureislaufbahn genutzt wird. AUF GUAT KÄRNTNERISCH te bereits im Sommer auf Basis Seit 1989 pilgern jedes Jahr im Kleine Zeitung von Daten aus dem Spartacus-Pro- Jänner einige tausend Niederlän- Montag, 12.Lu Augustgntschippl2019= Lügner Kärnten | 13 jekt der Zentralanstalt für Meteo- der nach Kärnten, um am Weißen- VonErikaScheiber,Radenthéin. rologie und Geodynamik (ZAMG), see ihre „Alternative holländische Mehr Mundartin den Büchern„Leck Buckl I, II undIII“ dass es in einigen Regionen und Städte-Tour“ abzuhalten. Gemeinden Österreichs deutlich Der Schnelleislaufwettbewerb wärmer geworden ist. Der Sukkus „Elfstedentocht“ hat in den Nie- der Zahlen, die die Recherche- derlanden Kultcharakter. Das AUFWECKER plattform „Addendum“ aufbereite- Langstreckenrennen auf Natureis te: Die Temperaturanstieg ist in fand für gewöhnlich auf zugefro- Der Klimawandel Österreich ungleich verteilt. Aber renen Kanälen und kleinen Seen wie verhält sich das im Winter? statt. Die Strecke führte im Uhr- Die jüngste Datensammlung zeigersinn durch elf Städte in von „Addendum“ zeigt, dass die Friesland. Vor mehr als zwanzig Wintermonate zwischen Dezem- Jahren, konkret 1997, konnte das gibt uns heiß-kalt Danilo Reimüller ber und Februar in Österreich ge- Das Kuriosum des Schneefalls: So sah der bekannte Eislaufkurs auf dem Kärntner Weißensee am letzte von insgesamt fünfzehn [email protected] nerell wärmer sind als vor fünfzig 19. Jänner dieses Jahres aus. Foto: Weissensee Information Langstreckenrennen in den Nie- Jahren. Seit Mitte der 1980er Jah- derlanden abgehalten werden. Die re steigen die Temperaturen im tertourismus profitiert. Der dortige Jahren hatten wir sehr viel Schnee, grund der wärmeren Tage später Winter wurden milder, das Eis ist Wir selbst Winter stetig an. Das führt dazu, Bürgermeister Manfred Matt ist fast zu viel“, sagt Matt. Vor sechs beginnen oder früher aufhören als nicht mehr dick genug für den dass Frosttage und kalte Winter überrascht. Er selbst hat noch nicht Jahren sei die Schneemenge kurz- früher. Eine Zeitverschiebung beim Wettbewerb. Die Eisschnellläufer sind schuld im Allgemeinen immer seltener gespürt, dass sich die Winter in sei- fristig etwas weniger gewesen, erin- Schneefall hätte es auch schon frü- übersiedelten nach Kärnten. Der rüher war der 15. August werden, auch die Vegetation setzt nem Ort signifikant verändert hät- nert er sich. her gegeben, sagt Matt. „Ich kann Weißensee bietet eine bis zu 40 Fnicht nur als Marienfeier- früher ein als in der Vergangen- ten. Auch der Schnee bleibt nicht Auch fühle es sich derzeit noch mich an einige Jahre in den 1990- cm dicke Eisdecke – noch. tag hochgeachtet. Besonders heit. Schnee in Städten wie Wien, aus. „In den vergangenen beiden nicht so an, dass der Winter auf- ern erinnern, in denen der Schnee Wenn Bürgermeister Gerhard Innsbruck oder Salzburg, generell später gekommen ist, aber das än- Koch derzeit nach draußen blickt, Wörthersee-Kinder wuss- in Lagen unter 800 Meter, dürfte dert sich einfach.“ Was schon spür- dann sieht er in seiner Gemeinde ten: Fällt der Tag der kirch- noch stärker zu einer Rarität wer- bar sei: Der Boden gefriert vor dem wenig Schnee und dünnes Eis. lichen Schiffsprozession ins den als heute. Winter nicht mehr ordentlich. Das „Aber das kann in einer Woche Wasser, dann ist der Sommer Die Spitzenfeld bei den höchsten birgt erhöhte Lawinengefahr, „weil schon wieder ganz anders aus- bald wieder vorbei. Durchschnittstemperaturen im der Schnee nicht mehr so gut bin- schauen.“ Dass der Winter wär- Früher war die Klimawelt Winter teilen sich Wien und zahl- det“. mer geworden ist, sei „eine Tatsa- vergleichsweise in Ordnung. reiche Orte aus Vorarlberg und dem Den Temperaturunterschied che“. Jeder der etwas anderes be- Von 1971 bis 2000 lag die Burgenland. Dort kündigt sich in spürt Pettneu im Sommer stärker. haupte, habe „Scheuklappen“ auf. manchen Orten eine Erwärmung Die Gemeinde leidet unter den zu- Die Wintermonate in den ver- mittlere Sommerhöchsttem- von bis zu zwei Grad bis 2050 und nehmenden Hitzetagen mit mehr gangenen zehn Jahren waren in peratur in Kärnten bei maxi- im Zeitraum von 2071 bis 2100 bis als 30 Grad, die vermehrt zu Un- Weißensee um 1,2 Grad wärmer mal 24 Grad. In den letzten zu fünf Grad an, sollten keine aus- wettern und Murenabgängen füh- als noch vor fünfzig Jahren. Die Die Kleine Zeitung zehn Jahren ist der Sommer reichenden Maßnahmen für den ren. „Das wird immer schlim- milden Wintertage nahmen deut- um mindestens zwei Grad Klimaschutz getroffen werden. mer“, sagt Matt. Seit 2015 gebe es lich zu und das Thermometer wärmer geworden. Die Re- Der auffällige Temperaturun- in der Region größere Wetterer- klette rt im Winter inzwischen cherche-Plattform „Adden- terschied in Vorarlberg ist laut eignisse. „Es ist fast nur noch häufiger auf bis zu vier Grad. übernahm die Recherche- dum“ hat jährliche Tempera- ZAMG auf Föhneffekte zurückzu- Glüc kssache, ob es mich oder den führen. Die Werte in Wien und Nachbarbürgermeister trifft.“ Die Niederländer wissen, turdaten (Juni, Juli und Au- Burgenland ergeben sich durch Auch wenn sich der Tempera- was kommen kann gust) analysiert und ist zu die niedrige Lage. turanstieg in Pettneu im Winter Koch glaubt, dass es in Österreich diesem Ergebnis gekommen noch nicht so bemerkbar gemacht für jedes Skigebiet, für jeden Eis- ergebnisse in mehrere Abkühlung, bitte! In Kärnten liegt die mittlere Höchsttemperatur bereits bei 27 Grad ADOBESTOCK (siehe Bericht links). „Es ist wirklich die Frage, hat, wegwischen will Matt die laufplatz, für jeden Gletscher Hitzetage, Tropennächte: wohin die Reise geht“ jüngsten Daten für seine Gemein- durch die milden Winter schwieri- Das war einmal etwas Beson- Nicht zuletzt haben die milden de nicht. „Es ist wirklich die Fra- ger werden wird. „Ob das in den deres. Längst ist das Extreme Winter Auswirkungen auf den ge, wohin die Reise geht“, sagt er. nächsten ein, zwei Jahren passiert Lokalausgaben. Die – auch in unseren Breiten – Wintertourismus in Österreich. „1,2 Grad sind der Unterschied oder zehn, zwanzig Jahren, das Ohne Kunstschnee ist heute keine zwischen Kranksein und Gesund- kann ich nicht sagen, dafür bin normal. So sank in der Nacht Skisaison mehr möglich. Aber die sein beim menschlichen Körper, ich zu wenig Fachmann.“ auf Sonntag (11. August) in Klimaerwärmung macht sich in das ist nicht so wenig.“ Extrem zu spüren seien die hö- weiten Teilen des Landes die vielen Regionen und Orten auch Dass sich die Temperaturunter- heren Temperaturen in Weißen- Wiener Zeitung baute Sturm, Hagel, Regen: Temperatur nicht einmal un- mit einem Kuriosum bemerkbar, schiede für das menschliche Auge see aber noch nicht, meint Koch. „Risiko für Stark- ter 20 Grad. In Pörtschach das erst bei näherer Erklärung nicht auf den ersten Blick erschlie- „Eine so gute Piste wie in den ver- regen steigt“, sagt lag der nächtliche Tiefstwert nachvollziehbarer wird. ßen, hat laut dem Leiter der gangenen vier Jahren haben wir Meteorologe Stefan bei über 23 Grad! Die Tiroler Gemeinde Pettneu ZAMG-Klimaforschung, Marc Olefs, davor ewig nicht gehabt.“ am Arlberg zählt etwa 1500 Ein- damit zu tun, da „die langfristigen Vielleicht trügt der Schein aber für einen Bericht zu den TRAUSSNIG, APA s ist sehr warm geworden wohner und ist nur acht Automi- Veränderungen von sehr starken nur und die Eisdecke auf dem Wei- Ein den letzten Jahrzehn- nuten vom Skigebiet in St. Anton natürlichen Schwankungen überla- ßensee wird dünner. Daten dazu resmittel von 194,8 Vegetations- Hitze in der Stadt verstärkt zu keit von Starkregen werde zu- ten und es wird noch wär- entfernt. Pettneu, auf 1200 Meter gert werden“. Was man sich merkt, gibt es allerdings nicht, heißt es von tagen im Jahr um 60 Vegetati- spüren. So habe die letzte große nehmen: „Aufgrund der höhe- mer. Auf einer Homepage Seehöhe gelegen, zählt zu jenen sind besonders schneereiche oder der örtlichen ZAMG-Stelle. Dass die überdurchschnittlich onstage zu. „Ob man davon pro- Hitzewelle von 2003 Zigtausen- ren Temperaturen ist mehr des Bundesministeriums für Orten Österreichs, in denen die schneearme Jahre. Nicht aber die milden Winter langfristig Auswir- fitiert, hängt vom Niederschlag de Todesopfer in Europa gefor- Wasserdampf in der Atmosphä- Nachhaltigkeit und Touris- Winter über durchschnittlich mil- schleichende Veränderung über kungen auf das Eis haben werden, ab. In den letzten Jahren war ein dert. Auch Auswirkungen auf re.“ Schon jetzt sieht man bei mus sind alle Szenarien und der wurden. Dort ist es heute zwi- Jahrzehnte. Zumal diese in Zahlen dürfte aber ein Fakt sein. Das wis- früherer Vegetationsbeginn Land- und Forstwirtschaft wer- Sturmtiefs wie „Vaia“ oder Veränderungen für jedes schen Dezember und Februar um wesentlich niedriger ausfällt als die sen die Niederländer am besten. I 1,2 Grad wärmer als noch vor Schwankung. „Wenn man sich die warmen Winter­ nicht immer ein Vorteil, weil es den augenscheinlich. „Yves“ verheerende Auswir- Bundesland zusammenge- fünfzig Jahren. Tageshöchsttempe- Temperaturschwankung von einer immer wieder Kälterückschlä- „Bei trockenen Böden ver- kungen auf unser Bundesland. fasst. Die Auswirkungen der raturen von mehr als 2,6 Grad Wintersaison zur nächsten ansieht, Diese Daten wurden in Kooperation ge gegeben hat“, weiß Stefan. dunstet noch mehr Wasser. Das Ausmaß wird davon abhän- Klimawandelanpassung zu sind im Winter dort keine Selten- dann liegen die in der Größenord- mit der Rechercheplattform temperaturen auf Die Hitze habe laut Stefan Dürreperioden werden stärker gen, wie sich die Treibhausgas- studieren, kann erhellend heit mehr. Das klingt nach einer nung von sechs bis zehn Grad“, Addendum recherchiert und basieren aber auch gesundheitliche Aus- in den Auswirkungen“, sagt Ste- konzentration in der Atmo- sein – und beschämend, eher bedrohlichen Entwicklung Eine Woche davor war die Gemeinde um den See noch alles andere sagt Olefs. „Die langfristige Tempe- a uf Berechnungen der Zentralanstalt wirkungen. Außerdem wäre die fan. Auch die Wahrscheinlich- sphäre bis 2100 verändert. denn: Wir sind schuld. für eine Gemeinde, die vom Win- als schneereich. Foto: apa/Gert Eggenberger raturerhöhung beträgt aber nur un- für Meteorologie und Geodynamik. das bereitgestellte Persönliches Exemplar für AOM-Benutzer fhwjour33 - (C) APA-DeFacto GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Persönliches Exemplar für AOM-Benutzer fhwjour33 - (C) APA-DeFacto GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zahlenmaterial.

Montag, 12, August 2019 Vorarlberger Nachrichten Vorarlberg A5 28 Leben Nummer 231 | Mittwoch, 21. August 2019

