Naturheilbewegung, Vegetarismus, Lebensreform
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Sabine Merta Schlank! Ein Körperkult der Moderne Sabine Merta Schlank! Ein Körperkult der Moderne Franz Steiner Verlag 2008 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar. ISBN 978-3-515-09229-6 Jede Verwertung des Werkes außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Übersetzung, Nachdruck, Mikroverfilmung oder vergleichbare Verfahren sowie für die Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen. © 2008 Franz Steiner Verlag, Stuttgart Einbandgestaltung: deblik, Berlin Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Druck: AZ Druck und Datentechnik, Kempten Printed in Germany 5 Inhaltsverzeichnis Einführung ..............................................................................................9 Erster Teil: Entwicklungsstränge der modernen Diätkost Das magisch anziehende Dreieck: Naturheilbewegung, Vegetarismus, Lebensreform .......................... 19 Was verstand man im 19. Jahrhundert unter »Naturheilung«? 19 – Rousseaus Naturismustheorie als weltanschauliches Tableau für Naturheiler und Lebens- reformer 21 – Die Wiederentdeckung von Hydrotherapie und Diätetik sowie die Folgen 23 – Zur Genese bürgerlicher Vegetarismusvereine 35 – Die »Kur- pfuscherfrage« oder die erbitterte Schlacht zwischen »Schulmedizinern« und »Naturärzten« 45 – Gruppierungen und Entwicklungstendenzen der Lebens- reformbewegung 50 – Von der Theorie zur Praxis: Die Siedlungsgemeinschaft Ascona auf dem Monte Verità 54 Die Entfaltung der Ernährungsreformbewegung in Idee und Realität ..............................................................................59 Zeitgenössische Vorstellungen über die Notwendigkeit einer totalen Ernäh- rungsumstellung 59 – Die Haigsche Harnsäureverschlackung als Basis der Diätvorschläge 64 – Der erste Schritt vom vegetarischen Kochen zur »Voll- 6 Inhalt wertkost« 67 – Die verschiedenen Vollkornbrotsorten 69 – Rohköstler oder »Kohlrabiapostel«: Die Sonnenlichtlehre Bircher-Benners und die Erfindung des »Müslis« 74 – Die Mesotrophie und Vollwertlehre Kollaths 78 – Die Nährsalzbewegung: Die Theorie der diätetischen Blutentmischung oder die »Dysämielehre« Lahmanns 80 – Bergs »Heinzelmännchen« unter den Nährstoffen 83 – Röses Ideal eines mineralstoffreichen Trinkwassers und einer basenüberschüssigen Nahrung 86 – Der »Fletcherismus« oder die amerika- nische Kaukultbewegung 88 – Mikkel Hindhedes Ideen im Brennpunkt der heiß diskutierten »Eiweißfrage« 91 – Die »Null-Diät« als neues Fasten- rezept 95 – Die Entwicklungsgeschichte des Reformhauses 101 – Die Reform- warenproduktion 106 – Reaktionen der Ernährungswissenschaften auf die Diätreformbestrebungen 111 Kampfstrategien gegen den zu »fetten Leib« ...................................123 Diättherapien der alten Griechen und ihre Entwicklung bis zur Neuzeit 123 – Strategien des 18. und frühen 19. Jahrhunderts: Flemyng, Jaeger, Graefe, Wadd 129 – »Leichte« Nahrung – was ist das? 131 – Zur Geschichte der ärzt- lichen Entfettungsmethoden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts 133 – Die »Bantingkur« nach Harvey und Vogel 137 – Brillat-Savarin, Gollmann und die französische Entfettungstradition 139 – Ebsteins Ratschläge zur Bekämp- fung des Übergewichts 142 – Die modischen Milchkuren 144 – Die »neue Ban- ting-Cur« nach Wiel 145 – Oertels Rezepte zur Gewichtsreduzierung mittelst Wasserentziehung 147 – Die Schweningerkur 151 – Die Entfettungsmethode nach Demuth 153 – Zur Problematik der Messung des Normalgewichts 156 – Rosenfelds Kritik an den Entfettungskuren 160 – Das Vordringen der Kalo- rienlehre in die Entfettungstherapie 163 – Ewalds Diätotherapie 170 – Andere ärztliche Therapien gegen das Übergewicht 172 – Schilddrüsenpräparate und »Entfettungsmittel« 174 – Entfettungsbehandlungen mit Elektrizi- tät 177 – Die Mineralwasser- bzw. Brunnenkuren in Karlsbad, Marienbad und Homburg 179 – Die wachsende Systematisierung und Differenzierung der Diätkost 191 Exkurs: Führte Diät halten schon damals zu Essstörungen? ........196 Anorexia (Magersucht) 198 – Adipositas (Fettsucht) 203 – Bulimia nervosa (Fress- und Brechsucht) 205 Inhalt 7 Zweiter Teil: Zur Renaissance einer ganzheitlichen Körperkultur Zu Bewusstsein und Geschichte des menschlichen Körpers .................................................................215 Definitorische Anmerkungen zum Körpervokabular 215 – Körpergeschichte im Umriss 220 Körperkulturbewegungen als »Pfadfinder« zum modernen Gesundheits- und Körperbewusstsein ................248 Die Lichtluftbadebewegung 249 – Von der naturheilkundlichen Lichtluft- therapie zur Nacktkultur 251 – Die Einrichtung von Freiluftstätten 259 – Die internationale und deutsche