10_11_001_Cover Leo Oktober 26.09.2011 21:36 Uhr Seite 1
Lieben oder Leiden Wie Jugendliche ihr Coming-out meistern
Party-People Wahnsinn Die besten Events im Oktober Die schönsten Wiesn-Bilder 3
Fusce (27) Kontakt hinzugfügen München
Mehr App braucht kein Mann. Neu ab November 2011. nearox be near me!
RZ_FinalAZHinnerk.indd 2 26.09.11 15:50 10_11_003_Editorial 26.09.2011 21:50 Uhr Seite 3
editorial
Liebe Leserinnen und Leser, Mein München/Intro 4 Titel 6 da sag‘ noch einer, die Jugend sei die schönste Zeit im Leben. Oft genug ist das Gegenteil der Fall, zumindest wenn es um lesbische, München 10 schwule oder transidente Jugendliche geht. In der ohnehin schwieri- gen Phase der Selbstfindung zwischen 12 und 17 Jahren merken sie, dass sie zudem noch anders sind – und für dieses Anderssein nur selten Portfolio 14 Wertschätzung finden. Wem sollten sie sich öffnen? Viele Eltern sind bei diesem Thema überfordert, bei Mitschülern erntet man mehr Häme Kultur 16 als Hilfe, Lehrkräfte sind willig aber hilflos, selbst der engere Freundeskreis ist vermintes Gebiet. Auch in unserer Community zwischen Sendlinger Tor und Gärtnerplatz fühlt sich ein 15-Jähriger Beautiful People 22 kaum heimisch, denn dort befinden wir uns, von spezifischen Gruppenangeboten einmal abgese- hen, mehrheitlich in einer „Über 18“-Gesellschaft. Von den Problemen homosexueller Jugendlicher zeugt eine Münchner Studie, die im September im Rathaus vorgestellt wurde. Sie macht klar: wer Ausgehen 24 leichtfertig behauptet, Homosexualität sei im Jahre 2011 doch kein Problem mehr und Lesben, Schwule und Trans längst in der berühmten „Mitte der Gesellschaft“ angekommen, der hat diese Programm 26 Gruppe wohl kaum im Blick. Wir haben mit den Machern der Studie gesprochen, mit Vertretern von Jugendgruppen aber auch jungen Menschen selbst. Und auch wenn es natürlich positive Bei- spiele und selbstbewusste Biografien gibt – sie täuschen nicht darüber hinweg, dass die Jugend, City Guide 38 die ja die schönste Zeit im Leben sein sollte, vielleicht die schwierigste ist. Während wir auf der Wiesn die letzten Tage nutzen, um im Zelt die Maßkrüge zu stemmen, zieht Nürnberg 40 draußen der Herbst ins Land. Klingt depressiv, ist es aber nicht. Denn es gibt vieles, worauf wir uns im Oktober freuen können: So sind die Partyveranstalter nach der Sommerpause wieder alle am Start. Auch Theater und Kabaretts, Kinos und Konzertsäle Museen und Galerien zeigen, was sie Kleinanzeigen 45 der schwul-lesbischen Klientel zu bieten haben. Warum der Herbst ein goldener ist, erfahrt ihr natür- lich hier. Reise 46
Einen bunten und spannenden Oktober Fernsehen 48 wünscht
Bernd Müller Letzte Seite/Impressum 50 Redaktonsleiter
6 10 20 46 Queere Jugend Lauffreudig Kultur Reise Eine Münchner Studie zeigt: Jugendli- Der diesjährige „Run for Life“: Ein Schönes Monster: In „Die Haut, in der Drei Finger, Mönche und ein heiliger che haben es nicht leicht, zu ihrer Traum-Tag für alle Teilnehmer und die ich wohne“ lässt Pedro Almodóvar das Berg: Thessaloniki und Halkidiki Homosexualität zu stehen Münchner Aidshilfe OP-Besteckt blitzen öffnen sich dem Gay-Tourismus
LEO 10/11 3 10_11_004-005_LEo 26.09.2011 21:43 Uhr Seite 4 INTRO
Glockenbach ist mein Getto
In Tracht aufs Oktoberfest gehen, mit Quentin Tarantino Geburtstag feiern und auf Bali am Strand relaxen: Worauf sich „Hanoi“-Geschäftsführer Hung Trinh im Oktober freut.
Dass der Sommer zu Ende geht, bedauern ja viele – Filme wie „Kill Bill“ oder „Pulp Fiction“ dürften den einmal, um sonntags ins „Eisbach“ zum Brunch zu für mich ist das ok. Denn wenn man die Tage sinnvoll Gästen Steilvorlagen zu geilen Kostümen geben! gehen (die „Eier Benedikt“ sind ein Traum!) oder ins gestaltet, kann man auch aus einem herbstlichen Den Geburtstag feiern wir natürlich im „Hanoi“, „Goldene Kalb“, wo einfach tolle Steaks gemacht Monat eine ganze Menge herausholen. Zum Start in wo sich im Oktober auch etwas Neues tut: Daphne, werden. Noch ein Gastro-Tipp? Gern: Im Viertel selber den Oktober werde ich den letzten Wiesn-Tag mit den David & Co. vom ehemaligen „Prinzip-Club“ machen gehe ich mindestens ein- bis zwei mal pro Woche ins Angestellten von „Hanoi“ und „Café am Hochhaus“ bei uns jetzt jeden Donnerstag Party unter dem Restaurant „Mai“ – kein nach europäischen Gesichts- im Augustiner-Zelt verbringen. Wir sind ja ein inter- Motto „Pleasure made in Munich“, denn die beiden punkten „schöner“, aber ein wunderbarer und sehr nationales Team aus Israelis, Afrikanern, Kurden, ziehen ein komplett anderes Publikum, was sich mit originaler Vietnamese in der Klenzestraße. Deutschen und mir als Asiaten, aber alle kommen unserer primär schwulen Klientel sicher hervorra- Der Höhepunkt des Monats wird aber der Bali-Ur- wir in Tracht! Für mich hat eine Stylistin sogar ein gend mischt. laub sein! Mein Mitbewohner war nach einem Besuch ganz besonderes Charivari angefertigt: es besteht Ansonsten genieße ich München im Herbst am dort so begeistert, dass wir jetzt mit einem Sechser- aus Dingen, die mir wichtig sind und zu mir passen liebsten von meiner kleinen Innenstadtterrasse, dem pack gleich drei Wochen dorthin fahren. Wir haben wie ein Buddha oder das Peace-Zeichen – und der „Café Corso“ aus. Das Glockenbachviertel ist mein eine schöne Villa mit Personal zu einem echt güns- Verschluss ist sogar als Flaschenöffner gefertigt. Das Getto! Unser Viertel ist ja wie ein kleines Dorf, das tigen Tarif. Im Urlaub kann ich so richtig abschalten, wird eine Gaudi! Café seine Terrasse und die Müllerstraße die Bühne, liege am Strand und lese viel. Mein Laptop nehme Und das nächste Event kommt schon kurz danach: auf der irgendwann jeder einmal steht. Hier laufen nur in die Hand um auf Facebook schöne Bilder zu po- ich feiere am 8. Oktober meinen 43. Geburtstag mit ständig Leute vorbei, die ich kenne, das macht ein- sten, damit alle anderen neidisch werden! Ab dem einer Party unter dem Motto „Quentin Tarantino“ – fach Spaß. Doch ich verlasse das Viertel auch gern 20. bin ich weg – see you soon!