Kommentar In den Gemeinden Wolfgang Burtscher 12.500 Räder unter Dach Wie sich der Klimawandel auf Tirol auswirkt Bisher: Das Klima in Tirol hat sich bereits verändert, wie ein Vergleich der Zeiträume Zukunft. Die Zahl der Hitzetage — mind. 30°C – wird steigen, das zeigen der Vergleich Utrecht – Das größte Fahr- 1971–2000 und 2008–2018 zeigt. Von Gelb (ca. 20 °C) bis Rot (ca. 26 °C) sind in den vom Zeitraum 1971 bis 2000 und eine Prognose für 2071 bis 2100. In der Karte sieht wird es immer heißer radparkhaus der Welt ist nach Karten die mittleren Tageshöchsttemperaturen in den Sommermonaten eingezeichnet. man von Gelb (wenige Hitzetage) bis Rot (viele Hitzetage) die Verteilung der Hitzetage. Was habt ihr wirklich vor? Angaben der Verantworlichen Höchsttemperatur im Sommer ist um 1,6 bis 2,1 Grad gestiegen. am Montag in der niederlän- 1971–2000 dischen Stadt Utrecht fertig- 1971–2000 SCHWARZACH Alles begann mit ei- Stellen Sie sich vor, SPÖ und Pläne für Wasserstoffautos. Im gestellt worden. Der 350 Meter nem Baum. 2017 pflanzten der da- FPÖ wären dem Wunsch des Bildungsbereich ruhen die meis- lange unterirdische Fahrrad- malige Landesrat Erich Schwärzler Bundespräsidenten nach einem ten Reformen, etwa der Ausbau keller am Hauptbahnhof bietet und Bürgermeisterinnen und Bür- Wahltermin Anfang September der Ganztagesschulen. Bei den auf drei Etagen Platz für 12.500 Rinn germeistern einen Baum, um den gefolgt. Wir hätten nur mehr drei Kindergärten fehlen die Pädago- Fahrräder. Damit habe Utrecht 20.7 °C Innsbruck Start der Klimawandelanpassungs- Wochen bis zur Wahl! Stattdes- ginnen. Eine der kostspieligsten Tokio „vom Thron gestoßen“, 9 Hitzetage region (Klar) Vorderwald/Egg zu sen müssen wir uns noch sieben Existenzfragen unserer Zukunft wie der TV-Sender NOS be- Lavant symbolisieren. Neue Zahlen zeigen, Wochen mit einem Wahlkampf richtete. Die japanische Stadt ist die Sicherung der Pensionen. 24.1 °C wie notwendig diese Anpassung ist: Die vergangene Regierung hat verfüge über ein Fahrradpark- Die durchschnittliche Höchsttem- „Statt einer Diskussion, sich um das Thema gedrückt. Um haus mit fast 10.000 Stellplät- peratur in Vorarlbergs Gemeinden die Harmonisierung der Pen- zen. In der Umgebung des wer nach der Wahl Utrechter Bahnhofs befinden ist in den vergangenen Jahrzehnten sionssysteme, den Ausbau der 2008–2018 2071–2100 (ohne Klimaschutz) um bis zu 2,1 Grad Celsius gestie- welches Ministerium betrieblichen Altersvorsorge oder sich nun 22.500 Radabstell- gen. Die VN haben gemeinsam mit besetzt, wäre mir lieber, die Einbeziehung der Zuwächse plätze, fast die Hälfte der Rei- senden fährt mit dem Rad zum der Rechercheplattform Adden- bei der Lebenserwartung in das dass endlich über Sacht- Zug. (APA, dpa) dum anhand von Daten der Zen- gesetzliche Antrittsalter. Was stel- tralanstalt für Meteorologie und hemen diskutiert wird.“ len sich unsere Parteien hier vor? Rinn Innsbruck Geodynamik (ZAMG) den Anstieg Allerdings haben Parteien gerade 23.2 °C 19–37 Hitzetage der mittleren Höchsttemperatur in auseinandersetzen, der bisher bei diesem Thema in Wahlkämp- Bienen als neue allen 96 Vorarlberger Gemeinden von Unterstellungen und Neben- fen panische Angst vor konkreten Lavant analysiert. sächlichkeiten geprägt ist. Ehr- Aussagen. Spürhunde? 26.2 °C Neun Vorarlberger Städte und lich: Hängt Ihnen Ibiza oder die Stuttgart –„Bienen können Gemeinden haben eine durch- 1971 bis 2000 verglichen. Zwischen Grad oder mehr. Der heißeste Ort Schredder-Diskussion nicht auch Nebelgranaten hervorragend riechen. War- Wo es in Tirol in den letzen 50 Um wie viel es in schnittliche Höchsttemperatur von der ersten und der zweiten Periode war Meiningen mit 23,2 Grad, der schon zum Hals heraus? Oder die um sie also nicht als Spürbie- Jahren überdurchschnittlich Tirols Hitzepolen in den letzten 50 25 Grad erreicht: Hard, Lustenau, hat sich die Temperatur in Hard von kälteste Damüls mit 16,5 Grad. Die Debatte über ein Fairnessabkom- Doch worüber wurde zuletzt nen im Polizeidienst einset- heißer wurde: Jahren heißer wurde: Höchst, Gaißau, Fußach, Meinin- 22,9 auf 25 Grad erhöht, also wie in durchschnittliche Höchsttempe- men - brauchen unsere Politiker diskutiert? Eine Auswahl: Die SPÖ zen?“, fragte Polizistin Sonja Die verschiedenen Klimaschutz-Szenarien am Beispiel von Innsbruck: Rinn 23.2 °C +2.5 °C Lavant 26.2 °C +2.1 °C Bisher (1971–2000): 9 Hitzetage gen, Mäder, Hohenems und Altach. Lauterach und Wolfurt um 2,1 Grad. ratur stieg dort nun um 1,8 Grad wirklich schon einen unterschrie- fordert eine Senkung der Tampon- Kessler aus Köln und wurde Tulfes 23.5 °C +2.5 °C Nikolsdorf 26.2 °C +2.1 °C Der Durchschnitt errechnet sich Während neun Gemeinden 25 auf 18,3. Damüls bleibt jedoch Vor- benen Vertrag, damit sie sich steuer auf zehn Prozent. Die ÖVP für ihre Bachelorarbeit beim Paris-Szenario, massiver Klimaschutz: 12–21 Hitzetage Gnadenwald 23.7 °C +2.4 °C Innsbruck 26.1 °C +2.1 °C Klimaschutz-Szenario, viel Klimaschutz: 13–23 Hitzetage aus den Tageshöchsttemperaturen Grad durchschnittliche Höchst- arlbergs Kältepol. Es handelt sich nicht täglich Grauslichkeiten will das Recht auf Bargeld in der Europäischen Polizeikongress Lans 23.7 °C +2.4 °C Tristach 26.1 °C +2.1 °C der Sommermonate Juni, Juli und temperatur erreichen, schafften immer um Messungen im Gemein- ausrichten? Statt einer Diskus- Verfassung festschreiben, obwohl prompt mit dem Sonderpreis Business-as-usal-Szenario, kein Klimaschutz: 19–37 Hitzetage

Sistrans 23.5 °C +2.4 °C Rum 26.0 °C +2.1 °C Foto: iStock; Quellen: Addendum, ÖKS15 August der Jahre 2008 bis 2018. Der es in der Vergleichsperiode neun dezentrum. Die Qualität von Spar- sion, wer nach der Wahl welches der Großteil der Bevölkerung ausgezeichnet. Der Traum Wert wurde mit den Daten der Jahre Gemeinden auf gerade einmal 23 tacus ist insbesondere seit 2010 Ministerium besetzt, wäre mir ohnehin am Bargeld hängt wie der 22-jährigen Hobbyimke- stark gestiegen, was den Vergleich lieber, dass endlich über Sachthe- fast niemand sonst in Europa. Der rin sind Dienstbienenstaffeln. etwas beeinflussen könnte. men diskutiert wird. FPÖ fällt nichts Gescheiteres ein Abwegig ist das nicht: Bienen TEMPERATURANSTIEG AUF MITTLEREN HÖCHSTWERT „Das Thema ist in der Gemeinde- als das Rauchverbot in der Gastro- können wie Hunde dressiert Alberschwende auf 22,5° +1,8° Röthis auf 24,1° +1,8° politik angekommen“, ist Andreas Zum Beispiel hätte ich gern ge- nomie wieder zu kippen. Sie hält werden, bestimmte Gerüche z. B. von Drogen anzuzeigen. Altach auf 25,0° +1,9° Sankt Anton i. M. auf 21,9° +1,7° Bertel vom Vorarlberger Energie- wusst, wie sich die Wahlwerber zu uns mit einer „Historikerkommis- Klimawandel vor der Haustür Andelsbuch auf 23,4° +1,9° Sankt Gallenkirch auf 19,9° +1,7° Doch es gibt auch Hürden, institut überzeugt. Er und Monika dem von Justizminister Jabloner sion“ zu ihrer eigenen Geschichte Au auf 22,3° +1,9° Sankt Gerold auf 21,1° +1,7° wie etwa die geringe Lebens- Forster helfen Vorarlbergs Gemein- ausgerufenen Notstand für die für blöd und veröffentlicht aus Bartholomäberg auf 20,2° +1,8° Satteins auf 24,7° +1,8° dauer des Insekts. (dpa) Eine Analyse von Te mperaturdaten zeigt, wie heiß die Sommer in Tirol geworden sind. Bezau auf 23,0° +1,8° Schlins auf 24,5° +1,8° den bei der Klimawandelanpas- Justiz stellen (Einschränkung der einem über 1000 Seiten starken Bildstein auf 23,2° +1,8° Schnepfau auf 22,1° +1,9° sung. Jede Gemeinde habe ihre Servicezeiten, Verlängerung der Bericht vorab eine Rohfassung Erstmals lassen sich für jede Gemeinde Prognosen bis zum Ende des Jahrhunderts erstellen. Bizau auf 22,5° +1,8° Schnifis auf 22,7° +1,7° eigenen Herausforderungen, erläu- Verfahren). Oder zum Aufschrei von nur 32 Seiten, die einer Blons auf 21,0° +1,7° Schoppernau auf 22,3° +1,9° tert Bertel. Die einen kämpfen mit von Verteidigungsminister Starlin- wissenschaftlichen Beurteilung in Zwilling +Von Matthias Christler zum Beispiel dem Burgen- Bludenz auf 24,1° +1,8° Schröcken auf 18,9° +1,8° Hochwassergefahren, die anderen ger, der angesichts der desolaten keiner Weise standhält, und hält Bludesch auf 24,3° +1,8° Schruns auf 22,2° +1,6° land und wird unter anderem Brand auf 20,9° +1,7° Schwarzach auf 24,8° +2,0° mit dem Wasserhaushalt, wieder Bundesheer-Finanzen Probleme den Rest unter Verschluss. im eigenen Innsbruck – Die Bewohner 38,5 Grad 1,7 Grad 10 Hitzetage weniger Hitzetage haben“, andere mit dem Waldbestand. Er Bregenz auf 24,6° +2,0° Schwarzenberg auf 22,8° +1,8° bei den Katastropheneinsätzen von Rinn und Tulfes müssten erreichte die Temperatur wärmer als im Schnitt (mindestens 30 Grad) erklärt Olefs. Auf längere Tro- fährt fort: „Von der Raumplanung befürchtet. Ich hätte auch gern Liebe Wahlwerber: Hört endlich Buch auf 22,2° +1,7° Sibratsgfäll auf 21,3° +1,8° Bauch den Klimawandel am deut- am 30.6. in Innsbruck. So war der Juli 2019 in mehr als im Durch- ckenperioden, Hitzewellen Bürs auf 21,6° +1,7° Silbertal auf 21,8° +1,7° bis zur Feuerwehr gehen wir mit gewusst, wie es mit der vom auf, uns mit Gar-nicht-Themen lichsten spüren. Nirgendwo in und Starkregenereignisse wird Bürserberg auf 21,6° +1,7° Sonntag auf 22,2° +1,7° den Gemeinden jeden Sektor prag- früheren Kanzler Kurz verspro- oder Nebelgranaten zu beschäfti- Neu-Delhi – Eine 17-jährige Tirol ist es in den vergangenen heiß war es in Tirol noch Österreich. Er geht in schnitt wurden diesen man sich aber auch hierzulan- Dalaas auf 22,1° +1,7° Stallehr auf 22,2° +1,6° matisch durch. Sind zum Beispiel chenen Steuerreform weitergeht, gen und sagt uns endlich, was ihr Inderin hat ihr Leben lang – Jahren heißer geworden als nie. Die Höchstmarke lag die zehn wärmsten Juli- Sommer bei der Mess- de einstellen müssen. Damüls auf 18,3° +1,8° Sulz auf 24,6° +1,9° Glasfronten noch das geeignete also mit der Entlastung von 12 zu den wichtigen Fragen vor- ohne es zu wissen – mit dem in den beiden Gemeinden im davor bei 38,3 Grad am Monate der 253-jährigen stelle Innsbruck-Univer- Von Rinn und Tulfes geht es Doren auf 22,9° +1,8° Sulzberg auf 21,4° +1,8° toten Fötus ihres eigenen Zwil- südöstlichen Mittelgebirge. auf die andere Talseite nach Dornbirn auf 24,7° +2,0° Thüringen auf 24,1° +1,8° Mittel der Architektur?“ Im Gebäu- bis 14 Milliarden Euro (gewor- habt. Der kommende Overkill an 27.7.1983 in Haiming. Messgeschichte ein. sität verzeichnet. Düns auf 22,2° +1,6° Thüringerberg auf 21,5° +1,7° desektor könne davon ausgegangen den sind es 7,5 Milliarden) oder Fernsehdiskussionen bietet dazu lings im Bauch gelebt.Wie Ärz- Vom Zeitraum 1971–2000 im Rum. In fast jedem der drei Dünserberg auf 20,5° +1,7° Tschagguns auf 22,8° +1,6° werden, dass der Wärmebedarf sin- mit der Abschaffung der Kalten reichlich Gelegenheit. te im Fachblatt British Medical Vergleich zu 2008–2018 ist die Szenarien muss sich die Ge- Egg auf 23,8° +1,9° Übersaxen auf 21,2° +1,7° ke und der Kältebedarf steige. Progression. Ich hätte gern von Journal berichten, war der de- mittlere Höchsttemperatur in ziehbar – erstellt der Report in der Bevölkerung“, sagt der derts um 1,5 bis zwei Grad. meinde auf höhere Tempe- auf 22,2° auf 22,7° formierte Fötus 30 Zentimeter den Sommermonaten um 2,5 Prognosen für jede Gemein- Klimaforscher. Um das zu er- Zweitens das Klimaschutz- ratur-Zunahmen als das rest- Eichenberg +1,7° Vandans +1,7° In 27 Gemeinden lag die durch- der ÖVP zu der nicht nur von den WOLFGANG auf 24,6° auf 21,8° Feldkirch +1,8° Viktorsberg +1,7° schnittliche Höchsttemperatur der Jungen geforderten Klimapolitik BURTSCHER lang und hatte Knochen, Haa- Grad Celsius gestiegen. Das de. Die grundlegende Frage reichen, arbeiten die Forscher Szenario: weniger erfolgreich; liche Tirol gefasst machen. Fontanella auf 21,0° +1,7° Warth auf 19,4 +2,0° Jahre 1971 bis 2000 bei 20 Grad mehr gewusst als dass man die [email protected] re und Zähne. Wie das Team hat ein neuer Klima-Report war: Wie wird sich das Klima nicht mit Horrorzahlen, son- aber es gibt Erfolge im Klima- Beim Paris-Szenario (2021– Frastanz auf 24,6° +1,8° Weiler auf 24,7 +1,9° ergeben. schutz, die Temperatur steigt Celsius oder weniger. Im Ver- CO2-Steuer ablehnt, und auch um den Chirurgen Anil Kumar im Sommer verändern? dern mit nachvollziehbaren 2050) rechnet man mit einem Fraxern auf 21,6° +1,7° Wolfurt auf 24,8 +2,0° Wolfgang Burtscher, Journalist und schreibt, hätten Ärzte weltweit Die Tiroler Tageszeitung Marc Olefs von der Zen- Szenarien. Um genau zu sein, um bis zu 2,5 Grad. Plus von einem bis zwei Grad, gleichszeitraum 2008 bis 2018 sind mehr über die im Ansatz interes- Fußach auf 25,0° +2,0° Zwischenwasser auf 24,0 +1,8° ehemaliger ORF-Landes direktor, noch nie einen solchen Fall hat dabei zusammen mit tralanstalt für Meteorologie stellen sie für die Zeiträume Drittens das Business-as- im schlimmsten Fall, dem Gaißau auf 25,0° +2,0° noch sieben Gemeinden so kalt. santen, aber wenig ausgereiften lebt in Feldkirch. bei einer erwachsenen Frau der Recherche-Plattform Ad- und Geodynamik hat an dem 2021–2050 und 2071–2100 je- usual-Szenario: Es bleibt alles Business-as-usual-Szenario Gaschurn auf 21,2° +1,7° Göfis auf 24,1° +1,8° festgestellt. Der jungen Frau dendum Klimaszenarien für Report mitgearbeitet und weils drei verschiedene Prog- wie bisher, es werden keine (2071–2100), werden die Som- Götzis auf 24,9° +1,9° MICHAEL PROCK gehe es zwei Jahre nach der Tirol analysiert. Die Tempe- sieht darin ein wichtiges Ins- nosen für jede Gemeinde auf. Maßnahmen für den Klima- mer in Rum bis zum Ende des [email protected] Hard auf 25,0° +2,1° Entfernung des Fötus gut. Das raturdaten reichen bis in die trument: „Das soll in erster Li- Erstens das Paris-Szenario: schutz gesetzt und weltweit Jahrhunderts um 05572 501-633 Hittisau auf 22,3° +1,8° IHRE MEINUNG IST GEFRAGT! Phänomen „Foetus in foeto“ 60er-Jahre zurück. Außerdem nie eine Bewusstseinsbildung Das Pariser Klimaschutzab- steigt die Temperatur um bis 3,4 bis 7,3 Grad Höchst auf 25,0° +2,0° Vorarlbergs meistgelesenes Diskussionsforum. [email protected] kommt bei einer von 500.000 – und das macht den Klima- sein. Es braucht, das wissen kommen von 2015 wird voll- zu 4,3 Grad. heißer. Hohenems auf 25,0° +1,9° Lebendgeburten vor, meistens wandel und die Auswirkun- wir, politische Maßnahmen ständig umgesetzt, und welt- „Tirol hat allein schon auf- Hohenweiler auf 23,9° +1,9° wird es bereits bei Kindern gen erstmals direkt vor der für den Klimaschutz, aber da- weit steigen die Temperaturen grund seiner Höhenlage einen Im Internet: Abruf der Prognosen Hörbranz auf 24,8° +2,0° entdeckt. (APA) eigenen Haustür nachvoll- für braucht es die Akzeptanz bis zum Ende des Jahrhun- gewissen Vorteil gegenüber zu jeder Gemeinde auf www.tt.com Innerbraz auf 21,9° +1,7° Die Vorarlberger Kennelbach auf 23,9° +1,9° Klaus auf 24,6° +1,8° Klösterle auf 20,0° +1,8° Schlechte Luft Koblach auf 24,5° +1,8° Mysteriöse Krankheit durch E-Zigaretten? Krumbach auf 22,9° +1,8° macht depressiv Nachrichten und die Langen b. Bregenz auf 23,1° +1,8° Washington – Die US-Ge- Erkrankungen zu bestimmen, Langenegg auf 22,5° +1,8° sundheitsbehörde CDC prüft schrieb die Behörde. Bereits Chicago – Je schlechter die Laterns auf 21,2° +1,7° bei 94 jungen Menschen mit im Frühjahr hatte die Be- Luft, desto häufiger treten Lauterach auf 24,9° +2,1° Sie wollen erholsam schweren Lungenproblemen hörde FDA eine Verbindung psychische Erkrankungen Lech auf 19,5° +2,0° schlafen im Einklang einen Zusammenhang mit E- zwischen dem Auftreten von auf. Forscher von der Uni Chi- Salzburger Nachrichten Lingenau auf 22,6° +1,8° Zigaretten-Konsum. Die Fälle Krampfanfällen und E-Ziga- cago weisen mit einer Studie Lochau auf 24,8° +2,1° mit der Natur? sind laut CDC Ende Juni bis retten in 35 Fällen aus den im Fachjournal PLOS Biology Lorüns auf 23,4° +1,7° Erleben Sie unsere neue ÖKO-Linie! Mitte August in 14 Bundes- Jahren 2010 bis 2019 geprüft. auf diesen Zusammenhang Ludesch auf 23,0° +1,7° ■ Massivholzbetten – geölt Lustenau auf 25,0° +2,0° oder gewachst staaten aufgetreten, 30 davon Für Experten wie Katrin hin. Sie verglichen Gesund- ■ Natur-Kautschuk-Matratzen allein in Wisconsin. Schaller vom Deutschen heits- und Umweltdaten aus veröffentlichten im Mäder auf 25,0° +1,9° Meiningen auf 25,0° +1,9° ■ Zirbenholz-Tellerfeder-Roste Es gebe keine schlüssigen Krebsforschungszentrum in den USA und aus Dänemark. ■ Wolldecken vomTiroler Mellau auf 23,0° +1,8° Bergschaf in Sommer- oder Beweise, dass Infektions- Heidelberg ist ein „Zusam- Demnach erkrankten in US- Mittelberg auf 19,6° +1,9° Winterqualität krankheiten die Beschwerden menhang durchaus plausi- Regionen mit der schlechtes- Möggers auf 21,8° +1,8° ausgelöst hätten, hieß es in bel“. Es gebe bereits erste ten Luft sechs Prozent mehr Öffnungszeiten: JetztTermin für eine kostenlose Sommer umfassende Nenzing auf 21,6° +1,7° • Montag – Mittwoch 10.00 – 18.00 Uhr einer Mitteilung der Behörde. Fachberichte über spezielle Personen an schwerer De- Nüziders auf 24,1° +1,8° ERGOSLEEP-Körperdruck-Vermessung • Donnerstag + Freitag 9.00 – 19.00 Uhr vereinbaren. Demnach ähneln sich einige Formen von Lungenentzün- pression, für bipolare Störung Raggal auf 20,8° +1,7° • Samstag 9.00 – 16.00 Uhr Fälle und es scheine so, als dungen. Man wisse auch gar war das Risiko um 27 Prozent Rankweil auf 24,0° +1,8° Kostenlose Parkplätze Reuthe auf 23,1° +1,8° würden sie mit E-Zigaretten nicht, wie die Tausenden Li- erhöht. Noch höhere Raten er- Siemensstraße 6 · D-88239 Wangen in Verbindung stehen. Doch quids und Aromastoffe auf gaben sich in Dänemark: Das Artikel mit Daten Riefensberg auf 21,6° +1,8° Röns auf 23,7° +1,8° Tel. 0049 7522 9729300 E-Zigaretten sind in das Visier der US-Gesundheitsbehörden CDC und FDA es sei noch mehr Informati- die Lunge wirken, toxikologi- Luftverschmutzung begünstigt psy- Depressionsrisiko stieg dort www.bettentrend-wangen.de Kostenlose Lieferung nach Vorarlberg. geraten, weil sie möglicherweise Lungenentzündungen auslösen. Foto: iStock on nötig, um die Ursache der sche Daten fehlen. (APA, dpa) chische Erkrankungen. Foto: iStock sogar um 50 Prozent. (dpa) und Visualisierungen Persönliches Exemplar für AOM-Benutzer fhwjour33 - (C) APA-DeFacto GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Persönliches Exemplar für AOM-Benutzer fhwjour33 - (C) APA-DeFacto GmbH. Alle Rechte vorbehalten. unserer Recherche.

