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Von Prof. Dc Monika Nenon, University of Memphis K12 13

Sophie von La Roches literarische Beziehungen zwischen 1771 bis 1780

Nach einer kurzen Erinnerung an den zeitgenössi­ Kaufleuten, Pfarrern, Lehrern, Professoren, Juristen und schen Kontext' soll zunächst das vielleicht wichtigste Medizinern, die in den sich politisch und ökonomisch literarische Werk der Schriftstellerin Sophle von La langsam ausdifferenzierenden Staaten und Städten Roche, die„Geschichte desFräulein von Sternheim", vor­ immer wichtiger wird. Die Lesefähigkeit der deutschen gestellt werden, wobei ln diesem Zusammenhang die Bevölkerung steigt gegen Ende des 18. Jahrhunderts auf Aspekte Geselligkeit, Briefkultur und literarische Öf­ 15 % und dieses neue Publikum verlangt jetzt auch fentlichkeit der Zeit besondere Berücksichtigung fin­ nach anderen Lesestoffen. Während zu Beginn des den werden, die in meinem jüngsten Buch zu Sophie 18, Jahrhunderts die Bibel und religiöse Erbauungs­ von La Rache und Friedrich Heinrich Jacobi,ßus der schriften noch weit verbreitet waren und das Lesen ein Fülle der Herzen"' breiter ausgeführt werden. Wiederholungslesenwar, wandelt sich Mitte des 18. Jahrhundertsde r Geschmack an Lektüre und wendet Als Sophie von La Roche am 18. Februar 1807 im sich welthchen Stoffen zu. Die englischen moralischen Alter von 76 Jahren stirbt, geht ein Leben zu Ende, das Wochenschriften, wie z. B. „The Spectator", finden sich in einer in historisch-politischer Hinsicht besonders auch in den deutschen Ländern Verbreitung und Nach­ spannenden Umbruchzeit, die durch Kriege und weit­ ahmer wie in den Journalen „Der Patriot" oder „Die reichende Neuordnungen in Europa und in der Neuen Diskurse der Maler".' Die Leser entwickeln sich im Welt geprägt ist, entfaltet hat. Ein gutes halbes Jahr vor 18. Jahrhundert zum literarischen Publikum, zu dem dem Todvon Sophie von La Roche gehtd as Heilige Rö­ zunehmendauch Frauen gehören.Während die Litera­ tnische Reich Deutscher Nation zu Ende; während ihrer tur der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts noch sehr Lebenszeit sieht sie den Siebenjährigen Krieg 1756 bis didaktisch orientiert ist, zeichnet sich um die Jahrhun­ 1763, die Loslösung der amerikanischen Kolonien von dertmitte mit der Rokokoliteratur, zu der ja auch Wie­ England, die in der amerikanischen Unabhängigkeitser­ land gehört, und der Anakreontik eine literarische klärung 1776 gipfelt, die Französische Revolution 1789 Richtung ab, die mehr das Vergnügen an Literatur als mit dem anschließenden Terrorreyme und den Revo­ ihre moralische Wirkung in den Mittelpunkt stellt. Der lutionskriegen, die sich auf viele deutsche Gebiete er­ Durchbruch zur Genieästhetik wird erst um 1770 mit strecken, und schließlich den Aufstieg und Erfolg Johann Gottfried Herder, dem jungen Goethe und den Napoleons, der in der Schlacht von Jena und Auerstedt Stürmern und Drängern vollzogen, die die Trennung am 14. Oktober 1806 das preußische Heer besiegt. von Literatur und Moral vollenden. In dieser Phase der Damit einher geht die Säkularisation und die Neuord­ Neuorientierung der I.iteratur und des Lesepublikums nung großer Teile der deutschen Gebiete. Auf dem Ge­ findet auch Sophie von La Roche ihren Platz, indem sie biet der Naturwissenschaften und 'lechnik werden im zunächst gezielt an den neuen Diskurs der literarischen 18. Jahrhundert beachtliche I'ortschritte erzielt. Carl Empfindsamkeit anknüpft und sich dabei vor allem an von Linnd veröffentlicht ein neues Pflanzenklassifika­ weibliche Leserschichten wendet. tionssystern, Benjamin Franklin entdeckt den Blitzab­ Betrachtet man die Herkunft von Sophie von La leiter und die Brüder Montgolfier starten die ersten Rache, so stammt sie gerade aus der neuen Schicht der Ballonfahrten.Diderot und D'Alembert fassen das ge­ leistungsorientierten, gebildeten Bürger, die im 18. Jahr­ samte Wissen ihrer Zeit in der französischen Enzyclo­ hundert immer wichtiger werden. Ihr Vater Georg pedie zusammen, die auch in den deutschen Ländern Friedrich Gutermann von Gutershofen ist Arzt, der es in große Aufmerksamkeit und weite Verbreitung findet. seinem langjährigen Wohnort Augsburg zum Dekan der Der Schriftsteller Georg Forster reist mit James Cook medizinischen Fakultät gebracht hat; er kümmert sich um die Welt und der Sklavenhandel der Kolonialländer um die Bildung seiner Kinder und unter seiner Aufsicht ist in vollem Gange. erhält Sophie Gutermann eine sorgfältige Erziehung, die Auch gesellschaftliche Veränderungen machen sich nach dem üblichen Bibelstudium auch die Fächer Geo­ bemerkbar.Aus der alten Ständegesellschafth eraus ent­ graphie, Naturkunde, Geschichte, die französische Spra­ wickelt sich langsam eine neue Schicht von Bürgern, che, Zeichnen und Malen mit einschließt. Durch Heirat die ihren Aufstieg in den Reichsstädten und in den ab­ mit Georg Michael Frank von La Roche', der als Sekre­ solutistischen Staaten nicht wie der Adel auf die erb­ tär im Dienst Graf Stadions steht und vermutlich sein liche Abstammung, sondern auf das Verdienst, d. h. auf leiblicher Sohn ist, kommt. Sophie von I.a Roche 1754 Bildung und Arbeit stützt. Diese Schicht besteht aus an den erzbischöflichen Hof von Mainz, an dem Graf Von Prof. Or. Monika Nenon, University of Memphis

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GeorgMichael F rank von La Rache und Sophie vonL a Rache 1775.

