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Peter Morgan Der Mann, Der Queen Elizabeth Zum Star Macht

Peter Morgan Der Mann, Der Queen Elizabeth Zum Star Macht

Ausgabe Nr. 60 (2/2015) • Tamus 5775 • € 4,50 • www.nunu.at

Peter Morgan Der Mann, der Queen Elizabeth zum Star macht Dame Shirley – Englands erfolgreichste Feministin Yochai Mevorach – Der Mann, der Kindern Haare schenkt Esther Dischereit – Aufschrei mit Mitteln der Lyrik Sophie Tucker – Red Hot Mama Flexibel im Format. Unbeugsam im Inhalt.

KOMPAKT E PAPER

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Die Zeitung für Leserinnen Leitartikel

Farewell Hansi

von Peter menasse RIGAUD PETER ©

Eines der „Mädln“ ist gestorben. Sehr alte und viele junge Menschen kommunistischen Partei ein Geschenk, ein großes Gurkenglas voll kamen zum Begräbnis. Alle haben sie Johanna „Hansi“ Tausig bewun- mit Penicillin. Dazu lasse ich hier ihren Enkelsohn Mathias erzählen: dert und geliebt. Wenn ich hier über sie berichte, würde ich mir wün- „Penicillin war erst wenige Jahre zuvor in den USA auf den Markt ge- schen, dass alle Politikerinnen und Politiker das lesen, die heute über kommen und im Nachkriegs-Österreich kaum zu erhalten. Wäre sie Flüchtlinge entscheiden, über deren Leben oder Tod. damit in den Resselpark im 4. Bezirk gegangen, wo sich ein Schwarz- markt befand, hätte sie ein kleines Vermögen mit diesem Glas verdie- Hansi Tausig war gerade achtzehn Jahre alt, als sie 1938 vor dem nen können. Eine Frau, die ihr bisheriges Leben immer an der Grenze Nazi-Terror nach England flüchtete. Ihr Sohn Wolfgang berichtete zur Armut verbracht hatte, die aus ihrer Heimat vertrieben worden beim Begräbnis, wie es ihr und den anderen Zuginsassen erging, als war und nach ihrer Rückkehr ohne Familie, Wohnung, Arbeit oder sie in Richtung Atlantik unterwegs waren: „Während der gesamten Geld dastand. Wer hätte es ihr verdenken können? Aber sie handelte Bahnfahrt durch Deutschland herrschte ängstliches Schweigen, nie- nicht so. Sie gab das Glas bei der zuständigen Magistratsabteilung der mand rührte sich, niemand sprach ein Wort. Und dann passierten sie Stadt Wien ab. Es sollten schließlich auch die armen Leute in Wien, die Grenze zu Belgien. Mit einem Mal entlud sich die Spannung in die sich die Schwarzmarktpreise nicht leisten konnten, eine Chance Lachen, Tanzen und Singen von Antinaziliedern … bis der Zug zurück- auf Heilung von der Tuberkulose haben.“ rangiert wurde. Plötzlich wieder Schweigen und Todesangst.“ Als die Republik Österreich vor einigen Jahren den Verfolgten des Sie schaffte es dann doch nach England und wurde von diesem Land Nazi-Regimes einen kleinen Betrag als „Wiedergutmachung“ zu- aufgenommen. Bald engagierte sie sich bei „Young Austria“, einer sprach, nahm Hansi das Geld und übergab es an das „Integrations- kommunistischen Organisation, die jungen Menschen ein kleines haus“. Sie wurde daraufhin als Ehrengast zum „Flüchtlingsball“ ins Stück österreichischer Heimat bot. Die jungen Frauen, die „Mädln“, Wiener Rathaus eingeladen, wollte aber nicht hingehen. Nichts war traten vor englischem Publikum in Trachten auf und tanzten zu ihr fremder, als sich in den Mittelpunkt zu stellen. Sie spendete, weil Volksweisen. „Wir Österreicher sind Opfer der deutschen Aggression“, sie erfahren hatte, was es heißt, Flüchtling zu sein. Schließlich ließ war der Inhalt, an den sie glaubten und den sie in England veran- sie sich davon überzeugen, dass viele junge, engagierte Menschen sie kern wollten. Absurd, wenn wir an die Nachkriegsgeschichte denken, persönlich kennenlernen wollten und ging hin. Diesmal mit Schuhen in der sich das offizielle Österreich diese These aneignete, um jede samt Sohle. Schuld von sich zu weisen. Wie auch immer, die jungen jüdischen Mädln und Burschen, die man aus dem Land getrieben hatte, waren Mathias sagte beim Begräbnis über die von allen geliebte Hansi: die besten Botschafter, die sich Österreich nur wünschen konnte. „Meine kleine Oma wird mir immer ein großes, unerreichbares Vor- Und sie sehnten sich nach ihrer Heimat, nach einem unabhängigen, bild sein. Sie hat ihr ganzes Leben lang bewiesen, dass man kein Geld, demokratischen Staat. keine Macht, keine einflussreichen Freunde braucht, um etwas in dieser Welt zu bewegen. Sie war voll von Überzeugung, Einsatz und Hansi war in Wien unter ärmlichen Bedingungen aufgewachsen. Der aufopferndem Engagement, sie hatte ein unvergleichliches, soziales Vater war gestorben, als sie fünfzehn Jahre alt war. Nach der Schule Wesen.“ fand sie einen Lehrplatz in einer Fabrik, die Kleiderbügel herstellte. Wolfgang erzählt: „Zur Lehrstelle am Gaudenzdorfer Gürtel ging Hansi Was lässt sich daraus schließen? Menschen lieben ihre Heimat. Sie jeden Tag von ihrer Wohnung im neunten Bezirk zwei Stunden hin flüchten vor dem drohenden Tod. Man soll nicht die Boote zerstören, und zurück zu Fuß. Das Fahrgeld konnte sie nicht aufbringen. Dieser die ihre einzige, wenn auch nur so geringe Chance auf Leben sind. lange Fußweg verhalf ihr später zu einem Kompliment eines Vereh- Sie sind das Pendant zu den Zügen, die bedrohte Österreicher nach rers. Der bewunderte beim Tanz ihren sanften und leisen Schritt. Was England brachten. er nicht wusste: Hansis Schuhe hatten wegen der langen Fußmärsche keine Sohlen mehr.“ Das „Nie wieder“ an den Gedenkstätten für die ermordeten Opfer des Nationalsozialismus erhält nur Sinn, wenn es den heute verfolgten Hansi und viele ihrer Freundinnen und Freunde, die wie sie in Eng- Menschen gilt. Das sollte den österreichischen Politikern das Ver- land Zuflucht gefunden hatten, kehrten bald nach Kriegsende nach mächtnis der Johanna „Hansi“ Tausig sein, dieser großen Frau, die Österreich zurück. Hansi bekam zum Abschied von der englischen uns durch ihr Handeln so viel gelehrt hat.

2 | 2015 3 Memos

Einbeziehung von Schulen und lokaler die Nazis fast seine ganze Familie. Bevölkerung in vielfältiger Form Ge- Doch wie durch ein Wunder und mit denk- und Erinnerungsinitiativen wie einem unglaublichen Lebenswillen -projekte, die weit über die Errichtung überlebte er nicht nur die unfassbaren von Gedenktafeln hinausgehen.“ Qualen von drei Konzentrationslagern, sondern auch den berüchtigten Görlit- zer Todesmarsch. Bei seiner Befreiung, am 8. Mai 1945, war Shlomo 18 Jahre alt und begann ein neues Leben: Er wan- derte nach Israel aus, wo er eine Fami-

© P ri v at © lie gründete. (Riverfield Verlag) WIR TRAUERN um unsere Freundin, die Verlegerin, Zeitungsherausgeberin und Lektorin Vera Sebauer, die Ende April nach schwerer Krankheit verstorben ist. © C e n tre © Pom pad o ur Vera hat unter anderem mehrere Hefte von NU lektoriert. In ihrem UNS FREUT Verlag „Marlit“ erschien 2013 das die Eröffnung des Neofeministischen Buch von Gertraud Tometich Als im Laboratoriums CENTRE POMPA- Burgenland noch das Schofarhorn DOUR der NU-Rätselautorin Michaela ertönte, eine Geschichte der jüdi- Spiegel. In seiner Bestimmung als schen Gemeinde von Mattersburg und Ort künstlerischen Schaffens und Umgebung. Vera war uns eine liebe künstlerischer Auseinandersetzung Freundin und wichtige Wegbegleite- begrüßt das Centre Pompadour ganz- rin. Wir vermissen sie. jährig Hausgäste und deren Projekte WIR EMPFEHLEN mit neofeministischem Bezug. den Roman des NU-Autors Jürgen http://www.centrepompadour.com Bauer Was wir fürchten. Georg erzählt WIR GRATULIEREN aus seinem Leben, das von Unruhe Robert Streibel zur Verleihung des und Angst gezeichnet ist. Die Furcht Leon-Zelman-Preises 2015. Aus der Be- UNS BEWEGT vor seinem psychisch kranken Vater gründung der Jury: Shlomo Grabers Autobiografie Denn lässt ihn an allen Versuchen scheitern, „Der Historiker und Leiter der Volks- Liebe ist stärker als Hass. Während Vertrauen und Stabilität zu finden. hochschule Hietzing Robert Streibel des Zweiten Weltkrieges wurden Shlo- Erst als Erwachsener gelingt es ihm, organisiert seit über 14 Jahren mit gro- mos Familie und er selbst zweimal die Kontrolle über sein eigenes Leben ßem Engagement und Empathie unter deportiert. In Auschwitz ermordeten zu erlangen und sich sicher zu fühlen, bis traumatische Ereignisse die Idylle zerreißen und sein Verfolgungswahn erneut ausbricht. (Septime Verlag) Prof. (FH) Mag. Julius Dem, MBA WIR LESEN Blog Emis von einer Gruppe interna- tionaler Schülerinnen und Schüler, die die Eastern Mediterranean Internatio- nal School in Tel Aviv besuchen. Die Schule hat es sich zum Ziel gesetzt, Frieden und Völkerverständigung durch Bildung innerhalb sowie außer- halb des Klassenraums zu fördern. Auf dem Blog berichten die Jugendlichen über ihr Leben im Ausland, Erfahrun- gen mit dem Nahostkonflikt und über den Einfluss weltpolitischer Themen auf ihr Leben: www.blogemis.com

4 2 | 2015 Inhalt & Impressum

IMPRESSUM h irle y M ARTÍ N EZ-FLE ER

NU – Jüdisches Magazin für Step h a n ie S M ILAGR OS

Politik und Kultur © © Erscheinungsweise: 4 x jährlich Stephanie Shirley Seite 6 Esther Dischereit Seite 42 Auflage: 4.500 Stück Nächste Ausgabe: September 2015 Aktuell David Sax über die Geschichte HERAUSGEBER UND MEDIENINHABER des jüdischen Deli 36 Arbeitsgemeinschaft jüdisches Forum IT-Unternehmerin Stephanie (Steve) Gölsdorfgasse 3, 1010 Wien Shirley im Interview 6 Schach

Kontakt Tel.: +43 (0)1 535 63 44 Unterwegs mit Bei war Fischer Fax: +43 (0)1 535 63 46 schon 1931 Weltmeister 38 Mob.: +43 (0) 676 566 85 23 (Gesine Stern) Mit Peter Morgan im Sisi Museum E-Mail: [email protected] in der Hofburg 9 Nachruf Internet: www.nunu.at

Bankverbindung Nahost Erinnerungen an IBAN: AT78 1100 0085 7392 3300 Frederic Morton 40 BIC: BKAUATWW Holpriger Start der vierten Regierung Netanjahu 13 Kultur SIE SIND AN EINEM

NU-ABONNEMENT INTERESSIERT? Jahres-Abo (vier Hefte) inkl. Versand: Überraschend konventionell – Die Schriftstellerin Esther Österreich: Euro 15,– ein Reisebericht aus dem Iran 16 Dischereit im Porträt 42 Europäische Union: Euro 20,– Außerhalb der EU: Euro 25,– Frauen werden in Israel Sophie Tucker ging als „Red Hot zunehmend ausgeschlossen 18 Mama“ in die Musikgeschichte ein 46 ABO-SERVICE, VERTRIEB & ANZEIGEN

Gesine Stern, Mob.: +43 (0) 676 566 85 23 E-Mail: [email protected] Zeitgeschichte Wie jüdisch war der Hagenbund? 49

STÄNDIGES REDAKTIONSTEAM Kurt Karlitzky – Ein schlagkräftiger Schönbergs „Moses und Aron“ Richard Kienzl (Artdirector), Peter Menasse Kämpfer gegen Faschisten wird 90 19 an der Oper Berlin 51 (Chefredakteur), Vera Ribarich (Lektorat),

Ida Salamon (Chefin vom Dienst) Erinnerungen an das Wien Rezension TITELBILD der dreißiger Jahre 22 © Milagros Martínez-Flener Anatol Vitouch: SATZ & LAYOUT Der Wiener Kreis 25 „Einstein in Zürich“ 52 Wiener Zeitung GmbH, Maria-Jacobi-Gasse 1,

1030 Wien, www.wienerzeitung.at Die Rettung der bulgarischen Juden DRUCK während des Zweiten Weltkriegs 28 Standards Fairdrucker GmbH., Wintergasse 52, 3002 Purkersdorf In eigener Sache Engelberg 53 OFFENLEGUNG GEMÄSS MEDIENGESETZ Verein Arbeitsgemeinschaft jüdisches Fo- NU feierte seinen 15. Geburtstag 30 Rätsel 54 rum mit Sitz in 1010 Wien, Gölsdorfgasse 3

Obmann: Martin Engelberg, Obmannstellver- treterin: Danielle Spera, Kassiererin: Jüdisches Leben Kohnversationen 55 Ida Salamon Verein „Haarfee“ – Echthaarperücken Leserbriefe 56 Grundsätzliche Richtung: NU ist ein Informationsmagazin für Juden in für schwerkranke Kinder 32 Österreich und für ihnen nahestehende, an Autorinnen und Autoren 57 jüdischen Fragen interessierte Menschen. Über die enge Verbundenheit NU will den demokratischen Diskurs fördern. der Juden und Roma 34 Dajgezzen & Chochmezzen 59

2 | 2015 5 Aktuell IT-Boss Steve

Im Jahr 1939, als Vera Stephanie Buchthal fünf Jahre alt war, wurde sie mit ihrer Schwester nach England geschickt. Dort ging sie später in einer Abendschule ihrer Vorliebe für Mathematik nach und gründete in den 1960er Jahren ein IT-Unternehmen. Sie änderte ihren Namen in Steve Shirley und schrieb mit ihrer Softwarefirma eine Erfolgsstory.

VON IDA SALAMON ÜBERSETZUNG: KITTY WEINBERGER

Ihr Gang wirkt entschlossen und ihr Blick ist voll Verständnis. Wenn sie spricht, betont sie jeden Satz und er- zeugt Aufmerksamkeit. Sie scherzt, sie lacht und strahlt gleichzeitig Ruhe aus. Mit ihrer Firma hat sie ein Vermögen gemacht, und sie gibt ihr Geld strate- gisch aus. Sie liebte ihren kranken Sohn, sie pflegte ihn und verlor ihn. Über ihr bewegtes und erfülltes Leben, ihre Erfolge und Schicksalsschläge h irle y und ihre Lebensprinzipien sprach Dame Stephanie Shirley mit NU. Step h a n ie S © NU: Wenn Ihr Leben ein Film wäre, was „Ich bin eine Feministin in meinen Taten, aber nicht im Wortsinn.“ wären die wichtigsten Szenen? Kön- nen Sie diese Szenen beschreiben und gleichzeitig Ihre Wünsche, Bemühungen, grau, Verwirrung, Angst, Verzweiflung. idealistisch, männliche Wissenschaft. Ängste und Entscheidungen in diesen Die Arbeit in der berühmten Post Der Beginn meines Software-Un- Zusammenhängen? Office Research Station mit ERNIE ternehmens für Frauen: Teil meines Stephanie Shirley: Die Ankunft in (Electronic Random Number Indicator Kampfes gegen Sexismus. Wenn fe- der Liverpool Station mit einem Kinder- Equipment) – dem Computer für Prä- sche junge Männer anboten, meine transport im Juli 1939: dunkel, düster, mienanleihen: intellektuell, aufregend, Ausrüstung zu tragen, antwortete ich

6 2 | 2015 leicht gereizt: „Ich glaube an gleiches Freiberufliche Angestellte arbeite- Sie haben viele Auszeichnungen bekom- Gehalt und trage daher auch meine ten von zu Hause. Viele Jahre lang be- men. Welche ist Ihnen die wichtigste eigenen Sachen.“ (Heutzutage seufze schrieb uns die Harvard Business Re- und warum? ich „Wie nett. Vielen Dank.“) In einem view als „Betrieb ohne Büros“. Ich bin Mein OBE (Order of the British Em- kleinen Ziegelhäuschen arbeiten – das eine Feministin in meinen Taten, aber pire) für Verdienste um die Industrie Feuer schüren – das Telefon von neun nicht im Wortsinn. Aber ich bin eine im Jahr 1980. Es bedeutete die Aner- bis fünf abheben. Idyllische erste Tage Humanistin und glaube fest daran, kennung der Gesellschaft für mich als mit dem Baby Giles. dass jeder seinen Beitrag leisten kann. eine Frau, die als unbegleitetes Kind Die Einlieferung meines Sohnes angekommen war. Ich würde mir wün- Giles in eine geschlossene Anstalt Sie änderten Ihren Namen auf Steve, schen, dass die heutigen Flüchtlinge und seine Entlassung nach zwölf Jah- damit Sie bessere Chancen hatten, in auch so willkommen wären. ren: Im Alter von zweieinhalb Jahren der Geschäftswelt akzeptiert zu werden. der Wandel von einem zufriedenen, War diese Entscheidung das Zeichen Ihre Mutter war Österreicherin. Zu Be- glücklichen Baby zu einem wilden, einer mutigen Frau mit Sinn für Humor ginn dieses Jahres waren Sie in Wien. unbändigen Kleinkind. Es war nicht oder reine Berechnung? Haben Sie noch eine Beziehung zu eine Trotzphase, Giles war schwer au- Es war der Vorschlag meines Man- Wien? tistisch, vergaß die wenigen Worte, die nes, mit dem ich jetzt seit fünfzig Jah- Wien ist eine schöne Stadt mit ele- er schon beherrscht hatte und sprach ren verheiratet bin, den Spitznamen ganten Straßen und wunderschönen niemals wieder. der Familie „Steve“ zu verwenden, Palais. Früher kamen mir die Tränen, Die Gründung der Prior’s Court damit ich eine Antwort auf meine wenn ich Wiener Musik hörte, das war Schule: Das war das größte meiner Briefe zur Geschäftsentwicklung be- die sentimentale Vergangenheit; es ist Wohltätigkeitsprojekte. 30 Millionen käme. Ich erreichte überhaupt nichts, mir gelungen, diese Geister hinter mir Pfund und fünf Jahre meines Lebens. wenn ich sie mit meinem zweifach zu lassen. Es ist jetzt ein international anerkann- weiblichen Namen – Stephanie Shir- tes Internat für 60 autistische Schüler ley – unterschrieb. Also es war be- Sie wurden als Vera Stephanie Buchthal mit einem, wie es Sozialarbeiter nen- rechnend. Aber ich habe auch Sinn für geboren. Der Vorname Stephanie bezieht nen, „herausforderndes Verhalten“. Es Humor. Meine Briefköpfe in der ersten sich auf die Stephanskirche. Warum gibt auch ein Zentrum für Jugendliche, Zeit waren alle mit Kleinbuchstaben. haben Sie Ihren Namen geändert? für 20 Studenten im Alter zwischen 19 Und im Titel meiner Memoiren (die Wie viele Menschen anglisierte und 25 Jahren. kurz vor der dritten Auflage stehen) ich meinen Namen, als ich die briti- Giles unerwarteter Tod: Es war bit- gibt es ein Wortspiel: Let IT go (Anm.: sche Staatsbürgerschaft annahm. Ich tersüß. Es gibt kein Wundermittel dafür, IT – Information Technology). wählte den Namen Brooke zu Ehren Schmerz zu ertragen. Aber ich habe des romantischen und sehr engli- jetzt gelernt, ohne Giles, ohne dass ich Dreißig Jahre nach der Gründung ver- schen Dichters Rupert Brooke. Die Na- von ihm gebraucht werde, zu leben. kauften Sie Ihr Unternehmen, und Ihre mensänderung war eine Stärkung. Angestellten bekamen einen Anteil am Sie waren sehr jung, als Sie ihre eigenes Kapital. Wie war Ihr Managementstil Waren Ihre Eltern traditionell jüdisch? Software Unternehmen – die F. Interna- ganz im Allgemeinen? Ein Rabbiner hätte mich nicht als tional Group – gründeten. Was veranlass- Ich bin stolz darauf, dass ein Vier- Jüdin anerkannt (weil meine Mutter te Sie dazu? tel des Unternehmens in die Hände nicht jüdisch war). Die Nürnberger Ich war noch keine dreißig. Es sollte der Angestellten überging. Siebzig Rassengesetze definierten allerdings ein soziales Unternehmen sein – ein von ihnen wurden Millionärinnen. Ich jeden, der auch nur 1/16 jüdisches Blut Kreuzzug für die Frauen. Eine Art von bemühte mich, eine Chefin zu sein, hatte, als Juden, als Volksfeind. Mein familienfreundlichem Betrieb, in dem wie ich sie selbst gern gehabt hätte – Vater war, wie seine Eltern, säkularer ich selbst gerne gearbeitet hätte. kollegial und nicht nach dem Muster Jude. „Befehl und Kontrolle“. Ein Element Das F. im Namen der Gesellschaft steht von Erfolg ist es, sich mit erstklassi- Sie geben viel Geld für wohltätige für Feminismus, Flexibilität und Freibe- gen Menschen zu umgeben. Und Men- Zwecke aus, obwohl Sie als Kind das ruflichkeit. Am Anfang stellten Sie nur schen, die man mag. Mein Führungs- Böse im Menschen kennenlernten. Was Frauen an, manche brachten sogar ihre stil war eklektisch – anfangs sehr bezwecken Sie? Kinder mit zur Arbeit. Was bedeutet Fe- unternehmerisch, überall zur gleichen Wie bei vielen Philanthropen ist minismus für Sie? Zeit anwesend. mein Ziel, „etwas zu verändern“. Auch

„Wenn fesche junge Männer anboten, meine Ausrüstung zu tragen, antwortete ich leicht gereizt: ,Ich glaube an gleiches Gehalt und trage daher auch meine eigenen Sachen.‘ – Heutzutage seufze ich: ,Wie nett. Vielen Dank.‘“

2 | 2015 7 meinem Leben, das gerettet wurde, Ich ging sechs Jahre lang zur The- Was für ein Gefühl ist es, die drittreich- einen Wert zu geben. Mir wurde so viel rapie in der Tavistock Clinic in Lon- ste Frau in Großbritannien genannt zu gegeben, was kann ich anderes tun als don, am Anfang mit drei Sitzungen pro werden? selbst zu geben? Woche, dann zwei, dann eine, schließ- Die Berechnung war komplett lich alle zwei Wochen, langsam aus- falsch! Als ich hinter der Königin auf Ist es ein Problem für Sie, wenn ich Sie laufend. Der Therapeut nach Jung war der Liste der reichsten Frauen stand, zu den tragischen Ereignissen in Ihrem wunderbar. verschenkte ich so viel Geld, dass ich Leben befrage? jetzt überhaupt auf keiner Liste mehr Ich finde es schwierig, über meinen Das Tragischste in Ihrem Leben war, wie stehe! verstorbenen Sohn zu sprechen, aber Sie vorhin sagten, dass Ihr Sohn an Au- gehe meistens professionell damit tismus litt. Wie sind Sie damit und mit Was sind Ihre Lebensprinzipien, und was um. Ich muss mich davor schützen, seinem Tod umgegangen? sind die Gründe für Ihren Erfolg? näher auf die Nazigräuel einzugehen. Mein Sohn benötigte ständige Auf- Meine Prinzipien gehen zurück auf Als Teenager nahm ich an einigen merksamkeit und Pflege, viele waren meine Erfahrung des Kindertrans- Nürnberger Prozessen teil und werde überrascht, dass ich in der Lage war, ports, und sie sind heute noch so stark nie vergessen, was ich dort erstmals mich um ihn zu kümmern und gleich- wie eh und je. Ich bin entschlossen, gehört habe. zeitig meine Firma aufzubauen. Aber mein Leben nicht zu verzetteln, jeden die einzige Zeit, in der ich Giles vergaß, Tag lebenswert und so mein Leben er- Sie waren fünf Jahre alt, als Sie mit war bei der Arbeit; und die einzige Zeit, haltenswert zu machen. Die gleichen Ihrer jüngeren Schwester in einem Kin- in der ich meine Arbeit vergaß, war die Prinzipien gelten auch für meinen „Er- dertransport nach England geschickt Zeit mit Giles. So ergänzten sich die folg“, was immer das sein mag. Ich bin wurden. Erinnern Sie sich noch an diese zwei Stressfaktoren viele Jahre lang. froh, dass ich verwirklicht habe, was in Tage und an die Zeit unmittelbar da- Es gibt keinen richtigen oder falschen mir war. nach? Weg, Schmerz auszuhalten. Ich habe Ich erinnere mich an Kindersorgen: nun gelernt, ohne Giles zu leben, ohne Sie haben achtzehn Monate gebraucht, die verlorene Puppe, nicht das verlo- dass er mich braucht. um Ihr Buch zu schreiben. Die Zahl rene Zuhause; den Buben, dem immer 18 steht im Judentum für das Leben. wieder übel war; Kinder, die in den Was machen die Wissenschaftler mit Gibt es da einen Zusammenhang? Und Gepäcknetzen schliefen; das Meer zu Ihrer finanziellen Unterstützung im warum nannten Sie Ihre Memoiren Let sehen – oder mehr noch zu riechen Kampf gegen Autismus? IT Go? – bei der Überfahrt nach Harwich, bei Ich unterstütze die medizinische Sie werden enttäuscht sein, aber der mir schlecht wurde. Es gibt jetzt Erforschung des Autismus vor allem da gibt es keinen Zusammenhang. Bei dort eine Bank zur Erinnerung, dem über die gemeinnützige Organisation meinem säkularen Leben war es ein Meer zugewendet, von wo aus wir erst- „Autistica“. Sie hat über einen Zeit- (glücklicher) Zufall, dass ich achtzehn mals das grüne, schöne Land England raum von zehn Jahren ein Großpro- Monate benötigte (natürlich nicht sahen. jekt (BASIS) finanziert, das auf eine Vollzeit – an Abenden, wann immer Das waren traumatische Tage. Wir frühzeitige Diagnose dieser Störung mir danach war). Der Titel meiner Me- waren staatenlos, ohne Geld, und na- hinarbeitet, und eine Autismus-Bank moiren war schwierig. Waren sie die türlich ohne ein Wort Englisch. Alles angelegt – sie enthält unter anderem Geschichte eines Flüchtlingskinds? war anders: Pflegeeltern, Essen, Instal- das Gehirn meines Sohnes; als letztes Oder waren sie die Geschichte einer lationen, Eiderdaunen statt Tuchen- Geschenk von mir wird sie auch mei- Frau, die in den 1960er Jahren eine ten, Milch in unserem Tee... Wir mus- nes erhalten. Nach einer Studie, die Hightech-Firma gründete, die an die sten uns an vieles gewöhnen. betroffene Familien untersuchte, hat Börse ging und schließlich 8.500 Men- sich „Autistica“ auf drei noch kaum schen beschäftigte? Oder die der Mut- Warum war die Familie nach dem Krieg erforschte Gebiete konzentriert: frühe ter eines autistischen Kindes? Oder getrennt? Intervention (mit der Universität Man- einer Philanthropin, die schon sehr Wie viele Paare, die während des chester), psychische Verfassung bei viel Geld gespendet hat? Es zeigt sich, Kriegs getrennt wurden, hatten sich Autismus (am Institute of Psychiatry) dass ich von allem etwas bin. unsere Eltern in dieser Zeit verän- und Altwerden mit Autismus (an der dert. Mein Vater konnte seine Zukunft Universität Newcastle). Sie haben einmal gesagt: „Je mehr ich nur als Richter in Deutschland sehen; hergebe, desto reicher wird mein Leben.“ meine Mutter, die ihr Leben in England Sie sind sehr bekannt im öffentlichen Was meinten Sie damit? aufgebaut hatte, konnte sich nicht vor- Leben in England. Was genießen Sie am Let IT Go ist ein Wortspiel – Infor- stellen zurückzugehen. In modernen meisten? mation Technology – und bezieht sich Zeiten war die offensichtliche Lösung: Als Patriotin bin ich stolz, für die- auf das buddhistische Konzept, nichts Scheidung. ses Land meinen Beitrag zu leisten. zu wollen. Dinge machen nicht unbe- Am meisten gefallen hat mir wahr- dingt glücklich. In Krisensituation Ihres Lebens litten Sie scheinlich meine Funktion als natio- Es macht mir mehr Freude, meinen an Depressionen. Wie kämpften Sie da- nale Botschafterin der Philanthropie Reichtum herzugeben, als ich je damit gegen an? 2009/2010. hatte, ihn zu erwerben. nu

8 2 | 2015 Unterwegs mit

„Morgenthau klingt doch schöner als Morgan“

Das Sisi-Museum in der Hofburg übt selbst auf Peter Morgan eine gewisse Faszination aus. Dabei könnte man meinen, dass der prominente Drehbuchautor und Produzent (u.a. The Queen, Rush, Last King of Scotland) mit diesem Thema ganz locker umgeht. Ist er doch beruflich wie privat in der Hocharistokratie quasi zu Hause.

VON DANIELLE SPERA (TEXT) UND MILAGROS MARTÍNEZ-FLENER (FOTOS)

Mit dem NU-Team lernte er nun erstmals das Sisi- Museum kennen und konnte nicht umhin, Handy- Fotos der ausladenden Roben von Kaiserin Elisa- beth zu knipsen. Nach den vielen Jahren seiner Beschäftigung mit der britischen Königin liegt die Frage auf der Hand, ob nicht auch die schwierige Persönlichkeit der vorletzten österreichischen Kaiserin für ihn reizvoll wäre? Theoretisch ja, meint Peter Morgan. Allerdings schreibe er der- zeit an einer großen Serie über Queen Elizabeth für , die ihn seit fast einem Jahr Tag und Nacht beschäftige. „Ich glaube, wenn ich mit dieser Serie fertig bin, werde ich nie wieder über Königshäuser schreiben. Ab dann werden für mich nur noch Antimonarchi- sten, Räuber oder Mörder Thema sein. Dann will ich nie wieder das Wort Prinzessin hören!“ Allerdings betrachtet er seine Arbeit für Netflix als große Her- ausforderung. Die neue Serie ist nach House of Cards der größte Auftrag, den der neue Internet-

2 | 2015 9 Nach den vielen Jahren seiner Beschäftigung mit der britischen Köni- gin liegt die Frage auf der Hand, ob nicht auch die schwierige Persön- lichkeit der vorletzten österreichischen Kaiserin für ihn reizvoll wäre?

TV-Sender je vergeben hat. Die Arbeit gewesen. „Damit bin ich aufgewachsen, sondern nimmt ihn auch mehrmals für Netflix hat auch sein Leben verän- mit dieser Mentalität. Ich glaube schon, pro Woche mit ins Theater – Besuche, dert. Weil der Sender 180 Millionen US- dass mein Workaholismus damit zu die den jungen Peter Morgan, der den Dollar in die Serie investiert hat, steht tun hat, ich kämpfe förmlich darum, Rat der Namensrückführung, wie wir Peter Morgan unter ständiger Beobach- dass ich etwas Bleibendes herstelle, sei wissen, nicht annahm, für sein Leben tung. Alle paar Monate muss er sich ins es eine DVD oder Ähnliches. Ich glaube, prägen. Spital begeben, wo Untersuchungen auf das ist schon eine ererbte Neurose.“ Erzogen wird er von seiner Mutter dem Niveau von Gesundheitschecks Seine Eltern bezeichnet er als stolze allein. Zunächst besucht er die fort- für Staatspräsidenten durchgeführt britische Staatsbürger, die Englisch mit schrittliche Londoner Schule St. Paul´s, werden. Man will sichergehen, dass einem stark deutschen Akzent spra- durch die er eine weitere Prägung er- der Drehbuchautor nicht während der chen. „Mein Vater hatte einen großen fährt. 60 Prozent seiner Mitschüler Entwicklung der Serie durch Krankheit Freundeskreis, ausschließlich deutsche sind Juden, doch dann entscheidet ausfällt. Immerhin wird Morgans Serie Emigranten. Bis auf seinen Kompa- sich seine Mutter für ein katholisches in 190 Ländern gleichzeitig starten und gnon haben sich alle von ihren jüdisch Internat. „Das war ein ziemlicher Kul- soll in fast ebenso viele Sprachen über- klingenden Namen verabschiedet und turschock, von der sehr urbanen, jü- setzt werden. umbenannt.“ Morgans Vater kehrte disch geprägten Kultur plötzlich in die nach dem Krieg immer wieder nach aristokratische englische Gesellschaft Ein Helfer Simon Wiesenthals Deutschland zurück und half Simon zu wechseln. Das ist eine Kultur – auch Mit Sprache an sich und verschie- Wiesenthal bei seinen Recherchen über wenn meine Frau aus dieser Gesell- denen Sprachen ist Peter Morgan Kriegsverbrecher. Er arbeitete viel, lebte schaft stammt – in der ich mich nicht aufgewachsen. Seine Eltern waren nicht gerade gesund und starb mit 59 zu Hause fühle, mit der ich eigentlich nach Großbritannien geflüchtet. Sein Jahren, als Peter gerade einmal neun nichts tun habe.“ Vater Arthur Morgenthau kam 1933 als Jahre alt war. „Dadurch konnte ich ihn Seine geistige Heimat ist der jüdisch 18-Jähriger mit seiner Großmutter aus so vieles, was ich heute gerne wissen geprägte Freundeskreis in . Dresden, seine Mutter war eine pol- möchte, nicht mehr fragen“, bedauert Auch in Wien kommen die Menschen, nische Katholikin aus Schlesien. Der Peter Morgan. Rafael Scharf, der Kom- mit denen er sich gern umgibt, haupt- Vater stammte aus einer wohlhaben- pagnon des Vaters, übernimmt eine sächlich aus der Gruppe der Wiener den, die Mutter aus einer einfachen Fa- wichtige Funktion. Nicht nur fordert Jüdinnen und Juden. „Ich spüre da milie. Ausbildung – vor allem an einer er Peter immer wieder auf, sich den eine Wärme, kann aber nicht erklären, Universität – sei das Allerwichtigste Namen Morgenthau zurückzuerobern warum das so ist, es ist sicherlich keine im Leben, das kann einem niemand (er sagte immer: „Morgenthau klingt bewusste Entscheidung.“ nehmen, sei das Credo seines Vaters doch zehnmal schöner als Morgan“), Denn in seiner Familie hat Peter

Als junger Mann versuchte sich Peter Morgan als Schauspieler: „Ich war unbegabt und undiszipliniert.“

10 1 | 2015 Danielle Spera und Peter Morgan – von allen Seiten fotografiert.