Impact Report | 43 Österreichs Seen Wie frei ist der Seezugang? Addendum hat erstmals vermessen, wie viel Uferfläche von Österreichs größten Seen öffentlich zugänglich ist – und wie viel bereits verbaut.

ie ist jedes Jahr genauso sicher wie die nächs- Der öffentliche Zugang zu Österreichs Seen ist stark eingeschränkt. Wir haben vermessen, wo te Hitzewelle: die Debatte um den freien Zu- es mehr private als öffentliche Flächen gibt. S gang zu Österreichs Seen. „Hier ist der Gra- tissprung ins kühle Nass noch möglich“, heißt es etwa in der Kärntner Kleinen Zeitung. „Freier See- zugang gefährdet?“, fragt das burgenländische Be­ Timeline zirksblatt. Das, was fehlt(e), war eine Datengrundlage für die Diskussion. Der Tenor ist stets gleich: Zu viel • Beginn Recherche im März 2019 werde privatisiert, der öffentliche Zugang verbaut und • Datenerhebung ab 31. 5. 2019 Einheimische benachteiligt. Der Ausverkauf der Seen schreite voran. Addendum hat deshalb in Eigenregie • Veröffentlichung am 15. 7. 2019 die zwölf größten Seen umrundet und per GPS-Track- • Reaktionen ab 15. 7. 2019 ing erhoben, wie viel der Uferstrecke öffentlich oder privat zugänglich ist bzw. wo die Natur einen Zugang verhindert, beispielsweise ist in Naturschutzgebieten kein Zugang möglich. Ergebnis der Recherche war, Konsequenzen dass rund um den Wörthersee 10 Prozent der Ufer- strecke für die Allgemeinheit zur Verfügung stehen, Landespolitik am Attersee sind es 13 Prozent. Gegenbeispiel ist der Tiroler Achensee, an dem 62 Prozent öffentlich sind. In Oberösterreich forderten die Grünen infolge Die Resultate gingen in die Berichterstattung vieler der Auswertung die Umsetzung des Landesrechts Medien ein und dienten als Grundlage für eine quali- zum Erhalt des freien Seezugangs sowie eine fizierte Debatte.Kurier, Salzburger Nachrichten, Tiroler Änderung des Raumordnungsgesetzes. Die Tageszeitung, Oberösterreichische Nachrichten, Falter Rechercheergebnisse von Addendum wurden auch und die Kleine Zeitung verwiesen auf die Erhebung. Not- im Landtag als Grundlage für Debatten zitiert. wendig wurde das Erfassen eigener Daten auch, weil das Land Kärnten die Herausgabe der Rohdaten einer Studie Volksbegehren zum Thema verweigerte. Der innovative Recherchean- Im Frühjahr 2020 findet in Kärnten die satz per GPS-Tracking blieb von Kollegen in Deutschland Eintragungswoche für ein Seenvolksbegehren nicht unbemerkt: Der Newsletter Digital Present hob die statt. Die Initiatoren hatten rund 7.500 Recherche in den Titel einer Ausgabe. Unterstützungserklärungen gesammelt. Auch dafür tragen die Addendum-Erhebungen zu einer Link zum Projekt www.addendum.org/seezugang Faktengrundlage bei.

44 | Addendum Über Quo Vadis Veritas und Addendum ließe sich viel sagen. Allein schon die lateinischen Bezeichnungen – welch eine Wohltat gegenüber der Flut an modischen Anglizismen; dann die Seriosität der Dokumentationen und Recherchen – welch eine Wohltat gegenüber den ideologie- und meinungsgesteuerten Berichten der analogen und digitalen Medienwelt; dann der Mut, auch einmal gegen den Zeitgeist zu schwimmen und strittige Themen nüchtern zu analysieren – welch eine Wohltat gegenüber den emotionalisierten und zunehmend infantiler werdenden Twitter-Debatten der Gegenwart; und auch wenn das alles nicht zuträfe, lohnten sich QVV und Addendum schon um einer einzigen Sache willen: des wöchentlichen Rundschreibens von Michael Fleischhacker – welch eine Wohltat!“ Univ.-Prof. Dr. Konrad Paul Liessmann, Universität Wien, Institut für Philosophie

Impact Report | 45 Landflucht / Pflege Vermessung der Landflucht Soll man in sterbende Gemeinden investieren? Oder mit dem Geld lieber städtischen Wohnraum schaffen? Unsere Recherche liefert Grundlagen für sinnvolle Antworten.

Vor allem junge Einwohner verlassen Regionen wie das Waldviertel.

eit dem Jahr 2008 leben in Österreich erst- Auf addendum.org kann man seine Heimat­gemeinde in die Suchmaske mals mehr Menschen in Städten als in länd- eingeben und bekommt dann eine Grafik, die die Zu- und Abwanderung zeigt. S lichen Gebieten, bis 2050 sollen es sogar 70 Prozent sein. Während Städte unter der Be- völkerungslast ächzen, kämpfen Bürgermeister in klei- nen Gemeinden um jeden einzelnen Zuzug. 40 Prozent aller Gemeinden sind betroffen, die Folgen sind gravie- rend. Eine Negativspirale nimmt ihren Lauf. Vor allem junge und gut ausgebildete Menschen Timeline verlassen Dörfer und Kleinstädte, in Städten erwar- ten sie deutlich mehr Perspektiven. Dadurch steigt der Altersdurchschnitt auf dem Land, die wenigen noch an- • Beginn Recherche im Oktober 2018 sässigen Firmen finden keine qualifizierten Mitarbeiter • Veröffentlichung am 19. 11. 2018 mehr, und Nahversorger sowie öffentliche Einrichtun- gen schließen. Am Ende der Negativspirale steht der Zusammenbruch der Gemeinde. Wie soll man mit diesen Gemeinden umgehen? Konsequenzen Sterben lassen, oder weiterhin in die sinkenden Schif- fe investieren? Manche Bürgermeister kämpfen und Konsequenzen Vorarlberg bieten Baugründe um einen Euro pro Quadratmeter Der Vorarlberger Landeshauptmann Markus Wallner an. Andere geben auf und lassen der Negativspirale will nach der Berichterstattung den Kampf gegen die ihren Lauf. Raumforscherin Gerlind Weber plädiert Landflucht intensivieren. dafür, verlassene Dörfer geordnet rückzubauen, um ausufernden Ruinen und Geisterdörfern Einhalt zu gebieten. Addendum dokumentierte den Zusammen- Konsequenzen Reichweite bruch eines Dorfes und die Konsequenzen für seine Durch eine Medienkooperation mit Zeitungen und Bewohner. Plattformen in vielen Bundesländern konnte der Aspekt Landflucht in ganz Österreich differenziert Link zum Projekt www.addendum.org/landflucht beleuchtet werden.

46 | Addendum Nonstop-Pflege Das fragwürdige Geschäft mit der Pflege.

Das System der 24-Stunden-Betreuung in Österreich ist unverzichtbar und gleichzeitig S unzureichend reglementiert. Während der Pflegebedarf hierzulande laufend steigt, wird Die Rumänin Dana Nicoletta bewarb sich undercover für Addendum bei einer es zunehmend schwieriger, geeignetes Personal zu fin- österreichischen Betreuungsagentur. Die 24-Stunden-Betreuerin Elena erzählte den. Diese Herausforderung hat zu einem florierenden ihre Geschichte. Wirtschaftszweig geführt, der ein weites Spektrum an Qualitätsstandards und Arbeitsbedingungen zulässt. Die meisten Pflegerinnen, die in Österreich arbei- Link zum Projekt www.addendum.org/pflege ten, kommen aus Rumänien und der Slowakei, mehr als 80 Prozent von den 62.262 selbstständigen Betreuerin- nen in Österreich. Im Vergleich dazu: Nur 1,25 Prozent kommen aus Österreich. Timeline Prinzipiell kann heute jedes Transportunterneh- men nebenbei Pflegekräfte vermitteln. Jede Person mit • Beginn Recherche im September 2018 Meldezettel und Strafregisterauszug kann in Öster- • Veröffentlichung am 15. 10. 2018 reich innerhalb von 30 Minuten einen Gewerbeschein lösen und zu arbeiten beginnen. Eine Agentur ist laut den Standesregeln der WKO verpflichtet, nur Personen zu vermitteln, die über eine aufrechte Gewerbeberech- Konsequenzen tigung verfügen. Überprüft werden die Agenturen und ihre Verträge jedoch nicht. Konsequenzen WKO Addendum hat in Rumänien die Arbeitsweise einer Vermittlungsagentur für Pflegepersonal überprüft, Nach unserer Veröffentlichung hat die WKO in einer deren Vertrag der Redaktion vorlag. Ein simuliertes internen Besprechung das Gütesiegel diskutiert. Das Bewerbungsgespräch und eine aktive Personenbe- berichtet ein Informant, der vor Ort war. treuerin geben tiefe Einblicke in ein System, das Aus- beutung zulässt. Konsequenzen VKI Der VKI zeigt nach unserem Bericht die Ein Vertrag – drei Versionen betroffene Vermittlungsagentur an. Die Agentur Die Vermittleragentur R. rekrutierte Pflegeper- musste den Vertrag adaptieren, damit etwa sonal vorwiegend aus Rumänien. Innerhalb von zwei Doppelverrechnungen nicht mehr möglich sind. bis drei Tagen kann eine Rumänin über die Agentur nach Österreich kommen, sofern die nötigen Papie- re vorhanden sind. Im Vertrag, den die Frauen erst- Konsequenzen Rumänien mals in Wien zu Gesicht bekommen, steht etwa, dass Laut einem Informanten war es nach der die Betreuerin selbst für die SVA aufkommen müsse. Berichterstattung für die betreffende Agentur Im Vertrag, den die zu pflegende Person erhält, findet schwierig, Personal aus Rumänien zu beauftragen, da sich dieser Paragraf ebenfalls. Das bedeutet, dass die die Berichterstattung über soziale Netzwerke weite Agentur R. bei all ihren Pflegerinnen doppelte Sozial- Kreise gezogen hat. versicherungsbeiträge bezog.

Impact Report | 47 Parlament Politik messbar machen Wer stimmt im Nationalrat wofür? Der Politometer schafft Transparenz.

m politischen System Österreichs wählen mün- Konsequenzen dige Bürger Abgeordnete, die deren Interessen I im Nationalrat vertreten. Die parlamentarische Elektronische Abstimmungsanlage Arbeit der Abgeordneten ist allerdings nicht In der ZIB 2 zur Addendum-Recherche befragt, immer nachvollziehbar: Das Parlament erfasst weder kündigte Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka an, das Stimmverhalten noch die Anwesenheit der einzel- sich für eine elektronische Abstimmungsanlage im nen Mandatare. Parlament einsetzen zu wollen, um solche Fehler in Der Politometer schafft hier Transparenz für die Zukunft zu vermeiden. Beantwortung der Frage: Wer verantwortet das? Er vermisst politisches Handeln, um eine qualifizierte politische Debatte zu ermöglichen. Dazu nimmt das Anzeige gegen Kitzmüller Politometer-Team an jeder Sitzung im Nationalrat teil, Ein Anwalt brachte Anzeige gegen die Dritte fotografierte bisher 1.920 Abstimmungen und wertet Nationalratspräsidentin Anneliese Kitzmüller diese akribisch aus. Mit diesen Daten befüllen wir lau- wegen Missbrauchs der Amtsgewalt und falscher fend unsere Datenbank, die das Abstimmungsverhal- Beurkundung und Beglaubigung im Amt ein. Dass ten sowie die An- und Abwesenheit aller Parlamenta- tatsächlich ein Grund zur Strafverfolgung vorliegt, ist rier verzeichnet und öffentlich nachvollziehbar macht. jedoch unwahrscheinlich. So wurden bisher 351.360 Einzeldatensätze zu den Ab- geordneten gesammelt. Dabei dokumentieren wir erst- mals in Österreich das abweichende Stimmverhalten Strafe für Schwänzer? von Mandataren. Dabei ist das Team immer wieder mit Nach der Publikation einer Addendum-Auswertung Schwierigkeiten konfrontiert. So wurden unsere Foto- zur Anwesenheit der Parlamentarier forderten grafen mehrfach vor Sitzungsende aus dem Plenarsaal ÖVP-Abgeordnete Strafen für „Schwänzer“ bei entfernt. Abstimmungen.