Friedrich von Stadion Minister ist und dort eine der Versorgung der Söhne und Töchter. Sie wissen, daß in höchsten Stellen im Alten Reich einnimmt. In dieser dem Zirkel der Gelehrten, meistens viele Verdienste der I Jmgebung hat sie Gelegenheit, höfische Kultur kennen Rechtschaffenheit — Wissenschaft und Nützflchkeit­ zu lernen, die im Kleinen auch in der an der franzö­ viele Bedürfnisse, aber wenig Reichthum zu finden ist, sischen Aufklärung orientierten Geselligkeitskultur der und daß die Einkünfte eines Landesherrn nicht hinrei­ Warthausener Jahre von 1761 bis 1768 fortgesetzt chend groß genug sind — die Wünsche seiner Diener, wird. Diese kulturelle Berührung einer von ihrer Her­ und seines eigenen Wohlwollens zu befriedigen.— Nun, kunft her bürgerlichen Frau mit dem Adel wird auch in für diesen ehrwürdigen in unserm Teutschland so zahl­ ihrer äußeren Erscheinung erkennbar, die Goethe im reichen Cirkel, berechnete ich die Briefe meiner Rosa­ 13. Buch von „Oichtung und Wahrheit"' zwischen s I!! Bürgertum und Adel beschreibt: „Siewar die wunder­ Nicht nur „Rosaliens Briefe", sondern im Grunde barste Frau, und ich wüßte ihr keine andre zu verglei­ alle Werke Sophie von La Roches richten sich an ein chen. Schlank und zart gebaut, eher groß als klein, hatte bürgerliches Publikum und vor allem an die Mädchen sie bis in ihre höheren Jahre eine gewisse Eleganz der und Frauen dieser Schicht. Sophie von La Roche war Gestalt sowohl als des Betragens zu erhalten gewußt, bis zum Ende ihres Lebens eine äußerst produktive und diezwischen dem Benehmen einer Edeldame und einer fleißige Autorin, die ein umfangreiches und vielfältiges würdigen bürgerlichen Frau gar anmutig schwebte." Werk hinterlassen hat. Da ihr erster Briefroman „Ge­ Während Sophie von La Roches äußere Erscheinung schichte des Fräuleins von Sternheim" ein yoßer lite­ und ihr Verhalten eher an eine Hofdame erinnern, so rarischer Erfolg in den deutschen Ländern wird, wird sind es doch die moralischen IJberzeugungen und sie zunächst als Romanautorin bekannt und dieser Werte, mit denen Sophie von La Roche aufgewachsen Ruhm begrenzt sich nicht nur auf Deutschland, denn ist und denen sie ihr ganzes Leben lang verpflichtet der Roman wird sofort in die engUsche und französische bleibt, die sie fest im Bürgertum verankern. Ihre Werke Sprache übersetzr. und findet europaweit Aufmerksam­ sind im Hinblick auf die Wirkungsästhetik der neuen keit. Auf diesen Roman werden noch sechs weitere fol­ Schicht des Bürgertums verpflichtet, in der sie ihr Lese­ gen. Sophie von La Roche war aber nicht nur publikum sieht, wie sie an vielen Stellen betont, wie Romanautorin, sondern war auch eine der ersten z. B. hier in Bezug auf ihren Roman„Rosaliens Briefe Frauen, die ein Journal selbst herausgegeben und weit­ an ihre Freundin Marianne von St.": „Junge Frauen­ gehend selbst geschrieben hat, nämlich die„Pomona".' zimmer baten mich oft um Romane — und Mütter Und sie war auch eine der ersten Frauen, die weite Rei­ machten oft die Wünsche für vermehrten Gehalt — für sen durch europäische Länder unternahm, wie z. B. durch die Schweiz", Frankreich", die Niederlande und ziehung im Elternhaus vermittelt wurden. Während England", Ihre Erfahrungen, Beobachtungen und Be­ ihre Mutter dem Geburtsadel angehört, ist der Vater ein gegnungen in diesen I.ändern hat sie anschließend in wohlgebildeter, tüchtiger und rechtschaffener Mann aus anschaulich geschriebenen Reisejournalen veröffent­ dem Bürgertum, der sein Selbstverständnis aus dem Be­ licht, die große Aufmerksamkeit fanden und einen sehr wusstsein des eigenen Verdienstes zieht. Sophie von interessanten Einblick in die Kultur der jeweiligen län­ Sternheim wird nach dem Grundsatz erzogen, dass Tu­ der geben." Neben moralischen Erzählungen" veröf­ gend und Kenntnisse bleibende ('rundlagen der Glück­ fenüicht sie dann umfangreiche Alterswerke, die man seligkeit sind, die von den Menschen und dem Schicksal alsCol lagewerke oder Erinnerungsbücher beschreiben nicht gefährdet werden können. Die Geschichte des kann, in denen ein pädagogisches Programm entwickelt Fräuleins von Sternheim besteht im Grunde darin, die wird.'" Wahrheit dieses Grundsatzes zu demonstrieren. Sophie Um einen Eindruck von dem literarischen Werk So­ von Sternheim erhält nun eine umfassende Erziehung, phie von La Roches zu vermitteln, möchte ich im Fol­ die sowohl Unterricht in Philosophie, Geschichte und genden auf ihr bekanntestes Werk, nämlich auf die den Sprachen, vor allem der englischen, als auch Un­ „Geschichtedes Fräuleins von Sternheim" eingehen. terweisung in den musischen und geselligen Künsten Ans Licht der literarischen Öffentlichkeit tritt Sophie wie Laute spielen, Singen und Tanzen mit einschließt. von La Roche mit ihrem 1771 anonym veröffentlichten Betont werden auch geschlechtsspeziTische Fähigkeiten, und von herausgegebenen wie z. B. wirtschaftliche Kenntnisse und Haushaltsor­ Entwicklungsroman „Geschichte des Fräuleins von ganisation, die sie auf die Rolle der „Führerin des gan­ Sternheim".