Fotografieren Wie Ein Profi 469 Seiten, Gebunden, in Farbe, Juli 2015 39,90 Euro, ISBN 978-3-8362-3007-0
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Know-how für Fotografen. Leseprobe Unsere Augen stellen fortlaufend auf alle Objekte scharf, die uns interessieren. Und eine Foto- kamera? Sie »sieht« die Welt immer aus einem bestimmten Blickwinkel, durch ein bestimmtes Objektiv, zu einem bestimmten Zeitpunkt. Eine Eigenheit der Kamera ist es dabei, den Fokus auf einen bestimmten Teil des Bildes zu richten. Ob mit Autofokus oder manuell, das Objektiv stellt auf einen Bildteil scharf und hebt diesen dadurch in seiner Bedeutung hervor. Letztlich sind wir es natürlich, die einen Teil im Bild bewusst scharfstellen, und indem wir das tun, treffen wir eine Entscheidung hinsichtlich der Hierarchie der Bildelemente. In dieser Leseprobe machen wir uns mit diesem wichtigen gestalterischen Element vertraut: der Schärfe. »Schärfe und Unschärfe« Inhalt Index Der Autor Leseprobe weiterempfehlen Björn Göttlicher Fotografieren wie ein Profi 469 Seiten, gebunden, in Farbe, Juli 2015 39,90 Euro, ISBN 978-3-8362-3007-0 www.rheinwerk-verlag.de/3675 Kapitel 3 SCHÄRFE & UNSCHÄRFE Auf die Schärfe kommt es an. Meistens. Schärfentiefe Hierarchie • Fokus Ebenen • Vordergrund Stativ • Belichtungszeit Miniaturlandschaften Bewegung • Tilt-Shift Bildstabilisator Autofokus Schärfe & Unschärfe Schön scharf Schön scharf lich der Hierarchie der Bildelemente. In diesem Kapitel machen wir uns mit die- sem wichtigen gestalterischen Element vertraut: der Schärfe. Wenn ich meinen 10-jährigen Sohn frage, was Schärfe ist – wobei ich natürlich Einfluss auf die Schärfe im Bild haben verschiedene Faktoren im Zusammen- meine: beim Fotografieren –, dann erhalte ich von ihm die Antwort: »Na scharf spiel. Hier die wesentlichen Fragen im Überblick: ist das, was richtig ist!« Die Meinung eines Kindes hat in ihrer Ehrlichkeit oft E Wohin hast du den Fokus gelegt? Der Fokus ist deine bewusste Entscheidung ein hohes Maß an Wahrheit, so dass ich ihm natürlich recht gebe, auch wenn für eine Schärfeebene. ich es ein wenig komplizierter ausdrücken würde, weil ich ein Erwachsener E Welche Brennweite hat das Objektiv? Ein Weitwinkelobjektiv verursacht eine Hierarchien bin. Ganz klar, scharf ist da, wo das rote Quadrat im Sucher meiner Kame- größere Schärfentiefe als ein Teleobjektiv. Der Hafen Vallon des Auf- ra automatisch scharfstellt, wenn ich den Auslöser halb herunterdrücke. E Wie ist unser Abstand zum Motiv? Wenn ich nah dran bin, wird die Schärfen- schaffen und den fes in Marseille am Abend. Und darin liegt die Problematik, denn das Auge oder vielmehr ich muss tiefe geringer; bin ich weiter weg, wird sie größer. Blick des Betrachters Fotografiert im Stile ja erst eine Entscheidung treffen, was das Wichtigste im Bild ist, auf das E Wie groß ist der Sensor (oder allgemeiner: das Aufnahmeformat)? Profis be- lenken! einer Miniaturlandschaft, es scharfzustellen sich lohnt. vorzugen Kameras mit einem Sensor im Kleinbildformat, auch wegen der mit einem besonderen Die ersten Fotografen hatten dieses Problem noch nicht; sie hatten eher besseren Schärfewahrnehmung. Schärfeverlauf. Was fällt das Problem, überhaupt irgendetwas scharf zu bekommen. In den