Der Auszählungsfehler Da bei Abstimmungen im Parlament das Stimm- verhalten üblicherweise nicht gezählt wird, kam es am 25. September 2019 zur falschen Feststellung der Ablehnung eines Antrags. Mit diesem sollte der Innen- minister aufgefordert werden, die Vereine der Identi- tären aufzulösen. Die Koalition war zuvor zerbrochen, das freie Spiel der Kräfte in vollem Gange. So kam es, dass SPÖ und FPÖ gegen den Antrag stimmten, ÖVP, NEOS und Liste JETZT dafür. Sozialdemokraten und Freiheitliche hatten damals grundsätzlich eine Mehr- heit im Nationalrat. Die Dritte Nationalratspräsidentin Anneliese Kitzmüller wertete den Antrag daher als abgelehnt. Die Addendum-Auswertung ergab jedoch, dass von SPÖ und FPÖ zu wenige Abgeordnete für eine Mehrheit anwesend waren. Letztlich stimmten 70 Ab- geordnete gegen den Antrag, aber nur 67 dafür. Ohne die Addendum-Politometer-Auswertung wäre der Feh- ler unbemerkt geblieben. Da das Protokoll der Sitzung nicht beeinsprucht wurde, wird das Abstimmungs- ergebnis nicht korrigiert. Die Recherche warf jedoch ein Schlaglicht auf den österreichischen Parlamenta- rismus und führte zu Reformankündigungen.

48 | Addendum Kaum ein Medium in Österreich legt so viel Wert auf Diese Übersicht zeigt die Anzahl empirische Evidenz wie Addendum. Gerade das Politometer der Abgeordneten, die pro Klub ist für mich unverzichtbar geworden – aber nicht nur als für den Antrag gestimmt haben. persönliche Informationsquelle, sondern auch als Die Höhe der Balken zeigt den Anteil Unterrichtsmaterial und Anstoß für Forschungsideen.“ der anwesenden Abgeordneten eines Klubs. Laurenz Ennser-Jedenastik, Politikwissenschaftler an der Universität Wien

0 4 9 1 0 56

SPÖ JETZT NEOS Ohne Klub FPÖ ÖVP

Link zum Projekt www.addendum.org/politometer

Impact Report | 49 Bundesheer Die Wahrheit über das Bundesheer Das Bundesheer wurde zum Instrument der Parteipolitik. Addendum betrieb Aufklärung.

eit Beginn der 1990er Jahre funktioniert Lan- tel freimachen könnte. Österreich hingegen erhält mit desverteidigung in Österreich nach dem Prin- zwei Drittel des Wehrbudgets seinen hauptberuflichen S zip: Wasch mich, aber mach mich nicht nass. Kader, der zudem überwiegend aus Führungskräften Zwar gibt die Verfassung dem Bundesheer den (Unteroffizieren und Offizieren) besteht. Kaum eine an- klaren Auftrag, das eigene Territorium militärisch zu dere Armee hat weniger einsatzfähige Berufssoldaten. verteidigen. Die dafür benötigten Mittel fließen jedoch Oder, wie es ein anonym befragter General ausdrück- zu einem beständig wachsenden Teil in hauptberufliche te: „Derzeit bekommt der Steuerzahler trotz Sparkdik- Soldaten, die es – wieder laut Verfassung – eigentlich tat zu wenig für sein Geld.“ gar nicht geben sollte: Österreichs Militär wurde vom Gesetzgeber nämlich als Milizarmee geplant. Die Widersprüche und Auffälligkeiten, die sich dar- Link zum Projekt www.addendum.org/bundesheer aus ergeben, arbeitet Addendum seit seiner Gründung 2017 laufend und bis heute im Projekt „Bundesheer“ auf.

Timeline Was Verteidigungsminister nicht erwähnten So wurde der Abfangjäger „Eurofighter“ inzwi- • Beginn Recherche im September 2017 schen zu einem Vehikel für politische Inszenierung. Bur- genlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil stellte • Seit November 2017 laufend neue im Sommer 2017 fest, dass der Abfangjäger im Betrieb Veröffentlichungen zu teuer sei und deshalb ab 2020 außer Betrieb gehen • Reaktionen auf Berichterstattung in Form von und seitens der Republik Österreich verwertet werde. Pressekonferenzen und parlamentarischen Anfragen Unsere Recherchen ergaben, dass den weitge- hend kritiklos verbreiteten Äußerungen Doskozils die Basis fehlte. Das Flugzeug ist für Österreich nämlich faktisch unverkäuflich. So steht es in einer Passage Konsequenzen des bis heute geheimen Kaufvertrags. Ohne Zustim- mung des Herstellers, den Doskozil bei der Staatsan- Im Parlament waltschaft anzeigte, darf der Abfangjänger nicht ein- Die NEOS-Abgeordneten Michael Bernhard mal in Einzelteilen Dritten angeboten werden. Auch und Douglas Hoyos-Trauttmansdorff stellten im ein weiteres Argument der politisch getriebenen Ein- Nationalrat auf Basis der Addendum-Recherchen stellung des Systems erwies sich als nicht schlüssig: eine Anfrage an das Verteidigungsministerium. Die hohen Betriebskosten des in einer österreichi- Sie wollten wissen, wie es sein konnte, dass schen Sonderkonfiguration betriebenen Jets könnten das britische Angebot zum gemeinsamen und um bis zu 40 Prozent gesenkt werden. Ein vertrau- kostenreduzierten Betrieb des „Eurofighter“ ignoriert liches Angebot der erfahrenen „Eurofighter“-Nation wurde. Die Antwort war unpräzise und verlief im Großbritannien blieb in der öffentlichen Debatte dazu Regierungswechsel: Nach dem Abgang von Hans nämlich unerwähnt. Addendum jedoch veröffentlichte Peter Doskozil ging sein Nachfolger, Mario Kunasek das Papier. (FPÖ), nicht wirklich auf die Thematik ein. Als im Wahlkampf im Herbst 2019 Verteidigungs- minister Thomas Starlinger für eine Finanzspritze in der Höhe von 16 Milliarden Euro für das Bundesheer Im Verteidigungsministerium warb, thematisierte die Medienöffentlichkeit die ob- Nach der Veröffentlichung unserer Recherchen jektiv tatsächlich schlechte Ausstattung des Militärs dazu, dass Armeen wie die finnische für ähnlich viel mit Ausrüstung. Dass das Bundesheer die vorhandenen Geld den Steuerzahlern deutlich mehr Militär bieten, Mittel jedoch ineffizient einsetzt, machte Addendum veranstaltete das Verteidigungsministerium ein zum Thema. Am Beispiel Finnland rechneten wir vor, Pressegespräch für Fachjournalisten. Inhalt: Warum dass die Besinnung auf den in der Verfassung ohne- Finnland aus Sicht des Ministeriums kein Vorbild ist. dies vorgeschriebenen Milizcharakter erhebliche Mit-

50 | Addendum Das Militär ist die strategische Reserve des Landes. Regierungen dient es seit Jahren jedoch als Instrument der Parteipolitik der Verteidigungsminister. Mit schwerwiegenden Folgen.

Impact Report | 51 Staatsgeschenke Ein streng geheimer Lipizzaner Was ein Staatsgeschenk über den österreichischen Parlamentarismus aussagt.

sterreich schenkte dem Kronprinzen von Abu Dhabi, Mohamed bin Zayed Al Nahyan, Ö 2019 einen Lipizzaner. Das Präsent wurde bereits ein Jahr zuvor versprochen und im Rahmen eines Besuchs von Bundeskanzler Sebastian Kurz übergeben. Art und Umfang des Staatsgeschenks erregten in der Folge öffentliche Aufmerksamkeit. Es folgten parlamentarische Anfragen der Opposition an Bundeskanzler Sebastian Kurz und Landwirtschaftsmi- nisterin Elisabeth Köstinger, die entweder gar nicht, Bundeskanzler Sebastian Kurz bei der Übergabe ausweichend oder falsch beantwortet wurden. des Staatsgeschenks im März 2019 Das Kanzleramt behauptete, eine Initiative der Wirtschaftskammer (go-international) übernehme die Kosten für das Pferd, was zu diesem Zeitpunkt aber Link zur Geschichte add.at/p0019 noch gar nicht feststand und sich später als falsch herausstellen sollte. Laut Bundeskanzleramt sei „zum Zeitpunkt der Beantwortung der parlamentarischen Anfrage“ geplant gewesen, „dass die Kosten für den Konsequenzen Lipizzaner von go-international übernommen werden würden.“ Eine konkrete Finanzierungszusage – und nur Kostenwahrheit so lässt sich die Anfragebeantwortung interpretieren – gab es jedoch zu keinem Zeitpunkt. Der Bundeskanzler Im Zuge des Auskunftsbegehrens von Addendum musste das Parlament also bewusst falsch informiert wurde bekannt, dass die Finanzierung nicht wie haben. Das Kanzleramt beharrte hingegen darauf, dass behauptet über die Wirtschaftskammer erfolgt „die Antwort des Bundeskanzlers auf einer faktisch- war, sondern das Ministerium selbst den Großteil sachlichen Grundlage“ erfolgt sei. der Kosten von 15.000 Euro getragen hatte – der Rest wurde von der Spanischen Hofreitschule Der blinde Fleck des Parlaments übernommen. Das Landwirtschaftsressort wäre Das Landwirtschaftsressort wiederum verwei- entsprechend verpflichtet gewesen, dem Parlament gerte die Beantwortung parlamentarischer Anfragen Auskunft zu erteilen. zum Teil mit Verweis auf die Tatsache, dass die Fi- nanzierung nicht hoheitlich, sondern im Rahmen der Antrag auf Verfassungsänderung Privatwirtschaftsverwaltung des Bundes erfolge und Im Anschluss entspann sich eine Debatte diese nicht dem parlamentarischen Interpellations- über das parlamentarische Anfragerecht in recht unterliege. Das Ressort weigerte sich, auch nur mehreren Medien. Im Nationalrat wurde von die Kosten für den Hengst Neapolitano Theodorosta Abgeordneten ein Antrag auf Änderung des zu nennen. Addendum stellte daraufhin eine Anfrage Bundes-Verfassungsgesetzes eingebracht, in auf Basis des Auskunftspflichtgesetzes, das es erlaubt, dem auf die Addendum-Berichterstattung Bezug auch Fragen zur Privatwirtschaftsverwaltung zu stel- genommen wurde. Ziel war es, die mangelhafte len. Die Wortwahl entsprach weitgehend jener der par- Beantwortung von parlamentarischen Anfragen lamentarischen Anfragen. Ziel war es, Transparenz zu vom Verfassungsgerichtshof überprüfen zu lassen. schaffen und auf die absurde Tatsache hinzuweisen, Der Antrag wurde dem Verfassungsausschuss dass dem Parlament weniger Informationen zustehen zugewiesen, aber bis zur vorzeitigen Beendigung der als jedem Bürger. Das Auskunftsbegehren wurde in der Gesetzgebungsperiode nicht mehr behandelt. Folge tatsächlich beantwortet.

52 | Addendum Schön, dass wir der Wahrheit ein paar Schritte näher gekommen sind, obwohl sie sich doch immer weiter entfernt. Sollte Addendum je wieder verschwinden, würde die Lücke nicht geschlossen werden können.“ Rainer Nowak, Chefredakteur, Herausgeber und Geschäftsführer der Tageszeitung Die Presse

Bundeskanzler Sebastian Kurz, der besagte Lipizzaner „Neapolitano Theodorosta“ und Mohamed bin Zayed Al Nahyan, Kronprinz des Emirats

Impact Report | 53 Brennpunkt Schule In den Klassenzimmern der Brennpunktschulen Wir berichten, wie Islam und Parteipolitik die Schulen verändern.

n unseren Schulen dominiert ein Grund- In ihrem Buch schildert Wiesinger, woran die muster: Wenn es Probleme gibt, sind das österreichische Bildungspolitik scheitert: Die Partei- A bedauerliche Einzelfälle. Wer das Gegenteil linie scheint wichtiger zu sein als wirkliche Hilfe für behauptet, der übertreibt, ist überfordert die Schüler. Das neue Buch ist ein Bericht aus dem oder parteipolitisch motiviert. Aufgrund dieser Droh- Inneren der österreichischen Bildungspolitik, die von kulisse gelang es besonders in Wien über Jahrzehnte, Machtkämpfen, ideologischen Blockaden und Message das wahre Ausmaß der kulturellen Konflikte und der Control geprägt ist. parteipolitischen Einflussnahme zu verschleiern. Mit Am Mittwoch, 22. Jänner, wird das Buch der Päda­ unseren Recherchen änderte sich das. gogin bei einer „Aktuellen Stunde“ Thema im Parla- Im März 2018 veröffentlicht Addendum das erste ment. Auch dieses zweite Buch der Lehrerin führt über Video- ­Interview mit Susanne Wiesinger, einer Lehrerin, Wochen die Bestsellerlisten in Österreich an, am Tag die 25 Jahre lang an Brennpunktschulen in Wien-Favo- der Veröffentlichung schafft es sogar den Sprung auf riten, Österreichs größtem Schulbezirk, unterrichtete, Platz 2 bei den Amazon-Bestsellern. Bislang konnten davon viele Jahre als Personalvertreterin der sozial- rund 15.000 Exemplare verkauft werden. demokratischen Lehrergewerkschaft. Das Video wird innerhalb weniger Tage knapp 60.000 Mal aufgerufen. Link www.addendum.org/schule Kulturkampf im Klassenzimmer Am 10. September 2018 veröffentlicht Susanne Wiesinger ihr Buch „Kulturkampf im Klassenzimmer“ Timeline im neu gegründeten Verlag Edition QVV. Das Buch führt über Wochen die Bestsellerlisten an und sorgt für • Februar 2018: Beginn der Recherche eine österreichweite Debatte und Berichterstattung über den islamischen Einfluss an unseren Schulen. Bis • März 2018: Publikation des ersten Addendum- heute wurden rund 27.500 Bücher verkauft. Interviews Als Reaktion auf das Buch und die nachfolgende • September 2018: Veröffentlichung des Buches Debatte kündigt der damalige Unterrichtsminister „Kulturkampf im Klassenzimmer“ Heinz Faßmann im Dezember 2018 in einer Pressekon- ferenz an, dass er eine Ombudsstelle für Wertefragen • Februar 2019: Wiesinger wird Ombudsfrau und Kulturkonflikte installieren werde. Mit der Leitung für Wertefragen und Kulturkonflikte im beauftragt er Susanne Wiesinger. Bildungsministerium • 18. 1. 2020: Nahezu alle Medien berichten über das Machtkampf im Ministerium neue Buch „Machtkampf im Ministerium“, Wiesinger Am 18. Jänner 2020 wird bekannt, dass Susanne wird von BM Faßmann vorzeitig als Ombudsfrau Wiesinger neben ihrer Tätigkeit als Ombudsfrau ein abberufen Buch über ihre Arbeit im Ministerium verfasst hat. Um genau 16.21 Uhr wird vom Bildungsministerium über • 20. 1 .2020: Offizielle Veröffentlichung des zweiten die APA eine Aussendung verbreitet, in der BM Faß- Buches „Machtkampf im Ministerium“ mann seine „Irritation“ darüber zum Ausdruck bringt • 22. 1. 2020: Das Buch wird Thema im Nationalrat und Wiesinger als Ombudsfrau vorzeitig abberuft. Noch vor Veröffentlichung des Buches „Macht- • Februar 2020: Wiesinger kehrt als Lehrerin in den kampf im Ministerium“ berichten am Sonntag, 19. Sep- Wiener Schuldienst zurück tember alle großen Medien des Landes. In Deutschland • März 2020: Wiesinger wird von der Wiener Bildungs- widmet sich Spiegel Online dem „Machtkampf im Mi- direktion an eine Volksschule zwangsversetzt nisterium“.

