nicht einmal hier waren, erwarten etwas von Paris. Eine Ausstrahlung.“ Die Pari - ser hätten heute nicht mehr das Gefühl, in einer Stadt zu leben, in der die Zukunft erfunden wird. Während Hidalgo vom amtierenden Bürgermeister zu seiner Wunschnachfol - gerin gekürt wurde, inszeniert NKM sich als Unabhängige. Sie hat sich gegen die Rechte in ihrer Partei in einer Vorwahl durchgesetzt und sich anders als die Mehrheit ihrer Partei bei der Abstim - mung um die Homo-Ehe im Parlament enthalten. Außerdem hat sie fast schon vergessen gemacht, dass sie in einem In - terview einmal nicht wusste, was eine Metrofahrt kostet. Die Pariser sind berühmt dafür, immer unzufrieden zu sein – und Kritik gibt es nach mehr als zwölf Jahren Delanoë ge - nügend. Viele Pariser befürchten, dass ihre Stadt eine Art Freilichtmuseum wer - den könnte, das sich bald nur noch Alte, Reiche und Touristen leisten können. „Ein schwerwiegendes Problem“, sagt Ex-Prediger Akkari bei Århus, Anti-Dänemark-Protest in Islamabad 2006: „Ich war blind dafür, Kosciusko-Morizet, „wir wollen nicht die schönste aller Provinzstädte werden.“ Sie will mehr Unternehmen nach Paris holen. DÄNEMARK Außerdem ist da das städtische Budget. Es ist unter Delanoë deutlich gewachsen, die Zahl der Beamten von rund 40 000 Unter falschen Vorzeichen auf über 50 000. NKM hat die gestiegenen Steuern der Stadt kritisiert. Sie will damit aufhören, für viel Geld Sozialwohnungen Als Hassprediger hetzte er im Karikaturenstreit Muslime auf. zu schaffen, stattdessen sollen Investoren Nun wandte sich der Däne Ahmed Akkari vom Wohnungen für die Mittelschicht bauen. Hidalgo dagegen lobt den Erfolg ihrer radikalen Glauben ab – und fürchtet die Rache der Islamisten. Wohnungspolitik. Sehr ungern reden beide Kandidatin - s gab bislang nicht viele Situationen giösen vom Glauben abfiel, ist er für sie nen über die jeweils andere. „Ich will kei - im Leben des Ahmed Akkari, die ein „Kafir“, ein Verräter. Er wird bedroht, ne Noten verteilen“, sagt Nathalie Kosciu- Edem im Libanon geborenen Dänen persönlich und auf Facebook. Vor allem, sko-Morizet. Viele Pariser glaubten, die die Sprache verschlagen haben. Akkari seit vor einigen Wochen ein libanesischer erste Amtszeit von Delanoë sei kreativ war , Sprecher der dänischen Mus - Imam eine Fatwa gegen ihn aussprach. gewesen, sagt sie, die zweite nicht mehr, lime und einer der bekanntesten Hasspre - In seiner Wohnung war er seither nicht und alle wollten sie keine dritte. Eine gute diger Europas. Vor allem aber war er der - mehr, er übernachtet bei Freunden; auf Nummer zwei sei außerdem noch lange jenige, der die Mohammed-Karikaturen die Straße wagt er sich kaum allein. keine gute Nummer eins. in die islamische Welt trug – und damit Aus seiner Erzählung lässt sich rekon - „Wir entstammen zwei politischen Fa - einen Sturm des Hasses gegen Dänemark struieren, wie die Wut geschürt wurde milien mit unterschiedlichen Werten“, entfachte. über diese zwölf Zeichnungen des Pro - sagt Anne Hidalgo. „Sie kommt aus ei - Fast acht Jahre ist das her, und nun sitzt pheten Mohammed in der Tageszeitung nem anderen Universum, wir sehen die im Dorfkrug in Norsminde, einem kleinen „Jyllands-Posten“, die viele Muslime als Welt sehr verschieden.“ Sie wünscht sich Kaff bei Århus, ein nachdenklicher Mann, blasphemisch empfanden. Und derent - einen respektvollen Wahlkampf, wirkt 35 Jahre alt, mit Strickjacke und ohne wegen am Ende weltweit Botschaften schon jetzt angefasst von den Angriffen Bart, dem oft die Worte fehlen, wenn er brannten und Dutzende Menschen star - ihrer Gegnerin, aber Schonung wird sie erklären soll, wie er erst zum Radikalen ben. Akkaris Geschichte ist aber auch ein auch in Zukunft nicht erwarten können. wurde – und dann zum Abtrünnigen. Ein Lehrstück darüber, wie ein ganz normaler Das Erstaunlichste ist, dass beide Kan - Mann, der heute sagt: „‚Jyllands-Posten‘ Einwanderer zum Hassprediger wird. didatinnen am liebsten gar nicht darüber hat vom Recht auf freie Meinungsäuße - „Damals war ich überzeugt, eine be - reden, dass erstmals zwei Frauen zur rung Gebrauch gemacht, aber der Islamis - sondere Verantwortung zu haben und als Wahl stehen. Vielleicht liegt es daran, mus beansprucht ein Monopol auf Recht Vertreter des für eine gerechte Sa - dass ihr Geschlecht diesmal ausnahms - und Wahrheit, auch wenn dazu Häuser che zu kämpfen“, sagt Akkari. „Heute weise weder Nachteil noch Vorteil ist. niedergebrannt werden müssen.“ weiß ich, das war ein Fehler. Ich war blind Weder Hidalgo, die Feministin, noch Schon die Wahl des Treffpunkts war dafür, dass ich missbraucht wurde.“ Kosciusko-Morizet, die Konservative, schwierig: Ein Café im Stadtzentrum kam Begonnen hat es im Libanon, mit dem wollen der Aussage zustimmen, es sei gut, nicht in Frage – zu öffentlich. Ein kleines Bürgerkrieg, vor dem seine Eltern mit dass in jedem Fall eine Frau gewinnen Hotel am Stadtrand – geschlossen. Daher ihm und den Geschwistern flüchteten. Sie wird. Beide sagen: Es komme halt sehr dieser abgelegene Gasthof an der Ostsee. gingen nach Dänemark, dann zurück in darauf an, was für eine Frau. Eine Empfehlung von Sicherheitsexper - die Heimat, wo sie trotz Waffenruhe kei - M( !) *$# R$ & ten. Denn seit Akkari aus Sicht der Reli - nen Frieden fanden und deshalb im Früh -

