Oldenburgische Beiträge Zu Jüdischen Studien Band 17
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Oldenburgische Beiträge zu Jüdischen Studien Band 17 Oldenburgische Beiträge zu Jüdischen Studien Schriftenreihe des Studiengangs Jüdische Studien in Fak. IV der Carl von Ossietzky Universität Band 17 Herausgeber Aron Bodenheimer, Michael Daxner Kurt Nemitz, Alfred Paffenholz † Friedrich Wißmann (Redaktion) mit dem Vorstand des Studiengangs Jüdische Studien und dem Dekan der Fakultät IV Mit der Schriftenreihe „Oldenburgische Beiträge zu Jüdischen Studien“ tritt ein junger Forschungszweig der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg an die Öffentlichkeit, der sich eng an den Gegenstand des Studienganges Jüdische Studien anlehnt. Es wird damit der Versuch unternommen, den Bei- trag des Judentums zur deutschen und europäischen Kultur bewusst zu ma- chen. Deshalb sind die Studiengebiete aber auch die Forschungsbereiche in- terdisziplinär ausgerichtet. Es sollen unterschiedliche Themenkomplexe vor- gestellt werden, die sich mit Geschichte, Politik und Gesellschaft des Juden- tums von der Antike bis zur Gegenwart beschäftigen. Ein anderes Hauptge- wicht liegt auf der biblischen und nachbiblischen Religion. Ergänzend sollen aber auch solche Fragen aufgenommen werden, die sich mit jüdischer Kunst, Literatur, Musik, Erziehung und Wissenschaft beschäftigen. Die sehr unterschiedlichen Bereiche sollen sich auch mit regionalen Fragen befassen, soweit sie das Verhältnis der Gesellschaft zur altisraelischen bzw. jüdischen Religion berühren oder auch den Antisemitismus behandeln, ganz allgemein über Juden in der Nordwest-Region informieren und hier auch die Vernichtung und Vertreibung in der Zeit des Nationalsozialismus behandeln. Viele Informationen darüber sind nach wie vor unberührt in den Aktenbe- ständen der Archive oder auch noch unentdeckt in privaten Sammlungen und auch persönlichen Erinnerungen enthalten. Diese Dokumente sind eng mit den Schicksalen von Personen verbunden. Sie und die Lebensbedingungen der jüdischen Familien und Institutionen für die wissenschaftliche Ge- schichtsschreibung zu erschließen, darin sehen wir eine wichtige Aufgabe, die mit der hier vorgestellten Schriftenreihe voran gebracht werden soll. Die Herausgeber Kerstin Sarnecki Erfolgreich gescheitert Berthold Auerbach und die Grenzen der jüdischen Emanzipation im 19. Jahrhundert BIS-Verlag der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg BIS-Verlag, Oldenburg 2006 Verlag / Druck / BIS-Verlag Vertrieb: der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg Postfach 25 41, 26015 Oldenburg Tel.: 0441/798 2261, Telefax: 0441/798 4040 E-Mail: verlag@ibi t.uni-oldenburg.de Internet: www.ibit.uni-oldenburg.de ISBN 3-8142-2019-6 ISBN 978-3-8142-2019-2 Im Gedenken an meinen Vater Wolfgang Sarnecki Inhaltsverzeichnis Vorwort 11 1 Einleitung 13 2 Lebensgeschichte im historisch-politischen Umfeld 19 3 Entwicklung vom Talmudschüler zum Schriftsteller 39 4 Vernunftreligion mit pantheistischen Zügen 49 5 Humanismus und Patriotismus vor dem Hintergrund der jüdischen Identität 71 6 Akkulturation und psychosoziale Irritation 91 7 Lebenslange Fremdheit und zunehmende Gewichtung des spezifisch Jüdischen zum Lebensende