Morgan vom Judentum nicht viel mit- ningsfilme für Verkäufer, in denen er schichten zu mir. Wie der Stoff für bekommen. Wenn Religion praktiziert selbst mitspielte. „Es waren sehr komi- Rush (über den Konkurrenzkampf in wurde, dann eher das Katholische. Al- sche Szenen – wie mache es ich am be- der Formel 1 zwischen und lerdings gab es keinerlei religiöse Sym- sten garantiert falsch. Jedenfalls habe ), den ich erst in Wien ent- bole in der Wohnung. „Mein Vater war ich damit mein erstes Geld verdient. deckt hatte, nachdem ich durch meine komplett ungläubig. Ich würde ihn als Cleese hat mir meine erste Bahnfahrt Frau Niki Lauda kennengelernt hatte. ,faulen Juden‘ bezeichnen, was seine bezahlt. Ich fühlte mich wie ein Millio- Niki hat mich beeindruckt, weil er so Religiosität betrifft. Mein Vater hatte när.“ Dennoch blieben die ersten Jahre uneitel ist und vor allem, weil er mir alle Vorurteile: Wir sind clever, wir stre- schwierig. Morgan lebt bescheiden, blind vertraute. Das ist für mich sehr ben immer zum Besseren. Das war bei es ist eine harte, aber lehrreiche Zeit. wichtig. Das hätte ich auch der Queen uns immer in der Luft. Gleichzeitig aber „Meine Stimme beim Schreiben habe gesagt: Sie sind kalt, Sie sind engstir- auch die Neurosen von Flüchtlingen: ich erst mit 38 Jahren gefunden. Es ist nig, Sie sind arrogant, Sie sind verloren das Schuldgefühl, überlebt zu haben. vollkommen egal, ob man Erfolg hat, und genau das werde ich beschreiben.“ Damit bin ich aufgewachsen.“ man darf nur nicht aufhören. Glückli- Obwohl er sich seit Jahren mit ihr be- cherweise hatte ich immer den ganzen schäftigt, hat Peter Morgan keine Lust, Theater als große Faszination Tag, um zu schreiben. Vor allem in der Königin Elizabeth kennenzulernen. Die große Faszination, die sich Früh.“ Wie das mit den fünf Kindern, die „Die meisten Menschen, über die ich durch Peter Morgans Leben zieht, ist er mit seiner Frau Lila Schwarzenberg schreibe, sind unmöglich. Über einfa- das Theater. Als junger Mann versucht hat, vereinbar ist? „Ich bin ein zurück- che, nette Menschen kann ich nicht er sich als Schauspieler. „Ich war un- gezogener Vater. Eigentlich wollte ich schreiben. Da wüsste ich nicht einmal, begabt und undiszipliniert.“ Ein kurzes nur ein Kind, meine Frau dagegen eine wie ich anfangen sollte.“ Intermezzo. Als Regisseur möchte er Großfamilie. Ich fürchtete mich vor einen Film drehen und bei einem Fe- der großen Verantwortung. Außerdem „Ich gebe Wien noch stival in Edinburgh einreichen. Aller- hassen die Kinder meine Drehbücher. eine zweite Chance“ dings kosten die Rechte für das Stück, Immer sagen sie: schon wieder so ein Wie Romy Schneider mit Sisi wird das Morgan verfilmen will, ein kleines fader Film. Mach doch lieber einen nun auch mit der Queen Vermögen. So schreibt er ein eigenes James Bond...“ identifiziert. Besonders in den USA, da Stück, und gewinnt dafür mit 21 Jahren Sein vorletztes Projekt Die verlo- machen selbst erwachsene, gebildete seinen ersten Preis. rene Ehre des Christopher Jeffries Menschen vor ihr einen Knicks, weil sie Seitdem hat ihn das Schreiben kommt dem schon recht nahe. Mor- nicht mehr unterscheiden können, be- nicht mehr losgelassen. Der britische gan schrieb das Skript einer wahren richtet Morgan. Sein großartiges Stück Komiker John Cleese wird auf Peter Geschichte über einen pensionierten , in dem Morgan die mo- Morgan aufmerksam und engagiert Lehrer, der unschuldig unter Mordver- natlichen Treffen der Queen mit den ihn für ein Projekt, das ganz und gar dacht geriet und ein Opfer der Vorver- britischen Premierministern im Lauf nichts mit seinem späteren Erfolgen urteilung durch die Boulevardpresse der Jahrzehnte Revue passieren lässt, wie Monty Python zu tun hat. Cleese wurde. „Diese Geschichte musste ich lief mit großem Erfolg in London, New produziert zu diesem Zeitpunkt Trai- schreiben, meistens kommen die Ge- York, Prag und Moskau. Warum nicht

2 | 2015 11 Dass sein Antrieb, ständig etwas Neues zu schaffen, dem jüdischen Grundsatz, sein Leben immer zu verbessern, entsprechen würde, verneint Peter Morgan. Er sei unbewusst eher von Furcht getrieben. in Wien? Das Volkstheater habe es ab- gelehnt. Und das Burgtheater? „Rich- tig“, sagt Morgan augenzwinkernd, „ich gebe Wien noch eine zweite Chance.“ Für Politik interessiert er sich nur „in seinem eigenen Tiergarten“, also der britischen Innenpolitik. Nach dem überraschenden Erdrutschsieg von David Cameron vor wenigen Wochen, musste er die letzten Szenen für seine Netflix-Serie über die Queen komplett umschreiben, da er mit diesem Wahl- ausgang nicht gerechnet hatte. Die Entwicklung u. a. von Netflix, das große Aufkommen und den Er- folg von Serien betrachtet Morgan als zweischneidig. „Das Kino ist jetzt am Aussterben. Man hört nie mehr ,I love cinema‘, sondern vielleicht noch manchmal ,I like the movies‘. Und es wird immer schwieriger, interessante Filme zu machen. Die Menschen sit- zen lieber zu Hause vor einem riesigen Bildschirm, wo die Tonqualität beson- ders gut ist. Da wird man nicht gestört von Leuten, die missverstanden haben, dass ein Kino kein Restaurant ist, Leu- ten, die mit dem ganzen Abendessen da ankommen, dann quatschen und telefonieren, texten und SMS senden. Das ist eigentlich schade. Ein Kino zu besuchen, war eine schöne Sache. Das hat sich in den letzten Jahren so ver- „Es ist vollkommen egal, ob man Erfolg hat, man darf nur nicht aufhören.“ ändert, und es wird sich immer schnel- ler und immer mehr ändern. Das Kino ist zu einem ,Filmpark-Erlebnis‘ wie ständig etwas Neues zu schaffen, dem chen. Eigentlich hatte ich mich anfangs Disney World geworden. Das ist sehr jüdischen Grundsatz, sein Leben immer gefragt, warum ein Interview mit mir in bedauerlich.“ Dennoch genießt er zu verbessern, entsprechen würde, ver- einer jüdischen Zeitschrift erscheinen gleichzeitig seine neue Rolle als Dreh- neint Peter Morgan. Er sei unbewusst soll. Ich bin kein gläubiger Jude, aber buchautor einer umfassenden Serie. Es eher von Furcht getrieben. „Wenn man man hätte mich in der Nazi-Zeit umge- entspricht seinem Antrieb, Charaktere aus einem Haus kommt, wo beide El- bracht. Deswegen gehöre ich dazu. Und herauszuarbeiten, ins Detail zu gehen, tern Flüchtlinge sind, die alles verloren jetzt verstehe ich das auch.“ nu einen großen Roman zu verfassen. „Die haben, dann denkt man immer, dass Peter Morgan, geboren 1963 in London, ist Menschen, die sich die Serie ansehen, morgen alles weg sein kann. Ich meine ein vielfach ausgezeichneter Drehbuchautor. wollen keinen lärmigen Blockbuster das nicht nur materiell. Ich meine alles! Für sein Drehbuch zu Die Queen (2006, Regie sehen. Ich schätze, es werden 30- bis Die ganze Welt ist weg. Und deswegen ) erhielt er einen Golden Globe Award und Nominierungen für den Oscar. Sein 40-Jährige sein, die gehaltvolle Unter- will man zeigen oder beweisen, dass Drehbuch für Der letzte König von Schottland haltung suchen.“ man da war. Bei meinen Kindern ist wurde ebenso ausgezeichnet wie Frost/Nixon. Sein nächstes Projekt hat er schon das ganz anders, die haben überhaupt In dem Film Rush thematisierte Morgan den Konkurrenzkampf zwischen Niki Lauda und im Kopf, es geht wieder einmal um keinen Sinn dafür. Gott sei Dank! Es ist James Hunt in der Formel 1. Morgan ist der zwei starke, schwierige Charaktere, nicht besonders gesund, das würde ich Sohn von Flüchtlingen, sein Vater Arthur zwei Wissenschaftler und deren Aus- ihnen nicht gerne vererben. Ich glaube, Morgenthau war ein deutscher Jude und seine Mutter eine polnische Katholikin. Peter Morgan einandersetzung über die Frage nach mein Leben ist von diesen Schatten der lebt mit seiner Frau Lila, einer Tochter von der Existenz Gottes. Dass sein Antrieb, Geschichte geprägt. Von traurigen Sa- Karel Schwarzenberg, in Wien.

12 1 | 2015 Nahost Vom Triumph ins Schlamassel

Das letzte bisschen Zeit, das ihm per Gesetz zur Regierungsbildung zustand, hatte der designierte Premier Netanjahu ausgereizt, als am späten Abend des 14. Mai 2015 endlich zwanzig Minister vereidigt wurden. Mit Ach und Krach bestä- tigte die Knesset die 34. Regierung des Staates Israel. Dabei hatte Benjamin Netanjahu am 17. März doch einen für viele überraschenden, aber zweifellos überragenden Wahlsieg errungen. Über den Start der vierten Regie- rung Netanjahu ist nichts Positi- ves zu hören, ein Ende des Dramas noch lange nicht in Sicht. om picturede s k . c om Safadi /EPA/

VON JOHANNES GERLOFF, JERUSALEM A tef ©

Den Kommentatoren des politischen sen kopfloser Körper von Nachzu- verbüßt hat. Die Justizministerin will Israel fehlen die Worte. Man fragt sich, ckungen geschüttelt“ werde; mit ihren die Macht des Obersten Gerichts ein- wie Netanjahu in weniger als zwei „Zugängen, Abgängen, Spaltungen und schränken. Der Wohnbauminister Monaten „vom König zum Fußabtre- Streitereien“ würde sie „jedem satiri- konnte nicht Generalstabschef wer- ter“ werden konnte? „Was ist mit sei- schen Sketch Ehre machen“, heißt es. den, weil er gegen das Baurecht versto- nen taktischen Fähigkeiten passiert?“ Für sie gelte, was Alt-Premier Barak ßen hatte. Die De-facto-Außenministe- Als Wahlkämpfer hatte er die Wähler- über die Abkommen von Oslo sagte: rin darf als orthodoxe Jüdin Männern schaft herumreißen und seiner Likud- „Voller Löcher, wie ein Schweizer nicht die Hand geben, was Begegnun- partei über Nacht 30 Sitze in der Knes- Käse!“ Eine Zeitung beobachtet, dass gen mit ausländischen Diplomaten in- set sichern können. 35 Tage später be- innerhalb der Regierung einer den an- teressant zu machen verspricht. kommt er kaum eine mehrheitsfähige deren bekämpft und kommt zu dem Dieses gefundene Fressen für alle Regierung zusammen und kann seine Schluss: „Das ist kein Kabinett. Das ist Netanjahu-Hasser wird auch dadurch eigenen Parteifreunde nicht mehr eine Schießbude!“ nicht verdorben, dass Zipi Hotovely, ausstehen – was auf Gegenseitigkeit In Netanjahus neuem Kabinett sitzt Vizeaußenministerin im Außenmi- beruht. ein Wirtschaftsminister, der wegen Be- nisterium ohne eigenen Minister, Die neue Regierung wird als „ge- stechung und Missbrauch von öffent- erklärt, die Halacha (das jüdische Ge- köpftes Hühnchen“ bezeichnet, „des- lichen Mitteln eine Gefängnisstrafe setz) gestatte ihr, eine ausgestreckte

2 | 2015 13 Hand zu ergreifen, weil es schlimmer öffentliche Information. Dafür musste mehr als ein Drittel der aus 61 Knesset- sei, einen fremden Mann zu brüskie- allerdings Benni Begin, der Sohn des mitgliedern bestehenden Regierungs- ren. Karriereoffizier Joav Galant, zu- ehemaligen Ministerpräsidenten Me- koalition als Minister oder stellvertre- ständig für das heiße Thema Wohn- nachem Begin, den Netanjahu extra tende Minister im Kabinett vertreten. bau, bedauert nun offenbar, dass sein aus dem politischen Ruhestand geholt Wohnhaus auf öffentlichem Grund hatte, den Hut nehmen. Im Kabinett Wirtschaftsstrategie: steht, die Zufahrtsstraße dorthin nicht wären sonst zu viele Minister gewe- Ein Geheimnis genehmigt und sein Olivenhain zu sen. Die Regierung Israels ist neu. Die groß für seinen privaten Grundbesitz In einem fiktiven Gespräch zwi- Herausforderungen aber, vor denen sie ist. Justizministerin Ajellet Schaked schen Benjamin Netanjahu und sei- steht, sind altbekannt. Vor dem Hinter- fehlen angeblich die politischen Mus- nem Sohn Jair lässt Uri Dromi, ehe- grund der Gewitterwolken des radika- keln, um ihre Träume gegen Israels mals Chef des Government Press len Islam, die sich rund um das Land unabhängige Gerichtsbarkeit auszu- Office, den Regierungschef seine seit Jahren zusammenbrauen, sind es leben, und die orientalisch-jüdische Methode der Ämtervergabe erklären: vor allem soziale und wirtschaftliche Wählerschaft von Wirtschaftsminister „Stell dir zuerst die Frage, welche Auf- Nöte, die Israels Bürger beschäftigen: Arije Deri begreift diesen, so scheint’s, gabe am besten zu welcher Person angefangen von den Wohnungsprei- nicht als Gauner, sondern als sephar- passt. Dann lädst du diese Person ein, sen und Lebenshaltungskosten über disch-religiösen Robin Hood. um ihr mitzuteilen, dass sie eine ganz die Frage der Arbeitslosigkeit bis hin andere Aufgabe bekommt, die in kei- zur sozialen Absicherung. Die neue „Das ist ja der Trick“ ner Weise ihren Qualitäten entspricht.“ Knesset muss möglichst schnell Aber wie ist Netanjahu so schnell – „Ist das nicht verrückt?“, wagt Netan- einen Haushalt verabschieden – für vom Triumph der Wahlnacht in eine jahu-Sohn Jair einzuwenden: „Damit das laufende Jahr 2015, in dem an- Regierungsbildung geraten, die man garantierst du doch ihr Versagen!?“ sonsten kaum Handlungsfreiheit für nur als Schlamassel bezeichnen – „Das ist ja der Trick“, erklärt ihm die politischen Akteure besteht. Auch kann? – Zuerst hat er binnen kürze- sein Vater: „In kürzester Zeit werden Rassismus- und Korruptionsvorwürfe ster Zeit seine engsten Vertrauten all diese pompös daherkommenden beschäftigen die Menschen, ebenso samt und sonders vor den Kopf ge- Größenwahnsinnigen von der Presse die organisierte Kriminalität. Hinzu stoßen. Loyalität wird von Benjamin zu Versagern erklärt, und ohne große kommt die Notwendigkeit einer effek- Netanjahu bestraft. Davon können be- Anstrengung stehe ich allein da und tiven und klar definierten Asylpolitik. gabte Politiker ein Lied singen. überrage sie alle.“ Immerhin ist Israel das einzige west- Deshalb verbrachte Gideon Sa’ar Ob die Analyse Dromis, der heute liche Land mit einer Landbrücke zu die heißeste Zeit der Regierungsbil- den Jerusalem Press Club leitet, Mo- Afrika und beherbergt bereits Zehn- dung mit seiner Familie im Urlaub in tive und Gesinnung Netanjahus kor- tausende illegaler Migranten. Spanien. Deshalb hat Mosche Kachlon rekt darstellt, sei dahingestellt. Jeden- Eine klare Aussagen hat Netan- seine eigene Partei gegründet. Des- falls trifft er, was sich viele im Volk jahu zu Jerusalem: Die Stadt „war halb hat sich Avigdor Lieberman in die fragen: Wie kommt es, dass Netanjahu immer nur und wird ausschließlich Opposition geflüchtet. „Wer seine eng- so viele Jobs an die falschen Leute ver- die Hauptstadt des jüdischen Volkes sten Freunde jahrelang demütigt und geben hat? sein und bleiben.“ Und zum Iran: Das bevormundet“, erklärte der langjäh- Den Koalitionspartnern Netanjahus Mullah-Regime in Teheran darf nie- rige Weggefährte und Außenminister – Mosche Kachlon (Kulanu), Arije Deri mals in den Besitz einer Atombombe Netanjahus, „darf sich nicht wundern, (Schass) und Naftali Bennett (HaBait kommen. Darüber ist man sich in Is- wenn sie ihm das zurückzahlen, wenn HaJehudi) – ist es gelungen, weit mehr rael aber eigentlich weitgehend einig, die Zeit gekommen ist.“ vom Wahlsieger Netanjahu zu bekom- weshalb diese Fragen kaum diskutiert Nur Gilad Erdan schien die Zähne men, als sie selbst jemals erwartet werden. zusammenzubeißen. Er war einer der hätten. Joel Marcus bemerkt ironisch Als klare Botschaft der vierten Re- besten und tüchtigsten Ministern der in der Jerusalem Post: „Die kleinen gierung Netanjahu darf – allen anders- beiden vorhergehenden Regierungen Koalitionspartner bekamen mehr Ka- lautenden Beteuerungen des Regie- – „vielleicht zu tüchtig“, flachst Jossi binettsposten, als sie Mitglieder im rungschefs zum Trotz – auch gewertet Verter in HaAretz. Zu Beginn der letz- Parlament haben.“ Im Likud stellte werden, dass seine stellvertretende ten Maiwoche wurde Erdan dann doch sich den Parteifreunden im Laufe der Außenministerin genauso wie der für noch Minister für innere Sicherheit, Verhandlungen zunehmend die Frage: die Beziehungen zu den USA und den strategische Angelegenheiten und Was bleibt für uns? Letztendlich sind Palästinensern verantwortliche Silvan

Den Kommentatoren des politischen Israel fehlen die Worte. Man fragt sich, wie Netanjahu in weniger als zwei Monaten „vom König zum Fußabtreter“ werden konnte? „Was ist mit seinen taktischen Fähigkeiten passiert?“

14 2 | 2015 Schalom erklärte Gegner einer Zwei- tätsgesellschaft oder für die Förderung an Nichtjuden abgegeben hat als jeder staatenlösung sind. Beide befürworten von Erdgas im Mittelmeer. andere Regierungschef Israels. Keiner explizit den Ausbau von israelischen hat den Siedlungsbau in den besetzten Siedlungen in Gebieten, die vor dem Kann man Netanjahu Gebieten de facto so sehr gedrosselt Sechstagekrieg von 1967 zu Jorda- noch glauben? wie er – während unter allen anderen, nien gehörten. Zipi Hotovely soll sich Die vierte Regierung Netanjahu vor allem aber den sozialdemokra- sogar für eine israelische Annexion muss ihre Sprachlosigkeit nicht nur tisch geführten Regierungen, der Sied- des Westjordanlandes ausgesprochen gegenüber dem eigenen Volk über- lungsbau blühte. Kaum ein führender haben. winden, sondern auch der Weltöffent- israelischer Politiker hat so viele palä- „Was aber will Netanjahu für die lichkeit erklären, was Sache ist. Dan stinensische Terroristen freigelassen, israelische Wirtschaft?“, fragt Merav Meridor, Ex-Minister und Weggefährte und keiner ist der internationalen Ge- Arlosoroff in HaAretz, um gleich selbst Netanjahus im Likud, mahnt an: „Es ist meinschaft und ihren Vorstellungen die Antwort zu geben: „Das ist ein Ge- nicht in erster Linie unser Fehler, dass von einer Zweistaatenlösung unter heimnis!“ Tatsächlich weiß niemand mit den Palästinensern bislang keine Hintanstellung eigener Positionen so im Volk, welche Strategie der Wirt- Übereinkunft zustande gekommen ist. weit entgegengekommen wie Benja- schaftsexperte Netanjahu nach seinen Aber es ist unser Versagen, wenn die min Netanjahu. Aus israelischer Sicht unbestrittenen Erfolgen der letzten Weltöffentlichkeit denkt, dass Israels fragt man sich, wie man einem sol- Jahrzehnte heute verfolgt. Niemand Politik dafür verantwortlich ist.“ chen Regierungschef überhaupt noch weiß, wie ultraorthodoxe und arabi- Ganz unterschiedliche Beobachter Glauben schenken kann. sche Bevölkerungsschichten in den sehen eine große Diskrepanz zwischen Gil Hofman, politischer Kommen- Arbeitsmarkt integriert werden sollen. der Sichtweise, mit der Netanjahu im tator der Jerusalem Post, mag recht Anlass zur Sorge bereitet Arlosoroff westlichen Ausland wahrgenommen haben, wenn er spekuliert, dass es die Feststellung, dass Israel heute für wird, und der Perspektive der Bevölke- Netanjahu viel leichter gefallen wäre, Investoren zu den bürokratischsten rung in Israel. Das Ausland sieht Israels eine stabile Regierung zu bilden, wenn und ineffizientesten Ländern der Welt Regierungschef weit kompromissloser die Israelis der ausländischen Presse gehört. Sie bemängelt die träge öffent- und politisch rechts stehend als seine und ihrer Darstellung Netanjahus als liche Verwaltung, archaische Arbeits- israelischen Mitbürger. Hardliner und Falken mehr Glauben verhältnisse und fehlende Lösungsan- Tatsache ist, dass Netanjahu mehr schenken würden. nu sätze gegen das Monopol der Elektrizi- Fläche des biblischen Landes Israel

2 | 2015 15 Nahost

Die Imam-Moschee in Isfahan Ein überraschend konventionelles Land

Ein Reisebericht aus Daher waren wir umso mehr er- ren, verkehrt sich alles ins Gegenteil. dem Iran. staunt, dass wir den Iran – ganz im Ge- Einerseits erlebt man eine säkulare, gensatz zu seinem Image im Westen kapitalistische Demokratie mit einer VON PETER FREY (TEXT) – als ziemlich konventionelles Land starken Mittelschicht. Andererseits UND ALEX CHENG (FOTO) erlebten. Ein Land mit einer schein- wird der Iran von einem undurchsich- Übersetzung: Danielle Spera bar ganz normalen Bevölkerung. Es ist tigen klerikalen System gesteuert, der jedoch ein Ort voller Überraschungen das Leben der Menschen wie mit einer Unserer Ankündigung, dass wir mit für den Reisenden. unsichtbaren Hand lenkt. Die Iraner einer von der New York Times organi- sind offen und sehr freundlich. Gleich- sierten Reise in den Iran fliegen woll- Ausgefallene zeitig betrachten sie die Außenwelt ten, sorgte bei unseren Konversatio- Verschwörungstheorien mit großer Skepsis und würden auch nen im Bekanntenkreis für gehörigen Unsere Gruppe bestand aus zwan- die ausgefallensten Verschwörungs- Zündstoff. Vor allem unsere jüdischen zig Amerikanern, alle New York theorien glauben. Freunde waren geradezu außer sich. Times-Leser, daher zumeist politisch Jede Person, der wir begegnen, Deren Reaktion reichte von absolu- progressiv und interessiert. Wir wur- scheint politische Statements auszu- ter Ungläubigkeit („Lasst uns einfach den von zwei erfahrenen iranischen drücken: durch ihre Sprache, ihre Klei- hoffen, dass ihr nicht geköpft wer- Guides und einer Journalistin der New dung (eine Schlüsselfrage ist offenbar, det“) über irritiertes Erstaunen („Ich York Times begleitet, die den Iran seit wie weit eine Frau das obligatorische kann nicht fassen, dass sie amerika- vielen Jahren als Korrespondentin Kopftuch nach hinten schieben kann, nischen Juden erlauben, das Land zu und Autorin gut kennt. ohne in Schwierigkeiten zu geraten) betreten...“) bis zum genauen Gegenteil Zwei Wochen mit dem Bus durch oder ihr Verhalten (Hand in Hand in („Ich bin so neidisch, ich wollte immer den Iran (wir besuchten Teheran, der Öffentlichkeit zu gehen ist verbo- schon dorthin“). Diese Reaktionen, vor Kermanshah, Hamadan, Shiraz und ten, doch das wird häufig praktiziert, allem die sehr negativen, schienen Isfahan) unterwegs zu sein, fühlt sich gleiches gilt für roten Lippenstift oder uns schon ziemlich überzogen, aber an wie das Häuten einer schier end- Nagellack). Satellitenschüsseln sind sie hatten doch zur Folge, dass meine losen Zwiebel. Das Land und seine offiziell nicht erlaubt, doch sind sie auf Frau und ich die geplante Reise mit Menschen sind vielfältig und kom- jedem zweiten Haus zu sehen. einer Mischung aus Aufregung und plex. Sobald man meint, ein wenig von Die Menschen scheinen die Verei- Beklommenheit antraten. dem, was das Land ausmacht, zu spü- nigten Staaten zu lieben, dennoch sind

16 2 | 2015 sie voll von Geschichten darüber, wie Die jüngere Generation ist – wenig verschiedene Arten von diplomati- unheimlich die US-Regierung ist. Das überraschend – meist offen für die scher Aufregung im Iran. In der loka- einzige westliche Land, von dem sie Außenwelt; man hat den Eindruck, len konservativen Presse wimmelte noch mehr Schlechtes erwarten als dass die Jugend ihre Eltern und die es vor Gerüchten über eine israelische von den USA, ist Großbritannien. Der Politik fast zur Öffnung des Landes Spionin, die das Land infiltriert habe. britische Geheimdienst MI6 wird für drängt. Obwohl Facebook und Twitter Die Erzkonservativen ergriffen den viele schmerzliche Erfahrungen ver- gesperrt sind, wissen die meisten Ira- Anlass, um sich auf das für alle Tou- antwortlich gemacht. Die Iraner haben ner, wie man diese Einschränkungen risten zuständige Außenministerium ein langes Gedächtnis, besonders umgehen kann. Man hat das Gefühl, einzuschießen, das der weitaus libe- wenn es um Unrecht geht, das ihnen dass die Menschen es richtig genie- ralste Teil der iranischen Bürokratie angetan wurde. ßen, die Verbote des Regimes auszu- ist. Ob der Vorfall für zukünftige NYT- In jedem Fall sind sie sehr stolz auf tricksen. Reisen Konsequenzen haben wird, ist die lange Geschichte ihres Landes und Wir stießen auch auf ein paar Men- ungewiss. Wie gesagt, nichts im Iran betrachten andere Völker als zweit- schen, die noch immer Sehnsucht ist unkompliziert. rangig. Bei den Arabern konstatieren nach dem Schah haben, und nicht alle Unsere Reise fiel exakt in die Zeit sie einen Mangel an Kultur und Klasse, haben aus ihren Ansichten ein Hehl der „heißen“ Atomverhandlungen zwi- Israel verkörpert für sie einen Aggres- gemacht. Die meisten Iraner jedoch schen dem Iran und dem Westen, und sor, und die westlichen Länder hätten äußern sich positiv über die islami- es war ganz offensichtlich, dass die dem Iran immer geschadet. Ihr eige- sche Revolution von 1979, auch wenn Regierung die Bevölkerung auf eine nes Land sehen sie als grundsätzlich sie ernsthafte Bedenken in Bezug auf eventuelle Einigung mit dem Westen friedliche Nation, die in ihrer langen die aktuelle politische Klasse haben. vorbereitete. Die Titelseite der Tehran Geschichte noch nie ein anderes Land Wir hörten viele Klagen über massive Times, die angeblich dem Regime na- angegriffen hätte. Das Ergebnis ist ein Korruption. Die Iraner sind jedenfalls hesteht, war voll von Geschichten über Opfer-Bösewicht-Held-Szenario, in große Geschichtenerzähler, die Kehr- die Verhandlungen und berichtete zu dem sie sich als Opfer und die Außen- seite davon ist, dass sie sehr anfällig unserer Überraschung auch über Ne- welt als Bösewicht sehen. Wer in die- für Verschwörungstheorien sind. tanjahus Rede im US-Kongress mit ser Rollenverteilung der Held sein soll, wenig Emotion. ist allerdings nicht recht klar. Nichts im Iran ist unkompliziert Meine Schlussfolgerung ist, dass Bemerkenswert war, dass während Der politische Kampf um die Zu- der Iran nicht der totalitäre islami- der zwei Wochen, in denen wir unter- kunft des Landes zwischen den Ge- sche Bösewicht ist, zu dem er in der wegs waren, kaum Polizei oder Militär mäßigten (Präsident Ruhani und Au- US-Presse gemacht wird, aber dass zu sehen war. Wir hatten dennoch ein ßenminister Sarif) und den Hardlinern es lange dauern wird, bis sich die Be- Gefühl der Sicherheit und der Norma- (Revolutionsgarden) wird hinter den ziehungen zum Westen nach den lität, ein wesentlicher Unterschied zu Kulissen geführt. Unsere Reisegruppe vielen Jahre des Misstrauens und der Ägypten, das wir kurz vor dem Arabi- wurde zum Objekt in diesem Kampf, gegenseitigen Verunglimpfung nor- schen Frühling besucht hatten. Außer- als sich eine der „amerikanische Tou- malisieren können. Wenn die jüng- halb offizieller Stellen, Schulen oder ristinnen“ im Nachhinein als israeli- ste Geschichte (zweite Hälfte des 20. Moscheen bekamen wir kaum Geistli- sche Journalistin entpuppte, die mit Jahrhunderts) anders verlaufen wäre, che zu Gesicht. Die raren Begegnungen, ihrem US-Pass eingereist war. Die Ti- hätte der Iran als natürlicher Verbün- die wir mit ihnen hatten, waren freund- telgeschichte, die sie nach der Reise deter des Westens gelten können. Es lich, von fast kindlichem Verhalten und in der israelischen Zeitung Yediot ist wahrlich schade, dass das für lange Interaktionen gekennzeichnet. Ahronot veröffentlichte, verursachte Zeit nicht der Fall sein wird. nu

2 | 2015 17 Nahost ex F eature s/ picturede s k . c om Su n/R © Is rael © Kim Kardashian und Kanye West im Gespräch mit dem Die Website der ultraorthodoxen Zeitung Kikar HaShabbat Jerusalemer Bürgermeister Nir Barkat. verpixelt Kim Kardashian.

Where have all the women gone?