102 & '%! " 39/2013 Diese drei Abbildungen schürten den Zorn zusätzlich. Akkari sagt heute, er wisse nicht mehr, wie sie in die Doku - mentation kamen. Damals präsentierte er sie als Schmähungen, die Glaubensbrü - dern geschickt worden seien. Andere Ima - me erzählten, sie gehörten zu den Kari - katuren. Eine Manipulation, sagt Akkari: „Niemand hat den Unterschied zu den Karikaturen erklärt oder auf die Herkunft der drei anderen Bilder hingewiesen.“ Auch sei der Protest in der islamischen Welt kein so spontaner Ausdruck echter Empörung gewesen, wie es den Anschein erweckte. „Das war in vielen Fällen poli - tisch organisiert“, sagt Akkari. „Es war ein Weg für die Religiösen, ihren Füh - rungsanspruch zu untermauern.“ S L E R E G T E Womöglich war das der Moment, in I U P E S R

/ R dem ihm erste Zweifel kamen. Sein Um -

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O denken begann, als er 2007 für längere F M F H O

A Zeit erst im Libanon, dann am Persischen H P M

E L I A R Golf lebte, um islamische Studien zu be -

S I N A A J F treiben. Je intensiver er sich mit dem Ko - dass ich missbraucht wurde“ ran auseinandersetzte, desto größer wur - de seine Distanz zu radikalen Deutungen. jahr 1992 wieder nach Dänemark kamen. noch in der Nacht der Veröffentlichung Die Sicherheit, mit der seine Glaubens - Akkari war glücklich, obwohl er in einem getroffen“, berichtet nun Akkari. Die lehrer auf jede Frage die Antwort wuss - Flüchtlingsheim lebte und der einzige Mehrheit habe zur Ruhe gemahnt, aber ten, verstörte ihn nun. „Ich merkte immer Ausländer in seiner Klasse war. Er lernte er wollte mehr. Gemeinsam mit seinem mehr, wie ich manipuliert wurde. Sie hör - gern, er mochte seine neue Heimat, so radikalen Mitstreiter, dem Imam Abu La - ten mir nicht zu, wollten keinen Dialog, wurde er Däne. ban, trat er dafür ein, die Karikaturen als sie hatten nur ein Ziel: ihre Meinung zu Ein Palästinenser, zu Gast bei der Fa - Ausdruck für einen in Dänemark grassie - verteidigen und durchzusetzen.“ milie, überredete ihn dann zum ersten renden „Hass auf die islamische Welt“ zu Seine Verunsicherung war groß, daher Besuch in einer Hinterhofmoschee in Ål - brandmarken – und eine Entschuldigung floh er so weit, wie es in Dänemark mög - borg. Akkaris Vater, ein liberaler Muslim, zu erzwingen. „Ich war jung, naiv, reli - lich ist: nach Grönland. Zwei Jahre lang, war dagegen, sein Sohn eigentlich skep - giös verletzt“, sagt er. ab Sommer 2008, arbeitete Akkari als tisch, ein Teenager eben, frisch verliebt, Am 3. Oktober 2005 trafen sich die Ima - Lehrer für Dänisch, Englisch und Religion aber auch: interessiert. Er setzte sich in me erneut; die Radikalen um Akkari setz - im Dorf Narsaq, das im Winter nur per die Ecke, sah den Betenden zu, kam wie - ten sich durch. Sie beschlossen, dass eine Helikopter erreichbar ist. Nach der Arbeit der, ließ sich auf Gespräche