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Zoologisch-Botanische Datenbank/Zoological-Botanical Database

Digitale Literatur/Digital Literature

Zeitschrift/Journal: Virgo - Mitteilungsblatt des Entomologischen Vereins Mecklenburg

Jahr/Year: 2015

Band/Volume: 18

Autor(en)/Author(s): Hädicke Christian W., Sombke Andy

Artikel/Article: Erstnachweis von pinetorum Szeptycki, 1984 (: Eosentomidae) in Mecklenburg-Vorpommern 44-45 Virgo, Mitteilungsblatt des Entomologischen Vereins Mecklenburg 18 (2015), Heft 1, erschienen Februar 2016: HÄDICKE. et al.: Erstnachweis von Eosentomon pinetorium Szeptycki, 1984 (Protura: Eosentomidae) in Mecklenburg-Vorpommern: 44-45, 1 Abb., Schwerin

Erstnachweis von Eosentomon pinetorum Szeptycki, 1984 (Protura: Eosentomidae) in Mecklenburg-Vorpommern

CHRISTAN W. HÄDICKE, STEPHAN M. BLANK & ANDY SOMBKE

Abb. 1: Habitus und elektronenmikroskopische Details von Proturen. A: Habitus eines Vertreters der Gattung Acerentomon Silvestri, 1907. B: REM–Aufnahme von Eosentomon pinetorum, Seitenansicht. Die Pfeile weisen auf die abdominalen Beinrudimente. C: REM-Aufnahme des Pseudoculus von E. pinetorum. D: REM-Aufnahme der Ventralseite des Vordertarsus von E. pinetorum. Die Pfeile weisen auf die bestimmungsrelevanten Sensillen, das Sensillum e befindet sich proximal und das Sensillum g distal. Abkürzungen: MP: Maxillarpalpus, MS: mesothorakales Bein, MT: metathorakales Bein, P: prothorakales Bein, PO: Pseudoculus.

Die Protura, Beintaster, sind eine kleine Gruppe wie auch die Antennen reduziert. Die Vorderbeine ursprünglicher Insekten, die versteckt in der ersetzen die Antennen funktionell (Hädicke et al. Bodenstreu leben und so nur einen geringen 2015). Sie besitzen sogenannte Pseudoculi (BEDINI Bekanntheitsgrad besitzen. Tatsächlich ist diese & TONGIORGI 1971, HAUPT 1972), die den Insektengruppe erst seit Anfang des 20. Schläfenorganen der Collembola und einige Jahrhunderts mit der Erstbeschreibung von Myriapoda homolog sind (HAUPT 1973); diese SILVESTRI (1907) bekannt. Die erste umfangreiche Sinnesorgane nehmen wahrscheinlich Monografie zu dieser Gruppe lieferte BERLESE Luftfeuchtigkeit wahr. Die ersten (1909). Hundert Jahre später sind weltweit Abdominalsegmente weisen rudimentäre mittlerweile 787 Arten beschrieben (SZEPTYCKI Beinanhänge auf. Adulte Proturen weisen elf 2007). In Deutschland sind aktuell 41 Arten Abdominalsegmente und ein Telson auf (der bekannt (BALKENHOL & SZEPTYCKI 2003). Protura ursprüngliche Zustand aller Insekten). In der stehen an der Basis der Insekten und sind somit Postembryonalentwicklung werden besonders wichtig für Einblicke in den evolutiven Abdominalsegmente ergänzt (sog. Anamerie oder Erfolg der Insekten und zählen mit 0,5 bis 2,5 mm Anamorphose) (vergleiche Abb. 1). Als einzige Körperlänge zu ihren kleinsten Vertretern. Mit ihrer Vertreter der entognathen Insekten weisen Proturen versteckten Lebensweisegehen mehrere externe Genitalien auf. Anpassungen einher. So sind die Komplexaugen

44 Virgo, Mitteilungsblatt des Entomologischen Vereins Mecklenburg 18 (2015), Heft 1, erschienen Februar 2016: HÄDICKE. et al.: Erstnachweis von Eosentomon pinetorium Szeptycki, 1984 (Protura: Eosentomidae) in Mecklenburg-Vorpommern: 44-45, 1 Abb., Schwerin