Frauen werden zunehmend passierte, hing mit der Solidaritätsde- In Städten mit einem großen Anteil von gesellschaftlichen und monstration nach dem Charlie Hebdo- an Charedim, wie Jerusalem, Bnei Brak Massaker zusammen. Die ganze Welt und Beit Shemesh hat deren Streben politischen Anlässen aus- sah ihre Staatschefs untergehakt nach Züchtigkeit dazu geführt, dass geschlossen und aus Fotos durch Paris marschieren. Die ganze Frauen von Plakaten verschwunden in Publikationen wegretu- Welt mit Ausnahme der Leser der ul- sind. Die Egged-Busgesellschaft in Je- traorthodoxen Zeitschrift Hamevaser, rusalem hat die Medienunternehmen schiert. die Angela Merkel wegretuschierte, ersucht, andere Sujets zu produzieren um die Sittsamkeit ihrer Leserschaft oder Frauenabbildungen von Plakaten VON JACQUI LICHT, TEL AVIV zu schützen. zu entfernen, da man Vandalismus- ÜBERSETZUNG: KITTY WEINBERGER In Israel funktioniert die Geschlech- akte gegen Busse oder Stationen be- tergleichheit recht gut – nicht perfekt, fürchtet. aber es wird stetig besser. Frauen die- Firmen, die sich nicht an die Stan- Kim Kardashian hat kürzlich gemein- nen in der Armee, auch bei der kämp- dards der Ultraorthodoxen halten, sam mit ihrem Mann Kanye West und fenden Truppe, und bei den jüngsten werden oft Opfer gezielter Aktionen. ihrer Tochter North Israel besucht. Der Wahlen stieg die Zahl der weiblichen In ganz Jerusalem sind Darstellungen Zweck des Besuches war die Taufe Knesset-Abgeordneten auf 29 (von ins- von Frauen auf Plakaten geschwärzt, ihres Babys in der St.-James-Kathe- gesamt 120). Doch mit der steigenden übersprüht oder mit Graffiti be- drale, einer armenischen Kirche in der Zahl an Charedim (derzeit rund zehn schmiert worden, da die Bilder „illegal“ Altstadt von Jerusalem. Alles schön Prozent der Bevölkerung) und ihrem seien. Oder die Plakate wurden ein- und gut, aber dann nahm sich die Zeit- zunehmenden Einfluss in öffentlichen fach heruntergerissen. schrift Kikar HaShabbat, ein Organ der Angelegenheiten werden Frauen mehr Minderheiten und Frauen sind in ultraorthodoxen Charedi-Bewegung, und mehr von gesellschaftlichen An- Israel gut geschützt, und es gab eine dieses Besuches an. Warum? Weil sich gelegenheiten ausgeschlossen. Zum Reihe von Prozessen um das Recht die Kardashians mit dem Jerusalemer Beispiel wurde Soldatinnen schon von Frauen, auf Plakaten abgebildet Bürgermeister, Nir Barkat, in einem mehrmals verboten, bei öffentlichen zu sein. Die Frauen haben jeden Pro- nicht-koscheren Restaurant zum Versammlungen zu singen, da es nicht zess gewonnen, und kurzfristig waren Mittagessen trafen. Gewalt! Aber um erlaubt ist, Frauenstimmen singen zu auf Plakaten in Jerusalem wieder anständig zu bleiben, hat die Zeitung hören. Vor ein paar Wochen wurde Frauen zu sehen, aber angesichts des Kim Kardashian aus dem Originalfoto eine Offizierin daran gehindert, in der Verschwindens von Kim Kardashian wegretuschiert. Kantine zu Mittag zu essen, weil dort scheint der Sieg nur von kurzer Dauer Ein anderer Vorfall, der kürzlich ein Charedi-Bataillon speiste. zu sein. nu

18 2 | 2015 Zeitgeschichte

„Ich habe den Hitler gesehen. Wenn ich nur eine Handgranate gehabt hätte. Ich hätte versucht, ihn umzubringen.“ Hitlerbild in der Küche

Mit Kurt Karlitzky feiert NU: Wie war das bei Ihnen zu Hause? Ihre Steine auf ihn. Ich weiß nicht warum, Mutter war Jüdin, der Vater nicht. Hattet ich bin gleich stehen geblieben und dieses Jahr eine der schil- Ihr einen jüdischen Haushalt? habe mit ihm mitgekämpft. Ich habe lerndsten und zugleich Kurt Karlitzky: Es gab eigentlich nur ihn nicht gekannt, nachher waren wir unscheinbarsten Persön- Jom Kippur, da hat sich meine Mutter sehr befreundet. Es hat in unserem Be- mit ihren Geschwistern getroffen, und zirk in jeder Klasse vier, fünf Juden ge- lichkeiten der jüdischen wir haben einen Großonkel im 16. Be- geben, da hat man sich kennengelernt Gemeinde Wiens ihren zirk besucht. Wir haben dort das Ende und so bin ich auch zum Haschomer 90. Geburtstag. Karlitzky von Jom Kippur gefeiert. Und ich habe Hatzair gekommen. damals gedacht: Die Christen haben konnte schon in seiner es eigentlich viel besser als wir Juden. Woher stammte Ihre Familie? Jugend ganz ordentlich Die haben Feiertage, da fressen sie Meine Mutter kam aus einer jüdi- zupacken. Im Nachkriegs- und trinken und sind fröhlich, und wir schen Familie. Die Familie meines haben einen einzigen Feiertag und da Vaters stammte aus der Tschechoslo- Wien wurde er hinter den essen wir nichts. wakei, er wurde schon in Wien gebo- Kulissen politisch aktiv. ren. Mein Vater war Sozialdemokrat Er ist vielen als tat- und Wieso sind Sie dann beim Haschomer und anfangs beeindruckt vom Nazis- Hatzair (Anm.: sozialistisch-zionistische mus. Er hat gedacht: Alle kriegen einen schlagkräftiger Kämpfer Jugendbewegung) und nicht bei den Volkswagen und so weiter. Es war eine gegen Faschisten und „Roten Falken“ eingetreten? komische Zeit. Eines Tages komme ich für die jüdische Sache Als wir in den 20. Bezirk umgezo- nach Hause, hängt in der Küche am gen sind, sah ich am Nachhauseweg Engelsplatz ein Hitlerbild. Ich habe es bekannt. von der Schule einen Burschen in mei- heruntergenommen und zusammen- nem Alter. Der steht auf der Straße und gehaut und habe gesagt: Du pass auf, VON MARTIN ENGELBERG (TEXT) UND schmeißt Steine. Auf der anderen Seite wenn du ihn herbringst, dann hängen MILAGROS MARTÍNEZ-FLENER (FOTOS) stehen drei oder vier und schmeißen wir ihn da auf. Ich war da zwölf oder

2 | 2015 19 „Eines Tages sehe ich bei mir zu Hause einen Brief, sehr schön von meinem Vater in Kurrentschrift geschrieben. Da schreibt er an den Führer, man soll mich aufnehmen in die HJ, wenn ich 14 bin. Und wie ich das gelesen habe, habe ich gedacht: Jetzt muss ich von hier weg.“

13 Jahre alt und habe versucht, ihm zu ist ein Sozialdemokrat, der kassiert nur eine Handgranate gehabt hätte. Ich erklären, dass der Faschismus Krieg für die Partei, du weißt auch, was die hätte versucht, ihn umzubringen. Aber bringt. Nazis sind. Sagt er: Weißt, Kurtl, ich du hast nichts gehabt, es war keine war schon illegal dabei. Sag ich: Illegal? Organisation, nichts, nichts. Vielleicht Der Antisemitismus von Hitler, der war Warum? Sagt er: Weißt du, ich trommle waren da ein paar Kommunisten, sonst ihm nicht bewusst? so gern. Die haben es verstanden, die nichts. Die meisten Leute damals, ich will Jugend zu fangen. Eines Tages sehe ich bei mir zu das nicht zur Entschuldigung sagen, Mein Vater war jedenfalls während Hause einen Brief, sehr schön von mei- haben geglaubt, das sei vorüberge- des Krieges sehr anständig, hat dafür nem Vater in Kurrentschrift geschrie- hend. Keiner hat geglaubt, was dar- gesorgt, dass meiner Mutter nichts ben. Da schreibt er an den Führer, man aus wird. Ein Beispiel: Einmal gehe passiert. Seine ganze Familie hat nicht soll mich aufnehmen in die HJ, wenn ich auf die Straße und sehe, dass ein mit ihm gesprochen, weil er eine Jüdin ich 14 bin. Und wie ich das gelesen Freund von mir mit der HJ marschiert. geheiratet hat. habe, habe ich gedacht: Jetzt muss ich Die singen: „Das Judenblut vom Mes- von hier weg. Ich habe einen Onkel in ser spritzt“, und er trommelt dazu. Ich Wie war es dann nach dem Anschluss? der Tschechoslowakei. Ich habe mich habe nachher zu ihm gesagt: Bist du Ich habe den Hitler gesehen, wie er in der Früh schon so angezogen, weiße deppert? Was machst du? Dein Vater nach Wien gekommen ist. Wenn ich Stutzen und Haferlschuhe, und meine Mutter hat mir Geld gegeben, damit ich hinuntergehe und Milch kaufe. Ich bin aber zur Donaubrücke, wo die Bahn Richtung Brünn fährt, und bin dort ein- gestiegen. Ich habe kein Geld für die Fahrt gehabt. Jetzt habe ich mich so hingesetzt, als wäre ich eingeschlafen und bin schwarz bis an die Grenze ge- fahren. Dort bin ich ausgestiegen und in die Richtung, in die der Zug fährt, durch den Wald am Gleis entlang gegangen. Da war dann ein Tunnel und ich hatte ein schlechtes Gefühl und bin über den Berg gegangen. Einen Nachteil hatte ich durch den nichtjüdischen Vater, ich war blond und hatte blaue Augen, und die Stutzen und so. Tatsächlich hielt mich einer auf: Wie sind Sie rüber? Er dachte, ich bin ein deutscher Spion. Da hab ich ihm alles erklärt.

Und sind Sie dann in Brünn geblieben? Ich habe von meiner Mutter erfah- ren, dass man von Wien nach Palästina kommen kann. Da bin nach zwei, drei Wochen zurück. An der Grenze habe ich mir gedacht, es ist sicher kürzer, durch den Tunnel zu gehen. Ich hab auf jeden Fall in beide Hände Sand genommen und habe mir gedacht: Falls da hinten jemand steht und her- vorkommt, hau ich ihm den Sand ins Gesicht und renne. Wenn er mir nach- „Einen Nachteil hatte ich durch den nichtjüdischen Vater, ich war blond und hatte schießt und mich trifft, hat er Glück blaue Augen.“ gehabt und ich Pech, aber das wird

20 2 | 2015 Eingangstür zum Wiener Kreis

nicht sein. So bin ich sicher durchge- Dann war der Krieg vorbei. Hatten Sie Und wie ging es dann weiter? kommen, bis zur Haltestelle dort von Kontakt zu Ihren Eltern? Und wann haben Dann habe ich den Kontakt gesucht der Bahn und habe Karten gekauft, bin Sie beschlossen, nach Wien zurückzuge- zu Antifaschisten. Da war der Paul eingestiegen und nach Wien gefahren. hen? Grosz (Präsident der Kultusgemeinde Ich weiß nicht, warum nicht viele, viele Ich fuhr sofort nach dem Krieg. Die 1987–1998), und wir haben angefan- Menschen geflüchtet sind. Viele haben Eltern waren ein Grund. Der zweite gen zu reden und waren seit damals sich nicht getraut, viele haben erzählt Grund waren die Russen; ich war eigentlich gute Freunde. bekommen von anderen, die angeblich Kommunist und habe mir gedacht, auf der Flucht ausgeraubt wurden. vielleicht kann man ein paar von den Paul Grosz war ja einer von denen, die Nazis aufhängen, aber das war leider sich nach dem Krieg als Gruppe zusam- Aber wie ist es dann weitergegangen? nicht möglich. mengeschlossen haben, um die jüdische Ich ging in Wien aufs Palästina-Amt, Gemeinde zu beschützen und auch son- wo man mich befragt hat. Mein Cou- Wie war das, 1947 nach Wien zurückzu- stige politische Aktionen zu setzen. sin ist mitgekommen. Da er wusste, kommen? Das habe ich auch gehört (schmun- dass ich nicht sehr viel vom Juden- Nach dem Krieg eines Tages, ich zelt). tum weiß, hat er versucht, mir alles zu war bei meinen Eltern, bin raufgekom- erklären, Gebräuche und Inhalte und men zu ihnen, ist der Onkel da, der Diese Gruppe und deren Aktivitäten sind Feste, alles Mögliche. Modernen Zio- Nazi war. Der hat früher am Ötscher ja inzwischen ein Stück Zeitgeschichte. nismus habe ich selber gewusst. Und das Schutzhaus gehabt, und das war Können Sie darüber ein bisschen erzäh- ich komme dann dort rein und der ein Treffpunkt der Nazis schon damals. len? Mann aus Israel fragt, ob ich ihm sagen Und ich komme dort rauf, sagt er: Jö Ich habe überlegt, gewisse Sachen kann, was der Völkerbund ist? Da habe Kurti, ich bin’s, dein Onkel. Er kommt könnte man schreiben. Wir haben De- ich geantwortet: Ja, das ist eine Orga- auf mich zu. Und ich sag: Schleich dich monstrationen gemacht, das war da- nisation, die zusammenkommt, um die da raus, und wenn du noch einmal mals mit den Sozialdemokraten, mit nächste Sitzung zu beschließen, mehr hierherkommst, bringe ich dich um. den Sozialisten, da waren es viele, viele machen die nicht. Da hat er gesagt: Du Und dann ist er gegangen. Menschen. Auch bei den Demonstra- fährst. Ich habe in einem Kabelwerk gear- tionen gegen den Nazi-Professor Boro- beitet in der sowjetischen Zone. Dort dajkewycz haben wir ordentlich mit- Dann kamen Sie nach Palästina, waren haben die aus mir einen Kulturreferen- gemischt. Da ist es schon hoch herge- 14, 15 Jahre alt, was geschah dort? ten gemacht. Und das war auch eine gangen. Und dann haben wir noch alle Da war die Situation noch ganz gut. schöne Arbeit, ich hatte einen Chor, möglichen anderen Aktionen gemacht. In Palästina habe ich mit Arabern ge- eine Boxstaffel, Fußball... Jetzt existiert Aber mehr will ich nicht darüber arbeitet. Man spricht mit Leuten, dann das nicht mehr. Die Russen haben es reden, weil das ist keine österreichi- waren wir nach einer gewissen Zeit wahnsinnig gerngehabt – überall Pla- sche Angelegenheit, solche Gruppen befreundet. Und eines Tages kommt kate und Losungen, und Musik muss gab es überall. einer zu mir und sagt: Wir bereiten uns sein. Die Arbeiter haben das aber nicht vor, nach dem Krieg werden wir alle ausgehalten, wenn du 24 Stunden lang Hat da auch Simon Wiesenthal eine Rolle Juden verjagen. Da habe ich gesagt: Da Kampfmusik hörst und nicht kämpfst. gespielt in dieser Gruppe? verrätst du mir nichts Neues. Ich kann Und da hab ich dann auch andere Ich habe den Wiesenthal sehr ver- dir aber sagen, die Juden bereiten sich Schallplatten aufgelegt. Wenn ich dann ehrt. Wiesenthal hat andere Ansich- auch vor zu kämpfen, wenn es drauf durchgegangen bin durch die Hallen, ten gehabt und gesagt: Man soll die ankommt. Aber das Land gehört nicht haben mir alle freundlich zugenickt. Österreicher in ihrem eigenen Inter- den Juden, die Engländer beherrschen esse zwingen, dass sie ihre Verbre- das Land, und wenn wir zusammen Wie lange haben Sie das dann gemacht? cher aburteilen. Und das wäre ja auch kämpfen gegen die Engländer, dann Ich hatte immer wieder Differenzen das Richtige gewesen, was aber leider gibt es vielleicht den gemeinsamen mit der Partei. Und dann haben die nicht stattfand. Es ist kein einziger Staat. Das war damals meine Idee als einmal gesagt, sie müssen mich kün- da verurteilt worden von Richtern, Kommunist. Dazu ist es nie gekom- digen. Da sage ich: Das habe ich eh ge- die nicht nur gegen Juden waren. Das men, diese Überlegung gab es ganz wusst, ihr könnt ja keinen Verräter, der waren Richter, die haben einen Öster- einfach nicht. Kein Mensch weiß, dass nach einem Parlament schreit, in der reicher, der nach Hause gegangen ist, der Mufti von Jerusalem zum Hitler Partei lassen. Aber in der Partei woll- am Tag vor dem Ende des Kriegs, den gefahren ist. Kein Mensch weiß, dass ten sie mich nicht ausschließen. Nicht haben die aufhängen lassen. Ihre ei- der die erste SS aufgestellt hat, musli- einmal, wie 1967 der Sechstagekrieg genen Leute. Und da hat man später mische SS. begonnen hat. nichts gemacht. nu

„Mein Vater war jedenfalls während des Krieges sehr anständig, hat dafür gesorgt, dass meiner Mutter nichts passiert. Seine ganze Familie hat nicht mit ihm gesprochen, weil er eine Jüdin geheiratet hat.“

2 | 2015 21 Zeitgeschichte

„Irgendwann wird keiner von uns mehr da sein“

Otto Deutsch kam als Otto Deutsch hat die Vergangenheit grausam zerstört. „Wir waren arm, aber Zehnjähriger mit einem nie vergessen. „Es ist seltsam. Ich kann ich war glücklich“, erinnert sich der mich nicht erinnern, was vor zwei Wo- im Juli 1928 geborene Otto. „Zimmer, Kindertransport nach chen geschehen ist. Aber die Ereignisse Küche, Kabinett, Klo und Wasser auf England und blieb dort. von 1938 sind mir vollkommen lebendig dem Gang. Mich hat das nicht gestört. Für NU erinnert er sich an und in allen Einzelheiten präsent“, sagt Was braucht ein Zehnjähriger mehr als der geborene Wiener, der im Alter von die Liebe seiner Familie?“ seine im Holocaust zehn Jahren mit einem Kindertrans- verlorene Familie und port nach Großbritannien kam und bis Die Juden des 10. Bezirks an das Wien der späten heute in Southend-on-Sea lebt, einem Vater Viktor Deutsch war in der etwa 60 Kilometer von London entfern- Weltwirtschaftskrise der Zwischen- dreißiger Jahre. ten Ort an der Themsemündung. kriegszeit meist arbeitslos, „aber er Die Jahre, die sich in Ottos Ge- war geschickt mit seinen Händen“ dächtnis eingebrannt haben, sind die und bemühte sich, die Familie mit VON AXEL REISERER, LONDON späten 1930er. Damals wurde die Welt Gelegenheitsarbeiten über Wasser zu der Familie Deutsch ebenso rasch wie halten. Otto hat eine sieben Jahre alte

Otto Deutsch (links) mit seinem Cousin Alfred Kessler © Marion Trestler

22 2 | 2015 Schwester, Adele, die davon träumt, Viktor Deutsch. „Mein Vater hatte sie schaffte es, ihn im Juni 1939 mit Sängerin zu werden. „,Jetzt schreit sie einen Empfänger mit Lautsprecher einem Kindertransport nach Großbri- schon wieder‘, sagte ich, wenn sie zu gebastelt, und da dröhnte nun ernste tannien in Sicherheit zu bringen. Mit singen anfing“, erinnert sich Otto. „So Musik, und alle Augenblicke kündigte dabei war sein Cousin Alfred, der wie ein gemeiner Bruder war ich.“ ein Sprecher ,eine sehr wichtige Mit- Otto im Fluchtland geblieben ist. „Der Die Familie Deutsch gehörte zu den teilung‘ an.“ Nachdem Schuschnigg Abschied am alten Westbahnhof hat wenigen Juden im 10. Wiener Gemein- gesprochen hatte, ertönte zum letzten sich mir für immer eingegraben. Wir debezirk Favoriten, wo Otto im Haus Mal die österreichische Hymne. „Dann durften nicht weinen, also drehte sich Buchengasse 84, Tür 15, aufwuchs. Die gab es einen Stromausfall, und als das meine Mutter weg. Ich hoffte damals, Familie verstand sich als jüdisch, ohne Radio wieder auf Sendung ging, war meine Familie würde nachkommen.“ dass die Religion und ihre Gesetze aus Radio Wien mit einem Schlag der Doch dazu kam es nicht. Schwe- eine besondere Rolle spielten. „Unsere Reichssender Wien geworden.“ Von ster Adele war für den Kindertransport Nachbarn waren katholisch, wir waren der Straße ertönten Jubel und Musik. bereits zu alt. Ihre Spur verliert sich jüdisch, wen kümmerte das schon? gemeinsam mit den Eltern im Lager Im Gegenteil, wir hatten das Beste „Juda verrecke!“ Maly Trostinec südlich von Minsk, wo aus beiden Welten: Der Nachbars- Der nächste Tag war ein Samstag die Nazis zwischen 1942 und 1943 nach junge Kurt kam zu uns zur Chanukka- und die Juden des 10. Bezirks versam- Berechnungen des Historikers Chri- Feier, und ich war eingeladen, wenn melten sich zum Sabbat-Gebet. Zehn stian Gerlach 60.000 Juden ermorde- bei ihnen die Christbaumkerzen ange- männliche Juden müssen dafür zu- ten. Einer der ersten Transporte nach zündet wurden.“ sammenkommen. „Mein Vater sagte, Maly Trostinec kam aus Wien. Wie Otto Während ihm die Schule eine lä- ich solle mitkommen. Meine Mutter heute weiß, waren seine Eltern und stige Pflicht war („Ich war kein beson- war dagegen. Ich ging“, erinnert sich seine Schwester in diesem Transport. ders guter Schüler“), spielte Otto jeden Otto. Doch die bisherigen Mitbürger Otto hat das Geschehene nie ver- Nachmittag im benachbarten Artha- hatten sich vollkommen verändert: Es wunden. „Warum meine wunder- berpark mit Leidenschaft Fußball: „Ich begann mit feindseligen Blicken, dann schöne Schwester, warum nicht ich?“, war ein sehr guter Torhüter und sogar wurde laut „Jude, Jude“ gerufen und quälen ihn Fragen, auf die es keine Kapitän unserer Mannschaft.“ Auf ein- als schließlich der Ruf „Juda verrecke!“ Antworten gibt. „Ich kann nur hoffen, mal aber gingen seine Kameraden auf ertönte, befahl Vater Deutsch seinem dass sie nicht allzu lange leiden mus- Distanz: „Ich wurde nicht mehr einge- Sohn, sofort nach Hause zurückzukeh- sten“, sagt er über seine Eltern. Otto laden, und niemand wollte mehr zu ren. bereiste vor wenigen Jahren dank des mir nach Hause kommen.“ Von da an wurden die Juden in österreichischen Gedenkdienstes die Otto war es ein Rätsel, was gesche- Österreich, wie zuvor in Deutschland, Erinnerungsstätte in Weißrussland. hen war. Dann hörte er die Jungen tu- systematisch ihrer Rechte und da- Frieden hat er dennoch nicht gefun- scheln, dass der eine Vater und dann nach ihres Eigentums beraubt, ehe den. „Ich bete weiter jeden Abend für der nächste und dann wieder einer noch Schlimmeres folgen sollte. „Am ihren Seelenfrieden.“ „der Partei“ beigetreten sei. „Die Partei“ Parkeingang stand nun ,Kein Zutritt Unermüdlich erinnert Otto in Schu- bedeutet damals nur eines – die offizi- für Juden‘“, nach der sogenannten len und öffentlichen Auftritten an den ell zu diesem Zeitpunkt in Österreich „Reichskristallnacht“ sah der damals Holocaust, in Großbritannien und auch noch verbotene Nationalsozialistische Zehnjährige, wie der Wiener Mob unter in Österreich. Jemand hat ihm einmal Deutsche Arbeiterpartei, die seit Jän- lautem Jubel Juden zum Straßenwa- vorgehalten, er habe den Holocaust zu ner 1933 in Deutschland an der Macht schen zwang, doch noch größer war seinem Lebensinhalt gemacht. Das war und eine rassistische Diktatur der Schock bei der Heimkehr: Sein war gemein gemeint, aber Otto hat es durchgesetzt hatte. „Und dann hörte Vater war von einem Kommando der nicht so verstanden. Sein Leben ist ich natürlich das Unvermeidliche – Hitlerjugend festgenommen worden, heute tatsächlich dem Gedenken ge- das Wort Jude.“ und angeführt hatte die Truppe der widmet. Dank seiner leben die Opfer Vom Anschluss Österreichs an Nachbar. Die beiden Männer waren weiter. Doch die Zeit steht nicht still: Hitler-Deutschland und der dramati- einst im Schützengraben des Ersten „Irgendwann wird keiner von uns schen letzten Ansprache von Bundes- Weltkriegs nebeneinander gelegen, mehr da sein.“ kanzler Kurt Schuschnigg am 11. März und Otto erinnert sich: „Ich nannte ihn 1938 („Gott schütze Österreich“) erfährt Onkel Kurt.“ Elternhaus in der Buchengasse das Haus in der Buchengasse, auch Otto sollte seinen Vater nie wieder In Österreich war Otto auch in der die Nazis unter den Bewohnern, aus- sehen. Dass er selbst überlebte, hat Aktion „Letters to the Stars“ engagiert gerechnet in der Wohnung des Juden er seiner Mutter zu verdanken, denn und wurde in der Wiener Hofburg von „Unsere Nachbarn waren katholisch, wir waren jüdisch, wen kümmerte das schon? Im Gegenteil, wir hatten das Beste aus beiden Welten: Der Nachbarsjunge Kurt kam zu uns zur Chanukka-Feier, und ich war ein- geladen, wenn bei ihnen die Christbaumkerzen angezündet wurden.“

2 | 2015 23 Bundespräsident Heinz Fischer („ein sehr netter Mann“) empfangen. Er war eng mit der im Vorjahr verstorbenen, aus Wien stammenden Anthropologin Scarlett Epstein befreundet, die er da- mals kennenlernte. Selbst ihr spröder Charakter war ihm nicht gewachsen. In Wien besuchte Otto auch sein El- ternhaus in der Buchengasse. Eine Familie aus dem ehemaligen Jugosla- wien wohnte in der alten Wohnung der Deutschs. „Sie haben es sicher auch nicht leicht gehabt, da wollte ich nicht stören und habe mich davongestoh- len.“ Otto hat nie erwogen, nach Öster- reich zurückzukehren. Wie er als Zehnjähriger in einem fremden Land mit einer fremden Sprache unter frem- den Menschen zurechtkam, das kann er heute selbst nicht beantworten. Vielleicht war es – bei ihm und tau- senden anderen ebenso – der reine Überlebensinstinkt des Kindes. Einen wesentlichen Anteil hatte aber mit Sicherheit seine Gastfamilie, die Fer- gusons, bei denen er aufwuchs und die ihn behandelten, „als wäre ich ihr eigenes Kind“. Otto machte keine große Karriere in Großbritannien. Er nahm Gelegen- heitsarbeiten an, und wenn manch- mal das Geld knapp war, dann hatte er kein Dach zum Übernachten. Was er aber immer im Übermaß hatte, war Charme. Er war kein Wissenschaftler, kein Unternehmer und kein Künstler. Otto war und ist ein „Mensch“ im jiddi- schen Sinne. In späteren Jahren organisierte er Bustouren, mit denen er ausgelaugte Briten in das wieder aufblühende Eu- ropa führte. Österreich stand da – trotz alledem – ganz oben auf der Liste. „Ein Otto Deutsch mit Schwester Adele und Mutter Stück meines Herzens ist für immer in Wien geblieben.“ Otto ist kein Mensch, der hassen kann. Aber er ist auch Freuden hellen den Alltag auf. Immer leben sie fort. Danach sitzt man bei- keiner, der vergessen kann. „Die Zeit noch funkeln seine Augen, und wei- sammen in der Gemeinde, die längst heilt keine Wunden“, sagt Otto, wäh- ter sitzt ihm der Schalk im Nacken. sein Zuhause geworden ist, und gerne rend er in Southend-on-Sea auf einer Der ist eben auch schon ein bisschen gestattet er sich da ein Bacon Sand- Parkbank sitzt, auf die Enten im Teich alt geworden. Seit Jahren spricht er wich, auch wenn das gegen alle religi- blickt und die ersten Sonnenstrahlen davon, dass es nun Zeit für ein Alters- ösen Speisegebote ist. „Wenn ich mir des Frühlings genießt. 88 Jahre wird er heim sei. Er wird den Schritt niemals einen Traum erfüllen könnte, dann im Juli, und in den letzten Jahren hat machen. Eine eigene Familie hat der wäre das koscherer Leberkäse.“ ihm das Alter merkbar zugesetzt. Auch Mann, dem Familie so wichtig ist, nie Otto war einmal ein fröhlicher die Gesundheit lässt immer mehr zu gegründet. Lausbub. Heute ist ein alter weiser wünschen übrig. Erst das Herz, dann Solange er noch kann, geht er jeden Jude, der mit seinem Gott seine ei- die Beine, zuletzt die Augen. Er hört Samstag in die Synagoge, betet und genen Vereinbarungen getroffen hat. nicht mehr sehr gut, und die Aufmerk- gedenkt der Seinen. Denn solange er Selbst der Allmächtige muss schließ- samkeit lässt schnell nach. Kleine ihr Andenken bewahren kann, solange lich nicht immer alles wissen. nu

24 2 | 2015 Zeitgeschichte Als Einstein auf dem Kahlenberg spazieren ging

Eine Gruppe von Intellek- tuellen, Frauen und Män- ner, traf sich von 1924 bis 1936 regelmäßig unter der Leitung von Moritz Schlick in Wien und bildete den Wiener Kreis.

VON ANNA MARIA SIGMUND

Das Wetter am 14. Jänner 1921 war trüb, die Temperaturen lagen nur wenig über null Grad, abwechselnd regnete oder schneite es, dazu blies ein star- ker Westwind. Unter den wenigen, die dem schlechten Wetter trotzten und die Zahnradbahn nahmen, die sie von Nussdorf auf den Kahlenberg brachte, befanden sich vier Wissenschaftler jüdischer Herkunft, darunter niemand Geringerer als Albert Einstein. Sein Kollege Philipp Frank hatte ihn zu dem Ausflug überredet und auch gleich zwei Bewunderer des großen Physikers mit- gebracht, den Mathematiker Hans Hahn und den Sozialwissenschaftler Otto Neurath. Einstein hielt sich damals im Zuge einer Vortragsreise in Wien auf. Seit die Royal Society in London den ex- perimentellen Nachweis, dass Licht durch Gravitation abgelenkt wird, an- erkannt hatte, war er eine Berühmtheit. Als dann die Times die Revolution in der Wissenschaft als „Neue Theorie des

Kurt Gödel und Albert Einstein

© Richard Arens

2 | 2015 25 Universums“ öffentlich pries, erhielt Wechselwirkungen zwischen Philo- sophische Bedeutung von Einsteins das Genie eine Flut von Einladungen sophie und Naturwissenschaften Erkenntnissen verstanden und sie zu aus aller Welt. Klerikale und Konser- Während des Spaziergangs auf dem einer Zeit verteidigt hatte, als sie noch vative lehnten Einstein vehement ab, Kahlenberg, bei eisig kaltem Wind, heiß umstritten waren. Einstein rea- wobei man bei der abfälligen Kritik an drehten sich die Gespräche der Wan- gierte begeistert: „Ihre Darlegung ist von seiner Theorie auch nicht vor antise- derer um die Wechselwirkungen zwi- unübertrefflicher Klarheit … Sie haben mitischen Seitenhieben auf den jüdi- schen Philosophie und Naturwissen- den Stier bei den Hörnern gepackt … schen Gelehrten zurückschreckte. schaften. Hans Hahn und Otto Neurath Wer Ihre Darlegung nicht versteht, ist In sozialdemokratischen Kreisen erzählten voll Nostalgie von ihren Kaf- überhaupt nicht fähig, einen derarti- jedoch wurde die Relativitätstheorie feehausrunden vor dem Ersten Welt- gen Gedankengang aufzufassen.“ In mit ihrer revolutionären Sprengkraft krieg, in denen sie nächtelang über der Folge verwendete sich Einstein für als rationale Erklärung der Welt begei- Wissenschaftsphilosophie diskutiert Schlick, der schließlich eine Berufung stert aufgenommen. Es war daher auch hatten. Diese Tradition wollte man an die Universität Wien auf den Lehr- das Wiener Volksbildungshaus Urania, wieder beleben. Am liebsten mit einem stuhl für Philosophie erhielt. das den „Reisenden in Sachen Relati- Universitätsphilosophen. Aber mit Schlicks Vorlesungen, geprägt vom vitätstheorie“ eingeladen hatte. Für ein wem? Weltbild Einsteins, wurden gestürmt: mageres Honorar von umgerechnet 45 Es war der berühmte Gast, der den „Sie fanden in einem riesigen, dicht ge- US-Dollar – von der Universität Prince- Norddeutschen Moritz Schlick, Physi- füllten Hörsaal statt. Man konnte sich ton verlangte er für eine Vortragsreihe ker und Philosoph, ins Spiel brachte. glücklich schätzen, wenn man nicht 15.000 US-Dollar – erläuterte der be- Schlick hatte 1917 das Werk Raum und mit dem Fensterbrett Genüge finden rühmteste Physiker seiner Zeit vor 3000 Zeit geschrieben und galt als „Evange- musste“, berichtete ein Zeitgenosse. Personen im Konzerthaus seine Theo- list der Relativitätstheorie“. Tatsächlich Auf Wunsch der Studierenden grün- rie in allgemein verständlicher Form. war er einer der ersten, der die philo- dete Moritz Schlick 1924 gemeinsam mit den Freunden vom Kahlenberg den „Schlick-Zirkel“. Es war dies eine Ge- sprächsrunde, die sich jeden zweiten Donnerstagabend in der Boltzmann- gasse traf, um die Grundlagen der Wis- senschaft zu diskutieren. Neben dem Mathematiker Hans Hahn war auch Otto Neurath, der die kurzlebige bayeri- sche Räterepublik in München unter- stützt und als politischer Gefangener in seine Heimatstadt Wien abgeschoben worden war, wieder mit von der Partie. Der „Wiener Kreis“ propagierte eine rein wissenschaftliche Weltauffassung, aufgebaut auf Logik und Erfahrung, und distanzierte sich scharf von jegli- cher Metaphysik – ganz im Sinne von Ernst Mach und Ludwig Boltzmann, die als Urväter des „Kreises“ galten, deren Saat jedoch erst nach ihrem Tod in der darauffolgenden Generation aufgegan- gen war. So hatte der weltberühmte Ex- perimentalphysiker Mach, Erforscher der Schockwellen, gemeint: „Meine Le- bensaufgabe ist es, der Philosophie von Seiten der Naturwissenschaften entge- genzukommen.“ Er wollte den Dingen auf den Grund gehen und fand, dass die Dinge keinen Grund haben: „Das Ding an sich existiert nicht.“ Und auch sein ebenfalls weltberühmter Kollege Boltz- mann, Begründer der Wärmelehre, hatte einen erbitterten Kreuzzug gegen die Metaphysik geführt: „Die Metaphy- sik … ist wie der Brechreiz bei Migräne,

W ie n er K rei s Ins titut © der etwas auswürgen will, wo nichts Eingangstür zum Wiener Kreis ist.“

26 2 | 2015 Als Schlick im Juni 1936 auf der Philosophenstiege der Wiener Universität erschossen wurde, schrieben die Zeitungen: „Auf christliche Lehrstühle gehören christliche Philosophen!“

Offene Gesellschaft 1929 – Österreich steckte tief in an die renommierte amerikanische Der „Kreis“ traf sich alle zwei Wo- der Wirtschaftskrise – publizierte der Universität Princeton berufen, wo er chen und war eine offene Gesell- „Wiener Kreis“ sein Manifest, in dem Seite an Seite mit Einstein wirkte. schaft – Schlick lud ohne Ansehen er lauthals verkündete, „den theologi- Als er 1934 nach Wien zurückkehrte, des akademischen Grades ein. Auch schen und metaphysischen Schutt der kam er in ein vom Bürgerkrieg zerris- Olga Neurath, die mit 22 Jahren erblin- Jahrtausende“ aus dem Weg zu räu- senes Land. Auch der „Wiener Kreis“ dete und trotzdem als eine der ersten men. Dies trug nichts zum Renommee bekam die politischen Verhältnisse Frauen ein Doktorat erworben hatte, des Zirkels im reaktionär-klerikalen voll zu spüren. Als der Druck aus NS- gehörte dazu. Nur den begabten jungen Österreich bei. Galt er doch als „links“, Deutschland auf Österreich immer grö- Philosophen Karl Popper lehnte Schlick als „jüdisch“, als „judenfreundlich“. Die ßer wurde, ging mit Moritz Schlick eine aus persönlichen Gründen ab. Die ca. Mehrheit der Hochschülerschaft war Veränderung vor sich. Ein Zeitgenosse 20 Mitglieder des „Kreises“, davon mehr nationalsozialistisch, obwohl die Partei schrieb: „Es war traurig, wie Schlicks als die Hälfte jüdischer Herkunft, dar- verboten war. Auch in der Professoren- ruhige Heiterkeit verschwand. Er sagte, unter Rudolf Carnap und das mathe- schaft gab es geheime Netzwerke, die dass nach seiner Meinung Hitler den matische „Wunderkind“ Karl Menger, alles „Ungerade“, vor allem „Jüdische“ Untergang … bedeute.“ Als Schlick im diskutierten und stritten. Alle grenzten verhinderten. Viele aus dem „Kreis“ Juni 1936 auf der Philosophenstiege der sich ab gegen die Philosophie als eine nahmen an den erbitterten politischen Wiener Universität von seinem ehe- Lehre von der Welt, die beansprucht, Auseinandersetzungen teil. maligen Studenten Hans Nelböck er- gleichberechtigt neben den einzelnen schossen wurde, schrieben die Zeitun- Fachwissenschaften zu stehen: „Phi- Das stillste Mitglied und gen: „Auf christliche Lehrstühle gehö- losophie treiben, heißt nur: Sätze der die größte Umwälzung ren christliche Philosophen!“ Schlick, Fachwissenschaft kritisch danach Doch es war ausgerechnet das still- dieser „Liebling der Juden“, sei selbst prüfen, ob sie nicht Scheinsätze sind“, ste und jüngste Mitglied des Kreises, schuld an seinem Schicksal. Er habe schrieb Hans Hahn. das die größte Umwälzung auslöste: keine absoluten Werte anerkannt, Dr. Drei Jahre lang versuchten Moritz der junge Logiker Kurt Gödel. Er war Nelböck, zu recht empört, hätte keinen Schlick und seine Mitstreiter vergeb- in Brünn geboren, stammte aus wohl- anderen Weg gesehen, als ihn zu töten. lich, Kontakt mit Ludwig Wittgenstein habendem Haus und studierte Ma- Mit Schlicks Tod endeten die Zu- aufzunehmen. Dieser, ein Sohn aus thematik in Wien. Später lehrte er an sammenkünfte. Mit Ausnahme von einer der reichsten jüdischen Unter- der Universität Wien als Privatdozent, Victor Kraft verließen alle Mitglieder, nehmerdynastien der Monarchie, hatte wofür er im Halbjahr zwei Schilling Sympathisanten und Mentoren das sich anfangs zum Ingenieur ausbilden neunzig bekam – ein Arbeitsloser Land, viele noch vor dem Einmarsch lassen, sich aber bald der Philosophie erhielt damals vierzig Schilling pro Hitlers. Einstein lebte bereits in Prin- zugewandt und in Cambridge Logik Woche. Gödels Unvollständigkeitssatz ceton, Wittgenstein wurde Professor studiert. Als Frontoffizier der k. u. k. wurde zur bedeutsamsten mathema- in Cambridge. Neurath emigrierte, wie Armee schrieb er während des Ersten tischen Erkenntnis des 20. Jahrhun- Carnap, Feigl, Zilsel, Rose Rand und die Weltkriegs im Schützengraben eine lo- derts. Er zeigte, dass nicht bewiesen Mehrzahl der Mitglieder, in die USA. gisch-philosophische Abhandlung, den werden kann, dass die Mathematik wi- Karl Popper ging nach Neuseeland. Als Tractatus logico-philosophicus, der zu derspruchsfrei ist: Die Mathematik ist letzter verließ Gödel Österreich und den wichtigsten Texten des 20. Jahr- unausschöpflich, sie kann auch durch reiste in einer wahren Odyssee um die hunderts zählt. Computerprogramme nicht ausge- Welt, um sich schließlich in Princeton Mitte der zwanziger Jahre jedoch, als schöpft werden. Dies war ein entschei- niederzulassen. Schlick immer wieder beharrlich seine dender Schritt in der jahrtausendealten Der Wiener Kreis hatte sich auf- Bekanntschaft zu machen suchte, lebte Geschichte der Logik. Zur Zeit Gödels gelöst; er sollte auch nach dem Krieg Wittgenstein, der sein riesiges Erbe gab es noch keine Computer, diese ent- nicht mehr neu entstehen. Doch er verschenkt hatte, zurückgezogen als standen erst rund fünfzehn Jahre spä- wirkte international weiter und ist aus völlig unbekannter Volksschullehrer ter. Aber von seinen logischen Untersu- der Geistesgeschichte des 20. Jahrhun- in einem niederösterreichischen Dorf. chungen führt eine direkte Linie zu den derts nicht wegzudenken. Und über Erst als er 1928 den Schuldienst quit- Computerprogrammen, die heute unser allen thronte in absentia Albert Ein- tierte, empfing er den „Wiener Kreis“, Leben beherrschen. Gödel gilt daher als stein, das verehrte Vorbild. nu dem er selbst nie angehören sollte, auf der größte Logiker seit Aristoteles. Das den er jedoch, wie Albert Einstein und Magazin Time reihte ihn daher unter Im Zusammenhang mit den Feiern zum 650-Jahr-Jubiläum der Universität Wien wird Bertrand Russell, enormen Einfluss die wichtigsten Persönlichkeiten des im Hauptgebäude bis Ende Oktober die Aus- ausübte – und der ihn selbst wieder zur 20. Jahrhunderts. stellung „Der Wiener Kreis. Exaktes Denken am Philosophie zurückführte. 1933 wurde Gödel als Gastforscher Rande des Untergangs“ präsentiert.

