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Rennspiele am Computer: Implikationen für die Verkehrs- sicherheitsarbeit

Heft M 181

Berichte der

Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen Bundesanstalt für Straßenwesen Mensch und Sicherheit Heft M 181

ISSN 0943-9315 ISBN 3-86509-500-3 Rennspiele am Computer: Implikationen für die Verkehrs- sicherheitsarbeit

Zum Einfluss von Computerspielen mit Fahrzeugbezug auf das Fahrverhalten junger Fahrer

von

Peter Vorderer Christoph Klimmt

Institut für Journalistik und Kommunikationsforschung Hochschule für Musik und Theater Hannover

Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen Mensch und Sicherheit Heft M 181 M 181

Die Bundesanstalt für Straßenwesen veröffentlicht ihre Arbeits- und Forschungs- ergebnisse in der Schriftenreihe Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen. Die Reihe besteht aus folgenden Unterreihen: A - Allgemeines B - Brücken- und Ingenieurbau F - Fahrzeugtechnik M- Mensch und Sicherheit S - Straßenbau V - Verkehrstechnik Es wird darauf hingewiesen, dass die unter dem Namen der Verfasser veröffentlichten Berichte nicht in jedem Fall die Ansicht des Herausgebers wiedergeben. Nachdruck und photomechanische Wieder- gabe, auch auszugsweise, nur mit Genehmi- gung der Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Die Hefte der Schriftenreihe Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen können direkt beim Wirtschaftsverlag NW, Verlag für neue Wissenschaft GmbH, Bgm.-Smidt-Str. 74-76, D-27568 Bremerhaven, Telefon (04 71) 9 45 44 - 0, bezogen werden. Über die Forschungsergebnisse und ihre Veröffentlichungen wird in Kurzform im Informationsdienst BASt-Info berichtet. Dieser Dienst wird kostenlos abgegeben; Interessenten wenden sich bitte an die Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit.

Impressum Bericht zum Forschungsprojekt FE 82.159/1999: Rennspiele am Computer: Implikationen für die VerkehrssicherheitsarbeitBericht zum Forschungsprojekt 77.470/2002: Anwendung von Sicherheitsaudits an Stadtstraßen Projektbetreuung NicolaProjektbetreuung Neumann-Opitz HardyRoland Holte Weber Herausgeber Bundesanstalt für Straßenwesen Brüderstraße 53, D-51427 Bergisch Gladbach Telefon: (0 22 04) 43 - 0 Telefax: (0 22 04) 43 - 674 Redaktion Referat Öffentlichkeitsarbeit Druck und Verlag Wirtschaftsverlag NW Verlag für neue Wissenschaft GmbH Postfach 10 11 10, D-27511 Bremerhaven Telefon: (04 71) 9 45 44 - 0 Telefax: (04 71) 9 45 44 77 Email: [email protected] Internet: www.nw-verlag.de ISSN 0943-93150943-9331 ISBN 3-86509-500-33-86509-323-X Bergisch Gladbach, MaiJuli 20062005 Die Bundesanstalt für Straßenwesen veröffentlicht ihre Arbeits- und Forschungs- ergebnisse in der Schriftenreihe Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen. Die Reihe besteht aus folgenden Unterreihen: A - Allgemeines B-Brücken- und Ingenieurbau F - Fahrzeugtechnik M- Mensch und Sicherheit S - Straßenbau V - Verkehrstechnik Es wird darauf hingewiesen, dass die unter dem Namen der Verfasser veröffentlichten Berichte nicht in jedem Fall die Ansicht des Herausgebers wiedergeben. Nachdruck und photomechanische Wieder- gabe, auch auszugsweise, nur mit Genehmi- gung der Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Die Hefte der Schriftenreihe Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen können direkt beim Wirtschaftsverlag NW, Verlag für neue Wissenschaft GmbH, Bgm.-Smidt-Str. 74-76, D-27568 Bremerhaven, Telefon (04 71) 9 45 44 - 0, bezogen werden. Über die Forschungsergebnisse und ihre Veröffentlichungen wird in Kurzform im Informationsdienst BASt-Info berichtet. Dieser Dienst wird kostenlos abgegeben; Interessenten wenden sich bitte an die Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit.

Impressum Bericht zum Forschungsprojekt FE 82.159/1999: Rennspiele am Computer: Implikationen für die VerkehrssicherheitsarbeitBericht zum Forschungsprojekt 77.470/2002: Anwendung von Sicherheitsaudits an Stadtstraßen Projektbetreuung NicolaProjektbetreuung Neumann-Opitz, HardyRoland Holte Weber Herausgeber Bundesanstalt für Straßenwesen Brüderstraße 53, D-51427 Bergisch Gladbach Telefon: (0 22 04) 43 - 0 Telefax: (0 22 04) 43 - 674 Redaktion Referat Öffentlichkeitsarbeit Druck und Verlag Wirtschaftsverlag NW Verlag für neue Wissenschaft GmbH Postfach 10 11 10, D-27511 Bremerhaven Telefon: (04 71) 9 45 44 - 0 Telefax: (04 71) 9 45 44 77 Email: [email protected] Internet: www.nw-verlag.de ISSN 0943-93150943-9331 ISBN 3-86509-500-33-86509-323-X Bergisch Gladbach, MaiJuli 20062005 3

Kurzfassung – Abstract

Rennspiele am Computer: Implikationen für die Racing video games: Implications for Verkehrssicherheitsarbeit transportation safety

Das Ziel des Projekts war die empirische Annähe- The main goal of the project was the empirical rung an „Rennspiele” aus der Perspektive der Ver- exploration of „racing” video games from the kehrssicherheit(sarbeit). Angesichts der großen Po- perspective of transportation safety. Given the pularität dieser Computerspiele und ihrer wachsen- increasing popularity and authenticity of racing den Realitätsnähe sollten Bezüge zwischen ihrem games, the relationship between their use and Gebrauch und der Verkehrssicherheit eruiert wer- transportation safety was investigated. den. As an initial step, a theoretical model was Dazu wurde ein theoretisches Modell erarbeitet, developed from the relevant literature. It explicates das mögliche Effekte von Rennspielen auf das potencial effects of racing games on real-life reale Fahrverhalten anhand der relevanten Litera- driving behaviour and also possible inhibitory turlage expliziert und auch Wirkungsinhibitoren factors such as media literacy. Based on this (Medienkompetenz) berücksichtigt. Darauf aufbau- model, a content analysis of 54 popular racing end wurden zunächst 54 verbreitete Rennspiele games was conducted. Some of the games ausgewertet, um die relevanten Formen und Inhal- displayed characteristics that were considered as te des Gegenstands systematisch zu erfassen. Für capacities to evoke effects on driving behaviour. einen Teil der Rennspiele ergaben sich hier ernst zu Subsequently, 17 users of racing video games nehmende Potenziale für Wirkungs- bzw. Transfer- were interviewed to explore possible mechanisms prozesse. Leitfadeninterviews mit 17 Rennspieler/ of game effects and to better understand the innen erbrachten erste Hinweise auf verschiedene experience of playing racing games. ‚Routen’, über die Rennspiele das Fahrverhalten beeinflussen können, sowie interessante Einsich- Building on these preparatory studies, a largescale ten in die Unterhaltsamkeit und das Spielerleben. survey of 1,131 young drivers provided a clearer picture of the (heavy) users of racing games. The Anschließend lieferte eine schriftliche Befragung data did not reveal a substantial connection von 1.131 jungen Fahrer/inne/n ein genaueres Bild between use of racing games and problematic der Nutzerschaft von Rennspielen, konnte aber im driving behaviour (as measured by self-report Vergleich zu anderen Risikofaktoren keine origi- scales). The final study of the project used an nären Zusammenhänge zwischen Rennspielkon- experimental approach with a driving simulator to sum und problematischem Fahren (auf der Basis assess short-term effects of use on von Selbstauskünften) aufdecken. Im Gegensatz driving behaviour. Data from this study suggest dazu erbrachte das abschließende Experiment, bei that racing games can affect reallife driving dem die Versuchspersonen unmittelbar nach einer behaviour in undesirable ways. Rennspielfahrt (bzw. zum Vergleich: nach der Nut- zung eines Kampfspiels oder ohne Computerspiel- Overall, results indicate only weak effects of racing nutzung) eine Simulatorfahrt absolvierten, Hinwei- fames on transportation safety. For institutional se darauf, dass Rennspiele kurzfristig das Fahrver- improvement of transportation safety, a dialogue halten beeinflussen können. with heavy users of racing games should be established to promote problem awareness and Die Ergebnisse zeigen insgesamt nur schwache media literacy. A dialogue with game developers Effekte von Rennspielen auf die Verkehrssicher- should be initialized to posit on-screen warning heit. Sie legen nahe, dass die Verkehrssicherheits- messages in racing video games (“don’t play and arbeit den Dialog mit Vielnutzern (zur Förderung drive!”). Moreover, the potenzial capacities of von Problembewusstsein und Medienkompetenz) educational driving games to improve und mit der Industrie (für „Don’t play and transporttation safety should be explored further. drive!”-Warnhinweise) suchen und die Möglichkei- ten, Edutainment-CFB zum Nutzen der Verkehrssi- cherheit einzusetzen, explorieren sollte.

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Inhalt

1Aufgabenstellung des Projekts 3.4 Auswahl der analysierten Computer- und Übersicht über das spiele und operationales Vorgehen . . . . 28 Vorgehen ...... 7 3.4.1 Auswahl des Untersuchungs- materials ...... 28 2 Explikation eines theorie- 3.4.2 Durchführung ...... 28 basierten Modells ...... 8 3.5 Ergebnisse ...... 29 2.1 Die abhängige Variable: 3.5.1 Aufgabentypen ...... 29 sicherheitsrelevante Dimensionen 3.5.2 Belohnungsstrukturen ...... 31 des Fahrverhaltens ...... 9 3.5.3 Realitätsnähe ...... 35 2.1.1 Sicherheitsbezogene Fahrfähig- 3.6 Fazit: Schlussfolgerungen aus der keiten und -fertigkeiten ...... 9 systematischen Angebotssichtung . . . . 45 2.1.2 Sicherheitsrelevante Motive ...... 12 2.2 Lernprozesse: Auf welche Weise 4 Zweite Vorstudie: Leitfaden- könnte das Fahrverhalten Interviews mit Nutzer/innen beeinflusst werden? ...... 14 von Computerspielen mit 2.2.1 Änderung von Fähigkeiten/Fertig- Fahrzeugbezug ...... 47 keiten durch Simulations- oder 4.1 Problemstellung ...... 47 Erfahrungslernen ...... 15 4.2 Leitfaden und Stichprobe ...... 47 2.2.2 Änderung von sicherheitsbe- 4.3 Ergebnisse ...... 48 zogenen Motiven durch soziales 4.3.1 Zur Attraktivität und Unterhaltsam- Lernen ...... 16 keit von Computerrennspielen ...... 48 2.3 Relevante Merkmale von Renn- 4.3.2 Aufgabentypen, verlangte Fähig- spielen und ihrer Nutzung ...... 17 keiten und belohnte (Fahr-) 2.3.1 Rennspielmerkmale mit Bezug Verhaltensweisen ...... 49 zum Simulations- bzw. Erfah- 4.3.3 Realitätsnähe und Bezüge rungslernen ...... 18 zwischen eigenen Fahrerleb- 2.3.2 Rennspielmerkmale mit Bezug nissen und Rennspielen ...... 52 zum sozialen Lernen ...... 20 4.3.4 Auswirkungen der Rennspiel- 2.4 Intervenierende Variablen ...... 21 nutzung auf das eigene Fahr- 2.4.1 Objektive Realitätsnähe als verhalten ...... 53 intervenierende Variable beim Simu- 4.3.5 Chancen und Probleme fahrzeug- lations- und Erfahrungslernen ...... 21 bezogener Computerlernspiele ...... 54 2.4.2 Subjektive Realitätsnähe als inter- 4.4 Diskussion ...... 55 venierende Variable beim sozialen Lernen ...... 22 5 Resümee der theoretischen und 2.5 Zusammenfassung und empirischen Vorarbeiten ...... 57 Visualisierung ...... 24

6Eine Fragebogenstudie zu 3 Erste Vorstudie: eine Inhalts- Zusammenhängen zwischen analyse aktueller Computer- dem Konsum von Rennspielen spiele mit Fahrzeugbezug ...... 25 und realem Fahrverhalten ...... 58 3.1 Einführung ...... 25 6.1 Problemstellung ...... 58 3.2 Problemstellung der Inhalts- 6.2 Methode ...... 59 analyse ...... 26 6.2.1 Operationalisierung der 3.3 Das Kategoriensystem ...... 26 Konstrukte ...... 59 6

6.2.2 Rekrutierung der Probanden/innen ...... 60 6.3 Ergebnisse ...... 61 6.3.1 Ausmaß der Nutzung von Computerrennspielen in der Stichprobe ...... 61 6.3.2 Wer spielt Computerrennspiele? Zur Kennzeichnung von Vielnutzern/innen ...... 62 6.3.3 Dimensionen und Ausmaß problematischen Fahrverhaltens in der Stichprobe ...... 64 6.3.4 Zusammenhang zwischen Renn- spielnutzung und problemati- schem Fahrverhalten ...... 65 6.3.5 Kontrolle von Drittvariablen: Geschlecht, Alter, Fahrleistung und Lebensstil ...... 65 6.3.6 Kontrolle weiterer Drittvariablen in der männlichen Teilstichprobe ...... 69 6.3.7 Integrierte Analyse ...... 72 6.3.8 Akzeptanz von Fahrlernspielen ...... 72 6.4 Diskussion ...... 73

7 Ein experimenteller Test des Einflusses des Konsums von Rennspielen auf reales Fahr- verhalten mit Hilfe eines Fahr- simulators ...... 74 7.1 Zielsetzung ...... 74 7.2 Methode ...... 75 7.3 Ergebnisse ...... 77 7.4 Diskussion ...... 79

8 Gesamtdiskussion und Empfehlungen für die Verkehrssicherheitsarbeit ...... 80 8.1 Implikationen und Empfehlungen für die Verkehrssicherheit ...... 80 8.2 Weiterer Forschungsbedarf ...... 82

Literatur ...... 83 7

1Aufgabenstellung des Projekts audiovisuelle Darstellung und Eingabemedien und Übersicht über das Vor- (z. B. „echte” Lenkräder und Pedale) erreichen. gehen Solche Bedenken werden zumeist in weniger sys- tematisch elaborierter Form immer wieder auch in Computer- und Videospiele haben sich insbeson- den Publikumsmedien artikuliert. Das Ziel des Pro- dere bei jüngeren Generationen zu einem der be- jekts FE 82.159/1999 der Bundesanstalt für Stra- liebtesten Unterhaltungsmedien entwickelt. Aktuel- ßenwesen war es daher, die potenziellen Risiken, le Umfragedaten zeigen, dass etwa 23,6 Millionen aber auch mögliche Chancen für die Verkehrs- Bundesbürger/innen ab 14 Jahre zumindest „sel- sicherheit(sarbeit) theoretisch-empirisch zu unter- ten” Computer- oder Videospiele nutzen (Typologie suchen. Aufgabe des Projekts war es, die in der der Wünsche 2004). Interaktive Bildschirmspiele Fachöffentlichkeit (und zum Teil auch in der haben damit längst den Status eines Massenmedi- allgemeinen Öffentlichkeit) geäußerten Bedenken ums erreicht. Auch vor diesem Hintergrund sind und Spekulationen über die Wirkungspotenziale zahlreiche einzelne Spielprodukte in die öffentliche von Rennspielen durch Ergebnisse systematischer Kritik geraten. Dabei steht die drastische und oft- Forschung zu ersetzen, anhand derer konkrete mals sehr unkritische (wenn nicht verherrlichende) Handlungsempfehlungen für die Verkehrssicher- Darstellung von Gewalthandlungen im Mittelpunkt heitsarbeit formuliert werden können. Interessan- (im Überblick: KLIMMT & TREPTE, 2003). Aus der terweise widmet sich das Projekt einer Erkenntnis- Perspektive der Verkehrssicherheit(sarbeit) ist hin- lücke, die sowohl in der anwendungsbezogenen gegen die große Popularität und Verbreitung von (Verkehrssicherheits-)Forschung wie auch in Computer- und Videospielen relevant, in denen die der grundlagenorientierten (Medienwirkungs-)For- Spieler/innen virtuelle Fahrzeuge steuern dürfen schung besteht. (im Folgenden „Rennspiele” genannt, weil Autoren- Um die Zielsetzung zu erreichen, wurde ein zwei- nen bzw. schnelles Fahren bei der Mehrheit der phasiges Vorgehen gewählt (vgl. Bild 1.1). In der Spiele im Mittelpunkt stehen). In der Regel geht es ersten Phase stand die theoretische Modellierung bei Rennspielen um die Simulation von Autoren- möglicher Wirkungspotenziale auf der Basis exis- nen; in manchen Titeln findet die Fahrzeugnutzung tierender Konzepte und Forschungsbefunde aus auch in anderen narrativen Kontexten statt (vgl. verwandten Bereichen im Mittelpunkt (Kapitel 2). dazu Kapitel 3). Problematisch ist dabei, dass in Zugleich wurde der Gegenstand mit Hilfe einer In- sehr vielen Fällen die gültigen Gesetze und Regeln haltsanalyse systematisch exploriert und beschrie- für den Straßenverkehr, ja selbst die Fairnessgebo- ben (Kapitel 3). Außerdem wurden Nutzer/innen te für den Rennsport, keine Beachtung finden. Für von Rennspielen im Rahmen qualitativer Interviews rücksichtsloses, aggressives und gefährliches Fah- untersucht, um die theoretischen Annahmen zu er- ren werden die Spieler/innen von Rennspielen oft- gänzen und zu illustrieren (Kapitel 4). Diese theore- mals nicht nur nicht bestraft, sondern vielfach tischen und empirischen Vorarbeiten (vgl. zusam- sogar explizit belohnt. Dieser problematische Um- menfassend: Kapitel 5.) wurden dann in der zwei- gang mit Verkehrsregeln und -gesetzen in vielen ten Phase zur eigentlichen Überprüfung der Effek- Rennspielen hat in der Fachöffentlichkeit die Sorge te von Rennspielen auf das reale Fahrverhalten von hervorgerufen, dass der Gebrauch solcher Spiele durch Auswirkungen auf das reale Fahrverhalten neue Gefahren für die Verkehrssicherheit bergen könnte (z. B. KUBITZKI, 2004). Diese Sorge wird hauptsächlich begründet durch · die massenhafte Verbreitung: Viele Menschen konsumieren regelmäßig und ausdauernd sol- che Spiele; · die große Popularität in der aus Sicht der Ver- kehrssicherheitsarbeit zentralen Risikogruppe der jungen Fahrer; · den mittlerweile bemerkenswerten Grad an Realitätsnähe, den Rennspiele in Bezug auf die Bild 1.1: Schematische Übersicht des Projektplans 8

jungen Fahrern (und zum Teil auch von Fahrerin- · die Eigenschaften populärer und typischer nen) herangezogen. Zunächst wurde eine groß an- Rennspiele erfassen, gelegte Befragungsstudie durchgeführt (Kapitel 6); abschließend folgte ein Experiment, bei dem ein · ihre möglichen Auswirkungen auf sicherheitsre- Fahrsimulator zum Einsatz kam (Kapitel 7). Die Be- levante Komponenten des realen Fahrverhal- funde dieses umfangreichen Forschungspro- tens formulieren sowie gramms werden im Rahmen dieses Berichts mit · vermittelnde Prozesse, welche die Wahrschein- Blick auf die Medienwirkungsforschung diskutiert lichkeit der formulierten Auswirkungen steigern und mit Blick auf das Anwendungsfeld der Ver- oder vermindern (können), explizieren. kehrssicherheitsarbeit ausgewertet (Kapitel 8). Dazu wird auf verkehrs- und medienpsychologi- sche Grundlagen zugegriffen. Wir gehen dabei von 2 Explikation eines theorie- der intensiven Nutzung fahrzeugbezogener Com- basierten Modells puter- und Videospiele aus: Es wird angenommen, dass der einmalige oder seltene Gebrauch derarti- „Beim illegalen Rennen durch Österreich, die ger Spiele nicht ausreicht, um die kognitiven, mo- Schweiz, Deutschland und Holland geht es nicht torischen und/oder emotionalen Eigenschaften von nur um viel Geld, sondern diesmal vor allem um Individuen so stark zu beeinflussen, dass daraus Kopf und Kragen ... die Polizei hat ein Sonderein- bedeutsame Änderungen des Fahrverhaltens fol- satzkommando auf die Raser angesetzt ... dieses gen könnten. So gilt es z. B. in der Lernpsycholo- Spiel findet nicht in irgendwelchen Phantasiewelten gie als gesichert, dass nur die wiederholte, intensi- statt, sondern direkt vor Ihrer Haustür!” (Auszug aus ve Beschäftigung mit einem Gegenstand einen der Produktbeschreibung auf der Verpackung von ernst zu nehmenden Wissenszuwachs generieren „Autobahn Raser III – Die Polizei schlägt zurück”). kann (vgl. WEINERT, 1996). Ähnliche Annahmen gelten in der kommunikationswissenschaftlichen Bei vielen am Markt verfügbaren Rennspielen ist Forschung zur Kultivierung von Einstellungen bereits an der Verpackung und den Produkttests in durch Medienbotschaften (vgl. GERBNER, den Fachmagazinen ersichtlich, dass sie die Nut- GROSS, MORGAN & SIGNORELLI, 1994). zer/innen dazu veranlassen, ein Fahrverhalten zu zeigen, das sich deutlich von dem Verhalten unter- Die Explikation des Modells erfolgt gewissermaßen scheidet, welches gemeinhin als günstig für die ei- „rückwärts”, d. h., wir beginnen mit der Betrach- gene Sicherheit und die Sicherheit anderer Ver- tung des Fahrverhaltens, das im Rahmen des prob- kehrsteilnehmer/innen betrachtet wird. Das Ein- lematisierten Wirkungszusammenhangs als abhän- gangsbeispiel enthält bereits mehrere Elemente, die gige Variable (AV) anzusetzen ist (Kapitel 2.1). aus der Sicht der Verkehrssicherheitsarbeit als Anschließend werden zwei unterschiedliche Lern- problematisch betrachtet werden müssen. So ist prozesse beschrieben, welche durch bzw. während explizit von der Übertretung von verkehrsbezoge- der intensiven Rennspielnutzung stattfinden (könn- nen Gesetzen, von Wettrennen auf normalen ten) und die betrachteten Dimensionen des Fahr- Straßen und von aggressivem Widerstand gegen verhaltens betreffen (Kapitel 2.2). Ausgehend von die Polizei die Rede. Es stellt sich daher die Frage, diesen Annahmen über die sicherheitsrelevanten ob die intensive Nutzung solcher Spiele auf das Komponenten des Fahrverhaltens und die Lernpro- tatsächliche Fahrverhalten „abfärbt”, ob also Wir- zesse, welche auf das Fahrverhalten wirken, wer- kungen auf die Verkehrssicherheit anzunehmen den dann zentrale Merkmale typischer und populä- sind. Derartige Transfereffekte müssen aus der Per- rer Rennspiele (und ihrer Nutzung) beschrieben (die spektive der Verkehrssicherheitsarbeit nicht immer unabhängigen Variablen, UV), welche die skizzier- problematisch sein. Vielleicht bieten solche Effekte ten Lernprozesse auslösen könnten (Kapitel 2.3). auch die Chance, durch problemzentriert gestaltete Schließlich werden vermittelnde Prozesse themati- Lernspiele einen aktiven Beitrag zur Förderung der siert, welche ihrerseits die Wirkungsmechanismen Verkehrssicherheit zu leisten, etwa indem die Nut- beeinflussen (könnten) (Kapitel 2.4). Abschließend zung eines interaktiven Lernspiels in die Fahrausbil- wird das Modell zusammengefasst und visualisiert dung integriert wird. Um den möglichen Transferef- (Kapitel 2.5). fekten nachzuspüren, wird den empirischen Studi- en im Rahmen des Projekts ein theoriebasiertes Modell zugrunde gelegt. Dieses Modell soll 9

2.1 Die abhängige Variable: sicher- die mit einer Fahrt verbunden werden, beeinflussen heitsrelevante Dimensionen des jedoch das Fahrverhalten ebenfalls stark. Fahrverhaltens 2.1.1 Sicherheitsbezogene Fahrfähigkeiten Die Modellierung und Konzeptualisierung menschli- und -fertigkeiten chen Verhaltens am Steuer haben in der Verkehrs- Für die Bewältigung von Fahraufgaben benötigen psychologie eine lange Tradition (vgl. ECHTER- Individuen eine Vielzahl von Kompetenzen (KLE- HOFF, 1990). Dabei wurde immer wieder die Frage BELSBERG, 1976). Um die Fülle von benötigten in den Mittelpunkt gestellt, welche Faktoren Unfälle Qualifikationen zu strukturieren, bietet sich unserer herbeiführen bzw. welche Eigenschaften das Unfall- Ansicht nach eine Einteilung in grundlegende, d. h. risiko eines Menschen beeinflussen. Insbesondere perzeptuell-motorische, und „höhere”, d. h. kogni- junge Fahranfänger sind hier von Interesse, da sie tiv-mentale Fähigkeiten an. Die erste Gruppe um- mit Abstand das höchste Unfallrisiko aufweisen fasst Stressresistenz, die Aufmerksamkeitsalloka- (vgl. z. B. GREGERSEN & BJURULF, 1996). Das Ri- tion, die Reaktionsgeschwindigkeit sowie die siko, einen Unfall zu verursachen bzw. in einen Un- Auge-Hand-Koordination. Die zweite Gruppe be- fall verwickelt zu werden, ist eine statistisch zu er- steht aus dem vorhandenen Wissen über Verkehrs- mittelnde Größe, die aus der Analyse aggregierter regeln, „Fahrtaktik”, der Fähigkeit zur Risikowahr- Daten gewonnen wird. Unser Modell zielt jedoch nehmung sowie der Verfügbarkeit angemessener nicht auf eine Risikoabschätzung gemäß der Frage, mentaler Modelle. Diese acht Fähigkeiten bzw. Fer- wie viel Varianz in der Unfallbeteiligung sich durch tigkeiten werden im Folgenden näher beschrieben. die Rennspielnutzung erklären lässt. Vielmehr schla- gen wir eine prozessorientierte Modellierung vor, a) Perzeptuell-motorische Fähigkeiten: welche die Eigenschaften, die ein/e Fahrer/in in eine Stressresistenz gegebene Verkehrssituation einbringt und die in die- ser Situation wirksam werden (könnten), in den Mit- Eine zentrale sicherheitsrelevante Eigenschaft telpunkt stellt. Damit wird ganz bewusst eine ‚wei- von Fahrer/innen ist ihre Fähigkeit, in kurzer Zeit chere’ Kriteriumsvariable fokussiert. Denn die Wir- mit relativ vielen eingehenden Informationen kungen der Nutzung von Computer- und Videospie- umzugehen, ohne dabei Fehlleistungen zu pro- len sind bisher kaum untersucht worden (KLIMMT, duzieren. Eine hohe Verarbeitungskapazität er- in Druck). Eine abschließende Bewertung zum Ein- möglicht es dem Individuum, die Komplexität fluss der Rennspielnutzung auf das Unfallrisiko be- einer Verkehrssituation zu beherrschen. In den darf daher einer Reihe vorbereitender Schritte, ins- meisten Situationen genügt die durchschnittlich besondere der Untersuchung der Qualität von Wir- verfügbare kognitive Kapazität, um die anfallen- kungszusammenhängen: Welche Verhaltensweisen de mentale Last „aufzunehmen”. Doch kann am Steuer sind tangiert, welche sicherheitsrelevan- diese mentale Leistungsfähigkeit abnehmen, ten Eigenschaften von jungen Fahrer/innen lassen wenn das Subjekt zusätzlichen Belastungen sich möglicherweise durch die intensive Renn- ausgesetzt wird, etwa durch visuelle Reize im spielnutzung beeinflussen? Aus diesem Grund be- Fahrzeug (RENNER, 1995; WIERWILLE & TIJE- ginnt die Explikation des Modells mit der Vorstellung RINA, 1997) oder besonders komplexe Fahrsi- ausgewählter Dimensionen des Fahrverhaltens, die tuationen (vgl. VERWEY & VELTMAN, 1996). Die aus verkehrspsychologischer Perspektive als si- Fähigkeit, insbesondere unter Belastungsbedin- cherheitsrelevant gelten müssen. Wir orientieren uns gungen die eigene Informationsverarbeitungs- dabei an den Qualifikationen, die typischerweise in kapazität gut auszunutzen und damit ablenken- der verkehrspsychologischen Fahreignungsdiag- den Signalen und Stresszuständen zu widerste- nostik überprüft werden (vgl. z. B. BUKASA & RIS- hen, kann demnach als in hohem Maße sicher- SER, 1985). heitsrelevante Qualifikation für die Fahrzeuglen- kung verstanden werden (vgl. auch HOYOS, Grundsätzlich unterscheiden wir zwei ‚Blöcke’ von 1988). sicherheitsrelevanten Eigenschaften junger Fah- b) Perzeptuell-motorische Fähigkeiten: rer/innen: Fähigkeiten/Fertigkeiten einerseits und Aufmerksamkeitsallokation Motive andererseits. Für das sichere Steuern eines Fahrzeugs ist das Können zweifelsohne die zentra- Die Aufnahme und Verarbeitung von sich dyna- le Voraussetzung; die Wünsche und Intentionen, misch wandelnden Reizkonfigurationen sind 10

eine der zentralen kognitiven Leistungen, die c) Perzeptuell-motorische Fähigkeiten: beim Autofahren kontinuierlich erbracht werden Reaktionsgeschwindigkeit müssen (KLEBELSBERG, 1982; GROEGER & Eine mit der Aufmerksamkeitslenkung und -tei- Rothengatter, 1998). Von besonderer Be- lung verwandte Komponente sicheren Fahrver- deutung ist dabei die selektive Aufmerksam- haltens ist die Reaktionsgeschwindigkeit (LA- keit (COHEN, 1997), d. h. die Fokussierung CHENMAYER, 1987), also die von einem Indivi- auf bestimmte Reize (z. B. die unmittelbar be- duum benötigte Zeit, um auf (unvorhergesehe- nachbarten Fahrzeuge) unter gleichzeitiger ne) Verkehrsereignisse, z. B. plötzlich auftreten- ‚Ausblendung’ oder Vernachlässigung anderer, de Hindernisse, oder auf „Gelb” bzw. „Rot” für die aktuelle Aufgabenstellung weniger rele- springende Ampeln, die angemessene Verhal- vanter Reize. Nur eine zweckdienliche Steue- tensoption zu identifizieren und umzusetzen. rung der eigenen Aufmerksamkeit ermöglicht es Somit besitzt das Konstrukt „Reaktionsge- den Fahrer/innen, mit dem ständigen Zustrom schwindigkeit” sowohl eine Komponente der In- neuer Informationen so umzugehen, dass das formationsverarbeitung (die eng mit der Verar- eigene Fahrzeug fehlerfrei gelenkt werden kann. beitungskapazität zusammenhängt, vgl. a) ) als Gelingt eine Konzentration auf die wichtigen auch eine motorische Seite (z. B. EMMANS, ‚Ausschnitte’ der aufgenommenen Informa- 1997; KISSER, 1985). tionen nicht (was typischerweise mit ‚Ablen- kung’ beschrieben wird), drohen Gefahren, etwa d) Perzeptuell-motorische Fähigkeiten: weil andere Verkehrsteilnehmer übersehen Auge-Hand- und Auge-Fuß-Koordination werden und Kollisionen verursacht werden können. Die zielführende Aufmerksamkeitslen- Zu den sicherheitsrelevanten Fähigkeiten und kung verlangt also immer auch eine gewisse Fertigkeiten im Bereich der Wahrnehmung und ‚Disziplin’ gegenüber irrelevanten, ablenken- Motorik gehört auch das Vermögen, einen für den Reizen. An dieser Stelle muss betont wer- die Lenkung eines Fahrzeugs angemessenen den, dass es um die Fähigkeit zur selektiven motorischen ‚Output’ zu erzeugen. Die ersten Aufmerksamkeitslenkung geht. Viele Verkehrs- Fahrstunden in der Führerscheinausbildung die- teilnehmer/innen scheinen sich ablenken (las- nen hauptsächlich dem Ziel, ein „Gefühl” für sen) zu wollen, obwohl sie eigentlich zu einer das Fahrzeug zu vermitteln, also die Verknüp- ausreichenden Selektionsleistung fähig sind. fung zwischen visueller (und auditiver) Wahr- Dabei handelt es sich jedoch um ein motiva- nehmung einerseits und motorischem Output tionales Problem (vgl. Kapitel 2.1.2). andererseits herzustellen. Die Drehung des Lenkrades beispielsweise muss an die visuelle Ein verwandtes Problem der Aufmerksamkeits- Wahrnehmung der zu durchfahrenden Kurve allokation, das beim Autofahren auftritt, ist die und ggf. die empfundene Intensität der auf den Notwendigkeit, mehrere dynamische Objekte Wagen wirkenden Fliehkräfte gekoppelt wer- und ihre Relation zum eigenen Fahrzeug konti- den. Ein Beispiel für die Auge-Fuß-Koordination nuierlich zu erfassen und zu verarbeiten. Die ist der Grad, bis zu dem das Bremspedal he- Fähigkeit zur parallelen Verarbeitung oder runtergedrückt wird, der mit dem geschätzten „geteilten Aufmerksamkeit” gehört daher zu den „Zeitpunkt bis zur Kollision” (FÄRBER, 1986) für das sichere Fahren erforderlichen Qualifika- abgestimmt werden muss. tionen (FÄRBER, 1987; COHEN, 1997). Zahl- reiche Autounfälle werden von den Verur- e) Kognitiv-mentale Fähigkeiten: sacher/innen damit begründet, dass der Unfall- Regelbezogenes Wissen gegner ‚übersehen’ wurde. Dies lässt sich (häu- fig) als unzureichende Leistung bei der Auf- Die bisher angesprochenen Fähigkeiten und Fertigkeiten beziehen sich auf vergleichsweise merksamkeitsteilung rekonstruieren. Gerade in grundlegende Leistungen im Bereich der Wahr- intensiv genutzten Verkehrsräumen, etwa im nehmung, Informationsverarbeitung und moto- Stadtverkehr, aber auch auf den Parkplätzen rischen Aktivität. Zur sicheren Steuerung eines von Einkaufszentren, müssen Autofahrer/innen Kraftfahrzeugs werden jedoch auch „höhere” effektive Strategien zur Aufmerksamkeitsteilung Fähigkeiten benötigt, da sich die Integration der anwenden. wahrgenommenen situativen Umstände mit den eigenen Zielen und Fähigkeiten als komplexe 11

Aufgabe darstellt. Zu den erforderlichen Qualifi- ders relevant ist, ist die Fähigkeit zur Risiko- kationen höherer Ordnung gehört offensichtlich wahrnehmung. Unabhängig von der Einstel- das Wissen über die im genutzten Verkehrs- lung, wie mit Risiken umzugehen ist (vgl. dazu raum gültigen Verkehrsregeln. Ihre Vermittlung Kapitel 2.1.2), müssen Fahrer/innen in der Lage besitzt einen erheblichen Stellenwert innerhalb sein, die Gefahren, die sich aus einer gegebe- der Fahrausbildung. Auch die Fahrprüfung legt nen Verkehrssituation entwickeln können, zu einen Schwerpunkt auf das Regelwissen. Denn identifizieren. Eine solche „Risikoanalyse” dient das verfügbare Regelwissen kann in praktisch als Grundlage für die Auswahl eines angemes- jeder Verkehrssituation als handlungsleitende senen Fahrmanövers. Werden Gefahren überse- Orientierungshilfe herangezogen werden und hen, unterschätzt oder auch überschätzt, erge- dient der Strukturierung und Selektion vorhan- ben sich Unfallrisiken für das Individuum selbst dener Fahroptionen. und für andere Verkehrsteilnehmer/innen. Ins- besondere jugendliche Fahrer/innen scheinen f) Kognitiv-mentale Fähigkeiten: „Fahrtaktik” Schwierigkeiten mit der adäquaten Gefahren- Neben der Verfügbarkeit aktuellen und gültigen wahrnehmung zu haben, weil sie dazu neigen, Regelwissens, das eher als deklaratives Wissen entdeckte Gefahren zu unterschätzen (GROE- zu verstehen ist, kann eine weitere sicherheits- GER & CHAPMAN, 1996; vgl. auch TRÄNKLE, relevante Wissenskomponente isoliert werden, GELAU & METKER, 1990). RENGE (1998) konn- die eher prozeduraler Natur ist. Mit „Fahrtaktik” te zeigen, dass sich die Leistungen bei der Ge- ist das Wissen um bestimmte wiederholt ein- fahrenerkennung mit zunehmender Fahrpraxis setzbare Manöver und Fahrhandlungen ge- verbessern (vgl. auch BENDA & HOYOS, 1983). meint, die einem Individuum bei der Bewälti- Unabhängig von einer gegebenen Verkehrssi- gung seiner Fahraufgabe nützlich sein können. tuation beeinflusst auch die Beurteilung der ei- Diese Manöver müssen nicht konform mit den genen Fahrfähigkeiten die Risikowahrnehmung. Verkehrsregeln sein. Ein Beispiel für fahrtakti- Befunde von GREENING und CHANDLER sches Wissen ist die Wahl der „Ideallinie” zur (1997) deuten darauf hin, dass viele Menschen schnelleren Kurvendurchfahrt, die meist die ihre Fahrkompetenzen für überdurchschnittlich Nutzung der Gegenfahrbahn erforderlich macht. halten und deshalb ihr Risiko, einen Unfall zu er- Auch die proaktive Veränderung der Geschwin- leiden, unterschätzen. Selbstüberschätzung digkeit bei der Annäherung an eine grüne Kreu- und Gefahrenunterschätzung hängen also eng zungsampel, bei der die parallele Fußgänger- zusammen. Ampel bereits auf Rot geschaltet hat, was ein baldiges Umspringen der für den Fahrzeug-Ver- h) Kognitiv-mentale Fähigkeiten: mentale kehr geltenden Ampel erwarten lässt, kann als Repräsentation von Verkehrssituationen Fahrtaktik verstanden werden: Sowohl die Be- Ein wichtiger Aspekt der „mentalen Ausrüstung” schleunigung des eigenen Fahrzeugs, um der von Kraftfahrer/inne/n ist der Erfahrungsschatz Ampelschaltung zuvorzukommen, als auch die über die Besonderheiten unterschiedlicher Reduktion des Tempos zur Vermeidung einer (Klassen von) Verkehrssituationen. Umsichtiges Einfahrt in die Kreuzung bei roter Ampel wären Fahren wird auch dadurch möglich, dass das fahrtaktische Manöver. Auf solche Verhaltens- Subjekt Vorwissen darüber mitbringt, worauf es weisen bezogenes Wissen bezieht sich dem- sich in einer anstehenden Fahraufgabe einstel- nach auf die Nutzung des vorhandenen Ver- len muss. Die Einfahrt in einen Kreisel etwa setzt kehrsraums und der verfügbaren Fahroptionen andere Schwerpunkte in der Aufgabenstellung zum eigenen Vorteil, wobei die konsequente als die Annäherung an einen Zebrastreifen oder Umsetzung taktisch günstiger Fahrmanöver – in die Fahrt durch eine Spielstraße. Die Kogniti- Abhängigkeit von der sicherheitsbezogenen ons- und die Motivationspsychologie haben Motivation – auch im Widerspruch zu den gel- sich intensiv mit den Vorstellungen von Situatio- tenden Verkehrsregeln stehen kann. nen und Abläufen beschäftigt, die Individuen im Laufe der Zeit aufbauen und die als Orientie- g) Kognitiv-mentale Fähigkeiten: rungshilfe für das Verhalten in einer Situation Risikowahrnehmung herangezogen werden können. Es handelt sich Eine weitere Komponente der Fahrtüchtigkeit, dabei um so genannte „handlungsleitende psy- die im Kontext der Verkehrssicherheit beson- chische Abbilder” oder „mentale Modelle” 12

(GENTNER & STEVENS, 1983). HACKER (1996) dass die beschriebenen Komponenten zwar analy- gibt ein anschauliches Beispiel: Es „sei an einen tisch voneinander unterscheidbar sind, jedoch Anlagenfahrer gedacht, er „weiß” um die in der nicht unbedingt voneinander unabhängig sein Anlage ablaufenden Prozesse, „kennt” also die müssen. So lassen sich beispielsweise Zusam- Art der Verknüpfung der technologischen Para- menhänge zwischen den Aufmerksamkeitsleistun- meter, hat „Vorstellungen” vom Aufbau der in- gen, der mentalen Kapazität und der Reaktionsge- neren, dem Blick unzugänglichen Teile der Anla- schwindigkeit vermuten. Auf der Ebene der kogni- ge, er „kennt” zahlreiche Signale, die ihm ein- tiv-mentalen Fähigkeiten sind unter anderem Ver- griffsrelevante Zustände des Prozesses anzei- bindungen zwischen dem erworbenen Regelwis- gen, er „verfügt” über die erforderlichen Maß- sen und den ausgebildeten mentalen Modellen von nahmen, er „kennt” mögliche Folgezustände Verkehrssituationen denkbar. Für eine theoretische bestimmter Handlungen, ihre Bedingungen, Modellierung möglicher Wirkungszusammenhänge Zeitparameter sowie ihre Eintrittswahrschein- erscheint die gewählte Einteilung dennoch brauch- lichkeiten – kurzum, er hat ein mehr oder weni- bar, weil sie ein ‚feinkörniges‘ Vorgehen erlaubt. ger differenziertes, anschaulich-vorstellungs- Dass manche Komponenten in der Realität mit- mäßiges oder abstrakt-gedankliches ... Zustän- einander zusammenhängen, können die empiri- de und Verläufe gleichermaßen einschließendes schen Studien zeigen; für die Explikation und Ver- „Bild” von der Anlage, von seinem Arbeitspro- anschaulichung des Modells ist diese Tatsache zess und von den Rahmenbedingungen” (S. zunächst von sekundärer Bedeutung. Eine Revisi- 772). Offensichtlich lässt sich das Beispiel leicht on des Modells auf der Basis der empirischen Er- auf das Autofahren übertragen. Ein mentales gebnisse wird solchen Zusammenhängen dagegen Modell für das Fahren im Stadtverkehr umfasst große Beachtung schenken müssen. zum Beispiel das Wissen um Spezifika wie hohes Verkehrsaufkommen, geringe Abstände zwischen den Fahrzeugen, hohe Auftretens- 2.1.2 Sicherheitsrelevante Motive wahrscheinlichkeit von Bussen und Straßen- Neben den oben skizzierten Fähigkeiten müssen bahnen, mögliche Gefahren durch Fußgänger bei der Kennzeichnung sicherheitsrelevanter und Radfahrer, Techniken zur schnellen Park- Aspekte des Fahrverhaltens auch motivationale platzfindung etc. Geht man davon aus, dass Dispositionen berücksichtigt werden. Der Wunsch, derartige Vorstellungen oder mentale Modelle jede Gefahr im Straßenverkehr unbedingt zu ver- den Fahrer/innen bei der Bewältigung von Ver- meiden, dürfte beispielsweise einen erheblichen kehrssituationen helfen, so ist die „Qualität”, Einfluss auf das Fahrverhalten ausüben, der unter also die Angemessenheit und Vollständigkeit, Sicherheitsaspekten positiv zu bewerten wäre. Wir mit denen diese Modelle bei ihnen vorliegen, ein konzentrieren uns auf die Neigung zu aggressivem sicherheitsrelevanter Aspekt des Fahrverhal- Verhalten einerseits und auf die Risikowahl, also tens. Berücksichtigt zum Beispiel das mentale die Einstellung zum (akzeptablen) Risikoniveau Modell, das ein/e junge/r Fahrer/in von der Fahrt beim Fahren andererseits. Die Aggression gegen durch eine Spielstraße entwickelt hat, die Auf- andere Verkehrsteilnehmer und die Risikowahl sind tretenswahrscheinlichkeit von plötzlich auf die motivationale Komponenten des Fahrverhaltens, Straße laufenden Kindern nur ungenügend, mag die unmittelbar die Sicherheit des Individuums dies zur Wahl einer unangemessenen Fahrge- selbst als auch die Sicherheit der umgebenden schwindigkeit führen und Unfallgefahren herauf- Verkehrsteilnehmer/innen tangiert. beschwören.

