Claude Debussy Orchestral Works Dirk Altmann · Daniel Gauthier Radio-Sinfonieorchester Stuttgart Des SWR · Heinz Holliger 02 CLAUDE DEBUSSY (1862 – 1918) 03
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Claude Debussy Orchestral Works Dirk Altmann · Daniel Gauthier Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR · Heinz Holliger 02 CLAUDE DEBUSSY (1862 – 1918) 03 1 Première Rapsodie pour orchestre 7 Prélude à L’après-midi d’un faune [11:35] Diese wesensmäßige Fertigkeit hatte schon in den Chemie“, an der er sich selbst immer neu ergötzen avec clarinette principale [08:15] flûte solo: Tatjana Ruhland frühen Neunzigern die Bedenken des Dichters konnte, und die aus sich selbst erwachsenden For- Stéphane Mallarmé zerstreut, der zunächst von men in Regelwerke zu zwängen, sich im Geflecht Images pour orchestre 8 Rapsodie pour Debussys Ansinnen, die Ekloge vom Après-midi des Gefundenen, bereits „Gehabten“ zu verhed- Deutsch 2 Rondes de Printemps [08:29] orchestre et saxophone [09:45] d’un faune mit Musik zu umgeben, nicht begeis- dern. Vielleicht wurde daher auch nur das Prélude 3 Gigues [08:38] tert war. Er fürchtete eine bloße „Verdopplung“ zum „Faun“ vollendet, während das Interlude und Iberia [19:48] TOTAL TIME [67:04] seiner musikalisch-erotischen Alexandriner, sah die abschließende Paraphrase nie über die Idee 4 I. Par les rues et par les chemins [07:09] sich aber, kaum dass er das Resultat zu hören be- hinausgelangten. Es war schon alles gesagt. 5 II. Les parfums de la nuit [08:10] 1 Dirk Altmann Klarinette | clarinet kam, ebenso bezwungen wie die Besucher der 6 III. Le matin d'un jour de fête [04:28] 8 Daniel Gauthier Saxophon | saxophone Société Nationale, die am 22. Dezember 1894 die Wer weiß, ob nicht aus just diesem Grunde auch Uraufführung des Prélude „zum Nachmittag eines die Rapsodie arabe im Sande verlief, die sich der Fauns“ miterleben durften. Am Pult stand Gustave Grille einer gewissen Elisa Hall verdankte – der „Französische Musik, das heißt Klarheit, Eleganz, die Fachleute. Beide ziehen gegen die Überfrach- Doret, der dann erzählte, wie er plötzlich hinter wohlhabenden Gründerin des Boston Orchestral einfache und natürliche Deklamation; die franzö- tung der Musik und alles mechanische Regelwerk seinem Rücken („das ist eine besondere Eigen- Club, die sich in fortgeschrittenem Alter, dem Rat sische Musik will vor allem erfreuen“, zitierte die zu Felde: „Man muss die Musik von allem gelehr- schaft gewisser Dirigenten“) gespürt habe, dass ihres Arztes folgend, zur Stärkung der Atemwege Revue bleue vom 2. April 1904 den Komponisten ten Schwulst befreien“, fordert Debussy. „Die auf das Publikum gewonnen war. In den Kreisen der mit dem Altsaxophon angefreundet hatte und Claude Debussy. Die Stimme des bald 42-jährigen die Spitze getriebene Kompliziertheit ist das Ge- Kritiker gingen die Meinungen auseinander, was sich nunmehr durch mancherlei Kommissionen Fayencenhändlersohnes aus St. Germain-en-Laye genteil von Kunst.