ein, begann Gruppe in den Nahen Osten reisen sollte, las er Bücher westlicher Autoren, den die Aufmerksamkeit zu schätzen, die ihm um ihre Glaubensbrüder zu informieren. dänischen Philosophen und Theologen entgegengebracht wurde. Im November flog Akkari an der Spit - Søren Kierkegaard etwa, der im 19. Jahr - Er begann im Koran zu lesen, der auf ze einer vierköpfigen Delegation nach hundert radikale Kritik an der christli - alles eine Antwort wusste, und er bekam Ägypten; im Dezember besuchte er den chen Kirche übte. Seine innere Reise führ - nie genug. „Es war wie eine Droge, die Libanon und Syrien. Er traf Großmuftis, te ihn dann im Sommer dieses Jahres von langsam abhängig macht“, sagt er: „Ich Vertreter der Arabischen Liga und ein - Kierkegaard zu Westergaard. rutschte ab in das religiöse Milieu, am fache Prediger. Im Gepäck hatte er eine , 78, hat die umstrit - Ende lebte ich wie unter einer Glocke.“ 43-seitige Dokumentation mit den zwölf tene Mohammed-Karikatur mit der Bom - Anfangs führte Akkari „zwei Leben, Karikaturen, darunter auch die des Pro - be im Turban gezeichnet. Seit Jahren lebt streng voneinander getrennt“: bis zum pheten mit der Bombe im Turban. er deshalb unter ständigem Polizeischutz, Nachmittag in der Schule unter Dänen, Es waren aber auch drei weitere Abbil - nur knapp entging er mehreren Atten - danach in der Moschee. Niemand ahnte dungen dabei: Sie zeigten Mohammed als tatsversuchen. Bei ihrem Treffen spra - etwas von seinem Doppelleben. Bis er Pädophilen, einen als Propheten verklei - chen die beiden eine Stunde lang mit- begann, seine Schwester zu Kopftuch und deten Komiker mit Schweinsnase und -oh - einander. züchtiger Kleidung zu nötigen. Mit 20 ren sowie einen betenden Muslim, der von „Ich habe die Welt mit völlig falschen fing er an zu predigen, wurde Imam und hinten von einem Hund bestiegen wird. Augen gesehen. Ich habe ein schlechtes wohl der einzige Prediger, der perfekt Gewissen, ich entschuldige mich für mei - Dänisch sprach. So wurde er Stammgast ne Rolle“, erklärte der einstige Prediger. in Talkshows, Sprecher der islamischen „Jetzt bist du kein Islamist mehr, jetzt Gemeinden und Vereine in Dänemark. bist du ein Humanist“, antwortete der Dann veröffentlichte „Jyllands-Posten“ Zeichner. am 30. September 2005 die zwölf „Ge - Nun schreibt Akkari ein Buch über den sichter Mohammeds“. Karikaturenstreit, das sein Gewissen be - Aber es dauerte noch fast vier Monate, freien soll. „Ich habe meinen Glauben bis die dänische Provinzposse zur inter - nicht gewechselt“, beteuert er, „nur mei - nationalen Krise hochkochte. Über die ne Sichtweisen.“ Doch seit fast vier Wochen dazwischen gibt es viele Gerüch - Ex-Gegner Akkari, Westergaard Jahren hat er keinen Fuß mehr in eine te. „Alle dänischen Imame haben sich „Jetzt bist du ein Humanist“ Moschee gesetzt. M#& E&("

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