Anfängen E Welche Belichtungszeit, welche Blende und welchen ISO-Wert hast du ein- dir auf? der Fotografie war das Objektiv eine technische Innovation, es war starr und gestellt? Kann Verwacklung zu Unschärfe führen, werden sich bewegende Kleinbild-DSLR | 20 mm | unflexibel, verbesserte aber die Bildqualität. Das heißt so viel wie: Mit Objek- Objekte vor der Kamera scharf abgebildet? f6,3 | 3 s | ISO 100 tiv waren die Bilder deutlich schärfer als ohne. Das war ein gewaltiger Fort- schritt, und heute verfügen wir über Objektive, die uns einen großen Gestal- tungsspielraum lassen. Außerdem haben moderne Kameras einen eingebauten Autofokus, der bei den meisten Modellen sogar auf bewegte Objekte korrekt scharfstellt. Als der Autofokus als Neuerung eingeführt wurde, hielten ihn die Puritaner unter den Fotografen natürlich für unnötig, so wie es auch heute noch Autofahrer gibt, die gerne schalten, und solche, die auf ein Automatikgetriebe schwören. Fahren kann man mit beiden Methoden. Und wie du beim Fotogra- fieren scharfstellst, ist eine Frage der Übung und der Gewohnheit. Auch waren die Bildresultate der ersten Autofokus-Aufnahmen häufig mittig komponiert, da die automatische Scharfstellung in der Mitte am einfachsten war. Darüber sind wir heute technisch hinaus, denn sogar die Smartphones stellen mittler- weile auf jede beliebige Stelle im Bild scharf, und das in Sekundenbruchteilen. Unsere Augen stellen fortlaufend auf alle Objekte scharf, die uns interessie- ren. Unser Gehirn verarbeitet permanent Unmengen an Informationen – nicht zuletzt das, was unsere Augen sehen. Und eine Fotokamera? Sie »sieht« die Welt immer aus einem bestimmten Blickwinkel, durch ein bestimmtes Objektiv, zu einem bestimmten Zeitpunkt. (Auf den Aspekt der Zeit bin ich im vorherigen Kapitel eingegangen.) Eine Eigenheit der Kamera ist es dabei, den Fokus auf ei- nen bestimmten Teil des Bildes zu richten. Ob mit Autofokus oder manuell, das Objektiv stellt auf einen Bildteil scharf und hebt diesen dadurch in seiner Be- deutung hervor. Letztlich sind wir es natürlich, die einen Teil im Bild bewusst scharfstellen, und indem wir das tun, treffen wir eine Entscheidung hinsicht- 86 87 Schärfe & Unschärfe Schärfentiefe Kompaktkameras, die einen kleinen Sensor haben, liefern durch die Anwen- Schärfentiefe dung der Automatik und eine fixe Scharfeinstellung meist Ergebnisse, die so aussehen, als wären sie von vorn bis hinten scharf. Obwohl das durchaus ein- Schärfe wird als das Zusammenspiel von Auflösungsvermögen und Kontrast mal nützlich sein kann, wird durchgängige Schärfe häufig als langweilig emp- definiert. Wie eingangs erwähnt, wird als Schärfentiefe der Bereich bezeichnet, Die Sonne bescheint ein funden. Der Blick wird einfach nicht geführt. Digitale Systemkameras verfügen der vor und hinter der durch das Objektiv definierten Fokusebene ebenfalls Meer aus Sonnenblumen in Valensole, Provence. Ich über größere Sensoren – Four Thirds, APS-C, Kleinbild etc. –, die einen deutlich scharf ist. Die Schärfentiefe ist dabei abhängig von der gewählten Blende und suchte nach einer Kompo- unscharfen Bereich vor und hinter einem scharfgestellten Motiv ermöglichen. dem Abbildungsmaßstab, d. h. der Distanz zum abgebildeten Objekt. Beim so- sition