2 | 2015 27 Zeitgeschichte Die Normalität des Guten

Über die Rettung der bulga- Die Liste der mutigen Taten lässt rischen Juden während des sich um ein Vielfaches erweitern. Ver- schiedene Organisationen und viele Zweiten Weltkrieges. einfache Bürger hatten bereits zuvor gegen die antisemitische Gesetzge- bung und die daraus resultierende Dis- VON VLADIMIR DANOVSKY kriminierung der Juden protestiert. Sie alle waren nicht miteinander vernetzt, Am 10. März 1943 standen in Bulgarien es war kein organisierter Widerstand. an mehreren Bahnhöfen Züge bereit – Alle setzten sich spontan und auf un- um Juden nach Polen in die Todeslager terschiedliche Art und Weise für jü- zu transportieren. Wenige Stunden vor dische Freunde, Kollegen, Nachbarn, der planmäßigen Abfahrt erreichte die Mitmenschen ein. Es zeigte sich – ein Zuständigen ein Telefonanruf, der den äußerst seltener Fall – die Normalität Deportationsbefehl aufhob. Am Appa- des Guten. rat soll, nach nie endgültig bestätigten Berichten, der bulgarische Zar Boris III. „Stille Helden“ gewesen sein. Das „bulgarische Wunder“ ist bis Auch zwei weitere Deportationsvor- heute erstaunlich unbekannt. Man haben, im Mai und August 1943, schei- kann dies der Überfülle an Informa- terten. Letztendlich wurden alle in Alt- tionen über den Zweiten Weltkrieg Bulgarien (Bulgarien in den heutigen und den Holocaust zuschreiben. Doch Grenzen) lebenden fünfzigtausend scheint es noch tiefere Gründe dafür Juden gerettet. zu geben, die in unserem Umgang mit Diesem singulären historischen Er- Geschichte liegen. eignis – der Rettung der bulgarischen Es bedurfte der ausgefeilten Hol- Juden – liegt eine bemerkenswerte lywood-Marketing-Maschinerie, um Anzahl individueller Aktivitäten zu- Mitte der 1990er Jahre durch den Film grunde. Einige davon: Der Erzbischof Schindlers Liste einen Mann weltbe- von Sofia hatte allen Juden die sofor- kannt zu machen, der viele Juden vor tige Taufe angeboten und Mitglieder den Vernichtungslagern bewahrt hatte. der jüdischen Gemeinde in seinem Der schwedische Diplomat Raul Wal- Haus aufgenommen. Der Erzbischof lenberg, der in Ungarn Zehntausende von Plowdiw war über den Zaun eines rettete, ist bis heute nur Eingeweihten Schulhofs geklettert, in dem die Juden ein Begriff. Und noch bis vor kurzem seiner Stadt versammelt waren, und wusste kaum jemand von den muslimi- hatte der Regierung mitteilen lassen, schen albanischen Bauern, die aus Ju- sie solle ihn mitdeportieren. Der stell- goslawien geflüchtete Juden versteckt vertretende Parlamentsvorsitzende hatten. Dimitar Peschev (später „bulgarischer „Stille Helden“ heißt eine Gedenk- Schindler“ genannt) hatte gegen die stätte in Berlin, die dem deutschen

vorgesehene Deportation Unterschrif- B u n de s arc h i v D a s © Widerstand während der Nazi-Zeit ten eines Drittels der Regierungsmehr- Zar Boris III. von Bulgarien im Jahr gewidmet ist. „Die Stimme der Wahr- heit gesammelt. 1929 bei einem Besuch in Berlin heit ist leise“, schrieb bereits 1938 Jo-

28 2 | 2015 Es fällt äußerst schwer, die Ambivalenz der menschlichen Natur und des menschlichen Handelns zu akzeptieren. Im Grunde wollen wir, dass alles so bleibt, wie in den Märchen: das Gute und das Böse messerscharf getrennt – und wir immer auf der richtigen Seite. seph Roth in einem Artikel über den schen Rassengesetze unterschrieb er che, wenn man will, archaische Situa- „Lautsprecher des Bösen“, Joseph persönlich, den Beitritt Bulgariens zum tion, die conditio humana. Goebbels. Die Helden bleiben tatsäch- Dreimächtepakt sein Regierungschef. lich, auch im Nachhinein, leise. Sie Und dennoch war es offensichtlich Wunder der Humanität alle können in punkto Bekanntheits- seine Anweisung, welche die Deporta- Die Rettung der bulgarischen Juden grad niemals mit Himmler, Heydrich tionen definitiv stoppte. Die Juden aus bleibt ein Wunder der Humanität. Vor- oder Eichmann, geschweige denn mit den neuen Gebieten konnte aber auch aussetzung war allerdings ein Pakt Hitler, Göring und Goebbels mithal- er nicht retten. mit dem Teufel. Nur der Status eines ten. Das Gute hat schlichtweg einen Nachdem alle drei Versuche, die Verbündeten von Nazi-Deutschland geringeren Marktwert. Hinzu kommt, Juden aus Alt-Bulgarien zu deportie- ermöglichte Bulgarien eine gewisse dass in Westeuropa Geschichten mit ren, gescheitert waren, lud Hitler Boris Souveränität des Handelns. Dies hatte positivem Ausgang wie Schindlers III. zum Gespräch in die „Wolfsschanze“ seinen Preis. „Die Bulgaren haben nicht Liste unter dem Generalverdacht der ein. Kurz nach seiner Rückkehr starb nur die Juden, sondern auch die eigene Sentimentalität und der Verlogenheit der Zar plötzlich. Gerüchte über eine Seele gerettet“, schrieb ein Sofioter stehen und nur der düstere Blick als Vergiftung sind bis heute weder bestä- Journalist vor kurzem. Einen Teil ihrer wahrhaftig gilt. tigt noch widerlegt. Es will scheinen, Seele haben sie dennoch verkaufen In Bulgarien hingegen ist die Ret- als habe er alles in seiner Macht Ste- müssen – durch die Beteiligung an der tung der Juden ein Nationalheiligtum, hende getan, um die Juden vor dem Deportation der thrakischen und der moralischer Rettungsanker in bösen ihnen zugedachten Schicksal zu be- makedonischen Juden. Zeiten, identitätsstiftendes Symbol wahren und dafür möglicherweise mit Es fällt äußerst schwer, die Ambiva- des Guten. Allerdings hat auch dort der dem Leben bezahlt. lenz der menschlichen Natur und des strahlende Leuchtturm, genannt Ret- Die zweite Protagonistin, Liljana Pa- menschlichen Handelns zu akzeptie- tung, einen langen Schatten, und dieser nitza, Sekretärin und engste Vertraute ren. Im Grunde wollen wir, dass alles verbirgt sich im Begriff Alt-Bulgarien. des pro-nazistischen Kommissars für so bleibt, wie in den Märchen: das Gute jüdische Angelegenheiten, Alexander und das Böse messerscharf getrennt – Das Gute und das Belev, warnte die jüdische Gemeinde und wir immer auf der richtigen Seite. Böse in einem Bett vor den drohenden Deportationen und Hannah Arendt wurde für ihren Nazi-Deutschland hatte nach der informierte sie regelmäßig über die ge- Bericht Eichmann in Jerusalem und Besetzung von Griechenland und Ju- heimen Pläne des Kommissariats. Ihr den im Untertitel geprägten Begriff goslawien die Gebiete des ägäischen unter Gefahr für das eigene Leben be- der „Banalität des Bösen“ aufs Heftig- Thrakien und des jugoslawischen Ma- gangener „Hochverrat“ im Namen der ste angegriffen, das Buch ist bis heute kedonien unter die Verwaltung des Menschlichkeit machte die Entstehung umstritten. Indes ging es ihr vor allem verbündeten Bulgarien gestellt. Die eines Widerstandes überhaupt erst um eines: Eichmann hätte auch unser Juden in diesen neuen Gebieten – es möglich. Sie ist das schöne Gesicht der Nachbar, Kollege und Freund sein waren mehr als elftausend – wurden Rettung: eine Heldin, eine bulgarische können. Und, als Erkenntnis noch deportiert. An der Grenze wurden sie Jeanne d’Arc. schmerzhafter: Jeder von uns hätte deutschen Wachkommandos überge- Gleichzeitig war Liljana Panitza die unter gewissen Voraussetzungen ein ben und von diesen weiter nach Polen, heimliche Geliebte des Kommissars. Eichmann werden können. Nichts an- in die Todeslager, gebracht. Nur wenige Weil sie sein Versteck nicht verraten deres meinte auch Thomas Mann mit von ihnen überlebten. Für den Trans- wollte, wurde sie nach dem Macht- seinem Essay „Bruder Hitler“. port bis zur Grenze war das bulgarische wechsel wochenlang von den Kommu- Was Hannah Arendt und Thomas Kommissariat für jüdische Angelegen- nisten verhört und starb schließlich, Mann mit Worten zum Ausdruck brach- heiten zuständig. Waren die Bulgaren knapp 30 Jahre alt, an den Folgen der ten, gelang Charlie Chaplin im Film also mutige Retter – oder willige Voll- Folter. Ein verstörendes Phänomen: die Der große Diktator mit Maske, Mimik strecker? leidenschaftliche Liebe zwischen der und Körpersprache. Sein Alter Ego, der Wie schmal manchmal die Grenze Retterin der Juden und deren schlimm- Tramp mit dem kleinen Bärtchen – der zwischen Gut und Böse ist, zeigt das stem Verfolger, das Gute und das Böse sympathischste „kleine Mann“ der Welt Beispiel zweier Protagonisten dieser in einem Bett. – entdeckte plötzlich seinen Zwillings- Geschichte: zum einen Boris III. von Der Zar und die einfache Sekretärin bruder, sein Spiegelbild: Hitler. Das Gute Sachsen-Coburg und Gotha, Zar aller verkörpern in ihrer Widersprüchlich- und das Böse bleiben wohl auf ewig un- Bulgaren, zum damaligen Zeitpunkt keit nicht nur die historisch-politische, zertrennlich und sehen sich oft zum eine Art Alleinherrscher. Die bulgari- sondern auch die allgemein-menschli- Verwechseln ähnlich. nu

2 | 2015 29 In eigener Sache NU – der Star des Abends

VON IDA SALAMON (TEXT) UND MILAGROS MARTÍNEZ-FLENER (FOTOS)

„Hast du schon das neue NU gelesen?“, fragt ein Wiener Jude seinen Freund beim Freitagabend-Spaziergang zur Synagoge. „Nu, was denkst du? Wo sonst würde ich erfahren, was sich auf der Welt tut?“, antwortet der andere. Das Magazin NU ist nicht nur beliebter Lesestoff für Juden, sondern insbeson- dere auch für alle Menschen, die an jü- dischen Themen interessiert sind. Seit nunmehr fünfzehn Jahren bildet es eine publizistische Brücke zu jüdischer Kultur, Politik und Alltagsleben. Zum Jubiläum hat Nancy Spielberg den Magazin-Machern ihren Film Above and Beyond für die Österreich- Premiere zur Verfügung gestellt und Das NU-Kernteam: Chefredakteur Peter Menasse, Chefin vom Dienst Ida Salamon, eine Video-Botschaft an das Publikum Mitgründerin Danielle Spera und Herausgeber Martin Engelberg gerichtet. Am Abend des 19. April hat die NU-Redaktion, unterstützt von Sponsoren, diese Dokumentation über Standard-Herausgeber Oskar Bronner und Andrea Bronner, Ex-Staatsopern- stv. Vorsitzende Direktor und Tennisstar der Wiener Ioan Holender Psychoanalytischen (siehe NU 55) Vereinigung

Die Laudatio hielt ORF- Redakteur Tarek Leitner

Die Filmemacherin und NU-Autorin der ersten Stunde Helene Maimann

30 2 | 2015 NU – der Star des Abends

jüdisch-amerikanische Piloten als Dajgezzen Dankeschön für ihre Leserinnen und live: Presse- Chefredakteur Leser gezeigt. Ein mit Autoren, Lesern Rainer Nowak und Interessierten gefüllter Saal in der mit seinem NU- Urania sah die rührende, teils compu- Amtskollegen tergenerierte Dokumentation über die Peter Menasse sogenannten Machals, die in Israel im Unabhängigkeitskrieg 1948 kämpften und mithalfen, den jungen Staat vor dem Untergang zu retten. Das Fest fand seine Fortsetzung im Dachgeschoß der Urania, durch den Abend führte Danielle Spera. In seiner Laudatio warf Tarek Leitner einen Blick auf die bisher erschienenen NU-Ausga- ben und wurde damit zu einem Blatt- kritiker der besonderen Art. Auf der Die NU-Gäste im Bühne trafen sich zwei Chefredakteure, vollen Saal der Peter Menasse und Rainer Nowak, die Urania live dajgezzten. Eine Präsentation von Rachel Engelberg zeigte die NU-High- lights der letzten Jahre: anhand von Fotos, Artikeln und Cover. n W i g s A u s tria ©

Die Organisatoren des Fests: Sarah Marth und NU-Jungredakteur David Borochov

Die NU-Autoren Anna Maria Sigmund und Herbert Voglmayr

Das Back Office des NU: Gesine Stern mit ihrem Mann Wladimir Roor und Petra Menasse-Eibensteiner

2 | 2015 31 Jüdisches Leben

Wenn Yochai Mevorach von „Haarfee“ erzählt, öffnen sich die Herzen. Eine Haarfee für kranke Kinder

Seit knapp zwei Auf den ersten Blick kann man das Ding, geknüpft, er hat dem Perückenkopf eine das Yochai Mevorach liebevoll in Hän- erste Fasson gegeben und auch nicht auf Jahren existiert der den hält, nicht gut erkennen: Was soll das die kurzen Babyhaare vergessen, die jeder Verein „Haarfee“. Der sein? Ein brünettes Stofftier mit besonders Mensch am Haaransatz hat. Nur wenn Gründer des Vereins, langen, glatten, glänzenden Haaren? Ein diese zu sehen sind, wirkt die Perücke auch Kleinsthund im Handtaschenformat, der wirklich echt. der Israeli Yochai schon lange nicht mehr beim Hundefriseur Mevorach, schenkt war? Ein besonders voluminöses Haarver- „Haare oder nicht“ Kindern und Jugend- längerungsteil? Dann kommt Yochai näher, Das ist das Wichtigste an Yochai Me- mit dem Ding in der Hand, vor Freude fun- vorachs kleinen Perücken – dass sie aus- lichen, die infolge kelnden Augen und einem strahlend-stol- schauen, als wären sie mit einem kleinen einer schweren Er- zen Lächeln, und man darf es selbst angrei- Kinder- oder zarten Teenagerkopf verwach- krankung ihre Haare fen. Es ist eine, wenn auch relativ kleine, sen. Yochai ist Friseur – und Gründer und Echthaarperücke. Yochai hat sie im Salon Vorsitzender des Vereins „Haarfee“, der sich verloren haben, „folgeeins“ im 7. Bezirk selbst gefertigt, sie zum Ziel gesetzt hat, Kindern und Jugend- Echthaarperücken. besteht aus einem luftdurchlässigen Netz, lichen, die infolge einer schweren Erkran- das sich wie eine zweite Haut um den Kopf kung – etwa wegen einer Chemotherapie – legt und 100.000 dichten, weichen, langen ihre Haare verloren haben, gratis eine Echt- VON PETRA STUIBER (TEXT) Haaren. Echten Haaren, wie man sofort haarperücke zur Verfügung zu stellen, wenn UND MILAGROS MARTÍNEZ- fühlt, wenn man die Perücke berührt. Die ihre Eltern keine solche kaufen können. Das FLENER (FOTO) Haare, alle 100.000, hat Yochai drei Wo- ist kein kleines Geschenk, eine Echthaar- chen lang selbst in das Haarnetz-Gerüst perücke kostet zwischen 2000 und 3000

32 2 | 2015 Euro – und sie hält nur etwa eineinhalb Macher Holger Thor alias Miss Candy Jahren glücklich in Wien-Neubau zu- Jahre. Die Krankenkassen zahlen nichts war von der Idee begeistert: Ein Teil der sammen. dazu, obwohl diese eineinhalb Jahre, für Einnahmen des schrägsten Ball-Events Yochai mag Wien, er sagt, die Wie- manche Kinder zwischen Leben und der Saison gingen an Yochais Verein. ner seien eine Mischung zwischen den Tod entscheiden können. Da ist es nicht Bis Ende April hat „Haarfee“ bereits 80 kühleren Niederländern und den heiß- egal, ob man guten Mutes, selbstbewusst Echthaarperücken ausgeliefert. blütigen Israelis, das gefalle ihm. Zur und psychisch halbwegs stabil in diesen Kultusgemeinde hält er nur losen Kon- mörderischen Kampf zieht – oder ob Die erste „Haarfee“-Kundin takt: „ich war ein paarmal im Tempel, man sich obendrein geniert und darüber Yochai Mevorach hat die Idee einer aber die Leute hier sind konservativer, kränkt, dass man keine Haare mehr hat. Echthaarspende aus Amsterdam, wo er orthodoxer als in Amsterdam. Da war Dass die Frage „Haare oder nicht“ fünf Jahre lang gelebt hat, nach Wien alles viel liberaler.“ keine Nebensache ist, selbst - oder ge- importiert. Ähnliche Projekte existie- Yochai sagt – erstaunlich genug –, rade wenn – Kinder und Jugendliche ren auch in den USA, Kanada und Israel, er sei in Wien noch nie antisemitischen schwer krank sind, beweist die riesige Yochais Heimatland. Er wurde in Jeru- Attacken ausgesetzt gewesen: „Die Nachfrage nach Yochais Perücken. salem geboren, dort lebte er mit seinen Leute hier sind nett und sehr interes- Pro Jahr erkranken rund 300 Kinder in Eltern und vier Schwestern. Schon bald, siert an Israel.“ Und wenn er von „Haar- Österreich an Krebs. Seit knapp zwei mit 14, zeigte sich sein Talent für alle fee“ erzähle, öffneten sich ohnehin die Jahren existiert sein Verein „Haarfee“, haarigen Angelegenheiten. Erst frisierte meisten Herzen – und auch so manche allein die Vereinsgründung dauerte er seine älteren Schwestern, wenn diese Brieftasche. ein Jahr lang – Yochai musste sich abends ausgehen wollten, dann deren Er erinnert sich noch gut an seine mehr oder weniger unfreiwillig in die Freundinnen, bald auch die gesamte erste „Haarfee“-Kundin, Michelle, 15 Tücken der österreichischen Bürokra- Nachbarschaft. „Ich habe mich nicht Jahre jung: als er mit seiner Echthaar- tie vertiefen. Verbreitet haben er und damit aufgehalten nachzudenken, was perücke im St.-Anna-Kinderspital seine Freunde die Idee nur über soziale ich beruflich einmal machen möchte“, ankam, empfing ihn ihre Mutter mit of- Netzwerke, dennoch wuchs die Warte- lacht der 35-Jährige. Er absolvierte eine fenen Armen und einem Redeschwall, liste von Woche zu Woche, mittlerweile Friseurlehre und war eigentlich ziem- um ihre Aufregung zu verbergen. Mi- werden Yochai und seine Helfer (er lich glücklich in Jerusalem. Yochai: „Wir chelle dagegen redete kaum, sie mochte wird von insgesamt zwanzig Friseuren haben alle gut zusammengelebt, Israelis, weder Yochai noch sich selbst im Spie- in Österreich unterstützt) im Wochen- Palästinenser – abgesehen von der Poli- gel ansehen. Bis er ihr die Perücke auf- takt von betroffenen Familien kontak- tik war alles in Ordnung.“ setzte und mit ihr besprach, welchen tiert. Yochai sagt, wenn die Nachfrage Als er 18-jährig mit seiner Mutter Haarschnitt er machen sollte. Yochai so weitergehe, werde er wohl 50 bis 100 eine Tante in Amsterdam besuchte, erinnert sich: „Plötzlich saß sie immer Perücken bis Jahresende ausliefern – packte ihn das Reisefieber: Das pul- aufrechter, ihr Blick wurde klarer, sie „was wohl auch daran liegt, dass wir sierende, liberale Amsterdam gefiel begann zu lächeln.“ Er selbst lächelt immer bekannter werden“. ihm, er wollte bei der Tante bleiben. Die auch, während er das erzählt – mit Trä- Die österreichische Kinderkrebshilfe Mama war dagegen, natürlich – doch nen in den Augenwinkeln. Er hat Mi- jubelt über das Engagement des gebür- dann gab sie nach, und 1998 wurde chelle nicht vergessen, und sie ihn auch tigen Israelis. Geschäftsführerin Anita Yochai Europäer. Er mochte Amster- nicht. Ihre Krankheit hat sie besiegt. Kienesberger: „Der Verlust der Haare dam, und Amsterdam mochte ihn. Bald Am liebsten nimmt Yochai Mevo- macht die Krebserkrankung für die hatte er einen gutgehenden Friseursa- rach natürlich Haarspenden entgegen – meisten Patientinnen und Patienten lon in der Innenstadt, wieder einmal allerdings nicht von jedem: Mindestens nach außen hin erst sichtbar. Vor allem war er eigentlich ziemlich glücklich. 25 Zentimeter müssen die Haare lang viele Jugendliche leiden unter dem Und dann lernte er „ihn“ kennen, seinen sein, gesund und glänzend. Sie dürfen Verlust, da das Aussehen in diesem Mann, den einen: Wiener, TV-Produ- nicht blondiert worden sein, das macht Alter für viele eine wahnsinnig wich- zent und durchaus bereit, zu ihm in die Haare spröde und brüchig. Graues Haar tige Rolle spielt.“ Es gehe hier nicht Niederlande zu ziehen. Doch aus dem nimmt er auch nicht – auch diesem nur um verlorene Haare, es gehe um gemeinsamen Business wurde nichts, mangelt es an Qualität. Aber sonst ist er „Selbstakzeptanz, Selbstbewusstsein man lebte eine Zeitlang eine Beziehung glücklich über jeden abgeschnittenen und den Wunsch, attraktiv zu sein“. auf Zeit, die ständige Sehnsucht nach Zopf – im sehr ursprünglichen Sinn. nu „Haarfee“ leiste mit den Perücken einander ging beiden auf die Nerven. unglaublich wichtige Hilfe zur Gesun- Also zog Yochai nach Wien, die beiden Spenden an und Informationen über „Haarfee“: dung der Kinder. Auch „Rosenball“- heirateten, und so leben sie seit zwei www.vereinhaarfee.at

Pro Jahr erkranken rund 300 Kinder in Österreich an Krebs. Yochai Mevorachs Verein „Haarfee“ leistet mit den Perücken unglaublich wichtige Hilfe zur Gesundung der Kinder. Die österreichische Kinderkrebshilfe jubelt über das Engagement des gebürtigen Israeli.

2 | 2015 33 Jüdisches Leben

Lašo drom, Schalom! Eine Liebesgeschichte

Gadže. So nennen Roma ungarischen Wurzeln folgen. Robert Kulturen sind hier in Ungarn sehr ver- Menschen, die nicht ihrer Báthory ist einer von ihnen. Der unga- stoßen, und ich glaube, das schweißt rische Rom ist mit einer Jüdin verhei- die zwei Minderheiten noch enger Volksgruppe angehören. ratet und konvertierte zum Judentum. zusammen“, meint Nora. Robert nickt: Juden sind von diesem NU sprach mit dem Ehepaar in Buda- „Menschen und Gruppen, die ähnliche Begriff ausgenommen. Die pest. Schicksale haben und ständig benach- teiligt werden, kommen sich schnell enge Verbundenheit ver- Jahadut und Romanipe näher. Zusammen sind wir irgendwie anlasste die Roma dazu, Der Jászai-Mari-Platz mit seinen stärker. Das ist auch bei Nora und mir für das jüdische Volk ein Kaffeehäusern und Jazzklubs ist ein der Fall.“ beliebter Treffpunkt für junge Juden. Nora verbrachte ihre Kindheit in neues Wort zu erfinden – Hier lebt Familie Báthory-Beck in einer einer Plattenbauwohnung in der un- Bibolde. gemütlichen Altbauwohnung. Ihre Ke- garischen Kleinstadt Cegléd. Ihr Vater tubba an der Vorzimmerwand sticht war Mathematiker und wurde in den gleich ins Auge. Ein Davidstern ziert neunziger Jahren Leiter einer der VON SAMUEL MAGO das obere Ende dieses Ehevertrags. größten Telekommunikationsfirmen Unten sieht man eine Rose, als Symbol Ungarns. „Er kletterte die Karrierelei- für Roberts Roma-Herkunft, wie seine ter hinauf, und so wurde auch unsere Die Gründe für die große Sympathie Frau Nora erklärt. Wir setzen uns ins finanzielle Situation immer besser.“ zwischen Juden und Roma sind breit Wohnzimmer. Das Babyphon behal- Nora war ein künstlerisch begabtes gefächert. Für manche sind es Ge- ten die frischgebackenen Eltern stets Kind. Sie spielte Cello und besuchte meinsamkeiten in der Kultur und in im Auge. Die Wand ist bis zum Plafond eine Schule mit musikalischem den Traditionen. Für andere sind es Af- voll mit Büchern – vorwiegend von Schwerpunkt. Nach dem Abschluss finitäten im Aussehen. Manche führen und über Juden und Roma. Nora und eines jüdischen Gymnasiums absol- es auf die gemeinsame Verfolgungs- Robert sind etablierte Journalisten in vierte sie eine Musikausbildung und geschichte und den Holocaust zurück. Ungarn. Intellektuell, schreien die Bü- spielte am Víg-Theater in Budapest. Eines aber ist klar: Juden und Roma cherregale. Später wechselte sie in die Medien- leben in Europa seit Jahrhunderten Speziell seit dem Fall des Eisernen branche und arbeitet heute für die Seite an Seite und teilen ein Lebens- Vorhangs bleiben Türen für Juden und Nachrichtensendung Tények. gefühl, das kaum beschrieben werden Roma in Ungarn oft verschlossen. An- Ihr Ehemann Robert wuchs im öst- kann. gehörige beider Minderheiten erleben lichen Teil Ungarns in bescheidenen Heiraten zwischen Juden und Roma ihren Alltag häufig so, als wären sie Verhältnissen auf. Seine Jugend war sind in Mitteleuropa keine Seltenheit. Bürger zweiter Klasse. „Ich glaube, dass von Schicksalsschlägen gezeichnet. Die ungarische Volkszählung 2011 das Fundament unserer Beziehung „Meine Familie war sehr čoro (Roma- ergab, dass Juden mit Roma-Wurzeln wirklich mein jüdischer und Roberts nes für ‚arm‘) und mein Zufluchtsort zahlenmäßig direkt auf Juden mit Roma-Hintergrund war. Unsere zwei waren eigentlich immer meine Bü-

Speziell seit dem Fall des Eisernen Vorhangs bleiben Türen für Juden und Roma in Ungarn oft verschlossen. Angehörige beider Minderheiten erleben ihren Alltag häufig so, als wären sie Bürger zweiter Klasse.