Aggression Fazit Ein erheblicher Teil der verkehrspsychologischen Die hier vorgestellte Einteilung von sicherheitsbe- Literatur ist der Erforschung aggressiver Verhal- zogenen Komponenten des Fahrverhaltens in per- tensweisen im Straßenverkehr gewidmet (im zeptuell-motorische und kognitiv-mentale Fähig- Überblick: BREWER, 2000). Aggression äußert sich keiten deckt unserer Ansicht nach die für die Fra- häufig in zu schnellem Fahren (EWERT, 1994) und gestellung des Projekts zentralen Aspekte ab, kann dem Verfolgen anderer Fahrzeuge ohne angemes- aber nicht den Anspruch auf Vollständigkeit erhe- senen Abstand (BÖSSER, 1987). Beide Verhaltens- ben. Ein zweites mögliches Problem besteht darin, weisen gehören zu den häufigsten Unfallursachen 13

im Straßenverkehr (Statistisches Bundesamt, kehrsteilnehmer geraten und eine höhere Wahr- 2002). Entsprechend gilt die Bereitschaft, aggressi- scheinlichkeit besitzen, sich selbst aus Vergel- ves Verhalten am Steuer zu zeigen, als eine im tungs- und Genugtuungsmotiven heraus aggressiv Kontext der Verkehrssicherheit höchst problemati- zu verhalten (vgl. auch SHINAR, 1999). sche Eigenschaft. Sie scheint vorwiegend bei männlichen Personen aufzutreten (SHINAR, 1999), Risikowahl ist unter jungen Fahrern verbreiteter als unter älte- ren (KRAHÉ & FENSKE, 1999) und tritt insbeson- Neben der Aggressionsbereitschaft muss die Ein- dere bei Individuen mit narzisstischer Persönlich- stellung gegenüber dem akzeptablen Risiko beim keit auf (STUCKE, 2001). Auslöser aggressiver Ver- Autofahren als wichtiges sicherheitsrelevantes haltensweisen sind häufig frustrierende Behinde- Motiv betrachtet werden. In der Verkehrspsycholo- rungen durch erhöhtes Verkehrsaufkommen gie wird der Umgang mit Risiken beim Fahren in- (SHINAR, 1999), aber auch das rücksichtslose Ver- tensiv erforscht (z. B. DEERY & FILDES, 1999; halten einzelner Verkehrsteilnehmer (LAJUNEN, SHOPE, WALLER, RAGHUNATHAN & PATIL, PARKER & STRADLING, 1998; DUKES, CLAYTON, 2001). Wiederum gelten jugendliche Fahrer/innen JENKINS, MILLER & RODGERS, 2001). Ferner als Problemgruppe (JONAH, 1986; BEGG & scheinen aggressive Verhaltensweisen dadurch LANGLEY, 2001; BECK, SHATTUCK & RALEIGH, begünstigt zu werden, dass die anderen Autofahrer 2001); auch scheinen männliche Personen eher (als Ziele der Aggression) meist hinter den Schei- dazu zu neigen, größere Risiken einzugehen ben ihres Fahrzeugs verborgen sind und es daher (HARRÉ, FIELD & KIRKWOOD, 1996; SHOPE, leichter ist, sie nicht als Individuen ernst zu neh- LANG & WALLER, 1997); jedoch sprechen die ak- men. Diese Anonymität fördert feindselige Verhal- tuellen Befunde einer Messfahrzeugstudie von tensweisen, weil sich das Subjekt von aggressi- BOYCE und GELLER (2002) dafür, dass ein solcher onshemmenden empathischen Gefühlen gegenü- Geschlechtsunterschied bisher überschätzt wurde. ber der Zielperson ‚befreien‘ kann (so genannte Die motivationale Disposition, Risiken einzugehen, Deindividuation; vgl. ELLISON, GOVERN, PETRI & muss analytisch von der Fähigkeit, Risiken zu er- FIGLER, 1995). kennen und einzuschätzen, getrennt werden (vgl. dazu Kapitel 2.1.1, h) ). HARRÉ (2000) unterschei- Unabhängig von den Faktoren, die Aggressionen det drei Typen des Umgangs mit Risiken: beim Fahren auslösen können, muss eine erhöhte Neigung, sich aggressiv im Verkehr zu verhalten, · active risk avoidance (aktive Risikovermei- als sicherheitsrelevante Komponente des Fahrver- dung), haltens betrachtet werden. Eine genauere motiva- · acceptance of risk as a cost (Inkaufnahme von tionale Analyse aggressiven Verhaltens beim Fah- Risiken), ren legt nahe, zwei Aspekte zu differenzieren: Zum einen könnte aggressives Fahren aus einer Wettbe- · risk seeking (aktives Aufsuchen von Risiken). werbsorientierung motiviert sein (BREWER, 2000). Das Motiv der aktiven Risikovermeidung ist offen- Wer den Wunsch verspürt, schneller zu sein als ein sichtlich die für die Verkehrssicherheit günstigste anderes Fahrzeug oder seine Route in möglichst Haltung gegenüber potenziellen Gefahren im kurzer Zeit zurückzulegen, dürfte eher geneigt sein, Straßenverkehr. Solange es wirksam ist, wird das aggressive Manöver auszuführen. Zum anderen Subjekt versuchen, Gefahren möglichst früh zu er- könnte der so genannte Hostile Attribution Bias kennen und durch vorausschauendes und defensi- (HAB; vgl. dazu CRICK & DODGE, 1994) Aggres- ves Fahren zu meiden. sionen auslösen. Personen, die eine solche Wahr- nehmungsverzerrung aufweisen, neigen dazu, die Die Inkaufnahme von Risiken ist gleichzusetzen mit Verhaltensweisen anderer Personen vorschnell der Unterordnung der eigenen Sicherheit und der bzw. irrtümlich als intentional gegen sich gerichtet Sicherheit anderer Verkehrsteilnehmer/innen unter aufzufassen; sie vermuten also gewissermaßen andere Fahrziele, etwa das zügige Erreichen des überall ‚feindliche Absichten‘. Solche intentional- Bestimmungsorts oder die Fortsetzung des eige- feindlichen Interpretationen der Handlungen ande- nen Bewegungsflusses (der etwa durch eine um- rer führen oftmals zu aggressiven (Re-)Aktionen springende Ampel droht, unterbrochen zu werden). (ZUMKLEY, 1984). Autofahrer mit einem HAB dürf- HARRÉ (2000) weist darauf hin, dass ein solch ‚ins- ten daher sehr viel häufiger in Wut über andere Ver- trumenteller‘ Umgang mit Risiken bei Jugendlichen 14

nicht immer aus rein ich-bezogenen Gründen ge- besonders große Gefahren provoziert werden kön- wählt wird, sondern dass zum Beispiel der Druck nen und sich dadurch sehr intensive Erregungs- der Peer Group riskantes Fahren erforderlich und dann Erleichterungszustände einstellen (vgl. macht, um soziale Integration zu erfahren (vgl. BARTL, 1997). Riskantes Autofahren könnte daher JESSOR, 1987). MOFFIT (1993) diskutiert das Phä- für „Sensation Seeker” eine besonders attraktive nomen, dass bewusst riskantes Fahrverhalten von Tätigkeit sein. Wie die oben angeführten Beispiele männlichen Jugendlichen dazu eingesetzt wird, zeigen, muss die Neigung, sich an solchen Erfah- dem Status eines Erwachsenen näher zu kommen. rungen zu vergnügen, als höchst problematisch für die Verkehrssicherheit betrachtet werden, weil die Die aktive Risikosuche schließlich stellt die mit Ab- Herstellung der benötigten Gefahrensituationen stand problematischste Form des Umgangs mit eine Bedrohung für die Sicherheit zahlreicher Ver- Gefahren im Straßenverkehr dar. Aufgrund der kehrsteilnehmer/innen nach sich ziehen kann. heute in praktisch jedem Automobil vorhandenen Leistungspotenziale bieten sich im Straßenverkehr immer wieder Möglichkeiten, bewusst ein riskantes 2.2 Lernprozesse: Auf welche Weise und gefährliches Manöver durchzuführen. Beispie- le sind Überholvorgänge auf kurzen geraden Ab- könnte das Fahrverhalten beein- schnitten einer Landstraße, das Schneiden einer flusst werden? Linkskurve ohne Sicht auf mögliche Gegenverkeh- Im ersten Kapitel der Modellexplikation wurden re oder eine stark überhöhte Geschwindigkeit auf Komponenten des Fahrverhaltens benannt, die als der Autobahn. Als Motiv für derartige Verhaltens- sicherheitsrelevant gelten müssen. Im Rahmen des weisen wird typischerweise der „Thrill” angenom- Modells sind diese Komponenten als abhängige men. Damit wird die positiv erlebte Empfindung be- Variablen zu verstehen, d. h., dass ihre Ausprägun- schrieben, die sich beim Überstehen einer herbei- gen in einem Individuum durch unabhängige Varia- geführten Gefahrensituation einstellt. Die Neigung, blen, welche im vorliegenden Falle mit der intensi- diese Form des Vergnügens aufzusuchen, wurde ven Nutzung von Rennspielen einhergehen bzw. von ZUCKERMAN (1979b) „Sensation Seeking” der Intensivnutzung inhärent sind, beeinflusst wer- genannt und als Persönlichkeitseigenschaft kon- den können. Um ein fundiertes Verständnis des zeptualisiert (vgl. auch BURST, 1999). Sie wurde Problemfelds zu gewinnen und in Zukunft erfolgrei- von ihm auch explizit in den Kontext der aktiven Ri- che Interventionsmaßnahmen gestalten zu können, sikosuche gestellt (ZUCKERMAN, 1979a). Der im ist es an dieser Stelle erforderlich, theoretische Individuum ablaufende Prozess während eines Bindeglieder zu modellieren, also Annahmen über Thrillerlebnisses lässt sich emotionspsychologisch das „Wie” und „Warum” der Beeinflussung der ab- durch die Transfertheorie von ZILLMANN (1983; hängigen Variablen durch die unabhängigen Varia- 1996) erklären. Demnach führt die Gefahrensituati- blen zu treffen. on zu einem (drastisch) erhöhten Erregungszu- stand, der zunächst als unangenehm erfahren wird. Grundsätzlich können Beeinflussungen des Fahr- Sobald der Zeitpunkt erreicht ist, an dem das Sub- verhaltens durch die Nutzung von Rennspielen als jekt erkennt, dass die Gefahr vorüber ist, schlägt Lernprozesse aufgefasst werden: Durch das Spie- die Bewertung des eigenen Zustands in „positiv” len am Bildschirm verändert sich das Subjekt; es bzw. „angenehm” um. Die physische Erregung kann z. B. neue Fähigkeiten erwerben oder sich lässt jedoch nicht mit der Geschwindigkeit nach, neue Motive aneignen. Diese veränderte Konstitu- mit der sich die Situationsbewertung ändert. Daher tion wird dann unter Umständen im realen Fahr- stößt die positive Bewertung auf ein noch immer verhalten wirksam, etwa weil in bestimmten Situa- stark erhöhtes Erregungsniveau. Dieser Zustand tionen eine neue Fähigkeit eingesetzt wird oder ein wird als starke Euphorie erlebt und stellt das vom neues Motiv zum Tragen kommt. Im Kontext unse- Individuum angestrebte Ziel einer bewusst herbei- rer Problemstellung geht es also um Lernprozesse, geführten Risikosituation dar. die sich auf die oben genannten Komponenten des Fahrverhaltens beziehen und deren Ursprung in der Zwar lassen sich derartige Transfererlebnisse Nutzung von Renn-Videospielen liegt. durch viele verschiedene Aktivitäten, z. B. Bungee- Springen oder auch die Rezeption eines spannen- Wir schlagen in Anlehnung an die Einteilung des den Films mit Happy-End generieren. Doch ist Fahrverhaltens in Fähigkeiten/Fertigkeiten einer- davon auszugehen, dass beim Autofahren häufig seits und Motive andererseits die Unterscheidung 15

von zwei unterschiedlichen Lernprozessen vor. onslernens auch bei der Nutzung von Rennspielen Demnach könnten sich die auf das Autofahren be- auftreten können. Die strukturellen Ähnlichkeiten zogenen Fähigkeiten und Fertigkeiten durch Simu- zwischen der Computerspielnutzung und dem Au- lations- oder Erfahrungslernen ändern (vgl. Kapitel tofahren im Allgemeinen (VORDERER, 2002) und 2.2.1); die sicherheitsrelevanten Motive hingegen die wachsende Detailfülle von Rennspielen im Be- könnten durch soziales Lernen beeinflusst werden sonderen (KLIMMT & VORDERER, 2002) rechtferti- (Kapitel 2.2.2). gen die Annahme, dass die Fähigkeiten und Fertig- keiten, die oben beschrieben worden sind, auch durch das simulierte Fahren am Bildschirm trainiert 2.2.1 Änderung von Fähigkeiten/Fertigkeiten werden können. Allerdings ist davon auszugehen, durch Simulations- oder Erfahrungslernen dass diese Lerneffekte deutlich schwächer ausfal- „Drill and Practice” durch Simulation. Die im Kapi- len als bei didaktisch geplanten Lernanwendun- tel 2.1.1 beschriebenen Fähigkeiten und Fertigkei- gen, welche sich auf spezifische Probleme konzen- ten, welche für die Verkehrssicherheit relevant sind, trieren und systematische Übungen anbieten (vgl. können zum Großteil durch Übung und Erfahrung auch von BRESSENDORF et al., S. 18). Das „Trai- verbessert werden. Aus diesem Grund zeichnet ning” bei der Rennspielnutzung stellt sich daher als sich die praktische Fahrausbildung durch eine Re- eher sporadisch und beiläufig, keinesfalls aber als dundanz bestimmter Aufgaben aus; während der intensiv oder gezielt dar. Fahrstunden werden beispielsweise zahlreiche Si- Wir gehen davon aus, dass die Rennspielnutzung tuationen herbeigeführt, die zum Üben der Auf- einen direkten Trainingseffekt auf die beschriebe- merksamkeitslenkung beitragen oder die Verrich- nen perzeptuell-motorischen Fähigkeiten und Fer- tung bestimmter Tätigkeiten unter erhöhter menta- tigkeiten ausüben kann, dass also die Stressresis- ler Arbeitsbelastung trainieren. Einfache Systeme tenz/mentale „Workload”, die Aufmerksamkeitsal- zum computer-unterstützten Lernen, die so ge- lokation, die Reaktionsgeschwindigkeit sowie die nannten „Drill-and-Practice”-Programme (vgl. z. B. Auge-Hand- und Auge-Fuß-Koordination durch KOSAKOWSKI, 2000; HOGLE, 1996), zielen in das Fahren am Bildschirm geübt werden können. ganz ähnlicher Weise darauf, durch häufige Wie- Für den Bereich der geteilten Aufmerksamkeit lie- derholung klarer Aufgabenstellungen die kontinu- gen dazu bereits erste empirische Nachweise der ierliche Beschäftigung mit einem Problemfeld si- Wirkung von Computerspielen vor, wenngleich cher zu stellen und den erfolgreichen Umgang mit diese nicht an Rennspielen und verkehrsbezoge- den typischen Anforderungen des Problemfelds nen Transferaufgaben überprüft wurden (vgl. gewissermaßen „einzuschleifen”. Solche ‚Trai- GREENFIELD, DeWINSTANTLEY, KILPATRICK & ningseffekte‘ lassen sich auch bei Videospielen zei- KAYE, 1994). Derartige Lerneffekte müssen keines- gen, die nicht nach didaktischen Kriterien ent- wegs immer positive Konsequenzen für die Ver- wickelt wurden (vgl. KAWASHIMA, SATAKE, UEKI, kehrssicherheit haben. Das Einüben der Auge- TAJIMA & MATSUNAMI, 1991; SUBRAHMANYAM Hand-Koordination an einem Simulations-Lenkrad, & GREENFIELD, 1994). wie es für die meisten Spiele-Plattformen angebo- Für das Erlernen des Umgangs mit komplexen ten wird, könnte zum Beispiel zu Fehlleistungen im technischen Systemen werden häufig Simulations- Umgang mit dem anders konstruierten Lenkrad eines realen Wagens führen. systeme eingesetzt (MÜLLER, 1998). Sie bieten der lernenden Person eine interaktive Übungsumge- Erwerb von Erfahrungen mit Bezug kognitiv-men- bung, die dem realen Aufgabenfeld nachempfun- talen Fähigkeiten den ist. Mit Simulationssystemen lassen sich be- Die oben behandelten kognitiv-mentalen Fähigkei- stimmte Aufgabenkonfigurationen kontrolliert her- ten „Wissen über Verkehrsregeln”, „Fahrtaktik”, stellen, um unter Ausschluss der realen Konse- Fähigkeit zur Risikowahrnehmung sowie die Verfüg- quenzen von Fehlleistungen die Lösung der Aufga- barkeit verkehrsbezogener mentaler Modelle lassen ben zu üben. Auch für die Fahrausbildung wird sich nach unserer Modellvorstellung ebenfalls trai- daher der Einsatz von Simulatoren erwogen (von nieren. Hierfür wäre jedoch der Begriff des Erfah- BRESSENDORF, HEILIG, HEINRICH, KAMM, rungslernens treffender als der Begriff des Simulati- KÄPPLER & WEINAND, 1995). onslernens. Denn bei den komplexeren Komponen- Im Rahmen des Modells gehen wir deshalb davon ten des Fahrverhaltens spielt unserer Auffassung aus, dass Prozesse des Erfahrungs- bzw. Simulati- nach das „Drill-and-Practice”-Prinzip nur eine un- 16

tergeordnete Rolle. Vielmehr ist anzunehmen, dass gern, also die Erwartung, die eigenen Ziele in einer die Nutzung von Fahrzeug-Computerspielen das nachfolgenden Situation durchsetzen zu können. Erfahrungs- und Wissensrepertoire der Nutzer/ Der Prozess des Computerspielens kann wiederum innen vergrößert. Im Vergleich zu Personen, die als Sequenz von Problembewältigungen mit vielen keine Rennspiele nutzen, dürften Vielspieler/innen kleinen Erfolgserlebnissen modelliert werden über einen reicheren Erfahrungsschatz etwa in (KLIMMT, 2001a). Durch die Nutzung von Renn- Bezug auf fahrtaktische Verhaltensweisen verfügen, spielen könnten daher Prozesse des Erfahrungsler- weil zum Beispiel das Ausfahren der „Ideallinie” in nens angestoßen werden, die zur Unterschätzung Kurven ein häufig angewendetes Manöver in man- externer Gefahrenquellen einerseits und zur Über- chen Spielen darstellt (vgl. dazu Kapitel 2.3). Auch schätzung eigener Fähigkeiten andererseits führen für die Fähigkeit zur Risikowahrnehmung werden und damit die Gesamtfähigkeit zur Risikoerkennung durch die Nutzung von Rennspielen situationsbezo- beeinträchtigen. Umgekehrt könnten zielgerichtete gene Erfahrungswerte generiert, die im realen Fahrlernspiele eben an diesen beiden Problemen Straßenverkehr abrufbar sein könnten. Die gewähl- ansetzen und die Risikowahrnehmung verbessern. ten Beispiele machen bereits deutlich, dass auch das Erfahrungslernen mit Bezug zu den themati- sierten kognitiv-mentalen Fähigkeiten nicht auto- 2.2.2 Änderung von sicherheitsbezogenen matisch günstig für die Verkehrssicherheit sein Motiven durch soziales Lernen muss. So ist auch davon auszugehen, dass die mentalen Modelle bestimmter Verkehrssituationen Während die perzeptuell-motorischen und kognitiv- durch Rennspiele mitgeformt werden und dass das mentalen Fähigkeitsaspekte des Fahrverhaltens implizite (und explizite) Wissen über Verkehrsregeln durch Simulations- bzw. Erfahrungslernen beein- durch die Erfahrungen beim Fahren am Bildschirm flusst werden könn(t)en, muss für die Entwicklung beeinflusst werden können. der sicherheitsrelevanten Motive „Aggression/Ag- gressivität” und „Risikowahl” ein anderer Typus von Besondere Bedeutung der Spielerfahrungen für die möglichen Lernprozessen angenommen werden. Risikoerkennung Denn Motive lassen sich nicht durch „Drill-and- Practice” verändern: Die Intentionen und Dispositio- Auf Lerneffekte im Zusammenhang mit der Fähig- nen eines Menschen gegenüber bestimmten Verhal- keit zur Risikowahrnehmung muss an dieser Stelle tensweisen hängen eng mit Bewertungen zusam- noch einmal genauer eingegangen werden. Wie men. Welche Zustände beurteilt das Subjekt positiv, oben angedeutet (vgl. Kapitel 2.1.1 g), können Pro- welche negativ? Welche Ereignisse lösen positive bleme bei der Risikoerkennung einerseits durch die Gefühle aus, welche Angst oder Ärger? BANDURA Unterschätzung von Gefahrenpotenzialen in der Si- (1986) hat mit der sozial-kognitiven Lerntheorie eine tuation und andererseits durch die Überschätzung empirisch gut bewährte Grundlage geschaffen, um der eigenen Fähigkeiten entstehen. Beide Aspekte motivationsbezogene Lernprozesse zu analysieren könnten durch die Rennspielnutzung tangiert wer- (vgl. im Überblick auch GROEBEN & VORDERER, den. Zum einen könnten die beim Spielen gemach- 1988). Sie ist insbesondere mit Blick auf die Frage, ten Erfahrungen dazu führen, dass bestimmte Risi- ob Gewaltdarstellungen aggressive Verhaltenswei- kofaktoren im Verkehr (z. B. geringer Abstand zum sen von Rezipient/inn/en fördern können, immer vorausfahrenden Fahrzeug) als weniger gefährlich wieder auch auf die Mediennutzung angewendet eingestuft werden. Zum anderen könnten die Erfah- worden (vgl. zusammenfassend GLEICH, 2004). rungen, bestimmte Spielaufgaben erfolgreich ge- meistert zu haben, bewirken, dass die Nutzer/innen Grundsätzlich geht die sozial-kognitive Lerntheorie ihre eigenen Fahrfähigkeiten überschätzen. Denn davon aus, dass Subjekte das Verhalten von ande- die Erfahrung von aktiver Teilnahme (VORDERER, ren Personen („Modellen”) beobachten und daraus 2000), Kontrolle (KNOBLOCH, 2000; GRODAL, individuelle ‚Lernbotschaften‘ generieren. Beob- 2000) und Selbstwirksamkeit (KLIMMT, in Druck) ist achtetes Verhalten wird also nicht einfach imitiert, ein wichtiger Teil des Spielerlebens und könnte die sondern vielmehr in abstrakter, wandelbarer Form Erwartung der Spieler/innen bezüglich ihrer Einfluss- in das vorhandene Repertoire möglicher Verhal- möglichkeiten auf reale Fahrsituationen beeinflus- tensweisen integriert. Ob dieses Verhalten oder sen. In dieser Richtung argumentiert auch BANDU- eine modifizierte Variante davon in einer anderen RA (1977), der davon ausgeht, dass „mastery expe- Situation vom Individuum gezeigt wird, hängt wie- riences” (Erfolgserlebnisse) die „self-efficacy” stei- derum von zahlreichen Faktoren ab (BANDURA, 17

2001). Als zentraler Antrieb, beobachtetes Verhal- gen. Dabei könnte der Reduktion inhibitorischer ten zu zeigen, gilt jedoch die erwartete Belohnung Kräfte eine besondere Bedeutung zukommen. („incentive”). Ob ein Nutzen (oder ein Schaden) aus Denn die Konsequenzen aggressiver und/oder ris- einer Verhaltensweise entsteht, kann das Subjekt kanter Verhaltensweisen werden in Spielhandlun- gen im Allgemeinen und beim Computerspielen im · aus eigener Erfahrung wissen, Besonderen grundsätzlich verharmlost: Durch die · aus der Beobachtung von Modellen gelernt Abkoppelung der Spielhandlung von der Wirklich- haben keit (OERTER, 1999; MOGEL, 1994) entfallen nega- tive Erlebnisse wie soziale Ablehnung durch ande- oder aber an persönlichen Verhaltensmaßstä- · re Menschen, Verletzungen oder Tod. Schlimms- ben ablesen (wenn z. B. Hilfsbereitschaft eine tenfalls muss das Spiel wiederholt werden, wenn wichtige Handlungsnorm für ein Subjekt ist, eine riskante Verhaltensweise einmal nicht belohnt wird es in einer entsprechenden Situation hilfs- wird und in einem simulierten Unfall endet. Legt bereit sein, weil die Realisierung der eigenen man die Vorstellungen der sozial-kognitiven Lern- Handlungsnorm eine Belohnung darstellt). theorie zugrunde, so kann man also davon ausge- Ferner ist für die Äußerung beobachteten Verhal- hen, dass die intensive Nutzung von Rennspielen, tens die Wirksamkeit von inhibitorischen Kräften welche aggressives und/oder riskantes Fahren be- von Bedeutung. Erwartungen sozialer Nachteile, lohnen und gleichzeitig die Konsequenzen solcher die durch das Ausführen einer Verhaltensweise ver- Verhaltensweisen nicht angemessen abbilden, die ursacht werden (z. B. Ablehnung durch andere Per- Motive einer Person, aggressiv und/oder riskant im sonen), oder die Antizipation von Unzufriedenheit realen Verkehr zu fahren, fördern kann. Umgekehrt mit sich selbst („self-sanction”) können die Reali- könnten wiederum gezielt eingesetzte Lernspiele sierung einer Verhaltensweise unterbinden. Dieser versuchen, durch Belohnungen für rücksichtsvolles Fall tritt nach BANDURA (2001) typischerweise bei und risikovermeidendes Fahren bzw. die adäquate der Situation auf, in der ein Regelverstoß (nicht) be- Darstellung der Konsequenzen von aggressivem gangen wird. Im Kontext der Mediengewalt-For- und riskantem Fahren die Motivlage von Fahrer/ schung wird beispielsweise argumentiert, dass innen in eine unter Sicherheitsaspekten günstigere viele Mediendarstellungen Gewalt von ihren Richtung zu entwickeln. tatsächlichen Konsequenzen lösen (weil das ent- stehende menschliche Leid nicht angemessen ge- zeigt wird) und die Erfolgsaussichten von Gewalt- handlungen sehr groß wirken lassen. Das erste 2.3 Relevante Merkmale von Renn- Problem zielt auf die Entkräftung inhibitorischer spielen und ihrer Nutzung Einflüsse, das zweite auf die zu erwartende Beloh- Nachdem nun Annahmen darüber formuliert wor- nung für das beobachtete (Gewalt-)Verhalten ab. den sind, durch welche Arten von Lernprozessen Eine Übertragung solcher motivationsbezogenen die Rennspielnutzung auf das reale Fahrverhalten Lernprozesse auf das Fahrverhalten scheint ohne wirken könnte, ist es nun erforderlich, die Merkma- Probleme möglich zu sein. CHRIST (1995) argu- le von Rennspielen zu benennen, welche als Aus- mentiert auf der Basis der sozial-kognitiven Lern- gangspunkt für die Lernprozesse in Frage kom- theorie, dass Motorsportfans ‚schon‘ durch die Be- men. Damit wird das Modell durch die Kennzeich- obachtung von Rennereignissen und die Beloh- nung der unabhängigen Variablen vervollständigt; nungen, welche die Fahrer für hohe Geschwindig- im darauf folgenden Kapitel 2.4 werden jedoch keiten erhalten, zu schnellerem Fahren motiviert noch intervenierende Variablen, die den Wirkungs- werden. Für interaktive Rennspiele, bei denen die zusammenhang beeinflussen könnten, zu diskutie- Nutzer/innen selbst die Belohnungen für eigene ren sein. Als Strukturierungshilfe werden die rele- Fahrverhaltensweisen erfahren, könnte dieser Zu- vanten Merkmale von Rennspielen den Lernpro- sammenhang sogar noch stärker ausgeprägt sein. zessen, die sie anstoßen könnten, zugeordnet. Die intensive Nutzung von Spielen, in denen die In- Zunächst werden Faktoren aufgeführt, die sich kaufnahme großer Risiken belohnt wird und/oder durch Simulations- und Erfahrungslernen auswir- aggressive Verhaltensweisen den größten Erfolg ken könnten (Kapitel 2.3.1), und dann Spielcharak- bescheren, könnte also die Äußerung solcher Ver- teristika diskutiert, die soziale Lernprozesse in haltensweisen im realen Straßenverkehr begünsti- Gang setzen könnten (Kapitel 2.3.2). 18

2.3.1 Rennspielmerkmale mit Bezug zum darunter sind auch die meisten Rennspiele zu fas- Simulations- bzw. Erfahrungslernen sen – verlangen demnach von ihren Nutzer/innen (1) eine „Fokussierung der relevanten [und] Aus- Eine Benennung von Merkmalen interaktiver Me- blendung irrelevanter Informationen”, (2) „automa- dienangebote steht vor dem Problem, dass diese tisierte (Re-)Aktionen/Routinen/kurzfristige Pla- Merkmale kaum losgelöst von der Nutzung be- nung” sowie (3) „motorische Schnelligkeit und Prä- trachtet werden können, weil die Nutzer/innen zision” (S. 493). einen starken Einfluss auf die Gestalt und den Ver- lauf des Angebots ausüben können (z. B. KLIMMT, 2001c; SEIBOLD, 2002). KLIMMT (2001b) hat Fokussierung der relevanten und Ausblendung daher drei Ebenen vorgeschlagen, mit denen Com- irrelevanter Informationen puterspiele als Angebotsform beschrieben werden können, ohne eine individuenübergreifende Beob- Der erste genannte Aufgabentyp zielt auf die gefor- achtung der jeweiligen Spielnutzung durchführen derten Aufmerksamkeitsleistungen (vgl. Bild 2.1). zu müssen: Bei einer unsystematischen Angebotssichtung wird schnell deutlich, dass so gut wie alle Fahrzeug- · den narrativen Kontext, spiele eine Aufmerksamkeitslenkung entlang der · die Aufgabe der Spieler/innen und zu bewältigenden Fahrstrecke und eine Reizselek- tion zwischen wichtigen Objekten (z. B. anderen · die mediale Präsentation. Fahrzeugen, Hindernissen, Hinweisschildern) und Die Eigenschaften von Rennspielen, die einen unwichtigen Objekten (z. B. Tribünen, Hintergrund- Bezug zum Simulations- und Erfahrungslernen be- Grafiken) verlangen. Eine Aufmerksamkeitsteilung sitzen, dürften vornehmlich auf der Ebene der wird vor allem dann verlangt, wenn komplexere Spielaufgaben angesiedelt sein. Das Schema von Fahrsituationen dargestellt werden, etwa durch die KLIMMT (ebd.) differenziert diese auf den Dimen- Beteiligung mehrerer Fahrzeuge und/oder zahlrei- sionen Geschwindigkeit und Komplexität (vgl. Ta- cher Hindernisse, die gleichzeitig beachtet werden belle 2.1). Spiele mit hoher Grundgeschwindigkeit – müssen. Darüber hinaus ist hier auch die mentale Beanspruchung relevant, denn je komplexer die Spielaufgabe gestaltet wird, desto größer ist die Problem- Entschei- Ausführung- mentale Workload, die von den Nutzer/innen zu be- erfassung dungsfin- der Planung dung/Planung wältigen ist. Treten also in einem Rennspiel viele Si- Geschwin- Fokussierung Automatisierte Motorische tuationen mit zahlreichen relevanten (und irrelevan- digkeit der relevanten, (Re-)Aktio- Schnelligkeit ten) Elementen auf, könnte diese andauernde Ausblendung nen/Routi- und Präzision Komplexität ein Training der mentalen Bean- irrelevanter In- nen/kurzfristi- (zeitlich und spruchbarkeit bewirken. formationen ge Planung räumlich) (z. B. Erfas- sung von Geg- nern in einem Actionspiel) Komplexität Gründliche Mehrstufige Eindeutigkeit, Aufnahme von Entschei- Vollständigkeit Informationen, dungsprozes- (z. B. Bestim- Erkennung von se, Berück- mung von Wechselbezie- sichtigung Formation und hungen zwi- von Wechsel- Marschroute schen Proble- wirkungen, eigener Trup- melementen Antizipation pen, Befehls- (z. B. Konfigu- von langfristi- vergabe ration und gen Hand- gemäß einer Geometrie lungskonse- Prioritäten- eines feindli- quenzen, liste, Sicher- chen Angriffs) Ressourcenal- stellung des lokation Einsatzes aller verfügbaren Ressourcen)

Tab. 2.1: Geschwindigkeit und Komplexität als Dimensionen Bild 2.1: Beispiel für eine Rennspielsituation, die hohe Auf- von Anforderungen an Computerspieler/innen. Quelle: merksamkeits- und Workload-Leistungen erfordert KLIMMT (2001b), S. 493 (Quelle: „Driver”, Infogrames, 1999) 19

Automatisierte (Re-)Aktionen/Routinen/kurzfristige Motorische Schnelligkeit und Präzision Planung Der dritte Aufgabentyp schließlich umfasst den Der zweite Aufgabentyp adressiert die Reaktions- motorischen Aspekt der Reaktionsgeschwindigkeit geschwindigkeit und spricht hier zunächst den sowie die Auge-Hand-Koordination (und im Falle Aspekt der Informationsverarbeitung und Entschei- der Nutzung zusätzlicher Eingabegeräte auch die dungsfindung an (vgl. Bild 2.2). Dabei geht es vor Auge-Fuß-Koordination). Beispiele sind das allem um automatische, d. h. leicht verfügbare „Timing” bei einem Überholmanöver oder die „Do- Denk- und Planungsheuristiken. Die Verfügbarkeit sierung” der Lenkbewegung beim Ausweichen angemessener mentaler Modelle (etwa für das Ver- während einer Hochgeschwindigkeitsfahrt (vgl. halten bei einer Verfolgungsjagd oder das Fahren auch Bild 2.3). Jenseits der bisher vorgestellten für im Windschatten eines konkurrierenden Rennwa- Rennspiele klassischen Aufgabentypen sind auch gens) scheint geradezu eine Grundvoraussetzung Merkmale von Rennspielen leicht zu entdecken, zu sein, um mit großer Geschwindigkeit die richti- die ein Erfahrungslernen mit Bezug zu Verkehrs- gen Verhaltensoptionen zu bestimmen. Denn nur regeln und Fahrtaktik vermuten lassen. Das Wissen solche ‚vorgefertigten‘ Routinen entlasten das um Verkehrsregeln wird in zahlreichen Rennspielen Subjekt von umfangreicheren Denkaktivitäten und verlangt: Zwar werden, wie das Eingangsbeispiel ermöglichen die angesichts des hohen Spieltem- „Autobahn Raser” zeigt, Verstöße gegen diese pos dringend benötigte Zeitersparnis bei der Regeln oftmals nahe gelegt, doch müssen Regeln Entscheidungsfindung und Handlungsplanung. in bestimmten Situationen beachtet oder zumin- Gleichzeitig tangiert dieser Aufgabentyp auch die dest bedacht werden. Wenn zum Beispiel bei Fähigkeit zur Risikowahrnehmung: Bei den meisten „Grand Theft Auto III” ein Polizeifahrzeug in der Rennspielen existieren in vielen Situationen poten- Nähe ist, empfiehlt es sich, die Verkehrsregeln ein- zielle Gefahren, denen durch die Wahl des richtigen zuhalten (und nicht etwa eine rote Ampel zu über- Manövers begegnet werden muss. Hier sind etwa fahren), um kein Aufsehen zu erregen. In vielen an- das Risiko, durch zu hohes Tempo in einer Kurve deren Situationen und Spielen dienen die Verkehrs- ins Schleudern zu geraten oder bei einem „illega- regeln dazu, das Verhalten anderer Verkehrsteil- len” Autorennen (z. B. bei „Autobahn Raser”) durch nehmer zu antizipieren: Die (auf dem Wissen über die Stadt mit einem unbeteiligten Fahrzeug zu kol- die gültigen Verkehrsregeln fußende) Annahme, lidieren, zu nennen. Die zielführende Handlungs- dass sich zum Beispiel bei „Alarm für Cobra 11 – planung muss daher meist nicht nur schnell erfol- die Autobahnpolizei” die unbeteiligten Fahrzeuge gen, sondern auch auf einer verlässlichen Risikoer- an die Verkehrsregeln halten und nicht etwa un- kennung basieren. angekündigt die Fahrspur wechseln, erleichtert die Planung der für die Verfolgungsjagden notwendi- gen Überholmanöver. Insofern kann zumindest

Bild 2.2: Beispiel einer Rennsituation, die eine schnelle Hand- lungsplanung und Reaktion verlangt, eine Kollision mit dem vorausfahrenden Wagen zu vermeiden; ebenso ist die ideale Linie für die Kurvendurchfahrt schnell zu Bild 2.3: Beispiel einer Rennspielsituation, die die Reaktionsge- wählen und der Verlust der Bodenhaftung durch zu schwindigkeit und Auge-Hand-Koordination – hier bei hohes Tempo zu verhindern. Automatisierte Hand- einem komplizierten Ausweichmanöver – beansprucht lungsroutinen sind dazu erforderlich (Quelle: „Formula (Quelle: „Mafia – the City of Lost Heaven”, Take 2 In- 1”, Psygnosis, 1997) teractive, 2002) 20

von einer Aktualisierung von Verkehrsregeln bei Zunächst wäre hier die Wettbewerbsorientierung vielen Rennspielen ausgegangen werden, womit zu nennen. Häufig wird die Aufgabe, ein Fahrzeug auch ein (wenngleich unsystematischer) Lerneffekt zu steuern, mit der Auflage, eine bestimmte Zeit zu verbunden sein könnte. In Kapitel 2.3.2 wird aller- unterschreiten oder schneller zu sein als konkurrie- dings zu überlegen sein, inwiefern Rennspiele die rende Fahrzeuge, kombiniert. Für schnelles Fahren Bereitschaft, Verkehrsregeln einzuhalten, unterstüt- werden Siege zum Beispiel in Form von Punkten zen. und neuen Spielmöglichkeiten (etwa zusätzlich ver- fügbaren Fahrzeugen oder Strecken) sowie Belobi- Fahrtaktisches Wissen wiederum dürfte durch die gungen durch bestimmte Spielfiguren erzielt. Die intensive Beschäftigung mit Fahrzeugspielen ge- Inkaufnahme von Risiken wird dadurch immer wie- wissermaßen automatisch produziert werden. der belohnt. Denn unabhängig von der jeweiligen Spielaufgabe (Fahren gegen Gegner, gegen die Uhr, Ausführen Im Zusammenhang mit dem Wettstreit mit anderen von Missionen etc.) ergeben sich bestimmte Tech- Fahrzeugen steht die Belohnungsstruktur für niken, die den Nutzer/innen kleine oder große Fort- aggressive Verhaltensweisen. Die Bewertung an- schritte bei der Zielerreichung bescheren. Diese derer Fahrzeuge als Konkurrenten ist geradezu Taktiken werden nicht systematisch geübt, son- eine Grundlage für das Spielverständnis. Darüber dern zum Teil eher zufällig durch anfängliches Aus- hinaus sind bewusste Angriffe auf ‚gegnerische‘ probieren entdeckt und später durch Wiederholung Fahrzeuge in manchen Titeln besonders ziel- und Verfeinerung angeeignet. Beispiele sind die führend, weil die zugefügten Schäden Nachteile für Suche nach Abkürzungen bei Verfolgungsfahrten, die Gegner bei der Zielerreichung bewirken (z. B. plötzliche Fahrtrichtungswechsel zum Abschütteln Verlangsamung oder Aufgabe des Rennens). Ag- von Verfolgern oder das ‚Zufahren‘ der von einem gressive Manöver, zum Beispiel „Den-Weg-Ab- verfolgenden Fahrzeug anvisierten Kurvenlinie, um schneiden”, Rammen oder sogar der Einsatz von dessen Abbremsen zu erzwingen. Waffen (wie etwa bei „Road Wars”, Swing Enter- Wie die angeführten Beispiele zeigen, lassen sich tainment, 2000), gehören in manchen Spielen zu problemlos anschauliche Beispiele für Aufgaben- den Tätigkeiten, die Erfolg versprechend sind oder typen finden, die Prozesse des Simulations- und gar für den Erfolg zwingend notwendig sind; die Erfahrungslernens mit Bezug zu den sicherheitsre- entsprechenden Belohnungserfahrungen könnten levanten Komponenten des Fahrverhaltens an- daher Ausgangspunkte für soziale Lernprozesse stoßen könnten. An dieser Stelle ging es nicht sein. Dies gilt auch für den oben beschriebenen darum, bereits eine vollständige Liste möglicher Hostile Attribution Bias (HAB; vgl. CRICK & Spielcharakteristika vorzulegen, die relevant sein DODGE, 1994). könnten. Dies wird Aufgabe der anstehenden In- Die meisten Rennspiele stellen die Auswirkungen haltsanalyse von Rennspielen sein (vgl. Kapitel 3). riskanter und aggressiver Verhaltensweisen nur Vielmehr sollte die obige Diskussion an Beispielen oberflächlich dar. Oftmals sind lediglich Blech- erläutern, wie sich die Bewältigung der rennspiel- schäden zu sehen; seltener werden Personenschä- spezifischen Aufgabentypen in Simulations- und den gezeigt. Die Wirkungen aggressiven Verhaltens Erfahrungslernen umsetzen könnte. erscheinen meist spektakulär (Massenkaram- bolagen, Explosionen etc.), dürften aber fast nie Betroffenheit auslösen, weil menschliches Leid 2.3.2 Rennspielmerkmale mit Bezug zum kaum zu erkennen ist. Schäden am eigenen Fahr- sozialen Lernen zeug oder der eigenen Spielfigur sind in der Regel Betrachtet man die Nutzung von Rennspielen als auch nur angedeutet zu sehen und bleiben weit ge- Verhaltensmodell, an dem sich bestimmte Fahrver- hend ohne Konsequenzen; im schlimmsten Fall haltensweisen beobachten lassen, ergeben sich muss eine Spielaufgabe (etwa eine Mission) wie- schon bei der Untersuchung weniger Titel wichtige derholt werden. Die Möglichkeit, Spielstände zu Merkmale, die durch Anreize bzw. Belohnungen speichern und damit den erreichten Status (z. B. soziale Lernprozesse mit Bezug zum aggressiven Punkte oder ein virtuelles Geldvermögen) vor dem und/oder riskanten Fahren anstoßen könnten. Geht Verlust durch den „Tod im Spiel” zu schützen, re- man vom Beschreibungsschema von KLIMMT duziert bei den meisten Titeln zusätzlich den Um- (2001b) aus, so sind diese Belohnungsstrukturen fang der Konsequenzen riskanten bzw. aggressi- eher in den narrativen Elementen zu suchen: ven Fahrens. 21