“ Das ist weder ein Freibrief für als besondere Eigenschaft dieses Berufsstandes für die Vergrößerung des Repertoires engagierte. und Rompreisträgers von 1884 hat inzwischen tonsetzerisches Gestammel noch jene atmosphä- niemanden verwundern wird. Claude Debussy gehört 1901 zu den Ersten, die Gewicht. Ziemlich genau zwei Jahre sind seit der rische Gefühlsduselei, die den Terminus „Impressi- mit einem Auftrag bedacht werden, erweist sich Premiere der Oper Pelléas et Mélisande ins Land onismus“ weit eher verdient hätte als die erlese- Bedenklicher waren Worte wie die des 59-jährigen aber auch als der saumseligste im internationalen gegangen; seit drei Jahren wetzt er für verschiede- nen Schöpfungen Debussys, auf die eine bornierte Camille Saint-Saëns, der sich dazu verstieg, es Kollegenkreise: Mrs. Hall wird bald zwei Jahrzehn- ne Journale und Magazine seine Feder gegen den Kritik ihr Unverständnis kübelweise ausleerte. gäbe in den „hübschen“ Klängen des Prélude te auf die Partitur warten müssen, die Jean Roger- Schlendrian des akademischen Traditionalismus, „Man muss die Zucht in der Freiheit suchen, nicht „nicht die geringste ausgesprochen musikalische Ducasse nach dem Tode des Verfassers vervoll- wobei er anfangs ein paar Gespräche mit dem in den Formeln einer Philosophie, die längst brü- Idee. Es ist so viel Musikstück wie die Palette eines ständigt und instrumentiert. Bei der Premiere am geistreichen „Antidilettanten“ Monsieur Croche chig wurde und nur mehr für die Schwachen Malers Gemälde. Debussy hat keinen Stil geschaf- 11. März 1919 ist Debussy bereits ein Jahr tot. führt, den er aus der „Boite à joujoux“ seiner eige- taugt. Man darf auf keine Ratschläge hören, nur fen: er hat das Fehlen von Stil, Logik und gesun- nen Phantasie hervorgezaubert hat: Der genialen auf den Wind, der uns die Geschichte der Welt dem Menschenverstand kultiviert.“ Dabei hätte Bis heute rätselt die Fachwelt, ob allein die Tatsa- Kreation ist zwar kein langes Leben beschieden, erzählt“, empfiehlt Monsieur Croche. Sein Vis-à-vis gerade er mit seiner enormen Auffassungsgabe che des „Auftrags“, die mangelnde Sympathie für weil Debussy in seiner notorischen Sprunghaftig- weiß, wovon da die Rede ist: Das Erfassen des We- die Möglichkeit gehabt, gleich bei der Premiere die das (hinreißend eingesetzte) Saxophon oder auch keit und aufgrund der akuten Verwirrungen seines sens, das im Innersten der sichtbaren Dinge subtile Formgebung, das unerhört organische Er- nur die Abneigung gegen die Dame, die dem sen- Privatlebens die „väterlichen Pflichten“ gegenüber schlummert, ist für ihn eine Selbstverständlich- blühen und Zusammensinken, den tiefen schöpfe- siblen Komponisten mit ihrem „rosa Kleid und ih- für Orchester Werke dem literarischen Geschöpf vernachlässigt. Das keit. Wie ein Vollstrecker der These, die Walter Pa- rischen Atemzug dieser kosmisch-schönen Kom- rem klobigen Instrument“ recht lächerlich er- | wenige jedoch, das die Revue blanche damals ab- ter in seinen Renaissance-Studien formuliert hatte position zu begreifen: Schließlich musste das schien, eine kontinuierliche und zügige Arbeit druckt, verrät dieselbe brillante Radikalität wie – dass nämlich jede Kunst fortwährend nach ei- Prélude für die entzückten Zuhörer da capo ge- verhinderten. Auffallend ist jedenfalls, dass die das, was der Erzeuger des wunderlichen Charak- nem musikalischen Zustand strebt –, versetzt spielt werden ... sogenannte „erste“ Rhapsodie für Klarinette und ters unter seinem eigenen Namen rezensierte, Debussy die Goldfische einer