hin 107 8 Zusammenschau und Ausblick 137 Bibliographie 145 Anhang: 151 Textproben Berthold Auerbachs 151 Epilog des Spinoza-Romans 151 Auerbachs Kindheitserinnerungen 154 Der Tolpatsch (Schwarzwälder Dorfgeschichte von 1843) 165 Werkeverzeichnis Auerbachs 186 Personenregister 199 Vorwort Berthold Auerbach ist zugleich die Ausnahme und die Regel im deutschen Judentum des 19. Jahrhunderts. Die Ausnahme ist er als Jude, der sich, unter Beibehaltung seines jüdischen Bekenntnisses, kulturell wie sozial aus dem schwäbischen Landjudentum in die oberen Schichten der Berliner Gesell- schaft heraufarbeitete. Die Regel ist er, indem er dabei auf eine Selbstidenti- fikation mit dem Deutschen (auch als christlich prädisponiertem) setzte, die dem anderthalb Jahrhunderte später Lebenden zuweilen am Rande der Selbst- verleugnung sich bewegend erscheinen mag. Damit ist Berthold Auerbach ein faszinierender Vertreter jenes Verständnisses von Emanzipation des Ju- dentums geworden, die später oft allzu undifferenziert als Assimilation be- zeichnet worden ist. Kerstin Sarnecki hat schon 2002 in ihrer von mir mitbetreuten Magisterarbeit an der Universität Freiburg (Schweiz) anhand der Briefe, die Berthold Auer- bach an seinen Freund und Cousin Jakob Auerbach über die Jahrzehnte ge- schrieben hat, den biographisch wie literarisch komplexen Weg dieses Autors mitverfolgt. Dieser führt nicht nur aus einem traditionellen in ein liberales Judentum, sondern (man möchte fast von Inversion sprechen) von einer poli- tisch radikalen zu einer dem Adel sich zumindest nahe fühlenden konservati- ven politischen Haltung. Sie führt aber auch von einer fast unerschütterlichen Zuversicht einer vollständig erfüllbaren Emanzipation zu einer bodenlosen Ernüchterung im Umfeld des Antisemitismusstreits um 1880. Im Rahmen der Arbeit an ihrer Dissertation hat Kerstin Sarnecki ihre Be- schäftigung mit der deutsch-jüdischen Geschichte intensiviert und somit die einstige Magisterarbeit mit weit größerem Wissen um die Materie, als sie dereinst verfasst wurde, überarbeiten können. Das Resultat ist eine klarsichti- ge Analyse jener Schriftstellerexistenz, die ihren Impetus aus der Hoffnung und Absicht einer sinnvollen Synthese zwischen Deutschsein und Jüdisch- bleiben verdankte, sich aber einer gewissen irreduziblen Distanz zum nicht- jüdischen Deutschen dennoch immer gewiss gewesen zu sein scheint. In subtiler Weise bezieht die Verfasserin die Briefe Auerbachs auf seine Wer- ke, sie liest die Untertöne, die Projektionen (etwa einer jüdischen Traditions- verbundenheit auf die christliche) mit und hebt sie hervor. Als wesentliche Erkenntnis tritt dabei hervor, dass wohl Emanzipation, nicht aber Einwurze- 12 lung (die nicht allein eine Frage der Präsenzdauer, sondern vielmehr einer konventionellen Forderung war) einklagbar war und dass gerade das über ju- ristische Gleichberechtigung hinausweisende Mehr, das die Juden in diesem Einwurzelungsversuch einforderten, zur Hauptquelle ihrer Frustration wurde. Dieses Buch liest sich deshalb mit Gewinn nicht nur für Wissenschaftler, de- nen der Schriftsteller Berthold Auerbach am Herzen liegt. Es ist auch ein Buch, in dem die geistige Geschichte des deutschen Judentums im 19. Jahr- hundert eingefaltet