~' Mit diesem multiperspektivischen Brief­ zen Hauses" vorbereiten. roman stellt sich Sophie von La Roche in einen euro­ Neben theoretischen, künstlerischen und prakti­ päischen literarischen Kontext, indem sie im Hinblick schen Kenntnissen soll Sophie von Sternheim vor allem auf Form und Inhalt an englische und französische Brief­ aberauch „Liebe zurT ugend" haben. Gemäß den Idea­ romane anknüpft. Samuel Richardsons Briefromane len der Empfindsamkeit" soll sich Sophie von Stern­ „Clarissa: Or the History of a Young Lady"; „Pamela: heim durch tätige Nächstenliebe und die Fähigkeit zum Or, Virtue Revvarded" und „Sir Charles Grandison" Mitleid auszeichnen. Die Fähigkeiten zur sittlichen sowie Jean-Jacques Rousseaus BriefromanJulie ou La Empfindung und zum tugendhaftenHandeln stehen Nouvelle Heloise"geben ihr formal das Muster der Gat­ zentral im Mittelpunkt der Empfindsamkeit, für die So­ tung an die Hand und enthalten inhaltlich Motive wie phie von Sternheim als eine idealtypische Vertreterin ge­ unglückliche Liebe oder die von einem lasterhaften Ver­ sehen werden kann. Johann Joachim Campe definiert führer verfolgte Unschuld sowie die Gegensätze zwi­ Empfindsamkeit geradezu als „die Fähigkeit, sittliche schenHof-Land bzw. Adel und Bürgertum, von denen Empfindungenzu haben, und in engerer und gewöhn­ Sophie von La Roche sich allgemein anregen lässt. Im licher Bedeutung, eine hohe Empfänglichkeit oder Fer­ Gegensatz zu dem fast zeitgleich erschienenen Ent­ tigkeit in lebhaften sittlichen Empfindungen".'" Ent­ wicklungsroman von Christoph Martin Wieland „Ge­ sprechend den Idealen der Empfindsamkeit ist Sophie schichte des A g athon" k o n zentriert. sich d i e von Sternheim durch Vernunft, Empfindung und üben­ „Geschichte des Fräuleins von Sternheim" auf eine de Tugend charakterisiert. Nach dem Verlust ihrer El­ weibliche Hauptfigur, auf eine „Person, welche unserm tern kommt die Protagonistin nun in die Obhut ihrer Geschlechte und der Menschheit Ehre gemacht"" und Verwandten an den „Hof nach D." Das Leben der Men­ lädt damit explizit Leserinnen zur Identifikation ein, schen am Hof ist durch höfische Tätigkeiten und Ver­ wobei vor allem Leserinnen aus der „formativen Phase haltensweisen ausgefüllt, die zu den bürgerlichen im des deutschen Bürgertums"", wie Michael Maurer es scharfen Kontrast stehen. Während der bürgerliche All­ nennen würde, gemeint sind. Anhand des Beispiels So­ tag durch Arbeit und Wohltätigkeit geprägt ist, bzw. sein phie von Sternheim zeigt der Roman die Autonomie soll, besteht das Leben am Hof von D. aus einer Reihe und die Selbstbehauptung einer jungen Frau, die in eine „abwechselnder Vergnügungen" wie z. B. Hof- und existentielle Krisensituation kommt. Diese junge Frau, Stadtvisiten, Bälle, Landpartien, Opernbesuche, Spiele, genannt Sophie von Sternheim, gehört dem niederen Theaterveranstaltungen etc. Nicht Fleiß, Ordentlichkeit Landadel an, doch repräsentiert sie ausdrücklich bür­ und Bescheidenheit sind dort wünschenswerte Werte, gerliche Werte, die ihr aufgrund einer sorgfältigen Er­ sondern gesellig-unterhaltende Talente, Pracht und Ver­ Von Prof. Dn Monika Nenon, University of Memphis

schwendung. Die Erregung der Affekte und Leiden­ Handeln entspricht den Lehren der Moral Sense-Theo­ schaften, nicht deren Disziplinierung und Kontrolle ist rie, und deshalb ist es auch kein Zufall, dass der Roman das Ziel der tages- und nächtefüllenden Aktivitäten. Ver­ in England, dem Land der bürgerlichen Hoffnung, spielt. führung wird als Mittel benutzt, um Macht zu demons­ Auf dem Landsitz der Lady Summers in England hat sie trieren und der Langeweile zu begegnen. Sophie von auch wieder Gelegenheit, englische Literatur zu lesen Sternheim ist von ihrer Erziehung und Disposition her und gesellschaftliche Kontakte wie etwa zu Lord Rich hier am denkbar ungeeignetsten Platz. Sie versucht zu knüpfen. Der Tiefpunkt ihres Lebens wird erreicht, durch Lektüre, Verteilung von Geldgeschenken, Briefe­ als Lord Derby sie in die „schottischen Bleygebürge" ver­ schreiben und Handarbeit ihre bisherige Lebensweise schleppen lässt und dort als Gefangene hält. In dieser beizubehalten, doch stößt ihr Rückzug aus dem Hofle­ äußerst schwierigen, lebensbedrohlichen Situation kann ben alsbald auf Missbilligung und Kritik. Man nimmt sie ihr eigenes Ich nur durch Selbstverständigung im Ta­ ihr die Bücher weg und zwingt sie, am Hofleben teil­ gebuchschreiben und durch übende Tugend behaupten. zunehmen und Teil der Hofgesellschaft zu werden. So­ Der Roman endet. mit der ehelichen Verbindung zu Lord phie von Sternheim versteht das als Nötigung zum Seymour, den sie schon