Städte als Partner : Eine Gemeinde denkt unternehmerisch. Gewerbesteuer auf 235 v. H. gesenkt

Die Gemeinden spüren die Auswirkung der Finanzkrise drastisch. Finanzzuweisungen wurden gekürzt, und die Steuereinnahmen gingen zurück. Viele Kommunen sind darüber hinaus stark verschuldet und sehen sich gezwungen, die Abgaben zu erhöhen. Aus dem Dilemma führt das selten heraus. Und so bleibt müssen viele die Schließung kommunaler Einrichtungen ins Auge zu fassen, das Angebot für ihre Bürger zu kürzen und notwendige Investitionen vertagen. Die Gemeinde Bosau in Ostholstein kennt diese Sorgen nicht. Die aus 15 Ortschaften bestehende Großgemeinde will vielmehr punkten, indem sie Steuern und Abgaben nicht erhöht, sondern senkt. Der Gewerbesteuersatz wurde rückwirkend auf 235 v.H. gesenkt. Wohnungswirtschaft-heute- Autor Dr. Holmer Stahncke fragte Bürgermeister Mario Schmidt nach der Strategie, die zu dieser Steuersen- kung geführt hat.

Vielen Gemeinden in Schleswig-Holstein geht es nicht gut. Krisensitzungen, wohin Auch wir müssen sparen man guckt. Muss die Gemeinde Bosau nicht auch einsparen und kürzen? Schmidt: Auch wir müssen sparen. Die Kreisumlage wurde zum 1. Januar 2009 erhöht, und dann spüren wir bei den gesunkenen Finanzzuweisungen deutlich die Auswirkun- gen der Weltwirtschaftkrise. In dieser Situation mussten wir uns Gedanken machen, wie wir das Ganze nicht nur kompensieren, sondern gleichzeitig auch unabhängiger werden konnten. Unsere Antwort war, dass die Stärkung des eigenen Gewerbes ein richtiger Schritt sei. Wichtig war dabei, dass wir nicht zu den Gemeinden gehören, die auf einem Schuldenberg sitzen. Wir haben erstmals im vergangenen Jahr einen Kredit aufgenom- men. Bis dahin waren wir die zweitgrößte schuldenfreie Gemeinde in Schleswig-Holstein. Um für Unternehmen ein noch besserer Standort zu sein, haben wir den Gewerbe- steuersatz rückwirkend auf 235 v.H. gesenkt. Mit dem alten Satz von 315 v.H. lagen wir im Kreismittel. Bei diesem Steuersatz spielte auch die Vergabe von Fördermittel durch den Kreis Ostholstein eine Rolle. Dafür musste man bestimmte Steuersätze erfüllen. Die För- dertöpfe sind inzwischen leer, so dass der Anreiz, sich daran zu orientieren, relativ gering ist. Anstatt auf Förderungen zu hoffen, denken und handeln wir unternehmerisch und geben durch die Steuersenkung Anreize für Unternehmen, sich in Bosau anzusiedeln. Wenn man in der heutigen Situation nur durch Standortverlagerung ein paar hundert- tausend Euro mehr verdienen kann, ist das für Unternehmer doch ein Angebot.

Ist diese Strategie nicht riskant? Wenn sich keine neuen Unternehmen ansiedeln, hat Wir haben natürlich gerechnet die Gemeinde einen Verlust bei den Steuereinnahmen. Schmidt: Wir haben natürlich gerechnet, wie sich das Ganze entwickeln muss, damit sich die Steuersenkung dennoch auskömmlich gestaltet. Wir wussten bereits im Vorfeld, dass zwei Unternehmen sich für eine Ansiedlung in Bosau entscheiden würden. Das eine ist ein Unternehmen aus der Versicherungswirtschaft, das für Wohnungsbauunterneh- men tätig ist, das andere ein Lebensmittelmarkt. Wir könnten in Bosau noch zwei, drei weitere Märkte ansiedeln.

Welche weiteren Argumente können Sie ins Feld führen, um einem Unternehmen den Bosau liegt am Plöner See und lebt Umzug in eine ruhige, idyllische Gemeinde wie Bosau schmackhaft zu machen? in erster Linie vom Tourismus Schmidt: Eben diese Idylle. Wir können mit einem hohen Freizeitwert werben. Bosau liegt am Plöner See und lebt in erster Linie vom Tourismus. Neue Unternehmen müssten

Dezember 2010 Ausgabe 27 Lesen Sie wohnungswirtschaft-heute.de Fakten und Lösungen für Profis Seite 47 natürlich zu unserer touristischen Struktur passen. Verwaltungen oder andere Dienst- leistungsbetriebe wären sicherlich ausgezeichnete Zweige. An produzierende Unterneh- men müssten wir hohe Anforderungen stellen. Weder dürfte die Produktion störend sein, noch dürften die Betriebe die Ortschaften durch Anlieferverkehre belasten. Wir haben rund 200 Gewerbebetriebe in der Gemeinde, darunter eine Bootswerft, die auf die Re- paratur von Luxusyachten spezialisiert ist. Was wir nicht haben, ist ein geschlossenes, größeres Gewerbegebiet mit produzierendem Gewerbe.