Angesichts dieser Spezifika kann auch angenom- litätsnähe (Kapitel 2.4.1) und der subjektiven Rea- men werden, dass die Neigung zur aktiven Risiko- litätsnähe (2.4.2) zu unterscheiden. suche durch Rennspiele gefördert wird. Viele Spiel- situationen stellen sich als Ereignisse mit hohem 2.4.1 Objektive Realitätsnähe als intervenieren- „Thrill-Faktor” dar, weil eine erhebliche Gefahr sug- de Variable beim Simulations- und Erfah- geriert und durch die hohe Spielgeschwindigkeit rungslernen die physische Aktivierung gesteigert wird. Zusätzli- che Gestaltungselemente, vor allem eine schnelle, Damit die Übung von Fähigkeiten und Fertigkeiten aktivierende Musik, sollen häufig die Erlebnisinten- einen möglichst großen Nutzen für die Bewältigung sität noch steigern. In Verbindung mit der vermit- von Problemen außerhalb der Übungstätigkeit be- telten Folgelosigkeit riskanten Fahrens ist hier auch sitzt, muss die Ähnlichkeit zwischen Übungstätig- eine Belohnungsstruktur gegeben, welche durch keit und Problembearbeitung möglichst groß sein soziale Lernprozesse die aktive Risikosuche im (vgl. KLEBELSBERG, 1976). Diese unmittelbar ein- realen Verkehr beeinflussen könnte. leuchtende Annahme liegt auch dem Trend in der Simulationsentwicklung zugrunde, immer mehr Wirklichkeitstreue in der Gestaltung von interakti- 2.4 Intervenierende Variablen ven Übungsumgebungen zu realisieren: Eine mög- lichst große „Fidelity” wird angestrebt (von BRES- In den vorangegangenen Abschnitten wurden die SENDORF et al., 1995; vgl. auch AKAMATSU, notwendigen Elemente eines Modells zur kausalen OKUWA & ONUKI, 2001). Auf diese Weise soll es Wirkung von unabhängigen Variablen (Rennspielei- der lernenden Person möglichst leicht gemacht genschaften) auf abhängige Variablen (Komponen- werden, die im Simulator gesammelten Erfahrun- ten des tatsächlichen Fahrverhaltens) unter Spezi- gen auf die Realität zu übertragen. Auch für die fizierung der Beschaffenheit dieser Wirkungen nicht intendierten, beiläufigen und sporadischen (Lernprozesse) expliziert. Die getroffenen Annah- „Drill-and-Practice”-Lerneffekte bei der Videospiel- men wurden bewusst sehr vorsichtig formuliert, nutzung ist daher zu unterstellen, dass der Grad denn es ist offensichtlich, dass die vermuteten Wir- der objektiven Übereinstimmung zwischen Renn- kungsmechanismen nicht deterministischer Art spielnutzung und realem Fahren die Tragweite der sind: Angesichts der Beliebtheit von Rennspielen Übungseffekte massiv beeinflusst. Ist diese „objek- müssten sonst praktisch alle männlichen Personen tive Realitätsnähe” bei einem Rennspiel kaum ge- zwischen 18 und 25 Jahren und ein beachtlicher geben, so beschränkt sich die Anwendbarkeit der Anteil weiblicher Personen dieses Alters im erworbenen Fähigkeiten und Fertigkeiten auf den Straßenverkehr auffällig geworden sein. Die be- weiteren Verlauf dieses Spiels und gegebenenfalls schriebenen Wirkungsprozesse könnten demnach darüber hinaus auf die Nutzung ähnlicher Renn- bei einem gegebenen Individuum eintreten, sie spiele; sie besteht aber nicht für reale Fahrsituatio- müssen es aber nicht. Eventuell finden die model- nen. Liegt dagegen eine große objektive Realitäts- lierten Prozesse sogar bei vielen Individuen statt, nähe vor, so existiert eine deutlich größere Wahr- doch sorgen zusätzliche Faktoren dafür, dass das scheinlichkeit, dass die erworbenen Kompetenzen Ausmaß der Verhaltenswirksamkeit nur minimal auch im Straßenverkehr eingesetzt werden kön- bleibt. Diese zusätzlichen Faktoren oder intervenie- nen. renden Variablen werden im letzten Kapitel der Mo- dellentwicklung vorgestellt. Ihre Relevanz liegt zum An einem Beispiel sei dieser intervenierende Ein- einen in der Tatsache begründet, dass die oben „in fluss der objektiven Realitätsnähe verdeutlicht: Reinform” modellierten Wirkungszusammenhänge Viele Rennspiele bieten als Option an, das eigene offenbar in der Realität nur höchst selten eintreten Fahrzeug mit „manueller Schaltung” zu steuern. und zum anderen in der mangelhaften Berücksich- Die Gangschaltung wird dann über zwei Knöpfe tigung durch die bisherige Wirkungsforschung über (des Joysticks oder der Tastatur) bedient. Dieses Computerspiele (vgl. dazu z. B. ANDERSON & Dill, Verfahren kommt im realen Straßenverkehr allen- 2000; KLIMMT, in Druck). Grundsätzlich geht es falls bei wenigen Luxusautomobilen mit halbauto- bei den betrachteten Transferprozessen aus der matischer Schaltung zum Einsatz; meistens muss Rennspielnutzung auf das reale Fahrverhalten um ein Schalthebel in Kombination mit einer Pedal- die Frage, inwiefern und in welchem Ausmaß die Kupplung betätigt werden. Mit Blick auf das Trai- Rennspielnutzung dem wirklichen Autofahren nieren der Auge-Hand-Koordination ist diese gerin- gleicht. Hierbei ist zwischen der objektiven Rea- ge objektive Realitätsnähe also der Grund dafür, 22

dass die Motorik von Schaltvorgängen im Renn- zahl frustrierender Spielunterbrechungen zu redu- spiel kaum eingeübt werden kann, weil sich die zieren, verzichten viele Rennspiele beispielsweise Aufgabe des Schaltens in den meisten realen Fahr- auf allzu realistisches Kurvenverhalten oder ernst- zeugen anders darstellt als im Rennspiel. hafte Beeinträchtigungen bei der Kollision mit einem Hindernis. Eben solche Erleichterungen sen- Das Beispiel verweist auf die Bedeutung der Ein- ken die objektive Realitätsnähe und vermindern die gabeinstrumente für die objektive Realitätsnähe. Wahrscheinlichkeit, dass sich Nutzer/innen fahrbe- Für alle Spiele-Plattformen stehen mittlerweile In- zogene Kompetenzen aneignen, die sie beim Auto- strumente zur Verfügung, die den Bedienelemen- fahren in der Wirklichkeit einsetzen können. ten realer Fahrzeuge deutlich ähnlicher sind als Tastatur, Maus und Joystick. Lenkräder mit Peda- Schließlich gehört auch die soziale Dimension zur len und zum Teil auch Schalthebeln verlängern die objektiven Realitätsnähe. Hier ist zunächst die Rennsimulation über den Bildschirm hinaus. Dass Frage von Bedeutung, welche Arten von Verkehrs- diese am Tisch zu befestigenden Instrumente nach teilnehmern, die in der Wirklichkeit anzutreffen wie vor deutliche Unterschiede zu echten Lenkrä- sind, in einem Rennspiel überhaupt vorkommen. dern, Pedalen etc. aufweisen, ist offensichtlich; im Formel-1-Spiele etwa bilden Rennstrecken ab, auf Vergleich zu den klassischen Eingabewerkzeugen denen sich weder Gegenverkehr noch Radfahrer stellen sie jedoch eine erhebliche Steigerung der oder Fußgänger befinden. Legt man den ‚norma- objektiven Realitätsnähe dar (KLIMMT, 2002). Um len‘ Straßenverkehr als Realitätsmaßstab zugrun- zum Beispiel einen Wagen schnell nach rechts aus- de, ist demnach die objektive Realitätsnähe derar- weichen zu lassen, ist nun nicht mehr der Druck tiger Spiele gering. Denn Lerneffekte mit Bezug einer Pfeil-Taste auf dem Keyboard nötig, sondern zum Umgang mit diesen Verkehrsteilnehmern eine schnelle Drehung des Spiellenkrads. (etwa die Fortentwicklung entsprechender menta- ler Modelle) können hier nicht eintreten. Neben Neben den Eingabeinstrumenten spielt auch die dem Problem der (Nicht-)Anwesenheit von Ver- audiovisuelle Darstellung eine große Rolle für die kehrsteilnehmern ist auch das Verhalten der vor- objektive Realitätsnähe. Die Anzeigen über den Zu- findbaren virtuellen Akteure von Bedeutung. Sind stand des eigenen Fahrzeugs (Tachometer, Dreh- ihre Verhaltensweisen unter Sicherheitsaspekten zahlmesser, Ganganzeige etc.) werden in vielen ‚typisch‘? Laufen beispielsweise Kinder hinter Spielen genau so abgebildet, wie sie in echten einem Ball auf die Straße? Queren Radfahrer, die Autos vorzufinden sind. Die visuelle Gestaltung links abbiegen wollen, mit Handzeichen die Fahr- wird immer reichhaltiger, umfasst immer mehr Ob- bahn? Tolerieren Polizeieinheiten Regelverstöße jekte, die immer detaillierter gezeichnet sind und oder schreiten sie ein? Es ist zwar offensichtlich, ein immer ‚natürlicheres‘ Bewegungsverhalten be- dass Videospiele die Komplexität der sozialen sitzen (KLIMMT & VORDERER, 2002). Simulierte Wirklichkeit nicht einmal annähernd abbilden kön- Rückspiegel komplettieren meist den Versuch, nen. Doch ist davon auszugehen, dass die soziale durch visuelle Darstellungen den Eindruck realer Dimension der objektiven Realitätsnähe bei den Fahrzeuge zu verbessern. Auch im auditiven Be- verfügbaren Spielen erheblich variieren kann, ent- reich sind vielfach Bemühungen um größtmögliche weder weil bestimmte Personengruppen gar nicht objektive Realitätsnähe, etwa bei Motoren- und erscheinen oder aber vollkommen wirklichkeitsfer- Bremsgeräuschen, zu erkennen. ne Verhaltensweisen aufweisen.

Verbunden mit der Darstellungsqualität sind die 2.4.2 Subjektive Realitätsnähe als intervenie- physikalischen Grundlagen eines Rennspiels. In- rende Variable beim sozialen Lernen wiefern wird das reale Kurvenverhalten von Auto- mobilen durch ein Rennspiel wiedergegeben? Ist In der öffentlichen Debatte über die problemati- die Wirkung von Beschleunigungs- und Bremskräf- schen Wirkungen insbesondere gewalthaltiger ten auf das Fahrzeug angemessen simuliert? Was Computerspiele wird häufig das Einflusspotenzial passiert mit dem Auto, wenn es in die Leitplanke der Spiele an ihrer von außen gut sichtbaren objek- rast? Solche fahrphysikalischen Aspekte der ob- tiven Realitätsnähe festgemacht (z. B. GROSS- jektiven Realitätsnähe sind besonders interessant, MAN, 2000; SCOTT, 1994). Demgegenüber wurde weil sie unmittelbar mit der Komplexität und der Frage, wie die Nutzer/innen die Inhalte eines Schwierigkeit der Spielaufgabe verbunden sind. Spiels bewerten und abbilden, bisher vernachläs- Um den Schwierigkeitsgrad zu senken und die An- sigt. Im vorliegenden Kontext ist hier vor allem die 23

Frage relevant, inwiefern die Nutzer/innen selbst mit der Wirklichkeit verwechseln, sondern es ist Parallelen und Ähnlichkeiten zwischen der Renn- bedeutsam, ob diese Personen während des Fah- spielnutzung und dem realen Straßenverkehr rens die Wirklichkeit mit dem Spiel verwechseln sehen. Diese subjektive Realitätsnähe, die nicht (vgl. zur Annahme dieses Problems auch SCHREI- ausschließlich von den objektiven Eigenschaften BER, 2002). In diesem Fall ist nämlich davon aus- eines Medienangebots abhängen muss, dürfte als zugehen, dass die im Spiel belohnten Verhaltens- intervenierende Variable für die Entwicklung der si- weisen wie Aggressivität auch in echten Fahrsitua- cherheitsrelevanten Motive Aggressivität und Risi- tionen gezeigt werden. kowahl von großer Bedeutung sein. Personen, die in Rennspielen sehr häufig für rücksichtsloses und (2) Die Frage, inwieweit Personen Realität von Fik- aggressives Fahrverhalten belohnt worden sind, je- tion unterscheiden (können), wird insbesondere mit doch eindeutige Unterschiede zwischen der Spiel- Blick auf das vermeintlich besonders realitätstreue tätigkeit einerseits und dem wirklichen Autofahren Medium Fernsehen diskutiert (POTTER, 1988). Ins- andererseits ausmachen können, dürften beispiels- besondere bei kindlichen Rezipient/innen wird be- weise ihre durch das Spielen erworbene Neigung fürchtet, dass sie bei bestimmten TV-Formaten zu aggressivem Fahren in der Wirklichkeit nicht nicht in der Lage sind, Dichtung und Wirklichkeit häufiger als andere Personen zeigen. Umgekehrt voneinander zu unterscheiden (BUCKINGHAM, ist zu vermuten, dass Personen, die (bewusst oder 1993). ROTHMUND, SCHREIER und GROEBEN unbewusst) keine derartig klare Trennung zwischen (2001a, 2001 b) haben das bislang umfangreichste Spiel und Wirklichkeit sehen, eher dazu neigen Modell zu den so genannten Realitäts-Fiktions-Un- werden, die im Spiel belohnten problematischen terscheidungen vorgeschlagen. Wie realitätsnah Verhaltensweisen auch in der Wirklichkeit anzu- ein Medienangebot empfunden wird, hängt dem- wenden. nach von Bewertungen auf drei Hauptdimensionen ab: In der Medienpsychologie werden die Bedingun- gen solcher Realitäts-Medialitäts-Verwechselun- · Werkkategorie, gen intensiv erforscht. Dabei ist grundsätzlich zwi- · Erfahrungsinhalt, schen (1) Realitäts-Virtualitäts-Verwechselungen und (2) Realitäts-Fiktions-Verwechselungen zu un- · Erfahrungsmodus. terscheiden. Die Werkkategorie bezieht sich auf die Erwartung, (1) Die Frage, warum und wann Subjekte ‚verges- welchen generellen Anspruch bezüglich Fiktiona- sen‘ oder ‚übersehen‘, dass die von einem Me- lität oder Non-Fiktionalität ein Angebot vermutlich dienangebot dargestellte Umgebung nicht ihre besitzt. Die meisten Menschen werden beispiels- wirkliche Realität ist, wird vornehmlich vor dem weise den meisten Kinofilmen unterstellen, dass Hintergrund des Aufkommens von Systemen der diese einen Anspruch auf Fiktionalität besitzen, „virtuellen Realität” untersucht. Das Gefühl, an und damit bereits eine klare Grenze zur Realität einem virtuellen Ort anwesend zu sein, wird „Pre- vermuten. sence” (LOMBARD & DITTON, 1997) oder „Tele- Die Dimension Erfahrungsinhalt bezeichnet die Be- presence” (STEUER, 1992) genannt. Derartige Er- wertung, inwiefern die in einem Medienangebot fahrungen des „Eintauchens” in eine mediale Welt eintretenden Ereignisse (z. B. das unversehrte lassen sich jedoch nicht nur bei hochmodernen Überleben eines spektakulären Autounfalls in 3-D-Umgebungen beobachten, sondern – mögli- einem Actionfilm) auch in der Wirklichkeit möglich cherweise in abgewandelter Form – auch bei der und wahrscheinlich sind. Diese Einschätzung trifft Nutzung anderer Medien, etwa beim Fernsehen das Individuum auf der Basis seines subjektiven (VORDERER, 1992; KIM & BIOCCA, 1997) oder bei Weltwissens. Kommt eine Person etwa zu dem der Lektüre eines ‚vereinnahmenden‘ Buches Schluss, dass die gezeigten Ereignisse zwar mög- (NELL, 1988). Aufgrund ihrer Handlungsorientie- lich, aber vollkommen unwahrscheinlich sind, wird rung (KLIMMT, 2001) und ihres ständig zunehmen- sie wiederum einen deutlichen Unterschied zwi- den Detailreichtums dürften auch Computer- und schen den Medienangebot und der Wirklichkeit un- Videospiele in der Lage sein, derartige Erlebnisse terstellen. des „Eintauchens” zu induzieren. In unserem Kon- text ist indes weniger die Frage relevant, ob Renn- Die Dimension Erfahrungsmodus schließlich be- spiel-Nutzer/innen während des Spielens das Spiel zieht sich auf die vermeintliche ‚Echtheit‘ des ver- 24

mittelten Eindrucks und ist damit dem ‚Presence‘- angewendet werden. Aus diesem Grund kommt Konzept verwandt. Als zentrale Größe für die Ein- der subjektiven Realitätsnähe eine entscheidende schätzung über die Authentizität des vermittelten Rolle bei der Frage zu, wann und unter welchen Eindrucks gilt hier die Nähe zum echten Leben, sei Bedingungen die postulierten Prozesse des sozia- sie durch eine möglichst direkte Beobachtungs- len Lernens durch Rennspielnutzung wirksam wer- perspektive oder die Einbeziehung möglichst vieler den und zu Sicherheitsproblemen im Straßenver- Sinne gegeben. kehr führen.

ROTHMUND et al. (2001 b) betonen die Rolle indi- vidueller Kompetenzen bei der Bewertung, wie fik- 2.5 Zusammenfassung und tional oder real bzw. realistisch ein Medienangebot Visualisierung ist. Das subjektive Erfahrungswissen ist von großer Bedeutung, um derartige Bewertungen vorzuneh- Das zu Beginn des Forschungsprojekts zu entwer- men. Damit setzen sie ein deutliches Gegenge- fende Modell über mögliche Einflüsse fahrzeugbe- wicht zur Presenceforschung und zur Analyse der zogener Computerspiele auf das reale Fahrverhal- objektiven Realitätsnähe, die beide eher Aspekte ten setzt sich aus vier logischen Komponenten zu- der Medientechnik und damit Merkmale des Me- sammen (vgl. Bild 2.4). Bestimmte Merkmale der dienangebots fokussieren, um vorherzusagen, ob Tätigkeit „Rennspielnutzung” (z. B. Aufgabentypen, die Nutzer/innen es für real oder fiktiv bzw. virtuell Belohnungsstrukturen) wirken über die Prozesse halten. des Simulations- und Erfahrungslernens einerseits und des sozialen Lernens andererseits auf sicher- Eine Übertragung der Realitäts-Fiktions-Unter- heitsrelevante Komponenten des Fahrverhaltens, scheidungen auf den Kontext der Rennspielnut- die in (perzeptuell-motorische und kognitiv-menta- zung ist nahe liegend. Vor allem die Dimensionen le) Fähigkeiten/Fertigkeiten und Motive (nämlich Werkkategorie und Erfahrungsinhalt müssten bei Aggressivität und Risikowahl) untergliedert werden der Betrachtung des intervenierenden Einflusses können. Wir gehen davon aus, dass eine intensi- der subjektiven Realitätsnähe Beachtung finden. vere Beschäftigung mit Rennspielen die Wahr- Gehen Personen davon aus, dass ein gegebenes scheinlichkeit des Auftretens solcher Lernprozesse Rennspiel gar nicht die Realität abbilden will oder und damit einer Beeinflussung einiger oder aller kann (Werkkategorie), so wird diese Annahme inhi- genannten Komponenten des Fahrverhaltens er- bitorisch auf sie wirken, wenn es im realen Stra- höht. Große Bedeutung kommt dabei jedoch den ßenverkehr darum geht, eine Verhaltensweise aus intervenierenden Variablen zu: Von der objektiven dem Rennspiel anzuwenden. Ähnliches gilt für den Realitätsnähe eines Rennspiels hängt es ab, ob Erfahrungsinhalt: Wenn ein/e Spieler/in der Ansicht durch Simulations- oder Erfahrungslernen be- ist, dass zum Beispiel die während einer Verfol- stimmte Fähigkeiten ‚geübt‘ werden können (zum gungsjagd in einem Rennspiel durchgeführten Vor- oder Nachteil der Verkehrssicherheit); von der Manöver in der Realität mit hoher Wahrscheinlich- subjektiven Realitätsnähe wird die Beeinflussung keit nicht funktionieren können oder die Möglich- der sicherheitsbezogenen Motivlage moderiert. keit, sie unverletzt zu überstehen, überhaupt nicht existiert, dann werden sie von einer Übertragung Als potenziell problematisch könnte sich demnach des gefährlichen Spielverhaltens auf eine reale die Nutzung von Rennspielen erweisen, wenn Fahrsituation absehen. · das Spiel eine geringe objektive Realitätsnähe Die subjektive Realitätsnähe hat offensichtlich viel aufweist und dadurch dem Erwerb unbrauchba- mit der so genannten Medienkompetenz (vgl. dazu rer oder gefährlicher Fahrkompetenzen Vor- GROEBEN & HURRELMANN, 2002) der Spieler/ schub leistet, innen zu tun. Je mehr Erfahrungen über Medienan- · das Spiel eine Belohnungsstruktur aufweist, die gebote ein Subjekt besitzt, desto souveräner wer- aggressives und/oder riskantes Fahren als Er- den seine Urteile über die Realität(snähe) eines folg versprechend darstellt (und dadurch diese Rennspiels ausfallen. Je „dünner die Wand” ist, die Verhaltensweisen unterstützt), eine Person zwischen der Spieltätigkeit und der Wirklichkeit sieht, desto größer ist die Wahrschein- · die Spieler/innen subjektiv große Ähnlichkeiten lichkeit, dass die im Spiel beobachtbaren und be- zwischen der Rennspielnutzung und dem realen lohnten Verhaltensweisen auch in der Wirklichkeit Autofahren sehen und damit auch von der Mög- 25

Bild 2.4: Visualisierung des A-Priori-Modells zu den möglichen Wirkungen fahrzeugbezogener Computerspiele auf das Fahrverhal- ten

lichkeit Gebrauch machen (wollen/können), Ver- Aufgabentypen und eine sinnvolle Belohnungs- haltensweisen aus dem Spiel in das tatsächli- struktur), doch kann die subjektive Realitätsnähe che Fahrverhalten zu integrieren. nur bedingt beeinflusst werden. So ist es für ein Lernspiel zwar wünschenswert, wenn die Günstig für die Verkehrssicherheit könnte sich da- Nutzer/innen viele Parallelen zwischen der Spiel- gegen die Nutzung von Rennspielen auswirken, tätigkeit und dem realen Fahren erkennen würden, wenn das Spiel eine hohe objektive Realitätsnähe bei den auf dem Markt befindlichen Rennspielen besitzt, sicherheitsrelevante Verhaltensweisen sys- (mit ihren meist problematischen Belohnungsstruk- tematisch und wiederholt verlangt werden, die Be- turen und ihrer fraglichen objektiven Realitätsnähe) lohnungsstruktur des Spiels auf Kooperation und kann man dagegen nur hoffen, dass die Unter- Risikovermeidung ausgerichtet ist, die Spieler/ scheidung zwischen Spiel und Wirklichkeit allen innen subjektiv Parallelen zwischen Spielen und Nutzer/innen gelingt. echtem Fahren sehen.

Die formulierten Bedingungen weisen darauf hin, dass aus der Sicht der Verkehrssicherheitsarbeit eine große subjektive Realitätsnähe eine Voraus- 3 Erste Vorstudie: eine Inhalts- setzung sowohl für problematische als auch güns- analyse aktueller Computer- tige Lerneffekte darstellt. Beim Einsatz eines si- spiele mit Fahrzeugbezug cherheitsgerechten Fahrlernspiels kann zwar die Gestaltung der Spielmerkmale systematisch an 3.1 Einführung die möglichen Lernprozesse angepasst werden (etwa durch die Herstellung einer angemessen ob- Bevor die Annahmen des im Projekt erarbeiteten jektiven Realitätsnähe, durch anwendungsnahe Modells (vgl. Kapitel 2) der quantitativ-empiri- 26

schen Überprüfung an jungen Fahrer/innen unter- · die Belohungsstrukturen in Rennspielen (also zogen wurden (Phase II des Projekts), sollte das die Vor- und Nachteile, mit denen bestimmte Fahr-Verhaltensweisen verbunden werden) Modell selbst empirisch angereichert werden. Dazu wurde in der zweiten Hälfte der ersten Projektpha- · die ‚Realitätsnähe‘ moderner Computerrenn- se eine systematische Analyse der am Markt er- spiele. hältlichen und am weitesten verbreiteten Compu- terspiele mit Fahrzeugbezug vorgenommen. Sie Darüber hinaus wurden verschiedene ‚allgemeine‘ diente auch dem Zweck, eine empirische Bestands- Variablen, etwa zu den Spiel-Modi (Einzelspieler, aufnahme zum Thema „Rennspiele” zu erstellen. Karrieremodi) und den Charakteren solcher Spiele, Zunächst wird die Fragestellung der Studie expli- erhoben. Über diese Merkmale wird nur berichtet, ziert (3.2), dann das Erhebungsinstrument umris- sofern es für einen Überblick der aktuellen Land- sen (Kapitel 3.3). Die Durchführung und Stichpro- schaft der Computerrennspiele nötig ist; weiter ge- benbildung erläutert (Kapitel 3.4) sowie die zentra- hende Analysen dazu sind jedoch möglich und ge- len Ergebnisse präsentiert (Kapitel 3.5). Das ab- plant. schließende Fazit fasst die Ergebnisse zusammen und diskutiert deren Implikationen für das theoreti- 3.3 Das Kategoriensystem sche Modell sowie die weitere Projektarbeit (Kapi- tel 3.6). Die genannten Dimensionen von Computerrenn- spielen haben sich in der Ausarbeitung des Erhe- bungsinstruments als ausgesprochen vielfältig und 3.2 Problemstellung der Inhaltsanalyse tiefschichtig erwiesen.

Dass Computer- und Videospiele bestimmte Impli- · Das Erhebungsinstrument wurde in drei logi- sche Ebenen gegliedert. Die Ebene A („Pro- kationen für die Verkehrssicherheit(sarbeit) haben dukt”) bezieht sich auf die allgemeinen Eigen- können, wird bereits aus unsystematischen All- schaften des Rennspiels (z. B. technische Platt- tagsbeobachtungen ersichtlich. Oftmals geht es form). Ebene B („Spielwelt”) beinhaltet die nar- nicht allein um schnelles Fahren, sondern der rativen Elemente des Spiels, welche die eigent- Bruch von (weiteren) Verkehrsregeln und Gesetzen, liche Spieltätigkeit, also das virtuelle Fahren, unfaires bzw. unsportliches Gebahren und sogar einbetten (z. B. Verpackungs- und Handbuchin- die gezielte Verursachung von Unfällen und Per- formationen, Filmsequenzen auf dem Bild- sonenschäden stehen bei vielen Spielprogrammen schirm und Auswahlmenüs zur Spielkonfigura- ebenfalls auf der Liste der typischen Tätigkeiten. tion). Ebene C schließlich („Interaktionsse- Dabei zeichnet sich eine zunehmende Realitäts- quenz”) bildet die Merkmale der eigentlichen nähe in der audiovisuellen und mechanisch- Fahrtätigkeit ab (z. B. audiovisuelle Darstellung physikalischen Darstellung ab. Doch sind diese des Fahrzeugs und der Umgebung; Bremsleis- (möglicherweise problematischen) Aspekte von tungen der Fahrzeuge). Computerrennspielen bislang nicht systematisch erfasst worden. Selbst allgemeinere Erkenntnisse, · Im Bereich der Aufgaben für die Spieler/innen etwa über die inhaltliche Ausrichtung oder die wurden zum einen die explizit formulierten Auf- spieltechnischen Möglichkeiten von Rennspielen, gabentypen erfasst (z. B. Rennen gegen die fehlen bislang. Im Rahmen des Forschungspro- Zeit; Erledigung eines Transports) und zum an- jekts „Computer- und Videospiele in der Verkehrs- deren die Häufigkeit von Fahrsituationen ermit- sicherheitsarbeit” soll daher der Versuch unter- telt, welche spezifische Fähigkeiten verlangen, nommen werden, eine empirische Bestandsauf- die im theoretischen Modell (VORDERER & nahme zu den am deutschen Markt befindlichen KLIMMT, 2002) benannt wurden (z. B. Situatio- Rennspielen zu erarbeiten. Die Angebotssichtung nen, in denen Überraschungen auftreten und sollte dabei vor allem die Variablen anzielen, wel- kurze Reaktionszeiten gefordert sind). che innerhalb des dem Projekt zugrunde liegenden · Im Bereich der Belohnungsstrukturen wurden theoretischen Modells von zentraler Bedeutung mehrere Subdimensionen untersucht: Zum sind. Dies sind einen wurde für einen Katalog bestimmter Ver- · die (Fahr-)Aufgabentypen, die in Computerrenn- haltensweisen (z. B. zu dichtes Auffahren; spielen zu lösen sind, Sprünge mit dem Fahrzeug) überprüft, ob 27

diese (in der Regel) mit expliziten Belohnungen der Intercoder-Reliabilität aufwirft. Zweitens sind (z. B. Punkten) oder Bestrafungen (z. B. Zeit- die zu analysierenden Einheiten äußerst komplex abzug) verbunden sind. Zum anderen wurde – eine sechsstündige Auseinandersetzung mit nach ‚impliziten‘ Belohnungsstrukturen ge- einem einzigen „Fall” ist vergleichsweise untypisch. sucht, also ermittelt, inwiefern bestimmte Ver- Die Datenstruktur einer Inhaltsanalyse von Tages- haltensweisen (typischerweise) zur Erreichung zeitungen beispielsweise weist in der Regel deut- von Spielzielen nützlich oder ungünstig sind. lich mehr Fälle (Artikel) als Variablen (Merkmale von Beim Spiel „Simpsons – Road Rage” beispiels- Artikeln) auf. Im vorliegenden Fall wurden ver- weise kann das gezielte Rammen anderer Fahr- gleichsweise wenige Fälle (N = 54) im Hinblick auf zeuge manchmal vorteilhaft sein (wenn etwa extrem viele Merkmale (insgesamt ca. 1.200 Varia- dadurch der Zugang zu einer Abkürzung frei blen plus ca. 500 Variablen aus der Auswertung der wird); meistens ist das Rammen jedoch von Videomitschnitte) analysiert. Die Komplexität des Nachteil, weil sich dadurch das eigene Fahr- Einzelfalls und die Fülle der zu treffenden Codie- zeug verlangsamt und wertvolle Zeit verloren rentscheidungen stellen nicht nur ein mögliches geht. Drittens wurde untersucht, inwiefern die Problem für die Intercoder-Reliabilität, sondern Konsequenzen problematischer Fahrweisen auch die Intracoder-Reliabilität dar. Damit ist die adäquat abgebildet werden: Enden beispiels- Frage angesprochen, inwiefern ein/e Codierer/in weise Tempoverstöße mit Strafzetteln? Welche das vorgegebene Kategoriensystem in jedem Fall Verletzungen erleiden die Fahrer bei Unfällen? einheitlich anwendet. Und schließlich wurde registriert, welche Verhal- tensweisen das Spiel (z. B. auf der Verpackung) Zur Identifikation möglicher Reliabilitätsprobleme dezidiert verlangt. Manche Titel fordern bei- nahmen alle vier Codierer/innen an einem Test teil. spielsweise explizit dazu auf, Verkehrsregeln Dabei wurde das gesamte Kategoriensystem von gezielt zu brechen, um sich einen Vorteil ge- jedem/jeder Codierer/in vor Beginn der Hauptun- genüber den Kontrahenten zu sichern. tersuchung auf ein bestimmtes Spiel („Autobahn Raser III”), das nicht zur Hauptstichprobe gehörte, · Im Bereich der Realitätsnähe ist zunächst die angewendet. Die bereits angedeutete untypische audiovisuelle Darstellung des Renngeschehens Datenstruktur der Studie verhinderte die Durch- von zentraler Bedeutung. Diese ist allerdings führung eines ‚normalen‘ Reliabilitätstests, bei dem inhaltsanalytisch kaum zu erfassen; hier müsste alle Codierer eine größere Anzahl von Fällen (z. B. eine Spielerbefragung oder aber die Einschät- 30 Zeitungsartikel) auswerten, sodass durch paar- zung von Fachmagazinen zu Rate gezogen wer- weise Vergleiche der von den Codierern produzier- den. Auf diesen Aspekt geht das Kategorien- ten Daten für jede einzelne Variable ein Überein- system daher nicht ein. Vielmehr wurde das stimmungs-(Reliabilitäts-)Wert ermittelt werden Augenmerk auf die (Nicht-)Existenz der Be- kann. Dieses Vorgehen war aus forschungsökono- standteile des Spielerfahrzeugs (z. B. Brems- mischen Gründen ausgeschlossen, sodass nur die lichter, Blinker) und der Elemente des Straßen- Anzahl der übereinstimmend codierten Merkmale verkehrs (z. B. Fußgänger, Ampeln) gelegt. Die eines Falls (Rennspiels) als Reliabilitätsindikator Realitätsnähe wurde daher operational nicht herangezogen werden konnte. unbedingt über die Darstellungsqualität, son- dern über das Vorhandensein bzw. die Abwe- Zur Ausweisung der Reliabilität wurde ein Set von senheit realer Merkmale des Straßenverkehrs 452 willkürlich ausgewählten Variablen aus dem im Spiel aufgefasst. Darüber hinaus wurde ver- Datensatz entnommen und auf (Nicht-)Überein- sucht, das Bremsverhalten der Spielerfahrzeuge stimmungen zwischen den Codierer/innen geprüft. zu erfassen und die mechanisch-physikalischen Bei 315 Variablen (70 %) stimmten alle vier Codie- Konsequenzen von (Aufprall-)Unfällen zu prü- rer/innen überein; bei 93 Variablen (20 %) ergab fen. sich eine abweichende Codierung (3 Übereinstim- mungen). Bei 31 Merkmalen (7 %) ergaben sich Wie bei jeder Inhaltsanalyse ergaben sich auch bei zwei unterschiedliche Voten (getroffen von je zwei der vorliegenden Studie Faktoren, welche die Codierern) und weitere 13 Variablen (3 %) wiesen Reliabilität des angewendeten Erhebungsinstru- drei oder vier verschiedene Codierungen auf. Dabei ments beeinträchtigen können (FRÜH, 1991). Zu- handelte es sich durchweg um Variablen, die meh- nächst ist hier die Beteiligung mehrerer rere Ausprägungen (z. B. Häufigkeitsschätzungen) Codierer/innen zu nennen, welche die Frage nach besaßen, sodass die Uneinheitlichkeit in Teilen auf 28

die größere vorgegebene Variationsbreite zurück- Gamespot.com) ausgewertet, um aktuelle Titel, zuführen ist. Das Ergebnis wurde als ausreichend die aufgrund ihres Erscheinungstermins noch nicht betrachtet; jedoch wurde eine Reihe von prakti- in den Verkaufscharts auftauchen konnten, zu schen Instruktionen an die Codierer ausgegeben, identifizieren. Erfahrungsgemäß sagen die Testwer- die zu einer Verbesserung der Intercoder-Reliabi- tungen der Fachmagazine den Verkaufserfolg lität beitragen sollten. Zur Vervollständigung der von Computer- und Videospielen sehr gut vorher, Reliabiltätskontrolle wird nach Abschluss der sodass die Spiele aus 2002/2003 mit den besten Datenerhebung ein Re-Test durchgeführt, bei dem Testergebnissen ausgewählt wurden. Falls dann wiederum alle Codierer das Spiel „Autobahnraser an der Zielvorgabe von 20 Titeln pro Plattform III” auswerten. Die dabei gewonnenen Daten liegen noch Spiele fehlten, wurden die in den Magazinen zum Zeitpunkt der Berichtslegung noch nicht vor, am besten bewerteten Titel aus dem Jahr 2001 werden aber eine vollständigere Dokumentation ‚aufgefüllt‘. Insgesamt konnte auf diese Weise si- der Reliabilität des Erhebungsinstruments erlau- chergestellt werden, dass die beliebtesten und ben. Ausgehend von den Vortestergebnissen las- meistverkauften (und das heißt höchstwahrschein- sen sich jedoch die Verlässlichkeit und damit lich auch: am weitesten verbreiteten und am häu- Brauchbarkeit des Erhebungsinstruments konsta- figsten genutzten) Computer- und Videospiele mit tieren, sodass die gewonnenen Ergebnisse als aus- Fahrzeugbezug untersucht werden konnten. Da sagekräftig zu betrachten sind. einige Spiele nicht mehr über den Handel zu beschaffen waren (z. B. ist das einzige relevante Internetspiel „Motor City Online” eingestellt wor- 3.4 Auswahl der analysierten Compu- den) und sich hinter zwei Charteintragungen das- terspiele und operationales selbe Produkt verbarg, schrumpfte die angestrebte Vorgehen Gesamtstichprobe von 60 auf 54 Spiele. Ursprüng- lich waren 100 Titel eingeplant, doch erwiesen sich 3.4.1 Auswahl des Untersuchungsmaterials die Entwicklung und reliable Anwendung des Kate- goriensystems als derart komplex, dass die perso- Der ursprüngliche Projektplan sah die inhaltsanaly- nellen und zeitlichen Rahmenbedingungen diese tische Auswertung von marktüblichen Rennspielen große Zahl nicht erlaubt hätten. Zudem stellte sich vor. Aufgrund ihrer großen Verbreitung wurden nur die Landschaft der Rennspiele deutlich homogener Spiele berücksichtigt, welche für die technischen dar als vorab angenommen: Viele erfolgreiche Plattformen Windows-PC, Sony Playstation 2 (PS2) Spiele werden für mehrere technische Plattformen und Microsoft X-Box konzipiert sind. Auf Software angeboten; auf diese Weise wird pro Plattform für die älteren Plattformen, die ursprünglich eben- die Wahrnehmung größerer Vielfalt erzeugt, als ins- falls einbezogen werden sollte, wurde verzichtet, gesamt tatsächlich zu verzeichnen ist. Insofern weil ihre Bedeutung am Markt mittlerweile stark war eine Stichprobe von 100 Titeln auch inhaltlich zurückgegangen ist und keine fundamental neuen nicht erforderlich. Die 54 untersuchten Titel stellen Erkenntnisse aus der Ausweitung der technischen daher ein sehr gutes und aktuelles Abbild der po- Basis der Untersuchung zu erwarten waren. Die pulärsten Rennspiele in Deutschland zum Zeit- Auswahl der untersuchten Spiele orientierte sich punkt der Erhebung (Frühjahr 2003) dar. Tabelle 3.1 am Markterfolg. Die gezogene Stichprobe sollte die führt alle ausgewerteten Rennspiele auf. Gruppe der meistverkauften Computer- und Video- spiele mit Fahrzeugbezug zum Zeitpunkt der Un- tersuchung enthalten. Jede technische Plattform 3.4.2 Durchführung (PS, PS2, X-Box) sollte mit 20 Titeln vertreten sein, Die zu analysierenden Spiele wurden über den Ein- um eine gleichmäßige und synchrone Auslastung zelhandel beschafft und zufällig an die Codierer/ bei der Analyse zu erreichen und für jede dieser innen verteilt; jede/r Codierer/in erhielt allerdings Plattformen eine ausreichend große Teilstichprobe Spiele für alle technische Plattformen. Jedes Spiel zu generieren. wurde mindestens sechs Stunden gespielt, be- Zur Realisierung dieser Auswahl wurde auf Ver- vor die Codierung selbst vorgenommen wurde. kaufscharts des Jahres 2002, die MediaControl Typischerweise verbrachten die Codierer die Spiel- freundlicherweise zur Verfügung stellte, zurück- zeit zu Hause. Sie wählten auch die „typischen” gegriffen. Zusätzlich wurden Informationen von Spielsequenzen aus, die auf VHS-Video mitge- einschlägigen Fachmagazinen (PC Games und schnitten und zwei anderen Codierern zu Auswer- 29

PC Playstation 2 X-Box GTA3 Grand Theft Auto: Vice City Project Gotham Racing Mafia Gran Turismo Concept 2002 Tokyo-Geneva Need for Speed: Hot Pursuit 2 Geoff Crammonds Grand Prix 4 DTM Race Driver Colin McRae Rallye 3 F1 2002 The Getaway Rallisport Challenge Nascar Racing 2002 Season Stuntman Sega GT 2002 Michael Schumacher Kart 2002 V-Rally 3 Burnout Knight Rider – The Game WRC II Extreme Wreckless: The Yakuza Missions Rally Championship 2002 The Simpsons: Road Rage Crash Master Rallye Twisted Metal: Black Crazy Taxi 3: High Roller Racing Simulation 3 Tooncar GTC Africa 4x4 Evolution 2 USA Raser TD Overdrive Total Immersion Racing Autobahn Raser 4 Auto Modellista Off-Road Wide Open Williams F1 Team Driver Shox Big Mutha Truckers Ferrari F355 Challenge Micro Machines Explosion Hot Wheels Velocity X Chase Rumble Racing Rally Fusion – Race of Champions Smuggler's Run 2: Hostile Territory Cel Damage Le Mans 24 Stunden Furious Karting Tokyo Extreme Racer Racing Evoluzione Lotus Challenge