34 2 | 2015 cher.“ Nach der Matura fing er zu stu- anderen“, erzählt Robert. Heute arbeitet Romni mit nach Hause genommen“, dieren an und machte einige Praktika, 33-Jährige als Reporter für die Nach- erzählt Robert. unter anderem im Europäischen Par- richtensendung 7/24. Seine Frau lacht: „Für meine Fami- lament. Vier Jahre lang war er Mitar- lie war das auch kein Problem. Schau beiter des ersten Roma-Senders Radio Mazel tov und sastipe mal, alle meine Großeltern haben den C und begann 2007 in der Fernsehre- So wie es in traditionellen jüdischen Holocaust durchlebt. Mein Großvater daktion des ungarischen Rundfunks Kreisen verpönt ist, einen Goj zu hei- hat nach dem Krieg viel auf Märkten zu arbeiten, wo er später seine Frau raten, sehen es traditionelle Roma nur gehandelt und war oft von Roma um- kennenlernte. „Ich hatte immer diesen ungern, wenn man sich mit einem geben. Er konnte sogar ein bisschen Drang, als Rom dreimal so viel zu lei- Gadžo trauen lässt. Auf die Frage, wie Romanes sprechen. Ihm hat der Robert sten wie ein Gadžo. In der Redaktion, ihre Familien auf den jeweiligen Part- sehr gefallen. Er hat immer gesagt, in der Nora und ich uns kennenge- ner reagiert haben, schmunzelt das dass der Robi ein richtiger Ganeff ist, lernt haben, waren fast alle Journali- Paar. „Meine Familie hätte mich viel- so wie er.“ sten Juden und Roma. Wir sind dort leicht ein bisschen schief angeschaut, Um Nora heiraten zu können, kon- alle Freunde geworden. Und man hat wenn ich ihnen eine Gadži vorgestellt vertierte Robert vor drei Jahren zum gemerkt, wie verdammt viel wir alle hätte. Es wäre kein Drama gewesen, Judentum. „Wir kennen viele Ehepaare, geleistet haben, weil wir den Druck aber bei der Nora stand es einfach die auf der einen Seite Roma und auf spürten, besser sein zu müssen als die außer Frage. Es war, als hätte ich eine der anderen Juden sind“, bestätigen sie. Auch die Hochzeit von Robert und Nora war geprägt von jüdischen und Die Hochzeit von Robert und Nora war geprägt von jüdischen und Roma-Bräuchen. Roma-Bräuchen. Neben Glaszertreten und Sesseltanz vermischte sich au- thentische Zigeunermusik mit Klez- mer. „Das Beste war, als die kleinen Burschen mit Kippa am Kopf den Takt mit Holzlöffeln vorgaben, wie das bei uns Roma üblich ist“, lachen die bei- den. Auch das melancholische Liedgut der Roma – die sogenannte Nóta – durfte nicht fehlen. „In der Musik sind sich diese zwei Kulturen auf eine sehr eindeutige Weise ähnlich. Auf einem Konzert von Shantel oder DelaDap! musst du den Leuten echt nicht erklä- ren, ob das jetzt Klezmer oder Gypsy ist. Die beiden Genres sind sich so ähn- lich, dass sie fast schon verschmelzen“, meint Robert lächelnd. Nora und Robert versuchten jahre- lang erfolglos, Kinder zu bekommen. Schlussendlich entschieden sie sich für die Adoption. „Für Juden und Roma gibt es nichts Wichtigeres, als Familie und Kinder. Wir haben gleich von vorn- herein gewusst, dass wir uns ein Roma- Kind wünschen“, erzählt Nora. Die kleine Hanna Báthory ist fast schon ein halbes Jahr alt und fühlt sich bei ihren Eltern sehr wohl. „Wir hatten nicht ein- mal drei Tage Zeit, um uns darauf vor- zubereiten, Eltern zu werden. Plötzlich kam ein Anruf und ich war Vater. Zuerst habe ich mir echt in die Hosen gemacht, aber mittlerweile sind wir einfach nur glücklich“, strahlt der stolze Vater. Nora betont, wie sehr es ihr am Herzen liegt, dass ihre Tochter die Traditionen und Werte beider Kulturen weiterträgt. Die Gutenachtlieder singen die Eltern jetzt

Bá t ho F a m ilie r y-B eck © schon auf Hebräisch und Romanes. nu

2 | 2015 35 Jüdisches Leben W ei n berger P eter © Ein Reuben-Sandwich: mit Pastrami und Käse – nicht wirklich koscher. „Ziehen Sie nicht Ihre besten Sachen an!“

Fett, Dampf und Humor Die Kalorien dürften in die Hundert- kultur im Allgemeinen sagt, ist wohl sind essenziell für ein jü- tausende gegangen sein: Mehr als 200 auch familiär bedingt: Sax’ Großva- Delis hat David Sax im Rahmen der Re- ter stammt aus Rumänien, dem Ur- disches Deli. Wie die neue cherche für sein Buch Save the Deli be- sprungsland der Pastrami, die Fami- Deli-Generation damit um- sucht. Und zwar weltweit – in London, lie ist schon lange im Deli-Business. geht und was Wasabi in in Krakau, in Montreal, in Los Angeles, David Sax wollte ursprünglich nur in Singapur, in São Paulo. Und Sax über den Niedergang der Delis schrei- Mazzesknödeln zu suchen hat sie nicht nur besucht. „Ich habe in ben, die er als „jüdische osteuropä- hat, weiß David Sax. Er hat allen Delis so ziemlich alles gekostet.“ ische Küche im Format eines Ameri- die bewegte Geschichte der Seiner Figur würde man das nicht can Diner“ definiert. Sein Buch Save mehr ansehen: Sax ist ein schlanker the Deli wurde aber auch zum Doku- Jewish Delicatessen aufge- Mann, wie NU beim Interview in Wien, ment von Hoffnung, von Aufschwung zeichnet. NU hat den Autor zufällig unweit der „Mazzesinsel“, fest- und Zukunft und ist heute, selbst wenn getroffen. stellen durfte. es schon vor einigen Jahren erschie- Das Interesse für „Jewish Delica- nen ist, aktueller denn je. Denn nicht tessen“, wie David Sax sowohl zu den nur das Wort Deli, das in den vergan- VON ANNA BURGHARDT Lokalen selbst als auch zur Deli-Ess- genen Jahren als trendiger Name für

36 2 | 2015 alle möglichen Arten von Imbissloka- was er bis dahin beobachtet hatte, war: ten nun die Delis, indem man auch len verwässert wurde, boomt. Auch Die Jewish Delicatessen sterben aus. Dinge wie Wraps oder mehr Salate das jüdische Deli selbst erlebt ein un- Aus einer ehemals blühenden Bran- anbot, oder indem man Sandwiches übersehbares Revival – in seiner klas- che, die ihre Anfänge im 19. Jahrhun- weniger fett machte. Auf diese Verän- sischen oder in einer etwas weniger dert hatte, war eine geworden, die dem derungswelle sei eine andere gefolgt, klassischen Form. Und nicht zuletzt Niedergang geweiht war. Eine Bran- erläutert Deli-Chronist David Sax: ist Pastrami derzeit ein großes Thema che, in der viel Wissen und Tradition „Spätestens seit den 1990ern machten für Foodies, für die essbesessene Mit- brachlag. „Natürlich einerseits aus de- die Delis bis auf wenige Ausnahmen telschicht mit unstillbarem Hunger mografischen Gründen. Aber auch aus ihre Pastrami nicht mehr selbst, kauf- nach Neuem oder lange Vergessenem. Gründen des gesellschaftlichen Auf- ten fertiges Brot, fertige Pickles, alles „Die neuen Deli-Unternehmer sind oft stiegs. Sie kennen das bestimmt von mit viel Chemie. Das war billiger und Quereinsteiger, Ende dreißig, Mitte den hiesigen Einwanderern: Die Eltern einfacher. Zwei oder drei Fabriken be- vierzig, die ihre jüdischen Wurzeln wollen immer ein besseres Leben für lieferten alle Delis, überall gab es also stärker leben wollen. Also gehen sie in ihre Kinder. Statt ebenfalls ein Deli nicht nur genau dieselben Gerichte, die Gastronomie. Und sobald ein sol- zu eröffnen oder das familieneigene sondern auch aus genau denselben ches neues Deli erfolgreich ist, ziehen fortzuführen, sollten die Kinder lieber Produkten.“ Von diesem Einheitsbrei andere nach“, sagt David Sax. studieren und Ärzte werden, anstatt wiederum begannen sich allmählich Knishes oder Blintzes zu servieren.“ einige Deli-Betreiber zu distanzieren, Hausgemacht und Aber auch die Low-Fat-Bewegung in „es folgten Innovationen wie Mazzes- handgeschnitten den USA der 1970er und 1980er war zu- knödelsuppe mit Wasabi und solche Die Neo-Gastronomen gestalten nächst mit schuld am Niedergang der Dinge. In den 1980ern und 1990ern nicht nur ihre Lokale zeitgemäß, son- jüdischen Delis: „Das Essen in Delis hatte Delis die Wahl, entweder zum dern sind auch, was das Küchenange- ist traditionell fett. Ohne ,Schmaltz‘, Museum zu werden oder so etwas wie bot betrifft, am Puls der Zeit: Pastrami ohne Hühnerfett geht gar nichts. Und ein Sushi-Deli oder ein chinesisches wird hausgemacht und handgeschnit- als alle in den USA mit Eiweißomelett Deli. Das war eine Zeit lang cool, aber ten – das hat mittlerweile Selten- und solchen Dingen anfingen, litten nichts davon hielt sich besonders heitswert –, Senf wird selbst gerührt, die Delis darunter natürlich einmal lange. Die eigentlich signifikante Mo- Gemüse selbst eingelegt, Brot selbst gewaltig.“ dernisierung begann 2007 mit der gebacken. Alte Rezepte, etwa für gepö- Generation der Quereinsteiger-Delis.“ kelte Zunge, werden ausgegraben, man Quereinsteiger-Delis Also jenen, die die Traditionen wie- kocht mit besten, oft biologischen Zu- Die Deli-Küche hatte sich allerdings derentdecken und nun mit dem Retro- taten, vielleicht sogar aus dem eigenen immer schon verändert, hatte sich und dem Homemade-Faktor punkten. Kräuter- und Gemüsegarten, und mixt immer schon den Gegebenheiten an- Was diese neuen Delis zum Teil mitunter augenzwinkernd Cocktails gepasst. Pastrami etwa, die berühmte freilich nicht haben, nicht haben kön- mit Sliwowitz. Vertreter dieser neuen gepökelte, geräucherte und gedämpfte nen: die Seele, die einem jüdischen Deli-Spezies seien etwa das Caplensky Deli-Spezialität, wurde ursprünglich Deli innewohnt, das seit Generatio- in Toronto, das Saul’s in Berkeley, das in Osteuropa aus Gänse, Enten- oder nen in Familienhand ist. Der seit Kenny & Zuke’s in Portland, das mit Hammelfleisch gemacht. Ende des 19. Jahrzehnten alle Poren eines Lokals seinem deutlichen japanischen Ein- Jahrhunderts stellte man allmählich besiedelnde Mix aus Fett, Dampf und fluss etwas schrägere Shalom Japan auf Rind um – die riesigen Rinderher- Humor. „Der jüdische Humor ist ein es- in New York oder das Mogg & Melzer den in den Weiten der neuen Heimat senzieller Teil dieser Seele. Delis sind in Berlin-Mitte, das sich in der ehema- legten den europäischen Einwande- einfach keine ernsten Orte, man kann ligen jüdischen Mädchenschule in der rern diese Version unmissverständ- in einem Deli nicht ernst bleiben. Es gehypten Auguststraße angesiedelt lich nahe. Die ursprünglich große sind kömodienhafte Orte, ein Deli ist hat. Im Mogg & Melzer bewahrheitet Vielfalt mit diversen eng regionalen wie ein Woody-Allen-Film. In einem sich auch, was David Sax als essen- Spezialitäten aus Polen, Rumänien klassischen Deli weint nie jemand“, zielles Merkmal eines richtigen Delis oder Russland, auch mit vielen Inne- beschreibt es David Sax. „Die Atmo- anführt: „Es dampft, es riecht. Ziehen reien wie Hirn und Zunge, ging zurück, sphäre ist informell, kommunikativ. Sie für ein Deli nie Ihre besten Sachen erzählt David Sax. „Irgendwann wurde Sie können in Manhattan als atheisti- an.“ daraus eine Art ,Best of‘, daher sind die scher Bauarbeiter neben jiddisch spre- David Sax war überrascht, bei sei- Speisekarten in den Delis einander so chenden Chassidim in einem Deli sit- nen weltweiten Recherchen auf so viel ähnlich.“ zen, oder als Obdachloser neben dem Erneuerungswillen zu stoßen. Denn Auf die Low-Fat-Bewegung reagier- Bürgermeister.“ nu

David Sax: „Delis sind einfach keine ernsten Orte, man kann in einem Deli nicht ernst bleiben. Es sind kömodienhafte Orte, ein Deli ist wie ein Woody-Allen-Film. In einem klassischen Deli weint nie jemand.“

2 | 2015 37 Schach

„Im Schach sitzt die Intelligenz“

Es gibt Zwerge und es gibt Weltmeister. Dann gibt es aber auch noch geniale Schriftsteller: Ein solcher, Elias Canetti mit Namen, denkt sich 1931 einen Zwerg aus, der Schach- weltmeister werden will; und gibt dem Zwerg einen Namen – Siegfried Fischer, genannt „Fischerle“ –, der Schachspielern ein paar Jahrzehnte später äußerst geläufig wird.

VON ANATOL VITOUCH N L

Die Geschichte des jüdischen Schachs lässt sich auch als eine Geschichte der literarischen Fiktion erzählen. Ähn- lich bemerkenswert wie der Anteil an Nati on al A rc h i v e s/CC 3.0 B Y - S A Juden unter den größten Schachmei-

stern der Geschichte ist bekanntlich D utc h © der jüdische Beitrag zur literarischen Elias Canetti, der Schöpfer des „Fischerle“, Moderne. In Wien begegneten einan- der Schachmeister und Literaten ab dem späten 19. Jahrhundert in den benden Brettartisten in ihrer Exzentri- Die Geschichte des Dr. B. Kaffeehäusern der Stadt – für beide zität und der sturen Begeisterung für Stefan Zweigs Schachnovelle darf Fraktionen der Gattung „Luftmen- „ihr“ Spiel schon für sich allein, noch zweifellos als das bekannteste Er- schen“ eine Art Lebensmittelpunkt. ohne jede literarische Zuspitzung, das gebnis dieser Faszination gelten. Die Wen sollte es da wundern, dass der Bild des im Dickicht der Großstadt Geschichte des Dr. B., der sich das Typus Schachmeister bald auch das irrlichternden Individuums erstehen Schachspiel in Gestapo-Gefangen- literarische Interesse großer Schrift- ließen – ganz so, wie es etwa den schaft selbst beibringt und Jahre spä- steller erregte? Insbesondere, da die Vertretern des Expressionismus vor- ter, auf einer Atlantik-Überfahrt, den zumeist von der Hand in den Mund le- schwebte. regierenden Weltmeister Czentovic

38 2 | 2015 In Wien begegneten einander Schachmeister und Literaten ab dem späten 19. Jahrhundert in den Kaffeehäusern der Stadt – für beide Fraktionen der Gattung „Luftmenschen“ eine Art Lebensmittelpunkt. besiegt, hat bis heute nichts von ihrer dass ihm nur die Wettkampfbörse nitz verarmt, an die Tragik Fischerles Wirksamkeit eingebüßt. Verantwort- fehle, um den großen Capablanca vom reicht sein Ableben aber nicht heran: lich dafür ist nicht zuletzt die wunder- Schachthron zu stoßen. In Wahrheit In einem Samuel Becketts Dramen bar ambivalente Art, in der Zweig das aber ist sich der von den Prostitutions- vorwegnehmenden Handlungsstrang Schachspiel in seiner Novelle symbo- Einnahmen seiner alternden Gattin wird Fischerle zum Gehilfen des welt- lisch auflädt. lebende Fischerle seines begrenzten fremden und geistig verwirrten Ge- Zuerst wird Dr. B. in der Gestapo- schachlichen Horizonts schmerzhaft lehrten Dr. Kien, dem er jeden Abend Haft durch die Konzentration auf das bewusst. Dennoch ist der Zwerg dem beim Abladen von dessen imaginärer Spiel, das er als Weißer und Schwarzer Spiel rettungslos verfallen: „Wissen S’ „Kopfbibliothek“ in einem mit Packpa- zugleich gegen sich selbst spielt, vor aber, was ein Wunder ist, dass Sie kein pier ausgelegten Hotelzimmer hilft. der Preisgabe geheimer Informatio- Schach spielen. Die ganze Buchbran- Nachdem Fischerle Kien – übrigens nen gerettet. Später, auf dem Schiff, ist che spielt Schach. Ist das a Kunst bei völlig zu recht – schrittweise um des- es das erneute Eintauchen in die Welt der Buchbranche? Der Mann nimmt sen Vermögen erleichtert hat, sieht des Spiels, das einen Rückfall auslöst sei Schachbüchel her und lernt die er seinen Plan einer Herausforderung und Dr. B. fast endgültig dem Irrsinn Partie auswendig. Aber glauben Sie, Capablancas in Übersee erstmals in verfallen lässt. So wenig realistisch die mir hat einer darum geschlagen? Von greifbare Nähe gerückt. Nur um von Geschichte eines manisch übenden der Buchbranche keiner, so wahr Sie einem Freier seiner Frau erschlagen Autodidakten auch sein mag, der nach dazugehören, wenn’s wahr is!“ zu werden, der ihm auch noch aus Studium eines einzigen Büchleins den Der erst 23-jährige Canetti entwi- Hass mit einem Brotmesser den Bu- Weltmeister schlägt: In dieser literari- ckelte für die Blendung wirklich- ckel absägt. schen Setzung hallen die Träume vom keitsnahe „Sprachmasken“, mithilfe Andernfalls, wer weiß, hätte der Aufstieg zur Spitze nach, für die in der derer er die Romanfiguren scharf von- Weltmeister wenigstens in der Welt ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts einander abhob. So beeindruckt das der literarischen Fiktion schon in den manch Schachverrückter ein Leben in Werk heute, abgesehen von seinen 1930er-Jahren Fischer geheißen. nu Armut und intellektueller Eigenbrötle- fantastisch-absurden Wendungen rei in Kauf nahm. und seinem erzählerischen Sog, auch „Ein Mensch, was ka Schach spielt, als eine Art Museum der in der Wiener is ka Mensch. Im Schach sitzt die In- Zwischenkriegszeit gängigen Sprech- telligenz, sag’ ich. Da kann einer vier weisen. Meter lang sein, Schach muss er spie- Dass die Rezeptionsgeschichte der len, sonst is er ein Tepp. (...) Was glau- Blendung dennoch holprig und sto- ben S’, wer hier der Meister is, vom ckend geriet, lag auch daran, dass ihr ganzen Lokal? (...) Der Meister heißt Fi- Autor sich später von seinem Erstling Auflösung NU Nr. 59: Zunächst marschiert Rubinsteins König nach h3. Cohn muss den scherle und sitzt am selben Tisch wie distanzierte. Wofür nicht zuletzt die Bauern h2 mit seinem König gedeckt halten. Sie. Und warum hat er sich hergesetzt? Zeichnung des Fischerle verantwort- Dann folgt der Aufzug der schwarzen Königs- Weil Sie ein mieser Mensch sind.“ lich sein mag, die Canetti im Rückblick flügelbauern. Nach weiteren zehn Zügen war die folgende Stellung entstanden: Der da spricht, der „Fischerle“ aus selbst antisemitisch erschien. Auch Elias Canettis Debütroman Die Blen- wenn diese Lesart nicht gänzlich von dung, ist geradezu der Gegenentwurf der Hand zu weisen ist: Fischerle ist zu Zweigs ehrenwertem, aber charak- trotzdem zweifellos die interessante- terlich nicht allzu interessanten Dr. ste und – mit ein wenig gutem Willen B. Während Letzterem sein Autor per betrachtet – auch die liebenswerteste Federstrich Augenhöhe mit dem Welt- Figur des Romans. meister attestiert, ist der missgebildete Zudem fällt es schwer, sich nicht an Zwerg Siegfried Fischer von nagenden den ersten Weltmeister der Schachge- Selbstzweifeln geplagt. schichte erinnert zu fühlen: Den klein- wüchsigen, gehbehinderten und cho- Fischerle als liebenswerteste lerischen Wilhelm Steinitz, der seine Figur des Romans Karriere in Wien begann, trennt vom Zwar ist Kleinmeister Fischerle im armen Fischerle vorwiegend, dass Nach 35... fxe4 36. fxe4 h4 37. Kg1 g3 38. Kaffeehaus „Zum idealen Himmel“ Steinitz später wirklich Weltmeister hxg3 hxg3 gab Cohn auf. Er verliert den Bau- der unbestrittene König auf den 64 wurde. ern e4, der e5 würde bald darauf zur Dame. Feldern; zwar posaunt er täglich aus, Zwar endete auch Wilhelm Stei-

2 | 2015 39 Nachruf

© Hans Hochstöger Durch die Welt nach Hause

Frederic Morton war ein Wie genau ist er gestorben? Als mich Zeiten wie den unseren einfach ganz meine beste Freundin anrief, um mir normal ein letztes Mal ausatmen zu fantastischer Schriftsteller, zu erzählen, dass sie eben vom Wiener dürfen. Und ich war froh, Fred wenige aber auch ein Lehrmeister Hotel Hilton informiert worden war, Tage zuvor noch in Wien getroffen zu im Altwerden und dabei dass Fred nicht mehr da ist, war das haben. Wir waren eigentlich für den mein erster Gedanke. Ein ungehöri- Donnerstag nach seinem Todestag Jungbleiben. Erinnerun- ger, gewiss. Gleichzeitig einer, den ich zum Abendessen verabredet. Wir be- gen an einen wunderbaren mir erlaubte in den nächsten Stunden sprachen letzte Details, er zückte das Freund. immer wieder zu stellen, bis ich Gewis- kleine, schwarze Notizbuch, das sein sheit hatte. Fred starb am 20. April die- Jahreskalender war. Jede Seite ein ses Jahres einen Tod, wie er ihn dem Tag, eigenhändig durchnummeriert. VON BARBARA TÓTH Helden in einem seiner Romane nicht Mit seinem Kugelschreiber notierte er besser auf den Leib hätte schreiben sich unter dem 23. April Ort (Gasthaus können. Friedlich, im Lehnstuhl sei- Grünauer) und Zeitpunkt (19 Uhr) unse- nes Hotelzimmers sitzend, nachdem res Treffen. Beim Durchblättern könnte er aufgestanden war und seine Mor- ich sehen, dass sein Aufenthalt gut ge- gentoilette erledigt hatte. bucht war. Jedes Blatt hatte einen Ter- Ich habe seitdem viel darüber mineintrag, ganz so, wie er es liebte, nachgedacht, welche Gnade es ist, in wenn er in Wien war.

40 2 | 2015 Ich möchte auch einmal inmitten Oder seine, wie er es mit amerikani- Heimat sterben. In dieser Rede sprach vieler guter Freunde aus dem Leben ge- schem Zungenschlag gern scherzhaft Fred von den beiden Exilen in seinem rissen werden, so wie er. Fred hatte nie nannte, „Diät“. Morgens niemals Früh- Leben. Dem ersten, geografischen Exil, übers Sterben gesprochen. Das war be- stück. Am frühen Nachmittag eine also der Vertreibung aus Wien, die, merkenswert. Als ich ihn kennenlernte, „Jause“, mit Vorliebe ein Stück Gebäck so fürchterlich sie war, ihm doch die war er 72, aber er lebte wie ein zwanzig (Fred hatte seine Berufskarriere ja als englische Sprache zur zweiten Hei- Jahre Jüngerer. Die literarische Welt Bäckerlehrling in New York begonnen) mat werden ließ. Und zu was für einer! kennt Frederic Morton, geboren als und ein dünner Milchkaffee dazu. Am Seine Formulierungen schafften es bis Fritz Mandelbaum, Sohn jüdischer Ei- Abend dann eine klare Suppe (am lieb- ins Webster’s Dictionary, erzählte er senwarenfabrikanten in Wien-Hernals, sten: heiße Rindsuppe mit ordentlich mit Stolz. als klugen, historischen Romancier. Die viel klassischen Einlagen), einen ge- Sein zweites Exil war, wie er es breite Öffentlichkeit schätzt ihn als be- bratenen Fisch und Salat. Danach an formulierte, „die Verbannung aus der gnadeten Erzähler. Politiker, vor allem Feiertagen, aber nur an solchen – in Jugend in das Alter“. Sie war „schlei- jene der „roten“ Stadt Wien, respek- Wien hieß das: an jedem Tag –, eine chend vor sich gegangen, sozusagen tierten die Versöhnlichkeit, mit der Marillenpalatschinke und eine heiße auf Zehenspitzen. Ich konnte tun, als ausgerechnet er, dem die Nazis seine Melange mit einem Kännchen heißen wäre ich zu beschäftigt, um sie wahr- Verwandten wegmordeten und den sie Wassers dazu. Aber bitte gleichzei- zunehmen. Und musste dann auf ein- als jungen Buben aus Wien vertrieben, tig, und wirklich sehr heiß. Er konnte mal erfahren, dass ich unwiderruflich, unverdrossen zurück in seine Hei- sehr ungehalten werden, wenn Kellner unwidersprechbar, unbestreitbar und matstadt kam. Er erinnerte sie an die seine klaren Anweisungen nicht um- ganz offensichtlich nicht mehr neun- grausame Vergangenheit, aber er tat es setzten. zehn, sondern 90 Jahre alt war. Plötz- nicht mit unversöhnlichem Hass, son- Später erklärte er mir einmal, wie lich, hart und tief bin ich ins Altland dern mit nahezu kindlichem Staunen. viel wichtiger solche Rituale für ihn im gefallen.“ Dieser Fred war eine öffentliche Figur Alter wurden, weil sie ihm, dem tragi- Wie so oft hatte Fred Worte für ein und genoss die Aufmerksamkeit und scherweise früh Verwitweten, Struktur Lebensgefühl gefunden, das mir vorher die Rolle, die ihm Österreich gab. und Halt im Alltag gaben. nicht bewusst war. Nun weiß ich, dass Für mich war Fred all das, aber vor Ich erinnere mich auch an seinen ich das große Privileg hatte, ihn ein allem war er ein Freund, Lehrmeister 80. Geburtstag. Fred war 50 Jahre und Stück weit auf dem Weg in sein zweites und vielleicht auch der kosmopoliti- drei Tage älter als ich. Wir wollten ge- Exil zu begleiten. Vor zehn Jahren fei- sche Großonkel, den ich niemals hatte. meinsam mit einem Freund in Vene- erten wir den 60. Geburtstag der leider Ich lernte von ihm, wie man eine gute dig in einem Restaurant am Lido fei- viel zu früh verstorbenen Gerda Neu- Biografie schreibt („suche eine Hand- ern, ein Boot sollte uns hinbringen. Es deck im Palais Schwarzenberg. Mein voll Schlüsselereignisse im Leben schaukelte. Der Steg war schmal, die Lebensgefährte war an diesem Abend einer Persönlichkeit und baue die Ka- Dunkelheit des Oktoberabends schon verhindert, Fred begleitete mich an sei- pitel rund um diese“) und was es heißt, da. Meine Hand lehnte er ab, den Arm ner Stelle liebenswürdigerweise. Neu- alt zu werden und gleichzeitig jung zu des Matrosen auch. Er rutschte nur ein deck war die rechte Hand Karl Schwar- bleiben. Fred war immer aufmerksam, wenig aus, aber die altersdünne Haut zenbergs gewesen, mit dem Fred neugierig, informiert. Ganz und gar war am Schienbein doch so stark auf- ebenfalls sehr gut befreundet gewesen nicht verknöchert, weder im Kopf noch geschürft, dass wir mit ihm lieber ins war. Fred schien in Österreich alle im Körper. Krankenhaus fuhren. „Warum hast Menschen mit Charakter und Ideen Sich an ihn zu erinnern, heißt, die du dir nicht helfen lassen?“, fragte ich zu kennen, die es wert waren, gekannt liebgewonnenen Rituale seines Alltags ihn danach mit Nachdruck. „Altern zu werden. Wir beide gaben sicher- noch einmal im Kopf durchzuspielen. ist nicht einfach. Man will möglichst lich das ungewöhnlichste Gästepaar Sein Treppensteigen etwa. Bis kurz lange möglichst viel alleine machen, des Abends ab. Nach dem Festessen vor seinem 90. Geburtstag fuhr Fred das hilft“, erklärte er mir fast entschul- spielte eine Jazz-Band, wir swingten jeden Wochentag am späteren Vormit- digend. unter der Hauptkuppel des Palais und tag mit dem Lift vom 14. Stock seines Wenige Tage vor seinem Tod hielt ich fühlte mich, nicht das erste Mal im Apartmenthauses auf der Upper West Fred zum 140. Jubiläum des Hauses Leben, auf einmal alt neben ihm. Dafür Side in Manhattan ins Erdgeschoß, um der Barmherzigkeit in Wien eine Rede. und für vieles andere auch bin ich Fred dann durch das hintere, schmale Stie- Sie war der Anlass für seine letzte für immer dankbar. nu genhaus wieder hochzulaufen. Ein-, Wien-Reise. Welch ein schöner Zu- zwei-, dreimal. fall, ließ sie ihn doch in seiner ersten

Ich lernte von ihm, wie man eine gute Biografie schreibt („suche eine Handvoll Schlüsselereignisse im Leben einer Persönlichkeit und baue die Kapitel rund um diese“), und was es heißt, alt zu werden und gleich- zeitig jung zu bleiben.

2 | 2015 41 Kultur Die Schriftsetzerin des kollektiven Gedächtnisses

Die Schriftstellerin Esther Sie kandidierte während ihres Päd- Wien. Sie erhielt 2009 den Erich-Fried- agogik-Studiums bei den Wahlen zum Preis und ist seit 2012 Professorin für Dischereit im Porträt. Studentenparlament in Frankfurt für Sprachkunst an der Universität für an- die Roten Zellen. Das war Grund genug, gewandte Kunst in Wien. Bevor sie li- ihre Verfassungstreue anzuzweifeln terarisch hervortrat, war sie wegen des VON HERBERT VOGLMAYR (TEXT) UND und bedeutete für die angehende Leh- Berufsverbots zehn Jahre lang Fabrik- MILAGROS MARTÍNEZ-FLENER (FOTOS) rerin Berufsverbot. Heute lebt Esther arbeiterin, zuerst in der Metallindustrie, Dischereit, erfolgreiche Autorin zahl- dann als Schriftsetzerin in der Druck- reicher und zum Teil preisgekrönter industrie, und sie war Referentin im Bücher und Hörspiele, in Berlin und Deutschen Gewerkschaftsbund, unter anderem zuständig für Rassismusfra- Geschichte vorlegte, hatte das Thema in den 1950er Jahren, beobachtet durch gen. keine besondere Chance. Dann kamen die Augen eines kleinen Mädchens. Es Bekannt wurde sie mit Joëmis Tisch andere Autoren mit ähnlichen Themen sind kindlich-naive Wahrnehmungen – Eine jüdische Geschichte (1988), es heraus, und man schuf die Kategorie kleiner Szenen, denen eine Menge an folgten der Roman Merryn (1992), der ‚deutsch-jüdisch‘, um das überhaupt Informationen und Indizien einge- Essayband Übungen jüdisch zu sein aus der Marginalisierung etwas heraus- schrieben sind, etwa die alles Leben- (1998), die Satire Mit Eichmann an der zuholen. Inzwischen ist es aber ein Mo- dige verschluckende Architektur, in der Börse (2001) und die Erzählungen Der ment der Ausgrenzung aus dem Kanon sich versteinerte institutionelle Gewalt Morgen an dem der Zeitungsträger deutschsprachiger Gegenwartslitera- ausdrückt („In den Fluren roch es nach (2007), weiters die Gedichtbände Als tur. Das hat auch mit der fortgesetzten Desinfektionsmitteln. Nachts schrien mir mein Golem öffnete (1996), Rauh- Fokussierung dieser Themen auf ritu- die Kranken hinter ihren Gittern. In die- reifiger Mund oder andere Nachrichten elle Gedenktage zu tun und dass sie sen Mauern hinterließ das großgesich- (2001), Im Toaster steckt eine Scheibe eben nicht integraler Bestandteil der tige Kind keine Spur. Diese Mauern ver- Brot (2007) sowie mehr als ein Dutzend Gegenwartsliteratur sind.“ schluckten das Kind.“), oder der knappe Hörspiele. In den 1990er Jahren grün- Dischereit sieht sich keineswegs Hinweis auf „langgediente Ärzte“, der dete sie gemeinsam mit Ray Kaczynski als „jüdische Auftragsschreiberin“, viel auf die nur ungenügend geahndeten und anderen das Label „WordMusic“. eher ist es politische Verantwortung, „Euthanasie“-Verbrechen zielt. Dische- Mit der Klanginstallation am Eichen- die sie antreibt. Die Frage nach jüdi- reit dazu: „Mit diesen Mauern ist auch grün-Platz in Dülmen (NRW) schuf sie scher Identität in Deutschland ist für ein Zustand der Bundesrepublik dieser 2008 ein akustisches Denkmal im öf- sie auch und vor allem die Frage nach Jahre beschrieben. Es war ja so, dass fentlichen Raum zur Würdigung der einem politischen Zustand. Wenn über die nationalsozialistischen Täter über- vertriebenen jüdischen BewohnerIn- sie gesagt wird, sie sei „in jeder Hinsicht wiegend wieder zurückkamen in den nen der Stadt, als Buch und CD erschie- widerspenstig zu lesen“, dann hat das öffentlichen Dienst, in gewisser Weise nen unter dem Titel Vor den Hohen nicht nur mit ihrer Sprache, sondern auch den Wiederaufbau mitgestalte- Feiertagen gab es ein Flüstern und Ra- auch mit ihrer Themenwahl zu tun. Mit ten und als Bedrohung fortwirkten, das scheln im Haus, im Internet zu finden ihren unkonventionellen und oft rät- war eine unglaublich große Belastung unter www.eichengruen-platz.de. selhaften Texten stößt sie das Erinnern für die Überlebenden. Einerseits war es an, hält all jenen, die sich der Reflexion ein anderer Staat, eine Republik, aber Wichtigste deutsch- verweigern, den Spiegel vor, zeigt oft die Akteure waren zum Teil dieselben jüdische Autorin nur kurze Ausschnitte aus dem Leben wie vorher, sozusagen das Personal Hätte es mit der Veröffentlichung von Personen, meist Frauen, und lässt dieser Anstalt. Ich weiß es persönlich des ersten Buches nicht geklappt, sagt den Leser dann ohne Erklärung, ohne von meiner Mutter, die im Rahmen Dischereit, dann hätte sie das Schrei- Auflösung. „Ich habe keine Antwor- der Wiedergutmachung eine Entschä- ben gleich wieder bleiben lassen. Doch ten, schlage nichts vor, beobachte nur digung erhalten sollte und für die An- der Suhrkamp-Verlag zeigte Interesse mit der Lupe in der Hand und lasse tragstellung zu einem Arzt gehen mus- und bezeichnete sie später als „die die Verhältnisse für sich sprechen.“ ste, der vorher für die Rassenhygiene wichtigste deutsch-jüdische Autorin Oft braucht sie nur wenige Worte, um begutachtet hat. Und die Zustände in der Nach-Schoa-Generation“. So rich- auf brüchige Identitäten hinzuweisen, diesen Anstalten, die sind noch sehr tig Mut gab ihr aber erst die Resonanz, etwa mit dem Satz „Nach 20 Jahren lange – bis Ende 70, würde ich sagen – die dann aus dem angloamerikani- Unjude will ich wieder Jude werden“ in so geblieben. Das waren autarke Inseln, schen Sprachraum kam. „Ohne diese ihrem Erstlingsroman, oder wenn eine da hat sich gar nichts geändert, wie Unterstützung wäre ich verzweifelt, ihrer Hauptfiguren eine „Wiedergut- man da herrschen und mit Insassen das war sehr viel wert und hatte nicht gemachte“ ist, oder wenn sie die vor- umgehen durfte. Die Psychopharmaka annähernd eine solche Entsprechung urteilsbeladene Beziehung zwischen hielten zwar massiv Einzug, aber dabei im deutschen Raum.“ Sie ist immer Juden und Deutschen in einem Zwei- handelte es sich um eine andere Form wieder in den USA für Lesungen und zeiler skizziert: „Ich heiße Samuel./Pro- von Körperverletzung.“ Seminare, ihre Arbeit gilt in der briti- vozieren Sie immer?“ schen und amerikanischen Rezeption Rassismus als Mordmotiv als Teil der deutschsprachigen Gegen- Psychiatrie als totale Institution Während Großgesichtiges Kind den wartsliteratur, während sie in Deutsch- Zuletzt erschienen von ihr Blumen Fortbestand der totalitären Ideologie land zur marginalisierten deutsch- für Otello (2014) und Großgesichti- der Nazi-Jahre in der totalen Institu- jüdischen Literatur gezählt wird. „Als ges Kind (2015). Letzteres erzählt vom tion einer Irrenanstalt in der jungen Re- ich 1988 Joëmis Tisch – Eine jüdische Leben in einer psychiatrischen Anstalt publik zum Thema hat, handelt Blumen Sie kandidierte während ihres Pädagogik-Studiums bei den Wahlen zum Studentenparlament in Frankfurt für die Roten Zellen. Das war Grund genug, ihre Verfassungstreue anzuzweifeln und bedeutete für die angehende Lehrerin Berufsverbot.

