Der ‚Rasende Reporter' Egon Erwin Kisch

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Der ‚Rasende Reporter' Egon Erwin Kisch Literaturprojekt Prager deutsche Literatur in Deutschland und Europa Der ‚rasende Reporter‘ Egon Erwin Kisch Beiträge zu Leben und Werk des Autors unter besonderer Berücksichtigung seines Reportagebandes Marktplatz der Sensationen Projektarbeit des akademischen Jahres 2014-2015 Beiträge von Studierenden der Universität Leipzig und der Karlsuniversität Prag unter der Leitung von Frau Prof. Dr. Ilse Nagelschmidt (Leipzig) Frau Prof. Dr. Viera Glosíková (Prag) Inhalt 1. Geleitwort ....................................................................................................................... 1 2. Kisch und die Literarische Reportage ............................................................................. 3 2.1 Die Kisch’sche literarische Reportage oder Die Reportage der Sensationen ........... 3 2.2. Der Komponist Kisch ............................................................................................... 8 2.3. Die Selbstinszenierung Kischs im Marktplatz der Sensationen ...............................17 2.4. Marktplatz der Sensationen als politisches Buch ....................................................26 3. Soziales Milieu ..............................................................................................................40 3.1. Kischs Blick auf die österreichisch-ungarische Gesellschaft ...................................40 3.2. Die Darstellung der Prostitution in der literarischen Reportage bei Egon Erwin Kisch 46 4. Deutsche und Tschechen ..............................................................................................55 4.1. Das Prager Element“ – Inszenierung nationaler Identitäten in Prag um 1900 .........55 4.2. Kisch als vermittelnde Instanz zwischen Deutschen und Tschechen in Prag? ........63 4.3. Prager Kaffeehauskultur zur Zeit Egon Erwin Kischs .............................................75 4.4. Kisch als Jude ........................................................................................................91 4.5. Heimatkonstruktionen in den Texten Egon Erwin Kischs der Exilzeit ......................96 5. Egon Erwin Kisch – der Kosmopolit aus Prag ............................................................. 108 6. Humor bei Egon Erwin Kisch ....................................................................................... 121 6.1. Humor – eine Einleitung ....................................................................................... 121 6.2. Kischs Humor ....................................................................................................... 128 6.3. „Konkrete Aussagen“ – Zur Funktion der Ironie in Egon Erwin Kischs Marktplatz der Sensationen ..................................................................................... 136 6.4. Sprachliche Aspekte der Komik bei Egon Erwin Kisch ......................................... 148 1. Geleitwort Der vorliegende Sammelband vereint die Forschungsergebnisse des vom DAAD ge- förderten und von der Karlsuniversität unterstützten Projekts von Studierenden beider Universitaten aus dem Studienjahr 2014/15. Nach den erfolgreichen Kolloquien der letzten Jahre konnte das Literaturprojekt nun zum vierten Mal stattfinden und beschäf- tige sich dieses Mal mit dem pragerdeutschen Autor Egon Erwin Kisch. Anliegen un- serer gemeinsamen Arbeit war und ist es, pragerdeutsche Autorinnen und Autoren im Kontext der deutschsprachigen Literaturen des 20. Jahrhunderts zu erschließen. Für die Studentinnen und Studenten beider Universitäten besteht der große Vorzug darin, dass bisher gewonnene Kenntnisse zusammengeführt und in größeren Dimensionen behandelt werden können. Die Studierenden haben so die Möglichkeit, innerhalb eines Studienjahres sich nicht nur kennenzulernen, sondern auch zu einem konkreten Thema miteinander zu arbeiten und sich über ihre Erkenntnisse auszutauschen. In diesem Jahr stand der Autor Egon Erwin Kisch mit seinem vielseitigen und vielbe- achteten Werk im Fokus der Untersuchungen. Sein bewegtes Leben als ‚rasender Re- porter‘, der in seinen zahlreichen Reportagen einen ganz besonderen Eindruck von der Stadt Prag hinterließ und später ins mexikanische Exil emigrieren musste, bot für dieses Projekt eine Fülle an Themen an, die sich die Studierenden in gemeinsamen Projektarbeiten selbst erarbeiteten. Beide Gruppen trafen sich im Oktober 2014 zunächst in Prag. Hier hatten sie zum einen die Gelegenheit, authentische Orte kennenzulernen und vielfältige Einblicke in Leben und Werk des Autors zu bekommen. Zum anderen wurden über die anschlie- ßenden gemeinsamen Diskussionen und Absprachen in einer ersten Runde die The- men der weiteren Zusammenarbeit