4 LEO 10/11 10_11_004-005_LEo 26.09.2011 21:43 Uhr Seite 5
Winke, Winke! Ein letztes, royales Winken aus der offenen Kut- sche: Dr. Gabriele Weishäupl (links), seit 26 Jah- ren Leiterin des Tourismusamts München und über Bayerns Grenzen hinaus bekannte Wiesn- Chefin, fuhr heuer zum letzten Mal mit einer Kutsche beim traditionellen Trachtenzug ein. Für die „First Lady des Wiesn“ ist es das letzte Oktoberfest. Zu ihrer Ehrenfahrt hatte sie auch „Deutsche Eiche“-Wirt Dietmar Holzapfel einge- laden. Der kam prompt mit einer Regenbogen- fahne – was Weishäupl ausdrücklich begrüßte! Die beiden sind ein gutes Team: Gabriele Weis- häupl hat den lesbisch-schwulen Tourismus schon immer gefördert und München als erste Stadt Deutsch- lands von der Mitgliedschaft bei der International Gay and Lesbian Travel Association (IGLTA) überzeugt. Dietmar Holzapfel repräsentiert die Regenbogenfahnen jedes Jahr am München-Stand der Internationalen Tourismus-Börse in Berlin. Hoch die Fahnen!
Fetisch-Fürsten
Ach, als ob wir nicht schon genug „Misters“ in der schwulen Szene hätten ... Egal, am 29. Oktober kommt ein neuer hinzu: Dann wird bei der Delegiertenversammlung der 18 in der deutschsprachigen „Leder- und Fetisch Community (LFC)“ organisierten Clubs der „Mr. Fetish Germany“ gewählt werden. Damit soll aus der Riege der regionalen Fetisch-Fürsten endlich ein König geboren werden, um die schwul-schwarze Szene Deutschlands mit mehr Nachdruck zu repräsentieren. Ein neuer Titel, aber kein neues Gesicht: denn antreten darf nur, wer einen der aktuellen Mister-Titel besitzt, die landauf, landab vergeben werden. Aus München am Start: Bavarian Mr. Leather Lutz Latzel und sein Vorgänger, Thorsten Geerken, der heuer in seiner norddeutschen Heimat zum „Kohlkönig 2011“ erwählt wurde. Eine Ehre, die man im Rest der Republik vielleicht nicht ausreichend zu würdigen versteht, der Thorsten aber nochmal ganz nach oben katapultieren könnte. Ach, als ob wir nicht schon genug ...
„Ich interessiere mich einen Scheiß dafür, wer mit wem verheiratet sein will. Warum denn nicht?“
Schauspiel-Legende Clint Eastwood (81) unterstützt die Homo-Ehe: „Gebt einfach jedem die Chance, sein Leben zu leben, wie er es sich wünscht“, forderte Eastwood deren Kritiker auf.
Safer Sex ist in: 25 Prozent der in der EMIS-Studie in Deutschland be- fragten Männer hatten in den vergangenen 12 Monaten beim Sex ein mögliches HIV-Risiko. Das bedeutet, drei Viertel hatten nur geschützten Sex. „Die große Mehrheit25 der schwulen Männer setzt auch nach 30 Jahren HIV weiter konsequent auf Safer Sex“, freut sich Matthias Kuske, Kampagnenmanager des Präventionsprojektes „Ich Weiss Was ich Tu“ (IWWIT). „Das ist beachtlich und verdient Respekt.“ 10_11_006-009_Titel 26.09.2011 21:44 Uhr Seite 6
münchen TITEL Foto: www.istock.com Foto: Leiden statt Liebe Ein Coming-out ist auch im Jahre 2011 für queere Jugendliche noch immer problematisch
Sind Lesben, Schwule und Transgender in der „Mitte ming-out in der Gleichaltrigengruppe für nicht mög- Aber das soll sich ändern. Mit Blick auf die Studie der Gesellschaft“ angekommen, wie es der Diskurs in lich. Gerade den Schulen attestieren die Fachkräfte werden zwei konkrete Ziele angestrebt: Zum einen vielen Medien suggeriert? Wohl noch lange nicht, ein unfreundliches soziales Klima gegenüber LGBT- sollen homophobe Haltungen und Ereignisse ent- wenn man genauer dorthin schaut, wo die eigene Jugendlichen. „Da spiele ich lieber mal den Macho, schieden bekämpft werden, vor allem an Schulen, Identitätsfindung ihren Anfang nimmt: an jugendty- als zu meinem vermeintlichen ‚Falschsein‘ zu stehen“, wo Jugendliche zwangsläufig einen großen Teil ihrer pischen Orten und in Familien. „Da bleibt noch viel zu so Andreas Unterforsthuber von der Koordinie- Zeit verbringen. Zum anderen sei es notwendig, Fach- tun“ titelt eine aktuelle Studie zur Lebenssituation rungsstelle (siehe auch Interview S. 8). Aber auch in kräfte zum Thema „Sexuelle Identität“ besser zu von lesbischen, schwulen und transgender Kindern, Jugendzentren und anderen jugendtypischen Orten schulen, gerade in Einrichtungen der Kinder- und Jugendlichen und Eltern in München, die von der Ko- sieht es nicht viel besser aus: hier weisen 82% der Jungendhilfe. Deshalb betont OB Christian Ude: „Das ordinierungsstelle für gleichgeschlechtliche Lebens- Befragten auf homophobe Ereignisse hin. Und 80% Thema ist noch lange kein kalter Kaffee – die Studie weisen initiiert wurde. Befragt wurden knapp 800 gehen davon aus, dass Homosexualität auch in den Fa- muss ihre Wirkung über München hinaus entfalten.“ Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe in München. milien nach wie vor nicht problemlos akzeptiert wird. Denn wenn es schon im liberalen München so viel Ihr Fazit ist alarmierend. Fast 90% der Fachkräfte be- Und wie reagiert die Kinder- und Jugendhilfe? Leider Bedarf gibt, kann davon ausgegangen werden, dass tonen, dass LGBT-Jugendliche zusätzlichen spezifi- nicht immer adäquat, wie die Fachkräfte selbstkri- die Situation für LGBT-Jugendliche in ländlicheren schen Belastungsfaktoren ausgesetzt sind, wie ho- tisch bekennen. Die Lebenslagen LGBT-Jugendlicher Kommunen noch deutlich schwieriger ist. mosexuellenfeindliche Erlebnisse, Ausgrenzung und sind nach wie vor zu wenig bekannt, das spezifische CAROLIN HAGEBÖLLING Diskriminierung sowie dem damit verbundenen Ver- Fachwissen fehlt. Gerade dem inflationären Gebrauch heimlichungsdruck. Über 88% und sogar 97% der der Worte „schwul“ und „Lesbe“ als Beleidigung ste- Schulsozialpädagogen halten ein problemloses Co- hen viele hilflos gegenüber. muenchen.de/Rathaus/dir/gleichgeschlechtl/jughilfe.html
6 LEO 10/1 1 10_11_006-009_Titel 26.09.2011 21:44 Uhr Seite 7
Cem (17) „Das Wort transsexuell hab ich erst mit 16 gelernt“
Ich wurde zwar als Mädchen geboren, wusste aber immer schon, dass ich ein Junge bin. In der Realschule kam ich mir vor wie ein Tier im Zoo. Ich war dort Außenseiter: Fußball mit den Jungs ging nicht und für die Mädchen war ich nicht interessant, weil ich mich nicht ge- schminkt habe. Als ich ein Referat über den Transse- xuellen Balian Buschbaum gehalten habe, wurde das von den Mitschülern nur ins Lächerliche gezogen. Bei der Feuerwehr durfte ich nicht sein, weil ich zu schmächtig war und Krafttraining hat mich depri- miert, weil ich immer nur die muskulösen Typen ge- sehen habe, an die ich eh nie heranreichen würde. Als ich mich einem Lehrer öffnen wollte, wusste ich gar nicht wie ich das erklären sollte und habe ir- gendwas zusammen gestottert. Das Wort transse- xuell hab ich erst mit 16 gelernt! Das Internet war für mich eine Hilfe. Ich hab dort das „ftm-forum“ ge- funden und darüber viele kennen gelernt, die sind wie ich. Hier bei LEO mach‘ ich mit, weil ich ande- ren helfen möchte – hätte ich während meines Co- ming-outs so etwas gesehen, wär mir das sicher eine Hilfe gewesen. In jungen Jahren musste ich viel kämpfen, heute nicht mehr. Und das erste, was ich mit 18 mache, ist mit der Hormontherapie anzufangen. Judith (19) „Darauf hat mich niemand vorbereitet“