2 | 2015 43 „Die Tonalität des Geschriebenen ist für mich immer schon Musik, besonders wenn es sich um lyrische Texte handelt.“ für Otello vom „heutigen“ Rassismus als keine konstante Beobachterin der Deutschen Hörspielpreis der ARD 2014). Motiv für die Verbrechen des National- rechtsradikalen Szene, besuchte aber Damit hebt sie die Trauer um die Opfer sozialistischen Untergrunds, die soge- dann regelmäßig den NSU-Untersu- sowie die Solidarität mit den Angehö- nannten NSU-Morde, denen zwischen chungsausschuss im Deutschen Bun- rigen ins Licht der Öffentlichkeit und 1998 und 2007 zehn Menschen vorwie- destag, weil sie darüber schreiben und formuliert Kritik an einer Gesellschaft, gend türkischer Herkunft zum Opfer sich deshalb kundig machen wollte, die es nicht fertigbringt, traurig über fielen. Dischereit zeigt darin, wie die aus welchen Milieus die Täter stam- türkische Mordopfer in der Nachbar- Vorurteile deutscher Behörden gegen men, ob Vertreter der Staatsmacht pas- schaft zu sein. Trauer über einen Ver- (türkische) Migranten im Versagen bei siv oder sogar aktiv in die Taten ver- lust gehöre ins Herz der Zivilisation, der Verbrechensaufklärung offensicht- wickelt waren. „Das war ja ein ungeheu- sagt Dischereit. „Mich beschäftigte die lich wurden, wie Rassismus und sozi- rer Verdacht, der da im Raum stand. Ich Frage, dass die Opfer nicht privat ge- ale Voreingenommenheit den Apparat wollte als Bürgerin verstehen, warum storben waren, sondern deshalb, weil blind und selbst zum Täter machten der Verfassungsschutz rechtsterrori- deutsche Behörden sie nicht geschützt und was sie bei den Hinterbliebenen stische Zellen begünstigte, sie straflos hatten, weil einer rechtsterroristischen anrichteten. Während auf der einen davonkommen ließ, mit viel Geld ver- Killergruppe nicht das Handwerk ge- Seite Hinweise auf Verbrechen aus sorgte usw. Außerdem war es für mich legt wurde, von deren Mordabsichten dem rechtsradikalen Milieu ignoriert ein demonstrativer Akt der Solidarität Behörden wussten. Daher hielt ich es und Akten zu diesen Verbrechen ver- mit den Opfern, neben Vertretern der für wichtig, die Opfer sozusagen in ein nichtet wurden, hat man den Familien türkischen Community auf der Empore kollektives Gedächtnis, eine kollek- der Opfer vieles zugemutet: Es wurden zu sitzen.“ tive Trauer aufzunehmen. Es war mir ihnen angebliche blonde Geliebte der ja schon im Zusammenhang mit den Ermordeten vorgelogen, sie wurden Klagelieder für ermordete Ermordeten der Schoa klar geworden, der Blutrache und des Drogenhandels Migranten wie schmerzhaft es für Überlebende verdächtigt, Hunde ließ man vergeb- Sie machte dann aber daraus keine ist, dass dieses neue Wir sie nach wie lich nach Spuren suchen, das Schlag- dokumentarische Arbeit, wie es andere vor ausgrenzt und nicht empathisch wort von den „Döner-Morden“ sollte die Publikationen taten, stellte auch nicht begleitet. Die mediale Berichterstat- Opfer kriminalisieren, und die Familien die Täter in den Mittelpunkt, die in der tung förderte einen Skandal nach dem mussten dreizehn Jahre lang in Unge- medialen Berichterstattung dominier- anderen zutage, und ich konnte nicht wissheit darüber leben, warum ihre An- ten, sie verfasste vielmehr poetische begreifen, warum es keinen Aufschrei gehörigen getötet worden waren. Klagelieder, die auch als Hörspiel pro- gab, warum das die Menschen emo- Dischereit war zur Zeit der Morde duziert wurden (nominiert für den tional nicht erreichte. Und ich wollte Dischereit sieht sich keineswegs als „jüdische Auftragsschreiberin“, viel eher ist es politische Verantwortung, die sie antreibt.

44 2 | 2015 Die Frage nach jüdischer Identität in Deutschland ist für Dischereit auch und vor allem die Frage nach einem politischen Zustand. der Präsenz, die die Täter bekommen deutlich, dass ohne deren Recherchen Diese Erfahrung des krank machenden, hatten, etwas entgegensetzen. Mich die Ermittlungen überhaupt nicht so tödlichen Rassismus ist es, die Othello hat dabei sehr beschäftigt, dass zum weit hätten kommen können, wie sie und die Mordopfer des NSU gemeinsam Zusammenleben eben auch öffentliche jetzt sind. Es wurde ,nsu-watch‘ einge- haben. In meinem Buch treffen sich Trauer und Anteilnahme an einer Tra- richtet (www.nsu-watch.info), ein Blog Otello und der Blumenhändler Enver, gödie gehören, und ich wollte das auch zur unabhängigen Beobachtung und der stellvertretend für die Opfer der in symbolischer Form zum Ausdruck Dokumentation des Untersuchungs- NSU-Morde steht und bei dem Otello bringen, daher habe ich mich sehr für ausschusses, der jetzt mit Preisen aus- immer Blumen kauft, in der Unterwelt eine deutsch-türkische Ausgabe des gezeichnet wird.“ und unterhalten sich darüber, wie sie Buches eingesetzt. Diese Leute leben ja in diese Misere geraten sind. Und in schon in der zweiten, dritten Genera- Shakespeares Othello dieser respektvollen Begegnung, bei tion in Deutschland, und diese Haltung und Rassismus der die sozialen Unterschiede aufge- des beständigen Fremdmachens bildet Der Titel des Buches (Blumen für hoben sind, machen sie sich klar, dass einen Ansatzpunkt für den Rechtster- Otello) weckt unweigerlich die Asso- sie beide an dem gleichen Leiden zu- rorismus, mit dem wir es hier zu tun ziation mit Shakespeares Othello. Auf grunde gegangen sind, nämlich an der haben, diese Haltung hat meines Er- die Frage, was die beiden Geschichten schwarzen Haut bzw. an ähnlichen achtens auch dazu geführt, dass die Be- miteinander zu tun haben – der Mohr Fremdheitszuweisungen, die ihnen hörden bei den Ermittlungen die Mög- Othello, ein kriegerischer Feldherr, der minderwertiges oder unwertes Leben lichkeit, dass es sich um rassistisch seine Frau Desdemona aus Eifersucht attestieren.“ motivierte Verbrechen handeln könnte, tötet, und eine rassistisch motivierte ausgeschlossen haben.“ Mordserie, deren Opfer von staatlichen Sprache ist Musik Das Buch enthält neben den Klage- Behörden nicht geschützt, sondern sel- Dischereit verbindet ihre literari- liedern noch ein Opernlibretto und eine ber des Mordes verdächtigt werden – sche Arbeit oft mit Musik, arbeitet ihre Porträtserie über die Leute, die Aufklä- antwortet Dischereit: „Otello ohne h ist Texte zu Klanginstallationen aus, so rung wollten und dafür auch Nachteile ein Hinweis darauf, dass es nicht nur auch bei Großgesichtiges Kind, zu dem in Kauf nahmen. Da sich darunter auch den einen Shakespeare-Othello gibt. Es sie eine Tonspur im Wiener Museums- Whistleblower befanden, die sehr ge- ist doch interessant, warum ein Stoff quartier gestaltet hat, und bei Blumen fährdet waren, musste vieles an diesen wie dieser über die Jahrhunderte Be- für Otello, das auch ein Opernlibretto Porträts indirekt formuliert werden. stand hat. Tatsächlich ist das Schicksal enthält. Letzteres ist übrigens verbun- „Die Whistleblower waren der Anlass Othellos ein universales, wenn man die den mit der Absicht von Verlag und für diese Serie, ohne sie kann man in Tötung der Desdemona nicht als Eifer- Autorin, dieses Stück an einem Opern- diese Milieus gar nicht eindringen. Sie suchtsdrama sieht, sondern als eine haus aufzuführen, wobei breite Koope- haben den Korpsgeist aufgekündigt, Tat, die ein durch Rassismus zutiefst rationen angestrebt werden, die eine haben sich exponiert, haben ohne Ab- verwundeter schwarzer Mann an sei- Aufführung an mehreren Orten ermög- sprache mit ihren vorgesetzten Behör- ner weißen Frau verübt, die er über alles lichen. Diese Suche nach der Verbin- den Aussagen gemacht, einer hat sich liebt. Obwohl der ehemalige Sklave sich dung ihrer Texte mit Musik hat Ende eine Woche lang in ein Kloster zurück- eine hohe gesellschaftliche Stellung der 80er Jahre begonnen und zur Grün- gezogen, um die Kraft zu finden, seine erarbeitet hat, kommt er wegen die- dung des Labels „WordMusic“ geführt. Aussage aufzuschreiben. Unter großen ser Frau beinahe vor den Richter, weil „Die Tonalität des Geschriebenen ist Mühen machten sie sich ihre eigenen sein Schwiegervater ihn der Verfüh- für mich immer schon Musik, beson- Akten wieder zugänglich, die man rung anklagt. Und warum? Weil er ein ders wenn es sich um lyrische Texte ihnen entzogen hatte. Man hat auch Schwarzer ist. Es ist jedoch nicht op- handelt. Ein wichtiger Ansatzpunkt versucht, einige von ihnen zu demon- portun, dies weiter zu verfolgen, weil er des Schreibens ist es, die Stimmen der tieren, sie seien charakterlich nicht als Kriegsherr gebraucht wird. Aber das Figuren zu hören. Ich hatte jedoch das gefestigt etc. Interessant ist auch, dass infame Hetzen gegen ihn – personifi- Gefühl, dass die Sprache zu eng ist, sich viele Frauen bei der Aufdeckung ziert im intriganten Jago – geht unge- dass sie erweitert werden müsse und dieser Taten engagierten und in diesen brochen weiter, bis Othello nicht mehr dass durch das Hinzutreten von Musik antifaschistischen Zentren, zum Teil glauben kann, dass eine schöne Weiße Dimensionen geschaffen werden, die undercover, mitarbeiteten. Diese Leute ihm, der ja doch nur der Mohr ist, treu ich durch Schreiben alleine nicht her- wurden kaum beachtet und kamen sein sollte. Er wird heimgesucht von stelle. Ich suche diese Verbindung, höre in den öffentlich-rechtlichen Medien einer andauernden gesellschaftlichen aber keineswegs besonders viel Musik, nicht vor, wurden schon fast dem links- Diskriminierung und rassistischen da ich eher eine Scheu davor habe, dass terroristischen Milieu zugerechnet und Zurückweisung, die er nicht wahrha- mir visuelle und lautliche Eindrücke zu mit spitzen Fingern angefasst. Im Un- ben will, die aber langsam seine Seele viel werden und mich davon abhalten, tersuchungsausschuss wurde dann vergiftet und ihn seiner Sinne beraubt. einer eigenen Musik zu folgen.“ nu

2 | 2015 45 Kultur

Sophiemania!

Geboren als Sonia Kalisch Sommer 1945. Als die ersten amerika- mernrevue mit umwerfenden Streets- in der Ukraine, wurde So- nischen Soldaten nach Hause kamen, wing-Einlagen und einigen der besten gingen sie zunächst einmal auf einen Jazzmusiker, Sänger, Comedians und phie Tucker ein Superstar Drink und dann ins nächste Kino. Die Tanzperformer dieser Jahre: Cab Cal- in Amerika. Sie eroberte Filmindustrie lief seit einem Jahr, als loway, Dorothy Donegan, W.C. Fields, den Broadway und Hol- sich das Kriegsende abzeichnete, auf Gene Rodgers, Woody Herman. Und Hochtouren: Krimis. Western. Aben- Sophie Tucker. lywood und ging als „Red teuer. Melodramen. Und vor allem: Sophie Tucker war soeben sech- Hot Mama“ in die Musik- Show. Kein amerikanischer Unter- zig Jahre alt geworden und seit Jahr- geschichte ein . haltungsfilm, in dem nicht ekstatisch zehnten ein Superstar. Sie trat auf Jitterbug und Boogie getanzt wurde. wie immer, hochelegant, rund und Einer der erfolgreichsten Filme der rosig (das sieht man, obwohl der Film VON HELENE MAIMANN Saison hieß Sensations, eine Num- in Schwarzweiß gedreht wurde) und wandte sich ironisch lächelnd an die vielen jungen Frauen, die da im Publi- kum saßen und mit ihren Verehrern Händchen hielten. In ihrem typischen Sprechgesang gab sie ihnen gute Rat- schläge, denn nach drei Ehen, alle Rohrkrepierer, könne sie wohl einiges von ihren Erfahrungen abgeben. Wenn Sie vorhaben, zu heiraten, warnte sie mit erhobenem Zeigefinger, dann seien Sie smart und werden ja kein braves Hausmütterchen. Ziehen Sie sich nicht mit Schürze und Kochlöffel in die Küche zurück. Denn ich, Sophie, sage Ihnen: Besser in einem schicken Outfit hereinrauschen und küssen wie Hedy Lamarr als ihm ein tadelloses Roastbeef servieren. Keine Kuh hat je aus einem Mann ein „Wow!“ hervorge- lockt. Weder kann man Küsse aufwär- men noch Knöpfe an Herzen annähen.

Feministischer Stern am amerika- nischen Musikhimmel Das war Sophies Lebensthema. Sie wusste, wovon sie sprach. Geboren als Sonia Kalisch zwischen 1884 und 1886 – die Angaben variieren, also sagen wir: 1885, vor nun hundertdreißig Jah- ren – während der Flucht ihrer Mutter aus der Ukraine nach Amerika, wuchs il ms sie in Connecticut auf, zwischen Ber- msh a F gen von schmutzigem Geschirr und Me n e

© Gemüse. Das Einwandererleben in

46 2 | 2015 Amerika war hart, die Eltern betrieben sie, auch als sie längst ein großer Star Locken, auf die sie sehr stolz war. Das ein koscheres Restaurant, und Sophie geworden war. „Man kann nicht im Erbe ihrer Vorfahren von der Krim! Sie sah auf sich ein Leben zukommen, das Vaudeville groß werden“, schrieb sie musste es schaffen. sie später in My Yiddishe Momme be- in ihren Erinnerungen, „ohne zu rea- Dann fehlte eines Abends in Bo- sungen hat: „Gearbeit bei Tag, gearbeit lisieren, dass jeder Varietékünstler ston ihr Theaterkoffer. Er war auf dem bei Nacht, und immer a Kind gewi- einer Gewerkschaft angehören sollte.“ Bahnhof hängengeblieben, und sie ckelt...“ Sie aber wollte auf den Broad- Lange Reisen, um Einwochen-Ver- musste ohne Make-up und Kostüm way, „no class“, wie sie singt, „but with a träge zu bekommen. Eine Gage, die auf die Bühne, im Straßenkleid. Wie yiddishe hunch“, mit einem jüdischen gerade ausreichte, um in einer billi- immer war sie als Blackface angekün- Gespür. Mit zwanzig ging sie nach gen Pension zu übernachten. Häufig digt. Das Publikum raschelte erstaunt New York und wurde wenige Jahre setzte der Boss den Auftritt nach der mit dem Programm. Sophie entschloss später zum feministischen Stern am ersten Show ab, was für den Rest der sich zu einer Erklärung: „Wie Sie alle amerikanischen Musikhimmel. Woche hieß, in der Luft zu hängen. Die sehen, bin ich weiß. Und dann sage Ihr Selbstwertgefühl war ebenso Theatermanager waren hartgesottene ich Ihnen noch etwas: Ich komme überwältigend wie ihre Selbstironie. Unternehmer, die jeden Cent aus den nicht aus dem Süden. Ich bin hier auf- Sophie machte sich zum Subjekt ihrer Künstlern herausquetschten. Die hy- gewachsen. Ich bin ein jüdisches Mäd- Songs. Sie sang über ihre Amouren gienischen Zustände backstage waren chen. Und diesen Südstaatenakzent und sonstigen Katastrophen und den katastrophal. Kein fließendes Wasser. habe ich nur für Blackface gelernt, harten Weg nach oben als dickes, ko- Kakerlaken überall. Drangvolle Enge zwei Jahre lang! Und nun“, wandte sie misches, widerspenstiges Mädchen in den Garderoben. Vaudeville hieß sich an den Pianisten, „spielen Sie bitte mit großer Klappe und unverhohle- für Frauen, am untersten Rand des mein Lied.“ Die Leute jubelten. Das war nem Interesse an Männern, die sie Showbusiness auf die große Chance zu der Durchbruch! Die Ziegfeld Follies, liebte, ohne sich ihnen auszuliefern. warten, immer einen Schritt vom Rot- berühmt für ihre erotischen Shows, die Den hübschen Mr. Tuck, einen Nichts- lichtmilieu entfernt mit männlichen den New Yorkern das Gefühl gaben, im nutz, den sie geheiratet hatte, um aus Zudringlichkeiten rechnen zu müssen, sündhaften Paris zu sein, engagierten der Restaurantküche ihrer Eltern her- immer knapp vor dem finanziellen Ab- sie auf der Stelle. auszukommen, hatte sie umgehend sturz. Der Rest ist Legende. Sophie Tucker verlassen, behielt aber seinen Namen, stürmte die Theater und später den als Sophie Tucker, „denn Tuck hörte „Spielen Sie bitte mein Lied“ Film. Sie etablierte einen unverwech- sich nicht gut an für eine Sängerin“. Auch Sophie lebte von der Hand selbaren Stil, eine Mischung aus Jazz, Eine alleinstehende Frau ohne in den Mund. Aber sie hatte eine ei- Blues und Stand-up Comedy mit ihrer Beschützer, die selbst ihren Koffer serne Konstitution und starke Ner- kräftigen, rauchigen Stimme, ihrem schleppte und ihre Mieten, Kleider ven. Sie konnte keine Note lesen, das Selbstbewusstsein, ihrer Komik, ihren und Bahnkarten selbst bezahlte, war konnte sie nie, aber ihr Gehör und ihr Witzen über Sex und eheliche Treue, eine absolute Ausnahme. Sophie mus- Gedächtnis waren fabelhaft – kein ihren „hot songs“, die alle damaligen ste als „Blackface“ auftreten, als Kari- Problem, über Nacht neue Lieder und Tabus übersprangen, ihrem herausfor- katur einer schwarzen Sängerin aus Texte zu lernen. Sie klapperte uner- dernden Lachen, ihren pompösen Auf- dem Süden, damals ein sehr beliebtes müdlich die New Yorker Tin Pan Alley tritten mit Federschmuck im Haar und Genre im Unterhaltungsgeschäft: Mit ab, das Zentrum der Bühnenagentu- allem Drum und Dran. Ein Jahr nach schwarzer Paste im Gesicht, schwar- ren in der 28. Straße zwischen dem ihrer Blackface-Zeit nahm die Edison zer Perücke aus Pferdehaar, schwar- Broadway und der Fifth Avenue. So National Phonograph Company zehn zen Baumwollhandschuhen und genannt, weil hier ununterbrochen Songs mit ihr auf. Sie drehen sich alle schwarzem Abendkleid, weil sie, wie das blecherne Klimpern der Probekla- um gehörnte Ehemänner und sexuell die Theateragenten fanden, zu groß, viere aus den Fenstern quoll. Sie wollte gefräßige Frauen. In My Husband’s in zu fett und zu hässlich war, um anders ein großer Broadwaystar werden und the City erzählt Tucker unumwunden auf die Bühne gelassen zu werden. war fest entschlossen, sich weder von von den Sommerfreuden einer Dame, Jahrelang tourte sie die Ostküste hin- einem überbeschäftigten Agenten deren Gatte im Stadtgeschäft schwitzt. auf und hinunter und sang ihre Lieder noch von einem attraktiven Schwe- In der Ragtime-Nummer That Lovin’ zwischen Burleskenummern, Akroba- renöter abhalten zu lassen. Zwar war Soul Kiss feuert sie ihren Lover beim ten, Hypnotiseuren, Clowns und atem- sie keine Beauty mit Ephebenfigur und Küssen an, wobei klar ist, welche beraubend schönen, langbeinigen schmachtendem Blick. Aber sie hatte Küsse gemeint sind: „Sip the honey di- Tanzgirls. eine milchweiße Haut und das Haupt vine/For a long time/One, two, three/ Dieses Leben aus dem Koffer prägte einer Löwin, voll prachtvoller blonder Now, longer/Four, five and six/Still Sophie sang über ihre Amouren und sonstigen Katastrophen und den harten Weg nach oben als dickes, komisches, widerspenstiges Mädchen mit großer Klappe und unverhohlenem Interesse an Männern, die sie liebte, ohne sich ihnen auszuliefern.

2 | 2015 47 longer, honey/Seven, eight, nine/Oh, oh, babe...“

Auf dem Cobenzl 1911 kam auch erstmals ihr Song Some of These Days heraus, eine sou- veräne Abrechnung mit jenen Kerlen, die gewissenlos über das Herz einer Frau trampeln. Ein Mix aus Zorn und Zärtlichkeit, die Proklamation einer Frau, die sich klar darüber ist, dass sie keinem Mann je erlauben wird, in ihrem Herz und ihrem Leben das Ruder zu übernehmen. Zwanzig Jahre später war sie auf dem Höhepunkt D eMar s ic o Co llecti on/D ick Wo rld -T elegra m& Su n New Y o rk ihrer Karriere und versprühte wunder- bare Lebensweisheiten: „Wozu seuf- zen, warum weinen, wenn er mit dir Schluss macht? Hilf ihm seine Koffer packen, weine ihm nicht nach und renn ihm nicht nach. Geh aus und

suche dir einen anderen! Denn wenn Con gre ss. o f W iki m edia /L ibrar y © Küsse den Mann, den du liebst, nicht Sophie Tucker im Jahr 1952 halten können, dann werden ihn Trä- nen auch nicht zurückbringen.“ Gol- dene Worte. derart ergebenes Publikum, und als sie Kollegen ihrer Generation – Irving Ber- Für mich ist sie nach wie vor pures einige Abende später auf dem Cobenzl lin, George Gershwin, Eddie Cantor, Al Empowerment. Ich habe Sophie Tu- dinierte, wurde sie um ihren berühmte- Jolson, Fanny Brice, Benny Goodman, cker im Ohr, seit ich ein Kind war. sten Song gebeten. „Dort im Mondlicht Artie Shaw, Irving Aaronson – hatten Wir hatten noch Schellacks von ihr auf der Terrasse über Wien Some of Amerika in ein liberaleres Land mit daheim und eine 45er, mit einer im- These Days zu singen, zur Musik einer einer gemeinsamen kulturellen Iden- posanten Blondine auf dem Cover, Fe- Zigeunerkapelle, ist die romantischste tität verwandelt. Sophie Tucker war dern im Haarturm, Pelz und Schmuck. Erfahrung meines Lebens im Show die radikalste unter ihnen. Ihre Perfor- Im Radio spielten sie Lale Andersen, Business“, erinnert sie sich, dankbar mance entwickelte sich zu einer kom- aber daheim schwang Sophie Tucker dafür, „dass mir erlaubt war, etwas plexen Kritik der Standards von Gen- ihr Zepter mit dem Swing der zwanzi- von dem Geschmack Wiens zu kosten, der, Klassen, Moral, Humor, Sexualität ger und dreißiger Jahre , mit The Man bevor sein Geist unter den Nazistiefeln und ethnischer Segregation. I Love, Aren’t Women Wonderful und zerstampft wurde.“ Wenige Jahre spä- Sie war ein Popstar der ersten Red Hot Mama. ter wurden Tuckers Platten aus den Stunde. Sie hat viele große Frauen In den Siebzigern fand ich ihre Wiener Plattengeschäften geholt und des Showbiz beeinflusst, von Mae Erinnerungen in einem Londoner zerschlagen, ihr Verkauf verboten. West über Judy Garland, Bette Mid- Antiquariat. Darin schildert sie ihre ler und Barbra Streisand bis zu Lady Europatournee von 1932. Sophie war Ein Popstar der ersten Stunde Gaga. Keine andere hat so viele Spitz- bereits ein internationaler Star, als Sie hat ihre Jüdischkeit nie verbor- namen eingesammelt wie sie: The sie in einem Plattengeschäft in Wien gen, aber sie sah weit über die Grenzen Empress of Songs, Our Lady Nicotine, erkannt und bestürmt wurde, My Yid- ihrer Herkunft hinaus. Sie unterstützte The Grizzly Bear Girl, The Queen of dishe Momme zu singen. „In weniger die Prostituierten, die ihr in den An- Jazzaration, King Size Lollobrigida als fünf Minuten war das Geschäft fangsjahren begegnet waren, die Negro und natürlich Red Hot Mama. Als sie voll und die Straße draußen schwarz Actors Guild, die Catholic Actors Guild, 1966 starb, kamen Tausende zu ihrem von Menschen“, erzählt sie. „Polizi- Jugendzentren, Hilfsfonds. Sie wurde Begräbnis auf den jüdischen Friedhof sten schoben sich mit Ellbogeneinsatz Präsidentin der American Federation in Wethersfield, Connecticut, und die durch die Menge, um herauszufinden, of Actors, einer Gewerkschaft, die sich Gewerkschaft der Hearse Drivers, der was los war.“ Sie sang also, nie zuvor um die umherziehenden Varietékünst- Fahrer von Leichenwagen, unterbrach und danach, schreibt sie, hatte sie ein ler kümmerte. Vieler der jüdischen ihr zu Ehren einen Streik. nu

Keine andere hat so viele Spitznamen eingesammelt wie sie: The Empress of Songs, Our Lady Nicotine, The Grizzly Bear Girl, The Queen of Jazzaration, King Size Lollobrigida und natürlich Red Hot Mama.

48 2 | 2015 Kultur

Wie jüdisch war der Hagenbund?

Bettina Ehrlich-Bauer, Der Hagenbund, benannt nach dem Bekanntlich verfügte Josef Bürckel Josef Floch, Fritz Schwarz- Besitzer des Wirtshauses, in dem man bereits am 18. März 1938 die Einstellung Waldegg: drei der etwa sich ursprünglich traf, bestand (als der Tätigkeit sämtlicher österreichischer Verein) seit 1900, wurde anfangs zeit- Vereine bis zur Volksabstimmung am fünfzehn jüdischen Mit- weise von Bürgermeister Karl Lueger 10. April 1938, so auch des Hagenbund- glieder des Hagenbundes, unterstützt und zeigte bis 1918 mitunter es. Im September 1939 erfolgte seine die in der Zeit von 1933 bis durchaus monarchistische Tendenzen, Löschung, das Vereinsvermögen wurde erwies sich aber in der sogenannten der „Gemeinschaft bildender Künstler“ 1938 gemeinsam mit rund Zwischenkriegszeit als besonders libe- übertragen, an der sich alle bisherigen 45 anderen durchgehend rale und fortschrittliche Künstlerverei- Mitglieder des Hagenbundes beteiligen dieser Künstlervereinigung nigung mit internationalen Verbindun- konnten, sofern sie „Arier“ und in die gen. Schon während des austrofaschi- „Reichskammer der bildenden Künste“ angehörten. Drei Mitglieder stischen Regimes hieß es, Kunst solle aufgenommen worden waren. mit unterschiedlicher so- „volkstümlich“ und „bodenständig“ sein, Die meisten jüdischen Mitglieder zialer Herkunft und unter- sie müsse – laut Richard Schmitz (Wie- des Hagenbundes wurden zwischen ner Bürgermeister von 1934 bis 1938) 1890 und 1900 geboren, gehörten dem- schiedlichem Schicksal. – „aus ihrer erzwungenen Volksfremd- nach – wie viele andere jüdische Intel- heit wieder ins unmittelbare Leben lektuelle auch – noch dem sogenann- VON PETER WEINBERGER zurückgeführt werden“. Es wurde dem- ten Palatschinquecento Kaiser Franz nach offiziell eine Kunstauffassung Josephs bzw. dem von Carl Schorske vertreten, die jener der deutschen Na- beschriebenen Wiener Fin de Siècle tionalsozialisten entsprach. an, einer Periode, in der sich Wien für kurze Zeit zur absoluten Weltmetropole entwickelte. Ein gesellschaftlicher Auf-

hen Museums Wien

dem Archiv desJüdisc

© Aus

2 | 2015 49 bruch hatte stattgefunden, am ehesten alschule an der Wiener Akademie der nahm er an zahlreichen Ausstellungen mit dem Einsetzen der Renaissance Bildenden Künste. Zu seinen Freunden teil. Seine Porträts, figuralen Komposi- vergleichbar. und Bekannten zählten Erika und Hans tionen und Landschaften zeichnen sich Tietze. Floch, Maler und Lithograph, in späteren Jahren durch eine gewisse Bettina Ehrlich-Bauer war von 1920 bis 1938 Mitglied des Ha- Nähe zu Egon Schiele und Oskar Ko- Bettina Bauer war eine Nichte Adele genbundes. 1925 übersiedelte er nach koschka aus. Bloch-Bauers, nämlich die Tochter von Paris, wo er im Salon d’Automne, im Beim Anschluss Österreichs an Hit- deren Bruder Eugen Bauer. Das Porträt, Salon des Tuileries und in der renom- ler-Deutschland wurde er aus seinem das Max Kurzweil von ihr als jungem mierten Galerie von Berthe Weill, die Atelier vertrieben. Bis zu seiner Depor- Mädchen malte, und das sich heute auch Picasso und Modigliani betreute, tierung lebte und arbeitete Schwarz- im Belvedere befindet, zeugt von den ausstellte. 1941 emigrierte er mit seiner Waldegg im Untergrund, bevor er im Annehmlichkeiten einer Kindheit in Familie über Spanien nach Amerika. August 1942 von der Gestapo aufge- einem äußerst begüterten Elternhaus. Ende 1946 kehrt er zeitweilig nach griffen und kurz danach im Konzen- Geboren 1903, verbrachte sie ihre frü- Paris zurück, wo er sein altes Atelier trationslager Maly Trostinec ermordet hen Jahre wegen ihres schwachen Ge- wieder übernehmen kann. Er reist von wurde. 1968 waren seine Arbeiten in sundheitszustand teilweise in Grado da an immer wieder nach Paris und der Wiener Secession zu sehen. 2009 – ihre Erinnerungen daran widerspie- in andere europäische Städte. Wegen organisierte das Jüdische Museum geln sich in all ihren späteren Arbeiten der medizinischen Behandlung seiner Wien eine Retrospektive seines künst- als Kinderbuchautorin. „Künstlerisch Tochter behält er jedoch den Wohnsitz lerischen Schaffens. vorbelastet“, da schon ihre Mutter eine in den USA und nimmt auch die ame- Schülerin von Kurzweil war, besucht rikanische Staatsbürgerschaft an. 1955 Wie jüdisch war also sie die Wiener Kunstgewerbeschule, kommt er zum ersten Mal nach Wien der Hagenbund? wo sie Georg Ehrlich kennenlernt, den zurück, 1972 veranstaltet die Öster- Zu den jüdischen oder „jüdisch ver- sie 1930 heiratet. reichische Galerie eine Einzelausstel- sippten“ Mitgliedern des Hagenbundes Bereits Anfang der dreißiger Jahre lung seiner Werke. Nach seinem Tod zählten: Bettina Ehrlich-Bauer, Leo De- beschäftigt sie sich mit dem Verfassen (New York, 1977) vermacht seine Witwe litz, Georg Ehrlich, Willy Eisenschitz, und Illustrieren von Kinderbüchern. dieser Galerie eine Anzahl von Gemäl- Josef Floch, Theodor Fried, Tibor Ger- 1938 emigriert sie mit ihrem Mann den als Geschenk. Josef Flochs Bilder gely, Fritz Gross, Felix Albrecht Harta, nach England. Ab 1943 erscheinen sind in zahlreichen Museen vertreten. Josef Heu, Robert Kohl, Franz Lerch, in regelmäßigen Abständen in engli- Er war einer der international erfolg- Anna Lesznai, Alfred Loeb, Jakob Löw, scher Sprache verfasste Kinderbücher, reichsten bildenden Künstler aus Öster- Georg Mayer-Marton, Georg Merkel, die sie zu einer äußerst erfolgreichen reich. Louise Merkel-Romée, Max Oppen- Autorin dieses Genres machen. Noch heimer, Frieda Salvendy, Otto Rudolf in Wien beeindruckt sie auch Arthur Fritz Schwarz-Waldegg Schatz, Lilly Steiner, Fritz Schwarz- Schnitzler („hübsch und sympathisch“, Fritz Schwarz-Waldegg, geboren 1889 Waldegg und Viktor Tischler. Obwohl Tagebucheintragung), mit dessen Sohn in Wien, studierte an der Wiener Akade- sie zwischen 1933 und 1938 „nur“ etwa sie in den zwanziger Jahren befreun- mie der bildenden Künste. Als 24-Jäh- ein Viertel der Mitglieder stellten, war det ist. In England gehört Benjamin riger nahm er 1913 erstmals an einer – international gesehen – ihr Einfluss Britten zu ihren engsten Freunden. Der Kunstausstellung in Wien teil. Es folgte weitaus größer als ihr zahlenmäßiger Titel ihres 1943 erschienenen Buches der Militärdienst, den er als Freiwilliger Anteil. Sie trugen ganz wesentlich zu Poo-Tsee, the water-tortoise, das von bei den Hoch- und Deutschmeistern an einer „österreichischen Schule“ der Ma- vielen Verlagen nachgedruckt wurde, der galizischen und italienischen Front lerei und damit auch zur überragenden erinnert an ihren humorvollen Blick absolvierte. Die Kriegseindrücke veran- Bedeutung der europäisch-jüdischen auf Dinge, denn Poo-Tsee steht für das lassten ihn – wie viele andere –, seinen Kultur vor 1938 bei. Wiener Kosewort Putzi. Bettina stirbt Malstil grundlegend zu ändern: dem Werke der jüdischen Hagenbund- 1985 in London. Sie war Mitglied des Spätimpressionismus folgte ein auf- mitglieder Georg Ehrlich, Felix Albrecht Hagenbundes von 1933 (1934) bis 1938. wühlender Expressionismus. Schwarz- Harta, Georg Merkel und Fritz Schwarz- Waldegg war ordentliches Mitglied des Waldegg wurden übrigens auch in der Josef Floch Hagenbundes von 1919 bis 1938, von Wanderausstellung Der ewige Jude, Josef Floch, 1894 in bescheidene fa- 1925 bis 1927 sogar dessen Präsident. einem Vehikel der antisemitischen miliäre Verhältnisse in Wien geboren, 1934 erhielt er den Österreichischen Hetzpropaganda gezeigt, die in Wien im studierte nach dem Besuch einer Re- Staatspreis. In den zwanziger Jahren August 1938, eröffnet wurde. nu

In der Wanderausstellung Der ewige Jude, einem Vehikel der antisemi- tischen Hetzpropaganda, eröffnet in Wien im August 1938, wurden unter anderem Werke der jüdischen Hagenbundmitglieder Georg Ehrlich, Felix Albrecht Harta, Georg Merkel und Fritz Schwarz-Waldegg gezeigt.