früher geliebt hatte, aber in dem Selbstverlust und Aufgabe der eigenen bürgerlichen Roman kommt es nicht auf die Darstellung des weibli­ Identität. Als sie, um die politische Stellung ihrer Ver­ chen Lebens in der Ehe, sondern auf die Selbstfindung wandten zu stärken, dem Fürsten als neue Geliebte zu­ außerhalb der Ehe an. Konsequenterweise schließt. der geführt werden soll und sie auf einer Landpartie Roman deshalb mit der Hochzeit. unwissentlich öffentlich kompromittiert wird, sieht sie Die „Geschichte des Fräuleins von Sternheirn" in der Heirat mit dem Engländer Lord Derby, der es ver­ zeigtdi e Lebensführung einer gebildeten, empfindsa­ standen hat, ihre Aufmerksamkeit durch wohltätige men und tugendhaften Frau, die sich in einer existen­ Nächstenliebe gegenüber Armen zu erwecken, den ein­ tiellen Krisensituation nur auf sich selbst verlassen kann. zigen Ausweg darin, sich durch Heirat dem Hof zu ent­ Die Selbstbehauptung und Selbstfindung des weiblichen ziehen. Doch die Ehe mit Lord Derby erweist sich als Subjekts gelingen nur deswegen, weil die im Elternhaus Scheinehe und dem Lord, dem es in erster Linie um den erworbenen Fähigkeiten und Werte sie befähigen, dem sexuellen Besitz der schönen jungen Frau ging, zeigt Schicksal zu trotzen und ein selbstbestimmtes Leben zu sich enttäuscht, nachdem seine erotischen Erwartun­ führen. So zeigt der Roman den Lebensweg einer Frau gen in der „matten Zärtlichkeit einer frostigen Ehe­ im 18. Jahrhundert zwischen Autonomie und Anpas­ frau":" unerfüllt blieben. Alsbald verliert er das Interesse sung, wobei bemerkenswert ist, dass dieser Weg weit­ an ihr und zieht sich zurück. Nun ist Sophie von Stern­ gehend außerhalb der Ehe führt. Die Darstellung des heim allein, entehrt und auf sich selbst gestellt. Sophie selbstständigen, weiblichen Ichs lädt vor allem Leserin­ von Sternheim wird aber nicht nur als unschuldiges nen zur Identifikation ein. So schreibt Caroline Flachs­ Opfer dargestellt, sondern es wird gezeigt, dass sie mit land am 14. Juni an Herder: „Ich habe indeßen auch ihrer Entscheidung zur Konventionsehe gegen ihren ei­ (die) Geschichte der Fräulein von Sternheim gelesen. genen Grundsatz verstoßen hat und dass „Tugend und mein ganzes Ideal von einem Frauenzimmer! Sanft, Talente" immer den richtigen Weg zur Glückseligkeit zärtlich, wohlthätig, stolz und tugendhaft, und betro­ zeigen.Das Abgehen von den eigenen Grundsätzen gen. Ich habe köstliche, herrliche Stunden beym Durch­ führt zu einem Selbstverlust, der auch durch eine Na­ lesen gehabt. ach, wie weit bin ich noch von meinem mensänderung signalisiert wird. Als Mme Leidens muss Ideal von mir selbst weg!"" sie sich als alleinsrehende Frau bewähren, Der Roman Nach dem Erscheinen ihres Erstlingsromans lebt die zeigt nun in der zweiten Hälfte den langen Weg von Autorin in /Ehrenbreitstein, wo ihr Mann Selbstverlust und Selbstbehauptung des Ichs zur Selbst­ Georg MichaelFr ank von La Roche eine bedeutende findung und Selbstbestimmung des eigenen Lebens. So­ politische Stellung am Trierer Hof einnimmt. Der nun phie von Sternheim geht diesen Weg in verschiedenen rasch sich verbreitende literarische Ruhm der Autorin berufsähnlichen Tätigkeiten, die für eine Frau ihres Stan­ zieht alsbald andere Schriftsteller an, die Sophie von La des angemessen sind. Als Erzieherin, Lehrerin, Fürsor­ Roche in ihrem Haus besuchen. Dazu gehören Fried­ gerin und Gesellschafterin hat sie Gelegenheit, ihre rich Heinrich Jacobi und , Johann Kenntnisse und ihre praktischen organisatorischen Fä­ Heinrich Merck, Christoph Martin Wieland und der higkeiten zum Wohlergehen anderer anzuwenden. Ihr junge Goethe. In ihrem Haus führt Sophie von La Roche zwischen 1771 und 1780 eine Art empfindsamen, lite­ Dieser Brief, der die Ankunft Wielands im Hause La rarischen Salon, den ich im Folgenden näher skizzieren Roche und die Wiederbegegnung mit seiner alten möchte. Als Sophie von La Roche im Frühjahr 1771 ihr Freundin Sophie von La Roche im Kreise von Familien­ neues Haus in Koblenz/Ehrenbreitstein bezieht, mel­ mitgliedern und Freunden schildert, ist nun nicht als det sich als einer der ersten Gäste, die im Hause La unmittelbarer Erfahrungsbericht zu verstehen, sondern Roche empfangen werden, Wieland an, der dort am 13. ist nach Form und Inhalt gemäß den Stilmitteln der Mai 1771 eintrifft. Um einen Eindruck von der emp­ Empfindsamkeit stilisiert und inszeniert. Jacobi selbst findsamen Geselligkeitskultur der Zeit zu geben, gebraucht das Wort „Scene" und spielt damit auf das möchte ich nun im Folgenden diese Ankunft schildern, Inszenierte dieses Auftritts in der Eingangshalle des bei der auch die Brüder Jacobi aus Düsseldorf anwesend Hauses an, das an eine Theaterszene erinnert. Dieser sind. Friedrich Heinrich Jacobi hat die Ankunft Wie­ Charakter des Bühnenhaften wird noch durch Jacobis