Mit 14 hab ich gemerkt, dass bei mir etwas anders ist – und erst- mal für mich behalten. Das war ein großer Fehler und die schrecklichste Zeit meines Lebens. Nach einigen Monaten habe ich mich meinem Vater anvertraut, der ganz großartig rea- giert hat. Und ich war unglaublich erleichtert, als ich be- nennen konnte, was mich da „befallen“ hatte – darauf hat mich niemand vorbereitet. Und dennoch war ich allein, weil Homosexualität nirgendwo thematisiert wurde. Nicht in Sexualkunde und dank des G8-Abi- turs ist es auch später aus dem Lehrplan gefallen. Mir hätten ja schon Flyer geholfen, die irgendwo ge- legen wären. Kontakte bekam ich dann übers Inter- net. Und als ich eines Tages mit Freundinnen zum Shoppen in München verabredet war, zufällig am Tag der CSD-Parade, habe ich gemerkt: schwul-lesbisches Leben ist gar nicht soweit weg! Mit 17 hat mein les- bisches Leben wirklich begonnen und ich kann nur jedem raten, sich früh zu outen. Die Angst davor ist schlimmer als die Diskriminierung, die man viel- leicht erlebt. Versteck-Strategien sind sehr an- strengend. Das kostet alles so viel Kraft und man kommt sich so verarscht vor. Diese Lei- denszeit hätte ich mir ersparen können. 10_11_006-009_Titel 27.09.2011 11:18 Uhr Seite 8
titel TITEL Foto: Carolin Hagebölling Carolin Foto: Ulrike Mößbauer und Andreas Unterforsthuber von der Städtischen Koordinierungsstelle präsentierten die Studie mit Münchens OB Christian Ude am 9. September im Rathaus. Da bleibt viel zu tun Initiator Andreas Unterforsthuber über die Münchner Studie zur Situation von lesbischen, schwulen und transgender Kindern und Jugendlichen
L Warum hat die Koordinierungsstelle L Kann die queere Szene einen L Gibt es auch strukturelle Diskriminierung? gerade diese Thematik aufgegriffen? Halt bieten? Ja. Der gesamte GLBT-Bereich ist hier nicht im Blick. Wir bekamen viele Anfragen von Eltern und Erzie- Die schwul-lesbische Szene ist meist erst ab 18 Jah- Die Abwertung von Schwulen und Lesben hat sich hern, die uns Situationen schilderten, in denen sie ren zugänglich. Es gibt zwar Angebote für junge unter anderem in die Struktur der Sprache eingeni- Ausgrenzug und Diskriminierung homosexueller Ju- Menschen, aber sie sind nicht so breit gestreut. Kin- stet und ist zu einem alltäglichem Bestandteil ge- gendlicher erlebten. Viele von ihnen stehen solchen der und Jugendliche haben ja nicht so viel Zugang zu worden. Deswegen muss das Thema auf den Tisch. Situationen hilflos gegenüber. Dem wollten wir nach- den unterschiedlichen Möglichkeiten wie Erwach- Politik und Fachwelt muss klar werden, dass Ho- gehen. sene. Zudem gibt es eine natürliche Scheu, sich in mosexualität als Querschnittsaufgabe in Erziehung diese Erwachsenenwelten hineinzubegeben. und Jugendarbeit verankert werden sollte. L Warum hat man nicht Jugendliche selbst, sondern Mitarbeiter der Kinder- und Jugend- L Kann dem nicht das Internet L Bilden Trans-Jugendliche einen hilfe befragt? entgegenwirken? Sonderfall? Zum einen kommt man an GLBT-Jugendliche einfach Das Internet ist sicher eine Möglichkeit, sich zu Das Transgender-Thema natürlich nochmal speziel- schlecht ran – man würde keine quantitativ brauch- informieren und Kontakte zu knüpfen. Aber es ler und transident zu sein, wird allgemein als belas- bare Studie zusammen bringen. Zum anderen glau- birgt auch Gefahren, denn mit dem Medium muss tender dargestellt. Die Fachkräfte haben davon noch ben viele, die Betroffenen lamentierten zu Unrecht. man umgehen können. So kann es sehr starken weniger Wissen als von jungen Lesben und Schwulen. Wir wollten verhindern, dass die Ergebnisse als ein Druck erzeugen, wenn sich ein 14-Jähriger Sachen bloßen Jammern abgetan und nicht ernst genom- anschaut, die für Erwachsene gemacht sind. L Dein wichtigstes Fazit? men würden. So haben wir Experten befragt. Außerdem mildert das nicht das Gefühl von Ein- Für viele Fachkräfte der queeren Jugendarbeit ist samkeit. die Studie eine große Stütze, denn sie untermauert, L Was sind die wichtigsten Erkenntnisse der was sie in ihrer Arbeit schon immer erfahren haben: Studie? L Wie gut sind Fachkräfte und Erzieher auf Dass Vorbehalte gegenüber Homosexuellen oder Das Coming-out ist nach wie vor ein sehr belasteter das Thema eingestellt? Transgendern in unserer Gesellschaft nach wie vor Prozess. Homophobie ist noch immer verbreitet und Sie sind mehrheitlich offen und willig, aber im Fach- auf hohem Niveau vorhanden sind. Jugendliche trifft Familien oder jugendtypische Orte werden nicht als wissen leider nicht so gut aufgestellt. Das hat aus es dabei besonders hart. Sie haben in der gesamten hilfreich eingeschätzt. So sind Jugendliche mit ihren meiner Sicht noch immer etwas mit der Tabuisierung queeren Szene am meisten zu kämpfen. Gefühlen oft allein gelassen. Einsamkeit ist generell des Themas zu tun. Das kommt in den Aus- und Fort- INTERVIEW: BERND MÜLLER eines der ganz zentralen Themen. bildungen zu wenig vor.
8 LEO 10/11 10_11_006-009_Titel 27.09.2011 11:18 Uhr Seite 9
Ein Thriller von Selbstbewusst sein
Paul (21), Sebastian (27) und Christina (20) bilden den Vorstand von diversity, dem Dachverband der les-bi-schwulen Jugendgruppen Münchens
Die Jugendlichen suchen bei uns in den Gruppen Kontakte und Vorbilder, also Leute, die ihnen zeigen, dass man queer leben kann. Zwischen 12 und 17 dreht sich ja vieles um Sexualität – und wenn man da nichts erzählen kann, ist das schon schwierig. In dem Alter testen sich viele aus und grenzen sich ab: Wir hatten hier schon 16-jährige Schwule, die in ihrer Tuntigkeit oftmals kaum auszuhalten waren. Aber das legt sich. Im Um- gang mit Eltern und Freunden ermuntern wir die jungen Leute, mög- lichst selbstbewusst mit ihrer Homosexualität umzugehen und sie nicht als Problem darzustellen. Sie sollen also nicht um Verständnis betteln, sondern diesen Fakt „verkaufen“ – mit der Zeit lässt sich so die Mehrheit der Eltern und Freunde auf ihre Seite ziehen. Für die Zukunft wünschen wir uns mehr Unterstützung von anderen Institutionen, die uns wahr- nehmen und unser Angebot verbreiten. Wir hatten einmal Schulen zu einem „Tag der offenen Tür“ eingeladen, da kam gar nichts zurück. Da- bei würden wir gern mehr in Schulen arbeiten, denn das ist das wichtig- ste Umfeld für Jugendliche.