mit Schärfe, Schär- Man spricht hier auch vom Freistellungspotential. Der scharfe Bereich in einem genannten Abblenden, also der Wahl einer kleineren Blendenöffnung, nimmt fentiefe und Unschärfe. Bild wird als Schärfentiefe bezeichnet (manchmal auch »Tiefenschärfe« – fälsch- die Schärfentiefe zu. Blende f6,3 ergab mit licherweise, denn der Begriff »Schärfentiefe« wurde nach meinen Recherchen Einen ganz entscheidenden Einfluss auf die Schärfentiefe hat die Blende, die dem leichten Teleobjektiv 1970 genormt; in Deutschland hat eben alles seine Ordnung). du an deiner Kamera einstellst. Eine Blende ist ein in ein Objektiv eingebautes einen fast auf dem Bild messbaren Grad (auf einer Hier siehst du, wie die Grundsätzlich machen fast alle Fotografen lieber scharfe Bilder als unscharfe rundes System aus variablen Lamellen, das sich öffnen und schließen lässt und Distanz von etwa 3 bis 15 Schärfe auf dem Bild – ich auch. Ausnahmen gibt es natürlich auch hier immer wieder, aber wir be- das so, im Moment der Aufnahme, mehr oder weniger Licht durch das Objek- Metern) an Schärfentiefe. liegt: Sie kommt von links schäftigen uns in diesem Kapitel in erster Linie damit, worauf du achten musst, tiv lässt. Die Blendenöffnungen haben numerische Bezeichnungen, die in be- hinten, macht die Runde um schön scharfe Aufnahmen zu machen. Schärfe ist in der Regel das erste stimmten Schritten eine Halbierung der Lichtdurchlässigkeit anzeigen: Kleinbild-DSLR | 140 mm | f6,3 | 1/640 s | ISO 100 | um die Hafenmole und technische Kriterium für ein gelungenes Bild. 1,4 – 2 – 2,8 – 4 – 5,6 – 8 – 11 – 16 – 22 … Raw steigt dann zur Burg hoch. Schau dir das Foto des alten Hafens in Marseille auf der vorherigen Seite Das Bild ist manipuliert – genau an, und mach dir ein paar geistige Notizen: Wie nimmst du die Schärfe eine Kamera kann so nicht fotografieren. Bei ihr liegt wahr? Was fällt dir beim Betrachten des kleinen Hafens auf? Auf welche Details die Schärfe immer auf im Bild achtest du zuerst, auf welche Stellen weniger? Schau einmal die Straße einer Ebene, parallel zum links im Bild entlang bis zum Ende und lass deine Augen wieder nach vorn ans Objektiv und zum Sensor. Hafenbecken wandern. Bemerkst du die Ebene der Schärfe im Vordergrund? Sieh jetzt hoch zur Burg. Fällt dir auf, wie sie dir entgegenzuspringen scheint, wie sie nach vorn drängt? Und dabei ist sie eigentlich doch ziemlich weit hinten. Ich will gerne helfen: Es handelt sich um ein manipuliertes Bild, eine Art Fo- tomontage. Der Verlauf der Schärfe ist rein fotografisch so nicht zu erzielen. In ein Foto kann man keine krumme Schärfe legen, denn Schärfe verläuft normalerweise stets parallel zum Ob- jektiv und zur Sensor- oder Filmebene. Hier auf dem Hafenbild ist der Schärfe- verlauf ein Produkt von Photoshop. Re- alisiert mit dem Hintergedanken, deine Sehgewohnheiten auf die Probe zu stel- len. Und so aufgerüttelt, können wir uns nun den wesentlichen Fragen nähern … 88 89 Schärfe & Unschärfe Schärfentiefe Jeder Wert bedeutet eine Halbierung der Öffnungsgröße, wobei größere Zahlen Schärfentiefe ist nicht endlos steigerbar; alles von vorn bis hinten scharf zu be- für eine kleinere Blendenöffnung stehen. kommen, ist nicht so einfach. Auch lässt bei der Wahl einer