ist. Basel, im März 2006 Alfred Bodenheimer 1 Einleitung Der deutsch-jüdische Schriftsteller Berthold Auerbach (1812–1882) führt während 52 Jahren (von April 1830 bis Februar 1882) einen intensiven Brief- wechsel mit seinem Cousin Jakob Auerbach, den er im Herbst 1827 in Karls- ruhe kennen gelernt hat.1 Während die Biographie Berthold Auerbachs im nächsten Kapitel ausführlicher dargestellt werden wird, möchte ich an dieser Stelle diejenige des Briefpartners Jakob Auerbach kurz beleuchten: Der jüdi- sche Theologe und Pädagoge Jakob Auerbach (1810–1887), der als Sohn ei- nes Lehrers in Emmendingen (Baden) geboren wird, ist von seinem Vater zum Rabbiner bestimmt worden und studiert seit 1825 in Mannheim und seit 1827 in Karlsruhe den Talmud. Daneben absolviert er eine Lehrerausbildung, die zur Ausbildungsvorschrift für württembergische jüdische Theologen ge- hört. Er arbeitet von 1830 bis 1832 als Lehrer im Karlsruher Lyzeum und stu- diert von 1832 bis 1835 evangelische Theologie, Geschichte und Philosophie in Heidelberg. Anschließend nimmt er eine Tätigkeit als Religionslehrer an einer Schule in Wiesbaden an, wo sich eine freundschaftliche Beziehung zu Abraham Geiger, der in Wiesbaden als Rabbiner amtiert, entwickelt.2 1836 dissertiert Jakob Auerbach an der Universität Tübingen zum Thema Ueber den Kampf und Gegensatz zwischen den Sokratikern und Sophisten und ar- beitet im Anschluss daran als Erzieher in Wien. Von 1843 an unterrichtet Jakob Auerbach an der Real- und Volksschule der israelitischen Gemeinde in 1 Es irritiert, dass Auerbach seinen Verwandten, der ebenfalls in Süddeutschland aufgewach- sen ist, erst im Alter von 15 Jahren kennen lernt. Dies ist jedoch angesichts der Anfang des 19. Jahrhunderts noch recht schwierigen Reisebedingungen vorstellbar. Bezüglich des Ver- wandtschaftsverhältnisses sind die Quellenangaben der Sekundärliteratur nicht einheitlich: Hans Otto Horch und Gabriele von Glasenapp sprechen von Berthold und Jakob Auerbach als Cousins, ohne ihre Quelle anzugeben (Gabriele von Glasenapp, Spielarten jüdischer Identitätsbestimmung im frühen 19. Jahrhundert. Berthold Auerbachs Spinoza-Roman, in: Spinoza in der europäischen Geistesgeschichte, Hrg.: Hanna Delf, Julius H. Schoeps und Manfred Walther, Berlin 1994, 289-304, hier: 291 und Hans Otto Horch, Gustav Freytag und Berthold Auerbach – eine repräsentative deutsch-jüdische Schriftstellerfreundschaft im 19. Jahrhundert. Mit unveröffentlichten Briefen beider Autoren, in: Jahrbuch der Raabe- Gesellschaft, Hrg.: Josef Daum, Hans-Jürgen Schrader, Braunschweig 1985, 155–174, hier: 156). Anton Bettelheim spricht in seiner Biographie lediglich von ‚entfernten Verwandten‘, ohne das Verwandtschaftsverhältnis näher zu bestimmen (Anton Bettelheim, Berthold Auerbach. Der Mann – Sein Werk – Sein Nachlass, Stuttgart / Berlin 1907, 47). 2 Wie es scheint, hat Jakob Auerbach das Rabbinerexamen nicht absolviert, da er als Lehrer, Redakteur und religionspädagogischer Schriftsteller, nicht aber als Rabbiner, wirken wird. 14 Frankfurt a. M. und gibt zusätzlich Hebräischunterricht am Städtischen Gym- nasium, um schließlich 1865 die Leitung des dortigen Flersheimschen Insti- tuts zu übernehmen. Daneben engagiert er sich als Redakteur und Mitarbeiter