lands ausführlich in einem Brief an den Grafen Chotek Anspielung auf die französischen Schauspielerinnen Du­ in Wien geschildert: „Wieland, sagten sie uns, sey noch bois und Clairon" unterstrichen, die in Deutschland be­ nicht angekommen, sie wären ihn aber jede Minute er­ kannt sind. Sophies Stimme übertrifft in ihrer wartend. Kurz hierauf hörten wir einen Wagen rollen; empfindsamen Tonlage bei der Begrüßung von Wieland wir sahen zum Fenster hinaus — er war es selbst. Der selbst noch die geschulten Expertinnen der Schauspiel­ Herr von La Roche lief die Treppe hinunter ihm entge­ kunst. Auffallend ist die gespannte Erwartungshaltung, gen; ich ungedultig, ihm nach; und wir empfiengen un­ die sich in der Unruhe der teilnehrnenden Personen sern Freünd unter der Hausthüre. Wieland war bewegt ausdrückt. Die Wiederbegegnung zweier alter Freunde und etwas betaüibt. Während dem, daß wir ihn bewill­ wird zu einem Ereignis gemacht, das alle Anwesenden kommten,kam die Frau von La Roche die Treppe her­ in Erregung versetzt. Die innere Spannung ist kaum unter. Wieland hatte eben mit einer Art von Unruhe mehr zu ertragen und verlangt nach Entladung. Dies sich nach ihr erkundiget, und schien aüßerst ungedul­ wird aber weniger verbal ausgedrückt als vielmehr tig sie zu sehen: Auf einmahl erblickte er sie — ich sah durch Gestik und Mimik. Als Wieland endlich Sophie ihn ganz deütlich zurückschauern; er hatte dabey die sieht, fällt ihm die Körperbeherrschung schwer: Er Miene, die ich Ihnen vorher zu beschreiben versucht schaudert, zittert und schwankt. Mit einer heftigen habe.— Drauf kehrte er sich zu Seite; warf mit einer zit­ Geste wirft er den Hut auf den Boden. Gestik und ternden und zugleich heftigen Bewegung seinen Hut Mimik sind körpersprachliche Zeichen, die heftige af­ hinter sich auf die Erde, und schwanckte zu Sophien fektive Bewegung ausdrücken. Als die Freunde sich hin. Alles dieses war von einem so außerordentlichen letztlich begegnen, entlädt sich diese Anspannung der Ausdrucke in Wielands ganzer Person begleitet, daß ich Affekte in einem Strom von Tränen, der sich auf alle mich in allen Nerven davon erschüttert fühlte.—Sophie Teilnehmenden überträgt. Es wird in dieser Beschrei­ gieng ihrem Freünde mit ausgebreiteten Armen entge­ bung ganz deutlich, wie sehr sich die Personen als In­ gen; er aber, anstatt ihre Umarmung anzunehmen, er­ dividuen ernst nehmen und wie sehr sie die Bedeutung griff ihre Hände, und bückte sich um sein Gesicht des Gegenüber, der anderen Person schätzen, was in darein zu verbergen: Sophie neigte mit einer himmli­ Sprache, Gestik und Mimik der Empfindsamkeit zum schen Miene sich über ihn, und sagte mit einem Tone, Ausdruck gebracht wird. Das 18. Jahrhundert wird in den keine Clairon, und keine Dubois nachzuahmen der germanistischen Forschung häufig das Jahrhundert fähig sind: Wieland — Wieland —Oja —sie sind es —sie der Geselligkeit, der Briefkultur und Freundschaft ge­ sind noch immer mein lieber Wieland.— Wieland, von nannt. Davon lassen sich in Briefen, Autobiographien, dieser rührenden Stimme geweckt, richtete sich etwas Tagebüchern sowie in Gedichten, Liedern und Roma­ in die Höhe; blickte in die weinenden Augen seiner nen der Zeit viele Spuren finden. Einen Freund oder Freündin, und ließ dann sein Gesicht auf ihren Arm zu­ eine Freundin zu haben, der einen versteht und Ge­ rück sincken.— Keinervon den umstehenden konnte danken und Gefühle mit einem teilt, wird als hohes Gut sich der Thränen enthalten: mir strömten sie die Wan­ betrachtet, das man schätzt und kultiviert. Die Anwe­ gen hinunter; ich schluchste; ich war außer mir, und senden im Hause La Roche verstehen sich als so eine ich wüste bis auf den heütigen Tag noch nicht zu sagen, Gefühlsgemeinschaft, die durch gemeinsame Werte mit­ wie sich diese Scene geendiget, und wie wir zusammen einander verbunden sind. Die gegenseitige Wertschät­ wieder hinauf in den Saal gekommen sind."" zung macht sich in den Anreden ihrer Briefe kund, die Von Prof. Dr. Monika Nenon, University of Mernphis

häufig mit „mein liebenswürdiger Freund", oder meine im Hause La Roches entfaltete. Bekannt sind außerdem „liebe Freundin" beginnen, und eine reale Begegnung der empfindsame Kreis in Darmstadt, in dem vor allein der Freunde gilt als Höhepunkt des Lebens. Die Tage Klopstocks Oden und sein„Messias" rezipiert werden, vergehenmit gemeinsamen Gesprächen, Spaziergängen und die Kreise um Gleim in Halberstadt und um die in der freien Natur und Lesungen aus entstehenden Brüder Jacobi in Düsseldorf, die eine ähnliche literari­ literarischen Werken, Lesungen von Gedichten oder sche Kultur entfalten. In Düsseldorf macht vor allem auch Briefen. In den folgenden Jahren entwickelt sich das Erscheinen der„Leiden desj ungen Werthers" gro­ nun im Hause Sophie von La Roches eine literarische ßen Eindruck, die