Info, Treff und Beratung für Jugendliche ✓ diversity – Dachverband der les-bi-schwulen Jugendgrup- ANTONIO BANDERAS in pen Münchens. Betreibt auch das queere Jugendzentrum, Blumenstr. 11. diversity-muenchen.de ✓ Coming-out-Gruppe im Sub. Anmeldung persönlich oder bei der Abendberatung ab 19 Uhr im Sub. Die nächsten Termine unter subonline.org ✓ JUNGS. Freizeitgruppe für junge Schwule. jungs-muenchen.de ✓ youngsters. Freizeitguppe für schwule und bisexuelle Jungs bis 19. youngsters-muenchen.e ✓ 20+ pos. Gruppe für junge HIV-positive Menschen unter 30 Jahren. [email protected] ✓ Coming-out-Gruppe bei LeTra. Angeleitete Gruppe für lesbische Frauen. letra.de ✓ JuLes bei diversity. Freizeitgruppe für Lesben, Bis und Neugierige bis 27 Jahre. jules-bei-diversity.de AB 20.OKTOBER ✓ JuLeZ – junge Lesben bei Zora. Treff für lesbische, bisexuelle und open-minded Mädchen und Frauen von 15 bis 27 Jahren. julez-muenchen.de ✓ IM KINO GTB – Girls-Trans-Boys. Freizeitgruppe für junge Trans- Mädels und -Jungs. diversity-muenchen.de/gruppen/gtb ✓ lambda bayern. Dachverband der lesbi-schwulen CANNES FILMFESTIVAL 2011 Jugendgruppen Bayerns. .lambda-bayern.de www.ALMODOVAR.de WETTBEWERB
EL DESEO 10_11_010-013_München 26.09.2011 21:48 Uhr Seite 10
münchen
MÜNCHEN Cruisen in München Lockt Polizei schwule Cruiser absichtlich in die Falle?
In letzter Zeit kam es wieder gehäuft zu Mel- Dienstmützen, die sie auch im Halbdunkel als dungen über Pöbeleien und Übergriffe in den Polizisten erkennbar gemacht hätten. „Ich Cruising-Arealen Sendlinger Tor-Park, Engli- verstehe, dass die Polizei Kondome auf Spiel- scher Garten und Scheidplatz. Das berichtet plätzen verhindern will und wir wünschen Christopher Knoll vom Anti-Gewalt-Projekt uns, dass auch Schwule respektieren, dass des Sub (AGP), der zu verstärkter Vorsicht ein Spielplatz kein Ort für Sex ist. Aber: mahnt und rät, jeden Vorfall der Polizei an- Beamte müssen als solche erkennbar sein. zuzeigen. „Auch wenn sie in der Regel kor- Hier entsteht der Eindruck, dass Polizei ei- rekt reagiert, so kam es in letzter Zeit zu be- nen schwulen Mann bewusst in diese Situa- dauerlichen Szenen“, berichtet Knoll. So sol- tion locken wollte.“ Das AGP fordert, Spiel- len zwei Polizisten nachts im Englischen Gar- plätze in entsprechenden Gegenden erkenn- ten einen schwulen Mann auf den Spielplatz bar einzuzäunen und Durchgangswege in gelockt und anschließend mit rüden Mitteln Parkanlagen offen zu lassen. Setzt auf Aufklärung durch die Polizei und festgenommen haben. Dabei trugen sie keine bei der Polizei: Chr. Knoll. Bye, bye, Bären! Das traditionsreiche Szenelokal „Teddy Bar“ schließt Ende Oktober
Die Teddy Bar, das älteste noch existierende Szenelokal Münchens, stellt ihren Betrieb ein. Die Bar, die als Stammklientel ältere Männer und deren Freunde im Blick hatte, sind die Gäste ausgegangen. Die Teddy Bar wurde schon in den 1950er-Jahren als schwule Bar gegründet. Seit 1973 wird sie von Fridolin „Friedl“ Steinhauser geführt. Der Name stammt übrigens von den Amerikanern und der Begriff „Teddy“ für den älteren Mann. „Dieses Publikum gibt es heu- te nicht mehr“, meint der gelernte Metzger. Er hätte seinen Laden gern weiter geführt, nimmt den Verlust aber ohne allzu große Sentimentalität hin. „Schön war‘s, aber jetzt nochmal ein wenig neu denken, schadet auch nichts!“ Friedl will seine Stammgäste ab November in den ebenfalls von ihm geführten „Ochsengarten“ mitnehmen, der dann bereits ab 18 Uhr öffnen soll. „Solange ich gesund bin, mache ich weiter!“, so der 63-Jährige. Die Teddy Bar hat bereits
Friedl Steinhauser ist nur noch im Oktober Chef der „Teddy Bar“, danach einen (nicht-schwulen) Nachmieter gefunden. Die im ganzen Lokal verteilten Plüsch-Teddy- wird er hinter dem Tresen des „Ochsengarten“ zu finden sein. bären sind ab sofort als Souvenir für die Gäste zu haben.
10 10 LEOLEO10/1108/11 10_11_010-013_München 26.09.2011 21:48 Uhr Seite 11
Gut gelaufen! Beste Stimmung beim „Run for Life“
Strahlendes Wetter, gute Stimmung, fröhliche Promis und ein prima Spendenergebnis: Der run for life war am 11. September ein großer Er- folg. Bei strahlendem Sonnenschein gingen knapp 1000 LäuferInnen, unter ihnen zahlreiche ARD-Serien-Stars, auf den Parcours durch den Englischen Garten. Auch der erstmalig ausgetragene „run for kids“ hatte mit 40 lauffreudigen Kindern einen ausgezeichneten Start hin- gelegt. Am Ende des Benefizlaufes, der von einem Unterhaltungspro- gramm mit Travestiestar Baby Bubble, Sängerin Patty Turner, DJ Mar- tin und Moderator Florian Weber umrahmt wurde, konnte sich die Mün- chner Aids-Hilfe über einen Erlös von 23 575,05 Euro freuen.
Neues Kapitel Neue Hoffnung für „Max & Milian“
Noch Ende August schien die Pleite unumgänglich, die Stimmung im schwul-lesbischen Buchladen Max&Milian war entsprechend getrübt (siehe LEO September). Jetzt aber können Geschäftsführer Jan Ko- walczyk und seine Mitarbeiterin Miriam Leitner wieder hoffen: Der auf den Buchladen angesetzte Insolvenzverwalter ließ am 6. Sep- tember verlauten, dass er eine Rettung für möglich und wünschens- wert hält. Nähere Details sind nicht bekannt, doch soviel ist klar: der Ladenbetrieb in der Ickstattstr. 2 wird bis auf weiteres aufrecht er- halten. Eine gute Nachricht für Münchens Bücherwürmer, der mehr sein könnte als der berühmte Silberstreif am Horizont. 10_11_010-013_München 27.09.2011 10:50 Uhr Seite 12
münchen Monaccord Vor fünf Jahren haben sich die sechs Unter dem Motto „Rosa Waldes- lichen musikalischen Ansätzen sor- queeren Chöre Münchens zusam- nacht“ singen und spielen die gen für reichlich Vielfalt und einen men geschlossen, um im Netzwerk schwulen Sänger der Philhomoniker, Abend, an dem für jeden und jede „Monaccord“ die Sangeslust (nicht die Frauenchöre Melodiva und Lila- etwas dabei sein dürfte. Tickets zu nur) der queeren Szene Münchens munde, die kabarettistische Damen- 14 Euro für das Konzert im Schwa- anzufachen, sich gegenseitig zu för- kombo Miss-Stücke, der gemischte binger Theater Leo 17 (Leopoldstr. dern, zu unterstützen und nicht zu- a-cappella-singende Regenbogen- 17) gibt es bei Max & Milian, Lille- letzt: gemeinsame Konzertabende chor sowie das Männerensemble In- mors, im Sub, an der Abendkasse zu präsentieren. Und genau das tun cognitos. Sechs unterschiedliche und über München Ticket. Beginn ist sie in diesem Jahr am 9. Oktober. Formationen mit sechs unterschied- bereits um 18.30 Uhr.