Tab. 3.1: Liste der analysierten Rennspiele tung vorgelegt wurden. Auftauchende praktische Nennung im Handbuch Aufgabentyp Fragen wurden mit der Projektleitung während der (Fallzahlen; N = 54) Erhebungsphase besprochen; eine systematische Zeitfahren (Zurücklegen einer 40 Revision des Kategoriensystems aufgrund schwer Strecke in möglichst kurzer Zeit) wiegender praktischer Probleme war jedoch nicht Erreichen einer (guten) Platzierung 38 nötig. Die Erhebungsphase dauerte vom 27. Fe- in einem Rennen gegen Gegner Ausführen bestimmter Fahrmanöver bruar bis 17. April 2003; die Dateneingabe, -fusion 17 und -bereinigung waren am 27. April 2003 abge- oder „Stunts” (z. B. Sprünge) schlossen. Auffinden von Objekten 9 Zerstörung von Autos 7 Erledigung von Transport-Aufgaben 6 3.5 Ergebnisse (Fahrgäste oder Gegenstände) Zerstörung von Gegenständen 5 Die Darstellung der Ergebnisse erfolgt in drei Tötung von Personen 3 Schritten, die sich an der Logik des theoretischen Verletzung von Personen 2 Modells (vgl. Kapitel 2) orientieren. Zunächst wer- Personen retten/beschützen 2 den die Aufgabentypen, mit denen die Nutzer der Tab. 3.2: untersuchten Spiele konfrontiert werden, betrach- Häufigkeit der expliziten Nennung von Aufgabentypen in den Handbüchern der untersuchten Rennspiele (N = tet (Kapitel 3.5.1), anschließend stehen die Beloh- 54). Mehrfachnennungen waren möglich nungsstrukturen im Mittelpunkt (Kapitel 3.5.2). Das letzte Kapitel befasst sich mit verschiedenen Indi- bungen in den Handbüchern der untersuchten katoren der Realitätsnähe (Kapitel 3.5.3). Alle vor- Spiele und in den „Missionsbriefings”, d. h., nicht- gestellten Ergebnisse beziehen sich auf die ganze interaktiven Erläuterungen zu den einzelnen Spiel- Stichprobe (N = 54) und geben damit die relevan- abschnitten, die den Nutzer/innen vorab auf dem ten Informationen für die Gesamtheit der populärs- Bildschirm gegeben werden, ermittelt. Tabelle 3.2 ten Rennspiele wieder. zeigt die untersuchten Arten von Aufgabentypen und ihre Häufigkeit in den Handbüchern. 3.5.1 Aufgabentypen Die Auswertung der Missionsbriefings, von denen Die Arten von Aufgaben, mit denen sich die Nut- es typischerweise mehrere in einem Spiel gibt, er- zer/innen von Rennspielen beschäftigen (müssen), laubt einen differenzierteren Blick auf die Aufga- wurden zunächst anhand expliziter Beschrei- bentypen. Insgesamt fanden sich bei 39 Spielen 30

derartige Anforderungsbeschreibungen. Die Häu- Auf der Ebene der eigentlichen Interaktionsse- figkeit der Nennung eines Aufgabentyps wurde in quenz wurde die Häufigkeit von simulierten Ver- vier Abstufungen erfasst (niemals – im Verhältnis kehrssituationen ermittelt, die bestimmte Kompe- selten – im Verhältnis häufig – in jedem Missions- briefing). Tabelle 3.3 gibt die Häufigkeit der einzel- In der In der Problemspezifische Verkehrs- nen Aufgabentypen in den Missionsbriefings wie- Nie Min- Mehr- Immer situation der. derheit heit Situationen, in denen Hinder- Den Aufgabenbeschreibungen sind auch die expli- nisse/Engpässe mit wenig ziten Empfehlungen zum Umgang mit Verkehrsre- Abstand passiert o. exaktes 1 7 6 40 geln (Einhaltung oder Missachtung) zuzurechnen. Bremstraining verlangt wer- den Nach solchen Empfehlungen wurde in den Hand- Situationen, in denen fahrtak- büchern und in den Missionsbriefings gesucht. Ta- tisches Wissen (z. B. ideale 1 9 20 24 belle 3.4 gibt die Häufigkeiten solcher Empfehlun- Kurvenlinien) von Vorteil ist gen wieder. Situationen mit unerwarteten Ereignissen, die eine schnelle 4 8 21 21 Reaktion verlangen Kritische Situationen, in Aufgabentyp Nie Selten Häufig Immer denen in schneller Folge viele 12 13 15 14 Zeitfahren (Zurücklegen einer Reize gleichzeitig verarbeitet Strecke in möglichst kurzer 8 8 15 8 werden müssen Zeit) Situationen, in denen viele ir- Erreichen einer (guten) Plat- relevante Reize ausgeblendet 19 22 6 7 zierung in einem Rennen 8 7 11 13 werden müssen gegen Gegner Situationen mit verschiede- nen u./o. schwer erkennba- Ausführen bestimmter Fahr- 30 10 11 3 manöver oder „Stunts” (z. B. 29 3 4 3 ren Gefahrenfaktoren des Sprünge) Straßenverkehrs Auffinden von Objekten 29 7 2 1 Situationen, in denen Ver- kehrsregelwissen von Vorteil 43 8 3 - Zerstörung von Autos 28 6 5 - ist Erledigung von Transportauf- Situationen, die mit verkehrs- gaben (Fahrgäste oder Ge- 30 3 3 3 bezogenem Allgemeinwissen 49 3 2 - genstände) gelöst werden können Zerstörung von Gegenstän- 29 9 1 - den Tab. 3.5: Häufigkeit von Verkehrssituationen, die spezifische Tötung von Personen 35 - 4 - Kompetenzen verlangen bzw. schulen können, in den Interaktionssequenzen (Int.-Seq.) der untersuchten Verletzung von Personen 37 1 1 - Spiele (N = 54). Abstufungen: nie in Interaktionsse- Personen retten/beschützen 30 6 3 - quenzen, in der Minderheit, in der Mehrheit bzw. in jeder Interaktionssequenz Tab. 3.3: Häufigkeit der Aufgabentypen in den Missionbriefings (n = 39 Spiele, die solche Anforderungsbeschreibun- gen enthielten). Die am stärksten besetzte Ausprä- Häufigkeit gung ist fett gesetzt. Abstufungen: nie in Missions- Einstellbarkeit der Schwierigkeit durch ... (Fallzahlen; briefings genannt, im Verhältnis selten, im Verhältnis n = 27) häufig bzw. in jedem Missionsbriefing genannt Stärke der vom Computer gesteuerten Gegner 10 Einstellung von Fahrhilfen 8 Empfehlung zum Um- Hand Nie in Sel- Häu- Immer in (Un-)Zerstörbarkeit des eigenen Fahrzeugs 6 gang mit Verkehrsregeln buch Briefings ten fig Briefings Einstellung der Witterungsbedingungen 6 Einhaltung (bestimmter Strenge des Regelwerks 6 1 38 1 - - o. aller Regeln) Anzahl der Computergegner 5 Missachtung (bestimm- 6 38 - 1 - Stärke/Geschwindigkeit des Reifenabriebs 4 ter o. aller Regeln) Stärke des eigenen Fahrzeugs 3 Tab. 3.4: Häufigkeit expliziter Empfehlungen zum Umgang mit Umfang von Zeitlimits 2 Verkehrsregeln im Handbuch (N = 54) und in den Mis- Vorsprung der Gegner am Start - sionsbriefings (n = 39 Spiele, die solche Anforde- rungsbeschreibungen enthielten). Abstufungen: im Tab. 3.6: Möglichkeiten zur Schwierigkeitsregulation in den un- Handbuch explizit genannt, nie in Missionsbriefings tersuchten Spielen. 27 Titel enthielten Optionen zur genannt, im Verhältnis selten, im Verhältnis häufig Einstellung der Schwierigkeit; auf diese Titel bezieht bzw. in jedem Missionsbriefing genannt sich die Zählung 31

tenzen erfordern. Dabei wurden die Fahr-Fähigkei- Fahrzeugnutzung in Leistungs- und Wettkampf- ten berücksichtigt, welche gemäß den Annahmen Kontexte (3.5.2.1), auf positive Konsequenzen für des theoretischen Modells (vgl. Kapitel 2) durch die aggressives und riskantes Fahren (3.5.2.2) sowie Nutzung von Rennspielen beeinflusst werden könn- auf die Verharmlosung negativer Konsequenzen ten. Tabelle 3.5 gibt die Häufigkeit solcher anforde- solcher Fahrweisen (3.5.2.3). Zu diesen Aspekten rungsspezifischen Verkehrssituationen in den unter- werden im Folgenden Befunde aus der Gesamt- suchten Spielen an. Sie wurde in ähnlicher Weise stichprobe vorgestellt. codiert wie die Aufgabentypen in den Missionsbrie- fings (s. o.). 3.5.2.1 Wettbewerbsorientierung

Als letzter Aspekt der Aufgabentypen wurde erfasst, Bereits die Namen einiger Spiele drücken eine star- ob und auf welche Weise(n) der Schwierigkeitsgrad ke Wettbewerbsorientierung aus (z. B. „Word Ral- der Spiele anpassbar ist. Die Regulation des lye Extreme Racing” oder „Ferrari F355 Chal- Schwierigkeitsniveaus hat Implikationen für das lenge”). Auch auf den Verpackungen finden sich Ausmaß und die Qualität der Kompetenzen, die von Anzeichen dafür: Bei 37 der 54 Spiele werden den Spieler/innen verlangt werden und ist daher re- schnell fahrende Fahrzeuge auf der Packung dar- levant für mögliche Lernprozesse. Bei genau der gestellt, 24 Packungen zeigen ein Rennen oder Hälfte der Titel (n = 27) waren Optionen zur Einstel- eine Verfolgungsjagd. Die oben vorgestellten Er- lung der Schwierigkeit vorhanden. Tabelle 3.6 gibt gebnisse zu den Aufgabentypen verweisen eben- an, mit welcher Häufigkeit die denkbaren Möglich- falls auf die Dominanz kompetitiver Einrahmungen keiten der Schwierigkeitsregulation in diesen Spie- der Fahrzeugnutzung in der Stichprobe. Entspre- len auftraten. chend häufig treten Gegner auf, also Fahrzeuge, die mit dem Fahrzeug der Spieler/innen um die Insgesamt stellen sich die Anforderungen von Renn- Zielerreichung konkurrieren. In 43 von 54 Spielen spielen recht einheitlich dar. Sowohl die expliziten treten gegnerische Fahrzeuge „in der Mehrheit” Aufgabenbeschreibungen (im Handbuch und in den oder in allen Interaktionssequenzen auf. Insgesamt „Missionsbriefings”) als auch die tatsächlichen Si- verweisen die Befunde auf die weite Verbreitung di- tuationen in den Interaktionssequenzen weisen rekten Wettbewerbs mit anderen Fahrzeugen in einen Schwerpunkt im Bereich des ‚klassischen‘ den untersuchten Spielen hin. Rennsports auf: Es geht zumeist um schnelles Fah- ren gegen die Zeit oder gegen andere Fahrzeuge; Präzision, Taktik und Reaktionsschnelligkeit sind die 3.5.2.2 Anreize zu aggressivem und riskantem Fahren am häufigsten benötigten Fähigkeiten. Eine kleine Gruppe von Spielen zeichnet sich ab, die (auch) un- Rennspiele können ihren Nutzern/innen explizite typische Anforderungen stellen, welche normaler- und implizite Anreize setzen, gefährliche und/oder weise anderen Spielgenres (z. B. Adventures oder aggressive Fahrmanöver durchzuführen. Nach ex- „Action”-Spielen, vgl. KLIMMT, 2001) zugeordnet pliziten Aufforderungen dazu wurde zunächst auf werden. Überraschend selten werden Möglichkeiten den Verpackungen und Handbüchern gesucht (Ta- zur Schwierigkeitsregulation angeboten; diese be- belle 3.7). ziehen sich in nicht wenigen Fällen auf Rahmenbe- dingungen, die im wirklichen Straßenverkehr nicht Verpackung Handbuch Expliziter Anreiz zu problemati- (Fallzahlen; (Fallzahlen; zu beeinflussen sind (z. B. die Verfügbarkeit von schen Fahrverhaltensweisen Fahrhilfen oder die Witterungsbedingungen). Der N = 54) N = 54) Umgang mit Verkehrsregeln wird nur sehr selten ex- Aufruf zu schnellem Fahren 33 33 Aufruf zur Übertretung nicht plizit thematisiert, für die Aufgabenformulierung 11 10 spielt er keine Rolle. Er wird jedoch im Kontext der verkehrsbezogener Gesetze Aufruf zur Übertretung von Ver- Belohnungsstrukturen von größerer Bedeutung sein 9 9 kehrsregeln (vgl. Kapitel 3.5.2). Aufruf zur Verursachung von 8 7 Unfällen Aufruf zur Übertretung von Fair- 3.5.2 Belohnungsstrukturen 6 6 nessgeboten des Rennsports Die im Rahmen des Modells (vgl. Kapitel 2) rele- Tab. 3.7: Explizite Aufforderungen zu problematischen Fahr- vanten Belohnungsstrukturen beziehen sich auf die weisen im Text auf den Verpackungen und in den Wettbewerbsorientierung, d. h. die Einbettung der Handbüchern der untersuchten Spiele (N = 54) 32

Weiterhin wurde in den Interaktionssequenzen er- Die impliziten Belohnungsstrukturen zeigen ein dif- mittelt, für welche problematischen Fahrweisen die ferenzierteres Bild als die expliziten Strukturen. Es Spielprogramme explizite Belohnungen, etwa in zeigt sich, dass kaum ein problematisches Verhal- Form von Punkten oder Zeitgutschriften, vergeben ten durchweg von Nachteil ist; lediglich die Selbst- (vgl. Tabelle 3.8). beschädigung ist in den meisten Fällen nicht rat- sam. Die teilweise großen Streuungswerte deuten Explizit positive Rückmeldungen vergeben also nur darauf hin, dass es eine Gruppe von Spielen gibt, vergleichsweise wenige Spiele. Dies mag in Teilen bei denen problematische Fahrweisen besonders jedoch darauf zurückzuführen sein, dass es für die vorteilhaft sind. Dies wird auch deutlich an der klei- Spielsoftware nicht leicht zu entscheiden ist, wann nen Zahl von Spielen, bei denen eine Flucht vor der bestimmte (riskante, aggressive) Manöver absol- Polizei möglich ist und in jedem Fall von großem viert wurden. Daher wurde auch nach impliziten Vorteil für die Zielerreichung ist. Grundsätzlich ist Belohnungsstrukturen gesucht, also der Frage also festzustellen, dass fast jedes untersuchte nachgegangen, inwiefern bestimmte Fahrverhal- Rennspiel die meisten problematischen Fahrtwei- tensweisen im Spiel eher von Vor- oder Nachteil sen toleriert (d. h. nicht konsequent zum Nachteil sind. Hierbei war zu bedenken, dass der Nutzen der Spieler reagiert) und zumindest manche dieser bestimmter Fahrmanöver situativ variieren kann, in Fahrweisen sogar mit Vorteilen für die Spielzieler- bestimmten Situationen also ein Manöver, das meis- reichung verbindet. Dabei erweisen sich die „weni- tens mit Nachteilen behaftet ist, auch nützlich sein ger gefährlichen” Handlungen (z. B. Überholen in kann. Daher wurde bei den impliziten Belohnungs- unübersichtlichen Streckenabschnitten) in mehre- strukturen ein anderes Codierungsprinzip angelegt. ren untersuchten Titeln als (eher) vorteilhaft als die Die Codierer/innen schätzten den Nutzen auf einer „besonders gefährlichen” (z. B. gezielte Kollisionen Skala von -5 („Manöver ist immer von Nachteil für mit anderen Fahrzeugen). die Zielerreichung”) bis +5 (Manöver ist grundsätz- lich immer von Vorteil für die Zielerreichung”) ein. Zur Belohnungsstruktur gehört auch die explizite Tabelle 3.9 gibt die durchschnittlichen Nutzen- Sanktionierung bzw. „Bestrafung” von bestimmten Werte für die Gesamtstichprobe wieder und gibt Verhaltensweisen. So könnten die Spielprogramme zusätzlich die Anzahl der Spiele an, bei denen das auf gefährliche Manöver auch mit Punktabzug oder jeweilige Manöver „immer” von Vorteil ist, also die Strafzeiten reagieren. Daher wurden auch derartige höchstmögliche Ausprägung vergeben wurde. explizit negative Rückmeldungen auf die zentralen

Fahrmanöver erleihung von Rän- Erhöhung des Punk- tekontos Anerkennung aus oder dem “Off”(Text Sprache Lob von Figuren/ Charakteren Häufigkeit explizite Belohnung gesamt Erhöhung eines Geldguthabens Zeitgutschrift V gen/Dienstgraden Ästhetisierte Dar- stellung (z. B. Zei- tung) Sprünge mit dem Fahrzeug 14 6 1 2 10 2 1 3 Gezielte Kollision mit anderen Fahrzeugen 7 6 - - 2 1 1 2 Gefährdung anderer Fahrzeuge/-führer 6 5 1 - 5 2 1 - Verlassen des vorgeschriebenen Verkehrsraums 5 4 1 1 3 1 - - Überholen in unübersichtlichen Streckenabschnitten 5 3 1 - 5 1 2 - Driften in Kurven 5 4 1 - 4 2 2 - Beschädigung des eigenen Fahrzeugs 3 2 - - 2 1 - 1 Verkürzte Sicherheitsabstände 3 2 - - 2 - 1 - Missachten von Überholverboten 2 2 2 - 1 - Gefährdung v. Fußgängern oder Radfahrern 1 1 - - 1 - - - Missachtung von Ampeln/Vorfahrtszeichen 1 1 - - 1 - - - Den Witterungs-/Lichtverhältnissen unangepasste ------Fahrweise Missachten von Tempolimits ------

Tab. 3.8: Häufigkeit und Art expliziter Belohnungen für problematische Fahrverhaltensweisen in den Interaktionssequenzen der un- tersuchten Spiele (N = 54) 33

Problemfahrweisen gesucht (Tabelle 3.10). Es er- Belohnungsstrukturen und ein komplementärer Be- gibt sich ein ähnliches Bild wie bei den impliziten fund zu den expliziten Belohnungsstrukturen:

Anzahl der Spiele, ∅ Nutzen (Skala von Häufigkeit der bei denen Codie- -5 (min) bis +5 (max) über Fahrmanöver höchstmöglichen rung möglich war codierte Spiele (Standard- Ausprägung (max N = 54) abw. in Klammern) Flucht vor der Polizei 10 4.90 (.32) 9 Verkürzte Sicherheitsabstände 24 3.54 (.97) 4 Den Witterungs-/Lichtverhältnissen unangepasste Fahrweise 22 3.41 (1.79) 7 Überholen in unübersichtlichen Streckenabschnitten 49 2.92 (1.56) 6 Missachtung von Überholverboten 21 2.86 (2.80) 7 Driften in Kurven 53 2.72 2.11) 14 Missachtung von Ampeln oder Vorfahrtszeichen 17 2.65 2.71) 6 Gezielte Nötigung anderer Verkehrsteilnehmer 48 2.00 (2.43) 5 Gefährdung anderer Fahrzeuge(-führer) 49 1.98 (2.07) 3 Missachtung von Tempolimits 11 1.91 (3.94) 5 Sprünge mit dem Fahrzeug 38 1.74 (2.04) 4 Verlassen des vorgeschriebenen Verkehrsraums 31 1.39 2.69) 2 Gefährdung von Fußgängern und/oder Radfahrern 14 1.29 (1.86) 1 Gezielte Zerstörung anderer Verkehrsteilnehmer 22 1.27 (3.52) 5 Gezielte Beschädigung anderer Verkehrsteilnehmer 43 .65 (3.48) 4 Gezielte Kollision mit anderen Fahrzeugen 50 .02 (3.22) 2 Beschädigung des eigenen Fahrzeugs 43 -2.88 (2.50) -

Tab. 3.9: Implizite Belohnungsstrukturen für problematische Fahrverhaltensweisen in den untersuchten Rennspielen. Angegeben sind die Anzahl der Spiele, für die entsprechende Werte ermittelt werden konnten, die durchschnittliche Nützlichkeit auf einer Skala von -5 („grundsätzlich immer von Nachteil”) bis +5 („grundsätzlich immer von Vorteil”) sowie die Häufigkeit der höchstmöglichen Ausprägung

Fahrmanöver adel/Kritik von Abzug von Geldguthaben Häufigkeit explizite Be- strafung gesamt Punktabzug Zeitstrafe Negative Rückmeldung oder (Text aus dem “Off” Sprache) Negative Rückmeldung mit Bezug aus dem “Off” zur Verkehrssicherheit Fahrmanöver T Figuren/Charakteren Sprünge mit dem Fahrzeug ------Gezielte Kollision mit anderen Fahrzeugen 13 4 1 2 9 4 6 - Gefährdung anderer Fahrzeuge/-führer 2 1 - - 1 - 1 - Verlassen des vorgeschriebenen Verkehrsraums 6 1 - 2 3 1 1 - Überholen in unübersichtlichen Streckenabschnitten ------Driften in Kurven ------Beschädigung des eigenen Fahrzeugs 11 3 2 1 6 - 1 - Verkürzte Sicherheitsabstände ------Missachten von Überholverboten 2 - - 2 2 - - - Gefährdung von Fußgängern oder Radfahrern 3 - - - 2 2 2 - Missachtung von Ampeln/Vorfahrtszeichen 1* ------Den Witterungs-/Lichtverhältnissen unangepasste Fahrweise ------Missachten von Tempolimits 4 - - 1 3 2 1 - * Die Bestrafung der Ampelübertretung besteht beim Spiel „Grand Prix 4” (einem Formel-1-Spiel) in der Disqualifikation. Hierbei ist zu beachten, dass es sich nicht um ‚normale‘ Ampelanlagen des Straßenverkehrs, sondern um Lichtsignale auf Rennstrecken handelt

Tab. 3.10: Häufigkeit und Art der explizit sanktionierten Problemfahrweisen in den untersuchten Spielen (N = 54) 34

Ernsthafte Konsequenzen bzw. explizite Nachteile suchten Spiele Teil der nicht-interaktiven Sequen- durch problematische Verhaltensweisen müssen zen sind und dann nur selten mit ernsthaften nega- die Spieler/innen bei den wenigsten Titeln fürchten; tiven Konsequenzen verbunden sind. Ähnliches gilt nur eine Minderheit von Spielen und nur bestimm- für die Darstellung von Verletzungen: Zwei Spiele te Problemverhaltensweisen verhängen überhaupt zeigen in ihren Filmsequenzen, wie die Spielerfigur Sanktionen. Selbst auf Kollisionen mit anderen Opfer eines Unfalls wird; Verletzungen, medizini- Fahrzeugen reagiert gerade mal ein Viertel der sche Behandlung oder gar längerfristige Folge- Spiele mit explizit negativen Rückmeldungen. schäden sind nicht zu beobachten. Auch in den ei- gentlichen Interaktionssequenzen kommen Verlet- zungen der Spielerfigur extrem selten vor. Wieder- 3.5.2.3 Verharmlosung negativer Konsequen- um nur zwei Titel enthalten solche Darstellungen; in zen problematischer Verhaltensweisen beiden Fällen ist eine „Heilung” dieser Verletzun- Der dritte untersuchte Aspekt der Belohnungs- gen innerhalb der Interaktionssequenz möglich struktur bezieht sich auf die Verharmlosung der (gewissermaßen eine schnelle „Reparatur” der Folgen problematischer Verhaltensweisen. Dabei Figur). In einem Fall können Verletzungen der Spie- geht es zum einen um Folgen von Verkehrsregel- lerfigur deren Fahrtüchtigkeit einschränken, was übertretungen und Unfällen in den nicht-interakti- die Kontrolle des Spielerfahrzeugs einschränkt. ven Bereichen des Spiels (Eröffnungs- und Zwi- Etwas häufiger treten in den Interaktionssequenzen schensequenzen, die wie Filme ablaufen), zum an- schwer wiegende Folgen für dritte Personen auf: deren um die Darstellung von Verletzungen als Die Kollision des Spielerfahrzeugs führt in mehre- Folge von Unfällen. Die Konsequenzen von Prob- ren Titeln zu erkennbaren Verletzungen oder zum lemfahrweisen in den nicht-interaktiven Sequenzen Tod von Fußgängern (vgl. Tabelle 3.11). des Spiels werden in diesem Kapitel (und nicht im vorangegangenen über direkte Belohnungen/Be- Insgesamt messen die untersuchten Spiele der strafungen der Spieler/innen) thematisiert, weil sie Darstellung von negativen Konsequenzen proble- von den Spieler/innen nur von außen (möglicher- matischer Verhaltensweisen keine große Bedeu- weise an der Spielfigur, deren Steuerung später tung zu. In den meisten Fällen werden kaum Kon- übernommen werden kann) beobachtet, aber nicht sequenzen gezeigt; in vielen Spielen werden Unfäl- mit direktem Selbstbezug erfahrbar sind. Insofern le gezeigt, die in der Wirklichkeit zu schwer wie- ordnen wir diese filmischen Darstellungen eher genden Verletzungen der Fahrer/innen führen wür- dem Bereich der Verharmlosung von Konsequen- den, im Spiel jedoch keinerlei Auswirkungen besit- zen als den direkten Handlungsanreizen zu. Der zen. Wenn sich die Spielfigur überhaupt verletzen Aspekt der Verletzungen von Personen wird so- kann, lassen sich diese ‚Schäden‘ ähnlich wie Re- wohl aus den nicht-interaktiven Sequenzen als paraturen am Fahrzeug noch in der Interaktionsse- auch aus den Interaktionssequenzen selbst heran- quenz beheben. Die Gefahr für Leib und Leben, die gezogen. mit aggressivem oder riskantem Fahrverhalten ver- bunden ist, wird demnach in den untersuchten In den Filmsequenzen von insgesamt acht Spielen Spielen in geradezu dramatischer Weise harmloser wurde die bzw. eine Spielerfigur bei der Übertre- dargestellt, als die Erfahrungen aus der Realität es tung von Verkehrsregeln gezeigt. Bei drei dieser verlangen würden. Ähnliches gilt für den Umgang Spiele waren anschließend negative Konsequen- mit Verkehrsregeln und Gesetzen; oftmals erfahren zen (Verfolgung durch die Polizei in zwei Fällen; Verhaftung und Verletzung der Figur in einem Fall) zu beobachten. Zehn Spiele zeigten in ihren Film- sequenzen die Spielerfigur bei Gesetzesübertre- tungen (u. a. Missachtung polizeilicher Anweisun- Unbeteiligte Fußgänger Gegnerische Fußgänger Gegnerische Polizisten gen, Gewalt- und Tötungsdelikte sowie Eigentums- Kooperierende Fußgänger delikte), die wiederum in drei Fällen negative Kon- Verletzung 5 4 4 3 sequenzen (in zwei Fällen Verfolgung und Verhaf- möglich Tötung tung durch die Polizei, in je einem Fall Verletzung 5 4 4 3 und Tötung durch die Polizei) nach sich zogen. möglich Tab 3.11: Möglichkeit, in den Interaktionssequenzen Fußgän- Insgesamt zeigen diese Befunde, dass Problem- ger durch Kollision mit dem Spielerfahrzeug zu ver- verhaltensweisen nur in einer Minderheit der unter- letzen oder zu töten (Häufigkeiten; N = 54) 35

die Spieler/innen keine ernsthaften Sanktionen; in litäts- und Validitätseinschränkung zu vermeiden. einigen Spielen gehört die Flucht vor der Polizei Stattdessen haben wir uns auf die Frage konzen- sogar zu den Aufgaben der Spieler/innen. Der triert, welche Elemente des typischen Straßenver- Straßenverkehr wird also in den untersuchten Spie- kehrs in den untersuchten Spielen wiederzufinden len nicht nur als weit gehend ungefährlicher, son- sind. Uns hätte also im obigen Beispiel die Frage dern auch als geradezu rechtsfreier Raum abgebil- interessiert, ob Lichtkegel in der Dämmerung zu det. Natürlich ist zu bedenken, dass ein erheblicher sehen sind; nicht aber, wie korrekt ihre Helligkeits- Anteil der untersuchten Titel das Geschehen auf verläufe und räumlichen Ausdehnungen sind. Rennstrecken fern des alltäglichen Straßenver- Im ersten Schritt haben wir jedoch den von den kehrs darstellt und daher die Anwendung der Kate- Produzenten der Spiele formulierten Anspruch be- gorien „Verkehrsregeln” und „Gesetze” hier nur züglich der Realitätsnähe untersucht. Demnach ist eingeschränkt bzw. mit Anpassungen an die sport- die Realitätsnähe ein zentrales Merkmal von Renn- lichen Wettkampfregeln erfolgen kann. Doch ist spielen, denn der Anspruch, die Wirklichkeit gut auch für diese Spiele zu konstatieren, dass zumin- abzubilden, wird immerhin auf den Verpackungen dest die Verletzungsgefahr bei riskanten Manövern von 33 der 54 betrachteten Spiele formuliert. Bei nicht adäquat wiedergegeben wird, selbst wenn 26 Titeln ist ein solcher Anspruch im Handbuch er- man in Rechnung stellt, dass moderne Rennfahr- wähnt und immerhin acht Spiele enthalten zu Be- zeuge über Sicherheitssysteme verfügen, die den ginn des „Intros” eine Warnung auf dem Monitor, in Serienautos verwendeten Technologien weit dass die Fahrweisen im Spiel nicht in der Realität überlegen sind. angewendet werden sollen. Diese Warnungen sind als Versuch zu werten, juristischen Auseinander- 3.5.3 Realitätsnähe setzungen vorzubeugen. Derartige Probleme hat(te) die Industrie beispielsweise bei epilepti- Neben den Aufgabentypen und den Belohnungs- schen Anfällen, die vereinzelt bei intensiver Spiel- strukturen führt das im Projekt entwickelte Modell nutzung auftreten können und ähnliche Warnhin- als dritten wichtigen Bereich des Medienangebots weise auf den Packungen und Bildschirmen zur „Rennspiel(e)” die Realitätsnähe an. Damit ist die Folge hatten. Die Frage nach der Realitätsnähe von Frage angesprochen, wie gut ein Spiel das jeweils Rennspielen ist also nicht nur vor dem Hintergrund zugrunde liegende Verkehrsgeschehen abbildet. des theoretischen Modells relevant, sondern zielt Ein wichtiger Faktor, der für die technische Weiter- darüber hinaus auch auf eine Produkteigenschaft, entwicklung des Genres von zentraler Bedeutung die den Herstellern (und Kunden) besonders wich- ist und von den Fachzeitschriften immer wieder tig zu sein scheint. hervorgehoben wird, ist die visuelle Detailfülle und Akkuratheit. Sie beziehen sich zum einen auf stati- Die Ergebnisdarstellung zur Realitätsnähe (Kapitel sche Elemente (z. B. Modellierung der Fahrzeugka- 3.5.3.1) geht zunächst auf die geografischen Bezü- rossen, Anzahl der Äste von Alleebäumen, Farb- ge in den untersuchten Spielen ein und thematisiert verläufe auf der Kleidung von Zuschauer/innen), dann die An- bzw. Abwesenheit zahlreicher im zum anderen aber auch auf dynamische Kompo- Straßenverkehr anzutreffender Objekte, zum einen nenten (z. B. die „Natürlichkeit” der von Rallye- am Fahrzeug selbst (Kapitel 3.5.3.2) und zum an- Fahrzeugen aufgewirbelten Staubfahnen, die phy- deren in der Umgebung des Fahrzeugs (Kapitel sikalische „Korrektheit” der Lichtkegel, die von den 3.5.3.3). Schließlich gehen wir auf dynamische Scheinwerfern in der Dämmerung erzeugt werden, Aspekte der Realitätsnähe ein, nämlich auf das oder die Reflexion der Streckenumgebung auf dem Bremsverhalten der Spiel-Fahrzeuge, die Auswir- polierten Lack der vorbeirasenden Fahrzeuge). In- kungen von Kollisionen mit Umgebungsobjekten haltsanalytisch sind solche Aspekte nur schwer zu sowie 3-D-Darstellungseffekte und -fehler (Kapitel erfassen; Fachzeitschriften begnügen sich typi- 3.5.3.4). scherweise auch damit, dass sie problematische oder fehlerhafte Aspekte aufführen und (mehr oder 3.5.3.1 Geografische Bezüge weniger willkürlich) entsprechende Abzüge bei der Wertung für die Grafik vornehmen. Die vorliegende In diesem Kapitel werden Befunde zu der Frage Studie hat daher den Aspekt der „Grafikpracht” vorgestellt, in welchem Umfang die untersuchten ausgeklammert, um die Probleme bei der Opera- Spiele Straßen, Orte oder Rennstrecken abbilden, tionalisierung und die daraus resultierende Reliabi- die auch in der Wirklichkeit existieren. Formel-1-Si- 36

mulationen stellen meistens die „Original-Renn- Ortsnamen) herangezogen. Der zweite Indikator ist strecken” dar; und im Spiel „Europa-Raser” bei- deswegen relevant, weil städtische Umgebungen spielsweise tauchen immer wieder Sehenswürdig- meistens strengere Geschwindigkeitsbegrenzun- keiten aus europäischen Hauptstädten auf. Neben gen verlangen als z. B. Straßen im ländlichen solchen namentlich-expliziten Bezügen sind aber Raum. Vor dem Hintergrund der typischen Aufga- auch implizite bzw. auf Typizität beruhende Bezüge benstruktur (vgl. Kapitel 5.1), also der starken Aus- von Relevanz, z. B. die Darstellung ‚realer Straßen- richtung der meisten Titel an hohen Geschwindig- arten‘ wir Autobahnen bzw. Highways oder Land- keiten, ist eine Ansiedlung des Spielgeschehens in straßen. Städten als problematisch zu betrachten; daher wird der Realitätsnähe-Indikator „städtisches Um- Zunächst gehen wir auf explizite Realitätsverweise feld” gesondert betrachtet. ein. Die Auswertung der Intro-, Zwischen- und De- mosequenzen, also der nicht-interaktiven Spieltei- Es zeigt sich, dass die Mehrheit der Spiele eher le, die auf dem Bildschirm verfolgt werden können, eng definierte Parcours (Strecken) beinhaltet, dann ergab, dass 16 der 54 Spiele in diesen Sequenzen aber zahlreiche Wahlmöglichkeiten (im Einzelfall bis reale geografische Schauplätze darstellen. Tabelle zu 200 verschiedene Strecken) anbietet. Bei deut- 3.12 gibt die expliziten geografischen Bezüge in lich weniger Spielen finden sich Szenarien und in den Interaktionssequenzen wieder. Die Straßen, diesen Titeln stehen dann auch vergleichsweise auf denen in den Spielen gefahren werden kann, wenig unterschiedliche Straßen(-umgebungen) zur wurden in „Strecken” und „Szenarien” unterschie- Wahl. Der Anteil der Strecken mit explizit geografi- den. Strecken zeichnen sich dadurch aus, dass die schen Bezügen ist beachtlich; bei den Szenarien ist zu fahrende Route relativ eng vorgegeben ist und er deutlich geringer. Städtische Umgebungen spie- ein Abweichen (z. B. ins Gelände oder in Seiten- len bei den Strecken eine beachtliche Rolle, bei straßen) kaum möglich ist. Typische „Strecken” den Szenarien hingegen überwiegen nicht-urbane sind nach diesem Verständnis die Rennkurse aus Settings, z. B. das „freie Gelände” in Rallye- oder Formel-1-Spielen, die allenfalls „auf den Rasen” Offroad-Spielen. verlassen werden können bzw. dürfen. Szenarien Im Kontext des geografischen Realitätsbezugs ist sind dagegen relativ frei befahrbare Gebiete, bei auch die Frage von Interesse, ob die untersuchten denen die einzuhaltende Route deutlich großzügi- Spiele ‚echte‘ Straßentypen wie Autobahnen oder ger definiert ist. Beim Geländewagen-Spiel „Off Landstraßen abbilden. Tabelle 3.13 zeigt, wie häu- Road – Wide Open” beispielsweise sind einzelne fig die wichtigsten ‚echten‘ Straßen- bzw. Wegty- Wegpunkte gesetzt, welche von den Rennfahrern pen in den untersuchten Spielen auftreten. erreicht werden müssen; wie und wo sie sich zwi- schen den Wegpunkten bewegen, ist jedoch voll- Die für den tatsächlichen Straßenverkehr relevan- kommen freigestellt. Als Indikatoren für den Rea- ten Wegtypen (Autobahn, Landstraße, Innerorts- litätsbezug der dargestellten Straßen(-umgebun- verkehr) tauchen nicht übermäßig häufig in den un- gen) wurden zum einen explizite Anzeichen wie das tersuchten Spielen auf, sind aber auch keinesfalls Auftauchen von Ortsschildern oder berühmten Ge- Randerscheinungen. Bestimmte Spiele zeichnen bäuden (s. o.), zum anderen die Darstellung einer sich durch konsequente Orientierung an einem be- städtischen Umgebung (unabhängig von realen

Straßen-/Wegtyp Nie in der Min- in der immer Art Anzahl durch- mit mit derheit Mehrheit der Spiele mit schnittl. explizitem Stadt- Autobahn/Highway 32 14 5 3 Straßen wählbaren Anzahl geografi- umgebung (-umgebung) Strecken/ (Mittelwert, schem Landstraße 28 15 9 2 Szenarien SD) Bezug Innerortsverkehr 25 14 8 7 (N = 54) reine Rennstrecke 32 7 2 13 M = 26,89 M = 19,03 M = 10,19 (asphaltiert) Strecken 37 SD = 35,35 SD = 39,05 SD = 34,99 Gelände/Off-Road 21 15 4 14 M = 8,42 M = 3,00 M = 1,70 Szenarien 14 SD = 8,29 SD = 4,88 SD = 2,00 Tab. 3.13: Häufigkeit von Straßen- bzw. Wegtypen, die der Realität nachempfunden sind, in den Interaktionsse- Tab. 3.12: Wählbarkeit, Art und Realitätsnähe der befahrbaren quenzen der untersuchten Spiele (N = 54). Abstu- Straßen(-umgebungen) in den untersuchten Spielen fungen: nie in Interaktionssequenzen, in der Minder- (N = 54). Spalten 3-5 geben die durchschnittliche heit, in der Mehrheit bzw. in jeder Interaktionsse- Anzahl wählbarer Strecken/Szenarien an quenz 37

stimmten Wegtyp (z. B. reine Rennstrecke) aus; an- legenheit, gerade solche Fahrzeuge zu steuern, die dere Titel zeigen stärkere Variationen. Die Mehrheit ihnen in der Wirklichkeit kaum bzw. gar nicht zur der Rennspiele bildet (auch) Innerortsverkehre ab, Verfügung stehen, nämlich (teure) Sport- und was für die Fragestellung des Projekts sehr interes- Rennwagen. Lastkraftwagen spielen nur eine un- sant ist (s. o.). Insgesamt bedienen sich die unter- tergeordnete Rolle; sie stehen in der Regel nur suchten Spiele recht häufig geografischer Bezüge, dann zur Auswahl, wenn es sich um ein explizites um Realitätsnähe zu vermitteln. Städtische Umge- „Lkw-Spiel” (z. B. „Big Motha Truckers”) handelt. bungen spielen eine gewichtige, wenngleich nicht Es bleibt festzuhalten, dass, auch wenn nicht dominante Rolle; und explizite Verweise, z. B. auf immer die ‚echten‘ Markennamen und Produktbe- reale Städte oder Gebäude, finden sich in der zeichnungen auftreten, die Fahrzeuge in aller Regel Mehrheit der befahrbaren Strecken. als Automobile mit mehr oder weniger starken Ähn- lichkeiten zu Straßen- oder Rennmodellen zu iden- 3.5.3.2 Realitätsnähe der Spielerfahrzeuge tifizieren sind. Bestimmte Titel ergänzen die Rea- litätsnähe durch Anbindung an Hersteller (z. B Das zentrale Element jedes Rennspiels ist zweifels- Lotus, Ferrari) oder Rennställe (z. B. Williams- ohne das Fahrzeug, welches die Spieler/innen Renault F1). Dass die Spieler/innen fantastisch an- steuern können. Inwiefern die untersuchten Spiele mutende Gefährte lenken, ist der absolute Ausnah- hier versuchen, Realitätsnähe zu erzeugen, wird in mefall; allenfalls Lkw und Karts, die in einigen we- diesem Kapitel anhand verschiedener Indikatoren nigen Spielen vorkommen, sind hier zu nennen. diskutiert. Zunächst gehen wir auf die Frage ein, in- wiefern die auswählbaren Spielerfahrzeuge realen Ein weiterer auf die Spielerfahrzeuge bezogener Autos explizit nachempfunden sind. Außerdem ist Aspekt von Realitätsnähe ist die Darstellung in den von Interesse, welche Elemente von Automobilen Interaktionssequenzen. Falls Transfereffekte vom (z. B. Schaltknüppel, Lenkrad, Blinker, Bremslicht) Rennspiel auf das reale Fahrverhalten entstehen, in den Interaktionssequenzen abgebildet werden, welche Teile eines Fahrzeugs die Spieler/innen also zu Gesicht bekommen (können). Wir stellen Anzahl der Spiele, Durchschnittliche die zur Berechnung Anzahl der Fahr- zunächst Befunde zu den wählbaren Fahrzeug- Fahrzeugtyp herangezogen wur- zeuge pro Spiel (typ)en vor, um dann die Darstellungsdetails in den den (N = 54) Interaktionssequenzen zu diskutieren. Fast alle (47 M = 27,85 Gesamt 47 von 54) Spiele stellen mehrere Fahrzeuge zur Wahl; (SD = 25,86) in den anderen Titeln wird meist jede einzelne In- Ausschließlich 22 - teraktionssequenz mit einem bestimmten (aber „echte” Fahrzeuge Ausschließlich fiktive nicht immer dem gleichen) Fahrzeug verknüpft, so- 24 - Fahrzeuge dass hier keine Wahlmöglichkeiten bestehen. Ta- Straßenfahrzeuge: M = 1,09 23 belle 3.14 zeigt, inwiefern die untersuchten Spiele Kleinwagen (SD = 2,71) ‚echte‘ Fahrzeuge bzw. Fahrzeugtypen für die Straßenfahrzeuge: M = 1,65 23 Steuerung durch die Nutzer/innen zur Auswahl Mittelklasse (SD = 3,69) stellen. Straßenfahrzeuge: M = 0,73 22 Oberklasse (SD = 2,07) Die Befunde zeigen, dass in einem beachtlichen Straßenfahrzeuge: M = 0,19 21 Teil der untersuchten Spiele keine ‚realen‘ Fahr- Lkw (SD = .87) zeuge vorkommen. Das bedeutet jedoch nicht, Straßenfahrzeuge: M = 12,92 24 dass die Fahrzeuge nicht aussehen wie echte Sportwagen (SD = 26,37) Rennfahrzeuge: M = 15.18 Autos, sondern lediglich, dass nicht immer reale 22 Marken- und Produktbezeichnungen eingesetzt Rennwagen (z. B. F1) (SD = 20,76 werden (oftmals aus lizenzbezogenen Gründen). Tab. 3.14: Wählbare Fahrzeugtypen in den untersuchten Spie- Insgesamt besteht die Palette der verfügbaren len (N = 54). Die unterschiedliche Größe der Teil- Fahrzeuge zu großen Teilen aus Renn- und Sport- stichproben, auf welche die jeweiligen Teilkategorien angewendet wurden, wird durch die Vielfalt der Aus- wagen; reale Straßenfahrzeuge finden sich deutlich wahlstrukturen bedingt; einige Titel erlauben sehr seltener. Rennspiele rücken also die Automobile, freie Auswahlentscheidungen zwischen verschiede- welche typischerweise im Alltag gefahren werden, nen Modellen und Fahrzeugtypen, andere Spiele bieten nur eingeschränkte Wahlmöglichkeiten, die eher selten in den Mittelpunkt des Geschehens. eine Anwendung bestimmter Teilkategorien nicht Vielmehr erhalten die Spieler/innen oftmals die Ge- sinnvoll erscheinen lässt 38

ist die Frage von Bedeutung, welche Elemente rea- ler Autos in Rennspielen abgebildet werden und ob ihre Funktionalität wiedergegeben ist: Leuchten Element beispielsweise die Bremslichter auf, wenn die epräsentiert epräsentiert Bremse betätigt wird? Für eine Reihe von Fahr- epräsentiert epräsentiert symbolisch r nicht r originär und sym- bolisch originär r funktional r zeugelementen wurde überprüft, ob sie in den un- Tacho 4 6 36 1 43 tersuchten Spielen auftauchen. Dabei wurde zwi- Drehzahlmesser 13 5 28 1 34 schen originärer und symbolischer Anzeige unter- Ganganzeige 13 3 29 1 33 schieden. Originär bedeutet, dass das Element Navigationssystem 18 0 29 0 29 wirklichkeitsgetreu abgebildet wird: Der zentrale (elektron. Karte) Rückspiegel befindet sich dann beispielsweise in Lenkrad 31 14 2 0 16 der Mitte der Frontscheibe, besteht meist aus Rückspiegel/innen 35 3 9 0 12 schwarzem Material und hat eine rechteckige Windschutzscheibe 36 10 1 0 - Form. Symbolisch repräsentiert sind dagegen Ele- Tankanzeige 40 3 4 0 7 mente, die nur abstrakt dargestellt und aus ihrer Gangschaltungsknüppel 41 4 2 0 6 tatsächlichen Anordnung am Fahrzeug gelöst sind. Rückspiegel/außen 42 5 0 0 3 Manche Spiele enthalten zum Beispiel eine digitale Scheibenwischer 42 5 0 0 4 Geschwindigkeitsanzeige in einer Ecke des Bild- Kompass/Fahrtrichtungsan- 43 0 4 0 4 schirms. Sie befindet sich nicht an der Stelle, an zeige der normalerweise der Tacho zu erwarten ist, und Seitenfenster 43 4 0 0 - sieht auch nicht wie ein Tacho aus; daher sprechen Radio 44 0 3 0 3 wir in solchen Fällen von symbolischer Repräsen- Motor-Temperatur-Anzeige 44 3 0 0 2 tation. Ferner wurde der Frage nachgegangen, ob Ölstandsanzeige 45 2 0 0 1 die Komponenten funktional dargestellt werden, Blinkeranzeige 45 0 2 0 2 d. h., ob sie nur Dekoration sind, die von der Fahr- Kühlwasseranzeige 46 1 0 0 0 dynamik nicht tangiert werden (z. B. ein Tacho, der Batterieanzeige 46 1 0 0 1 nicht die aktuelle Geschwindigkeit anzeigt, son- Pedale 46 1 0 0 1 dern nur zum visuellen Eindruck des Armaturen- Beleuchtungseinrichtung 47 0 0 0 0 bretts beiträgt), oder ob sie ihren Zustand in Ab- Airbag 47 0 0 0 0 hängigkeit vom Fahrgeschehen realistisch ändern Blinkerhebel 47 0 0 0 0 (z. B. ein Tacho, der beim Bremsen einen Rück- Hupe 47 0 0 0 5 gang der Geschwindigkeit anzeigt). Tabelle 3.15 Handbremsenhebel 47 0 0 0 8 gibt zunächst diese Repräsentationsdaten für die Scheibenwischerhebel 47 0 0 0 0 wichtigsten Fahrzeugelemente der Fahrgastzelle Sicherheitsgurt 47 0 0 0 0 bzw. des „Cockpits” wieder. Die Perspektive „aus dem Fahrzeuginneren” (Cockpit-Sicht) stand bei 47 Tab. 3.15: Repräsentation relevanter Fahrzeugelemente in der Cockpit-Perspektive in den Interaktionssequenzen von 54 Spielen zur Verfügung. der untersuchten Spiele, welche diese Perspektive anbieten (n = 47). „Originär repräsentiert” bedeutet, Die Daten zeigen, dass nur ein erstaunlich geringer dass das Element in wirklichkeitstreuer Art an der Anteil der Instrumente, Anzeigen und Bedienele- ‚erwartbaren’ Stelle platziert ist; „symbolisch reprä- mente eines ‚echten‘ Autocockpits abgebildet sentiert” sind dagegen Elemente, die nicht wie in einem echten Fahrzeug aussehen, sondern z. B. wird. Dabei konzentrieren sich die Spiele auf Ele- „angedeutet”, vereinfacht oder in abstrakter Form zu mente, die für den (schnellen) Fahrbetrieb sehr be- sehen sind deutsam und so charakteristisch sind, dass sie stark zum Eindruck, in einem Auto zu sitzen, bei- schaft) möglichst umfassend darstellen müssen. tragen (Tacho, Drehzahlmesser, Lenkrad). Details, So bleibt nur wenig Platz für Fahrzeugelemente die weniger eng mit der Fahrtätigkeit verbunden und dieser wird typischerweise so genutzt, dass sind, zum Beispiel Öl- und Wasseranzeigen, sowie die besonders kennzeichnenden und/oder für den sicherheitsrelevante Elemente wie Airbags und Si- Fahrbetrieb unverzichtbaren Teile zu erkennen cherheitsgurte finden sich kaum oder gar nicht. sind, weniger wichtige Komponenten jedoch aus- Diese Befunde sind darauf zurückzuführen, dass gespart werden. Kein untersuchtes Spiel ermög- ein Bildschirm nur begrenzten Raum bietet und die licht es, den Kopf der Spielfigur zu bewegen, so- Spiele das Geschehen außerhalb des gesteuerten dass beispielsweise ein größerer Anteil des Cock- Fahrzeugs (Strecke, andere Fahrzeuge, Land- pits/Armaturenbretts auf Kosten der Sicht nach 39

oftmals auf symbolische Darstellungen (z. B. Ge- schwindigkeitsanzeigen) zurückgegriffen. Tabelle