in diesem Kreis begeistert rezipiert Geselligkeitskultur, die viele Besucher anzieht. Bei die­ werden. Goethe schickt seinen Erstlingsroman im Sep­ sen Treffen liest man z. B. Gedichte von Johann Georg tember 1774 noch vor der Drucklegung in einer Ab­ Jacobi, Goethes„Werther" oder auch die Briefe abwe­ schrift an Sophie von La Roche, die ihn anschließend sender Freunde. Besonders geschätzt werden zum Bei­ an Friedrich Jacobi weiterschickt. Kurz darauf schreibt spiel diejenigen von Julie Bondeli, der Schweizer Friedrich Jacobi an Sophie von La Roche: „bald also, Philosophin, Femme de Lettres und Salonihre. Franz liebste Sophie, bald sehen wir uns wieder. Dann rede Michael Leuchsenring, der Unterhofmeister der Land­ ich auch mit Ihnen aus der Fülle meines Herzens von gräfin Karoline von Hessen-Darmstadt, ist für dieses ge­ Werthers Leiden. Welch ein Büchlein! Göthe weiß, daß meinsame Lesen von Briefen wohl bekannt und ein ich's ganz gefaßt habe."" häufiger Gast bei den La Roches, Der junge Goethe ver. Diese Zusammenkünfte bleiben aber nicht nur bei mittelt in seiner Autobiographie„Dichtung und wahr­ der Rezeption von Briefen und Literatur stehen, son­ heit" einen guten Eindruck von diesen Treffen, die er dern haben auch Auswirkungen auf die Organisation als Kongress bezeichnet, und beschreibt anschaulich die des Literaturbetriebs der Zeit. Begegnungen wie die im sich im Haus La Roche entfaltende Salonkultur. Von Hause La Roche können als Autorentreffen betrachtet einem Besuch bei den I.a Roches berichtet er: „Nicht werden, bei denen Schriftsteller Gelegenheit haben, lange war ich allein der Gast im Hause, Zu dem Kon­ sich persönlich kennen zu lernen, ihre Werke vorzu­ greß, der hier teils im artistischen, teils im empfindsa­ tragen und Kritik zu empfangen. Manche Wissen­ men Sinne gehalten werden sollte, war auch schaftler und Wissenschaftlerinnen zum Thema Leuchsenring beschieden, der von Düsseldorf herauf­ Schriftstellerinnen im 18. Jahrhundert vertreten die kam ... Leuchsenrings Schatullen enthielten in diesem These, dass Schriftstellerinnen weitgehend marginali­ Sinne manche Schätze. Die Briefe einer Julie Bondeli siert wurden. Natürlich stimmt diese These oft, aber im wurden sehr hoch geachtet; sie war, als Frauenzimmer Falle Sophie von La Roche kam es mir in meinem neuen von Sinn und Verdienst und als Rousseaus Freundin, be­ Buch darauf an, zu zeigen, dass Sophie von La Roche rühmt. Wer mit diesem außerordentlichen Manne nur sich zu dieser Zeit erfolgreich in die neu entstehenden irgend in Verhältnis gestanden hatte, genoß teil an der Kreise der literarischen Empfindsamkeit einschreibt, Glorie„die von ihm ausyng, und in seinem Namen war dass sie sehr geschickt ein literarisches Netzwerk auf­ eine stille Gemeinde weit und breit ausgesäet.. Ich baut und dass sie dieses Netzwerk benutzt, um ihre ei­ wohnte diesen Vorlesungen gerne bei, indem ich da­ gene Karriere als Schriftstellerin zu fördern. Sie durch in eine unbekannte Welt versetzt wurde ..."" beherrscht die damaligen Mittel der Kommunikation „Man spähte sein eigen Herz aus und das Herz der an­ hervorragend. Wie wir in dem vorher genannten Brief dern", kommentiert Goethe und berichtet auch, dass gesehen haben, dramatisiert sie persönliche Begegnun­ nicht alle mit der gleichen Begeisterung an diesen Le­ gen und macht sie zu Auftritten auf ihrer eigenen sungen teilgenommen hätten. Herr von La Roche, der Bühne. In ihrer weit verzweigten Korrespondenz geht „Welt- und Geschäftskenner", so Goethe, „entzog sich es alsbald nicht nur um die Betonung der Freundschaft, ... der Gesellschaft, wenn die Schatullen eröffnet wur­ sondern um ganz konkrete Geschäfte des Literaturbw den"und machte darueber auch seine „schalkhaften Be­ triebs, in denen einer dem anderen hilft. Dazu möchte inerkungen". Der nüchterne Aufklärer fand an diesen ich Ihnen im Folgenden einige Beispiele geben. Mit Unterhaltungen wohl wenig Vergnügen, doch Goethe, Friedrich Heinrich Jacobi z. B. tauscht Sophie von La die Brüder Jacobi, Leuchsenring waren mit Begeisterung Roche Bücher aus, die sie interessant findet, und schickt dabei. Diese empfindsame Rezeption von Briefen und ihm auch ihre eigenen Werke, wie z. B. die „Stern­ Literatur war ein Phänomen der Zeit, das sich nicht nur heim",ih re moralischen Erzählungen und „Rosaliens Briefe" mit der Aufforderung, ihre Werke zu kommen­ wie die Ihrige an meinem Götz. Ich habe sie gewünscht tieren. Umgekehrt schickt Jacobi ihr Auszüge aus sei­ das gestehe ich gerne, auch zum Teil gehofft, Sie wissen nem Briefroman „Aliwill". Auch was den Vertrieb von aber wie man ist."" Sophie hilft ihm bei dem Vertrieb literarischen Werken und Zeitschriften angeht, ist So­ seines Dramas„Götz von Berlichingen", das ihm, wie phie von La Roche sehr aktiv. Da der Vertrieb von Bü­ er selbst sagt, „seine