50 2 | 2015 Eingangstür zum Wiener Kreis

Was bleibt, ist die Sehnsucht

25 Jahre hat er davon ge- träumt, nun erfüllte sich Barrie Kosky, der sich selbst als „jüdischer Atheist“ bezeichnet, einen Traum und inszenierte an der von ihm geleiteten Komischen Oper Berlin Schönbergs „Moses und Aron“ als Stück über Sehn- suchtsorte. sh au s M on ika R itter © Arnold Schönbergs Oper „Moses und Aron“ in einer Produktion mit fast 200 VON JÜRGEN BAUER Darstellern auf der Bühne.

Vielleicht sind Moses und Aron Vor- Exodus. Als er 1933 aus Berlin emi- zum 70. Jahrestag der Befreiung von läufer von Vladimir und Estragon aus grierte, hatte er die ersten zwei Akte Auschwitz entstandene Inszenierung Warten auf Godot. Vorläufer aller- der Oper im Gepäck. keineswegs. Der Chor trägt Puppen dings, die ihr Warten beenden und die Kosky führt das Werk nun zurück mit sich, die Möglichkeiten jüdischer Menschheit überzeugen wollen, dass an seinen Entstehungsort und versetzt Identität zeigen: Gläubige im Tal- Godot wirklich existiert. Noch bevor es dabei in einen vieldeutigen Raum. lit, israelische Soldaten, Kibbuzniks. die ersten Takte von Schönbergs Oper Die Bühne könnte das Unterdeck eines Zum Tanz ums goldene Kalb wirft das erklingen, legt eine Einblendung aus Schiffes auf dem Weg nach Palästina Volk diese Puppen von sich. Doch die Becketts Stück diesen Vergleich nahe. sein; Schönberg verfolgte die zionisti- Befreiung von den zugeschriebenen Immerhin: Gott und Godot, beide be- sche Bewegung mit großem Interesse. Bildern misslingt und endet im Lei- ginnen mit G. Wie die zwei Landstrei- Die Sehnsucht nach dem Gelobten chenberg, von dem schließlich Moses cher sind auch der Prophet und sein Land wäre dann die nach einer Na- herabsteigt. Dabei trägt er keine Tafeln Bruder Suchende. Und in Koskys Deu- tion, Mythos verwandelt in Politik. Es mit sich, das Gesetz hat sich – wie in tung sogar Zauberer, die die Massen könnte sich aber auch um das Foyer Kafkas Erzählung In der Strafkolonie mit billigen Tricks verführen: Moses eines Kinos handeln. Den Tanz ums – mit Nadeln in seine Haut geschrie- als Wiedergänger Harry Houdinis, der goldene Kalb inszeniert Kosky als ba- ben. Der eigenen Identität entkommt Auszug aus Ägypten dessen größter bylonischen Stummfilmdreh. Noch man nicht, Houdinis Befreiungstrick Befreiungstrick. Der Prophet kommt so ein der Wüste abgetrotzter Ort der muss misslingen. Die großen Fragen- hier aus dem Vaudeville. Sehnsucht: Das Hollywood der zwan- den und Suchenden sind eben auch Die Figur des Moses begleitete ziger Jahre, dessen Studiobosse al- Vertriebene. Schönberg fast sein ganzes Leben. lesamt aus Europa emigrierte Juden Zu Beginn der Oper rollt sich Moses Unter dem Eindruck des zunehmen- waren. Auch der Kinofan Schönberg aus Sigmund Freuds berühmtem den Antisemitismus wurde die jü- ließ sich in Los Angeles nieder. So Smyrna-Teppich, der diesen in die dische Herkunft für den zum evan- lässt Kosky unterschiedliche Asso- Emigration nach England begleitete, gelischen Glauben konvertierten ziationen zu, ohne dabei beliebig zu zu Ende zieht er sich sterbend unter Komponisten immer wichtiger. 1932 werden, denn im Zentrum seiner In- selbigen zurück. Erlösung gibt es nicht: schrieb er: „Ich nenne mich heute mit szenierung steht stets die Frage nach Moses sollte das Gelobte Land nie be- Stolz einen Juden; aber ich kenne die den Orten der Sehnsucht, der Utopie. treten, Theodor Herzl die Gründung Schwierigkeiten, es wirklich zu sein.“ Die Kehrseite dieser Jewtopia, des Staates Israel nicht miterleben, So wurde sein Moses auch zur Selbst- so der Titel einer früheren Trilo- Schönberg seine Oper nicht vollenden. befragung, zur Geschichte des eigenen gie des Regisseurs, verschweigt die Was bleibt, ist die Sehnsucht. nu

2 | 2015 51 Rezension (Alb-)Traumreise in zwölf Stationen

Wenn in den Erzählungen ein wenig durch den Kakao gezogen Grüntöne durchziehen die Ge- wird. schichten auch sonst, beginnend mit von Anatol Vitouch, in Böse wird die Sache, wenn ein Alt- der titelgebenden Erzählung „Einstein einer Parallelexistenz NU- linker mit der unmenschlich stringen- in Zürich“, in der plötzlich ergrünen- Schachkolumnist, alles im ten Logik, die man als Studentin in den des Haar und ein ordentlicher Absin- Siebzigern an den VertreterInnen di- thrausch das Jahrhundertgenie auf die grünen Bereich ist, dann verser maoistischer und trotzkistischer Reise von Princeton nach Zürich brin- heißt das ganz und gar Splittergruppen zu hassen gelernt hat, gen ... Absinth trinkt man auch im Café nicht, dass kein Grund zur ausführt, warum (wieder einmal) nur Slavia in Prag, irgendwann in grauer Terror die Welt retten kann, diesmal Zukunft „nach der Flut“, und isst dazu Beunruhigung besteht – im halt Öko-Terror. Oder wenn ein Paul, sauer eingelegte Würste, die auf Tsche- Gegenteil. in einer passenderweise „Robespierre“ chisch „Wasserleichen“ (utopence) hei- betitelten Erzählung, der mit seinem ßen. Nach Lissabon lockt den Erzähler triebhaften Hang zu Hackebeil und ein grünäugiges Mädchen; um ihretwil- VON VERA RIBARICH Guillotine so gern der „Schlächter von len wird er zum Junkie, besorgt täglich Wien“ geworden wäre, als politische für sie grünes Pulver in einer Apotheke Jetzt hat er schon wieder was publi- Nachwuchshoffnung gezähmt, es dann der von bösen Zwergen regierten Stadt. ziert. Anatol Vitouch, von dem zuletzt doch nur zum Staatssekretär bringt. Die Verstrickungen, in denen sich (NU 59) als Co-Übersetzer von Die die Figuren finden, entspinnen sich, Pferde des Königs zu berichten war, Allerlei Todesarten wie es sich für eine (Alb-)Traumreise legt mit Einstein in Zürich nun sein er- Von allerlei grausigen Todesarten gehört, über dem gähnenden Abgrund stes literarisches Solo-Album vor: ein ist auch sonst öfter die Rede. So steht zwischen Komik und Grauen. Wer wäre rundes Dutzend Erzählungen, „fantasti- der Ringelspielbesitzer Blaubart in der nicht panisch, würde er als regierender sche Satiren“, wie es im Untertitel des schönsten Tradition des Wienerisch- Schachweltmeister zu Beginn der ent- im Verlag Labor erschienenen Sam- Sinistren und ist mit seinen kannibali- scheidenden Partie gegen den gefürch- melbandes heißt. schen Vorlieben ein naher Verwandter teten Herausforderer plötzlich heraus- Ob die Texte tatsächlich allesamt von Peter Wehles „Berufsgespenst im finden, dass hier etwas ganz anderes zu der Gattung Satire zuzurechnen sind, Prater auf der Geisterbahn“. Den Ver- spielen sein wird? wäre diskutierbar, auf einige trifft die weis auf eine andere vergangene Größe „Das Wahrscheinlichste ist, dass Bezeichnung aber punktgenau zu, so im Spiegelkabinett des Schreckens gibt Intelligenz ein gefährlicher Sonderfall „Radio Radio“, wo sich der Autor als der Autor gleich selbst – mit einge- ist“, wie der böse Wolf dem Mädchen Satiriker sogar recht weit aus dem Fen- streuten Zitaten aus dem „Krüppellied“ mit der roten Kappe erklärt. Wenn das ster lehnt – Wien ist schließlich ein von Peter Hammerschlag. stimmt, sollte man sich bei der Lektüre Dorf, und wer versuchte nicht, hinter Das surrealistische Drama Ionescos der Vitouch’schen Geschichten besser den wenig schmeichelhaft gezeich- lässt grüßen, wenn in „R. wie Rhinoze- in Acht nehmen. nu neten Figuren eines „Radiodirektors“ ros“ ein Feingeist in Nashornhaut an und eines „leitenden Redakteurs“ vom der „Anpassung an die Vertrottelung Küniglberg die realen Personen zu er- des Kulturbetriebs“ scheitert – und raten? Welche Anteile seiner Pointen natürlich dürfen auch die Situationi- und Figuren der Realität und welche sten nicht fehlen, deren Leitfigur Guy Vitouchs Fantasie entsprungen sind, Debord – oder war es sein Doppelgän- wird uns vom Autor natürlich kunst- ger? – sich in Ausübung der von ihm voll verheimlicht. Immerhin bietet er proklamierten Praxis des urbanen zum Thema „unausweichliche Fragen“ Umherschweifens ausgerechnet in die und „keine einfachen Antworten“ eine Begegnungszone Mariahilfer Straße programmatische Handreichung, in der verirrt, mit fatalen Folgen. Er hat eben, ein – diesfalls unschwer zu erkennen- wie der Autor trocken vermerkt, „seine Anatol Vitouch Einstein in Zürich der – Starregisseur, der laut Vitouch Rechnung ohne die antagonistischen Labor Verlag, Wien 2015 wie ein Double des bösen Zauberers Kräfte der grünen Konterrevolution 144 Seiten Saruman in Lord of the Rings aussieht, gemacht“. 14,90 EUR

52 2 | 2015 Engelberg

Hat sich Österreichs

R igaud P eter © Umgang mit seinen von Martin Engelberg Juden geändert?

Vor kurzem lief der Film Frau in Gold nistern und ließ alle noch laufenden dakteur Ari Rath, ist Wien wieder zur in Österreich an: die berührende Ge- Nazi-Verfahren einstellen. Heimat geworden, andere, wie der schichte des Kampfes der Maria Alt- Dann kam die „Waldheim-Zeit“. Hollywood-Produzent Eric Pleskow mann um die Herausgabe des ihrer Wir erinnern uns an die geifernde, oder die Nobelpreisträger Eric Kandel Familie gestohlenen Klimt-Porträts gehässig-antisemitische Stimmung, und Martin Karplus, besuchen Öster- ihrer Tante Adele Bloch-Bauer. Wir die das Land erfasste, an den trotzigen reich in den letzten Jahren gerne und sahen den Film vor einigen Monaten „Wir wählen wen wir wollen“ Slogan häufig – Letzterer sogar ausgestattet in den USA. Am Ende erhoben sich auf den Judenstern-gelben Wahlpla- mit einer vom Wiener Bürgermeister die Zuschauer und applaudierten fre- katen der ÖVP. Einzig das Nachrich- persönlich unterschriebenen Geneh- netisch. Ob es wirklich so schlimm tenmagazin profil forderte, dass sich migung, seinen geliebten Hund auch in Österreich sei, werden wir danach Österreich endlich seiner Rolle und auf seine Museums-Besuche mitneh- von amerikanischen Freunden ge- Mittäterschaft in der NS-Zeit stellen men zu dürfen. Manchmal wirken die fragt – keine leicht zu beantwortende sollte. Waldheims beharrliche Ant- Gesten fast schon übertrieben, aber je- Frage. Es kommen die Erinnerungen wort, er habe im Zweiten Weltkrieg nur denfalls hat sich in Österreich in den an meinen Vater hoch, der sich noch seine Pflicht getan, klingt noch in den vergangenen 25 Jahren in Bezug auf in den 1960er Jahren, in den seltenen Ohren. die Aufarbeitung der Vergangenheit Fällen, in denen er einen Prozess zu Franz Vranitzky, der österreichi- und den Umgang mit jüdischen Men- führen hatte, fast selbstverständlich sche Bundeskanzler in jenen Jahren, schen sehr viel getan. eines Rechtsanwaltes bediente, der leitete eine neue Entwicklung ein. Er Die Wahrnehmungen in diesem Zu- ein bekannter Nazi war. Er war über- hielt 1991 vor dem österreichischen sammenhang könnten dennoch nicht zeugt, ansonsten mit dem Vornamen Nationalrat und 1993 an der Univer- unterschiedlicher sein. Als ich vor ei- Samuel vor einem österreichischen sität Jerusalem historische Reden, nigen Wochen über dieses Thema in Gericht völlig chancenlos zu sein. Oder in denen er die Mittäterschaft vieler der Presse schrieb, schickte mir eine jene guten Freunde meiner Eltern, die Österreicher in der NS-Zeit einbe- britische Anwaltskanzlei einen Leser- mit ansehen mussten, wie der Ariseur kannte und dafür im Namen der Repu- brief, in dem sie mir vorwarf, ich hätte des elterlichen Betriebes diesen auch blik um Verzeihung bat. ein allzu idyllisches Bild des Umgangs nach dem Krieg behalten konnte und Seither hat sich viel im Verhältnis Österreichs mit seiner Vergangenheit höhnisch den Wohlstand genoss. Das des offiziellen Österreich zu seinen gezeichnet. Während ich beschrieben Motto in Österreich war damals, dass früheren jüdischen Bürgern geändert. habe, wie freundlich Österreich jü- endlich einmal Schluss sein müsse Der Nationalfonds für die Opfer der dische Menschen behandeln würde, mit der Vergangenheit, noch bevor Nazi-Zeit wurde eingerichtet, zahl- könne Österreich noch viel mehr man überhaupt begonnen hatte, über reiche Kunstgegenstände restituiert. tun. Demgegenüber meinte ein pen- diese zu sprechen. Nicht nur Nobelpreisträger und andere sionierter, ehemals sehr hoher öster- Die Kanzlerschaft Bruno Kreiskys berühmt Gewordene werden eingela- reichischer Beamter – aus teilweise in den 1970er Jahren änderte daran den, nach Österreich zu kommen und jüdischer Familie und Sozialdemo- nichts – eher im Gegenteil. Seine erhalten Ehrungen und Orden. Auch krat –, in Österreich werde der Anti- anti-israelische Haltung und schwie- viele einfache jüdische Menschen semitismus vor allem von den Semi- rige Beziehung zu seiner eigenen jü- besuchen die Stätten ihrer Kindheit ten getragen und es freue ihn, dass dischen Herkunft verschärften die bzw. die ihrer Familien und werden die Juden in Österreich nicht zuletzt Situation noch: Er ernannte vier ehe- hier zumeist freundlich empfangen. durch das Wirken Kreiskys eine gute malige Mitglieder der NSDAP zu Mi- Manchen, wie dem früheren Chefre- Heimat hätten. nu

2 | 2015 53 Rätsel Suchbild auf Jiddisch … Für Liebhaberinnen und Liebhaber des Kubismus, des Surrealismus und der Kosmetik: Helena Rubinstein, Pionierin der Kosmetikindustrie und Kunstmäzenin.

von michaela Spiegel

) N ERKÄUFERI V S (AL O L H KA FRIDA 7.

E N ITRI V DER N I N TEI NS RUBI A N ELE H VON RTRÄT O P SSOS PICA 6.

) N ERKÄUFERI V S (AL SSO PICA O PABL 5.

D N TERGRU N I H M I N TEI NS RUBI A N ELE H VON RTRÄT O P S DALÍ 4.

) N ERKÄUFERI V S (AL DALÍ R O AD V AL S 3.

N ZURÜCKZUKAUFE D N GE N BRI NN GEWI T HS C hö

PÄTER PÄTER S R H JA N EI S E M U ERKAUFTE, V KURZZEITIG

1928 1928 N E HM E N TER N U R H I N TEI NS RUBI DIE

N A , S ER H T O BR N A HM LE DER ILD H C NS E M FIR 2.

TE S KÜ N BEI N ELFE DER

VON KE S A M ER N EI IT M T S ELB S N TEI NS RUBI 1.

54 2 | 2015 Kohnversationen

VON RUTH LEWINSKY (ZEICHNUNG) UND CHARLES LEWINSKY (TEXT)

2 | 2015 55 In eigener Sache

Vor 15 Jahren im NU: Warum wir wurden und wie wir waren

von Peter Menasse

Nach der Nullnummer vom April 2000 er- Bevölkerung in eine Einheitsgemeinde schien bereits im Mai die Ausgabe Num- zwingt, während sich in „anderen Ländern mer eins. Die schnelle Eingreiftruppe der mit ausgeprägter Trennung von Religion kleinen Redaktion platzierte auf die Titel- und Staat der freie Wettbewerb der Ideen seite drei Schimpansen, von denen einer und Konfessionen durchsetzen konnte“. sich die Ohren, der zweite die Augen und Resultat sei dort, so Liska, eine Vielfalt der dritte den Mund zuhielt. Das Bild trug und Unabhängigkeit des Gemeindelebens. keine Unter- oder Überschrift und war Robert Hochner sagte einmal: „Die auch sonst von hervorragend schlechter Rache der Journalisten an den Politikern Qualität. Es schien, als säßen die Affen in ist das Archiv.“ Der Autor dieser Zeilen ist einem gerasterten Käfig aus schmutzigen Opfer seines eigenen Archivs geworden. Grautönen. NU geriet mit dieser Aufma- Ich schrieb in meinem ersten Auftritt in chung sicher nicht in den Verdacht, über NU von der Kultusgemeinde als vordemo- allzu viel Geld zu verfügen. kratischer Fehlkonstruktion. Weil Religion Auf den bereits stolzen zwölf Seiten und Politik nicht getrennt seien, würde ich standen nicht weniger als fünf Kom- dieser Organisation nicht beitreten. Inzwi- mentare und ein unter dem Namen schen habe ich den Vorsatz gebrochen, „Schlüsselgeschichte“ getarnter weiterer einher: Gerhard Bronner ließ kein gutes zahle meine Kultussteuer und halte die Meinungsteil. Ein Editorial, eine Buchbe- Haar am damaligen IKG-Präsidenten. De- Konstruktion immer noch für fragwürdig. sprechung und zwei Leserbriefe bildeten tails wären hier fehl am Platz, ist doch der Ganz am Schluss hieß es im Jahr 2000, den schmalen Rahmen für das Übermaß Herr Präsident inzwischen fast schon Ge- dass die Redaktion mehrere beleidigende an kritischen Positionen. Der Großteil der schichte. und rufschädigende Leserbriefe zum Kommentare befasste sich empört mit Robert Liska reflektierte in seinem Thema IKG erhalten, aber nicht veröffent- den Niederungen der IKG-Politik. Am bis- Beitrag, wie das in Österreich geltende licht habe. Wir waren eben immer schon sigsten kam der erste Stargast des Heftes „Israelitengesetz“ die heterogene jüdische die Guten. nu

Leserbriefe

Sehr geehrte NU-Redaktion! Betr.: Gratulation Es tut mir leid, dass ich nicht zu Eurem Ich gratuliere herzlich – zum Jubiläum Fest kommen konnte. Zum Jubiläum ebenso wie zum toll gemachten Magazin! gratulieren möchte ich jedenfalls. NU ist Stefan Schatz ein kluges Magazin mit einer wichtigen Chefredaktion Diners Club Magazin Mission. Die lautet: Das jüdisches Leben von heute zeigen, wie es ist – vielfältig, Bedauerlicherweise ist der Name eines Leser- Leserbriefe zu Ausgabe 59 lebendig, bunt und bereichernd. briefautors in der letzten Ausgabe nicht erschie-

Ausgabe Nr. 59 (1/2015) • Nissan 5775 • € 4,50 • www.nunu.at Das ist eine fast schon aufklärerische nen. Wir entschuldigen uns dafür und drucken

Neil Shicoff Aufgabe. Das NU-Team erfüllt sie ge- den Brief in dieser Ausgabenoch einmal ab: Der die Seelen zum Singen bringt schickt, mit einer Portion Leichtigkeit Marika Lichter – Musik ist ihr Leben Hava Nagila – Ein Ohrwurm für die Welt und Humor, und das in jeder Ausgabe Betr.: Danke! Thomas Krüger – Bildungsarbeit gegen Extremismus Ramazan Demir: „Radikale sind religiöse Analphabeten“ aufs Neue.Ich freue mich auf die näch- Liebes NU-Redaktionsteam, sten 15 Jahre. für die Gratulationen zum 25-jährigen Mit besten Grüßen, Christian Kern Bestehen des Ensemble Klesmer Wien in Vorstandsvorsitzender ÖBB Ihrer NU-Ausgabe Nr. 58 (4/2014) bedanke ich mich, auch im Namen des Ensembles, Mir hat NU von Anfang an gefallen, alle ganz herzlich. Für Ihr „kontinuierliches nachfolgenden Verbesserungen haben Bemühen, um auf die Verwerfungen mir gefallen, und auch die jüngste gefällt unserer Gesellschaft hinzuweisen“ (frei mir, mein Problem ist aber: Was mache nach Ida Salamon in ihrem Editorial zu ich, wenn eine nächste Verbesserung der oben genannten NU-Ausgabe) wün- kommt? Habe ich dann noch Worte, um sche ich dem Redaktionsteam weiterhin Euch zu loben? viel Erfolg! Seid herzlich gegrüßt, Mit den besten Wünschen für 2015 und Raoul Kneucker herzlichen Grüßen, Leon Pollak

56 2 | 2015 UNSere AUtOriNNeN UND AUtOreN

Ernst Berger Peter Menasse Universitätsprofessor, ist Kinder- und Jugendpsychiater, Der NU-Chefredakteur ist selbstständiger Psychotherapeut; Kommissionsleiter der Volksanwaltschaft Kommunikations- und Organisationsberater (Menschenrechte). Arbeitsschwerpunkte: Sozialpsychiatrie, und Autor des Buches Rede an uns. Sozialpädagogik, Sozialgeschichte der NS-Zeit.

David Borochov Axel Reiserer ist Schüler am Erich Fried Realgymnasium. lebt in London, wo er für eine Bank arbeitet. Seine Suche nach einer möglichen beruflichen Autorinnen und Autoren Laufbahn führte ihn zu NU.

UNSere AUtOriNNeN UND AUtOreN MartinJürgen BauerEngelberg SamuelDavid Rennert Mago Derist Theaterwissenschaftler, NU-Herausgeber ist Betriebswirtschafter, Journalist und AutorPsycho - ErnstDerabsolviert Linguistik-Student Berger derzeit ein Masterstudium ist in Budapest der geboren und Peter Menasse analytiker,aus Wien. CoachVor kurzem und Consultant. erschien im Er istSeptime-Verlag im Schnitt- Universitätsprofessor,hatPolitikwissenschaft jüdische und Roma-Wurzeln. und ist arbeitetKinder- undals Journalist Jugendpsychiater, in Wien. Der NU-Chefredakteur ist selbstständiger bereichsein zweiter Politik/Psychoanalyse Roman Was wir und fürchten. Wirtschaft/Psycho- Psychotherapeut;Er ist freier Journalist Kommissionsleiter und engagiert der sich Volksanwaltschaft als Roma- Kommunikations- und Organisationsberater analyse tätig. (Menschenrechte).Aktivist im Verein Arbeitsschwerpunkte: Romano Centro. Sozialpsychiatrie, und Autor des Buches Rede an uns. Sozialpädagogik, Sozialgeschichte der NS-Zeit.

Johannes Gerloff Anja Salomonowitz hat in Tübingen, Vancouver und Prag evangelische lebt als Filmregisseurin in Wien. Sie schrieb den Artikel UNSere AUAnnat OBurghardtriNN eN UND AUtOreN DavidHelene Borochov Maimann Axel Reiserer Theologieist Chefin studiertvom Dienst und lebtbeim seit Magazin 1994 mit Schaufenster seiner Familie istist„Gepackte Schüler Historikerin, am Koffer“ Erich Autorin fürFried NU, Realgymnasium. und ansonsten Filmemacherin. aber Drehbücher Sie lebt in London, wo er für eine Bank arbeitet. in Jerusalem. Er arbeitet als Nahostkorrespondent des für ihre Filme. Ernstder Tageszeitung Berger Die Presse, schreibt über Essen SeinelebtPeter in Suche WienMenasse nach und einerunterrichtet möglichen an beruflichen der Universität Christlichen Medienverbundes KEP. Universitätsprofessor,und Trinken und tritt ist mit Kinder- dem undWiener Jugendpsychiater, Jüdischen LaufbahnfürDer Musik NU-Chefredakteur führte und darstellendeihn zu NU ist .selbstständiger kunst. Psychotherapeut;Chor im In- und AuslandKommissionsleiter auf. der Volksanwaltschaft Kommunikations- und Organisationsberater (Menschenrechte). Arbeitsschwerpunkte: Sozialpsychiatrie, und Autor des Buches Rede an uns. Sozialpädagogik,Jacqueline Godany Sozialgeschichte der NS-Zeit. Danielle Spera lebt als Fotografin in Wien. MartinDas NU -GründungsmitgliedEngelberg ist Direktorin des David Rennert Jüdischen Museums Wien. Davor war sie ORF-Journa- Vladimir Danovsky MilagrosDer NU-Herausgeber Martínez-Flener ist Betriebswirtschafter, Psycho- absolviert derzeit ein Masterstudium der listin und Moderatorin. Sie studierte Publizistik- und Davidist bulgarisch-jüdischer Borochov Schauspiel- und Opernregis- wurdeanalytiker,Axel Reiserer in Lima Coach geboren, und Consultant. wo sie Geschichte Er ist im Schnitt- studierte. Politikwissenschaft und arbeitet als Journalist in Wien. Politikwissenschaft, u. a. Autorin des Buches Hermann istseur Schüler und Autor.am Erich Sein Fried Theaterstück Realgymnasium. Die Rettung über das 1991bereichlebt kamin London, Politik/Psychoanalyse sie nach wo Wiener für und eine undschloss Bank Wirtschaft/Psycho arbeitet. ihr Doktorats-- Nitsch – Leben und Arbeit. SeineSchicksal Suche der nach bulgarischen einer möglichen Juden beruflichen im Zweiten Weltkrieg studiumanalyse tätig. in Geschichte hier ab. Auch den Lehrgang Laufbahnwurde in führteBerlin ihn uraufgeführt zu NU. und mit dem Europäischen für Pressefotografie absolvierte sie in Wien. MartinToleranzpreis Gruber ausgezeichnet. Michaela Spiegel arbeitet als Architekt in Wien. Fotografiert seit seiner Kind- JohannesDie NU-Rätseltante Gerloff studierte Malerei an der Ange- Anja Salomonowitz heit. Derzeit studiert er Immobilienmanagement. hatwandten in Tübingen, in Wien Vancouver und der École und Pragnat. sup.evangelische des Beaux lebt als Filmregisseurin in Wien. Sie schrieb den Artikel TheologieArts in Paris. studiert Sie zählt und sichlebt zurseit Schule 1994 mitdes seiner feministi Familie- „Gepackte Koffer“ für NU, ansonsten aber Drehbücher Martin EngelbergEngelberg PeterDavid Menasse Rennert inschen Jerusalem. Irrealismus. Er arbeitet Zahlreiche als Nahostkorrespondent Ausstellungen und des für ihre Filme. Der NU-Herausgeber ist ist Betriebswirtschafter, Betriebswirtschafter, Psycho - Derabsolviert NU-Chefredakteur derzeit ein Masterstudium ist selbstständiger der ChristlichenPublikationen. Medienverbundes KEP. Psychoanalytiker,analytiker, Coach und Coach Consultant. und Consultant. Er ist im Schnitt- Er ist Kommunikations-Politikwissenschaft undund Organisationsberaterarbeitet als Journalist in Wien. Autorbereich einer Politik/Psychoanalyse ständigen Kolumne und in Wirtschaft/Psycho der - in Wien und im Burgenland. Erwin Javor Anatol Vitouch TageszeitunganalyseDie tätig. autorinnen Die Presse. Dieser ausgabe ist Unternehmer. Seine Firma Frankstahl ist das füh- Jacquelineist Schachmeister Godany und Absolvent der Wiener Danielle Spera von a bis z rende österreichische Stahlhandelsunternehmen. Der lebtFilmakademie. als Fotografin Gründungsmitglied in Wien. der Das NU-Gründungsmitglied ist Direktorin des NU-Mitbegründer und langjährige Herausgeber ist Künstlervereinigung „DIE GRUPPE“. Johannes Gerloff Anja Salomonowitz Jüdischen Museums Wien. Davor war sie ORF-Journa- Dajgezzen-Partner von Chefredakteur Peter Menasse. listin und Moderatorin. Sie studierte Publizistik- und UNSere AUhat tinO Tübingen,riNN VancouvereNMartin UND und EngelbergPrag AU evangelischetOre N Rainerlebt als NowakFilmregisseurin in Wien. Sie schrieb den Artikel Peter Frey Rainer Nowak Theologie studiert und lebt seit 1994 mit seiner Familie „Gepackte Koffer“ für NU, ansonsten aber Drehbücher Politikwissenschaft, u. a. Autorin des Buches Hermann Ernstist in BergerWien geboren und aufgewachsen. Nach einer Karri- DerPeter Herausgeber Menasse und Chefredakteur der Tageszeitung in Jerusalem. Er arbeitet Derals NahostkorrespondentNU-Mitherausgeber ist Betriebswirt des - Derfür ständigeihre Filme. NU-Mitarbeiter ist Journalist Nitsch – Leben und Arbeit. Universitätsprofessor,ere als Banker an der ist Wall Kinder- Street und engagiert Jugendpsychiater, er sich heute DieDer Presse NU-Chefredakteur ist ständiger ist NU selbstständiger-Mitarbeiter. ChristlichenEva Konzett Medienverbundesschafter, KEP. Psychoanalytiker, Coach und Con- beiPeter der Tageszeitung Weinberger „Die Presse“. Der Vater Psychotherapeut;bei kulturellen und Kommissionsleiter sozialen Projekten. der Volksanwaltschaft Er ist Co-Vorsit- Kommunikations- und Organisationsberater Seit 2008 im Journalismussultant. tätig. Er Themenfeld ist im Schnittbereich Politik/ Martinzweierwar bis Töchter Gruber2008 leitetProfessor das Chronik-Ressort für Allgemeine Physik an der TU Michaela Spiegel (Menschenrechte).zender der New Yorker Arbeitsschwerpunkte: Organisation von Sozialpsychiatrie, J-Street. und Autor des Buches Rede an uns. Osteuropa mit SchwerpunktPsychoanalyse Rumänien. und Lebt Wirtschaft/Psycho- arbeitetundWien ist undgemeinsam als istArchitekt seitdem mit inChristian Gastprofessor Wien. FotografiertUltsch für an der seit New seiner York Kind - Die NU-Rätseltante studierte Malerei an der Ange- Sozialpädagogik, Sozialgeschichte der NS-Zeit. als freie Journalistin in Wien.analyse tätig. dieUniversity. „Presse am Er Sonntag“ist auch literarischverantwortlich. tätig. Jacqueline Godany heit.Danielle Derzeit Spera studiert er Immobilienmanagement. wandten in Wien und der École nat. sup. des Beaux lebt als Fotografin in Wien. Das NU-Gründungsmitglied ist Direktorin des Arts in Paris. Sie zählt sich zur Schule des feministi- Erwin Javor Thomas Schmidinger Jüdischen Museums Wien. Davor war sie ORF-Journa- schen Irrealismus. Zahlreiche Ausstellungen und DavidJohannes Borochov Gerloff AxelAxel ReisererReiserer listin und Moderatorin. Sie studierte Publizistik- und Publikationen. isthat Schüler in Tübingen, am Erich Vancouver FriedDer Realgymnasium. NU-Herausgeber und Prag evangelische und ständige lebtDerlebt Politikwissenschafterinin London,London, wowo erer fürfürund eine Sozial- BankBank und arbeitet. arbeitet. Ida Labudovi´c Politikwissenschaft,Wolfgang Weisgram u. a. Autorin des Buches Hermann SeineTheologie Suche studiert nach einer und möglichen lebtKolumnist seit 1994 ist beruflichen Unternehmer. mit seiner Seine Firma Kulturanthropologe studierte Arabisch, Tür- Die NU-Chefin vom Dienst ist in Belgrad geboren, wo ErwinNitschberichtet Javor– Leben für den und Standard Arbeit. aus dem Burgenland und Anatol Vitouch Laufbahn führte ihn zu NUFrankstahl. ist das führende österreichische kisch und Spanisch in Kairo, Tunis, Istanbul Familiesie Ethnologie, in Jerusalem. Kultur- und Er arbeitetSozialanthropologie als Nahostkorre studier- - istdabei Unternehmer. auch von dessenSeine Firma jüdischer Frankstahl Vergangenheit. ist das füh- ist Schachmeister und Absolvent der Wiener Stahlhandelsunternehmen. und Guatemala und ist Lehrbeauftragter am spondentte. Sie lebt des seit Christlichen2007 in Wien Medienverbundes und ist Mitarbeiterin KEP. von Martin Gruber rendeWienerMichaela österreichische Politikwissenschafstinstitut. Spiegel Stahlhandelsunternehmen. Der Filmakademie. Gründungsmitglied der M-Media. arbeitet als Architekt in Wien. Fotografiert seit seiner Kind- NUDie-Mitbegründer NU-Rätseltante und studierte langjährige Malerei Herausgeber an der Ange ist - Künstlervereinigung „DIE GRUPPE“. Dajgezzen-Partner von Chefredakteur Peter Menasse. heit.Martin Derzeit Engelberg studiert er Immobilienmanagement.Mary Kreutzer DanielleDavidwandten Rennert Sperain Wien und der École nat. sup. des Beaux Der NU-Herausgeber ist istBetriebswirtschafter, Politikwissenschafterin Psycho und Publizistin- absolviertArts in Paris. derzeit Sie zählt ein Masterstudium sich zur Schule der des feministi- Charles LewinskyLewinsky Vera Ribarich analytiker, Coach und Consultant.mit den Schwerpunkten Er ist im Schnitt- Nationalsozialismus DasPolitikwissenschaftschen NU-Gründungsmitglied Irrealismus. Zahlreicheund arbeitet ist ORF-Journa Ausstellungen als Journalist- und in Wien. ist Schriftsteller.Schriftsteller. Sein Sein letzter letzterund Roman Antisemitismus, Roman schildert schildert Menschenrechte, das dasLeben Leben des Ent- istEvalistin freischaffende Konzettund Moderatorin. Übersetzerin, Sie studierte DolmetscherinPubli- und bereich Politik/Psychoanalyse und Wirtschaft/Psycho- Publikationen. Peter Weinberger desSchauspielers Schauspielers und Regisseurs und Regisseurswicklungspolitik Kurt Gerron. Kurt und Gerron. Flucht. Sie ist LektorinSeitzistik- 2008 und in Politikwissenschaftim Wien. Journalismus tätig.(Dr. phil.), Themenfeld war bis 2008 Professor für Allgemeine Physik an der TU analyse tätig. Ruth LewinskyLewinsky u. a. Trägerin des Concordia Publizistik- u.a. Autorin des Buches „Hermann Nitsch Erwin Javor OsteuropaAnatol Vitouch mit Schwerpunkt Rumänien. Lebt Wien und ist seitdem Gastprofessor an der New York begann als Grafikerin, Grafikerin, wurde wurdepreises dann (Kategoriedann Cranio-Sacral-Therapeutin Cranio-Sacral-Thera Menschenrechte). - – Leben und Arbeit“. ist Unternehmer. Seine Firma Frankstahl ist das füh- alsist freieSchachmeister Journalistin und in Wien. Absolvent der Wiener University. Er ist auch literarisch tätig. peutinund veröffentlichte und veröffentlichte im letzten 2011 Jahr ihren ihren ersten ersten Gedichtband. Gedichtband. rende österreichische Stahlhandelsunternehmen. Der AnjaFilmakademie. Salomonowitz Gründungsmitglied der Johannes Gerloff Sophie Lillie Michaela Spiegel hatNU -Mitbegründerin Tübingen, Vancouver und langjährige und Prag Herausgeber evangelische ist lebtKünstlervereinigung als Filmregisseurin „DIE in Wien.GRUPPE“. Sie schrieb den Artikel Dajgezzen-Partner von Chefredakteur Peter Menasse. Theologie studiert und lebtstudierte seit 1994 Kunstgeschichte mit seiner inFamilie den USA. Von Die„Gepackte NU-Rätseltante Koffer“ studierte für NU, Malerei ansonsten an der aber Drehbücher Jacqui Ball Licht Ida SalamonLabudovi´c Wolfgang Weisgram 54 n 4·2013in Jerusalem. Er arbeitet als1995 Nahostkorrespondent bis 2001 war sie für die des Israelitische Angewandtenfür ihre Filme. in Wien und der École nat. u ist in London aufgewachsen und zog im Jahr 1972 Die NU-Chefin vomvom Dienst Dienst ist ist in in Belgrad Belgrad geboren, geboren, wo berichtet für den Standard aus dem Burgenland und Christlichen MedienverbundesKultusgemeinde KEP. im Bereich Restitution tätig. sup. des Beaux Arts in Paris. Sie zählt sich nach Israel. Sie gehört bereits seit 1985 zur israe- wosie Ethnologie,sie Ethnologie, Kultur- Kultur- und Sozialanthropologieund Sozialanthropologie studier - dabei auch von dessen jüdischer Vergangenheit. Eva Konzett Seit 2001 freie Provenienzforscherin. Sie lebt zurPeter Schule Weinberger des feministischen Irrealismus. te. Sie lebt seit 2007 in Wien und ist Mitarbeiterin von lischenSeit 2008 Start-up-Szene im Journalismus undim tätig. Bereicharbeitet Themenfeld in von Wien. Software- studierte.Zahlreichewar bis 2008 SieAusstellungen istProfessor im Jüdischen und für Publikationen.Allgemeine Museum Physik Wien an in der den TU Anwendungen. BereichenM-Media. Sponsoring und Veranstaltungsmanage- JacquelineOsteuropa mit Godany Schwerpunkt Rumänien. Lebt DanielleWien und Spera ist seitdem Gastprofessor an der New York ment tätig. lebtals freie als Fotografin Journalistin in in Wien. Wien.Helene Maimann BarbaraDasUniversity. NU-Gründungsmitglied Tóth Er ist auch literarisch ist Direktorin tätig. des Jüdischen Museums Wien. Davor war sie ORF-Journa- Charles Lewinsky Die Historikerin, Autorin und Filmemacherin Dielistin stellvertretende und Moderatorin. NU-Chefredakteurin Sie studierte Publizistik- und ist Schriftsteller. Sein letzter Roman schildert das Leben des unterrichtete und forschte in den Achtziger studiertePolitikwissenschaft, Geschichte und u. a.Publizistik. Autorin Siedes Buches Hermann Jahren an den Universitäten Wien, Salzburg Schauspielersschreibt für den und „Falter“ Regisseurs und die Kurt „Basler Gerron. Zei- Ida Labudovi´c NitschWolfgang – Leben undWeisgram Arbeit. und Linz und arbeitet seit 1991 als Redak- Ruthtung“. LewinskyBuchautorin, u.a. „Karl von Schwar- Die NU-Chefin vom Dienst ist in Belgrad geboren, wo berichtet für den Standard aus dem Burgenland und teurin des ORF. begannzenberg. alsDie Grafikerin, Biografie“. wurde dann Cranio-Sacral-Therapeutin Martinsie Ethnologie, Gruber Kultur- und Sozialanthropologie studier- Michaeladabei auch Spiegel von dessen jüdischer Vergangenheit. und veröffentlichte im letzten Jahr ihren ersten Gedichtband. arbeitette. Sie lebt als seitArchitekt 2007 in WienWien. und Fotografiert ist Mitarbeiterin seit seiner von Kind - Die NU-Rätseltante studierte Malerei an der Ange- Peter Menasse heit.M-Media. Derzeit studiert er Immobilienmanagement. wandten in Wien und der École2 nat.| 2015 sup. des Beaux57 Der NU-Chefredakteur war Handelskauf- Arts in Paris. Sie zählt sich zur Schule des feministi- mann, Kolumnist in der Stadtzeitung Falter 54 n u 4·2013schen Irrealismus. Zahlreiche Ausstellungen und Charles Lewinsky und Pressesprecher von Caspar Einem und Publikationen. ist Schriftsteller. Sein letzterist seit Roman 1999 schildertgeschäftsführender das Leben Gesellschaf des - ErwinSchauspielers Javor und Regisseurster der Kurt PR-Agentur Gerron. communication matters. Anatol Vitouch istRuth Unternehmer. Lewinsky Seine Firma Frankstahl ist das füh- ist Schachmeister und Absolvent der Wiener begann als Grafikerin, wurde dann Cranio-Sacral-Therapeutin rende österreichische Stahlhandelsunternehmen. Der Filmakademie. Gründungsmitglied2·2009 nu der 47 NUund-Mitbegründer veröffentlichte und im langjährigeletzten Jahr Herausgeberihren ersten Gedichtband.ist Künstlervereinigung „DIE GRUPPE“. Dajgezzen-Partner von Chefredakteur Peter Menasse.