In den letzten Jahrzehnten wurden viele neue BERLESE, A. (1909): Monografia dei Einblicke in die Biologie dieser interessanten Myrientomata. – Redia 6: 1–182. Insektengruppe gewonnen, jedoch sind Fragen zur HÄDICKE, C.W., BLANK, S.M., POHL, H., Fortpflanzung und Ökologie noch offen. Einen MÜLLER, C.H.G. & SOMBKE, A. (2015): Sensing Überblick über die Biologie der Protura geben die the world without antennae and eyes : external Literaturspiegel von JANETSCHEK (1970) und PASS structure and distribution of sensilla in Eosentomon & SZUCSICH (2011). Insbesondere durch ihre pinetorum Szeptycki, 1984 and on the protarsus of Ernährungsweise sind diese Insekten von Acerentomon franzi Nosek, 1965 ( : besonderem Interesse für die Bioindikation. Protura). – Soil Organisms 87: 29–49. Proturen ernähren sich von Mykorrhiza-Pilzen HAUPT, J. (1972): Ultrastruktur des Pseudoculus (STURM 1959), welche mit dem Wurzelsystem von von Eosentomon (Protura, Insecta). – Zeitschrift für Landpflanzen vergesellschaftet sind und eine Zellforschung 135: 539–551. bessere Aufnahme von Mineralstoffen vermitteln. HAUPT, J. (1973): Die Ultrastruktur des In Fichtenforsten ist die Abundanz von Proturen mit Pseudoculus von Allopauropus (Pauropoda) und die der Häufigkeit von Mykorrhiza-Pilzen korreliert. Homologie der Schläfenorgane. – Zeitschrift für Diese spezielle Abhängigkeit erlaubt eine Morphologie und Ökologie der Tiere 76: 173–191. verlässliche Beurteilung der Produktivität und des JANETSCHEK, H. (1970): Protura (Beintastler). – Gesundheitszustandes von Waldökosystemen In: HELMCKE, J.-G., STARK, D. & WERMUTH H. (STUMPP 1990). (Hrsg.): Handbuch der Zoologie IV. Band: Aus dem Norddeutschen Raum liegen Arthropoda – 2. Hälfte: Insecta. De Gruyter, Berlin: Verbreitungsdaten bis jetzt nur aus Schleswig 1–72. Holstein vor (STRENZKE 1942). In Mecklenburg- PASS, G. & SZUCSICH, N.U. (2011): 100 years of Vorpommern wurden in mehreren Waldgebieten research on the Protura: many secrets still retained. zwischen Stralsund, Anklam und Jarmen – Soil Organisms 83: 309–334. Bodenproben (15x15x10cm) entnommen und mit SILVESTRI, F. (1907): Descrizione di un nuovo Tullgren-Trichtern verschiedene Arthropoda genere di Insetti Apterigoti, rappresentante di un extrahiert. In Proben, die unter Fagus sylvatica ein nuovo ordine. – Bollettino del Laboratorio di einem Forstgebiet bei Weitenhagen südlich von Zoologia Generale e Agraria della R. Scuola Greifswald gesammelt wurden (N 54.046079 E Superiore d’Agricoltura in Portici 1: 296–311. 13.420129), konnten mehrere Individuen einer STRENZKE, K. (1942): Norddeutsche Proturen. – Proturenart gefunden werden. Bei dieser Art Zoologische Jahrbücher Systematik 75: 73–102. handelt es sich um Eosentomon pinetorum STUMPP, J. (1990): Zur Ökologie einheimischer SZEPTYCKI, 1984. Diese Art ist in ganz Proturen (Arthropoda: Insecta) in Fichtenforsten. – Zentraleuropa verbreitet (BALKENHOL & Zoologische Beiträge NF 33: 345–432. SZEPTYCKI 2003). E. pinetorum und E. vulgare STURM, H. (1959): Die Nahrung der Proturen. – SZEPTYCKI, 1984 sind nur schwierig von E. Naturwissenschaften 46: 90–91. germanicum Prell, 1912 zu differenzieren. Für die SZEPTYCKI, A. (1984): Three new species of Artunterscheidung ist die Verteilung bestimmter Eosentomon Berlese, 1909, from Poland with Sensillen auf dem Vordertarsus relevant redescription of Eosentomon germanicum Prell, (SZEPTYCKI 1984) und ohne die Anfertigung von 1912 (Protura). – Polskie Pismo Entomologiczne mikroskopischen Präparaten unmöglich. Ein für die 54: 195–213. Rasterelektronenmikroskopie fixiertes und SZEPTYCKI, A. (2007): Catalogue of the World präpariertes Individuum wurde als Belegexemplar Protura. – Acta Zoologica Cracoviensia 50B: 1– in der Zoologischen Sammlung der Ernst-Moritz- 210. Arndt-Universität Greifswald hinterlegt. Der Fund von Eosentomon pinetorum stellt somit Anschrift der Verfasser den Erstnachweis dieser Art in Mecklenburg- Christan W. Hädicke1,2 und Andy Sombke1 Vorpommern dar. Überdies hinaus ist es ebenso der 1Cytologie und Evolutionbiologie, Zoologisches erste Nachweis dieser Insektengruppe in diesem Institut und Museum, Ernst-Moritz-Arndt- Bundesland. Universität Greifswald, Soldmannstrasse 23, 17489 Greifswald Literatur 2 Abteilung Großschutzgebiete, Regional- BALKENHOL, B. & SZEPTYCKI, A. (2003): entwicklung des LUGV Brandenburg, Tramper Verzeichnis der Beintaster (Protura) Deutschlands. Chaussee 2, 16225 Eberswalde – Entomofauna Germanica 6: 7–10. Stephan M. Blank, Senckenberg Deutsches BEDINI, C. & TONGIORGI, P. (1971): The fine Entomologisches Institut Eberswalder Straße 90, structure of the pseudoculus of acercentomids 15374 Müncheberg Protura (Insecta Apterygota). – Monitore Zoologico [email protected] Italiano (n. s.) 5: 25–38.

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