Element 3.16 gibt einen Überblick darüber, welche Fahr- zeugelemente in der Verfolgerperspektive darge- epräsentiert epräsentiert epräsentiert epräsentiert stellt werden. originär r originär und sym- bolisch nicht r symbolisch r funktional r Reifen 3 49 0 2 - Die typische Außenansicht der Spielerfahrzeuge Rücklichter 4 50 0 0 38 enthält eine Reihe von Elementen, die eine detail- Tacho 9 0 45 0 45 lierte Repräsentation der Autos ermöglichen. Teil- Seitenfenster 11 43 0 0 - weise ist der Blick „durch die Heckscheibe” auf be- Windschutzscheibe 16 38 0 0 - stimmte Cockpit-Teile möglich; Außenspiegel und Frontscheinwerfer 16 38 0 0 21 Spoiler sind oftmals zu erkennen und selbst die Auspuff 16 38 0 0 16 Frontscheinwerfer sind berücksichtigt. Sie werden Drehzahlmesser 18 1 35 0 36 meistens dann sichtbar, wenn das Fahrzeug eine Rückspiegel/außen 18 36 0 0 0 Kurve fährt und sich für einen Moment in einer Gang-Anzeige 19 1 34 0 35 Schrägansicht befindet. Außerdem zeigt die große Navigationssystem (elektron. Mehrheit der Spiele funktionierende Rücklichter, 20 1 33 0 33 Karte) die beim Bremsen aufleuchten. Die Ergebnisse zei- Heckspoiler 23 31 0 0 - gen insgesamt, dass die Außendarstellung der Lenkrad 36 17 1 0 15 Spielerfahrzeuge im Durchschnitt vollständiger und Rückspiegel/innen 46 2 5 1 7 damit ‚realistischer‘ ist als die Cockpit-Perspektive. Tankanzeige 49 0 5 0 5 Scheibenwischer 49 5 0 0 3 Kompass/Fahrtrichtungsan- 3.5.3.3 Faktoren der Realitätsnähe in der 51 0 3 0 3 zeige Umgebung des Spielerfahrzeugs Radio 51 0 3 0 3 Die Frage, inwiefern die Umgebung des Spieler- Sicherheitsgurt 51 3 0 0 1 fahrzeugs ‚realitätsnah‘ dargestellt ist, birgt bei Tab. 3.16: Repräsentierte Fahrzeugelemente in der Verfolger- näherer Betrachtung eine erhebliche Komplexität. perspektive in den Interaktionssequenzen der unter- Eine Fülle unterschiedlicher Objekte findet sich im suchten Spiele (N = 54) normalen Straßenverkehr und es ist schlicht un- möglich, ihre (Nicht-)Existenz in den Rennspielen außen erkennbar wird; der Blick auf das Innere des einzeln zu prüfen. Wir haben uns daher bei der Fahrzeugs bleibt starr, sodass trotz des begrenzten Frage, wie ‚realistisch‘ die Umgebungen des Spie- räumlichen Eindrucks, den die meisten Spiele er- lerfahrzeugs gestaltet sind, an Objektgruppen ori- zeugen, die Darstellung des Cockpits auf recht entiert, die eine funktionale Bedeutung für den wenig ‚realitätsbezogene‘ Elemente beschränkt Fahrbetrieb haben, also besondere Beachtung bleibt. Diese Elemente sind dann zumeist dyna- durch die Fahrer/innen verlangen. Aus dieser Pers- misch-funktional, d. h., sie geben die Zustandsän- pektive sind die anderen Verkehrsteilnehmer (Fahr- derungen und Bewegungsabläufe, die typischer- zeuge, Fußgänger), Objekte auf dem Fahrweg und weise beim Fahren im Cockpit stattfinden, adäquat entlang der Strecke (z. B. Ampeln) sowie Beson- wieder. derheiten der Streckenführung (z. B. Tunnel) rele- vant. Diese Bereiche werden im Folgenden nach- Zusätzlich zur Perspektive „aus dem Cockpit” bie- einander thematisiert. ten viele Spiele die Möglichkeit, das Fahrgesche- hen aus einer so genannten Verfolgerperspektive Die Verkehrsteilnehmer, welche die Umgebung des zu visualisieren. Die Nutzer/innen blicken dann aus Spielerfahrzeugs bevölkern, wurden getrennt nach einer leicht erhöhten Position „von hinten” auf das motorisierten Fahrzeugen, nicht-motorisierten Fahrzeug, das sie steuern, und erhalten dadurch Fahrzeugen und Fußgängern erfasst; ferner wurde einen besseren Überblick der Umgebung vor und zwischen Gegnern und neutralen Verkehrsteilneh- neben dem Spielerfahrzeug. In dieser Außensicht mern unterschieden. Gegner zeichnen sich da- können andere Fahrzeugelemente abgebildet wer- durch aus, dass sie direkter auf das Spielgesche- den als in der Cockpit-Perspektive. Damit die rele- hen einwirken (z. B. mit dem Spielerfahrzeug um vanten Informationen (z. B. zur Eigengeschwindig- einen Rangplatz konkurrieren); neutrale Verkehrs- keit) verfügbar bleiben, wird in der Außenansicht teilnehmer fungieren in der Regel als „Dekoration” 40

Verkehrsteilnehmer: nie in der in der immer Unbeteiligte Verkehrs- nie in der in der immer gegnerische Fahrzeuge Minderheit Mehrheit teilnehmer: nicht-motori- Minderheit Mehrheit (motorisiert) sierte Gruppen Rennwagen 29 4 1 13 Mittelklasse-Wagen 35 2 9 8 Sportwagen 32 7 3 12 Kleinwagen 35 3 8 8 Geländewagen 36 5 2 4 Kleintransporter 37 6 6 5 Mittelklasse-Wagen 41 9 2 2 Lkw 39 5 7 3 Oberklasse-Wagen 43 7 2 2 Oberklasse-Wagen 40 3 4 7 Kleinwagen 44 7 1 2 Sportwagen 43 1 7 3 Einsatzfahrzeuge Einsatzfahrzeuge (z. B. 45 6 3 0 43 4 5 2 (z. B. Polizeifahrzeuge) Polizeifahrzeuge) Fiktive Fahrzeuge 45 1 1 7 Busse 43 4 5 2 Kleintransporter 47 5 0 2 Eisenbahnen 46 7 1 0 Spezialfahrzeuge Spezialfahrzeuge (z. B. 49 5 0 0 49 3 2 0 (z. B. Kranwagen) Kranwagen) Militärfahrzeuge 50 4 0 0 Straßenbahnen 49 3 2 0 Motorräder 51 2 1 0 Geländewagen 50 2 2 0 Lkw 51 2 1 0 Fiktive Fahrzeuge 51 2 1 0 Busse 53 1 0 0 Militärfahrzeuge 51 3 0 0 Eisenbahnen 53 1 0 0 Landwirtschaftliche 52 2 0 0 Straßenbahnen 54 0 0 0 Fahrzeuge Landwirtschaftliche Motorräder 53 0 1 0 54 0 0 0 Fahrzeuge Rennwagen 54 0 0 0

Tab. 3.17: Häufigkeit unterschiedlicher Fahrzeugtypen als Tab. 3.18: Häufigkeit unterschiedlicher Fahrzeugtypen als neu- Gegner in den Interaktionssequenzen der unter- trale bzw. unbeteiligte Verkehrsteilnehmer in den In- suchten Spiele (N = 54). Abstufungen: nie in Interak- teraktionssequenzen der untersuchten Spiele (N = tionssequenzen, in der Minderheit, in der Mehrheit 54). Abstufungen: nie in Interaktionssequenzen, in bzw. in jeder Interaktionssequenz der Minderheit, in der Mehrheit bzw. in jeder Interak- tionssequenz und zur Erhöhung des Schwierigkeitsgrades, weil leuchtet wird: Die gleichen Fahrzeugkategorien sie zusätzliche Hindernisse darstellen, die umfah- wurden bei der Analyse der nicht direkt am Spiel- ren werden sollen. In einigen Spielen (z. B. „Grand geschehen beteiligten Verkehrsteilnehmer wieder Theft Auto”) besteht allerdings die Möglichkeit, verwendet. Tabelle 3.18 zeigt die Häufigkeit für sehr intensiv auch mit neutralen Fahrzeugen und jede Kategorie. Fußgängern zu interagieren. Tabelle 3.17 gibt zunächst die Häufigkeiten für die Präsenz unter- Wenn in den untersuchten Spielen Fahrzeuge als schiedlicher Fahrzeugtypen als Gegner in den In- unbeteiligte Verkehrsteilnehmer auftreten, dann teraktionssequenzen an. stammen sie zumeist aus den im realen Verkehr am häufigsten anzutreffenden Kategorien (kleine und Den Aufgabentypen (vgl. Kapitel 3.1) entsprechend mittlere Pkw, Kleintransporter, Lkw). Insofern treten die Nutzer/innen der untersuchten Spiele bemühen sich die Spiele in dieser Hinsicht darum, vorwiegend gegen Renn- und Sportwagen an. das „normale” Verkehrsgeschehen abzubilden und Aber auch Fahrzeuge, die aus dem realen Straßen- kein zu verzerrtes Bild von der Verteilung der wich- verkehr eher bekannt sind, gehören in nicht weni- tigsten Fahrzeugkategorien zu zeichnen. Diese gen Interaktionssequenzen zu den direkten Wett- Strategie spiegelt sich auch darin, dass exotische bewerbern. Insofern ist bei den kompetitiven Fahrzeugkategorien auch bei den unbeteiligten Aspekten der Rennspiele eine nicht unerhebliche Verkehrsteilnehmern keine besondere Rolle ein- Nähe zum wirklichen Straßenverkehr zu verzeich- nehmen. nen. Dass bestimmte Kategorien wie Busse oder landwirtschaftliche Fahrzeuge keine Rolle als Kon- Eine realitätsadäquate Abbildung von Verkehrsge- trahenten spielen, ist dagegen bei der Orientierung schehen schließt nicht nur verschiedene Fahrzeug- der meisten Spiele an schnellen Pkw nicht verwun- typen, sondern auch die Präsenz von Radfahrer/in- derlich. Diese Fahrzeugtypen sind eher interessant, nen und Fußgängern (und unterschiedlichen Sub- wenn die Präsenz neutraler Verkehrsteilnehmer be- gruppen wie Kindern und älteren Menschen) ein. 41

Unbeteiligte Verkehrs- nie in der in der immer Fahrweg-Elemente und nie in der in der immer teilnehmer: nicht-motori- Minderheit Mehrheit -Typen Minderheit Mehrheit sierte Gruppen Fahrbahnmarkierungen 6 8 13 27 Radfahrer/innen 54 0 0 0 Sperrflächen auf der 18 12 21 3 Rollschuhfahrer/Inline- Straße 53 1 0 0 Skater/innen Bürgersteige 28 12 10 4 Fußgänger gesamt 39 4 4 6 Radwege 54 0 0 0 Fußgänger: Männer 39 4 4 6 Fahrweg-Typ: 2 8 12 32 Fußgänger: Frauen 42 5 4 3 Asphaltierte Straße Fußgänger: Kinder 51 3 0 0 Fahrweg-Typ: 23 19 11 1 Fußgänger: Geschottert 50 2 2 0 ältere Menschen Fahrweg-Typ: Feldweg 28 12 9 5

Tab. 3.19: Häufigkeit nicht-motorisierter unbeteiligter Verkehrs- Fahrweg-Typ: teilnehmer in den untersuchten Spielen (N = 54). Ab- stark verschmutzte 29 14 11 0 stufungen: nie in Interaktionssequenzen, in der Min- Abschnitte derheit, in der Mehrheit bzw. in jeder Interaktionsse- Fahrweg-Typ: quenz Abschnitte mit decken- 32 21 1 0 dem Wasserbelag Tabelle 3.19 gibt einen Überblick, wie häufig diese Fahrweg-Typ: stark ver- 42 12 0 0 Gruppen von Verkehrsteilnehmern in den unter- eiste Abschnitte suchten Spielen auftreten. Tab. 3.20: Häufigkeiten bestimmter Fahrweg-Elemente und -Typen in den untersuchten Spielen (N = 54). Abstu- Hier zeigt sich, dass die ‚schwächeren‘ Gruppen fungen: nie in Interaktionssequenzen, in der Minder- – Radfahrer und Fußgänger – deutlich seltener in heit, in der Mehrheit bzw. in jeder Interaktionsse- den untersuchten Spielen repräsentiert sind als quenz Fahrzeuge. In gerade mal einem Viertel der Spiele treten Fußgänger in Erscheinung; im Kontext der ziellere Typen wie verschmutzte oder vereiste Ab- Verkehrssicherheit besonders relevante Subgrup- schnitte in jeder Interaktionssequenz enthält. Doch pen (Kinder und ältere Menschen) gibt es fast nie. sind selbst seltene Typen wie Abschnitte mit Radfahrer/innen fanden sich in den untersuchten deckendem Wasserbelag in zahlreichen Spielen zu Spielen überhaupt nicht. Insgesamt ist damit eine finden. Von der zu geringen Repräsentation von für die adäquate ‚Simulation‘ von Verkehrsgesche- Fuß- und vor allem Radwegen einmal abgesehen, hen zentrale Kategorie in den marktüblichen Renn- ergibt sich mit Blick auf die Fahrwege selbst ein spielen deutlich unterrepräsentiert. recht realitätsnahes Bild. Neben den Verkehrsteilnehmern, welche die Im nächsten Schritt wenden wir uns der ‚Ausstat- Straßen der untersuchten Spiele (nicht) bevölkern, tung‘ der Fahrwege zu und betrachten die Häufig- ist für den Realitätseindruck auch die Ausgestal- keiten, mit denen Ampeln und andere typische Ob- tung der Straßen selbst von Bedeutung. Daher jekte, die echte Straßen in großer Zahl säumen, in gehen wir der Frage nach, welche ‚typischen‘ Ele- den untersuchten Spielen zu finden sind (Tabelle mente der Straßengestaltung sich in den unter- 3.21). suchten Spielen wiederfinden. Zunächst gehen wir Einige typische Gestaltungselemente finden sich auf Aspekte des Fahrwegs ein, um dann Objekte, auf den Straßen, die in den untersuchten Spielen die auf und neben Fahrwegen häufig anzutreffen befahren werden können, recht häufig wieder. Dazu sind, zu betrachten. Tabelle 3.20 zeigt die Häufig- gehören Leitplanken und andere Fahrbahnbegren- keiten bestimmter Fahrwegelemente und -typen. zungen (auch Bäume); im Bereich der Verkehrs- Diese Aufstellung zeigt eine gewisse Heterogenität schilder und -zeichen sind nur Kurven-Warnschil- der untersuchten Spiele; einige Elemente des Fahr- der von Bedeutung; Vorfahrts- und insbesondere wegs finden sich in der Mehrheit der Titel – mit Geschwindigkeitsregelungen tauchen dagegen Ausnahme von Radwegen, die interessanterweise kaum auf. Eine Ausnahme sind Ampeln, die sogar in keinem einzigen Spiel zu finden sind. Dies mehrheitlich dynamisch-animiert sind, also ihre korrespondiert mit dem bereits genannten Befund Stellungen in bestimmten Rhythmen ändern. Ins- der völligen Abwesenheit von Radfahrer/innen (s. gesamt scheinen sich die Rennspiele jedoch mit o.). Bei den Fahrweg-Typen findet sich dagegen gut sichtbaren, auch im Vorbeifahren leicht zu er- eine recht große Vielfalt, wenngleich kein Spiel spe- kennenden Objekten wie Bäumen und Straßenla- 42

Fahrweg-Elemente und nie in der in der immer Variante der Strecken- nie in der in der immer -Typen Minderheit Mehrheit führung Minderheit Mehrheit Schlecht einsehbare Leitplanken 9 15 18 12 1 8 28 17 Kurven Sonstige bauliche Fahr- 13 12 15 14 bahnbegrenzungen Starke Steigungen 8 25 15 6 Stark abfallende Bäume am Straßenrand 17 13 16 8 9 24 15 6 Streckenabschnitte Kurven-Warnschilder 21 12 10 11 Straßentunnel 15 28 11 0 Straßenlaternen 23 11 11 9 Hochbrücken 18 27 9 0 Baustellen/gesperrte 26 16 10 2 Zonen Schikanen 21 14 15 4 Streckenmarkierungs- Serpentinen 25 20 8 1 30 9 13 2 pfosten Kreuzungen mit geregel- 43 5 6 0 Ampeln für Fahrzeuge ter Vorfahrt 33 3 4 14 (animiert) Bewegliche Brücken Navigationsunterstüt- (Zugbrücken, Dreh- 52 2 0 0 35 10 9 0 zende Hinweisschilder brücken) Gefahrenschilder 38 12 2 2 Tab. 3.22: Häufigkeiten bestimmter Varianten der Strecken- Zebrastreifen 42 9 3 0 führung in den Interaktionssequenzen der unter- Ortsschilder 43 5 5 1 suchten Spiele (N = 54). Abstufungen: nie in Interak- tionssequenzen, in der Minderheit, in der Mehrheit Vorfahrt regelnde Ver- 44 5 5 0 bzw. in jeder Interaktionssequenz kehrszeichen Unbeschrankte 45 8 1 0 Bahnübergänge Belang, sondern auch die Art der Streckenführung. Ampeln für Fahrzeuge Damit sind Streckenabschnitte wie Tunnel oder 46 4 4 0 (nicht animiert) Brücken gemeint, die besondere oder zusätzliche Geschwindigkeits- Verhaltensweisen von den Fahrer/innen verlangen. begrenzende 49 2 3 0 Tabelle 3.22 gibt die Häufigkeit für einige wichtige Verkehrszeichen Varianten der Streckenführung in den untersuchten Fußgängerampeln (nicht 51 2 1 0 animiert) Spielen wieder. Beschrankte Bahnüber- 51 3 0 0 Die Befunde spiegeln das Bestreben der Hersteller gänge (animiert) um eine abwechslungsreiche Streckenführung Beschrankte Bahnüber- 53 1 0 0 gänge (nicht animiert) wider; dabei werden vor allem Kurven und Gefälle intensiv eingesetzt; aufwändigere Varianten wie Tab. 3.21: Häufigkeiten bestimmter Objekte der Straßengestal- tung in den Interaktionssequenzen der untersuchten Brücken oder Serpentinen tauchen deutlich selte- Spiele (N = 54). Abstufungen: nie in Interaktionsse- ner auf. Interessanterweise spielen Kreuzungen quenzen, in der Minderheit, in der Mehrheit bzw. in keine besondere Rolle. Zwar sind bei realen Renn- jeder Interaktionssequenz serien Quer- und Gegenverkehre natürlich ausge- schlossen, doch ist ein beachtlicher Teil der Spiele ternen zu begnügen, um einen ‚realistischen‘ auch in urbanen Settings angesiedelt (vgl. Kapitel Straßeneindruck zu vermitteln, während filigranere 3.5.3.1); daher hätte man derartige Kreuzungen viel Elemente wie Verkehrszeichen deutlich seltener häufiger erwarten können. Insgesamt werden die abgebildet sind. Damit sind allerdings einige Ele- Spieler/innen also mit vielfältigen Streckenführun- mentgruppen unterrepräsentiert, denen im moder- gen konfrontiert, finden dabei jedoch bestimmte nen (und oftmals sehr dichten) Straßenverkehr Varianten seltener als in der Realität vor, während große Bedeutung zukommt und deren Wahrneh- andere Varianten (z. B. Tunnel) möglicherweise zu mung und Beachtung zu den wichtigsten Aufgaben häufig repräsentiert sind. von Autofahrer/innen gehören. Die Anstrengungen der Produzenten um grafische Detailfülle haben demnach (noch) nicht zu einer einigermaßen kom- 3.5.3.4 Dynamische Aspekte der Realitätsnähe pletten Ausmodellierung des realen Verkehrsraums Die ‚Umwelt‘ in einem Computerspiel zeichnet sich geführt, sondern lediglich eine eingeschränkt-se- nicht nur durch die An- und Abwesenheit bestimm- lektive Repräsentation hervorgebracht. ter Komponenten aus, sondern bietet den Spie- Im Bereich der befahrbaren Straßen sind nicht nur ler/innen verschiedene Möglichkeiten, mit ihr zu in- Fahrwegsbeläge und Ausstattungsmerkmale von teragieren. Sie ist in diesem Sinne nicht rein sta- 43

tisch, sondern besitzt auch dynamische, veränder- wurde. Dennoch erscheint die durchschnittliche liche und manipulierbare Aspekte. Im Kontext von Bremsdauer von unter zwei Sekunden bemerkens- Rennspielen beziehen diese sich in aller Regel auf wert kurz. Das gleiche Procedere wurde an- die gesteuerten Fahrzeuge (sowie auf die autonom schließend bei 200 km/h (laut Spieltacho) wieder- vom Rechner gesteuerten anderen Verkehrsteil- holt. Auch hier wurden drei Durchläufe pro Spiel nehmer). Wir gehen auf das im Kontext der Ver- absolviert und die Zeiten gemittelt. Im Durchschnitt kehrssicherheit besonders bedeutsame Bremsver- aller Spiele ergaben sich Bremszeiten von etwas halten der Spielerfahrzeuge ein und untersuchen, mehr als drei Sekunden (M = 3,20; SD = 2,64; min welche Auswirkungen unterschiedliche Geschwin- = 1,06 sec., max = 16,90 sec.). Bei einigen Spielen digkeiten auf die Dauer einer Vollbremsung haben. ergaben sich demnach relativ lange Bremsdauern, Ferner interessieren wir uns für die Konsequenzen die den tatsächlichen Zeiten recht nah kommen von Kollisionen mit ausgewählten Umgebungsob- dürften. Auf der anderen Seite erscheinen die jekten und die Charakteristika der dreidimensiona- Bremszeiten einiger anderer Spiele geradezu un- len Visualisierung. glaublich kurz. Um das Problem der unterschiedli- chen Fahrzeuge in den Spielen ‚herauszurechnen‘, Unsystematische Betrachtungen von Rennspie- wurde für jedes Spiel das Verhältnis zwischen der le(r)n legen den Verdacht nahe, dass den Spieler/ durchschnittlichen Bremszeiten bei 200 km/h und innen eine im Vergleich zur Verkehrswirklichkeit zu bei 100 km/h ermittelt. Im Mittel liegt dieses Ver- große Kontrolle über ihr Fahrzeug eingeräumt wird. hältnis der Bremszeiten bei 1,87 : 1; für die Voll- Als Testkriterium zur empirischen Überprüfung die- bremsung von 200 km/h wird also 1,87-mal so viel ses Eindrucks wurden bei den untersuchten Spie- Zeit benötigt wie für die Vollbremsung aus 100 len „Bremstests” durchgeführt. Damit sollte ermit- telt werden, inwiefern sich die Geschwindigkeit der km/h. Die Verhältniswerte weisen eine bemerkens- Spielerfahrzeuge auf die Bremsdauer auswirkt. Der werte Schwankungsbreite auf (M = 1,87; SD = Bremsweg, der bei echten Fahrzeugtests typi- 0,40; min = 1,04; max = 3,15). Bei einem Spiel scherweise als Indikator herangezogen wird, stand („Total Immersion Racing”) waren die Bremsdauern aufgrund fehlender Mess- und Vergleichsmöglich- für beide Geschwindigkeiten nahezu gleich; den keiten nicht zur Verfügung. anderen Extremfall stellt das Spiel „V-Rallye 3” dar, bei dem man für die Vollbremsung vom 200 km/h In jedem Spiel wurde willkürlich ein Fahrzeug aus- mehr als dreimal so lange benötigte wie bei der gewählt und auf das Tempo 100 km/h (laut Anzei- Bremsung aus 100 Stundenkilometern. Der Groß- ge des Spieltachos) beschleunigt. Da nicht alle teil der Spiele bewegt sich jedoch im Bremszeiten- Titel einen funktionalen Tacho beinhalteten (vgl. verhältnis zwischen 1,5 und 2,3. Insgesamt zeigen Kapitel 3.5.3.2), konnte diese Testform nur mit 34 die meisten Spiele also ein „intern realistisches” der 54 untersuchten Spiele durchgeführt werden. Bremsverhalten, weil die Bremsung aus 200 Stun- An einem bestimmten Punkt löste der Codierer denkilometern länger dauert als die Bremsung aus eine Vollbremsung aus und betätigte zugleich eine 100 Stundenkilometern. Ob diese Realitätsnähe Stoppuhr, mit der die Zeit bis zum Stillstand des auch externen Kriterien standhält (also die Brems- Spielerfahrzeugs gemessen wurde. Um individuel- dauern für sich genommen angemessen sind und le Schwankungen auszugleichen, wurde dieses das Verhältnis zwischen den beiden Messungen Procedere dreimal durchgeführt. Für die unter- realitätsadäquat ist) kann mit den verfügbaren suchten Spiele und Fahrzeuge ergab sich eine Daten jedoch nicht systematisch und valide beant- durchschnittliche Bremsdauer von weniger als zwei wortet werden. Sekunden (M = 1,73 sec., SD = 1,26 sec; min = 0,54 sec; max = 8,06 sec). Hierbei ist natürlich zu Zu den dynamischen Aspekten der Realitätsnähe bedenken, dass in den einzelnen Spielen höchst von Computerspielen gehört neben den Eigen- unterschiedliche Fahrzeuge angeboten werden schaften der Spielfigur (bzw. im Kontext von Renn- und dass gerade Rennfahrzeuge aus dem Hoch- spielen: des Spielerfahrzeugs) auch die Interaktion leistungsbereich auch vorzügliche Bremsleistun- mit der Spielumwelt. Diese ist bei Rennspielen je- gen erbringen, die sich auch mit niedrigen Werten doch vergleichsweise eingeschränkt; andere Gen- in ihrer ‚Simulation‘ durch ein Computerspiel nie- res (z. B. Wirtschaftssimulationen) enthalten eine derschlagen. Außerdem sind in den Werten keine deutlich größere Vielfalt von Manipulationsmöglich- Reaktionszeiten enthalten, da ja die Stoppuhr in keiten. Bei Rennspielen ist jedoch hauptsächlich dem Moment der Bremsbetätigung ausgelöst die Frage von Bedeutung, wie die Spielumwelt auf 44

Kollision führt zu ... Kollision führt zu ... Positiver Zusammenhang zwi- Objekt aus der Spielumwelt (An- Beschädigung Zerstörung schen Aufprallgeschwindigkeit zahl der Spiele, in denen Test mit Beschädigung Zerstörung des des und Beschädigungsgrad des SC- Objekt möglich war; n max = 54) des Objekts des Objekts SC-Fahrzeugs SC-Fahrzeugs Fahrzeugs Verkehrsschilder und -zeichen 11 18 12 2 7 (n = 29) Streckenmarkierungspfosten 10 9 9 2 4 (n = 23) Baustellen/gesperrte Zonen 10 10 19 2 4 (n = 30) Ampeln (n = 21) 4 10 9 1 3 Leitplanken (n = 46) 2 2 32 2 6 Straßenlaternen (n = 25) 2 10 17 1 3 Bauliche/natürliche Hindernisse 2 3 37 5 10 (z. B. Mauer) (n = 52) Bäume (n = 34) 1 2 20 3 4 Bahnübergänge (n = 10) 0 1 5 2 2 Gewässer (n = 15) - - 2 4 1

Tab. 3.23: Konsequenzen von Kollisionen des Spielerfahrzeugs mit ausgewählten Objekten der Verkehrsumwelt in den Interakti- onssequenzen der untersuchten Spiele (N = 54)

Kollisionen des Spielerfahrzeugs auf einzelne ihrer den am Fahrzeug und an den betroffenen Objekten Objekte oder Bestandteile reagiert. Daher wurden reagieren. Insofern ist auf dieser Dimension bereits von den Codierer/innen „Crash-Tests” durchge- ein bemerkenswertes Maß an Realitätsnähe er- führt, d. h., in einer willkürlich ausgewählten Inter- reicht. Dies gilt natürlich nur in Bezug auf die Ob- aktionssequenz wurden Kollisionen mit bestimm- jekte, die in einem gegebenen Spiel überhaupt vor- ten Objekten herbeigeführt und die Konsequenzen kommen, denn nur für diese lassen sich die Kon- des Zusammenpralls erfasst. Tabelle 3.23 gibt die sequenzen von Kollisionen bestimmen. Spiele, die Ergebnisse dieser Tests wieder. „arm” an Umgebungsobjekten sind, können dem- zufolge nicht nur bei der Ausstattung (vgl. Kapitel Es zeigt sich, dass Kollisionen mit Umweltobjekten 3.5.3.3), sondern dann auch bei diesem dynami- in der Mehrheit der Fälle Schäden am Spielerfahr- schen Aspekt der Realitätsnähe keine großen zeug nach sich ziehen. „Massive” Hindernisse wie Werte erzielen. Wände oder Bäume führen in mehr Spielen zu Schäden am Fahrzeug als „filigrane” Objekte (wie Als letzten dynamischen Aspekt von Realitätsnähe, z. B. Verkehrsschilder). Die Realitätsnähe der der hier beleuchtet werden soll, gehen wir auf be- Schadensberechnungen geht allerdings nur in rela- sondere Features der grafischen Darstellung ein. tiv wenigen Spielen so weit, dass Unfälle mit höhe- Dabei beziehen wir uns nicht auf die Detailfülle ein- ren Aufprallgeschwindigkeiten stärkere Schäden zelner Objekte (vgl. Kapitel 3.5.3.3), sondern auf am Spielerfahrzeug hervorrufen als Kollisionen mit die Verwendung der aktuellsten „Special Effects” in geringeren Geschwindigkeiten. Grundsätzlich kön- der 3-D-Programmierung sowie auf das Vorkom- nen zwar viele Spiele ganz unterschiedliche Scha- men von Darstellungsfehlern, welche den Räum- densgrößen am Spielerfahrzeug abbilden (von der lichkeitseindruck der Spielumgebung beeinträchti- einfachen Beule in der Karosserie bis hin zu zer- gen. Während Ersteres einen Zugewinn an visueller sprungenen Scheiben und herausgerissenen Realitätsnähe darstellt, bedeuten Darstellungsfeh- Türen), doch funktionieren die Algorithmen der ler natürlich eine Absenkung der Realitätsnähe. Ta- Spielprogrammierung nicht bei allen Spielen und in belle 3.24 zeigt zunächst die Häufigkeit der unter- Bezug auf alle Objekte so, dass auch nachvollzieh- suchten Grafikeffekte. bar lineare Zusammenhänge zwischen Aufprallge- schwindigkeit und Schadensgröße „herauskom- Fast alle untersuchten Spiele setzen die aufwändi- men”. Abgesehen davon ist jedoch festzustellen, gen Grafikeffekte ein; selbst die so genannten Par- dass die untersuchten Spiele Kollisionen des Spie- tikeleffekte, also die korrekte dreidimensionale Mo- lerfahrzeugs mit der Spielumwelt keineswegs tole- dellierung aufgewirbelter bzw. umherfliegender rieren, sondern im Gegenteil sehr häufig mit Schä- Kleinstkörper, sind in der breiten Mehrheit der un- 45

Häufigkeit 3.6 Fazit: Schlussfolgerungen aus der Visueller Effekt (N = 54) systematischen Angebotssichtung Dynamische Schatteneffekte (z. B. Verdunkelung, wenn Spielerfahrzeug im Schatten einer Tribüne 52 Die vorgelegten Befunde stellen die erste systema- ist) tische Analyse von marktüblichen Computer- und Spuren auf der Fahrbahn (z. B. Bremsspuren des 51 Spielerfahrzeugs) Videospielen mit Fahrzeugbezug dar. Der Schwer- Dynamische Lichtreflexionen auf dem Lack des punkt auf den Aufgabentypen, Belohnungsstruktu- 49 Spielerfahrzeugs ren und der Realitätsnähe dieser Spiele erlaubt Partikeleffekte (z. B. Spielerfahrzeug wirbelt eine empirische Bestandsaufnahme mit engem Be- 47 Schlammspritzer auf) zug zu der Wirkungsmodellierung, die im Rahmen Tab. 3.24: Häufigkeiten 3-D-spezifischer Grafikeffekte in den des Projekts erarbeitet wurde (vgl. Kapitel 2). Noch untersuchten Spielen (N = 54) sind nicht alle Analysemöglichkeiten ausgeschöpft; die vorliegende Tabellierung univariater Befunde Häufigkeit 3-D-Darstellungsfehler kann durch verdichtende Schritte (Indexbildung (N = 54) etc.) ergänzt und in eine Betrachtung einzelner Darstellungsfehler insgesamt 23 Spiele oder Spieltypen überführt werden. Dabei „Ruckeln” (verlangsamte oder sprunghafte Dar- stellung des Geschehens aufgrund fehlender 9 werden Spieltypen, die mit Blick auf das Modell be- Rechnerkapazitäten) sonders interessant oder auch problematisch sind, Clippingfehler (falsch berechnete räumliche An- im Mittelpunkt stehen. Ferner sind die Ergebnisse 8 ordnung von Objekten oder Objektteilen) der videobasierten Gruppencodierung mit den vor- Zu stark begrenzte Sichtweite 6 liegenden Ergebnissen abzugleichen; von diesem

Tab. 3.25: Häufigkeit von 3-D-Darstellungsfehlern in den unter- Schritt erwarten wir uns jedoch in erster Linie me- suchten Spielen (N = 54) thodische Erkenntnisse und weniger neue inhaltli- che Resultate. tersuchten Titel zu beobachten. Insgesamt reizen die marktüblichen Rennspiele damit die aktuellen Verdichtet man die Befunde, so hat die Analyse der technischen Möglichkeiten, auf visuell-dynami- 54 am weitesten verbreiteten Computer- und Vi- schem Wege Realitätsnähe über bestimmte Details deospiele mit Fahrzeugbezug ergeben, dass zu erreichen, weit gehend aus. Diesen technischen · die Aufgabentypen von schnellem und ge- Bemühungen stehen allerdings fehlerhafte 3-D- schicktem (präzisen, gut „getimten”) Steuern Darstellungen in 15 untersuchten Titeln gegenüber des Fahrzeugs dominiert werden und hierbei (vgl. Tabelle 3.25) insgesamt eher die Unterschiede zum normalen Die Fehlerrate ist vergleichsweise gering, wenn Straßenalltag betont werden, man davon ausgeht, dass unter den zum Teil sehr · eher seltene explizite Anreize (z. B. Aufforderun- detailreichen Spielumgebungen hochkomplexe Al- gen) für aggressives und riskantes Fahren gege- gorithmen liegen, die durchaus fehleranfällig sind ben werden, sehr viel häufiger aber implizite Be- oder auch leistungsfähige Rechner vor Kapazitäts- lohnungen vergeben werden (Vorteilserwerb mit probleme stellen können. Insbesondere von vielen Blick auf die Erreichung des Spielziels); dabei 3-D-Spielen für Windows-PC sind hohe Fehlerra- sind deutlich deviante Fahrweisen in weniger ten bekannt, die von den Herstellern nach der Ver- Spielen von Vorteil als „alltäglichere” Manöver. öffentlichung des Titels durch kostenlose Zusatz- Mögliche Konsequenzen von Verkehrsregel- programme („Patches”) gesenkt werden. Da die übertretungen und Unfällen werden jedoch sys- untersuchten Fehler immer sehr deutliche Hinweise tematisch verharmlost, auf die Medialität des Spiels sind, kann insgesamt aus einer technisch-visuellen Perspektive konze- · die Spielerfahrzeuge insbesondere in der diert werden, dass die untersuchten Spiele auf Außendarstellung („Verfolger-Perspektive”) sehr dem aktuellen Stand – und damit sehr hohem Ni- detailliert und authentisch modelliert werden, veau – sind. Damit ist nicht impliziert, dass alle die Spielumgebung aber nur in einem Teil der Spielumgebungen die maximale Grafikpracht auf- untersuchten Titel eine hohe „Quote” verkehrs- weisen, sondern lediglich festgestellt, dass die relevanter Elemente aus der Wirklichkeit enthält; große Mehrheit der Titel versucht, die vorhandenen die Bemühungen um Realitätsnähe sind insge- technischen Möglichkeiten voll auszunutzen, ohne samt jedoch weit fortgeschritten. Problematisch dabei (zu) viele Darstellungsfehler zu produzieren. an der Realitätsnähe ist die (weit gehend) feh- 46

lende Repräsentation von „schwachen” Ver- weisen sehr bescheiden an. Schließlich haben wir kehrsteilnehmern wie Radfahrern und Fußgän- auch kein Spiel gefunden, das die Einhaltung von gern. Verkehrsregeln zur Aufgabe macht (was bei nähe- rer Betrachtung nicht so abwegig scheint, wie man Bezieht man diese Befunde auf das im Projekt er- meinen könnte). Natürlich gehört es zum Wesen arbeitete Modell (vgl. Kapitel 2), ergibt sich, dass von Rennspielen, nicht das bedächtige und vor- die marktüblichen Rennspiele vor allem Aufgaben sichtige Fahren zu verlangen; dennoch ist hier eine bereithalten, mit denen schnelles und taktisches klare Einseitigkeit zugunsten devianten und proble- Fahren „geschult” werden kann. Der Umgang mit matischen Verhaltens zu konstatieren, wobei unübersichtlichen, komplexen Verkehrssituationen gleichzeitig Verkehrsregeln kaum thematisiert wer- und insbesondere mit Situationen, die (fundiertes) den. Das gilt auch für die Konsequenzen von Re- Verkehrsregelwissen verlangen, wird dagegen ver- gelübertretungen, die fast nie geahndet, oftmals nachlässigt. Insofern sind den untersuchten Spie- dagegen „schweigend” toleriert und manchmal len eher Trainingseffekte zu unterstellen, die in sogar explizit belobigt werden. Risiken des schnel- Grenzen für die sichere Fahrzeugführung nützlich len Fahrens, insbesondere die Folgen von Unfällen sein können (z. B. Reaktionsschnelligkeit), doch ist für die eigene Gesundheit und das eigene Leben, davon auszugehen, dass die modernen Rennspie- werden verharmlost. Dies bezieht sich zunächst len ihrer Genrebezeichnung „Rennspiele” gerecht auf die weitestgehend fehlenden Darstellungen von werden und man mit ihnen vornehmlich für das Verletzungen und Verletzungsfolgen (auch für die schnelle, riskante, nicht regelkonforme, nicht ko- Fahrtüchtigkeit) und wird darüber hinaus verstärkt operative und wenig rücksichtsvolle Fahren „üben” durch die Tatsache, dass in Computerspielen meist kann. Dabei ist eine insgesamt hohe Realitätsnähe zu verzeichnen, die solche Transfereffekte wahr- jede erfolglos beendete Interaktionssequenz (die scheinlicher macht; allerdings sind einige Aspekte z. B. mit einem tödlichen Unfall zu Ende gegangen der Verkehrswirklichkeit massiv unterrepräsentiert ist) problemlos erneut gestartet werden kann. – vor allem Fußgänger und Radfahrer –, was für die Diese strukturelle Relativierung von Schaden und Ausbildung adäquater mentaler Modelle von Ver- Tod ist jedoch kein Spezifikum von Rennspielen, kehrssituationen nachteilig sein kann. Denn Viel- sondern findet sich in der großen Mehrheit aller spieler könnten dazu neigen, die mögliche Anwe- Computer- und Videospiele. Mit Bezug auf den senheit solcher Verkehrsteilnehmer nicht mitzuden- konkreten Gegenstand ist festzuhalten, dass eine ken bzw. anzunehmen. Insofern könnte man der angemessenere Darstellung von Risiken und Ver- festgestellten Realitätsnähe der Spiele aus der letzungsfolgen (z. B. in den nicht interaktiven Se- Perspektive des Modells ein doppelt problemati- quenzen) ohne viel Aufwand zu realisieren wäre, sches Potenzial zuschreiben: Zum einen findet das die überwältigende Mehrheit der untersuchten „Training” für schnelles Fahren unter sehr realitäts- Spiele jedoch frei von solchen Darstellungen ist. nahen Bedingungen statt, zum anderen sind einige Mit Blick auf die Belohnungsstrukturen erfüllen die sehr wichtige Merkmale realen Verkehrsgesche- untersuchten Spiele daher zentrale Voraussetzun- hens geradezu ausgeblendet, was zusätzlich zum gen für soziale Lernprozesse mit ungünstigen mo- „Renntraining” falsche Erwartungshaltungen an ty- tivationalen Konsequenzen für den realen Straßen- pische Verkehrssituationen und ihre Bewältigung verkehr. Es bleibt abzuwarten, inwiefern die im Mo- fördern könnte. dell angenommene moderierende Rolle der subjek- tiven Realitätsnähe bzw. Medienkompetenz in Nut- Darüber hinaus sind vielfältige Belohnungsstruktu- zer- bzw. Fahrerstudien nachzuzeichnen ist; dieser ren festzustellen, die schnelles, wettbewerbsorien- Bereich kann durch die Inhaltsanalyse natürlich tiertes, aggressives und rücksichtsloses Fahren nicht abgedeckt werden (vgl. dazu die weiteren sowie teilweise die systematische Umgehung von Studien des Projekts in diesem Bericht). Verkehrsregeln oder sportlichen Fairnessgeboten unterstützen. Sie sind oftmals implizit angelegt, Insgesamt hat die Inhaltsanalyse empirische Werte aber eng mit der Erreichung von Spielzielen ver- für einige Modellbestandteile erbracht (Aufgaben- knüpft. Einige Spiele enthalten zwar bereits War- typen: Dominanz von schnellem Fahren und gerin- nungen, die Fahrweise aus dem Spiel nicht in die ger Komplexität sowie Nicht-Thematisierung von Wirklichkeit zu übertragen, doch muten diese Verkehrsregeln; Realitätsnähe: insgesamt hoch Bemühungen im Vergleich zu den sehr starken und unter Vernachlässigung zentraler Aspekte des vielfältigen Anreizen für problematische Verhaltens- wirklichen Verkehrsgeschehens; Belohnungsstruk- 47

tur stark wettbewerbs-, risiko- und aggressionsori- saßen, anhand eines Leitfadens (vgl. Kapitel 4.2) entiert). Aus den bisherigen Befunden entsteht un- erörtert werden. Die Auswertung der Gespräche seres Erachtens kein Bedarf für systematische sollte nicht nur darauf abzielen, die Ansichten der oder umfassende Ergänzungen oder Modifikatio- Befragten zusammenzufassen und zu bündeln, nen des Modells. Der im Rahmen der Inhaltsanaly- sondern auch mögliche Ergänzungen und Wider- se entstandene Datensatz stellt insgesamt eine sprüche zum vorgeschlagenen Wirkungsmodell höchst aufschlussreiche und wichtige Bestands- aufzuzeigen. aufnahme für ein bislang nicht erforschtes Medien- angebot mit Bezug zur Verkehrssicherheit dar. 4.2 Leitfaden und Stichprobe

Der Leitfaden wurde für ein problemzentriertes In- 4 Zweite Vorstudie: Leitfaden- terview ausgelegt. Er sah vor, dass die befragte Interviews mit Nutzer/innen Person zunächst aus einem Set unterschiedlicher von Computerspielen mit Rennspiele eines auswählte und dieses Spiel dann für ca. 10 Minuten spielte. Während der Spielpha- Fahrzeugbezug se wurden die ersten Fragen gestellt, unter ande- rem sollte die Person ihre Wahl begründen und 4.1 Problemstellung dann das Spiel entlang mehrerer Dimensionen Mit der Aufarbeitung der Fragestellung des Pro- kommentieren. Im Anschluss an die Spielphase jekts „Computerspiele in der Verkehrssicherheits- wurde der Person ein kurzes Polaritätenprofil (vgl. arbeit” wurde insofern Neuland betreten, als dass Bild 4.1.) vorgelegt, anhand dessen das Spiel noch über die Nutzung und Wirkung dieses Mediums einmal beurteilt wurde. Auf die Einschätzungen der wenig gesicherte Erkenntnisse vorliegen. Die bis- befragten Person rekurrierte der Interviewer im herigen Vorarbeiten, also die theoretischen Überle- weiteren Verlauf des Gesprächs, wobei er auf die gungen zu den Prozessen, die einer Beeinflussung Aspekte der Realitätsnähe, der Aufgaben, der be- des Fahrverhaltens durch die intensive Nutzung lohnten und bestraften Verhaltensweisen, der Qua- von Rennspielen zu Grunde liegen könnten, sowie lität und Unterhaltsamkeit von Rennspielen einging eine standardisierte Inhaltsanalyse der marktgängi- sowie die Themen der (persönlichen) Verkehrssi- gen Rennspielsoftware, sollten daher mit Hilfe ex- cherheit und möglicher Transfer- und Lernwirkun- plorativer Interviews angereichert werden. Dabei gen der Spielnutzung ansprach. standen folgende Fragen im Mittelpunkt: Mit Hilfe des Leitfadens wurden insgesamt 17 Per- · Was macht die Unterhaltsamkeit und den spezi- sonen befragt, darunter drei Nutzerinnen von fischen Reiz von Rennspielen aus? Rennspielen. Eigentlich fanden sogar 19 Gesprä- che statt, doch zwei Aufnahmen waren aufgrund · Welche Aufgaben gilt es in Rennspielen zu be- technischer Probleme unbrauchbar, sodass diese wältigen, welche Fähigkeiten sind dabei nütz- Informationen leider verloren sind. Die Rekrutie- lich? rung erfolgte über die Bekanntmachung der Studie in verschiedenen Fahrschulen in Hannover (mit · Welche fahrbezogenen Handlungsweisen wer- dem Ziel, auch Fahrschüler/innen zu gewinnen), den in Rennspielen belohnt, welche bestraft? durch Aushänge in Gaststätten, eine Kurzmeldung · Wie wird die Realitätsnähe von Rennspielen ge- auf der Jugendseite der Hannoverschen Allgemei- kennzeichnet? · Welche Formen der Beeinflussung des eigenen Fahrverhaltens werden berichtet? · Welche Potenziale und Chancen werden Fahr- zeug-Lern-Spielen eingeräumt?