54 | Addendum Addendum gehört zu den interessantesten 27.500 multimedialen Medienprojek­ ten der vergangenen verkaufte Exemplare Jahre. Es bereichert das publizistische Angebot im Land und leistet einen wertvollen Beitrag zur Enthysteris­ ierung des politischen Diskurses.“ Hubert Patterer, Chefredakteur & Geschäftsführer Kleine Zeitung

In ihrem aufsehenerregenden Buch „Kulturkampf im Klassenzimmer“ berichtet Susanne Wiesinger von Missständen an Wiener Brennpunktschulen und prangert das Wegschauen der Behörden an.

15.000 verkaufte Exemplare

„Machtkampf im Ministerium“ ist ein Bericht aus dem Inneren der österreichischen Susanne Wiesinger ist Lehrerin und war bis Bildungspolitik, die von Machtkämpfen, Jänner 2020 Ombudsfrau für Wertefragen und ideologischen Blockaden und Message Kulturkonflikte im Bildungsministerium. Control geprägt ist.

Impact Report | 55 Totgeschwiegen Übersehene Morde Ein Buch über systematische Probleme, die zu unentdeckten Tötungsdelikten führen.

sterreich rühmt sich mit einer hohen Auf- klärungsquote bei Morden, verschweigt Ö aber einen wichtigen Punkt: Es ist – wie es ein deutscher Ermittler ausdrückte – leicht, einen Mord aufzuklären, und schwierig, einen zu er- kennen. Die Addendum-Recherchen zum Thema „Un- entdeckte Morde“, die in dem Buch „Totgeschwiegen. Warum es der Staat Mördern so leicht macht“ münde- ten, beleuchten das Problem auf allen Ebenen: Morde, die wegen schlampiger Polizeiarbeit übersehen wer- den, oder wegen mangelnder Ausbildung der Toten- beschauärzte. Und über allem schwebt der Niedergang der Gerichtsmedizin in Österreich: Die Obduktionsra- ten sind seit den Achtzigern um rund zwei Drittel ge- sunken, Nachwuchs gibt es bei den Gerichtsmedizinern im Grunde gar keinen. Für den Staat ist es bequem, bei all dem wegzuschauen: Je weniger Morde erkannt wer- den, desto besser die offizielle Mordrate. Und je mehr Morde, desto mehr Arbeit auch für alle Beteiligten.

Wenn Angehörige selbst ermitteln Es sind oft Angehörige, die die Ermittlungen dann doch noch ins Rollen bringen – oder sie gleich selbst Konsequenzen in die Hand nehmen. Als ein – mittlerweile wegen Mordes verurteilter – Mann seinen pflegebedürftigen 3.500 verkaufte Exemplare Vater erwürgt, sieht der Totenbeschauarzt einen na- türlichen Tod. Und die Eltern eines verstorbenen jun- Breite Öffentlichkeitswirkung gen Mannes ermitteln selbst jahrelang, bis sich doch noch herausstellt, dass der vermeintliche Unfalltod Das Buch und seine Recherchen waren unter ein Gewaltverbrechen war. Auch bekannte Todesfälle anderem Gegenstand eines News-Covers sowie wie jene des Kampusch-Entführers Wolfgang Priklopil eines Krone-Artikels, der Autor präsentierte das oder Rachat Alijew werden noch einmal unter die Lupe Buch in der FM4-Morningshow, im Café Puls auf genommen. Puls 4 und auf krone.tv. Für das Vorwort konnte der bekannte deutsche Forensiker Mark Benecke gewonnen werden. Im Wahrnehmungsbericht des Link zum Projekt Interimsjustizministers Clemens Jabloner wird www.addendum.org/unentdeckte-morde im Kapitel zur Gerichtsmedizin indirekt auf die Recherchen Bezug genommen: „Die politische Wirkungsdimension wird unter der Schlagzeile Timeline ‚Fehlende Investitionen in der Gerichtsmedizin helfen den Mördern‘ diskutiert.“ • Beginn Recherche im Februar 2019 Dokumentation bei ServusTV • Veröffentlichung des Projekts auf addendum.org am 8. Juli 2019 Die Recherchen für Buch und Projekt flossen auch in eine 45-minütige von Addendum produzierte • Veröffentlichung von „Totgeschwiegen. Warum es ServusTV-Doku zum Thema ein, die am 31. Oktober der Staat Mördern so leicht macht“ am 31. Oktober 2019 ausgestrahlt wurde, auch die anschließende 2019 Diskussionssendung Talk im Hangar-7 behandelte • Reaktionen ab 25. Oktober 2019 das Thema.

56 | Addendum Vor knapp drei Jahren wurde Addendum noch als ,Breitbart der Alpen‘ verhöhnt. Allen voran von Vertretern etablierter Medien, die heute in einer ruhigen Stunde wohl neidlos anerkennen müssen: Addendum macht nicht nur einen tadellosen Job, sondern auch einen, den viele der Kritiker selbst gerne erledigen würden.“ Franz Schellhorn, Direktor Agenda Austria

Impact Report | 57 Sterbehilfe Sterbehilfe schonungslos Sterbehilfe ist vielerorts verboten. In der Schweiz nicht: Das schafft Nachfrage und Potenzial für Missbrauch.

sterreich ist eines der wenigen Länder in ­Europa, in denen Hilfe zur Selbsttötung Ö strafbar ist. Auch dann, wenn der Wunsch von einem unheilbaren Kranken formuliert wurde. Eine öffentliche Debatte dazu findet kaum statt. Während sich die Mehrheit der Mitglieder der Bioethikkommission für eine Lockerung der Gesetzes- lage ausspricht, sind Interessenvertreter der Ärzte, die katholische Kirche und die ÖVP dagegen. Gleichzeitig verschaffen sich jedoch auch Befürworter und Gegner aus der Zivilgesellschaft immer lauter Gehör. bescheinigte der Stammgutachter von Dignitas dem Das Rechercheprojekt zur Sterbehilfe hat sich zum Mann volle Geschäftsfähigkeit. Nach seinem Tod tauch- Ziel gemacht, persönliche Betroffenheit in ihrer deut- te ein Testament Strucks auf, das einen weiteren Verein lichsten Ausprägung und ohne Bewertung seitens Ad- des Dignitas-Gründers Ludwig Minelli mit mehreren Mil- dendum in Wort und TV-Bild darzustellen und so eines lionen Euro bedachte. Laut einer ärztlichen Niederschrift der sensibelsten Themen unserer Zeit für das Publikum soll Minelli Struck bei der Erstellung des Testaments – zur eigenen Meinungsbildung transparent zu machen. Zitat – „beraten“ haben.

Betroffene mit unterschiedlichen Perspektiven Im Zuge unserer Arbeit lernten wir ein Ehepaar Timeline aus Deutschland kennen. Beide, Johann und Emanoila­ Seitz, litten unter unheilbarem und schmerzhaftem • Beginn Recherche Mitte September 2018 Krebs. Gemeinsam fuhren sie in die Schweiz, um dort von einer darauf spezialisierten Ärztin den assistierten • Veröffentlichung am 26. November 2018 Suizid in Anspruch zu nehmen. Wir durften das Ehe- paar mit der Kamera bis ans Sterbebett begleiten. In ausführlichen Gesprächen schilderten sie uns und dem Konsequenzen Publikum ihre Beweggründe für ihr Tun und nannten es entwürdigend, dass sie für ihren letzten Weg ihre In der Schweiz Heimat verlassen mussten. Was es bedeutet, wenn man sein Haus zum assis- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Schwyz begann tierten Suizid zwar verlassen will, das aus gesundheit- auf Basis unserer Veröffentlichung ein Vorverfahren. lichen Gründen jedoch nicht mehr kann, erzählte uns Im Zuge der Erhebungen konnten nach Auskunft Gerhild Wirtz. Sie stammt ebenfalls aus Deutschland. der Behörde jedoch nicht genügend Anhaltspunkte Ihre schwere degenerative Lungenerkrankung macht gefunden werden, welche einen hinreichenden Reisen unmöglich. Ihre Prognose: qualvolles Ersticken Tatverdacht wegen Verleitung zum Suizid ergaben. in den eigenen vier Wänden. Um dem zu entgehen, hat sie mithilfe einer Freundin einen Plan zum Suizid entwi- In den Medien ckelt. Illegal aus dem Ausland beschaffte Medikamente Die Neue Zürcher Zeitung (28. 11. 2018) und die Kleine sollen das bewirken, was wenige Kilometer von ihrer Zeitung (27. 11. 2018) verfolgten den Tod von Rüdiger Wohnung entfernt, in den Niederlanden, unter kon­ Struck weiter. Der Internet-Dienst von Spektrum der trollierten Bedingungen stattfinden kann. Wissenschaft veröffentlichte die dazugehörige und Doch was, wenn der Wunsch nach einem würde- von Addendum produzierte TV-Reportage. vollen oder erträglichen Tod im Interesse jener liegt, die den kontrollierten Suizid organisieren? Wir stießen bei der Recherche auf die Geschichte des Kärntners Rüdiger Für Addendum Struck. 34-jährig und körperlich gesund wandte er sich Das TV-Produkt zum Rechercheprojekt stieß beim aufgrund seiner schweren Depressionen an Dignitas, Addendum-Publikum auf großes Interesse. Die einen Verein für Sterbehilfe in der Schweiz. Obwohl er Videobeiträge dazu verzeichneten die höchsten unter starken Medikamenten stand und ihn sein öster- Aufrufraten sämtlicher Produkte (siehe S. 58). reichischer Arzt nur für bedingt zurechnungsfähig hielt,

58 | Addendum Addendum ist für Spektrum der Wissenschaft ein wertvoller Partner, der unser ,Spektrum‘ immer wieder bereichert. Getreu dem Motto ,Wissen, das fehlt‘ erhalten unsere Leser und Zuschauer Einblicke in vielfältige Themengebiete jenseits unseres Tellerrands.“ Dennis Dirdjaja, Leiter Digitale Medien, Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

Link zum Projekt www.addendum.org/sterbehilfe

Johann Seitz suchte in der Schweiz Hilfe beim kontrollierten Freitod. Warum er das tat, erklärte er uns auf seiner letzten Reise.

Impact Report | 59 Bodenversiegelung Verbrauchen wir zu viel Platz? Addendum analysiert die Verschwendung der Ressource Boden.

b dem 7. November 2017 kümmerte sich Addendum um den Boden, auf und von dem A wir leben – und legte damit gleich kurz nach Start der Rechercheplattform einen wichti- gen Fokus auf ein Thema, das zuvor eher wenig Beach- tung fand. Über Jahrzehnte wurde in Österreich zu viel Boden verbaut, allein 2017 durchschnittlich mehr als 14 Hektar pro Tag. In den meisten Fällen bedeutet dies, dass wertvolle Acker- oder Wiesenflächen zu Wohn- oder Gewerbeflächen werden, wobei rund die Hälfte davon mit Beton oder Asphalt versiegelt wird. Addendum zeigte anhand zuvor nicht öffentlich gemachter Datensätze und Erklärtexten, wie sich die Konsequenzen Problematik im Laufe der Jahrzehnte entwickelt hat (für jede Gemeinde einzeln!) und in welchen Dimen- Lob und Anerkennung für Bodenprojekt sionen sie sich zeigt: So zehrt der Flächenfraß nicht nur an der Grundlage der heimischen Nahrungsmittel- Dass Addendum mit seinen Recherchen einen produktion, er verschärft auch das Risiko von Hoch- Nerv getroffen hatte, zeigte sich im Kommentar wassern. Denn versiegelter Boden kann Wasser nicht des Direktors des Instituts für Föderalismus, Peter halten und lässt es ungebremst in Richtung der großen Bußjäger, in den Vorarlberger Nachrichten am Flüsse durchrauschen. Die bildgewaltige Reportage 10. November 2017. Bußjäger sprach sich darin gegen „Land ohne Äcker – wenn der Boden verschwindet“ eine Zentralisierung der Raumordnung aus. Die Kleine zeigte die spannenden Zusammenhänge zwischen Zeitung Steiermark veröffentlichte auf Grundlage der den unterschiedlichen Flächennutzungsarten – Wald, Addendum-Recherchen am 13. November 2017 auf Acker, Siedlungsraum – auf unterhaltsame Weise ei- mehr als einer Seite einen Artikel mit der Schlagzeile nem breiteren Publikum bei ServusTV. „Bodenloser Verbrauch von Flächen“ inklusive eines aufrüttelnden Kommentars. Der Einzelne und die Gemeinschaft Im Allgemeinen bekam Addendum, das im Addendum leuchtete mit seinem Projekt „Platzver- November 2017 gerade erst begonnen hatte, auf brauch“ den Grenzbereich aus, der zwischen der Frei- sich aufmerksam zu machen, einiges an positivem heit des Einzelnen und den Interessen der Gemeinschaft Feedback für das Projekt „Platzverbrauch“. So wurde liegt: Also der Freiheit, sich ein Einfamilienhaus im Grü- es vom Herausgeber des Nachhaltigkeitsmagazins nen oder – als Unternehmer – Verkaufs-, Lager- oder Biorama, Thomas Weber, auf Twitter als „wichtiger Produktionsfläche auf bis dato unbebautem Gelände neu Schwerpunkt“ gelobt. zu erschaffen, und dem Interesse, der Bevölkerung als Ganzes ausreichend Platz für Landwirtschaft, Naherho- Schließlich zeigte sich die gesellschaftliche Relevanz lung, Naturschutz und andere Ziele zu erhalten. des Themas auch in einer Nominierung als „Story Deutlich wurde das Versagen der Politik, die die des Jahres“ bei den Österreichischen Journalismus- Raumordnungskompetenz grundsätzlich den kleinsten tagen 2018. Körperschaften der Republik, den Gemeinden und sei- nen durch die örtlichen Verflechtungen vorbelasteten Bürgermeistern überlässt, denen die Bundesländer oft Link zum Projekt www.addendum.org/platzverbrauch keine wirksamen Rahmen setzen.

60 | Addendum Noch immer werden Einkaufszentren am Stadtrand gebaut – mit enormem Platzverbrauch.

Impact Report | 61 Wissenschaftsjournalismus Wissenschaft vs. Haltung: Was wahr ist, muss wahr bleiben Addendum stellt gefühlten Wahrheiten nüchterne Fakten entgegen – egal ob bei Gentechnik, Glyphosat, Biolandwirtschaft, Atomkraft oder Klimawandel.