Kleiderreformbewegung 265 – Die Auseinan- dersetzung mit den Eigenschaften der Woll- und Baumwollstoffe 272 – Die Erfolge der Jaeger-Wolle 276 – Künstlerkleider 281 – Der Einfluss der Frauen- bewegung auf die Kleiderreform 282 – Die neue Gesundheitskleidung der »Wandervögel« und anderer Jugendgruppen 286 – Reaktionen der Öffentlich- keit auf die Reformmode 287 – Die Pariser Reformmode und die beginnende Versportlichung der Kleidung 288 – Die deutsche Sport- und Spielbewe- gung 294 – Körperkulturbewegungen und ihre Initiatoren 298 – Anfänge und Ausbildung der Heilgymnastik 300 – Gymnastik als neuer ästhetischer Lebensstil 304 – Die Delsartik oder das neue dynamische Element in der Gymnastik 307 – Die Rhythmusbewegung: Émile Jaques-Dalcrozes Harmonie- lehre 315 – Vom Nackttanz zum Ausdruckstanz 319 – Gymnastik und Tanz in der Gartenstadtsiedlung Hellerau bei Dresden 323 – Die angelsächsische »Fitness«-Bewegung: Der Kraftsport als Heiltherapie 328 – Die Schlankheits- gymnastik in ihren Absichten und Wirkungen 340 Fazit ...................................................................................................... 363 Kulturelle Wandlungsprozesse als Motor des modernen Schlankheitskults 363 – Erste naturheilkundliche Diät-, Fasten- und Fitnessratgeber 366 – Lebens- reformer als Hersteller und Vertreiber von Diätwaren und Fitnessgeräten 371 – Reformdiätkost kontra »Fleischdiäten« als Entfettungsmittel 371 – Zur Be- griffsgeschichte des Körperbewusstseins 374 – Körperkulturbewegungen als Genesebedingungen des Schlankheitskults 375 – Lebensreformer als Initia- toren der Fitness- und Wellnessbewegung 377 – Diätkost und Körperkultur im 8 Inhalt Dienste eines neuen Schönheitsideals 379 – »Der Krieg gegen den Speck« oder »Fettphobia« – Soziosymptome der modernen westlichen postindustriellen Welt? 390 Literaturverzeichnis ........................................................................... 395 Zeitschriften 395 – Quellen und Literatur 396 9 Einführung »Mehr Menschen als das Schwert tötet der Fraß.«1 Dieses Zitat des griechischen Arztes Galenus stammt aus einem Schlankheitsfüh- rer der 1920er Jahre und gilt heute mehr denn je. Fast jeder dritte Deutsche leidet unter Übergewicht, 15 bis 20 % der Kinder unter Fettsucht. Zu fettes Essen und Bewegungsarmut sind zur Gesund- heitsgefahr Nummer eins geworden. Die gesundheitlichen Folgen chronischer Überernährung sind vor allem Bluthochdruck, Herz- Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes mellitus und Krebs. Etwa ein Drittel der Ausgaben im Gesundheitssystem entfällt auf ernährungs- bedingte Krankheiten. Die Übergewichtsbekämpfung ist damit zur neuen »sozialen Frage« der modernen Wohlstandsgesellschaften geworden. Gesundheitliche Überlegungen und der Wunsch nach einer schlanken, sportlichen Körpergestalt lassen die Verbraucher zu Diät- kost, Reformwaren, »Bio«-Kost und »Light«-Produkten greifen und treiben sie in die Fitness-Studios. Vor allem Frauen versuchen durch eine »Diät« ihre Figur zu verbessern bzw. ihr Gewicht zu vermin- dern. Was aber versteht man eigentlich unter »Diät halten«? Darunter wird im Allgemeinen ein gezügeltes Essverhalten, d. h. eine verminderte Nahrungszufuhr verstanden. Diese semantische Beschränkung auf eine kalorienreduzierte Kost erfuhr der Diät- 10 Einführung begriff jedoch erst in den 1920er Jahren. In dieser Untersuchung wird das Wort »Diät«, das sich von dem griechischen dìaitá (rechte Lebensweise) ableitet, wie in der Ernährungsreformbewegung des 19. Jahrhunderts in seiner ursprünglichen Bedeutung zur Bezeich- nung einer alternativen, von dem üblichen Ernährungsstil abwei- chenden Lebensweise benutzt, da historisch nachweisbare Diätkost- formen bereits existierten, ehe die moderne Kalorienlehre propa- giert wurde. Heute ist die Diätkost aus dem Alltagsleben kaum noch wegzu- denken. Die Diät- und Reformwarenindustrie und die Fitness-Bran- che verzeichnen Zuwachsraten wie nie zuvor. Die Schlankheitswelle hat breite Teile der Bevölkerung erfasst. Aber über den historischen Ursprung und die Entwicklungszusammenhänge der Diätkost und Schlankheitsmode ist wenig bekannt. Hier existieren vielfach le- diglich vage Vermutungen, etwa dass moderne Diät-, Reform- und Reduktionskost »Erfindungen« neuester Zeit seien und das Resultat eines extremen Schlankheitsideals, dessen Geschichte allenfalls bis zum übertriebenen Modeideal der 1960er Jahre zurückreiche, das durch das berühmte englische Fotomodell Twiggy »verkörpert« wurde. Das Hauptziel des vorliegenden Buches wird es daher sein, zu dieser Entwicklung erstmals verlässliche historische Grundlagen zu liefern. Drei Hauptfragen werden im Mittelpunkt stehen: 1. Wann lassen sich erste wirkliche Vorläufer der modernen Diät- kost, die sich zum