Suppe noch nicht fett gemacht chern und Zeitschriften in der damaligen Zeit hat". Später bekommt Sophie eine der drei Abschriften weitgehend persönlich organisiert ist, kommt es darauf der „Leiden desjungen Wer ther" und liest sie mit gro­ an, Menschen persönlich zu kennen und mit ihnen zu ßer Aufmerksamkeit. Umgekehrt schickt Sophie ihre kommunizieren. Genau das war die Kunst, die Sophie Rosalienbriefe an Goethe, der zwischen 1772 und 1775 von La Roche aufs Beste versteht. Publikationen wer­ nun zu ihrem literarischen Ratgeber avanciert und in den häufig vorab auf Subskription gekauft und müssen dieser Rolle Wieland ablöst, der als Mentor bei der „Ge­ dann von den Subskribenten an andere interessierte schichte des Fräuleins von Sternheim" fungiert hatte. Leser weiterverkauft werden. Sophie von La Roche wird So schreibt. Goethe z. B. in einem Brief vom 3. Januar deshalb gebeten, beim Verkauf und Vertrieb der zweiten 1775: „Hier liebe Mama die Briefe zurück die ich für­ Auflage von Wielands„Geschichte des Agathon" mit­ trefflich finde, Den 29. wegen seines glücklichen 'I'ons, zuhelfen, den Friedrich Jacobi organisiert. Auch beim womit er eine so ernsthaffte Materie vorträgt, den 38. Journalgeschäft wirkt Sophie von La Roche tatkräftig weil er dem ganzen Ihrer Briefe eine Rundung Wen­ mit. Wieland und Friedrich Jacobi hatten nämlich den dung und Weisung gicht."" Der Briefwechsel zwischen „TeutschenMerkur" zusammen gegründet und Johann Johann Wolfgangvon Goethe und Sophie von La Georg Jacobi gründet in Düsseldorf die „Iris", ein Jour­ Roche dokumentiert ein reziprokes, persönliches Ver­ nal für Frauen. Sophie von La Roche vertreibt sowohl hältnis, an dem beide Seiten gewinnen. Sophie von La den „deutschen Merkur" als auch die„Iris" an ihren Roche bekommt in Goethe einen ihr wohlgesinnten Be­ weitreichenden Bekanntenkreis und sucht auch Mitar­ rater, der sie bei ihren Frauenzimmerbriefen mit för­ beiter für diese Journale. So vermittelt sie z. B. ihren dernden Kommentaren unterstützt. Goethe sieht in Darmstädter Bekannten Johann Heinrich Merck an Sophie von La Roche eine gefühlsbetonte, mütterliche Wieland und Friedrich Jacobi. Merck sollte in den fol­ Freundin, die ihm verständnisvoll entgegenkommt, ihm genden Jahren zu einem wichtigen Autor dieser Kul­ Anerkennung zollt und ihm beim Vertrieb seiner Werke turzeitschrift werden. Umgekehrt findet nun Sophie hilft. von La Roche Publikationsmöglichkeiten in beiden Jour­ Wie gezeigt wurde, lässt sich feststellen, dass sich nalen. Während im „leutschen Merkur" nur einige Sophie von La Roche in den Jahren zwischen 1771 und kleinere Arbeiten von ihi erscheinen, wird sie im Jour­ 1780 in das empfindsam-literarische Netzwerk um nal „Iris" zu einer der Hauptmitarbeiterinnen. In jedem Friedrich Heinrich Jacobi und Johann Georg Jacobi ein­ zweiten Heft erscheinen nämlich sogenannte Frauen­ schreibt und dass ihr in diesem Kreis eine anerkannte zimmerbriefe, die Briefe Rosaliens, in denen die Ge­ Stellung zukommt. Auch Goethe, wie zunächst Wie­ schichte einer jungen Frau erzählt wird. Einige Jahre land, begegnet ihr zu dieser Zeit mit Anerkennung und später werden „Rosaliens Briefe"" als selbstständiges wohlwollender Unterstützung; erst viele Jahre später Werk etscheinen. Auch zu dem jungen Goethe, der da­ mehren sich auch kritische Sfimmen von Wieland und mals 23 Jahre alt ist, hält Sophie von Ia Roche Kontakt. Goethe. Mir kam es aber darauf an, zu zeigen, dass Zwischen Goethe und Sophie von Ia Roche entwickelt diese Unterstützung keine Einbahnstraße war, sondern sich ein enger Briefkontakt und Goethe besucht die La Sophie von La Roche aufgrund ihres Bekanntheitsgra­ Roches mehrere Male in Koblenz/Ehrenbreitstein. Goe­ des und ihres weiten Netzes von Freunden ebenfalls in the sucht im Hause La Roche ein Publikum, das seiner der Lage war, Wieland, die Brüder Jacobi und den jun­ Person und seinem Werk mit Aufmerksamkeit und gen Goethe entscheidend zu unterstützen und ihnen Wohlwollen begegnet Vor dem Erscheinen des„Wer­ zu helfen. Diese Rolle ist in der bisherigen Literatur­ iher" ist Goethe noch relativ unbekannt und freut sich wissenschaft kaum erkannt worden. Aufgrund dieser über Anerkennung und Unterstützung. Dies bekommt Analysen kann man sagen, dass Sophie von La Roche er im Hause La Roches und nimmt sie mit Dankbarkeit in der literarischen Affentlichkeit der Zeit eine heraus­ an: „... dafür wird mir auch die Freude um so viel grös­ ragende Stellung innehatte, der von wichtigen Vertre­ ser, wenn mich eine so Hebe Teilnehmung überrascht, tern auch anerkannt wurde. Von Prof. /)r. /lfonika Nenon, University of/V(emphls