Museumsnacht Zum 13. Mal erwachen am 15. Oktober rund 90 Mün- chner Museen, Sammlungen und Galerien zum Le- ben: Von 19 bis 2 Uhr können die Besucher weltbe- rühmte aber auch verborgene Schätze der Stadt er- kunden. Geboten werden neben den laufenden Aus- stellungen auch Sonderführungen, Konzerte, In- stallationen und Live- Performances. Das Kombi- ticket für 15,– Euro berechtigt zum Eintritt in die be- teiligten Häuser sowie zur Nutzung der MVG-Shutt- lebusse. Programmhefte und Karten sind erhältlich bei den bekannten VVK-Stellen und den beteiligten Häusern. Weitere Informationen: Marlene muenchner.de Das Münchner Filmmuseum zeigt noch bis Dezember 2011 eine umfangreiche Marlene-Dietrich-Retrospektive mit nicht weniger als 42 Terminen. Dabei decken die Organisatoren ihre ganze Karriere ab: Von den signifikanten Stumm- filmrollen (aufgeführt mit Live-Musik) über die große Gla- mour-Periode bis zu späten Gastauftritten, Konzertfilmen und Dokumentationen. Das Ganze wird ergänzt durch sel- tene Privataufnahmen, Hintergrundmaterial und Referenz- filme wie Ulli Lommels „Adolf und Marlene“ mit Rainer Wer- ner Fassbinder als Hermann Göring. Alle Termine im Pro- grammheft oder unter stadtmuseum-online.de/filmmu.htm 10_11_010-013_München 26.09.2011 21:49 Uhr Seite 13
Coming-out Neue Angebote für Lesben Am 26. Oktober beginnt im Münchner Beratungszetrum LeTra eine neue Co- ming-out-Gruppe für Lesben. Die Gruppe trifft sich zehn Abende lang jeweils mittwochs von 19 bis 21 Uhr (Kostenbeitrag 30 bis 50 Euro), Anmeldung un- ter [email protected]. Für Lesben von 16-27 Jahren bietet die Gruppe Zora des IMMA e.V. unter dem Motto „Abenteuer Coming-out“ vom 7. bis 9. Oktober ein Hüttenwochenende an. Kosten 40 Euro, Info und Anmeldung: [email protected]. Lichterzug Gedenken an Nazi-Opfer
Am 20. Oktober 1934 fand die erste große antihomosexuelle Razzia der Nationalsozialisten in München statt. In den folgenden Jahren wurden viele Männer und auch Frauen we- gen ihrer sexuellen Identität diskriminiert, eingesperrt, geschlagen und sogar getötet. Am Jahrestag der Verhaftungswelle gedenkt das forum homose- xualität münchen und die Rosa Liste der homosexuellen Opfer des Nazi-Re- gimes. Treffpunkt am 20. Oktober um 19 Uhr ist der Oberanger/Ecke Dultstra- ße. Nach den Reden folgt ein Lichterzug durch die Innenstadt, das Ziel stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest. Bar Copa Italo-Flair im Angerblock
Als Copa bezeichnet man in südli- chen Ländern einen (meist gut ge- füllten) Becher Wein, der zu günsti- gem Preis angeboten wird. Copa ist aber auch das spanische Wort für Küste. Von diesen beiden Vorbildern inspiriert, eröffnet Alexander Forst (Bar Alexander) mit seinem Partner, dem brasilianischen Barchef Sandro de Brito am 17. Oktober seine Wein- und Deli- bar „Copa“. Auf 45 Quadratmetern innen und einem kleineren Bereich außen wollen die beiden von 9-22 Uhr im Angerblock Italo-Flair und „Wohnzimmer- Feeling“ verbreiten. Mit dem „Copa“ soll an der Sendlinger Straße ein klei- nes, nettes und schickes Lokal entstehen, das mit günstigen Preisen, kleinen aber feinen Leckereien, Take-Away-Produkten und leichten Mittagsangeboten punktet. 10_11_014-015_Portfolio 26.09.2011 20:25 Uhr Seite 14
portfolio KULTUR
14 LEO 10/11 10_11_014-015_Portfolio 26.09.2011 20:25 Uhr Seite 15
Sportsfreunde KULTUR Die Fotoanthologie „Turnon Sports“ vereint Muskeln, Schweiß und Jockstraps
Mag der Schulsport für viele Schwulen auch eine Qual gewesen sein, später im Le- ben bekommt der schweißtreibende Kampf um Muskeln und Medaillen dann dafür eine sehr erotische Qualität. Wer sich nicht selbst ins Stadion oder lüstern vor die „Sportschau“ setzen will, kommt nun mit der Anthologie „Turnon Sports“ auf seine Kosten. Olympioniken, Berufssportler und Bundesliga-Heroen finden sich in der Anthologie zeitgenössischer Männerfotografie zwar nicht, dafür jede Menge sexy in Szene ge- setzte athletische Sportkerle und muskulöse Kraftprotze. Ob die tatsächlich fechten, surfen und boxen können, wie es die Inszenierungen uns weiß machen wollen, sei mal dahin gestellt. Wohl nur die wenigsten der Bauchmuskelbesitzer, die für Fotogra- fen wie Pedro Virgil Patrick Mettraux, Patrick Day und Domenico Cemmano zwar lässig einen Fußball in der Hand halten können, bekämen den im Zweifelsfalle auch ins Tor geschossen. Ist ja auch nicht notwendig. Hauptsache, der Jockstrap sitzt und die aufgesprühten Schweißperlen glänzen verführerisch. AS
„Turnon Sports“, Bruno Gmünder Verlag, 256 Seiten, geb., 29,95 Euro
LEO 10/11 15 10_11_016_021_Kultur 26.09.2011 21:52 Uhr Seite 16
musik Wieder da!
