978-3-476-02481-7 Quissek, Das Deutschsprachige Operettenlibretto © 2012 Verlag J.B. Metzler (
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1 Verzeichnis der untersuchten deutschsprachigen Operetten Adieu Mimi Die lustige Witwe Die Bajadere Die lustigen Nibelungen Eine Ballnacht Madame Pompadour Der Bettelstudent Mädi Die blaue Mazur Majestät Mimi Die Blume von Hawaii Der Mann mit den drei Frauen Boccaccio Eine Nacht in Venedig Bruder Straubinger Der Opernball Brüderlein Fein Der Orlow Casanova Paganini Cloclo Prinzeß Gretl Die Csárdásfürstin Der Rastelbinder Die Dollarprinzessin Die Rose von Stambul Das Dorf ohne Glocke Rund um die Liebe Das Dreimäderlhaus Die schöne Galathée Die Faschingsfee Schützenliesl Fatinitza Schwarzwaldmädel Der fidele Bauer Die spanische Nachtigall Die Fledermaus Der süße Kavalier Frasquita Die süßen Grisetten Frau Luna Die Tanzgräfin Friederike Der tapfere Soldat Das Fürstenkind Der Tenor der Herzogin Gasparone Der unsterbliche Lump Die geschiedene Frau Das Veilchen vom Montmartre Giuditta Der Vetter aus Dingsda Die gold’ne Meisterin Viktoria und ihr Husar Der Graf von Luxemburg Der Vogelhändler Gräfin Mariza Ein Walzertraum Ein Herbstmanöver Im weißen Rössl Die Herzogin von Chicago Wiener Blut Das Hollandweibchen Wiener Frauen Die Juxheirat Das Wirtshaus im Spessart Die Kaiserin Der Zarewitsch Lady Hamilton Der Zigeunerbaron Das Land des Lächelns Zigeunerliebe Der letzte Walzer Der Zigeunerprimas Der liebe Augustin Die Zirkusprinzessin 2 Prolegomena Prolegomena Im Kontext der Entwicklung des komischen musikoliterarischen Theaters im 19. Jahr- hundert entsteht eine neue bürgerlich geprägte Gattung: die Operette. Sukzessiv gene- riert sie unterschiedliche nationale Ausprägungen, so z. B. die französische Operette ei- nes Florimond Hervé, Jacques Offenbach oder Alexandre Charles Lecocq, spanische Zarzuelas, die englische Operette eines William Gilbert und Arthur Sullivan oder Sid- ney Jones, die ungarischen Népszínmu˝ oder die amerikanische Frühform des klassi- schen Musi cals von Richard Rodgers und Oscar Hammerstein. Ausgehend von den Werken Jacques Offenbachs und ihrer von Johann Nestroy geförderten Verbreitung und Popularisierung in Wien, etabliert sich schon bald eine eigenständige deutschspra- chige Gattung, die während ihrer rund 80-jährigen Blütezeit zu den wichtigsten For- men der zeitgenössischen Unterhaltung1 zählt. Forschungsstand Obwohl sich die deutschsprachige Gattung neben der englischen und französischen Spielart weltweit durchzusetzen vermag und obwohl sie im rezeptionsgeschichtlichen Rückblick ein vitales, fortschrittliches und stimulierendes Genre ist, gilt die Operette lange als zu leichtgewichtig und kurzlebig, um sich ernsthaft als Forschungsgegenstand in den klassischen Themenkanon der Musik-, Theater-, Kultur- und Literaturwissen- schaften einzureihen. Eine Tatsache, die darauf zurückzuführen ist, daß ihr gesellschafts- kritisches Potential in Verbindung mit zeitgenössischen ideologischen Entwicklungen in der gesellschaftstragenden Schicht des Bürgertums als zu gering eingeschätzt wurde und wird. Dieser scheinbare Mangel an Substanz führt dazu, daß der Gattungsbegriff dieses neuzeitlichen Massenmediums in heftig geführten publizistischen Diskussionen wirkungs-, rezeptions- und gattungshistorisch seit den 1880er Jahren als ästhetische Urteilsinstanz verwendet wird.2 Die Operette wird hierin im allgemeinen »mit der Etikette eines Vorbehalts […] versehen, der weder einer gerechten Beurteilung ihrer unterschiedlichsten musikalischen Ausdrucksmittel, ihrer Formensprache, noch ihrer sozialhistorischen Einordnung dienlich sein kann.