Wie groß darf ein Unterneh- men sein, das sich für einen Umzug nach Bosau interes- siert? Schmidt: Ideal wäre beispiels- weise ein Dienstleistungsbüro mit bis zu 20 Mitarbeitern. In der Gemeinde stehen verschie- dene Bauernhöfe zum Verkauf. Die ließen sich zu Büros mit einem netten räumlichen Am- biente umbauen. Wir könnten 14 Meter lange 8mR- Yacht derzeit auch eine ehemalige „Feo“, Baujahr 1927 Förderschule anbieten, die aufgrund des neuen Schulgesetzes geschlossen wurde. Und da wir in fast allen Dorfschaften in Bosau Mischgebiete ausgewiesen haben, ließen sich auch Einfamilienhäuser gewerblich nutzen. Natürlich hat die Gemeinde auch noch die Möglichkeit, extra Gewerbeflächen auszuweisen. Wie groß ein Unternehmen sein darf, hängt nicht immer von uns ab. Es gibt für die Gemeinden nach dem Landesentwicklungsplan, der gerade neu gefasst wird, verschie- dene Kategorien. Wir hätten den neuen Lebensmittelmarkt beispielsweise nicht größer bauen dürfen. Seine Größe wurde auf die Einwohnerzahl berechnet.

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Briefkastenfirmen schweben ihnen nicht vor, oder? Schmidt: Für mich stellt sich da die Frage der Nachhaltigkeit. Letztlich haben wir auch Bosau als gehobener Tourismu- einen Einwohnerzuwachs zum Ziel. Wir generieren nicht nur Einkommenssteueranteile sort mit 80 000 Übernachtungen und andere Einnahmen – wir wollen unsere Schulen und Kindergärten auslasten. Mit ein hervorragendes Angebot an dem reinen Briefkasten wird die Infrastruktur der Gemeinde nicht ausgelastet. Gastronomie und Hotels. Und dann haben wir neben der Auf welche Infrastruktur können Unternehmen in Bosau denn zugreifen? Gibt es bei- schönen Landschaft noch ein spielsweise ein Glasfasernetz in der Gemeinde? vielfältiges kulturelles Angebot. In Schmidt: Das nicht. Aber wir arbeiten derzeit an einem Projekt, eine Funkversorgung, unserer über 850 Jahre alten Kir- die wir über die Aktivregion initiiert haben. Der Sendemast ist im Bau. Einer der Partner che gibt es regelmäßig Konzerte. ist der Große Zweckverband Ostholstein, der ist der Ver- und Entsorger bei uns in der Im Sommer haben wir fast jedes Region. Wenn die Anlage in Betrieb geht, sollen mindestens sechs MB kommen. Wochenende Veranstaltungen und Ausstellungen. Hier treten Musiker auf, die sonst an den Und welche Infrastruktur bieten sie den Familien, die hierher ziehen sollen? großen Häusern in London und Schmidt: Zunächst einmal hat Bosau als gehobener Tourismusort mit 80 000 Übernach- Mailand spielen. Es gibt Events tungen ein hervorragendes Angebot an Gastronomie und Hotels. Hier würden sich auch für Jugendliche die Gesellschafter von Unternehmen bei einer Tagung gut aufgehoben finden.

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Der Blick auf Bosau im Mai. Der Raps blüht gelb, grün wächst das Getreide und blau der Plöner See, mit über 30 qkm eines der schönsten Segelre- viere (Motorboote sind verboten)

Familien, die hier bauen wollen, können wir nicht nur einige Baugebiete anbieten, son- dern es stehen auch mehrere Einfamilienhäuser zum Verkauf – eine Folge des demo- graphischen Wandels. Wir haben eine eigene Regionalschule mit 450 Schülerinnen und Schülern. Die Schule haben wir gerade modernisiert – die hat unter anderem für 60 000 Euro eine neue Küche bekommen. Die weiterführenden Schulen, Gemeinschaftsschule und Gymnasium, befinden sich in und Plön. Und dann haben wir neben der schönen Landschaft noch ein vielfältiges kulturelles Angebot. In unserer 850 Jahre alten Kirche gibt es regelmäßig Konzerte. Im Sommer ha- ben wir fast jedes Wochenende Veranstaltungen und Ausstellungen. Hier treten Musiker auf, die sonst an den großen Häusern in London und Mailand spielen. Es gibt Events für Jugendliche, Beachparties, die der DLRG veranstaltet, und Discos. In Bosau kann man Golf spielen und reiten, auch haben wir einen Sportverein mit über 700 Mitgliedern für den Breitensport. Wir profitieren natürlich auch von der Nähe der Kreisstädte – zumal man hier in die Züge der Bahn einsteigen kann, wenn man geschäftlich reisen muss und nicht mit dem Auto fahren will. Hamburg erreicht man mit dem Wagen in einer Stunde, Lübeck und in 40 Minuten.

Darf sich jemand, der in Bosau bauen will, auch auf eine gesunkene Grundsteuer freuen? Schmidt: Nein, die haben wir nicht verändert. Wir haben auch vor mehreren Jahren eine Zweitwohnungssteuer eingeführt, die ebenfalls gleich geblieben ist. In Bosau wohnen an die 250 Zweitwohnungsbesitzer, von denen gut zwei Drittel aus Hamburg kommen. Die habe ich übrigens auch angeschrieben, ob sie sich nicht vorstellen könnten, ihren Geschäftssitz nach Bosau zu verlagern. www.gemeinde-bosau.de Herr Schmidt, danke für das Gespräch. www.luftkurort-bosau.de

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