Mit dem neuen Album „Wir sind am Leben“ kehren Rosenstolz in die Öffentlichkeit zurück
h AnNa, Peter, um aus dem Titelstück eures angefühlt, als wäre es total überraschend gekommen. Das war kein Zustand mehr – weder für unser Publi- Albums zu zitieren: Habt ihr alles getan und Als ich dann versucht habe, für mich klarzukriegen, kum noch für uns. alles probiert? Und fangt ihr jetzt auch erst was da überhaupt passiert ist, fielen mir erst die Warn- richtig an? zeichen auf, die es gegeben hat. Ich konnte die ganz h Das Lied „Mein Leben im Aschenbecher“ Peter Plate: Ich glaube, dass es jetzt losgeht, dass es kleinen Entscheidungen, von denen es jeden Tag Hun- ist das einzige auf dem Album, das du, Peter, weitergeht. Damit meine ich nicht nur Rosenstolz. derte gibt, nicht mehr treffen. Also zum Beispiel, ob selbst singst. Ist das Stück eine Abrechnung Sondern vor allem das Leben an sich. Das Leben ist ich Zucker im Kaffee möchte oder nicht. Wir haben ein mit dir selbst? und bleibt aufregend – was ja überhaupt die Grund- Konzert in Hamburg gegeben, und während des Kon- Peter: Ja. Abrechnung mit Augenzwinkern. Es ist aussage von „Wir sind am Leben“ ist. zerts bin ich zusammengebrochen. Dann habe ich schonungslos und ehrlich, aber eigentlich soll die mich fit spritzen lassen, aber am nächsten Morgen ganze Platte ein Mutmach- und kein Jammerlappen- h Hat sich dein Burn-out abgezeichnet oder ging gar nichts mehr. Ich saß beim Frühstück und Album sein. Darüber zu schreiben, wie schlecht und haute dir der Zusammenbruch quasi plötzlich habe nur noch geheult. Ich konnte einfach nicht mehr. böse die Welt ist, hätte ich keine Lust gehabt. in die Fresse? Peter: Für mich hat sich das damals unmittelbar so h AnNa, hast du gemerkt, dass es Peter nicht h Wann und wo hast du den Song gut geht? geschrieben? AnNa R: Natürlich habe ich bei Peter, Peter: (lacht) Schlimme Geschichte. Ich habe in mei- wie auch bei mir und allen an- ner WG in Tottenham im Bett geraucht, bin in den deren gemerkt, dass wir auf Aschenbecher gefallen und war mit Asche besudelt. dem Zahnfleisch kriechen. Am nächsten Tag schrieb ich dann den Song. Aber wir haben alle ge- dacht, wir schaffen noch h Du bist mit deinem langjährigen Lebens- die Tour und machen partner Ulf Leo Sommer nicht mehr zusam- danach die Pause, die men. Wieso bist du danach für ein Jahr nach wir sowieso geplant London gezogen? hatten. Mir ging es Peter: Das war so eine Kurzschlusshandlung. Jedes am Ende alles Mal, wenn Ulf und ich in einem Zimmer wa- andere als gut. ren, stand die Elektrizität im 10_11_016_021_Kultur 26.09.2011 21:52 Uhr Seite 17
Nur eine Handvoll Exemplare ging vor 20 Jahren von ihren selbstherge- stellten Tonkassetten (!) über den Ladentisch von Berlins schwulem Buch- laden „Prinz Eisenherz“. Von Verkaufzahlen wie jenen 1,2 Millionen für das Album „Das große Leben“ haben Anna und Peter damals wahrscheinlich nicht einmal geträumt. Das fleißige Tingeln und die Pflege des Images als bodenständige Szeneband sollten sich auszahlen. Ihr Grand Prix-Vor- entscheidungsbeitrag „Herzensschöner“ konnte 1998 gegen den Guido- Horn-Hype zwar nicht viel ausrichten, wurde aber zum Sprungbrett in den deutschen Popchart-Himmel .
Raum. Wir wollten uns gegenseitig unserem Leben Situationen kennen- nicht weh tun, und dann ist Abstand gelernt, vielleicht auch bei den Eltern, eine gute Lösung. London hat mich dass sich Paare zerstreiten, nicht außerdem schon immer fasziniert. mehr miteinander reden – und auf Dass ich in einer sehr studenten- einmal hasst man sich. Ulf und ich wa- mäßigen WG landete, war Zufall, aber ren kurz davor, uns zu hassen. Doch im Nachhinein tat mir das sehr gut. jetzt verstehen wir uns gut. Wir sind Eine herrliche Frau aus Polen, ein Typ Nachbarn, er ist einfach in die Woh- aus Wales und ich. Das erdet. Viel- nung gegenüber gezogen leicht hatte ich einfach so einen Ab- schnitt im Leben vermisst, in dem h Was ist beim Komponieren man sich morgens wieder ums Bad die größere Herausforderung: kloppt und Rücksicht nehmen muss. Die fröhlichen Melodien wie „Überdosis Glück“ oder die eher h Ist die getragenen Nummern? Spannung Peter: Ich mag am liebsten Stücke, zwischen dir die eine melancholische Wirkung ha- und Ulf in- ben, aber trotzdem ins Bein gehen. zwischen Oder in den Arsch. Also irgendwie ei- abgebaut? nen Beat haben. Leichter fällt es mir, Peter: Ja. Es eine Ballade zu schreiben. ist wunder- bar. Wir alle h In „Irgendwo in Berlin“ heißt haben in es „Du bist älter geworden, und das steht dir richtig gut“. Be- zieht sich das auch auf euch beide? AnNa: Die Leute sagen mir: Du siehst gut aus für dein Alter (lacht). Fortsetzung nächste Seite
LEO 10/11 17 10_11_016_021_Kultur 26.09.2011 21:53 Uhr Seite 18
musik
Rosenstolz live: Immer wieder tourte das Duo erfolgreich durch Deutschland, nach dem Comeback sind vorerst keine Konzerte geplant.
Peter: Das Alter entspannt einen. Du kannst einfach nicht mehr so gut aussehen wie mit 20. Man hat mal gute Tage und mal schlechte Tage. Wenn ich das sagen darf: AnNa sieht momentan wunderschön aus. Als ich 40 wurde und auf einmal meine erste Lesebrille brauchte, war das noch ein Drama, so aussehenstechnisch. Jetzt mit 44 fahre ich nach Italien, vergesse meine Lesebrille und kaufe mir an der Tanke irgendein billiges, blaues Teil. Mir war das scheiße- gal.
h In „E.N.E.R.G.I.E geht es auch wieder ums Fallen, Aufstehen und Geläutert sein … Peter: Wobei mein Ansatz in diesem Lied ein anderer ist, nämlich: Alle Männer auf dieser Welt sind scheiße. Da geht es wieder um Ulf und mich. Ich sage, jetzt habe ich so lange gekämpft, nun gebe ich einfach mal auf und ziehe den Stecker raus. Und irgendwoher wird die neue Energie dann schon kommen.