Sie sollten mit Personen zwischen 18 und 29 Jah- ren, die unterschiedlich umfangreiche Erfahrungen mit Rennspielen gesammelt haben und unter- Bild 4.1: Polaritätenprofil als Grundlage für den Verlauf des schiedliche Fahrexpertise im Straßenverkehr be- Leitfadeninterviews 48

Nr. Namenskürzel für Zitate im Ergebnisbericht Alter die vermuteten Wirkungen von Rennspielen auf an- 1 Jan K. 19 dere Fahrer/innen. Die zugehörigen Ergebnisse las- 2 Sascha L. 28 sen wir für den Bericht außen vor, weil sich zeigte, dass hierzu lediglich mehr oder weniger begründe- 3 Caroline R. 26 te Spekulationen und Alltagsannahmen geäußert 4 Carlo P. 24 wurden, die sämtlich mit dem so genannten 3rd- 5Yury B. 19 person-effect (McLEOD, DETENBER & EVELAND, 6Romano B. 25 2001) beschrieben werden können. Demnach 7 Denniz P. 25 schätzen die meisten Menschen – und auch unsere 8 Tim M. 21 Befragten – die Wirkungen von Medien auf andere 9 Anatoli G. 17 Personen deutlich höher ein als die Wirkungen der 10 Steffen W. 21 Medien auf sich selbst. Diese Denkweise bringt je- 11 Stefan M. 28 doch für die Fragestellung des Projekts keinerlei 12 Lars M. 27 neue Erkenntnisse, zumal die Befragten keine Argu- 13 Alexander F. 20 mente dafür genannt haben, warum sie selbst we- 14 Anna-Kathrin S. 18 niger „gefährdet” seien als andere Menschen. 15 Michael H. 24 16 Eva K. 20 4.3.1 Zur Attraktivität und Unterhaltsamkeit 17 Björn B. 22 von Computerrennspielen

Tab. 4.1: Übersicht der befragten Personen Zu den Gründen für die Unterhaltsamkeit von Rennspielen äußerten die Befragten im Wesentli- chen drei Aspekte, nämlich die grafische Realitäts- nen Zeitung (HAZ) sowie über persönliche Kontak- nähe, den Abwechselungsreichtum und den Wett- te der vier studentischen Hilfskräfte, die auch die bewerbscharakter. Gespräche selbst führten. Jede teilnehmende Per- son erhielt 20 Euro als Aufwandsentschädigung. 4.3.1.1 Grafische Realitätsnähe Tabelle 4.1 gibt eine Übersicht der befragten Per- sonen. Das „gute Aussehen” eines Fahrzeugspiels wurde als Grund für dessen Attraktivität in verschiedenen Facetten hervorgehoben. Entsprechende Äußerun- 4.3 Ergebnisse gen bezogen sich unter anderem auf die Darstel- lung der Fahrzeuge und der Landschaft, in der ge- Die Darstellung der Befunde erfolgt hier in verdich- fahren wurde: teter Form mit vergleichsweise wenigen und um Es ist vom Auto her grafisch gut gemacht. Es sind Sachen drin, Lesbarkeitsprobleme bereinigten Originalzitaten weiß nicht, ich fahre durch eine Pfütze, da spritzt Wasser hoch, aus den Interviews. Der vorliegende Bericht orien- oder wenn was kaputt geht, sieht es sehr gut aus. (Lars M.) tiert sich an den in Kapitel 4.1 genannten Hauptfra- [Bei der Unterhaltsamkeit liegt] schon ein Großteil an der Grafik. gestellungen. Entsprechend gehen wir zunächst auf Ich find’s total cool, wenn die Grafik so ist, dass sie, ja, dass sie die Gründe für die Attraktivität bzw. Unterhaltsam- mich mit einbezieht, dass ich merke, wenn ich irgendwie unter keit der Nutzung von Rennspielen ein (Kapitel einer Baumgruppe durchfahre, dass meine Sicht auch dunkler wird, dass mich zwischendurch mal die Sonne blendet. (Caroli- 4.3.1), um dann die Ansicht der Befragten über die ne R.) Aufgaben und verlangten Fähigkeiten von Renn- spielen sowie den Belohnungsstrukturen zu bün- Als Maßstab für die Güte der grafischen Darstel- deln (Kapitel 4.3.2). Anschließend gehen wir auf die lung wurde immer wieder die Wirklichkeit oder der Ansichten der Befragten zur Realitätsnähe von „Fotorealismus” angelegt. In der Wahrnehmung Rennspielen ein (Kapitel 4.3.3), thematisieren die der Befragten erreichen die meisten modernen von den Befragten berichteten Auswirkungen ihrer Fahrzeugspiele bemerkenswerte Leistungen im Hinblick auf die visuelle Realitätsnähe. Dadurch er- Rennspielnutzung auf ihr eigenes Fahrverhalten geben sich faszinierende Erfahrungen: (Kapitel 4.3.4) und berichten abschließend, welche Potenziale und Probleme unsere Interviewpartner/ Es ist immer noch, find ich, auch so’n Qualitätsmerkmal, immer innen im Hinblick auf Lerncomputerspiele zur För- schon gewesen, wie nah sich die Grafik eines Spieles der Rea- lität nähern kann, ... Es waren immer die Spiele interessant, die derung von Verkehrssicherheit ansprachen (Kapitel von der Grafik her noch ‘nen Schritt näher am Fernsehen oder 4.3.5). Ein Bestandteil des Leitfadens waren auch an der Realität dran gewesen sind. (Stephan M.) 49

Und je realistischer die Innenstadt ist, durch die ich in Stuntman werbscharakter die drei Hauptfaktoren für das Un- brettern kann, desto mehr Spaß macht es. (Tim M.) terhaltungserleben bei der Nutzung von Fahrzeug- Insgesamt kommt einer „schönen”, realitätsgetreu- spielen dar. Abschließend zu dieser Fragestellung en grafischen Darstellung des Fahrzeugs und der geben wir noch einige Hinweise darauf, dass die Landschaft bzw. Umgebung eine erhebliche Be- Faszination von Rennspielen aus dem Kontrast zur deutung für das Spielvergnügen zu. Damit unter- Realität erwächst, weil man im Spiel die Dinge tun stützen die Aussagen der Befragten bereits vorlie- kann bzw. darf, die der reale Straßenverkehr nicht gende Annahmen und Befunde (KLIMMT & VOR- zulässt:

DERER, 2002; KLIMMT, in Druck). Halt wirklich einfach mal rumheizen. Also allein durch die Strecke. Schön Schotter, einfach durch den Wald. Es sind keine 4.3.1.2 Abwechslungsreichtum anderen Autos da, es sind keine Verkehrsschilder da, ich kann wirklich mal Gas geben. Wenn ich mal wo gegen fahre, kostet Im Vergleich zu anderen Spielgenres laufen Fahr- mich das keine 100 Euro und die nächste Autoreparatur, son- dern ich mache einen Restart und das Auto ist wieder heile. Das zeugspiele schneller Gefahr, ihre Nutzer/innen ist natürlich schon wirklich mal zu gucken, ja auch an die eige- durch Eintönigkeit und Wiederholungen zu lang- nen Grenzen zu gehen. Wie kann ich mit dieser Kiste umgehen, weilen. So wird über solche Spiele geklagt, in was kann ich rausholen? (Lars M.) denen immer wieder und ganz monoton die glei- chen Runden absolviert werden müssen: 4.3.2 Aufgabentypen, verlangte Fähigkeiten Ich finde es einfach langweilig, die ganze Zeit immer zum Bei- und belohnte (Fahr-)Verhaltensweisen spiel einen Parcours im Kreis zu fahren und das stundenlang zu machen. (Ann-Kathrin S.) Die Befragten berichteten unterschiedliche, aber nicht unbedingt überraschende Aspekte, um das Das macht halt auch für mich ein gutes Rennspiel aus, dass man auf möglichst vielen verschiedenen Strecken fahren kann, Aufgabenprofil, den Schwierigkeitsgrad, die von die dann einfach ganz verschiedene Umgebungen bieten. (Ste- „guten” Rennspielern/innen verlangten Kompeten- phan M.) zen und die zielführenden bzw. belohnten Verhal- Der Wunsch nach Abwechselung und Variabilität tensweisen zu kennzeichnen. kann auch die Popularität von Spielen erklären, die einen Genremix darstellen und Elemente des Fahr- 4.3.2.1 Aufgabenprofil zeugspiels mit Rätsel- und Kampfkomponenten Als klassische Anforderung von Rennspielen fiel verbinden. Die erfolgreichen Titel „Grand Theft den Befragten oftmals zuerst das Fahren mit hoher Auto 3” (GTA) und „GTA: Vice City” fallen in diese Geschwindigkeit ein: Kategorie: Du musst möglichst schnell und als Erster ins Ziel kommen. Das (GTA) fand ich auf jeden Fall sehr gut, weil das ja eigentlich (Stephan M.) überhaupt kein Rennspiel ist. Das ist ein seltsames Spiel, weil man so viel machen kann, und man fährt auf dieser Stadtkarte In der letzten Aussage schwingt bereits mit, dass und kann überall hinfahren und kann auch tausend unterschied- liche Sachen machen, wenn man grad keine Lust auf Autofah- die Aufgabe des schnellen Fahrens typischerweise ren hat, dann macht man mal eine Mission … . (Eva K.) mit dem Gewinn eines Wettkampfs verbunden ist. Dabei geht es entweder um den Kampf gegen die 4.3.1.3 Wettbewerbscharakter Uhr oder aber gegen andere Rennfahrzeuge: Als drittes Merkmal, das von großer Bedeutung für Sieg auf Zeit oder gegen den Gegner oder Punkte sammeln. die Unterhaltsamkeit von Rennspielen ist, wurde Durch Geschwindigkeit. Selten kommt es vor durch Fahrverhal- ten, aber das ist eher wie gesagt selten der Fall. (Yury B.) der Wettbewerb genannt. Vergnügen bereiten Fahrzeugspiele oftmals erst dann, wenn Konkur- Unsere Nachfragen, worin genau die Anforderun- renten mit von der Partie sind. Das können sowohl gen bestehen, wenn man das Ziel, ein Wettrennen vom Programm gesteuerte virtuelle Gegner sein als zu gewinnen, erreichen will, stießen immer wieder auch menschliche Gegenspieler: Überlegungen der Befragten zum Umgang mit Kur- Es ist sicherlich auch ein bisschen der Wettbewerbsgedanke, ven an. Demnach ist für den Gewinn bei Rennspie- aber das hab ich ja eben, also gerade im direkten Vergleich zu len die „richtige”, geschickte Kurvendurchfahrt ent- Leuten, mit denen man zusammenspielt, egal, ob man nun wirk- scheidender als die Höchstgeschwindigkeit auf ge- lich direkt gegeneinander fährt oder nachher Zeiten vergleicht raden Strecken: oder sich dann in die Ranking-List höher eintragen darf. (Caro- line R.) Ja, man muss natürlich sehen, wann man in die Kurve geht, mit welcher Geschwindigkeit. Und das hängt dann natürlich auch Nach Auskunft der Befragten stellen also die Gra- wieder von der Steuerung ab. Solange man dafür nicht ein Ge- fik, der Abwechselungsreichtum und der Wettbe- fühl kriegt, ist das aus. (Jan K.) 50

Dass man die Kurven gut nimmt, also dass man schnell um die von echtem Fahrverhalten entstehen, das aber im Kurven kommt, dass man um die Kurven rutschen kann so mit Grenzbereich zugunsten der Spielbarkeit verein- der Handbremse. (Carlo P.) facht wird. Gelingt den Spielern/innen die Kurvendurchfahrt Wenn man halt gegen irgendwas gegen fährt – da man ja ein nicht, drohen Kollisionen mit den Leitplanken oder Rennspiel auch wirklich schnell fährt. Wenn man im normalen Streckenbegrenzungen oder das Abgleiten von der Auto mit 150 oder mit 200 irgendwo gegen fährt, dann hat man Rennstrecke, wodurch das Fahrzeug zwar nur sel- sicherlich einen Vollschaden. Wenn das in jedem Rennspiel so wäre, glaube ich, würde der Spaß da arg drunter leiden. Also es ten ernsthaft beschädigt wird, aber verlangsamt ist O.K., wenn das Auto Schaden nimmt, aber es sollte dann und aus der Bahn geworfen wird. Solche Unfälle nicht sofort kaputt sein. (Steffen W.) werden vor allem unter dem Aspekt des Zeitver- In Bezug auf den zweiten Gesichtspunkt des lusts betrachtet. Schwierigkeitsgrads, die gegnerischen Fahrzeuge, Ein zweiter Typ von Aufgaben entsteht dadurch, wurde mehrfach betont, dass das Kompetenz- dass sich die Rennspieler/innen mit konkurrieren- niveau der Gegner dem eigenen ungefähr entspre- den Rennfahrzeugen auseinander setzen müssen, chen muss. Zu leichte Gegner sind demnach nicht was zum Beispiel Herausforderungen bei Überhol- interessant, weil sie keine Herausforderung bieten; vorgängen mit sich bringt: zu gut fahrende Gegner bewirken dagegen dauer- hafte Frustration. Nein, aggressiver fahren heißt einfach, nicht 100 Meter vor der Kurve vielleicht bremsen und auch nicht die Ideallinie immer Ach, das ist einfach, dieses Gewinnen wollen. Dass halt die fahren. Wenn Du überholen willst, und der andere bleibt auf der Gegner im Prinzip so schwer sind, dass es wirklich spannend Ideallinie, dann musst Du halt die Kampflinie nehmen, dann bleibt und dass ich mich wirklich anstrengen muss, um als fährst du halt rechts davon und neben ihm und versuchst halt, Erster ins Ziel zu kommen. Und das macht es halt auf Dauer vor der Kurve reinzugehen. (Romano B.) auch spannend. (Stephan M.)

4.3.2.2 Schwierigkeitsgrad Das Prinzip der gleichen Kompetenzniveaus sollte nach Ansicht der Befragten nicht nur für die vom Zur Frage, was die spezifische Schwierigkeit der Programm gesteuerten Gegnerfahrzeuge gelten, Aufgaben in Rennspielen ausmachte, wurden wie- sondern auch für menschliche Gegenspieler: derum hauptsächlich zwei Aspekte genannt. Der Und vor allem wenn man selbst das Spiel kennt und der ande- eine bezieht sich auf die physikalische Realitäts- re nicht, dann ist es auch wieder doof, weil … man den anderen treue, die bei der Steuerung des Spielerfahrzeugs nur fertigmacht und dann hat der nach ‘ner Zeit schon wieder erkennbar wird, der andere auf das Kompetenz- keine Lust mehr. (Björn B.) niveau der menschlichen oder vom Rechner gesteu- Der Zusammenhang zwischen Spielvergnügen und erten Gegner. Zum Aspekt der „Fahrphysik” erga- Schwierigkeit lässt sich demnach als inverse ben die Äußerungen der Befragten, dass ein mittle- U-Funktion darstellen: Die Authentizität (und damit rer Grad an Authentizität bevorzugt wird. Denn ei- Komplexität) der Steuerung des eigenen Fahrzeugs nerseits ist es zu einfach, wenn die Fahrzeuge „gut- sowie die Fahrkompetenzen der Gegner (unabhän- mütiger” reagieren, als in der Wirklichkeit zu erwar- gig davon, ob sie von anderen Personen oder vom ten wäre. Nähert sich das simulierte Verhalten des Computer kontrolliert werden) sollen für das Fähig- Spielerfahrzeugs jedoch zu sehr den physikalisch keitsniveau der Spieler/innen gerade noch be- korrekten Werten, droht das Spiel zu anspruchsvoll herrschbar sein, sich also im mittleren Bereich an- zu werden. Einige Befragte berichteten, dass ihnen siedeln. Schwierigkeitsausprägungen nach unten dann schnell die Spielmotivation abhanden komme. sind langweilig, zu hohe Schwierigkeitsgrade ver- Also diese Formel-1-Simulationen, wo man im Prinzip, wenn hindern die eigenen Fortschritte und bewirken man ohne Hilfe spielt, sich ständig im Kreis dreht und halt gar Ärger und Frust. Diese Aussagen decken sich mit nicht von der Stelle kommt. Ich will hier nicht Autofahren lernen, den Annahmen des „flow”-Konzepts von CSIKS- sondern ich will Spaß haben. Und das Ganze soll mehr Action als Animation sein, wenn ich Autorennen fahre. (Stephan M.) ZENTMIHALYI (1990), das die „optimale Erfahrung” dann als gegeben ansieht, wenn die ausgeführte Aus diesem Grund wird eine „mittlere” Schwierig- Tätigkeit ein mittleres Schwierigkeitslevel beibehält. keit hinsichtlich der Fahrphysik bzw. Steuerung der Fahrzeuge bevorzugt. Sie macht sich unter ande- 4.3.2.3 Verlangte Fähigkeiten: Merkmale rem daran bemerkbar, dass nicht jede Kollision das „guter” Rennspieler/innen reale Maß an Schaden am eigenen Fahrzeug be- wirkt. Sonst würden zu viele Unterbrechungen des Die Befragten nannten verschiedene Kompeten- Spielflusses entstehen. Außerdem sollte ein Gefühl zen, die für den Erfolg bei Rennspielen nützlich 51

seien; meist handelte es sich um Fähigkeiten, die Andere Erfahrungsberichte bezogen sich darauf, auch explizit im Wirkungsmodell angesprochen dass Neulinge oftmals viel zu hohe Geschwindig- werden. Dazu gehören die Auge-Hand-Koordinati- keiten fahren, die dann in Kurven fatale Folgen on und Reaktionsschnelligkeit: haben und Zeitverlust bewirken. Es geht vielmehr um die optimale Durchschnittsgeschwindigkeit, Also wenn es dann schwieriger wird, glaube ich, dass manche Leute auch einfach nicht mitkommen so mit Hand-Auge-Koor- also das „Erwischen” des höchstmöglichen Tem- dination, man muss ja da doch relativ fit sein. (Steffen W.) pos in jedem einzelnen Streckenabschnitt. Ein drit- Ja, Reaktion. Und man muss so Spielwissen ein bisschen, Tras- ter Bereich der Empfehlungen bezog sich auf den senwissen, wie jedes Auto sich so bewegt, muss man so wis- robusten bis offen aggressiven Umgang mit den sen. Fährt man besser, wenn man ganz gute Reaktion hat. gegnerischen Fahrzeugen. Indem man gegnerische (Anatoli G.) Fahrzeuge abdrängt oder in Unfälle verwickelt, las- Darüber hinaus berichteten die Befragten, dass sen sich oftmals erhebliche Vorteile realisieren: eine allgemeine Geschicklichkeit, insbesondere im Zum Beispiel hinten reinfahren, damit der an die Seite geht. Also Umgang mit den typischen Eingabegeräten (z. B. ich mein, das ist ein gemeiner Trick, aber das kann man natür- dem Joypad) von Vorteil sei. Ferner hoben die In- lich schon machen. Also wenn man beim Überholen den noch streift und irgendwie zur Seite rammt, und der muss erst mal ab- terviewten noch eine sehr viel spezifischere Kom- bremsen. (Caroline R.) petenz hervor, die sich nur durch intensive Be- schäftigung mit einem gegebenen Rennspiel er- Insgesamt fällt auf, dass die Befragten zur Kenn- werben lässt. Demnach ist die Kenntnis der Fahr- zeichnung der Aufgaben, Schwierigkeiten sowie strecken von großer Bedeutung, weil hohe Durch- der nützlichen Fähigkeiten und Techniken oftmals schnittsgeschwindigkeiten nur erreicht werden ein erhebliches Maß an Expertise zeigen und können, wenn man den Verlauf der Strecke antizi- immer wieder auf Rennfahrerjargon (z. B. „einlen- pieren kann, etwa indem man vor scharfen Kurven ken”, „ausbremsen”, „Ideal- und Kampflinie”) rechtzeitig abbremst: zurückgreifen. Das weist auf sehr enge wahrge- nommene Bezüge zwischen tatsächlichem (Renn-) Kenntnis der Strecke, dass man weiß, wann man abbremsen muss und so weiter, also so mehr oder weniger Antizipation. Fahren und der Nutzung von Rennspielen hin. Auf- (Yury B.) fällig ist auch das Muster einer sehr egozentrischen Sichtweise: Alles, was einem selbst Vorteile ver- Schließlich ist es nach Ansicht der Befragten vor- schafft, wird genutzt; Selbstbeschränkungen im teilhaft, wenn man Vorwissen über das Autofahren Sinne von fairem Verhalten den Gegnern gegen- und Fähigkeiten aus der Realität mitbringt. In allen über gibt es kaum. Lediglich Alexander F. äußerte Beispielen wurden Kenntnisse darüber, wie ein Auto sich in dieser Richtung: normalerweise bei bestimmten Manövern reagiert, oder die Fähigkeit zur Aufmerksamkeitsteilung zwi- Normalerweise, ja, vorsichtig fahren vor allem. Also wenn ich ein Rennspiel spiele, ja, versuche ich, irgendwie meinen Wagen in schen Strecke und Navigationshilfe genannt. Ordnung zu halten. Also ich meine, ohne Kratzer und so. Also vorsichtig spielen und dabei gewinnen, das ist die Kunst, also Ich glaube, es fällt einem einfacher, Rennspiele zu spielen, wenn das kann nicht jeder, glaube ich. (Alexander F.) man selbst ein Auto fährt, weil man dann so ungefähr weiß, wie biegt man am besten in eine Kurve ein und so. (Eva K.) Typischerweise werden jedoch alle Möglichkeiten ausgeschöpft, die das Spielprogramm nicht expli- 4.3.2.4 Zielführende, belohnte und bestrafte zit verhindert. Mehrfach wurde beispielsweise er- (Fahr-)Verhaltensweisen wähnt, dass bei einem der populärsten Rennspie- le, „Gran Tourismo”, die Fahrzeuge nicht beschä- Die Befragten hielten eine beachtliche Anzahl un- digt werden können (es existiert kein „Schadens- terschiedlicher Ratschläge bereit, die Vorteile bei modell”), was dazu führt, dass gezielte Kollisionen Rennspielen bringen, weil sie entweder belohnt und hochriskante Manöver zum Standardrepertoire werden oder aber der Vermeidung von Strafen bzw. vieler Spieler/innen zählen. Damit sind der stark Nachteilen dienen. Einige dieser Hinweise bezogen kompetitive Charakter und die Belohnung riskanter sich auf das nur begrenzt intelligente Verhalten der und aggressiver Verhaltensweisen angesprochen, vom Computer gesteuerten gegnerischen Fahrer: die auch im theoretischen Modell (vgl. Kapitel 2), Eigentlich ist es so, dass Computergegner zum Beispiel relativ eine zentrale Rolle spielen. In diesem Punkt beste- spät bremsen, nein, relativ früh bremsen, sodass man auf einer hen also erkennbare Übereinstimmungen zwischen Geraden halt hinter denen herfährt, und man kann sie dann immer ausbremsen oder so. Man bremst halt später und fährt den Erfahrungen der Befragten und unseren eige- dann an ihnen vorbei, das funktioniert meistens. (Steffen W.) nen Vorüberlegungen. 52

4.3.3 Realitätsnähe und Bezüge zwischen eige- triert ist. Dann stellt die Distanzierung vom Spiel nen Fahrerlebnissen und Rennspielen durch Aktualisierung von dessen Vermitteltheit eine Bewältigungsstrategie dar: Über die von den Befragten wahrgenommene Rea- litätsnähe von Rennspielen ist in den ersten beiden Wenn man, keine Ahnung, eine Strecke oder einen Gegner da Abschnitten bereits berichtet worden. Dabei kristal- immer nicht besiegt, weil der zu schnell ist und so weiter und wenn man das dann nach dem fünften Mal nicht schafft, dann lisierten sich die beiden Bereiche der audiovisuellen denkt man so: „Scheißcomputerspiel und das war’s jetzt!” Repräsentation und der Fahrphysik heraus. In die- (Michael H.) sem Kapitel gehen wir der Frage nach, inwiefern Auch wenn viele Befragte den modernen Renn- diese Aspekte von Realitätsnähe für die Unterschei- spielen beachtliche Leistungen im Bereich der vi- dung zwischen Spiel und Wirklichkeit relevant sind. suellen und physikalischen Realitätsnähe konze- Dazu fragten wir unsere Interviewpartner/innen, dieren, reicht das noch nicht aus, um dauerhafte was sie während der Spieltätigkeit daran erinnere, und intensive Wahrnehmungen von Wirklichkeit „nur” vor einem Spiel zu sitzen (Kapitel 4.3.3.1), und oder „Präsenz” (LOMBARD & DITTON, 1997) her- ob sie sich an Episoden aus ihrer eigenen Fahrpra- vorzurufen. Dazu reichen offensichtlich die immer- xis erinnerten, in denen sie ein rennspielbezogenes siven Qualitäten der Spiele (noch) nicht aus. Natür- Déjà-vu-Erlebnis hatten (Kapitel 4.3.3.2). lichere Eingabeinstrumente und größere Bildschir- me könnten hier sicherlich Fortschritte bringen; 4.3.3.1 Wahrgenommene Indikatoren für die damit würden sich die Rennspiele technisch den Vermitteltheit der Spielsituation Fahrsimulatoren annähern. Jedenfalls ist nach den Die Befragten erläuterten verschiedene Anzeichen, Auskünften der Befragten zum gegenwärtigen Zeit- die sie daran erinnern, dass sie nur ein Spiel spie- punkt – in den Termini des Wirkungsmodells – von len. Unterschiede zum realen Fahren werden oft- einer begrenzten subjektiven Realitätsnähe von mals deutlich, weil Unfälle im Spiel nicht die glei- Fahrzeugsspielen auszugehen. chen Folgen mit sich bringen wie in der Wirklichkeit: 4.3.3.2 Erinnerungen an Rennspielepisoden im Ja, dass einem einfach nichts passiert, wenn man gegen einen realen Straßenverkehr Lkw kracht, sondern den Wagen dann zurücksetzt und weiter- fährt. Oder einfach durch die Gegenstände heizt, einen Reifen- Während einige Befragte für sich selbst eine sehr stapel, kein Problem. (Tim M.) deutliche und stabile Trennung zwischen Spiel- Ferner wiesen einige Befragte auf situative Unter- ereignissen und realem Fahrbetrieb proklamierten, schiede zwischen der Rennspielnutzung und dem berichteten andere Interviewpartner von Episoden realen Autofahren hin. Solche Differenzen machten aus ihrer Fahrerhistorie, in denen sie sich an be- sie zum Beispiel an den Steuerungsinstrumenten stimmte Situationen aus Rennspielen erinnert fühl- fest: ten. Dabei ging es zum Teil um ähnliche visuelle Eindrücke: Ich habe doch den Joystick in der Hand, deswegen, und kein Lenkrad. (Alexander F.) Und hier ist es so, wenn du da nachts auf so einer etwas einsa- meren Auswärtsstraße lang fährst, musst du manchmal Laster Weitere Indikatoren für die Vermitteltheit der Fahr- überholen. Das sind dann so schwarze Kästen mit Leuchtpunk- situation ergaben sich in den Erfahrungen der Be- ten. Und dann bin ich irgendwie – es war so ein Abend, wir fragten daraus, dass das Spielgeschehen eher sel- haben das Spiel gespielt – abends nach Hause gefahren, habe so einen Laster überholt und dachte, war wieder total an dieses ten auf typischen deutschen Straßen angesiedelt Spiel erinnert und dachte so, könnte jetzt auch in diesem Spiel ist. Neben solchen inhaltlichen Unterschieden wur- sein. Ja, jetzt echt. Ich denke so: Ist jetzt echt, drücke jetzt die den auch darstellungsbezogene Anzeichen ge- „3” und steige in diesen Laster um. Naja, geht dann halt natür- lich nicht. (Sascha L.) nannt, etwa weil die grafische Repräsentation noch immer deutlich von der Wirklichkeit abweiche. Das ist halt so eine S-förmige Strecke, die über ein freies Feld geht, wo man eben wirklich von Punkt A der Strecke bis Punkt Das ist ja schon eher unrealistisch, dass man zum Beispiel in B gucken kann. Und da kannst du halt wirklich – wenn du willst der Wüste fährt, und das ist ja meistens nicht wie jetzt hier in – so mit 140 oder 150 die Strecke entlang fahren, wenn du halt Deutschland. Also das sind ja immer so Städte wie Miami oder Ideallinie fährst. So links, rechts und immer alles ganz extrem halt so eine Fantasiewelt ... Man kann schon noch erkennen, anschneiden und das ist dann schon so was, wo ich mich dann dass es nicht Realität ist. (Ann-Kathrin S.) wirklich daran erinnert fühle. (Sascha L.)

Einen nutzerseitigen Beitrag zur Trennung von Außerdem wurden Episoden berichtet, in denen Spiel und Wirklichkeit leistet nach eigener Darstel- das gesamte „Fahrgefühl” dem von Rennspielen lung Michael H., wenn er durch Misserfolge frus- entsprach: 53

Da hatte ich mal das „GTA” ausgeliehen und das hatte ich dann schwindigkeiten der Realität, dann hat das schon irgendwo irgendwie bis zum Erbrechen gespielt, irgendwie so ein paar Auswirkungen, aber man merkt das und dann denkt man: „O.K., Stunden lang. Und danach bin ich Auto gefahren. Und im Spiel piano!”. (Romano B.) ist es ja so, dass man an roten Ampeln auch halten muss, ne? Und man kann auch drüber fahren, da passiert nichts, außer Der Bericht von Romano B. umschreibt eine kurz- wenn die Polizei in der Nähe ist. Und danach bin ich auch gleich fristige Auswirkung intensiven Rennspielkonsums: Auto gefahren und ich hab ‘ne rote Ampel gesehen und ich habe Nachdem er mehrere Stunden mit virtuellen Auto- mich echt bei dem Gedanken ertappt: „Aha, ist hier irgendwo die Polizei?” Und das war’s eigentlich. Und dann wurde mir klar: rennen verbracht hatte, beschleunigte er für einen „Hä, bist du blöd, halt mal schön an!” Das war so ganz lustig. Moment sein reales Fahrzeug stärker, als es der Si- Das hat mich irgendwie, danach war das aber auch gegessen. tuation angemessen war. Derart kurzfristige Wir- Das ist mir nicht noch mal passiert. (Michael H.) kungen sind im Wirkungsmodell bisher nicht vor- Solche Berichte deuten an, dass Erinnerungen an gesehen; aus diesem Grund gehen wir kurz auf Rennspiele zumindest kurzfristig die in einer Ver- mögliche Erklärungen für diesen Vorfall ein. kehrssituation wahrgenommenen Handlungsoptio- Solche Vorgänge lassen sich eventuell über nen beeinflussen können. Insgesamt zeigen die Priming-Prozesse (PETER, 2002) erklären – näm- Äußerungen, dass es durchaus vorkommen kann, lich dadurch, dass die intensive Rennspielnutzung dass Erinnerungen an genutzte Rennspiele im Ver- die Möglichkeit, schnell zu fahren, „top of mind” kehrsgeschehen aktualisiert werden. So gesehen gebracht hat. Alternativ bieten sich erregungsphy- reichen die Eindrücke aus Rennspielen über den siologische Erklärungen an, wonach man nach in- zeitlichen und situativen Rahmen ihrer Nutzung tensivem Rennspielkonsum ein erhöhtes Maß an hinaus, wenngleich sie nach den Schilderungen Arousal annehmen kann, welches sich in schnelle- der Befragten kaum handlungsrelevant werden. rem Autofahren realisiert. Diese beiden Erklärungs- Dieser Punkt ist jedoch noch klärungsbedürftig. strategien finden sich auch in Studien zur kurzfristi- Darum stellen wir im nächsten Kapitel die Antwor- gen aggressionsförderlichen Wirkung gewalthalti- ten der Befragten zusammen, die sich auf wahrge- ger Computerspiele (z. B. KIRSH, 1998). Ein dritter nommene Auswirkungen der Rennspielnutzung auf explanativer Ansatz wäre ein „Wiedereintrittsprob- das eigene Fahrverhalten beziehen. lem”, wie es für Nutzer von Virtuellen-Realitäts- Systemen berichtet wird. Weil die sensomotori- 4.3.4 Auswirkungen der Rennspielnutzung auf schen Parameter einer VR-Umgebung manchmal das eigene Fahrverhalten nicht vollkommen identisch mit denen der Wirklich- Zusätzlich zu Verkehrssituationen, in denen sich keit sind, kommt es nach einer länger andauernden die Befragten an Rennspiele erinnert fühlten, holten Nutzung solcher Umgebungen zu motorischen wir auch Meinungen dazu ein, ob die Interviewpart- Fehlleistungen (etwa, dass man ein Trinkglas nicht ner an sich selbst Effekte ihres Rennspielkonsums zum Mund führt, sondern an die Stirn). Sie werden auf ihr Fahrverhalten beobachtet haben oder an- damit erklärt, dass sich der Wahrnehmungs- und nehmen. Hierzu ist zunächst festzustellen, dass Bewegungsapparat der Person an die Parameter sich die Befragten fast durchweg als „gute”, siche- der VR-Umgebung angepasst hat und nun eine re Autofahrer einschätzten. Weile benötigt, sich wieder an die „alte” Wirklich- keit zu gewöhnen. Ganz ähnlich könnte Romano B. Entsprechend halten sich viele der Befragten für das richtige Gefühl für Geschwindigkeiten durch immun gegenüber verhaltensbezogenen Auswir- die Rennspielnutzung verloren gegangen sein, so- kungen ihrer Rennspielnutzung. Allerdings gibt es dass er erst den Tacho konsultieren musste, um Ausnahmen: Einzelne Episoden bzw. Begründun- seine tatsächliche Geschwindigkeit abzuschätzen. gen für die Annahme, dass man selbst durch Renn- B: Das auf jeden Fall. Ich finde auch, je länger man Rennspiele spiele beeinflusst werde, finden sich in unter- spielt, so krank das auch ist, also wenn man so wirklich exzes- schiedlichen Äußerungen: siv über einen längeren Zeitraum Rennspiele spielt, so ein biss- chen überträgt man es auch aufs Autofahren. Ich glaube, als wir so 19, 20 waren, da haben wir, glaube ich, I: Inwiefern? Also kannst du mal so eine Situation beschreiben? sechs Stunden lang mit fünf Leuten irgendwie im Netzwerk ge- zockt gehabt, also auch, was war das? Ich weiß es gar nicht B: Ja, halt wenn man dann so denkt nach dem Motto, gerade mehr, auf jeden Fall irgendein Rennspiel ja, danach biste halt wenn man nachts fährt und nichts auf der Straße los ist irgend- nach Hause gefahren und das Erste was Du gemacht hast, war wie und wenn man dann so kleine Kurven hat oder so kleine halt zügig losfahren. Da guckst Du auf den Tacho, warst bei 70, Schlingerstrecken irgendwie und dann immer so: OK jetzt 80 und so, huch, kommt Dir halt nicht so schnell vor dann in bremst du hier ein bisschen ab, jetzt gehst du hier ein bisschen dem Augenblick, weil Du hast halt schon irgendwo ein Ge- aufs Gas und dann kommst du schön zügig durch.” Macht auch schwindigkeits ... ja, also Computer simuliert dann ja auch ex- durchaus Bock, aber ist halt auch wirklich nur in solchen Situa- treme Geschwindigkeiten, so und das dann auf kleine Ge- tionen, wo du wirklich total freien Verkehr hast. (Denniz P.) 54

Die Antwort von Denniz P. beschreibt eine länger- nicht angepasstem Tempo angeht. Diese stellver- fristige Auswirkung intensiver Rennspielnutzung. tretende Erfahrung hat verhaltensrelevante Konse- Dabei spielen sowohl erworbene Kompetenzen quenzen für das reale Fahrverhalten. Damit ist ein (nämlich aus dem Bereich der Fahrtaktik) als auch Fall von „günstigem” Lernen aus Rennspielen be- motivationale Transferprozesse, also beide „Pfade” schrieben; er ist jedoch der einzige, den wir aus des Wirkungsmodells (vgl. Kapitel 2), eine Rolle: den Antworten der Befragten berichten können. Aus der Umsetzung einer (renn-)sportlichen Fahr- Um diese Perspektive weiter zu vertiefen, haben weise erwächst Vergnügen. Demnach werden zum wie die Interviewpartner/innen auch um Einschät- einen die wahrgenommenen Möglichkeiten, einen zungen zu den Potenzialen von fahrzeugbezoge- gegebenen Streckenabschnitt zu bewältigen, nen Lernspielen gebeten. Die Befunde dazu wer- durch die Rennspielnutzung beeinflusst als auch den im folgenden Kapitel vorgestellt. die Motivation, sich für eine schnellere und riskan- tere Variante zu entscheiden. Die Episode von Den- niz P. stellt somit eine „klassische” empirische Rea- 4.3.5 Chancen und Probleme fahrzeug- bezogener Computerlernspiele lisation der Annahmen des Wirkungsmodells dar.

B: Also mir ist halt aufgefallen, wenn ich bei GTA 3, wenn ich da Die Antworten, die wir auf Fragen nach Computer- irgendwie … also, dass die Geschwindigkeiten schon mal ab- lernspielen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit er- solut 1 zu 1 übereinstimmen. Wenn ich normal mit dem Auto hielten, waren zum einen optimistisch, was das in- fahre und dann halt irgendwie 100 fahre, dann kommt mir das struktive Potenzial angeht, aber zugleich pessimis- genauso schnell vor wie da. tisch mit Hinblick auf die Marktchancen solcher I: Das ist ja krass. Spiele. Nach den Vorstellungen der Befragten B: Dann dachte ich: „Na gut.” Fährst du da halt mal mit 80 oder könnte man mit Lernspielen unterschiedliche Teil- mit 70, meinetwegen auch mit 60 ‘ne Kurve und ziehst die fähigkeiten und -fertigkeiten schulen: Handbremse und guckst mal, was passiert.” Dann passiert das und das. Und dann bin ich halt irgendwann mal mit meinem Also, ich denke mal, es sollten Situationen eingebunden wer- Auto auf einen großen Parkplatz gefahren und habe das Gleiche den, die nicht so häufig im reellen Straßenverkehr vorkommen, ausprobiert, also bis 60, und habe dann Handbremse gezogen die aber dennoch passieren könnten. Und dass man dann da- und es ist genau das Gleiche passiert wie in dem Spiel. Wirklich durch merkt, auf was man beim Fahren wirklich achten sollte, genau die gleiche Fahrphysik. (Sascha L.) damit so was nicht passiert. (Jan K.)