Anmerkungen LangnerSophle vo n La Roche- eine em pfindsame Realistin,H ei­ delberg 1995, S, 22-54. Claire Baldwin: The Emergence of The 1 Der Vortrag wurde anlässlich des 200-jährigen Todestages von Modern German Novel. Christoph Martin Wieland, Sophle von Sophle von La Roche (18.2.1807) am 24.10.2007 in Blberach La Roche, and Maria Anno Sogar, Rochester 2002, S. 103-141; unter dem Titel „Aus der Fülle der Herzen.Zur Stellung Sophie Barbara Becker-Cantarino:Meine Liebe zu Büchern.5ophle von von LaRoches in der deutschen Literatur" gehalten. An dieser La Roche als professionelle Schriftsrellerin. Heidelberg 2008, Stelle möchte ich dem Kulturdezernenten Herrn Dr. Biege, 5.87-99. dem Wieland-Archiv der Stadt Biberach und der Wieland-Ge­ 15 Ebenda S.19. sellschaft für die Einladung danken. 16 Zu diesem Thema grundlegend: Michael Mauren Die Biogra­ 2 Monika N enon: Aus der Fülle der Herzen. Geselligkei t, Brielkultur phie des Bürgers. Lebensformen und Denkweisenin der forma­ und Literatur um Sophie von La Roche und Friedrich Heinrich riven Phase des deutschen Bü 1680 —18 15). Göttingen Jacobi.Wü rzburg:Kö nigshausen t Neumann,2005. rgertums( 1996. 3 Vgl.dazu:WolfgangMartens:DießotschafrderTugend.DieAuf­ 17 Vgl.dazu:GerhardSauder:Empfindsamkeit. Band l Vorausset­ klärungim Spiegelder deutschen Moralischen Wochenschrlfren. zungen und Elemente. Stuttgart 1774, Stuttgart 1968. 18 Joachim Heinrich Campe:Wörterbuch der deutschen Sprache, 4 Vgl.d azu:Mi chael Embach; Georg Michael Frank La Roche V. Teile, Braunschweig 1807-1811, Bd. A-E., Mit einer Einfüh­ (1720-1788) in: Meine liebe grüne Stube. Die Schriftstellerin rung und Bibliographie von Helmut Henne. Repr. Hildes­ Sophie von La Roche inihrer SpeyrerZeit (1780-1786). Hg. von heim/New York 1969, 5.902.,zit.nach Sauder: Empfindsamkeit, KlausHaag/Jürgen Vordestemann. Speyer 200S,5 .45-63. 5.193. 5 Johann Wolfgang von Goethe: Aus meinem Leben. Dichtung 19 Sophie von LaRache: Geschichte des Fräuleins von Srernheim, und Wahrhelr Autobiographische SchriftenB andI.Hg. von Erich S. 219. Trunz. München1981,5.561. 20 Caroline Flachsland an Herder vom 14. Juni 17?1.In: Herders 6 Sophie von La Roche: Briefe über Mannheim. Zürich 1791, Briefwechsel mit Caroline Flachsland.Hrsg. von Hans Schauer, S. 204. Weimar 1926, 5.238. 7 Sophievon La Roche:P om ona fürT eutschlands Töchter Speier 21 Friedrich Heinrich Jacobi: Brief an Graf Chotek,16.6.1771. In: 1783 —84. Friedrich Heinrich Jacobl Briefwechsel1762-1775. Hg. von Mi­ 8 Sophievon La Roche:T agebuch einerR eise durch die Schweirz. chael Brüggen/Siegfried Sudhof. Stuttgart 1981.5.112 —113. Altenburg 1787. Sophle von La Roche: Erinnerungen aus mei­ 22 Vgl. dazu: Adolf Bach:Aus Goethes Rheinischem Lebensraum. ner dritten Schweizer Reise.Offenbach 1793. S. 100. Clairon ist Claire Josephe Hippolyte Legris de Latude, 9 Journal einer Reise durch Frankreich,von der Verfasserin von französische Schauspielerin, die seit 1770 am Hof des Mark­ Rosaliens Briefen.Altenburg 1787. grafen von Ansbach-Bayreuth lebt. Dubols ist ebenfalls eine 10 Tagebuch einer Reise durch Holland und England.Von Sophie französische Schauspielerin um 1740-1779. Wi ttwe von La Rache.Offenbach 1788. 23 JohannWolfgang von Goethe:D ichtung und W ahrheit,5, 557. 11 Dazu jetzt: Erdmut Jost; Wege zur weiblichen Glückseligkeit. 24 Friedrich Heinrich Jacobi an Sophie von La Roche am 28.10, Sophie von La RochesReisej ournale 1784-1786. Thalh ofen 2007. 1774. In:Friedrich Heinrich Jacobi, Briefwechsel, Gesamtausgabe 12 Sophie von La Roche:Moralische Erzählungen. Bd. 1 und 2. Hg. von Michael Brüggen, Siegfried Sudhof, Reinhard Lauth, Dritte Auflage. Mannheim 1823.Neuere Moralische Erzä hlun­ Peter-Paul Schneider, HeinzGockel,1762-1 775,Stuttgart 1981, gen. Altenburg 1786. S. 267. 13 Vgl. dazu: Barbara Becker-Cantarino:Meine Liebe zu Büchern. 25 Rosaliens Briefe anihre Freundin Marlanne vonSr. Von der Ver­ Heidelberg 2008. fasserin des Fräuleins von Stemheim,3 Bd. Altenburg 1779. 14 Geschichte des Fräuleinsvon Srernheim. Von einer Freundin der­ 26 Goethe an Sophie von LaRoche am 11.7.1773. In; Briefe Goe­ selben aus Driginal=Papieren und andern zuverlässigen Quellen thes anSophie von La Roche und Betrina Brentano. Hg.v on gezogen.Hrsg von C. M Wieland. l.und 2 Theil Leipzig 1771. G.von Loeper.Berlin 1879,S.15. Leicht zugänglich ist der Roman in der von Barbara Becker­ 27 Briefe Goethes an Sophievon La Roche und Bettina Brentano. Cantarino herausgegebenen und gründlich besorgten Rec­ Hg.von G.von Loeper. Berlin 1879, S.95. lamausgabe. Vgl. dazu auch: Barbara Becker-Cantarino: Der lange Wegzur Mündigkeit Frau und Literatur(1500-1800), Stutt­ gart1987, 5 .294 ff.H emd Heidenreich:So phiev on La Roche­ eine Werkbiographie,Frankfurt 1986, S. 22-67. Ingrid Wiede­ Blldnachweis Behrendt: Lehrerin des Schönen, Wahren, Guten, Bern 1987, S.131-201.Monika Nenon: Autorschaft und Frauenbildung, Das S. 14 aus: Christoph Martin Wieland 1733-1813, Anton H, Konrad Beispiel Sophlevon La Reche Würzburg 1988, 5,79-92. Margrit Verlag.