h Denkst du jetzt immer noch, dass alle Männer scheiße sind? AnNa: Zumindest sind es ungewöhnliche Gestalten, die tem- Nicht alle beginnen ihre Karriere gleich porär und partiell so sind, wie Peter es gerade sagt. Ist nicht als Superstars. Peter Plate teilt das immer einfach mit diesen Geschöpfen. Man kann sie nicht Schicksal mit Schauspielerin Jeannette erziehen, bringt nichts. Biedermann: Sie mussten sich zunächst Peter: Ich habe jetzt eine Katze. Das Schöne an Katzen ist als Shampooneusen beim Promi-Friseur ja, dass sie immer dann kommen, wenn sie es wollen. Das ist Udo Walz durchschlagen. Mag Plate als bei so einem ungeduldigen Menschen wie mir fast schon Geschäftsmann (u. a. als Betreiber der Therapie. Berliner Lesbenbar „pour elle“ und mit h Plant ihr jetzt schon die Stadiontournee im dem schwulen Internetportal „rushclub“) nächsten Jahr? nicht immer sehr erfolgreich gewesen Peter: Das Herrliche ist: Wir planen gerade gar nicht. Wir sein, als Komponist ist er es ohne Zwei- wollen nicht planen. Wir werden sehen. fel. Rund 150 Rosenstolz-Songs sind von INTERVIEW: STEFFEN RÜTH ihm bislang veröffentlicht, hinzu kommen Lieder, etwa für 2raumwohnung, Patricia Das Album und die Single „Wir sind am Leben“ sind bei Univer- Kaas und Jasmin Wagner. sal erschienen. Mehr unter rosenstolz.de 10_11_016_021_Kultur 26.09.2011 21:53 Uhr Seite 19
genial ■■■■ ■ ■ mies Callas reloaded Exzentrisch und überirdisch: Aérea Negrot hebt ab
Aérea Negrot kennt man als energiegeladene Gastsän- gerin und Tänzerin von Hercules & Love Affair. Die Songs ■ auf ihrem Debütalbum „Arabxilla“ entziehen sich jegli- cher Kategorie. Mit einer unvergleichlichen Stimme, die ■ übergangslos zwischen Grace Jones, Nina Hagen und Ma- ria Callas pendelt, singt die Venezuelanerin auf deutsch, ■ englisch und spanisch über einen avantgardistisch-jazzi- gen Soundteppich, feuert im Militärstakkato Textsalven wie „Ich will eine Deutsche werden“ ab, um dann eine Ode an Berlin mit Piano-Begleitung zu schmachten. Et- was überambitioniert und irre sperrig – aber total span-
■■■ nend, wenn man sich drauf einlässt. BJÖRN BERNDT
Aérea Negrot: „Arabxilla“ (Bpitch Control) mysp ace.com/aereanegrot
Tori Amos Aloan: Erasure: „Night of Hunters“ „Pretty Freaks“ „Tomorrow’s World” (Deutsche Grammophon) (Muve Recordings/Indigo) (Reposit Records)
Singer/Songwriter Neosoul Synthie-Pop ■■■■■ ■ ■■■■■■ ■■■■■■
Lang, lang ist‘s her, dass Tori Amos Der Weg von der französischen In 25 gemeinsamen Jahren haben in Schwulenbars am Klavier ihre Schweiz über die deutsche Grenze Vince Clark und Andy Bell unzäh- Brötchen verdiente. Schwer vor- scheint im Musikgeschäft beson- lige Song-Perlen geschrieben. stellbar, dass sie mit ihren neuen ders weit zu sein. Nur so lässt sich Jetzt haben sie sich mit Vincent Songs dort die Stimmung erhellen erklären, dass das zweite Album „Frankmusic“ Frank frische Unter- würde. Ihr mit Streichern, Blech- der Genfer Neo-Soul-Band mit stützung ins Boot geholt, der 26- und Holzbläsern aufwändig instru- reichlich Verspätung zu uns findet. Jährige hat für Lady Gaga und die mentierter und durchkomponier- Der Sixties-Retro-Sound, von Alon Pet Shop Boys gearbeitet und den ter Liedzyklus „Night of the Hun- gepaart mit TripHop-Versatzstü- Erasure-Sound generalüberholt. ters“, unverkennbar an klassischen cken und der weichen Soulstimme Allerdings nicht das Songwriting: Vorbildern von Schubert bis Bach von Frontfrau Lyn M., ist nicht als Zu den Pluspunkten zählen die inspiriert, ist kein Garant für be- Trittbrettfahrer-Plagiat á la Win- Feuerzeug-Schwenker „What Will schwingende Partylaune. Dafür ehouse zu verstehen. Dafür I Say When You‘re Gone” und lastet auf diesen von Tori Amos kommt das Eletro-Loops domi- „When I Start To (Break it All mal mit mädchenhaft heller, mal nierte Album „Pretty Freaks“ zu Down)”. Daneben stehen uninspi- mit nachdrücklich expressiver ideenreich und eigenständig da- rierte Füllsel, „A Whole Lotta Love Stimme interpretierten Dramen her. Produzent Ian Caple (Tricky, Run Riot“ etwa klingt wie ein Ma- zuviel komprimierter und auf Dau- Alain Bashung) hat ihm ein inter- donna-Outtake, die einst energie- er anstrengender Weltschmerz. national kompatibles Format ver- geladene Stimme von Andy Bell Der Konzertsaal ist dann vielleicht liehen. Vielleicht schaffen es Aloan hat ein wenig Rost angesetzt. doch der passendere Liveort für ja, DJ Bobo als Schweizer Musikex- Freuen wir uns auf die Tour, auf der dieses ambitionierte Werk. port-Schlager abzulösen. Zu wün- die Klassiker sicher reihenweise AXEL SCHOCK schen wär‘s ihnen. AXEL SCHOCK ausgepackt werden!TORSTEN BLESS toriamos.com aloan.ch erasureinfo.com
LEO 10/11 19 10_11_016_021_Kultur 26.09.2011 21:55 Uhr Seite 20
film Oktober 2011 03.10.Melancholia DK 2011, 130 min, OmU
Einen schönen Film über das Ende der Welt hat Regisseur Lars von Trier seinen neuen Film genannt und im Gegen- satz zu den öffentlichen Fehltritten und Provokati- onen des Enfant Terrible ist ‚Melancholia’ tatsächlich das: ein wunder- schönes und tief bewegendes Meisterwerk, untermalt von der Ouvertüre zu Wagners Tristan und Isolde.mit Jimmy (David Den- cik) anfreundet und die beiden sich heimlich verlieben. 10.10.Charlotte Rampling:The Look D 2011, 94 min
Der 17-jährige Messdiener Pauly tut so ziemlich alles, um von der Klosterschule ]XÁLHJHQVHOEVWZHQQHU dazu eine Nonne küssen muss. Endlich an der High- school, verknallt er sich in den jungen Theaterlehrer. Das irritiert nicht nur seine Freundin, auch die Eltern sind schockiert. Doch der „böse“ Junge entdeckt seine Freiheit gerade erst… 17.10. Die Haut in der ich wohne Spanien 2011,120 min
0LW VHLQHP 6SLHOÀOP über einen Schönheitschir- Als Schönheitschirurg Robert bastelt sich Antonio Banderas die unverwundbare Idealfrau urgen und sein schönes Versuchsopfer kehrt der spanische Regisseur Pe- dro Almodóvar auf eine Art zu den wilden Anfängen seiner Laufbahn zurück. So bizarr und Haken schlagend der Plot, so kühl und messerscharf sezierend inszeniert er diesen eiskalten Thriller, der ganz ohne Blut und Schockeffekte auskommt und gerade deshalb für Gänsehaut sorgt. Absolutes High- Schönes Monster light des schwulen Kinoherbstes. „Die Haut, in der ich wohne“: Pedro Almodóvar lässt das OP-Besteck blitzen 24.10. Veruschka – Inszenierung (m)eines Körpers USA 2010, 98 min (OmU) Das Dümmste wäre, an dieser Stelle frau hat er sich einer fixen Idee ver- alles andere als diabolisch. Almo- die Handlung gradlinig nachzuer- schrieben. In seinem abgeschotteten dóvar hat sich in vielen seiner Re- Sie war das Supermodel der Sixties: Veruschka von zählen. Nicht nur, weil Pedro Almo- Privatlabor entwickelt er eine künst- giearbeiten lustvoll und klug mit Ge- Lehndorff, deutsche Adlige dóvar ein Meister der Verschachte- liche Haut. Seine