fernöstlichen Lack- Klavier, die Debussy Ende 1909 als Examensstück philosophierte und dekretierte. arbeit in Bewegung, schmilzt er eingefrorene Besonders schwer wiegt der Irrtum des älteren des Pariser Konservatoriums zu Papier brachte, Die Grenzen zwischen Monsieur Croche und Tänze aus antiken Reliefs heraus, lauscht er dem Meisters, weil Claude Debussy eines am allerwe- binnen weniger Wochen vollendet war und auch Claude Debussy sind fließend. Beide lieben und Meer eine Natursinfonie ab, die sich nirgends dem nigsten wollte: einen Stil schaffen. Das hätte be- schon ein Jahr nach ihrer Erstaufführung (14. Juli verehren die Natur. Beide hegen einen Groll gegen Verdacht der „Schilderei“ aussetzt. deutet, sich zu wiederholen, die „harmonische 1910) in ihrer Orchesterfassung vorlag, während CLAUDE DEBUSSY CLAUDE ORCHESTRA 04 05 die Fragmente der „Halbschwester“ ein trauriges et Mélisande und La Mer zu ihrem Helden erkoren waltenden Schlaflied Dodo, l’enfant do („Wir geh’n Uraufführung des vollständigen Zyklus mit seinen Dasein fristeten. Anderes war offenbar dringlicher, hatten, weigert sich, „debussystisch“ zu kompo- in den Wald“) mit einer guten Begründung – wir englischen, spanischen und französischen Imagi- im wahrsten Sinne des Wortes „wesentlicher“ ge- nieren?! Die „Straßen und Wege“ sind knallig, kan- gehen nicht mehr in den Wald, weil soeben ein nationen fand am 5. Juni 1913 statt. Deutsch worden. Die „sinfonischen Skizzen“ namens La Mer tig, eine Folge unvermittelter Schnappschüsse, erfrischender Regen herniedergeht und jeden Rest Deutsch etwa, mehrere Opernpläne, die Estampes und die und wenn der „Feiertag“ aufdämmert, werden wir von ungefährer Nebelhaftigkeit hinwegfegt. – Die Eckhardt van den Hoogen beiden Hefte der Images für Klavier drängen sich wie auf einem Ringelspiel herumgeworfen, das nach vorn, und endlich konkretisiert sich ein Pro- jedoch trotz seines scheinbaren Schlingerkurses, Heinz Holliger jekt, das von der ursprünglichen Konzeption, einer seiner blitzartigen Umschwünge und seiner „Bilderfolge“ für zwei Klaviere, bald ins Orchestrale höchst amüsanten Klangeffekte (hin und wieder hinüberschwenkt: Nach der Soirée dans Grenade muss die Hälfte der Geiger das Instrument wie aus den Estampes gönnt sich Debussy eine zweite eine „Klampfe“ unter den Arm klemmen) einen Fahrt auf die iberische Halbinsel, die er freilich in ganz klaren Weg verfolgt: über die Auflösung alter der Weise unternimmt, wie es seinen materiellen Strukturen und eine vermeintliche Regellosigkeit und mentalen Mitteln entspricht – im Geiste. Die zu natürlichen Verbindungen, gewissermaßen zu Reise ist mühsam und beglückend zugleich: „Ich einer selbstverantwortlichen Ethik, die der akade- arbeite wie ein Bergmann und entfalte eine eiser- mischen Moralkodizes nicht mehr bedarf. ne Entschlossenheit, nur auf die hörbaren Dinge zu achten“, heißt es in einem Brief an den Freund Noch offensichtlicher verraten das die beiden äu- André Caplet. „So höre ich in diesem Augenblick ßeren Flügel des großen Triptychons, von dem die den Hufschlag auf den katalanischen Wegen zu- drei spanischen Szenen eingefasst sind: die Rondes gleich mit der Musik in den Straßen von Granada.“ de printemps, die Debussy etwa zur Zeit der Ibéria schrieb, und die als Letztes