«3 Erst in der Zwischenkriegszeit bemüht sich eine sich allmählich entwickelnde in- terdisziplinäre Operettenforschung darum, den Kernbereich, die Analyse klassischer deutschsprachiger Meisterwerke, aufzubauen und damit die Operette per se als For- schungsgegenstand ernst zu nehmen. Die ideologische Überbordung sämtlicher Kul- tur zur Zeit des Nazi-Regimes führt zu einer tiefen Zäsur in allen Forschungsgebieten, so daß das oberste Anliegen der Operettenforschung nach dem Krieg ist, zu eben jener zentralen Kompetenz zurückzukehren und sie fortzuführen. 1 Allein in Wien sind in der Zeit zwischen 1860 und dem Ersten Weltkrieg mehr als 700 Ope- retten ur- bzw. erstaufgeführt worden. (S. Linhardt, »Ausgangspunkt Wien«, S. 171). 2 Die hitzigen journalistischen Debatten (s. Linhardt Warum es der Operette so schlecht geht?, passim, Stimmen zur Unterhaltung, passim) erreichen mit dem Tode der Komponisten Johann Strauß Sohn, Franz von Suppé und Carl Millöcker am Ende des 19. Jahrhunderts ihren vor- läufi gen Höhepunkt. 3 Csáky, Ideologie der Operette, S. 17. Forschungsstand 3 Im Anschluß an die Zeit der 1968er ›Kultur-Revolution‹ wird die deutschsprachi- ge Operette als repräsentatives Beispiel einer »überholten, zudem mit kulinarischem Konsum und bürgerlichem Establishment identifi zierten Gattung«4 gesehen. Maßgeb- lich für die Sichtweise dieser säkularisierten Kunst sind die wissenschaftstheoretischen Einschätzungen Theodor W. Adornos in seiner 1962 erschienenen Einführung in die Musiksoziologie sowie Walter Benjamins kunstkritische Positionen in seinem Aufsatz Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit von 1935. Nach langer Zeit wissenschaftlicher Vernachlässigung erfährt die deutschsprachi- ge Operette seit gut 25 Jahren ein neues interdisziplinäres Forschungsinteresse, das durch ein breitgefächertes Publikationsspektrum gekennzeichnet ist. Grundsätzlich liegen weitgehend disparate Forschungsansätze zur Operette vor, die an die Gattung Fragestellungen der Mentalitätsgeschichte, der historischen Anthropologie oder der Geschichte des Theaters als Institution herantragen. Das Gros dieser Arbeiten defi - niert sich oft vor dem Hintergrund normativer Prinzipien, die von der poetologischen Qualität des Operettenlibrettos weitgehend oder sogar vollständig abstrahieren. Die Frage, ob es eine spezifi sche Poetik bzw. Dramaturgie des Operettenlibrettos gibt, ist kaum diskutiert. Christian Glanz (1989) beobachtet den Aspekt des Osmanischen bzw. Balkanischen in der Gattung;Thorsten Stegemann (1995) versucht durch die detaillierte Interpretation ausgewählter französischer, englischer und deutscher Libretti das Verhältnis von Operette und Gesellschaft im europäischen Vergleich zu bestimmen und das daraus resultierende zeitkritische Potential ihres Wesens zu ermitteln. Moritz Csáky (1996) sieht die Ver- wurzelung des Genres im