54 n u 4·2013 Eva Konzett Peter Weinberger Seit 2008 im Journalismus tätig. Themenfeld war bis 2008 Professor für Allgemeine Physik an der TU Osteuropa mit Schwerpunkt Rumänien. Lebt Wien und ist seitdem Gastprofessor an der New York als freie Journalistin in Wien. University. Er ist auch literarisch tätig.

Ida Labudovi´c Wolfgang Weisgram Die NU-Chefin vom Dienst ist in Belgrad geboren, wo berichtet für den Standard aus dem Burgenland und sie Ethnologie, Kultur- und Sozialanthropologie studier- dabei auch von dessen jüdischer Vergangenheit. te. Sie lebt seit 2007 in Wien und ist Mitarbeiterin von M-Media.

Charles Lewinsky ist Schriftsteller. Sein letzter Roman schildert das Leben des Schauspielers und Regisseurs Kurt Gerron. Ruth Lewinsky begann als Grafikerin, wurde dann Cranio-Sacral-Therapeutin und veröffentlichte im letzten Jahr ihren ersten Gedichtband.

54 n u 4·2013 UNSErE AUtoriNNEN UND AUtorEN

Martin Engelberg Rainer Nowak Der NU-Herausgeber ist Betriebswirtschafter, Der Chefredakteur der Tageszeitung Die Presse Psychoanalytiker, Coach und Consultant. Er ist ist ständiger NU-Mitarbeiter. Er ist Vater zweier UNSere AUtOriNNeN UND AUtOreN im Schnittbereich Politik/Psychoanalyse und Töchter. Wirtschaft/Psychoanalyse tätig. UNSere AUErnstt OBergerriNN eN UND AUtOreN Peter Menasse Universitätsprofessor, ist Kinder- und Jugendpsychiater, Der NU-Chefredakteur ist selbstständiger Ernst Berger Peter Menasse Psychotherapeut; Kommissionsleiter der Volksanwaltschaft Kommunikations- und Organisationsberater Universitätsprofessor, ist Kinder- und Jugendpsychiater, Der NU-ChefredakteurJohannes ist Gerloffselbstständiger Franz Pichler (Menschenrechte). Arbeitsschwerpunkte: Sozialpsychiatrie, und Autor des Buches Rede an uns. Psychotherapeut; Kommissionsleiter der Volksanwaltschaft Kommunikations-hat und in Tübingen, Organisationsberater Vancouver und Prag evan- Langjähriger Beamter im Wissenschafts- und Sozialpädagogik, Sozialgeschichte der NS-Zeit. (Menschenrechte). Arbeitsschwerpunkte: Sozialpsychiatrie, und Autor des Buchesgelische Rede Theologie an uns studiert. und lebt seit 1994 Außenministerium, lebt derzeit in Wien. Sozialpädagogik, Sozialgeschichte der NS-Zeit. mit seiner Familie in Jerusalem. Er arbeitet als Nahostkorrespondent des Christlichen Medien- David Borochov Axel Reiserer verbundes KEP. Unsereist Schüler a amU torinnenErich Fried Realgymnasium. lebt in London, wo er für eine Bank arbeitet. David Borochov Axel Reiserer Seine Suche nach einer möglichen beruflichen ist Schüler am Erich Fried Realgymnasium. lebt in London,Jacqueline wo er für eine Godany Bank arbeitet. Axel Reiserer Laufbahn führte ihn zu NU. Seine Suche nach einer möglichen beruflichen lebt als Fotografin in Wien. lebt in London, wo er für eine Bank arbeitet. Ruth Eisenreich Fritz Neumann Laufbahn führte ihn zu NU. Die Studentin der Vergleichenden Literaturwissen- Ist Sportressortleiter der Tageszeitung „Der schaft und Theater-, Film- und Medienwissenschaft Standard“ und Buchautor. Derzeit ist er mit sei- in Wien macht bei NU ein Praktikum. nem Sohn Florian in Karenz. Martin Engelberg David Rennert Der NU-Herausgeber ist Betriebswirtschafter, Psycho- absolviert derzeit ein Masterstudium der Martin Engelberg David Rennert analytiker, Coach und Consultant. Er ist im Schnitt- Politikwissenschaft und arbeitet als Journalist in Wien. Der NU-Herausgeber ist Betriebswirtschafter, Psycho- absolviert derzeitErwin ein Masterstudium Javor der David Rennert bereich Politik/Psychoanalyse und Wirtschaft/Psycho- ist Unternehmer. Seine Firma Frankstahl ist das Geboren 1984, absolviert derzeit ein Master- analytiker, CoachAndrea und Consultant. Dusl Er ist im Schnitt- PolitikwissenschaftAxel Reiserer und arbeitet als Journalist in Wien. analyse tätig. führende österreichische Stahlhandelsunterneh- studium der Politikwissenschaft und arbeitet als bereich Politik/PsychoanalyseDie Autorin, Zeichnerin und Wirtschaft/Psycho und Filmemacherin- ist berichtet seit 2002 aus London über Politik, men. Der NU-Mitbegründer und langjährige Journalist in Wien. analyse tätig. ein Multitalent. Für NU steuert sie die Illustration Wirtschaft und das Leben in Großbritannien und Herausgeber ist Dajgezzen-Partner von zur Kolumne „Mammeloschn“ bei. Irland. Wenn er nicht gerade Artikel schreibt, Anna Maria SigmundChefredakteur Peter Menasse. Marion Trestler Johannes Gerloff studierteAnjasitzt erSalomonowitz im Geschichte Pub und drückt und Kunstgeschichte;beim Fußball die Mitglied Die österreichische Fotografin lebt und arbeitet seit hat in Tübingen, Vancouver und Prag evangelische lebtDaumen als Filmregisseurin für Arsenal London. in Wien. Sie schrieb den Artikel Johannes Gerloff desAnja Instituts Salomonowitz für Österreichische Geschichtsfor- 30 Jahren in London. Sie konzentrierte sich nach Theologie studiert und lebt seit 1994 mit seiner Familie „Gepackte Koffer“Ida für Labudovi´c NU, ansonsten aber Drehbücher Michaela Spiegel hat in Tübingen, Vancouver und Prag evangelische schunglebt als derFilmregisseurin Universität Wien;in Wien. zahlreiche Sie schrieb Publikati den Artikel- dem Studium der Rechtswissenschaften auf Foto- in Jerusalem. Er arbeitet als Nahostkorrespondent des für ihre Filme. Die NU-Chefin vom Dienst ist in Belgrad gebo- Die NU-Rätseltante studierte Malerei an der Theologie studiertEric und Frey lebt seit 1994 mit seiner Familie onen„Gepackte zum Nationalsozialismus; Koffer“ für NU, ansonsten Die Frauen aber Drehbücher der Nazis grafie. In den letzten Jahren setzte sie ihren Fokus Peter Rigaud ren, wo sie Ethnologie, Kultur- und Sozialanthro- Angewandten in Wien und der École nat. sup. Christlichen Medienverbundesist Redakteur bei KEP. der Wiener Tageszeitung „Der wurde zum internationalen Bestseller. vor allem auf dokumentarische Aspekte. in Jerusalem. Er arbeitet als Nahostkorrespondent des fürstudierte ihre Filme. Fotodesign pologie am studierte. renommierten Sie lebt Lette- seit 2007 in Wien und des Beaux Arts in Paris. Sie zählt sich zur Schule Standard“, Österreich-Korrespondent der Londo- Christlichen Medienverbundes KEP. Verein in Berlin. istNach Mitarbeiterin dem Studium von M-Media.arbeitete er des feministischen Irrealismus. Zahlreiche Aus- ner Wirtschaftszeitung „Financial Times“ und der lange Zeit in New York, Chicago und Cleveland. stellungen und Publikationen. Jacqueline GodanyLondoner Wirtschaftszeitschrift „The Economist“ DanielleSeit 2006 Speralebt und arbeitet er in Berlin und Danielle Spera Anatol Vitouch lebt als Fotografinsowie in Wien.Buchautor. DasWien. NU-Gründungsmitglied ist Direktorin des Jacqueline Godany DasDanielle NU-Gründungsmitglied Spera ist Direktorin des ist Schachmeister und Absolvent der Wiener Jüdischen MuseumsCharles Wien. Lewinsky Davor war sie ORF-Journa- Anatol Vitouch lebt als Fotografin in Wien. JüdischenDas NU-Gründungsmitglied Museumsist Schriftsteller. Wien. Davorist Sein Direktorin warletzter sie Romandes schildert das Filmakademie.ist Schachmeister Gründungsmitglied und Absolvent der Wiener der Jacqueline Godany listinThomas und Moderatorin.Schmidinger Sie studierte Publizistik- und ORF-JournalistinJüdischen MuseumsLeben und Wien. des Moderatorin. Schauspielers Davor war Sie sie und studierteORF-Journa Regisseurs -Kurt Gerron. KünstlervereinigungFilmakademie. Gründungsmitglied „DIE GRUPPE“. der Künstler- ist auf Porträts spezialisierte Fotojournalistin und Politikwissenschaft,Der Politikwissenschafter u. a. Autorinund Sozial- des und Buches Kultur- Hermann Publizistiklistin und Moderatorin. und RuthPolitikwissenschaft. Lewinsky Sie studierte Publizistik- und vereinigung „DIE GRUPPE“. Mutter einer Tochter. Sie lebt und arbeitet in Nitschanthropologe – Leben studierteund Arbeit. Arabisch, Türkisch und Politikwissenschaft,begann u. a. als Autorin Grafikerin, des wurdeBuches dann Hermann Cranio-Sacral- Wien. Auf ihrem Blog blog.godany.com gibt es Spanisch in Kairo, Tunis, Istanbul und Guatemala Nitsch – Leben undTherapeutin Arbeit. und veröffentlichte im mehr über sie zu lesen. und ist Lehrbeauftragter am Wiener Politikwis- Martin Gruber Michaela Spiegelletzten Jahr ihren ersten Gedichtband. senschafstinstitut. arbeitet als Architekt in Wien. Fotografiert seit seiner Kind- Die NU-Rätseltante studierte Malerei an der Ange- Martin Gruber MichaelaMichaela Spiegel SpiegelPeter Menasse HerbertHerbert Voglmayr Voglmayr heit. Derzeit studiert er Immobilienmanagement. wandten in Wien und der École nat. sup. des Beaux arbeitet als Architekt in Wien. Fotografiert seit seiner Kind- DieDie NU-Rätseltante-RätseltanteDer NU-Chefredakteurstudierte Malerei Malerei anwar an der derHandelskaufmann Ange Ange- - NachNach dem dem Studium Studium derder Sozial- Sozial- und und Wirtschafts- Wirtschaftswissen - Nina Horaczek ArtsKatjaNU in Paris.Sindemann Sie zählt sich zur Schule des feministi- heit. Derzeit studiert er Immobilienmanagement. wandtenwandten inin Wienund und Kolumnist der École in nat.dernat. Stadtzeitung sup.sup. des des Beaux Beaux Falter . schaftenwissenschaften berufliche berufliche Tätigkeit Tätigkeit an deran der Universität und in der ist Politologin und Redakteurin im Politik-Ressort schenDie Journalistin, Irrealismus. Regisseurin Zahlreiche und Ausstellungen Autorin meh -und Arts in Paris. SieEr zählt ist derzeit sich zur selbstständiger Schule des feministi PR-Fachmann,- Universität und in der Erwachsenenbildung. der Wochenzeitung „Falter“. Während ihrer Artsrerer in Bücher Paris. („Mazzesinsel Sie zählt sich Kochbuch“, zur Schule „Götter des feminis- - Erwachsenenbildung. Seit 2004 freiberuflicher Publizist. Publikationen. Kommunikations- und Organisationsberater Seit 2004 freiberuflicher Publizist. Neben seiner Babykarenz reiste sie mit ihren Kindern Fanny (5 tischenschenspeisen. Irrealismus. Irrealismus. Kochbuch Zahlreicheder Zahlreiche Weltreligionen“, Ausstellungen Ausstellungen Metro und- und Neben seiner Tätigkeit für NU verfasst er Kultur- und Wein- in Wien. Tätigkeit für NU verfasst er Kultur- und Wein- Jahre) und Jasper (6 Monate) quer durch Israel. Publikationen.Publikationen.verlag) leitet die Media Office. reiseführer durch italienische Weinregionen. Erwin Javor Anatol Vitouch reiseführer durch italienische Weinregionen. ist Unternehmer. Seine Firma Frankstahl ist das füh- ist Schachmeister und Absolvent der Wiener Erwin Javor Anatol VitouchFritz Neumann Peter Weinberger rende österreichische Stahlhandelsunternehmen. Der Filmakademie. Gründungsmitgliedist Sportredakteur der der Tageszeitung Der Standard war bis 2008 Professor für Allgemeine Physik an ist Unternehmer.Georg Seine MarkusFirma Frankstahl ist das füh- istPetra Schachmeister Stuiber und Absolvent der Wiener NU-Mitbegründer und langjährige Herausgeber ist PetraKünstlervereinigung Stuiber und Buchautor.„DIE GRUPPE“. Er ist Vater zweier Söhne. Kittyder TU Weinberger Wien und ist seitdem Gastprofessor an rende österreichischeIst „Kurier“-Kolumnist, Stahlhandelsunternehmen. Autor von TV-Dokumen- Der Filmakademie.Die studierte Theaterwissenschafterin Gründungsmitglied der ist Dajgezzen-Partner von Chefredakteur Peter Menasse. studierte Kommunikations- und Theaterwissen- istder Übersetzerin. New york University. Sie arbeitete Er ist auch bis literarischzu ihrer Pensionie - NU-Mitbegründertationen, und langjährige zeitgeschichtlichen Herausgeber Büchern ist („Wie die Künstlervereinigung„Chronik“-Ressortleiterin „DIE der GRUPPE“. Tageszeitung schaften und ist Chefin vom Dienst bei der Tages- rungtätig. bei der OSZE. Dajgezzen-PartnerZeit von vergeht“, Chefredakteur „Die Enkel Peter der Tante Menasse. Jolesch“) und „Der Standard“ und Buchautorin. zeitung Der Standard. Biografien (Sigmund Freud, Die Hörbigers, Karl Eva Konzett Farkas). Im Herbst erscheint „Was uns geblieben Peter Weinberger Seit 2008 im Journalismusist. Das österreichische tätig. Themenfeld Familienbuch“. Eva Konzett warPeter bis 2008Weinberger Professor für Allgemeine Physik an der TU Osteuropa mit Schwerpunkt Rumänien. Lebt Wien und ist seitdem Gastprofessor an der New York Seit 2008 im JournalismusCornelia Mayrbäurl tätig. Themenfeld warHerbert bis 2008 Voglmayr Professor für Allgemeine Physik an der TU als freie Journalistin in Wien. University. Er ist auch literarisch tätig. Osteuropa mit Schwerpunktist Senior Consultant Rumänien. des Public-Affairs-Bera- Lebt 54 nWienNach u und3·2013dem ist Studium seitdem der Gastprofessor Sozial- und Wirtschafts- an der New York Barbara Tóth Peter Weinberger als freie Journalistintungsunternehmens in Wien. Kovar & Köppl. Zuvor University.wissenschaften Er ist berufliche auch literarisch Tätigkeit tätig. an der schrieb sie als außenpolitische Redakteurin bzw. istUniversität promovierte und inHistorikerin, der Erwachsenenbildung. Buchautorin und war bis 2008 Professor für Allgemeine Physik an der Korrespondentin für „Die Presse“, „Kurier“, „For- LeiterinSeit 2004 des freiberuflicher Ressorts der Publizist. Wiener Neben Stadtzeitung seiner Falter. TU Wien und ist seitdem Gastprofessor an der New Ida Labudovi´cmat“, „NZZ am Sonntag“ und „Die Zeit“. WolfgangTätigkeit für NU Weisgram verfasst er Kultur- und Weinrei- York University. Er ist auch literarisch tätig. Die NU-Chefin vom Dienst ist in Belgrad geboren, wo seführer durch italienische Weinregionen. Peter Menasse Ida Labudovi´c berichtetWolfgang für den Weisgram Standard aus dem Burgenland und sie Ethnologie, Kultur- und Sozialanthropologie studier- dabei auch von dessen jüdischer Vergangenheit. Der NU-Chefredakteur war Handelskaufmann, Die NU-Chefin vomVerena Dienst Melgarejo ist in Belgrad geboren, wo berichtetLukas Wieselberg für den Standard aus dem Burgenland und Kolumnist in der Stadtzeitung Falter und Pres- te. Sie lebt seit 2007 in Wien und ist Mitarbeiterin von sie Ethnologie, Kultur-ist 1986 und geboren Sozialanthropologie und in Berlin aufgewachsen. studier- dabeiist Wissenschaftsredakteur auch von dessen jüdischer bei Ö1 undVergangenheit. sesprecher von Caspar Einem und ist seit 1999 M-Media. te. Sie lebt seit 2007Nach inihrer Wien Matura und ist2005 Mitarbeiterin lebte und arbeitete von sie science.ORF.at. geschäftsführender Gesellschafter der PR-Agen- in Cochabamba/Bolivien und in Buenos Aires/ M-Media. tur communication matters. Argentinien. Seit fast drei Jahren lebt sie als Fotografin in Wien. Charles Lewinsky 8. Kammermusikfestival Schloss Laudon ist Schriftsteller. Sein letzter Roman schildert das Leben des Charles Lewinsky Schauspielers und Regisseurs Kurt Gerron. ist Schriftsteller. Sein letzter Roman schildert das Leben des Wien 14., Mauerbachstrasse 43 Ruth Lewinsky Schauspielers und Regisseurs Kurt Gerron. begann als Grafikerin, wurde dann Cranio-Sacral-Therapeutin € Ruth Lewinsky Tickets: 38 und veröffentlichte im letzten Jahr ihren ersten Gedichtband. € 54 nbegann 3·2010 als Grafikerin, wurde dann Cranio-Sacral-Therapeutin Abo I (5 Konzerte): 160 u € und veröffentlichte im letzten Jahr ihren ersten Gedichtband. Abo II (6 Konzerte): 170 Oe1 Erm. Internet: www.schlosslaudonfestival.at 54 n u 4·2013 Email: [email protected] 54 n u 4·2013 Tel/Fax.: +43-1-971 74 49

25.8., 19:30: Ravel, Eisler, Chausson 26.8., 19:30: Purgina, Weigl, Schubert 27.8., 19:30: Stutschewsky, Eisler, Martinů, Kodály 28.8., 19:30: Korngold, Dvořák, Castelnuovo-Tedesco 29.8., 19:30: Mahler, Korngold, Eisler, Puccini, Respighi,

de Chausson 30.8., 11:00: Pleyel, Schönberg, Beethoven

Aron Quartett: L. Müller, B. Kobori, G. Hamann, C. Pantillon Weitere Mitwirkende: K. Flieder, B. Schmid (Violine), M. Bianchi, A. Haering, K. Okerlund (Klavier), J. Baechle

P ac hn er , CC-B Y - S A 2.0 N o rbert (Mezzosopran), A. Levitin (Sprecher) © Impresario: P. Weinberger

58 2 | 2015 Politische Farbenlehre

Dajgezzen und Chochmezzen* Die autorinnen Dieser ausgabe von a bis z Politische Farbenlehre

Martin Engelberg RainerRainer Nowak Nowak und Peter Menasse haben sich zum Dajgezzen im Café Engländer getroffen. Das Der NU-Mitherausgeber ist Betriebswirt- DerGespräch ständige führt NU-Mitarbeiter in die große, ist weiteJournalist Welt. Von England und Griechenland über Wien und schafter, Psychoanalytiker, Coach und Con- bei der Tageszeitung „Die Presse“. Der Vater das Burgenland bis nach Süditalien und Kuba sultant. Er ist im Schnittbereich Politik/ gehtzweier die verbaleTöchter Reise.leitet das Die Chronik-Ressort Farbe Violett kommt Psychoanalyse und Wirtschaft/Psycho- und istbei gemeinsam den beiden mit gar Christian nicht gut Ultsch an. für analyse tätig. die „Presse am Sonntag“ verantwortlich. Menasse: Ich bin froh, dass wir uns hässliches Violett. Man sieht ja, wie so hat unser Landesfürst eine gar diesmal im Café Engländer treffen meine Wiener Austria derzeit ab- nicht weise Entscheidung getroffen. Erwin Javor und nicht wieder in einer der SpelunThomas- stinkt. Schmidinger Die sollten ihr Dress auf reines Er regiert schon seit fünfzehn Jahren, ken oder Kantinen, die du so interes- Rot ändern. und er will scheinbar unter allen Um- sant findest. Nowak: Ich dachte, Rot plus Blau ständen auf ewig bleiben. Nowak: Erstens wohnst du hier, ergibt Neos-Magenta. Nowak: Ich nehme zur Kenntnis, Der NU-Herausgeber und ständige und in deinem Alter sollte manDer dir PolitikwissenschafterMenasse: Die Farbflächen und derSozial- Neos unddass du ablenkst, weil du dich davor Kolumnist ist Unternehmer. Seine Firma nicht zu lange Strecken zumuten.Kulturanthropologe Und im Burgenland sind studierte zu klein, Arabisch,um ir- fürchtest,Tür- mit mir über die Wiener zweitens gibt es hier eine zentrale gendeine Tönung darauf zu erkennen. Politik zu reden. Vermutlich wurden Frankstahl ist das führende österreichische politische Botschaft, die du wiekisch immer und Neos Spanisch und Burgenland in Kairo, ist etwa Tunis, wie Istanbuldu und NU mit Inseraten gekauft. Stahlhandelsunternehmen. nicht verstehen wirst. Ich bin jaund mehr Guatemala Kärnten und und KPÖ ist oder Lehrbeauftragter wie Wien und amMenasse: Was bitte sind Inserate? der Engländer. Also quasi der Briten- ÖVP. Alles zwar bunte Vögel, aber eher Wir wären schon zufrieden, wenn alle Versteher, statt dir, dem Griechen-Wiener Politikwissenschafstinstitut.in der Größenordnung Kolibri. unsere Leser ihre Abos zahlen wür- Versteher. Nowak: Bitte hör sofort auf. Es gibt den. Aber die Wiener Politik ist doch Menasse: David Cameron ist doch auch so etwas wie Artenschutz, und langweilig. Immer nur den Namen viel zu liberal für dich. Er hat gera- der Wiener Wahlkampf ist eine ernste Häupl schreiben, hat wenig Schmäh. Mary Kreutzer de das Schwulen-Plebiszit in IrlandDanielle Sache. Spera Nowak: Bravo. Dir ist gelungen, was ist Politikwissenschafterin und Publizistin gelobt. Außerdem unterscheidet sich Menasse: Reden wir lieber über die schon lange niemand mehr geschafft Varoufakis von Cameron wie ich mich große, weite Welt statt über das kleine hat. Du konntest Häupl ernsthaft mit den Schwerpunkten Nationalsozialismus von dir. Der Grieche und ich sindDas NU-GründungsmitgliedBiotop hier. Kennst du noch ist irgendein ORF-Journa beleidigen- – von wegen er hat keinen einfach wirklich besonders schöne Land, in das man mit gutem Gewissen Schmäh. und Antisemitismus, Menschenrechte, Ent- Männer. listin undauf Moderatorin. Urlaub fahren kann? Sie Undstudierte sage PubliMenasse:- Ich würde es niemals wicklungspolitik und Flucht. Sie ist Nowak: Und du, ich habe auchzistik- keine undjetzt Politikwissenschaft bitte nicht England. (Dr. phil.),wagen, Häupl zu beleidigen. Schließ- luxuriöse Dachwohnung wie Varoufa- Nowak: Die Schweiz, weil dort die lich will ich meinen Wohnsitz in Wien u. a. Trägerin des Concordia Publizistik- kis. Über deine volkswirtschaftlichenu.a. Autorin Steuern des niedrig Buches sind. Nein,„Hermann schau Nitschja noch weiter behalten. Übrigens, preises (Kategorie Menschenrechte). Kenntnisse hülle ich mich lieber– inLeben nichtund so Arbeit“. entsetzt, das war jetzt nur stimmt es eigentlich, dass du mit Ma- Schweigen. Und es ist auch typisch, ein Schmäh. Ich fahre immer nach ria Vassilakou befreundet bist und die dass du liberal mit schwul assoziierst. Süditalien. Von dort kommt mir Ös- Presse-Kampagne gegen die Grünen Menasse: Meine Wohnung ist zwar terreichs Politik endlich wieder total nur Show ist? Sophie Lillie im letzten Stock, aber nicht luxuriös,Michaela sauber Spiegel vor. Nowak: Jetzt wirst du aber privat. sondern nur heiß im Sommer. Aber Menasse: Die Schweiz ist ja unter Menasse: So ernst ist das? ich beziehe ja auch kein Chefredak- anderem deswegen so reich, weil die Nowak: Soll ich jetzt alle deine studierte Kunstgeschichte in den USA. Von teurs-Gehalt. Die NU-RätseltanteBosse aus Süditalien studierte ihr Geld Malerei dorthin anpolitischen der Freunde outen? Nowak: Herausgeber, so viel Zeit verschoben haben. Menasse: Ja, ich habe echt seltsa- 1995 bis 2001 war sie für die Israelitische muss sein. Warum reden wir nichtAngewandten Nowak: in Als Wien Burgenländer und der müsstest École nat.me Freunde. Der beste, lieber Rainer, endlich über dein Burgenland. Wirst du konsequenterweise nach Kuba bist du! nu Kultusgemeinde im Bereich Restitution tätig. du nun Landesrat in der erstensup. blau- desreisen. Beaux Arts in Paris. Sie zählt sich Seit 2001 freie Provenienzforscherin. Sie lebt roten Regierung des Landes? zur SchuleMenasse: des feministischen Ja, gewisse Ähnlichkeiten Irrealismus. Menasse: Also Rainer, jetzt gehst sind nicht zu leugnen. Wir Burgenlän- und arbeitet in Wien. du zu weit. Da halte ich es mit denZahlreiche der sindAusstellungen auch von den Amerikanernund Publikationen. Grünen, die plakatiert haben: „Sind anerkannt. Und wir sind genauso * Dajgezzen: sich auf hohem Niveau Sorgen machen; die Roten schon ganz blau?“ Und die gesellig und lustig. Nur der Wein ist chochmezzen: alles so verkomplizieren, dass niemand – einschließlich seiner selbst – sich mehr auskennt. Helene Maimann zwei Farben ergeben gemischt Barbaraein bei unsTóth besser. Was die Politik betrifft,

1 | 2015 59 Die Historikerin, Autorin und Filmemacherin Die stellvertretende NU-Chefredakteurin unterrichtete und forschte in den Achtziger studierte Geschichte und Publizistik. Sie Jahren an den Universitäten Wien, Salzburg schreibt für den „Falter“ und die „Basler Zei- und Linz und arbeitet seit 1991 als Redak- tung“. Buchautorin, u.a. „Karl von Schwar- teurin des ORF. zenberg. Die Biografie“.

Peter Menasse

Der NU-Chefredakteur war Handelskauf- mann, Kolumnist in der Stadtzeitung Falter und Pressesprecher von Caspar Einem und ist seit 1999 geschäftsführender Gesellschaf- ter der PR-Agentur communication matters.

2·2009 nu 47 P.b.b. • Verlagspostamt 1010 Wien • Zulassungsnr.: 02Z033113M

Europa ist überall. GGK LOWE

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