festgelegt. In den darauf folgenden Monaten wur- den diese präzisiert. Die Gruppen hielten trotz studienbedingter Unterbrechungen Kon- takt und kamen im Frühjahr 2015 während des Besuchs der Gruppe der Prager Stu- dierenden in Leipzig zusammen. Nach Stunden intensiver gemeinsamer Arbeit und der notwendigen Abstimmung konnten die Ergebnisse auf dem gemeinsamen Kollo- quium präsentiert werden. Die Resultate dieser Arbeit liegen nun vor und wir sind in der glücklichen Lage, diese – nach der Phase der Konkretisierung und Überarbeitung – nun sowohl auf der Homepage des Institutes für Germanistik der Universität Leipzig als auch auf den Internetseiten des Lehrstuhls für Germanistik (PedF) der Karlsuniver- sität in Prag vorstellen zu können. Auf der Basis der gezeigten Leistungen und des 1 Einsatzes wird diese Projektarbeit inzwischen vom Institut fur Germanistik der Univer- sitat Leipzig als Modulleistung anerkannt. Unser besonderer Dank gilt zunachst dem DAAD wie auch der Dekanin der Pädago- gischen Fakultat der Karlsuniversitat, die das Vorhaben materiell unterstützten. Gro- ßen Dank wollen wir weiterhin dem Akademischen Auslandsamt der Universität Leipzig, vor allem Frau Gritt Teufel, die unser Projekt erneut mit viel Geduld und spür- barer Begeisterung betreut hat, aussprechen. Danken wollen wir aber vor allem auch unseren Studierenden, die das Projekt von Leipziger und Prager Seite aktiv begleite- ten, im besonderen Karolin Bůžek für die Organisation, Karin Polcarová für die Korrek- turarbeiten und Veronika Gugel für Redaktion und Endlektorat. Leipzig, den 08.Oktober 2015 Prof. Ilse Nagelschmidt Prof. Viera Glosikova 2 2. Kisch und die Literarische Reportage 2.1. Die Kisch’sche literarische Reportage oder Die Reportage der Sensationen Karolin Bůžek Kisch und seine Reportagen, die er die literarischen nennt, werden gemeinhin mit der Neuen Sachlichkeit assoziiert. So sind doch die Kriterien der Neuen Sachlichkeit über- wiegend gleichzeitig Charakteristika einer Reportage. Weiterhin ist nicht unbekannt, dass Egon Erwin Kisch als Pionier der Reportage bezeichnet wird. Mehrfach äußerte er sich poetologisch zum Genre der Reportage und prägte durchaus via Selbstinsze- nierung ein zum Teil bis heute gültigen Stereotyp eines Reporters, ging er doch als ‚der rasende Reporter‘ in die Geschichte ein. Die folgenden Aufsätze werden aus ver- schiedenen Perspektiven unterschiedliche Aspekte der Kisch’schen literarischen Re- portage beleuchten. Dabei wird deutlich, dass diese Reportagen nicht allein mit den Merkmalen der Neuen Sachlichkeit hinreichend beschrieben werden können. Matthias Uecker verweist darauf, dass Kischs programmatische Schriften zahlreiche Debatten innerhalb der Literarturwissenschaft auslösten, wobei der Hauptkonflikt ist, ob Kisch nun im Bereich der Literatur oder des Journalismus zu verorten sei. Kisch selbst ging es im Wesentlichen darum, seine Literarizität als Reporter zu legitimieren.1 Die in der literaturwissenschaftlichen Forschung durchaus divergierenden Interpretati- onen zur Kisch’schen literarischen Reportage werden hier kurz zusammenfassend er- läutert. Abschließend möchte ich darauf eingehen, inwiefern die Bezeichnung ‚Repor- tagen der Sensationen‘ bezüglich Kischs literarischer Reportage eine geeignete Zu- sammenfassung darstellen könnte, wobei unsere grundlegende Annahme dabei ist, dass es sich dabei um eine literarische Textsorte handelt. Kischs literarische Reportagen erheben allein aufgrund ihres Namens literarischen An- spruch – so wurde das Attribut durchaus intendiert gewählt, um dem journalistischen Genre literarischen Anspruch beizumessen. Dieter Schlenstedt bezeichnet diese Ein- führung des Begriffs vonseiten Kischs sogar als notwendige Markierung einer eigenen 1 Vgl. Matthias Uecker. Leitbild Reporter. Egon Erwin Kischs Medienstrategien. In: Susanne Marten- Finnis und ders. (Hg.), Berlin – Wien – Prag. Moderne, Minderheiten und Migration in der Zwischen- kriegszeit. Bern 2001, S. 143-147, S. 150f. 3 Gattung neben der allgemeinhin tradierten Gattungstrias.2 Dieter Schlenstedt bezeich- net jene sogar als ‚Reportagenzyklen‘ und spricht ihnen höheren kohärenten Gehalt zu. Der nach mir folgende Aufsatz von Laura Schaar wird dieses Phänomen am Bei- spiel von Marktplatz der Sensationen aufweisen und genauer ausführen. Dieter Sch- lenstedt bestimmt die literarische Reportage als „Mischgenre zwischen wissenschaft- licher Darlegung und künstlerischer Gestaltung“3 und nimmt damit eine Position in der Mitte in der Frage nach der Verortung ein, ob es nun ein journalistischer oder aber ein literarischer Text sei. Doch weshalb wird Kisch als einer „von Zeitgenossen als Prototyp des neuen Repor- ters und wichtigster Populisator des Genres apostrophiert“4? 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