Addendum zeichnet sich dadurch aus, dass es brennende Gesellschaftsthemen von verschiedenen Seiten beleuchtet. Intensive Recherchen zielen darauf ab, Fakten statt Fake News zu bieten. Das hat Vorbildfunktion!“ Josef Moosbrugger, s gibt Themen, bei denen ganz Österreich in Präsident der Landwirtschaftskammer einhelliger Meinung vereint zu sein scheint. E Diese Meinung zieht sich dann durch alle Parteien und das Gros der Medien. Durch die nicht selten haltungsorientierte Berichterstattung des ORF sowieso. Dass die Stromerzeugung mittels Kern- Im Bereich Kernenergie setzte Addendum dem ös- energie jetzt und in alle Zukunft abzulehnen sei, steht terreichweiten Glaubenssatz das Projekt „Klimaretter in der nationalen Rangliste des Unantastbaren ganz Atomstrom“ entgegen. Mittels eines eigens entwor- oben, genauso wie die Annahme, dass Gentechnik in fenen „Ja, aber“-Formats beantwortete das Projekt der Landwirtschaft nichts verloren habe und die biolo- intuitive Fragen wie „Ist Strahlung nicht grundsätz- gische Landwirtschaft eine Option ohne Nachteile sei. lich gefährlich?“ oder „Was ist mit Tschernobyl und Solche landläufigen Narrative auf ihren Wahrheits- Fuku ­shima?“ Im selben Format wurden übrigens zum gehalt zu überprüfen, ist eines jener Wesensmerkmale, Thema Klimawandel die Einwände der Skeptiker weit- die sich seit Anbeginn durch die Addendum-Recher- gehend entkräftet. cheprojekte ziehen. Dabei geht es nicht darum, für gän- gige Meinungen jeweils eine Gegenmeinung zu entwer- fen. Vielmehr erklärt Addendum schlicht die Vor- und Konsequenzen Nachteile diverser Lösungsansätze. Schon im November 2017 setzte das Team der Impact: Addendum sorgt für Diskussionen allseits verbreiteten Angst vor dem Unkrautvernich- Einige Rezipienten werfen Addendum regelmäßig vor, tungsmittel Glyphosat die Frage entgegen: Was, wenn Teil einer Monsanto-, Gentechnik- oder Atomkraft- ein Verbot das größere Problem wäre? Der Text liefer- Lobby zu sein. Ein Gastkommentar in der Wiener te das, was die allermeisten Veröffentlichungen missen Zeitung griff die Addendum-Atomkraft-Recherche ließen: eine verständliche und tiefreichende Erklärung am 10. Oktober 2019 hingegen sachlich auf. der Verwendungsweisen von Glyphosat sowie eine Ein- ordnung scheinbar widersprüchlicher wissenschaft­ Aber vor allem in den sozialen Medien sorgen die licher Bewertungen seiner potenziellen Gefährlichkeit. Addendum-Beiträge zu naturwissenschaftlichen Fragestellungen für rege Diskussionen. Recherchen machen Umweltprobleme ­verständlich Die Reportage „Schöne neue Gentechnik – Revolution Mitte Juli 2018 fragte Addendum: „Gentechnik – in der Landwirtschaft“ unterhielt nicht nur das Servus- Wovor fürchten wir uns eigentlich?“ Und im darauffol- TV-Publikum, Addendum führte sie am 9. April 2019 genden Oktober: „Brauchen wir Pestizide?“ Aufwendig auch BOKU-Studierenden bei einer Veranstaltung des gestaltete Erklärvideos, Grafiken, Texte und TV-­ Verbands Sozialistischer Student_innen vor. Reportagen stellten eine Informationsgrundlage bereit, auf die bis heute zurückgegriffen und die immer wieder erweitert wird. Bis dahin wurde der Konsens unter Wis- senschaftlern, wonach Züchtung mittels Gentechnik im Links zu den Geschichten auf Addendum Vergleich mit herkömmlicher Pflanzenzüchtung keine www.addendum.org/gentechnik besonderen Risiken aufweist, in der österreichischen www.addendum.org/pestizide www.addendum.org/atomkraft/atomstrom/#these1 Medienlandschaft weitgehend ignoriert.

62 | Addendum Das Kernkraftwerk Olkiluoto liegt auf der Insel Olkiluoto an der Westküste Finnlands.

Impact Report | 63 Addendum-Zeitung Die Addendum-Zeitung Jedem Thema das passende Format: Seit Dezember 2018 gibt es Addendum auch in gedruckter Form.

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AddendumNR. 1, € 4,20 AddendumNR. 2, € 4,20 AddendumNR. 3, € 4,20 DIE ZEITUNG DIE ZEITUNG DIE ZEITUNG ÖSTERREICHISCHE POST AG — MZ 18Z041574 M MZ— 18Z041574 AG POST ÖSTERREICHISCHE REDAKTIONS GMBH., VERITAS QUO HALLEINER VADIS 5061 LANDESSTRASSE ELSBETHEN24, M MZ— 18Z041574 AG POST ÖSTERREICHISCHE REDAKTIONS GMBH., VERITAS QUO HALLEINER VADIS 5061 LANDESSTRASSE ELSBETHEN24, M MZ— 18Z041574 AG POST ÖSTERREICHISCHE REDAKTIONS GMBH., VERITAS QUO HALLEINER VADIS 5061 LANDESSTRASSE ELSBETHEN24, 03 02 9190001019680 9190001019680 9190001019680 Afrika nach Europa Bedingt studierfähig? Späte Bekenntnisse „Am Ende bleibt der Ansturm auf Europa so unvermeidlich, „Die zentrale Aufgabe der Universitäten heute ist die Hervorbringung „Kein Missbrauch darf jemals mehr vertuscht werden, wie es vor 150 Jahren der europäische Ansturm auf Afrika war.“ möglichst zahlreicher unfähiger Akademiker.“ wie dies in der Vergangenheit üblich war.“

(Stephen Smith ab Seite 16) (Stefan Weber ab Seite 14) (Papst Franziskus)

13 Ausgaben sind bisher erschienen. Dieser Tätigkeitsbericht folgt übrigens dem Format und Umfang der Addendum-Zeitung.

chon bei den ersten Besprechungen und Ideen dum.org finden sich in der Zeitung ausführliche Inter- zu unserer Rechercheplattform, die später views und Fotostrecken, Porträts und Kommentare S einmal den Namen Addendum tragen sollte, sowie belletristische Texte. gab es die Idee für ein Printprodukt in Form einer Zeitung oder vielmehr als gedruckten Newsletter Auf der Suche nach der Wahrheit – ganz simpel, einfärbig, als Beilagenformat für öster- Ein Fixpunkt ist, dem Namen der Stiftung – Quo reichische Tageszeitungen. Vadis Veritas – hinter Addendum entsprechend, die Die tatsächliche Machbarkeit in Produktion und Suche nach der Wahrheit. Diese findet in der Zeitung Verbreitung abzuklären, dauerte erheblich länger als nicht nur in Form von Recherchen statt, sondern auch bei unseren digitalen Formaten, und sowohl das End- als Annäherung von philosophischer und literarischer produkt als auch seine Distribution wichen dann kon- Seite. Jede Ausgabe beginnt mit einem Gespräch über zeptionell ein Stück von unserem ursprünglichen Ge- die Frage, die Pilatus der biblischen Überlieferung nach danken ab. Jesus gestellt hat: Was ist Wahrheit? In den bisheri- Im Dezember 2018 erschien dann die erste 80 Sei- gen Ausgaben haben etwa der Philosoph Konrad Paul ten starke Ausgabe mit dem Titel „Afrika nach Euro- Liessmann und die Philosophin Lisz Hirn, Rechtsvertre- pa“. Anlässlich des Afrika-Gipfels beschäftigte sie terinnen wie Helene Klaar, Wissenschaftler wie Anton sich mit der politischen und wirtschaftlichen Situation Zeilinger und Markus Hengstschläger und Schriftstel- Afrikas und deren Auswirkungen auf Europa. Seither lerinnen wie Renate Welsh und Sibylle Lewitscharoff widmet sich Addendum in diesem Format zehnmal im diese Frage zu beantworten versucht. Jahr einem politisch relevanten Schwerpunktthema. Parallel zur sonstigen journalistischen Leistung der Anders als die Digitalplattform bietet die Addendum- Organisation widmet sich die Zeitung ebenso dem, was Zeitung nicht nur ein haptisches Erlebnis. Sie ermög- in der traditionellen Medienlandschaft fehlt. Die Rub- licht andere Erzählformate, Gastbeiträge und so nicht rik „Wahr ist viel mehr“ greift Darstellungen auf, die in nur einen vertieften, sondern auch einen breiteren und der öffentlichen Wahrnehmung kaum mehr hinterfragt gefärbteren Zugang zu Themen. Anders als auf adden- werden, aber doch nicht die ganze Wahrheit sind.

64 | Addendum NICHT RETOURNIEREN NICHT RETOURNIEREN NICHT RETOURNIEREN

AddendumNR. 4, € 4,20 AddendumNR. 5, € 4,20 DIE ZEITUNG DIE ZEITUNG

AddendumNR. 6, € 4,20 DIE ZEITUNG ÖSTERREICHISCHE POST AG — MZ 18Z041574 M MZ— 18Z041574 AG POST ÖSTERREICHISCHE REDAKTIONS GMBH., VERITAS QUO HALLEINER VADIS 5061 LANDESSTRASSE ELSBETHEN24, M MZ— 18Z041574 AG POST ÖSTERREICHISCHE REDAKTIONS GMBH., VERITAS QUO HALLEINER VADIS 5061 LANDESSTRASSE ELSBETHEN24, 05 9190001019680 04 9190001019680 Wo geht’s hier nach links? Ach, Europa! „Die Linke hat seit Jahrzehnten fast immer gesiegt. Sie sitzt in den meisten Machtpositionen, das ist ihr nicht gut „Europa ist ein Projekt von Riesen, bekommen. Sie verhält sich so, wie Mächtige sich meistens verhalten, denkfaul, arrogant und autoritär.“ das zu oft Zwergen anvertraut wurde.“

(Harald Martenstein, Seite 22) (Camille Pascal, Seite 38) ÖSTERREICHISCHE POST AG — MZ 18Z041574 M MZ— 18Z041574 AG POST ÖSTERREICHISCHE REDAKTIONS GMBH., VERITAS QUO HALLEINER VADIS 5061 LANDESSTRASSE ELSBETHEN24,

NICHT RETOURNIEREN 06 9190001019680

AddendumNR. 7, € 4,20 DIE ZEITUNG Macht Moral Politik? „Ich habe viele Negativkampagnen durchgeführt, die Teil des demokratischen Prozesses sind. Ich sehe daran nichts Falsches.“

(Tal Silberstein, Seite 22)

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AddendumNR. 8, € 4,20 DIE ZEITUNG Wählen wir wirklich? ÖSTERREICHISCHE POST AG — MZ 18Z041574 M MZ— 18Z041574 AG POST ÖSTERREICHISCHE REDAKTIONS GMBH., VERITAS QUO HALLEINER VADIS 5061 LANDESSTRASSE ELSBETHEN24, 07 ÖSTERREICHISCHE POST AG — MZ 18Z041574 M MZ— 18Z041574 AG POST ÖSTERREICHISCHE REDAKTIONS GMBH., VERITAS QUO HALLEINER VADIS 5061 LANDESSTRASSE ELSBETHEN24, 9190001019680 9190001019680 08

„Man wird weniger intelligent, wenn man sich vollkommen mit einer Gruppe identifiziert.“ Heimat. Liebe. Heimat. „Dinge, die wir kennen, empfinden wir als schön.“ (Otto F. Kernberg, ab Seite 42) (Stefan Sagmeister, ab Seite 28)

Sachlicher, faktenbasierter Journalismus ist die Grundlage für politische Meinungsbildung und damit eine Säule der Demokratie. Danke an Addendum für das Bemühen um die Fakten, die Qualität der Information und den Beitrag zum politischen Diskurs.“ Karl-Heinz Grundböck, MA, Sprecher der Parlamentsdirektion

Impact Report | 65 Addendum-Zeitung

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AddendumNR. 10, € 4,20 AddendumNR. 9, € 4,20 DIE ZEITUNG DIE ZEITUNG ÖSTERREICHISCHE POST AG — MZ 18Z041574 M MZ— 18Z041574 AG POST ÖSTERREICHISCHE REDAKTIONS GMBH., VERITAS QUO HALLEINER VADIS 5061 LANDESSTRASSE ELSBETHEN24, ÖSTERREICHISCHE POST AG — MZ 18Z041574 M MZ— 18Z041574 AG POST ÖSTERREICHISCHE REDAKTIONS GMBH., VERITAS QUO HALLEINER VADIS 5061 LANDESSTRASSE ELSBETHEN24, 10 09 Schönheit „Es geht bei der Schönheit darum, etwas mit unglaublicher Sorgfalt zu tun.“ 9190001019680 9190001019680 (Bjarke Ingels, ab Seite 28) Opfer? Held! Warum das Opfer die stärkste Position hat.

(S. 12)

Literarische Annäherung Der Vorarlberger Literat Michael Köhlmeier steuerte im ersten Jahr zu jeder Ausgabe eine Kurz- geschichte bei, die sich der Frage nach der Wahrheit Das New Yorker Büro des Vorarlbergers Stefan Sagmeister literarisch näherte: über Menschen, die in Lebenslügen gestaltet die Addendum-Zeitung. gefangen sind und ihre persönliche Wahrheit suchen. Ein Sammelband dieser Kurzgeschichten erschien im Dezember 2019 in unserer Edition QVV mit dem Titel mester lang Gender-Studies-Lehrveranstaltungen, um „Nichts als die Wahrheit“. festzustellen, ob deren Studenten wirklich so liberal Im zweiten Jahr widmet sich dieser Aufgabe die und weltoffen sind, wie sie von sich sagen, oder ob sich Grazer Schriftstellerin Valerie Fritsch, deren aktuel- dort nicht vielmehr eine Opfermentalität breitgemacht ler Roman „Herzklappen von Johnson & Johnson“ die hat. Der Artikel zog intensive Diskussionen nach sich. Kritik begeistert. Ebenfalls viele Reaktionen rief die Addendum-Be- richterstattung über den Immobilientycoon René Ben- Das, was fehlt ko hervor. Eine Folgewirkung darauf zeigt, dass eine Als Österreich in Aufruhr über das Ibiza-Video war, solche bisher tatsächlich gefehlt hat und dass nicht alle vermutete Sebastian Kurz öffentlich Tal Silberstein als Medien daran interessiert sind, das zu ändern: Als die Drahtzieher. Addendum lud den Politikberater ein, sei- Verantwortlichen beim Kurier das Inhaltsverzeichnis ne Sicht auf Moral und Politik darzulegen und publizier- mit Verweis auf die Benko-Reportage gesehen hatten, te damit auch als erstes Medium einen ausführlichen widerriefen sie die Vereinbarung, die Addendum-Zei- Text von Silberstein selbst mit einer Stellungnahme, tung dem Kurier beizulegen. dass er mit dem Ibiza-Video nichts zu tun habe. Auch aufwendige Recherchen und Selbstversuche Design by Stefan Sagmeister u. v. m. finden Platz in der Addendum-Zeitung. Addendum- Das Auge liest mit. Layout, Illustration und künst- Gründungsmitglied Anna Schneider, die inzwischen lerische Gestaltung sind bei Addendum sehr wichtig: zur NZZ nach Berlin gewechselt ist, besuchte ein Se- Die Installationskünstlerin Esther Stocker gestaltete

66 | Addendum NICHT RETOURNIEREN NICHT RETOURNIEREN

AddendumNR. 11, € 4,20 AddendumNR. 12, € 4,20 DIE ZEITUNG DIE ZEITUNG ÖSTERREICHISCHE POST AG — MZ 18Z041574 M MZ— 18Z041574 AG POST ÖSTERREICHISCHE REDAKTIONS GMBH., VERITAS QUO HALLEINER VADIS 5061 LANDESSTRASSE ELSBETHEN24, ÖSTERREICHISCHE POST AG — MZ 18Z041574 M MZ— 18Z041574 AG POST ÖSTERREICHISCHE REDAKTIONS GMBH., VERITAS QUO HALLEINER VADIS 5061 LANDESSTRASSE ELSBETHEN24, 11 12 9190001019680 9190001019680 Maske und Macht Im Ausnahmezustand „Man möchte gerne ein anderes Tier sein, „Wenn der Spuk vorbei ist, wird die Kritik als man selber ist.“ an den Maßnahmen kommen.“

(Thomas Macho, ab Seite 18) (Rudolf Burger, ab Seite 46)

die Ausgabe zum Thema „Schönheit“, der Fotokünstler Robert Staudinger setzte die Fotostrecken zu den The- men „Opfer und Helden“ und „Maske und Macht“ um. Das New Yorker Designstudio Sagmeister & Walsh hat nicht nur eine Reihe von Illustrationen verantwor- tungsvoll gezeichnet, sondern auch für das grund- legende Design insgesamt. Als Addendum bereits in der Konzeptphase für den monatlich erscheinenden Print-Newsletter steckte, befand sich der gebürtige Link www.addendum.org/zeitung Vorarlberger Stefan Sagmeister in einem seiner perio- dischen Sabbaticals, in dem er keine Aufträge annimmt und erst recht nicht abwickelt. Herausgeber Michael Fleischhacker konnte dennoch ein erstes Vorgespräch Addendum – die Zeitung mit ihm führen und einen gemeinsamen Zeitplan ent- wickeln, das neu entstehende journalistische Produkt • Zeitungsdruck, geheftet, vierfarbig und meistens von seinem Büro gestalten zu lassen. 80 Seiten stark Jessica Walsh, Stefan Sagmeister und ihr Team • Auflage: durchschnittlich ca. 200.000 Stück lieferten im Herbst 2018 einen umfassenden Katalog an Stilen für Informationsgrafiken, Illustrationen und • Vertrieb: Mitgliedschaft, Abonnement, als auch ein neues Logo für Addendum, das in Kürze auch Beilage zu Tages- und Wochenzeitungen, Trafik, auf allen anderen Kanälen zum Einsatz kommen soll. Zeitschriftenhandel Den endgültigen Schliff erhielt die Addendum-Zeitung • Fixpunkte: Schwerpunktthema (40 Seiten), für die erste Ausgabe Ende 2018 dann in Wien, durch Pilatus-Projekt, Wahr ist viel mehr, Addendum- Sig Ganhör (NTRP Design) und unseren Kreativdirek- Rechercheprojekte, Kurzgeschichte eines/-r tor Hubertus Schwarz. Edith Heigl hat die Artdirection Schriftstellers/-in in der laufenden Produktion übernommen.