Sascha L. wiederum berichtet eine gezielt-aktive Durchaus, also, man übt da ja Reaktionen im Spiel, mehr oder Übertragung von Rennspielerfahrungen in die Wirk- weniger auf extreme Situationen, und das ist eine Möglichkeit, lichkeit. Die Erlebnisse aus der Spieltätigkeit weck- wie bei der Pilotenausbildung auch, dass man durch Simulation an Sicherheit gewinnt. (Yury B.) ten eine Neugier, wie sich Autos im Grenzbereich tatsächlich verhalten. Diese Neugier setzte er in Trotz der grundsätzlich positiven Einstellung ge- eine – unter vermeintlich kontrollierten Bedingun- genüber fahrzeugbezogenen Lernspielen waren ei- gen durchgeführte – Tat um. Dieses Verhalten stellt nige Befragte skeptisch, ob solche Produkte auf gewissermaßen einen intensiveren Transferfall dar, ein interessiertes Publikum stoßen werden. Sie be- als wir ihn im Modell vorgesehen haben. Dort sind fürchten, dass Fahrzeuglernspiele als zu bieder nämlich nicht beabsichtigte, teils unbewusste Ein- und langweilig abgetan werden könnten: flüsse von Rennspielen auf das Fahrverhalten ange- Und sicheres Fahren lernen irgendwie, dass es das als Spiel legt, nicht aber eine vollkommen gezielte Übertra- gäbe, das würden bestimmt nicht so viele Leute kaufen. gung, die in diesem Fall aus Neugier motiviert war. (Michael H.)

Ja, zum Beispiel, dass man wirklich aufpasst in Kurven. Fahr da Aus diesem Grund dachte Steffen W. über alter- nicht so schnell rein, sonst liegst du im Gras. Ich glaube schon. Also vor Kurven habe ich immer Respekt, vor scharfen Kurven. native Anreize nach, warum sich die Zielgruppe Weil man doch in solchen Rennspielen immer wieder erfährt: „Du der jungen Fahrer/innen mit Fahrlernspielen be- landest im Gras.” Da sind die ganz empfindlich. Oft. (Tim M.) schäftigen könnte, und hatte die Idee, ein solches Lernspiel in die reguläre Fahrausbildung zu inte- Das Beispiel von Tim M. schließlich zeigt gewisser- grieren: maßen einen negativen Transfereffekt, denn hier dienen die Erfahrungen aus Rennspielen als war- Doppelt gut ist natürlich, wenn man das irgendwie angerechnet nendes oder abschreckendes Beispiel. Die simu- bekommt. Also zum Beispiel, dass man irgendwie, vielleicht lierte Fahrt mit dem Rennwagen hat dem Spieler dass es einem bei der Theorieprüfung Bonuspunkte bringt, wenn man das Spiel erfolgreich abgeschlossen hat oder so. Ich vor Augen geführt, welche Risiken sich in be- glaube, dann wären auch viele Leute da engagiert, würden es stimmtem Situationen ergeben, wenn man sie mit dann auch machen. (Steffen W.) 55

4.4 Diskussion legenheit bieten, über die Möglichkeiten und Res- triktionen des realen Autoverkehrs hinauszugreifen, Die Befragung von „Experten/innen aus der Renn- jedoch gleichzeitig durch Begrenzung der Aufga- spiel-Praxis” hat viele interessante Äußerungen benkomplexität (mit Hinblick auf das Fahrverhalten hervorgebracht, die sehr hilfreich sind, um die At- der simulierten Automobile) mehr Kontrolle und traktivität von Fahrzeugspielen besser zu verstehen damit Erfolgserlebnisse ermöglichen, als sie den und unsere theoretischen Annahmen über mögli- Spieler/innen mit ihrem jeweiligen Erfahrungshin- che Zusammenhänge zwischen der Nutzung derar- tergrund in der Wirklichkeit gelingen würden. Die- tiger Spiele und dem realen Fahrverhalten zu er- sen Mechanismen des Spielvergnügens ist bereits gänzen. Mit Bezug auf das Vergnügen bei der Nut- eine grundsätzliche Unterscheidung zwischen zung von Rennspielen erscheint uns die von meh- Rennspiel und Verkehrswirklichkeit inhärent, doch reren Befragten geäußerte Ansicht besonders in- unterstreicht die enge Verknüpfung zwischen Rea- teressant, dass Fahrzeugspiele Spaß machen, weil litätsnähe und Spielvergnügen die Relevanz der man gerade die Dinge tun kann und darf, die im Untersuchung eben solcher Bezüge für die Ver- echten Verkehr verboten, unmöglich und/oder zu kehrssicherheit. riskant wären. Diese zusätzlichen Handlungsmög- lichkeiten werden aber genau dann besonders in- Hinweise auf Bezüge zwischen Rennspiel und Au- tensiv genossen, wenn die Darstellung des Fahr- tofahren finden sich nicht durchgehend bei allen und Verkehrsgeschehens sehr realitätsnah gelun- Befragten – einige wiesen sogar demonstrativ auf gen ist. Das Spielvergnügen entsteht demnach aus ihre Fähigkeit hin, immer zwischen Spiel und Wirk- dem Unterschied zur Realität einerseits und der lichkeit zu unterscheiden, sodass Einflüsse auf ihr Nähe zur Realität andererseits; ein scheinbar para- Fahrverhalten auszuschließen seien –, aber es wur- doxes Phänomen, das SUTTON-SMITH (1997) mit den verschiedene Formen eruiert, wie sich die Nut- der „Ambiguität des Spiels” bezeichnet hat. zung von Rennspielen beim Autofahren bemerkbar machen kann: Für die Perspektive der Verkehrssicherheit ist hier- bei zunächst festzuhalten, dass deviantes, riskan- Die „schwächste” und vermutlich am wenigsten tes und aggressives Autofahren eine unterhaltsame problematische Variante sind spielbezogene „Déjà- und attraktive Tätigkeit ist. Diese über Fahrzeug- vu-Erlebnissen” im Straßenverkehr. Fahrzeuge, spiele auszuführen birgt für junge Fahrer/innen Personen oder Situationen erinnern die Fahrer/ zunächst den Vorteil, dass sie keine wirklichen Ge- innen an Begebenheiten aus einem genutzten fahren für sich und andere eingehen müssen; der Rennspiel. Solche Vorfälle lösen dann nach den Preis dafür ist jedoch, dass die Erfahrungen, die Angaben unserer Befragten Erheiterung aus, weil mit Rennspielen gemacht werden können, nur be- zeitgleich mit den Ähnlichkeiten zur Rennspielsi- grenzt an „echte” heikle Situationen heranreichen, tuation auch die Unterschiede auffallen. Deshalb wie aus den immer wieder genannten Anzeichen kann angenommen werden, dass solche kogniti- für die Vermitteltheit der Spielsituation deutlich ven Einflüsse von Rennspielen nicht verhaltensre- wird. Andererseits sind solche Einschränkungen levant werden und somit für die Verkehrssicherheit der Vergleichbarkeit mit dem wirklichen Fahrge- keine bedeutsame Kategorie darstellen. Entspre- schehen den Spieler/innen willkommen, weil viele chend ergeben sich nach unserer Ansicht keine „interessante”, in der Wirklichkeit nicht anzuraten- Konsequenzen für die Modellbildung. de Fahrweisen Kompetenzen benötigen, die sich echte Expertenfahrer in langem, mühsamem Trai- Eine weitere Transferkategorie lässt sich mit „kurz- ning aneignen müssen. Im Grenzbereich, also bei fristigen Effekten” betiteln: Nach einer länger an- hohen (Kurven-)Geschwindigkeiten und authenti- dauernden Rennspielsitzung steigen die Spieler/ scher Fahrphysik, ist der Schwierigkeitsgrad auch innen in ein Auto und fahren los. Dabei treten Fahr- für versierte Rennspieler/innen oftmals zu hoch, weisen (z. B. überhöhte Geschwindigkeiten) auf, sodass die Erfolgserlebnisse ausbleiben und das die unter anderen Umständen vermieden werden. Spielvergnügen abnimmt. Ein unterhaltsames Mögliche Erklärungen (Priming, Arousal-Anstieg, Rennspiel soll also die Wahrnehmung, in einem senso-motorische Re-Adaptionsprobleme) für sol- echten Fahrzeug zu sitzen, möglichst gut vermit- che Phänomene haben wir oben bereits angespro- teln (oder medienpsychologisch gewendet, so ge- chen (vgl. Kapitel 4.3.4). Diese Form der Auswir- nanntes „Präsenz”-Erleben induzieren, vgl. LOM- kung ist bislang im Modell nicht vorgesehen, denn BARD & DITTON, 1997; Bente, 2002) und die Ge- wir haben uns auf längerfristige Auswirkungen kon- 56

zentriert. Möglicherweise liegt hier ein Risikofaktor Mediennutzung und dem Spracherwerb von Vor- für die Verkehrssicherheit begründet, dem wir mehr schulkindern modelliert (VORDERER, RITTERFELD Aufmerksamkeit schenken sollten. Denn kurzfristi- & KLIMMT, 2001). Das Wirkungsmodell zum Zu- ge Transfereffekte könnten in noch höherem Maße sammenhang zwischen der Rennspielnutzung und als die längerfristigen Effekte von der Realitätsnähe dem realen Fahrverhalten wäre aus dieser Sicht als des genutzten Spiels abhängen. Eben die Rea- „Multiple-Episode”-Modell zu verstehen, und es litätsnähe ist aber das Merkmal von Rennspielen, wäre zu überlegen, es um einen „Single-Episode”- das aufgrund der technischen Fortschritte kontinu- Entwurf zu ergänzen. Dafür spricht sicherlich das ierlich gesteigert wird und in Zukunft dank neuer angestrebte Ziel, die Wirkungspotenziale möglichst Systeme („Home Cinema”, Virtual-Reality-Simula- vollständig abzubilden. Dagegen spricht vor allem, tionen mit 3-D-Brillen, Surround-Sound etc.) ganz dass wir damit einen speziellen Sonderfall heraus- neue Dimensionen erschließen wird. Wenn solche greifen, nämlich dass auf eine intensive Rennspiel- kurzfristigen Wirkungsprozesse bei vielen Renn- nutzung eine reale Fahrsituation folgt. Über die spielern tatsächlich auftreten sollten (etwa auch in Häufigkeit dieser Ereigniskonfiguration wissen wir Kombination mit abendlichen Autofahrten und Al- nichts und können höchstens einige Spekulationen koholkonsum), wäre hier möglicherweise eine eige- anstellen. Daher schlagen wir vor, zunächst die ne Präventionsstrategie gefordert, die analog zum Häufigkeit solcher Vorfälle in der geplanten Befra- Motto „Don’t drink and drive” den Grundsatz gungsstudie der zweiten Projektstufe näher zu un- „Don’t play and drive” einfordern müsste. Hierfür tersuchen, um dann eine Entscheidung darüber zu wäre aber eine zusätzliche Klärung der zugrunde fällen, ob dieser „Wirkungspfad” theoretisch und liegenden Mechanismen nötig. Wenn Priming-Pro- ggf. auch empirisch näher zu beleuchten wäre. zesse oder senso-motorische Adpationsprobleme Als dritte Form des Transfereffekts berichteten die dafür verantwortlich sind, wäre ausschließlich die Befragten längerfristige Auswirkungen auf das ei- Nutzung von Rennspielen, nicht aber der Gebrauch gene Fahrverhalten, was sich beispielsweise in der anderer Genres (z. B. Kampf- oder Strategiespiele) Art der bevorzugten bzw. praktizierten Kurven- als problematisch einzustufen; wenn Arousal-Phä- durchfahrt bemerkbar macht. Solche Änderungen nomene eine Rolle spielen, würde dies jegliche des Fahrstils führten nach den Berichten der Teil- Computerspielnutzung vor dem Autofahren kritisch nehmer/innen nicht zu dramatischen Konsequen- erscheinen lassen, denn hohe Erregungszustände zen für die eigene Sicherheit oder die anderer Per- lassen sich nicht nur durch Rennspiele herstellen, sonen; allerdings wäre in einer Interviewsituation sondern treten auch bei anderen Spieltypen auf. Im nicht unbedingt zu erwarten, dass solche heiklen Rahmen des Projekts ergibt sich jedoch noch vor Vorfälle zugegeben werden. Andererseits erschien den konkreten theoretischen, empirischen und es uns von Anfang an plausibel, dass sich Transfer- präventionsorientierten Fragen das Problem, wie effekte eher in „kleinen Dingen” bemerkbar ma- solche kurzfristigen Transfereffekte überhaupt im chen würden, also z. B. bei der Linienwahl in der Modell unterzubringen sind. Einen Hinweis dazu Kurvendurchfahrt, und dass deutliche Effekte im findet man bei ANDERSON und seinen Mitarbei- Sinne von starken und dauerhaften Steigerungen ter/innen, die ein Allgemeines Aggressionsmodell der Aggressivität im Straßenverkehr sehr unwahr- vorgeschlagen haben (General Aggression Model: scheinlich sein würden. Die Befunde dazu spiegeln GAM; vgl. ANDERSON & Dill, 2000; BUSHMAN & genau die Annahmen des Modells wider, weil so- ANDERSON, 2002). Es wurde auch im Kontext ge- wohl Aspekte von Fahrkompetenzen (z. B. fahrtak- walthaltiger Computerspiele getestet und ist daher tisches Wissen) als auch motivationale Komponen- für die Fragestellung unseres Projekts besonders ten (Spaß an der beschleunigten Streckenbewälti- relevant. ANDERSON und BUSHMAN haben das gung) erwähnt wurden. Somit denken wir, dass es GAM in zwei Teile gegliedert, um sowohl kurz- als aufgrund der Ergebnisse der Interviewstudie in auch langfristige Wirkungen abzubilden. Entspre- Bezug auf unser „Multiple-Episode”-Modell grund- chend unterscheiden sie das „Single-Episode”- sätzlich keinen Ergänzungs- oder Modifikationsbe- GAM (für kurzfristige Prozesse) und das „Multiple- darf gibt. Episode”-GAM (für längerfristige Entwicklungen), die jeweils unterschiedliche Einflussfaktoren, Pro- Mit der letzten berichteten Transferform, dem akti- zesskomponenten und Prozessergebnisse formu- ven Ausprobieren von Rennspielsituationen mit lieren. Nach der gleichen Logik haben wir in einem einem echten Fahrzeug, hatten wir nicht gerechnet. anderen Projekt die Zusammenhänge zwischen der Ein junger Interviewpartner berichtete, er habe die 57

Auswirkungen der Handbremse in Kurvenfahrten rationsverhalten in der Wirklichkeit auszulösen, als mit seinem Auto getestet, nachdem er Erfahrungen nicht-interaktive Medien. Der Fall ist im Wirkungs- dazu in Rennspielen gesammelt hatte. Solches Ex- modell so nicht vorgesehen, kann aber unter den plorationsverhalten ist unter Sicherheitsaspekten motivationalen Effekten „verbucht” werden, da natürlich bedenklich, selbst wenn es im konkreten diese schlussendlich zu einer erhöhten Bereit- Fall unter „kontrollierten” Bedingungen auf einem schaft zu riskantem oder aggressiven Fahren füh- Parkplatz stattfand. Für junge Fahrer, die eh noch ren. Auch wenn ein derart „aktiver” Transfer vom auf der Suche nach „ihrem” Fahrstil sind und für Rennspiel in die Verkehrswirklichkeit nicht unbe- neue Ideen und Verhaltensvarianten offener sein dingt im Mittelpunkt unserer Überlegungen stand, dürften als ältere Fahrer, bieten Rennspiele dem- halten wir es daher nicht für notwendig, das Wir- nach „Denkanstöße”, was man mit seinem Auto kungsmodell anzupassen. noch tun kann bzw. könnte. Eine reine Erweiterung Insgesamt hat die Studie also die Vielfalt möglicher des bekannten Verhaltensspektrums ist indes nicht Zusammenhänge zwischen Rennspielerlebnissen problematisch, denn Massenmedien liefern ständig und dem realen Straßenverkehr illustriert, ohne je- neue Verhaltensalternativen für jegliche Situation doch den dringenden Bedarf nach Modifikationen – im konkreten Fall wären das fahrzeugbezogene unserer theoretischen Annahmen nahe zu legen. Filme wie „Taxi Taxi” oder „2 Fast 2 Furious” sowie Eine Ausnahme sind die kurzfristigen Wirkungen, TV-Serien à la „Cobra 11 – die Autobahnpolizei”. denen unter Umständen in der Zukunft mehr Be- Durch die Möglichkeit, solche Verhaltensalternati- achtung gewidmet werden muss. ven interaktiv zu erfahren und anzuwenden, kommt Computerspielen bzw. Rennspielen jedoch eine größere Bedeutung zu. Die Meinungen über das Thema „Lernspiele zur Verbesserung der Verkehrs- 5 Resümee der theoretischen sicherheit” bestärken zwar unsere Hoffnungen und empirischen Vorarbeiten nach der Wirksamkeit eines solchen Instruments, weil die Befragten Lernspiele für eine vielfältig ein- Mit zwei deskriptiv-explorativen Untersuchungen setzbare und (zum Teil auch) motivierende Vermitt- wurde das Feld der Rennspiele im Rahmen des lungsform halten. Doch ist die mehrfach vorge- Projekts erstmals wissenschaftlich-systematisch brachte Skepsis bezüglich der Marktattraktivität aufgearbeitet. Die Ergebnisse dieser Untersuchun- solcher Lernprogramme ein deutliches Warnsignal: gen stellen unabhängig von der Überprüfung mög- Die Befragten zählen alle zu den mehr oder weni- licher Transferprozesse auf das reale Fahrverhalten ger stark involvierten Nutzer/innen von Rennspie- einen wichtigen Informationsgewinn für die Ver- len; ihr Urteil zur vermuteten Popularität solcher kehrssicherheitsarbeit dar, weil immer mehr junge Spiele besitzt demnach einiges Gewicht. Ähnlich Fahrer/innen und Jugendliche, die bald das Alter wie bei der Frage der kurzfristigen Wirkungen für den Führerscheinerwerb erreichen, über Renn- schlagen wir daher vor, diese wahrgenommene At- spiele mit der Straßenverkehrsthematik in Berüh- traktivität von Fahrlernspielen, die begleitend zur rung kommen. Für Experten/innen der Verkehrssi- Fahrausbildung angeboten werden, jedoch nicht cherheit, die mit jungen Menschen über aktuelle integrierter Bestandteil der Vorbereitungs- bzw. Themen diskutieren wollen, stellen die Inhaltsana- Prüfungsleistungen sind, im Rahmen der ange- lyse und die Leitfadenstudie nützliche Wissens- dachten standardisierten Befragung junger Fah- quellen dar, mit denen sie sich einen Überblick zum rer/innen weiter zu erkunden, um daraus konkrete Thema verschaffen können. Empfehlungen ableiten zu können. Das theoretische Modell, das im Vergleich zu vielen Mit Blick auf die gesamte erste Projektphase stel- existierenden Wirkungsmodellen aus dem Aggres- len die Ergebnisse der Leitfadenstudie demnach sionsbereich einen höheren Anpassungsgrad an eine sinnvolle Komplettierung unserer Bemühun- die spezifische Problemstellung aufweist sowie gen um Annäherung an den Forschungsgegen- wirkungshemmende personologische Faktoren stand „Fahrzeugspiele” dar. (Medienkompetenz) stärker akzentuiert, sollte durch die Studien nicht getestet werden, wohl aber Vor diesem Hintergrund dürften Computerspiele auf Vollständigkeit und Anknüpfbarkeit an die Rea- mit Realitätsbezug – wie man ihn den meisten lität der Rennspiele überprüft werden. Hier ergab Fahrzeugspielen zuschreiben muss – ein deutlich sich mit Blick auf die Inhaltsanalyse, dass die Vo- erhöhtes Potenzial haben, neugierbedingtes Explo- raussetzungen auf Seiten der Spiele für die Aktivie- 58

rung der modellierten Wirkungsprozesse (z. B. halten insbesondere junger Fahrer/innen im Stra- hohe Realitätsnähe als Faktor für Drill-und-Prac- ßenverkehr nach sich ziehen kann. Gleichwohl ist tice-Lernen von bestimmten Fahrmanövern) gege- diese Annahme empirisch zu prüfen, wobei jedoch ben sind. Die Leitfadenstudie zeigte die Unvoll- zuvor die deskriptive Informationslage verbessert ständigkeit des Modells insofern auf, als dass bis- werden muss: Wer die „Heavy User” von Renn- her zwischen kurz- und langfristigen Effekten nicht spielen sind, wie intensiv sich der Gebrauch fahr- unterschieden worden war, die Befragten aber ver- zeugbezogener Computerspiele darstellt, ist für die schiedene kurzfristige Wirkungen an sich selbst empirische Annäherung an das Thema von zentra- beobachtet hatten. Dafür stehen jedoch mögliche lem Interesse – nicht nur weil mögliche Transferef- theoretische Erklärungen (Priming, Erregungstrans- fekte erst dann größere gesellschaftliche Relevanz fer, motorisch-perzeptive Umgewöhnung) zur Ver- besitzen, wenn die Rennspielnutzung tatsächlich fügung. Insgesamt ergab sich daher kein Überar- substanzielle Ausmaße angenommen hat. Vielmehr beitungs- oder Ergänzungsbedarf für das theoreti- ist die Kennzeichnung von Vielnutzern/innen für die sche Modell. Es kann daher als Grundlage für die Verkehrssicherheitsarbeit von einem übergeordne- Testung von Wirkungszusammenhängen in der ten Interesse, denn deren Identifikation wäre nicht zweiten Projektphase herangezogen werden, nur für präventiv-problemvermeidende Maßnah- wenngleich die Leitfadenstudie insgesamt eher men, sondern eben auch für den didaktisch-förder- Hinweise auf schwache bis minimale Effekte er- lichen Einsatz von Computerspielen bzw. Fahrlern- bracht hat – was aber natürlich auch in der ge- programmen von Nutzen. Die Problemstellung der wählten Methode begründet sein kann und daher hier vorgestellten Untersuchung ist daher zweige- ohnehin der weiteren empirischen Prüfung bedarf. teilt. Zum einen soll im Segment der jungen Fah- Für die Formulierung von Forschungsdesigns er- rer/innen der Gebrauch von Computerrennspielen gibt sich aus den theoretischen und empirischen empirisch abgebildet und anhand der Kennzeich- Vorarbeiten der Bedarf, sowohl nach langfristigen nung von Vielnutzern/innen illustriert werden. Zum Effekten (wie im Modell vorgezeichnet) als auch anderen soll überprüft werden, inwiefern der Ge- nach kurzfristigen Wirkungen (‚Play-and-Drive’-Si- brauch solcher Spiele im Zusammenhang mit prob- tuationen, wie in den Leitfadeninterviews heraus- lematischen Verhaltensweisen beim echten Autofa- gearbeitet wurde) zu suchen. Entsprechend wid- hren steht. Dazu wird ein korrelativ-querschnittli- men sich die beiden Untersuchungen der zweiten cher Zugang gewählt. Die Beziehung zwischen Projektphase eben diesen beiden Wirkungsaspek- Rennspielkonsum und Fahrverhalten soll jedoch ten. Zunächst wurde eine Fragebogenstudie nicht isoliert von den (komplexen) Umweltbedin- durchgeführt, die längerfristigen Wirkungen nach- gungen erfasst, sondern im Gegenteil unter Kon- ging (Kapitel 6), anschließend fand ein Laborexpe- trolle möglichst vieler relevanter Drittvariablen er- riment mit einem Fahrsimulator statt, das primär mittelt werden. Es ist nicht davon auszugehen, kurzfristige Effekte prüfen sollte (s. Kapitel 7) dass die Rennspielnutzung eine extrem gewichtige Determinante des Fahrverhaltens darstellt. Viel- mehr geht es um die Einordnung ihres Einflusses 6Eine Fragebogenstudie zu auf das Fahrverhalten in das Ensemble anderer (teils bereits bekannter, teils vermuteter) Faktoren. Zusammenhängen zwischen Im Rahmen der Untersuchung wurden dabei in Ab- dem Konsum von Rennspielen sprache mit der Bundesanstalt für Straßenwesen und realem Fahrverhalten folgende (empirisch erwiesene oder aber ange- nommene) Einflussgrößen berücksichtigt: 6.1 Problemstellung · Ausmaß der Feindseligkeit (trait hostility) (vgl. dazu KRAHÉ & FENSKE, 2002), Die bereits abgeschlossenen Untersuchungen im Rahmen des Projekts sowie die Literaturlage zum · stabile Einstellungen zu Geschwindigkeit beim verwandten Forschungsfeld „Einflüsse gewalthalti- Autofahren (HOLTE, 1994), ger Computerspiele auf aggressives Verhalten” · stabile Einstellungen zu Verkehrsregeln. (vgl. dazu SHERRY, 2001; ANDERSON & BUSH- MAN, 2001) berechtigen zu der Vermutung, dass · stabile Selbstwirksamkeitserwartungen (BAN- der intensive Gebrauch moderner Rennspiele DURA, 1997) bezüglich der eigenen Fahrleistun- nicht-intendierte Konsequenzen für das reale Ver- gen 59

· verkehrs- und fahrbezogenes Meinungsklima · ebenso Items zur Einstellung gegenüber Auto- unter den „relevant others” (Partner/in, Freunde, mobilen (Präferenzen beim Kauf) von SCHULZE Eltern; vgl. dazu PARKER & MANSTEAD, 1996), (1999) genutzt,

· Motorsport-Involvement (vgl. dazu CHRIST, · eine spezielle Skala zur Feindseligkeit mit 1995), Bezug zum Freiburger Persönlichkeitsinventar (FAHRENBERG, HAMPEL & SELG, 1994) ver- · Einstellung zu Autos (SCHULZE, 1999), wendet,

· die Bedeutung von Mobilität für den Lebensstil · die Operationalisierung der Einstellung zur Ge- (Häuslichkeit vs. verkehrsträchtige Aktivität, vgl. schwindigkeit von HOLTE (1994) adaptiert, dazu SCHULZE, 1999). · das Motorsport-Involvement mit einer verkürz- ten Variante der Sport-Involvement-Skala von Ferner sollten Befunde der durchgeführten Inter- SHANK & BEASLEY (1998) gemessen, viewstudie (VORDERER & KLIMMT, 2003b) weiter- verfolgt werden, wonach mit einer durchaus hohen · die fahrbezogenen Selbstwirksamkeitserwar- Akzeptanz für Fahrlernspiele gerechnet werden tungen durch einen inhaltlichen Transfer der kann, welche begleitend zur Fahrausbildung ge- Items von FUCHS und SCHWARZER (1994) nutzt werden können. operationalisiert und schließlich · das problematische Fahrverhalten mit Hilfe einer (leicht modifizierten) deutschsprachigen Varian- 6.2 Methode te des Driver Behavior Questionnaire (DBQ) (LAWTON, PARKER, MANSTEAD & Die Studie wurde als querschnittliche Befragung STRADLING, 1997), wie sie von KRAHÉ und junger Fahrer/innen angelegt. Dieses Vorgehen FENSKE (2002) erfolgreich eingesetzt wurde, kann zunächst nur (statistische) Zusammenhänge erhoben. Hierbei wurden den drei Faktoren zwischen den zu betrachtenden Größen offen „Fast Driving/Competition”, „Maintaining legen, jedoch keine Kausalbeziehungen nachwei- Progress” und „Anger/Hostility” noch Items zur sen (MÖHRING & SCHLÜTZ, 2003). Statistische Dimension „Fahrweisen zur Erregungssteige- Zusammenhänge (Korrelationen) sind jedoch als rung” (z. B. „Wie oft schneiden Sie Linkskurven, Voraussetzung für kausale Zusammenhänge zu be- um einen kleinen „Kick” zu verspüren?”) ergänzt. trachten (solange komplexe Interaktionen mit Dritt- variablen 'wahre' Kausalbeziehungen nicht mas- Für die übrigen Konstrukte wurden neue Messin- kieren bzw. überlagern). Innerhalb der Logik des strumente entwickelt: Gesamtprojekts stellt die Querschnittsbefragung daher den sinnvollsten Schritt zur Ausdehnung des · Die Einstellung zu Verkehrsregeln wurde in all- Erkenntnishorizonts über die bisherigen inhalts- gemeiner Form (d. h. nicht speziell bezogen auf analytischen und qualitativen Befragungsergebnis- einzelne Regeln) erhoben, dabei wurden unter se hinaus dar. anderem Itementwürfe von DULA und BALLARD (2003) verarbeitet (8 Items).

6.2.1 Operationalisierung der Konstrukte · Das Meinungsklima im sozialen Umfeld wurde gemäß der Argumentation von PARKER und Bei der Umsetzung der zu betrachtenden Variablen MANSTEAD (1996) operationalisiert, indem die (Nutzung von Renncomputerspielen, problemati- Einschätzung der Befragten dazu erbeten sche Formen des Fahrverhaltens sowie der ange- wurde, wie Personen aus ihrem direkten sozia- sprochenen Drittvariablen) in einen Fragebogen len Umfeld (die „relevant others”: Partner/in, wurde eine möglichst enge Anlehnung an bereits Freunde/innen, Eltern) auf typische problemati- etablierte und veröffentlichte Messverfahren ange- sche Fahrweisen (Geschwindigkeitsübertretung strebt. So wurden in einer Tempo-70-Zone, Überfahren einer roten Ampel unter Zeitdruck, dichtes Auffahren bei · die Items zum Lebensstil dem Fragebogen von hohem Tempo) reagieren würden. SCHULZE (1999) mit einigen Kürzungen ent- nommen (und um Fragen zur fahrzeugbezoge- · Als Ergänzung zum deutschsprachigen DBQ nen Mediennutzung ergänzt), (s. o.) wurde die abhängige Variable des prob- 60

lematischen Fahrverhaltens durch eine an den Computerspielnutzern als auch unter den auf- SCHULZE (1999) angelehnte Messung der bis- fälligen jungen Autofahrern nur kleine Minderhei- herigen Unfallbeteiligung erweitert. ten). Die Teilnehmerinnen erhielten einen modifi- zierten Fragebogen, der zwar die zentralen Varia- · Schließlich wurde die zentrale 'unabhängige Va- blen (Rennspielnutzung und problematische Fahr- riable', das Ausmaß der Nutzung von Renncom- weisen) in identischer Form misst wie der Männer- puterspielen (das auch zentral für die Deskription fragebogen, jedoch um die meisten zu kontrollie- der Nutzerschaft solcher Spiele ist), anhand ver- renden Drittvariablen gekürzt wurde. Der dadurch schiedener Indikatoren gemessen. Ausgangs- entstandene Freiraum wurde in Absprache mit der punkt der Überlegungen waren bekannte Vali- BASt für eine Grundlagenstudie über Computer- ditätsprobleme der Messung von Mediennut- spielpräferenzen bei Frauen verwendet. zung über Selbstauskünfte und Schätzungen. Moderne Methoden basieren hier sämtlich auf 6.2.2 Rekrutierung der Probanden/innen Tagebuchdaten oder maschinellen Messungen (z. B. über Set-Top-Boxen am Fernseher oder Um die definierte Zielgruppe von „jungen Fahrern/ Audiosensoren zur Identifikation von für die Per- innen” zwischen 18 und 24 Jahren zu erreichen, son hörbaren Radioprogrammen). Aus diesem wurde der Kontakt zu Bildungsinstitutionen, die Grund wurden die Befragten für eine Reihe be- eine Teilnahme im Rahmen von Klassenverbänden kannter, im Rahmen der vorangegangenen In- oder am Rande von Lehrveranstaltungen ermögli- haltsanalyse sowohl als problematisch als auch chen konnten, gesucht. Im Stadtbereich Hannover als weniger bedenklich eingestufter Rennspiele konnte eine Reihe von berufsbildenden Schulen um Auskunft darüber gebeten, ob sie von dem und Gymnasien für die Teilnahme gewonnen wer- Spieletitel schon einmal etwas gehört oder gele- den. Außerdem stellten die Universität und die sen haben (schwächster, aber sehr genauer Indi- Fachhochschule Hannover öffentliche Räume (Bib- kator für Nutzungsintensität), wie viele Male sie liotheks- und Cafeteriabereiche) für Einzelerhebun- das Spiel ungefähr schon genutzt haben (stärke- gen mit interessierten Studierenden zur Verfügung. rer, aber ungenauer Indikator) und wie viele Stun- Mit den teilnehmenden Schulen wurden durchweg den sie schätzungsweise schon mit dem Spiel Erhebungstermine vereinbart, in denen Klassenver- verbracht haben (stärkster, aber sehr ungenauer bände bzw. Gymnasialkurse geschlossen den aus- Indikator). Diese Größen wurden darüber hinaus gehändigten Fragebogen ausfüllten. Zum Dank er- für eine Reihe weiterer populärer Computerspie- hielten die Klassen pro Teilnehmer/in einen Euro le anderer Genres ermittelt, um zu prüfen, inwie- (1,00 Euro) für die Klassenkasse; in einem Fall fern Rennspielnutzung zu einem spezifischen übernahm die Schulleitung den Gesamtbetrag für Profil von Computerspielnutzung gehört oder alle teilnehmenden Schüler/innen in den Gesamt- aber Teil einer allgemeinen Freizeitpräferenz für schulhaushalt. Die Einzelerhebungen mit Studie- Computerspiele ist. renden wurden nicht mit Bargeld entlohnt, sondern jede/r Teilnehmer/in erhielt zum Dank eine Tafel · Der Zusatzapekt der potenziellen Akzeptanz von Schokolade ihrer/seiner Wahl. In allen Erhebungs- Fahrlernspielen wurde mit Hilfe von drei hypo- situationen wurde darauf geachtet, Personen aus- thetischen Fragen (z. B. „Mit solchen Lernspielen zuschließen, die (noch) nicht im Besitz eines Füh- würde ich mich nur beschäftigen, wenn das in rerscheins für Pkw waren. der Fahrausbildung anerkannt würde (z. B. als Teil der Theorieprüfung)”) operationalisiert. Die Erhebung lief von Oktober bis Dezember 2003. Tabelle 6.1 gibt einen Überblick der auf diese Abschließend wurden einige soziodemografische Weise rekrutierten Stichprobe. Insgesamt nahmen Kenngrößen (Alter, Geschlecht, Bildungsstand, be- rufliche Tätigkeit) erhoben, die eine bessere Cha- rakterisierung der Stichprobe und zugleich eine Ort Männer Frauen Gesamt Segmentierung in unterschiedlich sozialisierte Uni Hannover (Bibliothek) 216 121 337 Gruppen (z. B. Berufsschüler/innen versus Studie- FH Hannover (Hauptgebäude) 115 23 138 rende) erlaubt. Der Fragebogen wurde mit den hier Berufsschulen in Hannover 371 73 444 benannten Komponenten nur den männlichen Stu- Gymnasien in Hannover 112 100 212 dienteilnehmern ausgehändigt, weil sie die Haupt- Gesamt 814 317 1.131 risikogruppe darstellen (Frauen bilden sowohl unter Tab. 6.1: Übersicht der rekrutierten Probanden/innen 61

1.131 Personen teil, also deutlich mehr, als ur- Höchstgrenzen wurden bei 200 (Häufigkeit) bzw. sprünglich angezielt war. Die Kooperationsbereit- 400 (Dauer) gesetzt. 200 Sitzungen mit einem Spiel schaft großer Berufsschulen trug maßgeblich zu spiegeln eine extrem häufige Beschäftigung wider; diesem erfreulichen Rücklauf bei. Werte, die noch größer sind, dürften allenfalls auf (ungenaue) Schätzungen oder aber absichtliche Übertreibungen der Befragten zurückgehen. Ana- 6.3 Ergebnisse log dazu entsprechen 400 Stunden Gesamt- Die Ergebnisdarstellung beginnt mit der univariaten spieldauer 50-Tages-Perioden à 8 Stunden, was Deskription der Rennspielnutzung (Kapitel 6.3.1) ebenfalls ein extrem hoher Wert ist und von und der Charakterisierung von Rennspiel-Vielnut- einem/einer gegebenen Spieler/in sicherlich nicht zern anhand von demografischen und lebensstil- für mehrere verschiedene Spiele zu 'leisten', ist, bezogenen Variablen (Kapitel 6.3.2). Anschließend aber im Falle sehr hohen Involvements zumindest wird das Fahrverhalten univariat ausgewertet (Ka- denkbar erscheint. Dennoch sind die angesetzten pitel 6.3.3), um dann bivariate Zusammenhänge Grenzen natürlich willkürlich gezogen. Ihre Anwen- zwischen Rennspielgebrauch und Fahrverhalten zu dung führte zum Ausschluss von 70 Fällen, die beleuchten (Kapitel 6.3.4). Zusätzliche Kontrollva- mindestens eine unplausible Angabe gemacht und riablen werden in den folgenden beiden Abschnit- deshalb für alle nachfolgenden Analysen eliminiert ten einbezogen (Kapitel 6.3.5 und Kapitel 6.3.6). wurden. Abschließend wird dann eine multivariate Gesamt- Die Deskription der Rennspielkenntnis und Nut- analyse vorgestellt (Kapitel 6.3.7) und die Akzep- zung zeigt zum einen eine enorme Streuung in allen tanz für Fahrlernspiele analysiert (Kapitel 6.3.8). drei herangezogenen Indikatoren und zum ande- ren einen massiven Geschlechterunterschied. 6.3.1 Ausmaß der Nutzung von Computer- Frauen weisen eine deutlich geringere durch- rennspielen in der Stichprobe schnittliche Kenntnis und Nutzung von Computer- rennspielen auf als Männer, sodass für Frauen auch Die Kenntnis und Nutzung von Computerrennspie- kaum von einem breit auftretenden Einfluss auf das len wurden anhand von 14 populären Vertretern die- Fahrverhalten ausgegangen werden kann. Die be- ses Genres (Grand Theft Auto 3, Gran Tourismo 3, fragten Männer haben dagegen im Durchschnitt Need for Speed Reihe, Colin McRae Rallye Reihe, mehr als 85 Stunden mit den genannten Rennspie- Grand Theft Auto/Vice City, DTM Race Driver, Mid- len verbracht; hier ist demnach von einer recht night Club 2, Burnout 2, Project Gotham Racing, großen Gruppe von Vielspielern auszugehen (vgl. Grand Prix Reihe, Ralleysport Challenge, Super Kapitel 6.3.2), deren Anfälligkeit für Einflüsse in Mario Kart, Mafia, F1 Reihe/Electronic Arts) ge- ihrem Fahrverhalten von besonderem Interesse messen. Für jedes dieser Spiele gaben die Befrag- ten an, ob sie schon etwas über dieses Spiel sein wird. gehört hatten (Kenntnis), wie viele Male sie es schon gespielt hatten (Häufigkeit) und wie viele Indikator Gesamt: Männer: Frauen: Stunden sie damit bisher verbracht hatten (Dauer). Mittelwert (M) M (SD), n M (SD), n Die Titel bzw. Spieleserien „Super Mario Kart” und (Standardab- „Need for Speed” wurden in der Stichprobe dem- weichung, SD) 5.26 6.40 2.35 nach am intensivsten genutzt; „Rallyesport Chal- Kenntnis (4.02) (4.00) (2.23) (Anzahl Titel) lenge” und „Burnout 2” am wenigsten. Tabelle 6.2 n = 1.102 n = 791 n = 311 gibt die Durchschnitts- bzw. durchschnittlichen Häufigkeit 53.24 72.06 9.25 Summenwerte der drei Indikatoren Kenntnis, Häu- (Anzahl (110.03) (126.08) (22.51) figkeit und Dauer über alle abgefragten Titel hin- Spielesitzungen) n = 1.021 n = 715 n = 306 weg an. Dabei ist zu vermerken, dass für die Häu- Dauer 63.25 86.92 7.93 (Anzahl der (127.99) (145.76) (25.77) figkeits- und Dauervariablen plausibilitätsbasierte Spielstunden) n = 1.021 n = 715 n = 306 Obergrenzen bei den Angaben der Befragten defi- Tab. 6.2: Ausmaß der Rennspiel-Kenntnis und -Nutzung in der niert wurden. In Einzelfällen wurden hier extrem Stichprobe, ermittelt über die drei Indikatoren Kennt- hohe Ausprägungen (z. B. 100.000 Stunden Nut- nis (Anzahl bekannter Titel aus der Liste der 14 vor- zungsdauer) angegeben. Zur Ermittlung dieser gegebenen Rennspiele), Häufigkeit (Summe von Spielesitzungen über alle 14 abgefragten Titel hin- Größen wurden Fälle mit mindestens einer unplau- weg) und Dauer (Summe der Zeiten, die mit allen ab- sibel hohen Angabe nicht berücksichtigt. Die gefragten 14 Titeln insgesamt verbracht wurde) 62

Kenntnis Häufigkeit Höchster Bildungsab- Vielnutzer von Renn- Reststichprobe Häufigkeit .42** (n = 1.026) schluss spielen (n = 200) (n = 793) Dauer .43** (n = 1.026) .67** (n = 1.025) noch Schüler 17 % 16.4 % Mit ** gekennzeichnete Werte sind signifikant (p < .01 Hauptschulabschluss 4.5 % 2.5 % Realschulabschluss 47 % 25.7 % Tab. 6.3: Korrelationen (Pearson's r) zwischen den drei Indika- toren der Rennspielnutzung (Fach-)Abitur 28.5 % 46 % Uni-/FH-Abschluss 3.0 % 9.3 %

Für die Kennzeichnung von Vielnutzern/innen Tab. 6.4: Höchster erreichter Bildungsabschluss der Renn- sowie die anstehenden multivariaten Berechnun- spiel-Vielnutzer im Vergleich zur Reststichprobe gen zum Einfluss der Rennspielnutzung auf das Fahrverhalten ist noch zu klären, ob die drei Indizes Sitzungen angegeben und liegen im Durchschnitt zu einem Wert zusammengefasst werden sollten. bei 203.3 Sitzungen (zum Vergleich: Die unteren 80 Tabelle 6.3 gibt die Korrelationen zwischen den drei Prozent der Stichprobe liegen bei 15.7 Sitzungen). Werten für die Gesamtstichprobe an. Ein ganz ähnlicher Unterschied ergibt sich hinsicht- lich der selbst berichteten kumulierten Rennspiel- Während die Häufigkeits- und Dauerindikatoren dauer (durchschnittlich 218 Stunden bei den obe- einen starken Zusammenhang aufweisen, liegt die ren 20 Prozent versus 24 Stunden bei den unteren Korrelation zwischen der Kenntnisvariable und die- 80 Prozent). Signifikante Gruppenunterschiede sen beiden Kenngrößen nur im mittleren Bereich. zwischen Vielnutzern und der Reststichprobe erge- Keiner der ermittelten Zusammenhangswerte ben sich für die Nutzungshäufigkeit jedes der 14 rechtfertigt indes die Verdichtung von Indikatoren abgefragten Rennspiele. Insofern liefert das alter- zu einem Index, sodass für die nachfolgenden Ana- native Auswahlkriterium eine solidere Fallbasis, die lysen sowohl die Häufigkeits- als auch die Dauer- dennoch den Anspruch, aus „Heavy Usern” zu be- variablen berücksichtigt werden müssen. stehen, voll und ganz erfüllt. Ihre Kennzeichnung anhand demografischer und lebensstilbezogener Größen (im Vergleich zur Reststichprobe) vervoll- 6.3.2 Wer spielt Computerrennspiele? Zur ständigt daher die deskriptive Analyse und beant- Kennzeichnung von Vielnutzern/innen wortet die Frage nach den Eigenschaften von Die Diagnose der durchschnittlichen Nutzung von Rennspiel-Vielnutzern. Rennspielen in der Gesamtstichprobe muss durch Die Vielnutzer sind größtenteils männlich. Nur acht differenziertere Betrachtungen insbesondere von Frauen befinden sich in dieser Gruppe (ca. 4 %). Vielnutzern/innen und ihren Eigenschaften ergänzt Der Frauenanteil an der Reststichprobe beträgt da- werden. Ein typisches Vorgehen zur Identifikation gegen 36.5 Prozent. Mit Blick auf das Alter fällt der von Extremgruppen ist die Konzentration auf Per- Gruppenunterschied nicht so deutlich aus: Die Viel- sonen, deren Merkmalsausprägung (in diesem Fall: nutzer sind mit durchschnittlich 20.7 Jahren jünger Rennspielnutzung) mehr als eine Standardabwei- (und dabei altershomogener) als die Reststichpro- chung über dem Gesamtmittelwert (vgl. Kapitel be mit 22.5 Jahren. Die Vielnutzer von Rennspielen 6.3.1) liegt. Für die Kenngröße der (über alle abge- sind formal eher schlechter gebildet: Während der fragten Titel summierten) Spielhäufigkeit sind das Anteil der Schüler in beiden Vergleichsgruppen Personen, die mehr als 163 Spielesitzungen ange- ähnlich ist, gehören den Vielnutzern (deutlich) mehr geben haben (n = 96), für die kumulierte Spieldau- Haupt- und Realschüler, aber erkennbar weniger er die Personen, die mehr als 191 Stunden genannt Abiturienten und Hochschulabsolventen an als der haben (n = 106). Diese Fallbasis erscheint jedoch Reststichprobe (vgl. Tabelle 6.4). im Verhältnis zur Gesamtstichprobe zu gering (An- teil ca. 10 %). Eine aussagekräftigere Selektion von Mehr als die Hälfte der Vielspieler (55 %) besucht Vielnutzern/innen soll daher anhand eines alterna- eine Berufsschule (Reststichprobe: 33 %). Inner- tiven Kriteriums vorgenommen werden. Betrachtet halb der Subgruppen der Auszubildenden gibt es werden daher im Folgenden die Personen, die hin- zwischen Vielnutzern und der Vergleichsgruppe nur sichtlich ihrer Rennspielnutzung (gemessen am geringfügige Unterschiede bezüglich der berufli- vermutlich genaueren Indikator der selbst berichte- chen Ausrichtung. Der Anteil der Handwerker ist ten Spielhäufigkeit) zu den obersten 20 Prozent der bei den Vielspielern etwas höher (31 Prozent) als Stichprobe gehören. Die so ermittelten 204 Perso- unter den Auszubildenden der Reststichprobe (22 nen haben eine Spielhäufigkeit von mindestens 89 Prozent); ein umgekehrter Unterschied besteht in 63

