No Drive-In Christian Wiggenhauser
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No Drive-in Christian Wiggenhauser Ween hält die Tradition des musikalischen Gemischtwarenladens aufrecht. Die amerikanische Band klingt auf einer einzigen Platte wie viele verschiedene Bands, und das jedes Mal mehr oder we- niger stilecht. Wenn so etwas wie James Last, dann richtig James Last. Aber nur 2 Minu- ten und 14 Sekunden lang, das reicht. Ween spielt die Sache etwas be- schwingter. Und schräger. So beginnt sie ihr neues Album. Auf schräg folgt melodisch, auf Rock folgt Easy Listening, auf karibische Limbo-Rhythmen folgen mexikanische Ausflüge. Ob ungepflegter Jazz, verrauchter Reggae, verschrummelter Indie-Rock und immer wieder überdrehter Country, Ween bleibt dem Genre stets treu. Sie friesst nie unter der Hecke durch. Sie veräfft es, manchmal auch weniger offensichtlich. Und sie hält es radikal von Fremdeinflüssen frei. Aber nie werden Stile vermischt. In dieser Beziehung ist sie schon fast stur, denn Ween macht das seit mindestens 16 Jahren. Sie sieht wohl auch alles etwas anders. Die Band stammt aus dem Hinterland der US- Ostküste und gab sich zuerst mal eine Fiktion: Die Besetzung sollten Brüder sein, man nannte sich Dean Ween (eigentlich Mickey Melchiondo) und Gene Ween (eigentlich Aaron Freeman). Später kam auch noch ein Mean Ween (eigentlich Mark Kramer) dazu, aber er macht auf dem neuen Album nicht mehr mit. „La Cucaracha“ heisst es, aufgenommen in ihrer Heimat Pennsylvania und angeblich in einem 200 Jahre alten, total verschimmelten Farmhaus. Kinder und Hunde sollen Hausverbot erhalten haben, die ungleichen Brüder eine Atemwegsinfektion und anschliessend nur noch den Wunsch, dass ein Bulldozer die Bude abreissen würde. Man glaubt ihnen so wenig wie ihren Texten, voller Ironie, Boshaftigkeit und Geschmacklosigkeit. Ähnlich einem Freigeist wie Frank Zappa verstecken sich Weens Texte hinter einem subtilen Humor, welcher jede reisserische Schlagzeile vertagt. Sie hat zum Beispiel den Namen ihres neuen Albums „La Cucaracha“ nicht mal als Titelstück eingespielt, auch wenn es ein mexikanisches Volkslied ist. Oder ein spanisches, denn es stammt aus dem Mittelalter und ging auf dem Seeweg hin und her und verhöhnt seither die Machthaber auf ironisch-satirische Art. Zuletzt den mexikanischen Präsidenten (1913-1914), welcher drogensüchtig gewesen sein soll. Ween ist auf den ersten Blick eine Kapelle, auf einen viel späteren eine bestens sortierte Jukebox. In dieser Hinsicht gleicht sie den Soundtracks des Filmemachers Quentin Tarantino (Pulp Fiction). Was man ihr vorwerfen könnte, wäre ihr Hang zur akademischen Präzision. Ein Mangel an Herzblut. Hätte dieses real nicht existierende Bruderpaar nicht 1994 einen Song namens „Buenas tardes amigo“ eingespielt, ein Spaghetti-Western-Drama mit epischem Ausmass und einer Geschichte über einen katastrophalen Brudermord. Spielt Ween diesen Song live – und live sind sie noch viel direkter als auf Platte - ist es mucksmäuschenstill im Publikum. Ween, „La Cucaracha“, Schnitzel-Records / Musikvertrieb 24 TAXI Nr. 5 2.