Impact Report | 67 Relaunch / Selbsterzählende Geschichten addendum.org 2.0 Im Zentrum unserer Digitalplattform, die alle Kanäle (Newsletter, YouTube, Spotify etc.) und Fremdplattformen (Facebook, Twitter etc.) umfasst, steht die Website addendum.org. Diese wurde soeben generalüberholt.

ls Addendum – der Name wurde erst im September 2017 bekannt gegeben – noch A als Quo Vadis Veritas Redaktions GmbH am 3. April 2017 seinen Betrieb aufnahm, gab es ein leeres Interimsbüro und fünf Menschen mit Laptops. Wir starteten ein neues Medienhaus, das als Herz seiner inhaltlichen Verbreitungstätigkeit eine Digital- plattform konzipiert hatte. Allein, diese Architektur aus Website, Newsletter, Social-Media-Kanälen etc. addendum.org 2020 pp. existierte zu dem Zeitpunkt nicht einmal auf dem Papier. Wir hatten noch niemanden mit den nötigen Fähigkeiten rekrutiert, kein Konzept, noch lange kein Pflichtenheft und auch keine Agentur für die Program- mierung. Wir starteten aus dem Nichts und wollten möglichst bald online sein. Binnen zweier Monate ge- lang es uns, alle Voraussetzungen zu schaffen, um im Zeitraum Juni bis August entwickeln zu können. Mit unserer späteren Head of Digital Product De- velopment Michaela Schmalzl, vi knallgrau und abss interactive als Agenturen und den externen Screende- signern Markus Nowak und Tom Enzi gelang es uns in weniger als vier Monaten, am 25. September 2017 on- addendum.org 2017 line zu gehen. Das ist für ein Projekt dieser Größenord- nung ein sehr kurzer Zeitraum, der wenig Spielraum dafür lässt, konzeptionelle Zugänge oder Content-Ma- Kreativdirektor Hubertus Schwarz, der Addendum na- nagement-Systeme zu evaluieren. Entscheidungen türlich inwendig kennt und dabei einen für vergleich- mussten schnell und pragmatisch fallen, aber die erste bare Medien einzigartigen Zugang fand. Version von addendum.org brauchte den Vergleich mit Als Basiselement unserer Bildsprache dient das dem Medienmarkt nicht zu scheuen. Quadrat, das es uns erlaubt, über alle Kanäle (Face- book, Instagram usw.) konsistent zu kommunizieren. Nach dem Launch ist vor dem Relaunch Auch der immer intensiveren Nutzung über mobile Trotzdem erkannten wir in den ersten beiden Jah- Endgeräte wird mit diesem Format ein großer Stel- ren des Betriebs, dass Informationsarchitektur und lenwert eingeräumt. Unsere Projekte verhalten sich Screendesign nicht alle unsere Anforderungen hin- strukturell und optisch wie Playlists auf Spotify, sie sichtlich Usability und unsere Ziele im Hinblick auf in- bestehen aus einzelnen Tracks, also Artikeln, die zu- novative Darstellungsformen erfüllen würden können. sammengewürfelt aus vier Kacheln ein neues Quadrat Mitte 2019 starteten wir dann mit Oliver Reichen­ ergeben. In einem farblich und ornamental leerge- stein (iA.net), einem ausgewiesenen internationalen räumten Raster sollten unsere Projekte und vor allem Experten für digitales Medienbranding, ein Konzept auch die speziell entwickelten Darstellungsformate, zur Neuausrichtung von addendum.org. Dabei hatten Datenvisualisierungen und Storytelling deutlicher und wir vor allem ein Ziel vor Augen: unsere digitalen Auf- verständlicher wirken als bisher. tritte möglichst klar und noch besser verständlich zu Ob das tatsächlich so ist, können Sie vielleicht jetzt machen – immerhin sind unsere Rechercheprojekte schon überprüfen. Während dieser Tätigkeitsbericht oft komplex genug. Das neue Design entwickelte unser ausgeliefert wird, geht addendum.org 2.0 online.

68 | Addendum Für jeden eine andere Geschichte Addendum versucht der Wirklichkeit mithilfe von Recherche und Datenanalyse so nahe wie möglich zu kommen. Dafür werden einige Artikel so entwickelt, dass User je nach Wohnort, Alter oder Geschlecht individuell auf sie ­abgestimmte Informationen lesen können.

‚Mit Schlagzeilen erobert man Leser, mit Informationen behält man sie‘, wusste bereits der britische Zeitungsverleger Alfred Harmsworth. Gut recherchierte Informationen sind es auch, die sich Addendum als Ziel und Maxime selbst auferlegt hat. Namens des Landes Kärnten gratuliere ich dem Addendum-Team herzlich zum dreijährigen Jubiläum.“ Dr. Peter Kaiser, Landeshauptmann von Kärnten

nd wie betrifft mich das?“ – das ist eine jener ortes geladen wird. Von den Rohdaten bis zur Auslie- Fragen, die Addendum versucht bei gesell- ferung schrumpft die Datenmenge in diesem Fall von U schaftlich relevanten Themen zu beantwor- mehreren Gigabyte auf 2,2 Kilobyte. Zudem gilt es ten. Auf diesen personalisierten, interakti- sicherzustellen, dass die Anzeige in verschiedensten ven Journalismus setzen wir aus drei Gründen: Browservarianten funktioniert und das Design sich je - Maßgeschneiderte Informationen führen zu besseren, nach Bildschirmgröße vom Smartphone zum Desktop informierten Entscheidungen. anpasst. Da der Großteil der Leser Addendum auf dem - Eine personalisierte Perspektive auf gesellschaftliche Smartphone konsumiert, hat die Darstellung darauf in Themen hilft dem Meinungsbildungsprozess: Wie be- der Entwicklung Vorrang. Das Format ist die Weiter- treffen mich Themen persönlich, etwa Landflucht entwicklung von sogenannten „News Apps“, die wir oder der Klimawandel? Wo stehen Menschen wie ich seit dem Start von Addendum publizieren. Wesent- selbst in der Welt, etwa was die Gehaltsschere lichster Fortschritt ist, dass die personalisierten Infor- zwischen Männern und Frauen oder Krebsraten nach mationen, statt nur angezeigt zu werden, auch in der Altersgruppen betrifft? Geschichte verwoben sind. - Mehr Relevanz: Personalisierter Journalismus ist näher an der Lebensrealität der Leser. So haben wir beispielsweise die Entwicklung der Zahl der Polizi- sten regional aufbereitet – bundesweite Zahlen sind in dieser Hinsicht weniger relevant als lokale Trends. Die Entscheidung für personalisierte Geschichten birgt für die Redaktion mehrere Herausforderungen. Es erfordert das Zusammenspiel eines multidisziplinären Teams. Für Addendum arbeiten deshalb Journalisten, Entwickler, Designer und Statistiker eng zusammen. Ohne diese Breite an Fachwissen wäre das Umsetzen interaktiver Formate nicht möglich. Nur so können Ar- tikel, die sich etwa nach Eingabe der Heimatgemeinde vollständig neu schreiben, entstehen.

Von Gigabyte zu Kilobyte Technisch erfordert es viele Kniffe, damit auf Smartphones Daten in annehmbarer Zeit geladen werden. Für das Anzeigen der historischen Tempera- turveränderungen je Gemeinde (Schwerpunkt Klima) etwa liegt im Hintergrund für jede der über 2.000 Wie pendelt Österreich? Die individualisierte Gemeinden eine Datei, die nach Eingabe des Heimat- Datenaufbereitung gibt Auskunft.

Impact Report | 69 Storytelling Innovative Erzählformen Geschichten, wie sie nie zuvor erzählt worden sind.

Persönlich glaube ich ja eher nicht, dass der Journalismus in der Krise steckt. Davon könnte man höchstens in Bezug auf einen gewissen journalistischen Messianismus reden. Sehr wohl in der Krise steckt jedoch das unabhängige wirtschaftliche Fundament für guten Journalismus. Die analogen Modelle der Vergangenheit taugen nicht mehr, und Garantien, dass die neuen digitalen die gewünschten Resultate bringen werden, gibt es nicht. Das zwingt uns alle zu Versuch und Irrtum, was wiederum Mut und Neugier verlangt, worunter ich insbesondere Mut gegen den Drang nach Geschwindigkeit und Instant-Meinung sowie die Neugier auf A­ ntworten auch jenseits der ohnehin dicht befahrenen Meinungsautobahn verstehen will. Über beides verfügen die Addendum-­Macher in beneidenswerten Überfluss. Dafür meine Hochachtung an das abenteuerlustige Team.“ Dr. Walter Hämmerle, Chefredakteur der Wiener Zeitung

ine Darstellung, die es so noch nicht ge- tage. Deren Herzstück war die Rekonstruktion dreier geben hat: Dieser Anspruch ist seit dem Fälle, bei denen zunächst übersehen wurde, dass es E ersten Projekt eine der zentralen Säulen, sich um Morde handelt. auf denen die Geschichten von Addendum Unser interaktives Feature erzählt diese Geschich- bauen. Bei jedem Projekt fragen wir uns aufs Neue: ten in Form einzelner Slides, die jeweils eine Sinneinheit Welche Darstellung könnte aus dem Rahmen des Ge- darstellen und von Bildern über Videos und Grafiken wohnten ausbrechen? bis hin zu interaktiven Elementen den Leser selbst ent- So erzählen wir nicht nur in Text und Bild, sondern decken lassen, was die Gerichtsmedizin übersehen hat. auch in immersiven und interaktiven Formaten, die unsere Leser fesseln und, mit etwas Geschick, klüger Atomkraft als Klimaretter? Ja, aber … entlassen, als sie zuvor waren. Atomstrom als möglicher Klimaretter – eine kon- troverse These, besonders in Österreich. Was ist mit Blackout als audiovisuelle Graphic Novel Tschernobyl und Fukushima? Wohin soll der Atommüll? Bei einem überregionalen Stromausfall bricht bin- Und sind Atomkraftwerke überhaupt zukunftsfähig? nen weniger Tage die komplette Versorgung zusam- Genau bei diesen Bedenken wollten wir die Le- men, das zeigen zahlreiche Studien. Wir haben darauf ser abholen. Unser Feature koppelt skeptische Fragen basierend die Auswirkungen eines fiktiven Blackouts ­direkt mit einer faktenbasierten Antwort. Der provo- im Pinzgau in einem Multimedia-Feature dargestellt. kant formulierte Einstieg „Ja, aber was ist mit ...?“ in Dabei gestalteten wir anhand der Eskalations­ Kombination mit einer intuitiven Swipe-Navigation spirale, die die Studie zeichnet, eine audiovisuelle Gra- macht Lust auf die Entdeckung der Argumente und phic Novel. Szene für Szene führen wir darin vor, was weitere Auseinandersetzung mit dem Thema. bei einem flächendeckenden Stromausfall passieren kann: angefangen bei Skiliften, die auf halber Strecke Addendum nonstop stecken bleiben, bis hin zu Nahrungsmittelknappheit Neben innovativen Erzählformaten bieten wir un- und der Notschlachtung von Milchkühen. Begleitet seren Usern eine Funktion, die es ermöglicht, genau werden diese Szenen von Hörspiel-Elementen, die auch an der Stelle weiterzulesen, an der man zuvor aufge- zur Atmosphäre beitragen. hört hat – das Feature „seamless reading“. Eingelogg- te User können unsere Inhalte in der Community jetzt Interaktive Kriminalreportage „seamless“, also nahtlos konsumieren: Der aktuelle Le- Schlampige Totenbeschau, marode Gerichtsmedi- sestand wird automatisch gespeichert und ermöglicht zin und drei Morde, die fast übersehen wurden: Davon es, später genau dort wieder einzusteigen – auch auf berichteten wir in einer mehrteiligen Kriminalrepor- einem anderen Gerät.

70 | Addendum Impact Report | 71 YouTube Addendum auf YouTube Das, was fehlt in bewegten Bildern.

39.000 Aufrufe

ouTube ist in allen Altersklassen die wichtigs- te Bewegtbildplattform in Österreich. Jeder Y zweite Österreicher schaut sich Videos auf der beliebten Plattform an. Davon nutzt ein Drittel die Plattform sogar täglich (12 %) oder mehr- mals pro Woche (20 %). Seit Anfang 2018 wird der Addendum 4 Minuten – große Themen, kurz erklärt Addendum-Kanal auf Youtube aktiv betrieben. Und die Entwicklung kann sich sehen lassen. Mit 13.100 Abon- nenten und insgesamt mehr als 5,5 Millionen Video- aufrufen zählt der Auftritt in Österreich im Vergleich zu anderen relevanten Medienhäusern mittlerweile zu den größten. Vor allem der inhaltliche Mix aus längeren Repor- tagen und Erklärvideos hat sich bewährt. Für uns bleibt jedoch klar: Ob Reportagen, Erklärvideos oder Inter- views, wir suchen „das, was fehlt“. Die drei meistgesehenen Videos waren allesamt Reportagen bzw. Ausschnitte davon. Das Top-Video Sonstige wichtige Kennzahlen des YouTube-Kanals im Überblick mit 970.000 Aufrufen war jenes zur Sterbehilfe. Da- rin wurde ein Ehepaar begleitet, das Sterbehilfe in Unsere Top 3 der durchschnittlich am längsten gesehenen Videos Anspruch nahm (siehe S. 48). Unser TV-Team hat das Doku Streit ums Impfen (19 Minuten) Paar auf seinen eigenen Wunsch mit der Kamera be- Diesel und Elektro – Autovergleich (17:47 Minuten) gleitet. Platz 2 belegt ein Video aus unserer Reporta- Doku zu Blackout (16 Minuten) ge zur Bestattung mit knapp 860.000 Aufrufen, und unsere Reportage zur Bettlermafia in Österreich war mit 404.000 Aufrufen das drittmeistgesehene Video. Unsere Top 3 nach Anzahl der Kommentare Das Top-Video unter unseren Explainervideos war „Wir fahren jetzt zum Sterben nach Liestal“ mit über 260.000 Aufrufen jenes zur Geschichte des (2.800 Kommentare, 11.000 „Mag ich“-Bewertungen) Antisemitismus. Das zweitmeistgesehene Video in die- Islamische Einflüsse an Schulen ser Rubrik ist mit über 89.000 Aufrufen „Wer fürchtet (1.700 Kommentare, 6.000 „Mag ich“-Bewertungen) sich vor der CO2-Steuer?“ aus der „4 Minuten“-Video- Woher der Hass auf Juden kommt serie. Platz 3 belegt mit 40.000 Aufrufen ein Explainer (1.300 Kommentare, 1.600 „Mag ich“-Bewertungen) zur Sicherheit unserer Pensionen (auch aus der „4 Mi- nuten“-Serie). Bei diesen Zahlen ist klar: Addendum ist auf You- Anzahl „4Minuten“-Videos

Tube in Österreich mittlerweile eine relevante Medien- 7x (CO2- Steuer, Pensionen, Kalte Progression, Geheimdienste, marke geworden. Insgesamt 17.000 Kommentare und Recht, Fliegen, Pendlerpauschale) 45.000 Gefällt-mir für die mehr als 200 Videos stellen Most Views: CO2 (90.000 Views), Pensionen (39.000), unter Beweis, dass unsere Inhalte nicht nur auf Inter- Kalte ­Progression (23.000) esse stoßen, sondern auch zur Diskussion anregen.