Forschungsergeb- schlechtergrenzen und -identitäten mit Hang zum Exhibitio- lung ist und sich seine perfekt nisse erprobt er – jenseits aller ethi- auseinandergesetzt. Überraschend nismus. Und wer könnte EHVVHUHLQH%LRJUDÀHEHU konstruierten Dramen erst durch die schen wie gesetzlichen Schranken – ist, wie er hier in der Verwandlung diese schillernde Pop-Iko- verschiedenen Zeitebenen ent- am lebenden Objekt. Sein wehrloses von Vincente in Vera mehr Fragen ne drehen als Warhol-Re- gisseur Paul Morrissey? Das faszinierende schlüsseln und daraus ihre Span- Opfer ist Vicente (Jan Cornet), den aufwirft, als er selbst zu beantwor- Porträt spannt sich von ihrer Kindheit in Na- nung beziehen. Im Falle von Almo- er in einem Luxusverlies gefangen ten bereit ist. zideutschland über ihre Model- und Schau- spielkarriere (Antonionis ‚Blow Up’) bis zu ih- dóvars „Die Haut, in der ich wohne“ hält und Stück für Stück in einen mo- In seine trashig-bunten, erotisch- rer heutigen Wahlheimat Brooklyn, wo sie als käme zudem eine recht unglaub- dernen Frankenstein verwandelt: grellen Filme konnte man sich als Zu- Avantgardekünstlerin arbeitet. würdige, geradezu haarsträubende das Ebenbild von Ledgards qualvoll schauer leichter verlieben. „Die 31.10. In their Room - Berlin Synopsis zustande, die eher einen verbrannter Ehefrau Vera (Elena Haut, in der ich wohne“ wirkt über USA 2011, 61 min billigen Horror-Movie um einen ver- Anaya). weite Strecken so aseptisch und un- Der San Francisco- rückten Wissenschafter denn ein Almodóvar wäre nicht Almodóvar, terkühlt, wie das von Trockeneisne- er Filmemacher Travis Psychodrama vermuten ließe. wenn sich nicht noch ein halbes Dut- bel dampfende Forschungslabor. An- Matthews macht mit seiner Reihe „In their Room“ über Antonio Banderas, der den Auf- zend weiterer motivischer Spielebe- ders als in Almodóvars letzten Großstadthomos und ihr stieg zum Hollywoodstar seinen Rol- nen und Seitenstränge zu einem großen Dramen wie „La mala educa- Sexleben Station in Ber- len in Almodóvar-Filmen zu verdan- komplexen Psychothriller verdichte- ción“ und „Zerrissene Umarmun- lin, wo er eine Handvoll Schwule zwischen 30 und ken hat, steht nach über 20 Jahren ten. Dabei gönnt sich Almodóvar gen“ finden Herz und Hirn hier nicht LQGHUHQ6FKODI]LPPHUQÀOPWXQGVHKULQWLP erstmals wieder für seinen Entde- zwar einige Hitchcock-Referenzen, so recht zusammen. AXEL SCHOCK und voyeuristisch über Sex reden und teilwei- se auch recht explizit praktizieren lässt. cker vor der Kamera. Banderas spielt auf naheliegende Horrormomente den besagten skrupellosen „mad aber verzichtet er ganz. So unter- „Die Haut, in der ich wohne“. Spanien präsentiert von scientist“ in Gestalt des plastischen kühlt, geradezu klinisch rein war 2011. Regie Pedro Almodóvar. Mit Antonio Banderas, Elena Anaya, Chirurgen Dr. Robert Ledgard. Nach noch keiner seiner Filme. Banderas Marisa Paredes, Jan Cornet. 117 min., • jeden Montag 21:15h dem tragischen Unfalltod seiner Ehe- wirkt in seinem High-Tech-OP-Saal Kinostart 10.10. • im Atelier-Kino, Sonnenstr. 12 (U Sendlinger Tor oder Karlsplatz) • Kartenvorbestellung: Tel. 59 19 18 10_11_016_021_Kultur 26.09.2011 21:55 Uhr Seite 21
Mitten aus dem Leben Sabine Huttels schwuler Kurzgeschichtenband „Slalom“
Auf den ersten Blick sind es ganz all- witweten Vaters, der auf seine alten tägliche Situationen: Ein Kaffeeklatsch Tage plötzlich mit einem anderen bei einem Freundespaar. Ein Enkel Mann zusammenzieht. räumt die Wohnung der verstorbenen Was banal oder konstruiert daher- Großmutter aus. Im Familienkreise kommen könnte, erweist sich als ge- wird ein Hochzeitsvideo geguckt. nau beobachtet. Tatsächlich basieren Aus diesen zunächst recht unspek- die Kurzgeschichten der im Ruhrge- takulären Situationen entwickelt Sabi- biet lebenden Autorin auf Interviews, ne Huttel in ihren Erzählungen ganz die sie mit Freunden und in einem unaufdringliche, differenzierte Mo- Schwulenzentrum geführt hat. Dies mentaufnahmen schwulen Lebens nicht zuletzt verleiht diesen unaufge- jenseits des Szene-Party-Lebens. Von regt erzählten Erzählungen über einem offen schwulen Leben können Schwulenhass, Selbstfindung und Co- die meisten Figuren in ihrem Kurzge- ming-out einen überzeugenden, aut- schichtenband „Slalom“ ohnehin bis- hentischen Ton. AXEL SCHOCK lang nur träumen. Der eine beispiels- weise sitzt in der norddeutschen Pro- vinz und betäubt seine geheimen Sehnsüchte vorerst noch mit Chips, ein anderer starrt sehnsüchtig auf die strammen Fußballerwaden seiner Mannschaftskameraden und traut sich ebenso wenig den ersten Schritt. Dann Sabine Huttel: wieder lamentieren zwei erwachsene „Slalom“. Erzäh- lungen. fhl Kinder am Telefon besorgt über die Verlag, brosch., seltsamen Anwandlungen ihres ver- 115 S., 11,95 Euro Chaotische Familie „Schweine züchten in Nazareth“ von Amanda Sthers
„Schweine abzulehnen, das ist das Ein- von Harry geschiedene Mutter Moni- zige, worin Juden und Muslime sich que zum Vorwurf macht. Und dann ist einig sind“, sagt die Pariser Autorin da noch der Rabbi, der mit Harry we- Amanda Sthers. Der jüdische Kardio- gen der Schweine kämpft und ihm loge Harry macht sich mit seiner darüber zum Freund wird. Schweinezucht folglich keine Freunde Mächtig was los also zwischen Is- – ausgerechnet in Nazareth. Der Aus- rael, Paris und New York, wohin es die steiger legt sich mit dem örtlichen Protagonisten verschlagen hat. Rabbi an, in der eigenen Familie, vor Sthers gelingt es, die Konflikte kurz- der er mit seinem neuen Lebensinhalt weilig und temporeich zu entwickeln geflohen ist, stößt er auf Unverständ- und auch die besondere Situation im nis. HeiligenLand einzubeziehen. Das geht Mit „Schweine züchten in Naza- nicht wirklich in die Tiefe, macht aber reth“ ist Sthers ein äußerst lebendi- dennoch viel Spaß. Zumal diese Ge- ger Briefroman gelungen, der gleich- schichte der Einsamkeiten die tatsäch- sam berührt wie amüsiert. Im Zen- lich Liebenden am Ende über alle Dis- trum steht Harrys Familie, die sich in tanzen zueinander führt. SM Briefen und eMails aufs herzlichste be-
schimpft, worin sich nichts mehr als Amanda Sthers: die große Liebe zueinander verbirgt. „Schweine züch- Harrys Sohn David ist ein erfolgrei- ten in Nazareth“. Aus dem Franzö- cher Theaterautor, doch der Vater sischen von Ka- kann mit dessen Schwulsein nichts an- rin Erhardt. fangen und bricht mit dem Sohn. Luchterhand, 192 Seiten Tochter Annabel läuft älteren, verhei- Klappenbro- rateten Männern hinterher, was ihr die schur, 16,99 Euro
LEO 10/11 21 10_11_022-023_Beauty 26.09.2011 20:23 Uhr Seite 26
beautiful people
Bare Butt-Contest@Bau AUSGEHEN
Wiesn Warm-up@Deutsche Eiche
Wiesn Warm-up@Melchers
1 Jahr Jenny tanzt@Oberangertheater
26 LEO 07/11 Celebrate@Hanoi-Bar 10_11_022-023_Beauty 26.09.2011 20:24 Uhr Seite 27