Unterhaltungsbedürfnis des großstädtischen Publikums und betont die Funktion der deutschsprachigen Operette als Träger einer Gesamtstaatsidee. Marion Linhardt (1997) untersucht die Rolle der Frau in der Operette des 19. Jahr- hunderts und die Art und Weise, wie das weibliche Geschlecht präsentiert wird. In einem anderen Konvolut stellt sie 2006 die Entwicklung der Operette in direkten Zu- sammenhang mit »institutions- und rezeptionsgeschichtlichen Rahmenbedingungen, die durch die besonderen politischen, wirtschaftlichen und bevölkerungsstrukturellen Gegebenheiten in Wien ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts etabliert wurden.«5 Über die Analyse dieser theatralischen Topographie kommt sie zu dem Schluß, daß sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts zwei Formen der deutschsprachigen Operette gegenüberstehen, die idealtypisch von zwei Darstellern verkörpert werden: Die »Re- sidenzstadt-Operette« eines Alexander Girardi und die »Metropolen-Operette« eines Louis Treumann. Ferner fi nden sich in ihrer publizistischen Arbeit zur Gattung Studien zur Körperinszenierung bzw. zur Tanzdramaturgie (2000/2005), zur komischen (Ope- retten-)Figur (2003), zur Judenrolle (2008) sowie zwei Sammelbände (2001/2009) zu ideologischen Diskursen und Debatten bezüglich des musikalischen Unterhaltungs- theaters im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert. Vergleichbar interessant erweisen sich Aufsatzsammlungen zu bestimmten Einzelphänomenen wie der Musik-Konzepte Band 133/134 zur Operette Im weißen Rössl (2006) oder der Sammelband Glitter And Be Gay (Kevin Clarke, 2007), dessen Aufsätze sich dem Thema der Homoerotik und Homosexualität in der Operette widmen. 4 Dümling, »Wiederentdeckung«, S. 200. 5 Residenzstadt und Metropole, S. 3. 4 Prolegomena Stefan Frey präsentiert umfassende Lebensbilder und Werkverzeichnisse der Kom- ponisten Franz Lehár (1995/1999), Emmerich Kálmán (2003) und Leo Fall (2010) und untersucht exemplarische Einzelwerke. Ähnlich verfahren Norbert Rubey (2012), Fritz Hennenberg (2009), Hans-Dieter Roser (2007), Eugen Semrau (2002), Norbert Linke (2001), Anton Mayer (1998) und Albrecht Dümling (1992) mit ihren biogra- phischen Arbeiten zu Johann Strauß Sohn, Ralph Benatzky, Franz von Suppé, Robert Stolz, Franz Lehár und Leon Jessel. Kevin Clarke erfaßt in seiner Kálmán-Biographie (2007) das Genre der deutschsprachigen Operette erstmals aus der Perspektive des US-Musicals und untersucht die Verbindungslinien zwischen Kálmáns Spätwerken und Walt Disneys Silly Symphonies, den Ziegfeld Follies, Cole Porter, Rudolf Frimls Broadway-Operette Rose-Marie und Josephine Baker. Bieten diese Hagiographien hin- sichtlich ihres beschränkten Rahmens und Materialkanons keinen allgemeinen Über- blick über die Gattung, sondern nur eine spezifi sche Sichtweise, präsentieren sie im Vergleich zu den zumeist nur anekdotenhaft gehaltenen Komponistenbiographien der Nachkriegszeit (Ernst Decsey, Franz Lehár, 1930, Robert Maria Prosl, Edmund Eysler, 1947, Maria Peteani, Franz Lehár, 1950, Franz Mailer, Oscar Straus, 1985 oder Rudolf Österreicher, Emmerich Kálmán, 1988 sowie mehrere vermeintliche Autobiographien von Robert und Einzi Stolz) in jedem Fall eine gründliche Aufarbeitung der Nach- lässe. Mehrere