72 | Addendum 50.000 Aufrufe 1.000 Aufrufe

Doku: Streit ums Impfen Corona: Der Weg zurück zur „Normalität“

970.000 Aufrufe

„Wir fahren jetzt zum Sterben nach Liestal.“ Ein Ehepaar wird beim Freitod begleitet.

Der YouTube-Kanal von Medienhäusern im Vergleich

Abonnenten Kanal Ich gratuliere Addendum zum 3-Jährigen. Addendum 13.100 6.000.000 Eine neue Qualität der journalistischen Falter 8.800 4.400.000 Durchdringung und Aufbereitung. Correctiv 7.800 1.600.000 Unerschrocken, mutig, sorgfältig. Salzburger Nachrichten 7.200 8.500.000 Dranbleiben! #heiterweiter“ Kleine Zeitung 3.100 5.100.000 Matthias Strolz, NEOS-Gründer, Ex-Klubomman, diepressecom 800 315.000 Buchautor, Coach und Moderator Republik 100 10.000

Impact Report | 73 Kooperationen Datennetzwerk Österreich Unsere lokalen Kooperationspartner liefern uns Geschichten zu unseren Daten.

ie sehr ist der Boden Ihrer Gemeinde eigentlich versiegelt?“ war die Kernfra- Landflucht überall und auf den Titelblättern W ge eines der ersten Addendum-Daten- Unsere Reports wurden für ca. 50 Beiträge in Mantel- projekte im Herbst 2017. Das Datenjour- und Regionalausgaben verwendet, jeweils ergänzt nalismus-Team hat dafür eine Vielzahl an Daten aus um lokale Storys. Mit dabei waren die Kleine Zeitung verschiedenen Quellen visualisiert und als interaktive Kärnten und Steiermark, die Oberösterreichischen Grafik aufbereitet. Der Leser/User konnte seine Ge- Nachrichten (OÖN), die Burgenländische meinde eingeben und bekam die Daten zur Bodenver- Volkszeitung (BVZ) und die Niederösterreichischen siegelung der Gemeinde angezeigt – eine Geschichte, Nachrichten (NÖN). Die Vorarlberger Nachrichten die jeden Österreicher betrifft. In weiteren Teilen des hoben die Story auf das Titelblatt und konfrontierten Projekts haben wir uns mit dem Anteil von Waldflä- den Landeshauptmann mit den Daten. Für Osttirol chen und landwirtschaftlichen Flächen auseinander- titelte das Onlinemagazin Dolomitenstadt: „Zahlen gesetzt, ebenso mit Zersiedelung und Shoppingcen- widerlegen den Osttiroler Heimkehrermythos“. tern in der Einöde. Es war offensichtlich, dass noch viel mehr Geschichten in diesen Daten schlummern. Seither gab es Kooperationen zu Themen wie Wo sind die Ausreißer in den Daten – und warum? Pendler, Bestattungskosten, Kinderbetreuung, der Hat es mit dem österreichischen Föderalismus zu tun Kriminalitätsstatistik, Frauen am Arbeitsmarkt und oder mit lokalen Besonderheiten? Spontan ergab sich einiges mehr. Es wurde Zeit, die Kooperation auf das die Idee, die Daten für die Steiermark an die Kleine nächste Level zu bringen. Zeitung weiterzugeben, die dem Platzverbrauch dann eine Doppelseite und einen Kommentar in ihrer Steier- Datennetzwerk Österreich mark-Ausgabe widmete. Im Frühjahr 2019 kontaktierten wird die Chefredak- teure der Bundesländerzeitungen sowie der Presse, Daten initiieren Lokaljournalismus der Wiener Zeitung und Dolomitenstadt mit der Idee So begann eine Kooperation mit Österreichs Bun- einer organsierteren Form der Kooperation. Unser desländerzeitungen, deren Expertise für ihr Bundes- Ziel ist es, Sachverhalte aus ganz Österreich, die land und dessen Regionen konkurrenzlos ist. Unser Ziel, im Argen liegen, mit gemeinsamen Ressourcen zu durch ein Zusammenspiel von Daten- und Lokaljourna- bearbeiten. Benannt wurde der Zusammenschluss lismus mehr Relevanz und Impact in ganz Österreich zu „Datennetzwerk Österreich“, und für den Kickoff schaffen, erreichten wir erstmals flächendeckend mit luden wir in die Addendum-Redaktion in Wien zu dem unserem Projekt zum Thema Landflucht (S. 12). einem eintägigen Workshop. Neben praktischen Im Vorfeld der Veröffentlichung hatte das Team eigene Themen wie Datenvisualiserungen und Excel wurden Reports für jedes Bundesland erstellt, in dem Daten auch Auskunftsbegehren an den Staat diskutiert, zu den Gemeinden mit dem Top-Heimkehrer-Quoten, und es wurde an gemeinsamen Projekten gefeilt. Die Gründen der Heimkehrer oder auch der ausbleibenden ersten gemeinsamen Projekte zu den Pendlern (S. 28) Heimkehrer gelistet waren. in Österreich und zum Seezugang (S. 16) der größten österreichischen Seen wurden seitdem bereits sehr erfolgreich umgesetzt. Damit auch Addendum-Leser Timeline die Geschichten zu den Daten zu lesen bekommen, wurde eine Möglichkeit zur Einbindung auf der • Erste Kooperationen im November 2017 Website programmiert. Das nächste Arbeitsmeeting • Landflucht im Dezember 2018 als Benchmark-Projekt des Datennetzwerk Österreich findet im Frühsommer 2020 bei den Salzburger Nachrichten statt, • Workshop Gründung des Datennetzwerk Österreich erstmals mit einer externen Panelistin: Die vielfach im Sommer 2019 ausgezeichnete Datenjournalistin Marie-Louise • Nächster geplanter Workshop 3. April 2020 mit Timcke wird von ihren Projekten und ihrer Tätigkeit Marie-Louise Timcke von Funke Interactive bei Funke Interaktiv erzählen.

74 | Addendum Workshop des Datennetzwerk Österreich in der Addendum-Redaktion

Mit dabei waren neben den Addendum-Datenspezialisten Redakteure der Bundesländerzeitungen, der Presse und der Online-Zeitung Dolomitenstadt.

Ich weiß eigentlich nicht wirklich, was Addendum ist. Irgendwie was anderes. Bildet. Wie ein multimedialer ,Die Zeit‘-Artikel. Macht nichts, wenn man ihn nicht gelesen hat, ist aber trotzdem schade, ihn versäumt zu haben.“ Johannes Kopf, Vorstandsmitglied des AMS Österreich

Impact Report | 75 Events Neigungsgruppe Addendum Immer im Austausch: Addendum-Mitgliedern geht der Gesprächs- und Lesestoff nie aus.

ls Rechercheplattform war es für uns immer wesentlich, dass wir mit denjenigen, die uns A lesen, hören oder sehen auch im Austausch stehen. Gemeinsam mit unseren Rezipienten bilden wir so etwas wie eine Neigungsgruppe Wahr- heit. Wir sind ihr immer auf der Spur und werden sie trotzdem nie einholen können. Gemeinsam können wir aber zumindest den Weg dorthin rekonstruieren.

Im Netzwerk der Whistleblower Dafür gibt es bei Addendum einen ganz hoch- schwelligen Zugang, einen vertraulichen Kontakt der höchsten Sicherheitsstufe über SecureDrop. Diese Lö- sung markiert de facto den Goldstandard für Whistle- schen Idealismus, Ideologie und Politik oder „einfach“ blower und ermöglicht bei ordnungsgemäßer Verwen- eine Blattkritik, um das erste Jahr Addendum in Print dung eine vollkommen anonymisierte Übermittlung Revue passieren zu lassen. von Daten. Aber auch über sichere mobile Verbindun- Bisherige Gäste waren unter anderem die beiden gen (Threema, Signal) kann mit unserem Investigativ- damals amtierenden Minister Wolfgang Peschorn (In- Team kommuniziert werden. neres) und Thomas Starlinger (Verteidigung), Islamkri- tiker Hamed Abdel-Samad, die Edition-QVV-Autoren Community und Mitgliedschaft Michael Köhlmeier und Susanne Wiesinger oder auch Für den tagtäglichen Austausch von Informatio- die Philosophin Lisz Hirn. Wünsche der Mitglieder, nen, für Hinweise oder einfach nur Feedback gibt es doch auch einmal Universitätsprofessor Konrad Paul natürlich auch wesentlich einfachere Formate. Liessmann oder Innenpolitik-Journalistin (und Außen- Die Registrierung auf unserer Website, um über die politik-Expertin) Anneliese Rohrer einzuladen, konnten Kommentarfunktion Austausch mit unserer Redaktion ebenfalls erfüllt werden. zu beginnen, ist kostenlos. Für die ordentliche Mitglied- Durchschnittlich 50 bis 70 Teilnehmer fanden sich schaft bei Addendum erlauben wir uns eine Kleinigkeit regelmäßig bei unseren Veranstaltungen in der Adden- zu berechnen. Für 89 Euro pro Jahr (inkl. USt.) erhalten dum-Redaktion bisher immer ein, um mit unseren Gäs- Mitglieder aber alle Ausgaben der Addendum-Zeitung, ten auf dem Podium zu diskutieren – immer lebhaft, mindestens zwei Bücher aus unserem Verlag und vor häufig auch fortgesetzt bei einem Glas Wein lange nach allem exklusive Einladungen zu unseren Veranstaltun- Ende der Veranstaltung. gen in der Redaktion. An diejenigen Mitglieder, die in den Bundesländern leben oder am Veranstaltungstag verhindert waren, Unsere Veranstaltungen in der Addendum-Redaktion wurde natürlich auch gedacht: Tonmitschnitte sowie Mit dem Start der Addendum-Zeitung wurde auch eine inhaltliche Kurzzusammenfassung des Abends die „Mitgliedschaft in der Neigungsgruppe Addendum“ werden regelmäßig in einer Newsletter-Aussendung eingeführt. In deren Rahmen steht unseren Mitgliedern an den gesamten Kreis der Mitglieder verschickt. ein vorreservierter Platz bei unseren Veranstaltungen Archiviert werden sie im Mitgliederbereich, wo sie zu- zu – ein Angebot, das unsere Inhalte online und in der sammen mit den Veranstaltungsfotos für Mitglieder Zeitung um den persönlichen Aspekt ergänzt. abrufbar bleiben. Ein- bis zweimal im Monat laden wir Gäste und Mitglieder in unsere Redaktionsräumlichkeiten ein. Im Zentrum des Geschehens: Diskussionen zu aktuellen Links Inhalten aus unserer Zeitung, wie etwa die Studier(un) www.addendum.org/mitgliedschaft www.addendum.org/vertraulicher-kontakt fähigkeit, Gespräche zu philosophischen Fragen zwi-

76 | Addendum V. l. n. r.: Veranstaltungen mit Hamed Abdel-Samad, Thomas Starlinger, Hannah Lutz und Stefan Weber.

Michael Köhlmeier bei der Buch- präsentation von „Nichts als die Wahrheit“.

Impact Report | 77 Podcasts Addendum zum Anhören und Addendum-Podcasts Der Journalismus entdeckt die Audioformate wieder. Spannende Geschichten regen das Kopfkino der Addendum-User an.

it der permanenten Präsenz von Smart- phone und Kopfhörern in unserem Alltag M und hohen Userzahlen auf Plattformen wie Spotify und Podcast-Services sind Audio Die Addendum-Podcasts und Voice bei der Mediennutzung wieder in den Vor- und Addendum zum dergrund gerückt. Anhören sind auf allen Aus diesem Grund wurden von Beginn an unsere wichtigen Podcast- Plattformen (Spotify, Addendum-Artikel von Sprechern im Studio einge- Apple Podcasts, Google lesen und diese Audiofiles zuerst nur auf Addendum. Podcasts) und unter org, später auch auf anderen Kanälen zur Verfügung addendum.org/audio gestellt. Mit Erfolg: Über 350 Episoden sind verfügbar, zu finden. und knapp 56.000 Hörer wurden damit erreicht. Diese können die Audio-Artikel über Plattformen wie Spoti- fy, Apple Podcasts und AppleTV, Google Podcasts oder auch via Alexa Skills auf Digital Assistants wie Amazon Echo und Alexa hören. Audio-Artikel entwickeln oft ein Eigenleben in einer bestimmten Zielgruppe. So stammt einer der erfolgreichsten Audio-Artikel zum Beispiel aus einem Projekt über Wehrpflicht und Zivildienst in Österreich („Die Wehrpflicht ist in der Geiselhaft der Sozialpolitiker“) und wurde auf Reddit und anderen Plattformen intensiv von Wehrpflichtigen diskutiert. Ein weiterer erfolgreicher Audio-Artikel aus einem Projekt zum Thema Klima über das Thema Artenviel- falt in der Landwirtschaft („Ist billiges Essen gut fürs Klima?“) fand ebenso viele Hörer.

Vom Vorlesen zum Erzählen 2019 war das Vertrauen in die Audiophilie unserer „Als die ÖVP auf die falsche Technologie setzte“. Die User (und Redakteure) dann groß genug, um eigene Berichterstattung rund um die „Corona-Krise“ wur- Podcasts zu produzieren, die wie ein Radio-Feature de mit einer Podcastreihe zum Alltag verschiedens- aufbereitet sind und „das Kopfkino“ beim Hörer an- ter Menschen in unterschiedlichen Professionen und regen sollen. Gestartet wurde mit einzelnen Pod- ihren Gedanken zu den Auswirkungen des Virus und cast-Folgen, die Hintergründe zur Recherchearbeit Maßnahmen um das Virus begleitet. Im Mai 2020 folgt von Investigativ-Storys erzählen. Der erste Podcast für Addendum nun ein weiterer Meilenstein: eine fünf- dieser Machart, „das Benko-Prinzip“, erreichte gleich reihige Podcast-Reportage über die vergessene Ge- mehrere tausend Hörer, einer der nächsten Podcasts schichte des KZ Gusens und die aktuellen nationalen unter dem Titel „Steirische Eichen aus ukrainischen wie internationalen Versuche, dieses Vergessen un- Wäldern“ ebenso. Nach einem True-Crime-Podcast vergessen zu machen. über „Unentdeckte Morde“ in Österreich folgte ein erster Abstecher in ein historisches Thema, die Rei- he „Vergessene Kapitel“ beschäftigt sich mit histori- Link addendum.org/audio schen Hintergründen zu innenpolitischen Themen wie

78 | Addendum THE Washington Post The Guardian Al Jazeera ProPublIca THE New York Times Süddeutsche Zeitung Addendum

Als erstes österreichisches Medium nützt Addendum SecureDrop und bietet damit die sicherste Möglichkeit für die anonyme Übermittlung von Informationen und bestmöglichen Quellenschutz.

SecureDrop ist ein von der Freedom of Press Foundation entwickelter Standard, der von nur wenigen Investigativ- Redaktionen in aller Welt angeboten wird.

Sie können uns unter +43 664 88988233 auch via Threema (ID: UYRE3AV6), Signal Mehr Informationen unter oder Telegram erreichen. addendum.org/vertraulicher-kontakt