Bild 6.1: Profilvergleich zwischen Vielnutzern von Rennspielen und der Reststichprobe mit Blick auf die erhobenen Freizeitaktivitä- ten (Lebensstilanalyse). Alle Items waren von 1 („nie”) bis 5 („sehr oft”) skaliert der Kategorie „Sonstiges”, während in der insge- häufigkeit über alle Nicht-Rennspiele auf und ver- samt häufigsten Kategorie „Industrie/Produktion” gleicht sie zwischen Rennspiel-Vielnutzern und der keine nennenswerten Differenzen zu beobachten Reststichprobe, entsteht ein eindeutiges Bild: Im sind. Nach der Beschreibung über demografische Durchschnitt haben die Vielnutzer (M = 196.8) die Variablen stellt sich die Gruppe der Rennspiel-Viel- Nicht-Rennspiele etwa fünfmal häufiger genutzt als nutzer also als dominiert von eher jüngeren Män- die Reststichprobe (M = 38.7). Von dieser Analyse nern mit mittlerem Bildungsabschluss dar, die auch wurden die Personen ausgeschlossen, die unplau- eher einem Ausbildungsberuf nachgehen bzw. sible Nutzungsangaben für mindestens einen der einen solchen erlernen als eine akademische Lauf- 14 Titel aus dem Bereich der anderen Spielgenres bahn beschreiten. gemacht hatten (verbleibende Gesamtstichprobe: n = 778). Die Rennspiel(-viel-)nutzung stellt sich Die erhobenen Daten erlauben es, neben den de- daher nicht als spezifisches Muster dar – die Prä- mographischen Kenngrößen auch das Freizeitver- ferenz für Rennspiele ist also nicht als eigenständi- halten zur Beschreibung von Vielspielern heranzu- ge Vorliebe, die unabhängig von der Neigung zu ziehen. Hierzu werden die Aussagen zur generellen anderen Spielgenres ist, zu rekonstruieren. Viel- Computerspielnutzung und zum Lebensstil ver- mehr sind Vielnutzer von Rennspielen auch Vielnut- wendet. Bezüglich des Computerspielgebrauchs zer von Computerspielen im Allgemeinen. ergibt sich, dass die Vielnutzer von Rennspielen auch die anderen abgefragten Spiele deutlich in- Auch bezüglich der Lebensstilpräferenzen finden tensiver nutzen als die Vergleichsgruppe. Für jedes sich deutliche Unterschiede zwischen den Vielnut- der 14 abgefragten Nicht-Rennspiele ergab sich zern von Rennspielen und der Vergleichsgruppe. ein hochsignifikanter Unterschied in der Spielhäu- Bild 6.1 stellt das durchschnittliche Ausmaß der figkeit. Summiert man die selbst berichtete Spiel- thematischen Aktivitäten in beiden Gruppen ge- 64

genüber, wobei die Ordnungsreihenfolge mit den 6.3.3 Dimensionen und Ausmaß problemati- Aspekten beginnt, in denen die Vielnutzer (deutlich) schen Fahrverhaltens in der Stichprobe stärkere durchschnittliche Ausprägungen aufwei- Nach der Deskription der 'unabhängigen' Variable sen als die Reststichprobe, dann übergeht zu den der Rennspielnutzung und der Kennzeichnung von Items mit (großen) Ähnlichkeiten zwischen den „Heavy Usern” folgt nun die Betrachtung der Er- Gruppen und zuletzt die Lebenstilkomponenten gebnisse, die mit dem Instrument zum (problemati- aufführt, in denen Vielnutzer (deutlich) geringere schen) Fahrverhalten gewonnen wurden. Die 25 Ausprägungen aufweisen als die Wenignutzer. Items waren a priori einer Vier-Dimensionen-Struk- Es ergibt sich ein recht eindeutiges Muster: Der tur zugeordnet worden (nämlich drei Faktoren aus Lebensstil von Rennspiel-Vielnutzern ist stärker dem DBQ: Fast driving/competition, Maintaining „action-orientiert” als der Lebensstil der Ver- progress und Anger/hostility sowie einer zusätzli- gleichsgruppe. Vielspieler interessieren sich stärker chen Dimension „Fahrweisen zur Erregungssteige- für die Ausübung und Rezeption von Sport, insbe- rung”). Zur Prüfung der dimensionalen Struktur sondere auch Rennsport, beschäftigen sich mehr wurden zunächst die 20 ursprünglichen DBQ-Items mit ihrem Fahrzeug und bevorzugen Fernsehange- einer Faktorenanalyse unterzogen; anschließend bote gegenüber Druckmedien. Zu Hause ist die wurde für die fünf Items der zusätzlichen, deduktiv Computernutzung eine wichtige Tätigkeit, während fomulierten vierten Dimension (erregungsteigernde andere häusliche Aktivitäten (z. B. Zeit mit der Fa- Fahrweisen) eine Reliabilitätsanalyse vorgenom- milie zu verbringen) deutlich schwächer ausge- men. prägt sind als in der Reststichprobe. Ein letzter Die Faktorenanalyse der 20 Items, die (mit leichten – insbesondere für die Verkehrssicherheit relevan- Modifikationen) aus dem deutschsprachigen DBQ ter – Aspekt zur Kennzeichnung der Vielnutzer von von KRAHÉ und FENSKE (2002) übernommen wur- Rennspielen ist die reale Fahrleistung in den ver- den, konnte die ursprüngliche Dimensionsstruktur gangenen 12 Monaten. Hier geben die Vielnutzer nicht reproduzieren, sondern ergab eine sinnvoll in- (durchschnittlich 15.485 km) an, etwa 1.25-mal terpretierbare vierfaktorielle Lösung. Die Faktoren mehr Kilometer gefahren zu sein als die Reststich- decken sich zum Teil mit den Befunden von KRAHÉ probe (12.568 km). und FENSKE (2002) oder sind gut mit ihnen verein- Aus den Daten ergibt sich das Bild des mobilen, er- bar. Sie wurden wie folgt benannt: lebnisorientierten jungen Mannes, der sich für star- · Faktor 1: Aggressive, rachemotivierte Fahrwei- ke Reize und Dynamik begeistert, von kontempla- sen (6 Items mit hoher Ladung, 34 % Varianz- tiv-zurückgezogenen Aktivitäten hingegen wenig aufklärung), hält. Renncomputerspiele passen in dieses Präfe- renzmuster, weil sie zum einen das Interesse am · Faktor 2: Maintaining Progress wie im Original- Motorsport bedienen und zum anderen eine weite- DBQ (5 Items mit hoher Ladung, 8 % Varianz- re Quelle für stimulierende Erfahrungen darstellen. aufklärung), Der (intensive) Gebrauch solcher Spiele stellt sich · Faktor 3: Competition (4 Items mit hoher La- demnach als gut integrierte Komponente eines für dung, 6 % Varianzaufklärung), die junge Generation typischen Lebensstilmusters (Erlebnisorientierung) dar. Diese Befunde stützen · Faktor 4: Feindselige Kommunikation gegen- die Ausgangsüberlegungen des Projekts, wonach über anderen Fahrern/innen (4 Items mit hoher sich die Relevanz der übergeordneten Problemstel- Ladung, 5 % Varianzaufklärung). lung auch daraus ergibt, dass sich die Gruppe der Das Item „Wie oft sind Sie auf ein an Ihnen vorbei- Vielnutzer von Rennspielen stark mit der Hauptrisi- fahrendes Auto, das während des Überholens kogruppe im Straßenverkehr überschneidet. Diese hupt, so wütend, dass Sie ihm hinterherjagen Überschneidung bezieht sich, wie die Ergebnisse könnten?” konnte aufgrund multipler Ladungen zeigen, nicht allein auf demografische Kenngrößen, keinem Faktor eindeutig zugeordnet werden. Es sondern lässt sich auch inhaltlich-konzeptuell an- enthält offensichtlich Bezüge zu mehreren der se- hand von Lebensstilpräferenzen dokumentieren parierten Dimensionen. Die Faktorwerte für die er- (vgl. zu den Lebensstilpräferenzen junger Fahrer: mittelten vier Faktoren wurden als Variablen für die SCHULZE, 1999). angestrebten multivariaten Analysen abgespei- chert. 65

Mit Hilfe einer Reliabilitätsanalyse wurden die fünf das Bild einbezogen werden, wird ergänzend zu verbleibenden Items zu Fahrweisen zur Erregungs- den fünf Dimensionen des problematischen Fahr- steigerung auf ihre Brauchbarkeit überprüft. Sie er- verhaltens die (selbst verschuldete) Unfallbeteili- reichten eine zufrieden stellende Homogenität gung als weiterer Indikator für riskantes Auftreten (Cronbach's α = .80; n = 1.023), die auch nicht im Straßenverkehr herangezogen und zur Renn- durch Elimination einzelner Items verbessert wer- spielnutzung in Beziehung gesetzt werden. Dabei den konnte. Aus den fünf Items wurde daher ein ergeben sich jedoch nur schwache Zusammenhän- Mittelwertindex „Häufigkeit der Fahrweisen zu Er- ge, die sich sämtlich im Zufallsbereich bewegen. regungssuche” gebildet (M = 2.22, SD = .97; min = 1.00, max = 5.60). Er stellt die fünfte Variable zur 6.3.5 Kontrolle von Drittvariablen: Geschlecht, datenanalytischen Abbildung des Konstrukts Alter, Fahrleistung und Lebensstil „problematische Fahrverhaltensweisen” dar. Um die Tragfähigkeit der gefundenen Korrelationen zwischen Rennspielnutzung und problematischem 6.3.4 Zusammenhang zwischen Rennspielnut- zung und problematischem Fahrverhalten Fahrverhalten zu prüfen, werden nun in mehreren Schritten die theoretisch hergeleiteten und vermu- Ausgehend von der deskriptiven Analyse und Auf- teten externen Einflussgrößen in die Analyse einbe- bereitung der erhobenen Daten zur Rennspielnut- zogen. Dabei werden zunächst die Größen be- zung und zum problematischen Fahrverhalten wer- trachtet, welche für die Gesamtstichprobe erhoben den im nächsten Schritt die gebildeten Kenn- wurden: Geschlecht, Alter, Lebensstil und Fahrleis- größen korrelativ zueinander in Beziehung gesetzt. tung. Für die männliche Teilstichprobe stehen wei- Ausgangspunkt ist dabei zunächst die Gesamt- tere Kontrollvariablen zur Verfügung, sie werden im stichprobe; Kontrollvariablen (einschließlich des kommenden Kapitel eingeführt (vgl. Kapitel 6.3.6). Geschlechts) werden erst im nächsten Schritt berücksichtigt (vgl. 6.3.5). Tabelle 6.5 stellt die Zu- Dem Geschlecht kommt nach den bisherigen Er- sammenhänge zwischen den Indikatoren der un- kenntnissen eine Doppelrolle bei der Moderation abhängigen Variable „Rennspielnutzung” und der des Zusammenhangs zwischen Rennspielnutzung abhängigen Variable „problematisches Fahrverhal- und Fahrverhalten zu: Zum einen sind Frauen we- ten” dar. niger auffällig im Straßenverkehr; zum anderen spielen sie auch seltener Computer(-renn-)spiele. Ohne Kontrolle von Drittvariablen ergibt sich ein Ein Vergleich der Zusammenhänge zwischen UVs schwacher bis mäßiger Zusammenhang zwischen und AVs bei Männern versus Frauen ist daher ein der Nutzung von Rennspielen und den verschiede- wichtiger Schritt, mit dem die Vertiefung der Analy- nen Dimensionen des Fahrverhaltens. Aufgrund se begonnen werden soll. Tabelle 6.6 repliziert die dieser Befunde ist ein Einfluss der Rennspielnut- Korrelationsanalysen aus Kapitel 6.3.4 für die nach zung auf das Fahrverhalten zumindest nicht auszu- Geschlecht differenzierten Teilstichproben. schließen. Bevor die erhobenen Drittvariablen in

Rennspielhäufigkeit Rennspieldauer Indikator Rennspiel- Renn- Männer Frauen Männer Frauen Indikator häufigkeit spieldauer DBQ-F1: Aggressive, rachemoti- .02 -.07 -.04 -.05 DBQ-F1: Aggressive, rachemotivierte .07* .02 vierte Fahrweisen n = 682 n = 290 n = 682 n = 290 Fahrweisen n = 972 n = 972 .06 .02 .05 .01 DBQ-F2: Maintaining Progress .11** .10** n = 682 n = 290 n = 682 n = 290 DBQ-F2: Maintaining Progress n = 972 n = 972 .15** .00 .14** .03 DBQ-F3: Competition .15** .15** n = 682 n = 290 n = 682 n = 290 DBQ-F3: Competition n = 972 n = 972 DBQ-F4: Feindselige Kommuni- .05 .04 .11* .05 DBQ-F4: Feindselige Kommunikation .05 .10** kation mit anderen Fahrern/innen n = 682 n = 290 n = 682 n = 290 mit anderen Fahrern/innen n = 972 n = 972 Dimension 5: Fahrweisen zur Er- .14** .05 .18* .01 Dimension 5: Fahrweisen zur Erre- .21** .24** regungssteigerung n = 711 n = 306 n = 711 n = 306 gungssteigerung n = 1.017 n = 1.017 mit ** gekennzeichnete Werte sind mit p < .01 signifikant mit ** gekennzeichnete Werte sind mit p < .01 signifikant Tab. 6.6: Vergleich der bivariaten Zusammenhänge zwischen Tab. 6.5: Bivariate Zusammenhänge (Pearson's r) zwischen der Rennspielnutzung und problematischem Fahrverhal- Nutzung von Computerrennspielen und den Dimen- ten (5 Dimensionen) bei Männern und Frauen (jeweils sionen des problematischen Fahrverhaltens Pearson's r) 66

Es zeigt sich, dass die Betrachtung des zur Dis- merhin 91 Personen im Alter von 25 und 26 Jahren kussion stehenden Zusammenhangs unter Einbe- ein, sodass diese Fälle in der Analysestichprobe ziehung der weiblichen Teilstichprobe zu einer belassen wurden. Insgesamt wurden jedoch 128 Überschätzung der Einflüsse auf fast allen Dimen- Fälle, die ihr Alter mit höher als 26 Jahren angege- sionen des Fahrverhaltens geführt hat. Dieser Ef- ben hatten, von der Analyse ausgeschlossen (ver- fekt ist insofern erklärbar, als dass die weibliche bleibende Stichprobengröße n = 904; durchschnitt- Teilstichprobe den relativen Anteil der Personen, liches Alter M = 21.00; SD = 2.34). Ob ein nen- die wenig Rennspiele nutzen und zugleich wenig nenswerter Zusammenhang zwischen Alter und problematische Fahrweisen an den Tag legen, den im Rahmen der Fragestellung relevanten Varia- überproportional ansteigen lässt. Dadurch ergeben blen besteht, wurde anhand einer Korrelationsma- sich insgesamt erhöhte Korrelationskoeffizienten. trix überprüft (Tabelle 6.7). Die Kontrolle der Geschlechtsvariable hat also eine Die Befunde zeigen, dass es mittelschwache nega- Überschätzung des Zusammenhangs offenbart; al- tive Zusammenhänge zwischen Alter und Renn- lerdings bleibt in der (wie oben begründet relevan- spielnutzung gibt, dass aggressiv-rachemotiviertes teren) männlichen Teilstichprobe der signifikante Fahren mit zunehmendem Alter häufiger berichtet und zumindest nicht sehr nahe an „Null” liegende wird, kompetitive Verhaltensweisen im Straßenver- Zusammenhang (zwischen .14 und .18) zwischen kehr hingegen abnehmen. Eine Differenzierung die- Rennspielnutzung und Fahrverhalten auf den Di- ser Zusammenhänge nach Geschlecht führt zu den mensionen „Competition” und „Erregungssteige- Ergebnissen, rung” bestehen. · dass die negativen Zusammenhänge zwischen Für die Kontrolle des Alters wurden zunächst alle Alter und Rennspielnutzung bei Frauen und Personen aus der Stichprobe eliminiert, die älter Männern auftreten (bei Männern jedoch etwas als 26 Jahre waren. Die angestrebte Zielgruppe stärker ausgeprägt sind), umfasst zwar nur Personen zwischen 18 und 24 Jahren, doch schließt die erreichte Stichprobe im- · dass der signifikant positive Zusammenhang zwischen Alter und dem DBQ-F1 (aggressives Korrelation mit Alter Fahren) ebenfalls bei beiden Geschlechtern Indikator (in Jahren), n existiert (bei den Frauen jedoch mit r = .19** fast -.14** Rennspielhäufigkeit doppelt so stark ausgeprägt ist wie bei den (n = 837) Männern) und -.12** Rennspieldauer (n = 894) · dass die in der Gesamtstichprobe gefundene DBQ-F1: Aggressive, rachemotivierte .13** negative Korrelation zwischen Alter und kompe- Fahrweisen (n = 862) titivem Fahren gänzlich auf die männliche Teil- .04 DBQ-F2: Maintaining Progress stichprobe (r = -.19**) zurückgeht, während er in (n = 862) der weiblichen Stichprobe nicht vorliegt. -.1 3** DBQ-F3: Competition (n = 862) Zur Kontrolle des Alters wurden daher die beiden DBQ-F4: Feindselige Kommunikation -.02 Indikatoren zur Rennspielnutzung sowie die abhän- mit anderen Fahrern/innen (n = 862) gigen Variablen DBQ-F1 und DBQ-F3 um ihre Ko- Dimension 5: Fahrweisen zur -.03 Erregungssteigerung (n = 900) varianz mit dem Alter bereinigt und dann erneut zu- Werte mit ** sind mit p < .01 signifikant einander in Beziehung gesetzt (Partialkorrelatio- nen). Tabelle 6.8 stellt die Befunde dieser Analyse Tab. 6.7: Zusammenhang zwischen Alter der Befragten und den zentralen UVs sowie AVs (jeweils Pearson's r) wiederum nach Geschlechtern differenziert dar.

Rennspielhäufigkeit (bereinigt um Alter) Rennspieldauer (bereinigt um Alter) Indikator Gesamt Männer Frauen Gesamt Männer Frauen DBQ-F1: Aggressive, rachemotivierte .11** .07 -.02 .05 -.01 -.01 Fahrweisen (bereinigt um Alter) n = 852 n = 580 n = 272 n = 852 n = 580 n = 272 .12** .07 .06 .12** .07 .10 DBQ-F3: Competition (bereinigt um Alter) n = 852 n = 580 n = 272 n = 852 n = 580 n = 272 mit ** gekennzeichnete Werte sind mit p < .01 signifikant

Tab. 6.8: Partialkorrelationen unter Kontrolle des Alters (Pearson's r) zwischen den Indikatoren der Rennspielnutzung und zwei Di- mensionen des problematischen Fahrverhaltens (aggressives Fahren, wettbewerbsorientiertes Fahren) 67

Die gleichzeitige Kontrolle von Alter und Ge- bei Männern alle für die Gesamtstichprobe ge- schlecht zeigt, dass der ursprünglich gefundene nannten Korrelationen überzufällig sind. Eine Kon- Zusammenhang zwischen Rennspielnutzung und trolle der Fahrleistung als Drittvariable muss ent- problematischen Fahrweisen für die verbleibende sprechend die Werte in den angesprochenen Di- Gesamtstichprobe noch einmal schwächer ausfällt. mensionen des Fahrverhaltens korrigieren. Dazu Während sich die Zusammenhänge für die Ge- wurden alle fünf Dimensionen des Fahrverhaltens samtstichprobe im überzufälligen Bereich bewe- durch multiple Regressionen um den Einfluss des gen, findet sich für keine der geprüften Relationen Alters und der Fahrleistung bereinigt. Mit den ver- beim Geschlechtervergleich ein substanzieller bleibenden Residuen wurden erneut die Zusam- und/oder signifikanter Korrelationswert. Die Nut- menhänge zu den (um die Kovarianz mit dem Alter zung der Kontrollvariablen hat sich damit schon bereinigten) Indikatoren der Rennspielnutzung er- jetzt als hilfreich erwiesen, um eine Überschätzung mittelt (Tabelle 6.9). des zur Debatte stehenden Zusammenhangs zu vermeiden. Zugleich legen diese Befunde nahe, Betrachtet man den Zusammenhang zwischen stärker auf nicht-lineare Zusammenhänge zu prü- Rennspielnutzung und problematischem Fahrver- fen. Die Konzentration auf die männliche Teilstich- halten anhand multipler Indikatoren unter Kontrolle probe wird demnach durch eine Fokussierung auf von Geschlecht, Alter und Fahrleistung, ergeben die jüngste untersuchte Gruppe (die 18- und 19- sich nur noch 'mixed results', d. h., die allgemeine Jährigen) ergänzt. Zuvor werden jedoch die Zu- Linie der Zusammenhänge verschwimmt zuse- sammenhänge zwischen Fahrleistung und den ab- hends. Bei den weiblichen Befragten tritt nach hängigen Variablen sowie die Korrelationen mit Kontrolle der Fahrleistung erstmals ein Zusammen- dem Lebensstil (häuslich versus mobilitätsorien- hang zwischen Rennspielnutzung und kompetiti- tiert) betrachtet. vem Fahren auf, während eben dieses Muster für Männer verschwindet. Die leicht höhere Neigung Die Kilometerleistung ist insofern zu beachten, als von Männern zu erregungssteigerndem Fahren bei dass Vielfahrer als anfälliger für problematische höherem Rennspielkonsum bleibt bei der Kontrolle Fahrweisen gelten (MAAG et al., 2003). Für die Teil- der drei Drittvariablen hingegen bestehen. Es deu- stichprobe der 18- bis 26-Jährigen ergeben sich in tet sich also ein komplexes Wechselspiel zwischen der Tat hochsignifikant positive Zusammenhänge den beteiligten Größen an, welches wiederum auf zwischen der Kilometerleistung der vergangenen die Notwendigkeit zur Fokussierung auf kleinere 12 Monate und den Dimensionen „aggressiv-ra- Analysegruppen zur Prüfung auf nicht-lineare Ef- chemotiviertes Fahren” (r = .13), „Maintaining Pro- fekte einerseits und Interaktionseffekte anderer- gress” (r = .17), „Competition” (r = .16) sowie „Fah- seits verweist. ren zur Erregungssuche” (r = .26). Der Ge- schlechtsvergleich zeigt, dass bei Frauen nur die Als letzte Drittvariable, welche für die Gesamtstich- Zusammenhänge zwischen Kilometerleistung und probe erhoben wurde, wird der Lebensstil heran- „Maintaining Progress” (r = .21) sowie „Fahren zur gezogen. Ausgehend von der Operationalisierung Erregungssuche” (r = .20) signifikant sind, während von SCHULZE (1999) wurden Items verwendet, die

Rennspielhäufigkeit (bereinigt um Alter) (Rennspieldauer bereinigt um Alter) Indikator Gesamt Männer Frauen Gesamt Männer Frauen DBQ-F1: Aggressive, rachemotivierte Fahrweisen .09** .06 -.01 .03 -.02 .02 (bereinigt um Alter und Fahrleistung) n = 800 n = 561 n = 239 n = 800 n = 561 n = 239 DBQ-F2: Maintaining Progress (bereinigt um Alter .09** .04 -.01 .09** .05 -.05 n = und Fahrleistung) n = 800 n = 561 n = 239 n = 800 n = 561 239 DBQ-F3: Competition (bereinigt um Alter und .08* .03 .14* .09** .05 .15* Fahrleistung) n = 800 n = 561 n = 239 n = 800 n = 561 n = 239 DBQ-F4: Feindselige Kommunikation mit anderen .03 .03 .08 .08* .09* .08 Fahrer/inne/n (bereinigt um Alter und Fahrleistung) n = 800 n = 561 n = 239 n = 800 n = 561 n = 239 Dimension 5: Fahrweisen zur Erregungssteigerung .16** .07 .09 .21** .13** .08 (bereinigt um Alter und Fahrleistung) n = 835 n = 587 n = 248 n = 835 n = 587 n = 248 mit * gekennzeichnete Werte sind mit p < .05 signifikant, ** bedeutet Signifikanz mit p < .01

Tab. 6.9: Korrelationen zwischen Rennspielnutzung (bereinigt um das Alter) und problematischem Fahrverhalten (bereinigt um Alter und Fahrleistung in den letzten 12 Monaten) im Geschlechtsvergleich (Pearson's r) 68

zur Kennzeichnung eines eher häuslichen versus dennoch eine erneute Wiederholung der Zusam- eines eher mobilitätsorientierten Lebensstils die- menhangsprüfung zwischen UV und AV. Diese Kor- nen sollten. Dem Lebensstil wird mehr inhaltliche relationsmatrix wird in Tabelle 6.10 abgebildet. Bedeutung beigemessen als dem formalen Bil- Die Kontrolle der vierten potenziellen Hintergrund- dungsabschluss (vgl. z. B. SCHULZE, 1992). Zur variable (Lebensstil) fördert das Ergebnis zu Tage, Indexbildung wurde zunächst die Summe der dass bestimmte Zusammenhänge zwischen Renn- Werte, welche die Befragten bei neun „Häuslich- spielnutzung und Fahrverhalten eine gewisse Sta- keits”-Items angegeben hatten, gebildet. Diese bilität zu besitzen scheinen. Die (allerdings nicht konnte zwischen neun und 54 Punkten liegen. Sie sehr hohen) Korrelationswerte zwischen der Renn- wurde dann von der Summe der Werte für neun spielnutzung und Dimensionen „kompetitives Fah- Items zur Mobilitätsorientierung (mit der gleichen ren” und „Fahren zur Erregungssuche” haben die denkbaren Schwankungsbreite) abgezogen, so- Einführung der Hintergrundvariablen Geschlecht, dass der Indexwert zwischen -45 und +45 Punkten Alter, Fahrleistung in den vergangenen 12 Monaten liegen konnte, wobei (stark) negative Werte eine sowie Lebensstilorientierung mit einigen Verminde- (starke) Häuslichkeit des Lebensstils, (stark) positi- rungen überdauert, während die eingangs noch er- ve Werte hingegen eine (starke) Mobilitätsorientie- mittelten Zusammenhänge zwischen der Renn- rung reflektieren. Der Indexwert lag empirisch zwi- spielnutzung und den anderen drei Dimensionen schen -26 und +29 Punkten (M = -2.96; SD = 8.90; des Fahrverhaltens (aggressiv-rachemotiviertes n = 904). Er unterscheidet sich im Durchschnitt Fahren, Maintaining Progress sowie feindselige überzufällig zwischen Männern (M = -1.05) und Kommunikation mit anderen Fahrern/innen) nun- Frauen (M = -7.10; t(902) = 10.02; p < .01). Ferner mehr fast völlig verschwunden sind. Diese Befund- besteht eine erwartbare Beziehung zur formalen lage lässt den Schluss zu, dass ein schwacher Zu- Bildung: Schüler weisen eine geringere Ausprä- sammenhang zwischen der Rennspielnutzung und gung auf, während der Mittelwert von Haupt- und bestimmten Aspekten problematischen Fahrver- Realschulabsolventen/innen über dem Gesamt- haltens existiert. Er kann bislang nicht vollständig durchschnitt liegt; für Abiturienten und Hochschul- durch Drittvariablen aufgeklärt werden, weshalb absolventen liegt der Indexwert im Mittel wiederum der Rennspielnutzung in der Tat ein eigenständiger besonders niedrig (F(879) = 21.48, p < .01). Effekt zukommen könnte. Bevor die Analyse mit Für diesen Indexwert ergibt sich eine Reihe signifi- Blick auf die männliche Teilstichprobe fortgesetzt kanter Zusammenhänge sowohl mit den UVs als wird, werden die bisher angestellten Analysen noch auch den AVs des ursprünglichen Untersuchungs- einmal in zwei multiple Regressionen überführt, in designs. Nach Kontrolle des Geschlechts bleiben denen die vier Kontrollvariablen (Geschlecht: diese Zusammenhänge vorwiegend in der männli- quasi-metrisch behandelt, Alter, Kilometerleistung, chen Teilstichprobe bestehen, rechtfertigen aber Lebensstilorientierung) im ersten Block eingeführt

Rennspielhäufigkeit (bereinigt um Alter Rennspieldauer (bereinigt um Alter Indikator und Lebenstilorientierung) und Lebenstilorientierung) Gesamt Männer Frauen Gesamt Männer Frauen DBQ-F1: Aggressive, rachemotivierte Fahrweisen .09* .06 .08 .01 -.02 .11 (bereinigt um Alter, Fahrleistung und Lebensstilori- n = 800 n = 561 n = 239 n = 800 n = 561 n = 239 entierung) DBQ-F2: Maintaining Progress (bereinigt um Alter, .08 .05 -.03 .08* .05 -.06 Fahrleistung und Lebensstilorientierung) n = 800 n = 561 n = 239 n = 800 n = 561 n = 239 DBQ-F3: Competition (bereinigt um Alter, Fahr- .06 .03 .16* .07* .05 .18** leistung und Lebensstilorientierung) n = 800 n = 561 n = 239 n = 800 n = 561 n = 239 DBQ-F4: Feindselige Kommunikation mit anderen .03 .03 .08 .07* .08* .08 Fahrern/innen (bereinigt um Alter, Fahrleistung n = 800 n = 561 n = 239 n = 800 n = 561 n = 239 und Lebensstilorientierung) Dimension 5: Fahrweisen zur Erregungssteigerung .14** .09* .14* .19** .14* .14* (bereinigt um Alter, Fahrleistung und Lebensstilori- n = 835 n = 587 n = 248 n = 835 n = 587 n = 248 entierung) mit * gekennzeichnete Werte sind mit p < .05 signifikant, mit ** gekennzeichnete Werte sind mit p < .01 signifikant

Tab. 6.10: Korrelation (Pearson's r) zwischen Rennspielnutzung und problematischem Fahrverhalten unter Kontrolle von Alter, Fahrleistung und Lebensstilorientierung (Häuslichkeit (neg. Werte) – Mobilität (pos. Werte)) sowie Geschlecht 69

werden, um dann die Rennspielnutzung im zweiten nen dagegen ausschließlich von anderen Größen Block einzugeben. Dieses Procedere wird für die determiniert zu werden. Allerdings ist auch hier wie- beiden in der bisherigen Auswertung auffälligsten der darauf hinzuweisen, dass nicht-lineare Zusam- Dimensionen des Fahrverhaltens (Competition und menhänge bislang ausgeblendet worden sind. Aus Fahren zur Erregungssuche) angewendet. Die Er- diesem Grund werden im folgenden Kapitel für die gebnisse dieser Modelle werden in Tabelle 6.11 verbleibende männliche Teilstichprobe die weiteren aufgeführt. Darin zeigt sich, dass nach Einschluss in Frage kommenden Hintergrundvariablen kurz der Hintergrundvariablen entweder gar keine oder einzeln beleuchtet, um dann zur Identifikation be- aber nur marginale zusätzliche Varianzaufklärungen sonders 'gefährdeter' Sub- bzw. Extremgruppen im problematischen Fahrverhalten durch die Renn- überzugehen, deren Vergleich mit dem Rest der Be- spielnutzung erreicht werden. Diese Beobachtung fragten sensibler für nicht-lineare Zusammenhänge trifft auch bei einer (nicht dokumentierten) Wieder- ist als die bisherigen Verfahren. holung der vier Regressionen an der männlichen Teilstichprobe zu; hier erhöht sich gegenüber der Gesamtstichprobe die Varianzaufklärung nur im 6.3.6 Kontrolle weiterer Drittvariablen in der Falle der Prädiktion des „Fahrens zur Erregungssu- männlichen Teilstichprobe che” um rund 1.5 % durch die Einschließung des Für die männliche Teilstichprobe (nach den oben Indikators „Rennspieldauer” (Beta-Gewicht: .12**). beschriebenen Bereinigungsschritten n = 618) Fügt man alle bislang betrachteten Variablen also in stand eine Reihe weiterer Drittvariablen zur Verfü- einer komprimierten multivariaten Auswertung zu- gung. Sie werden zunächst deskriptiv analysiert, sammen, so trägt die Rennspielnutzung nur noch um dann zur Identifikation von Subgruppen zu ge- marginal zur Erklärung der untersuchten langen, für die ein substanzieller Zusammenhang problematischen Fahrverhaltensweisen bei. Wenn mit der Rennspielnutzung eher wahrscheinlich ist. ein von Hintergrundvariablen unabhängiger Zusam- menhang zwischen der Rennspielnutzung und dem Fahrverhalten überhaupt bestehen sollte, dürfte er Einstellung zu Geschwindigkeit sich auf der Dimension „Fahren zur Erregungssu- Die Skala von HOLTE (1994) wurde zunächst durch che” und eventuell auf der Dimension „kompetitives Inversion einiger Items in eine gleichförmige Aus- Fahren” bemerkbar machen. Die Faktoren, die de- richtung überführt, sodass für jedes Item ein hoher zidiert aggressiv-feindseliges Verhalten beinhalten, Wert eine positiv-zustimmende Einstellung zu sowie die Dimension „Maintaining Progress” schei- schnellem Fahren, ein geringer Wert dagegen eine negativ-ablehnende Haltung reflektierte. Die so ausgerichtete Skala erwies sich als zufrieden stel- Varianzauf- Varianzauf- Beta-Ge- klärung ohne klärung mit wicht für lend reliabel (Cronbach's α = .79; n = 578). Ent- Modell Rennspiel- Rennspiel- Rennspiel- sprechend wurde ein Mittelwert-Index gebildet (M nutzung nutzung nutzungs- (R2 korr) (R2 korr) indikator = 4.16, SD = .72; n = 617). Berücksichtigt man den UVs: Drittvariablen-Block, dann Skalenmittelpunkt (Wert 3.5), stellt sich die männli- Rennspielhäufigkeit .08 .08 .04 che Teilstichprobe gegenüber schnellem Fahren AV: Competition recht positiv eingestellt dar. Der Index weist über- UVs: Drittvariablen-Block, dann Rennspieldauer .07 .08 .05 dies substanzielle positive Zusammenhänge mit AV: Competition den um Alter, Fahrleistung und Lebensstilindex be- UVs: Drittvariablen-Block, dann reinigten Dimensionen des problematischen Fahr- Rennspielhäufigkeit .21 .21 .08 AV: Fahrweise zur Erregungs- verhaltens 'Maintaining Progress', Competition, steigerung feindselige Kommunikation und Fahren zur Erre- UVs: Drittvariablen-Block, dann gungssuche auf, korreliert jedoch nicht überzufällig Rennspieldauer .21 .22 .11** AV: Fahrweise zur Erregungs- mit den um Alter und Lebensstilindex bereinigten steigerung Indikatoren der Rennspielnutzung. mit ** gekennzeichnete Beta-Werte sind mit p < .01 signifikant

Tab. 6.11: Verkürzte Darstellung von vier multiplen Regressi- Einstellungen zu Verkehrsregeln onsmodellen, bei denen die Rennspielnutzung als Prädiktor problematischen Fahrverhaltens nach den Von den acht Items zur Messung der allgemeinen vier Hintergrundvariablen (Geschlecht, Alter, Kilome- terleistung, Lebensstilorientierung) eingeschlossen Einstellung gegenüber Verkehrsregeln wurden drei wurde invertiert, damit eine gleichsinnige Ausrichtung 70

aller Items entstand. Hohe Werte reflektieren eine Gruppe der Homogenität der Einschätzungen nachlässig-kritische Sicht auf Verkehrsregeln, ge- „relevant others” zur Zustimmung zu drei ringe Werte hingegen eine regelkonforme Grund- problematischen Fahrweisen (Cronbach's α) haltung. Die Skala erreicht eine mäßige Reliabilität Partner/in .69 (n = 595) (Cronbach's α = .70; n = 598). Der Mittelwertindex Beste/r Freund/in .72 (n = 610) zeigt an, dass sich die männliche Teilstichprobe als Andere Freunde .71 (n = 610) nicht sehr regelkonform beschreibt (M = 3.84, Eltern .71 (n = 611) SD = .81). Er korreliert überzufällig positiv mit allen Gesamt: .87 (n = 592) Dimensionen des problematischen Fahrverhaltens Alle „relevant others” (um Alter, Fahrleistung und Lebensstilindex berei- Tab. 6.12: Reliabilitäten der Einschätzungen zur vermuteten nigt), insbesondere mit der Dimension 'Maintaining Zustimmung der „relevant others” zu drei problema- Progress' (Pearson's r = .49, p < .01), nicht aber mit tischen Fahrweisen (überhöhte Geschwindigkeit, der (um Alter und Lebensstil bereinigten) Renn- Überfahren einer roten Ampel, Missachten des Si- spielnutzung. cherheitsabstands bei hohem Tempo) in der männli- chen Teilstichprobe

Einstellungen zu Automobilen (Kaufpräferenzen) Fahrsicherheitsklima im sozialen Umfeld

Aus einer Liste von acht Eigenschaften von Auto- Die Meinungen der „relevant others” wurden mit mobilen sollten die Befragten die beiden Eigen- einem quasi-projektiven Verfahren erhoben, bei schaften nennen, welchen sie beim Autokauf denen die Befragten die Wahrscheinlichkeit ab- die meiste Relevanz beimessen. Am häufigsten schätzen sollten, mit der ihr/e Partner/in, ihr/e wurden „Zuverlässigkeit” (214 von 618 Fällen), beste/r Freund/in, ihre „anderen Freunde” sowie „Komfort” (193), „Automarke” (175) und „Starke ihre Eltern mit bestimmten problematische Fahr- Beschleunigung” (151) genannt. Es folgten weisen (überhöhte Geschwindigkeit, Überfahren „Sicherheit” (144), „Hohe Spitzengeschwindigkeit” einer roten Ampel, dichtes Auffahren) einverstan- (75), „Platzangebot” (63) und schließlich „Um- den wären. Diese Einschätzungen wurden zu- weltfreundlichkeit” (30). Immerhin 26 Personen nächst für jeden Typ der „relevant others” einer Ho- wiesen eine besonders problematische Präferenz- mogenitätsprüfung unterzogen (Tabelle 6.12). konfiguration auf (nämlich starke Beschleunigung Es zeigt sich, dass sich aus den Einschätzungen und hohe Spitzengeschwindigkeit). Diese kleine über die verschiedenen angesprochenen Gruppen Subgruppe unterschied sich jedoch nur auf der von „relevant others” hinweg eine homogene Ein- Dimension 'Competition' vom Rest der männlichen schätzung zum 'Fahrsicherheitsklima' ergibt, die zu Teilstichprobe insofern, als dass sie signifikant einem Mittelwertindex zusammengefasst wurde (M höhere Werte in dieser (um Alter, Fahrleistung und = 2.47, SD = .89; n = 618). Er wies nennenswerte Lebensstilindex bereinigten) Dimension des Fahr- Korrelationen mit den Fahrverhaltensdimensionen verhaltens aufwies (t(566) = 3.6, p < .01). 'Maintaining Progress' und 'Fahren zur Erregungs- suche” (um Pearson's r = .30) und ebenfalls hoch- signifikante, aber schwächere Zusammenhänge Motorsportinvolvement mit den Dimensionen 'aggressiv-rachemotiviertes Die drei Items zur Messung des Motorsportinvol- Fahren' und 'Competition' (um Pearson's r = .18) vements (z. B. „Für mich ist Motorsport wichtig”) auf. korrelierten hoch miteinander (Pearson's r zwischen .63 und .84; Cronbach's α = .88, Fahrbezogene Selbstwirksamkeitserwartungen n = 612), sodass auch hier ein Mittelwertindex er- rechnet wurde (M = 3.17, SD = 1.40; n = 618). Der Die Skala zur fahrbezogenen Selbstwirksamkeits- Index besitzt teils signifikante, insgesamt jedoch erwartung bestand aus elf Items, die wiederum eher schwach positive Zusammenhänge mit eine zufrieden stellende Reliabilität aufwiesen den um Alter, Fahrleistung und Lebensstil bereinig- (Cronbach's α = .85; n = 575). Der Mittelwert-Index ten Werten zu den Dimensionen des problema- (M = 3.84, SD = .82, n = 618) wies keine Zusam- tischen Fahrverhaltens und korreliert darüber menhänge mit der Rennspielnutzung auf und kor- hinaus auch schwach mit der Nutzungshäufigkeit relierte nur mit den Fahrverhaltensdimensionen der abgefragten Rennspiele (Pearson's r = .10, 'Maintaining Progress' (Pearson's r = .20, p <.01) p < .05). und 'Fahren zur Erregungssuche' (r = .13, p < .01). 71

Fahrzeugbezogene Mediennutzung (mehr oder weniger) mobilitätsorientierte Lebens- stil. Die beiden Personenvariablen korrelieren zwar Im Rahmen der allgemeinen Lebensstil-Analyse mäßig miteinander (Pearson's r = .20, p < .01), soll- waren auch einige Items zur Nutzungshäufigkeit ten aber dennoch als separate Determinanten des von Medienangeboten, die Bezüge zum Autofah- problematischen Fahrverhaltens betrachtet wer- ren und/oder zu Automobilen aufweisen, abgefragt den. worden. Die drei Items „TV-Serien und Filme rund ums Auto ansehen”, „Automagazine lesen” und Aus der Analyse der für die männliche Teilstichpro- „Rennsport im Fernsehen anschauen” korrelierten be zusätzlich erhobenen Kontrollvariablen geht erwartungsgemäß hoch positiv miteinander hervor, dass planungsgemäß eine Reihe von wich- (Cronbach's α = .75). Der Mittelwert-Index (M = tigen Determinanten des problematischen Fahrver- 2.75, SD = 1.24; n = 618) korrelierte allerdings sehr haltens erhoben worden ist, deren Einflüsse be- stark mit dem Motorsportinvolvement (Pearson's r deutsamer zu sein scheinen als die der Rennspiel- = .69, p < .01), dagegen nur schwach mit den um nutzung, die aber möglicherweise auch Einflüsse das Alter bereinigten Indikatoren der Rennspielnut- der Rennspielnutzung maskieren. Aufgrund der zung. Diese Variable wird daher eher als Komplet- Befunde zu den einzelnen Variablen erscheint es tierung des Motorsportinvolvements betrachtet angemessen, für die weitere Analyse des Zusam- und nicht weiter als eigenständiger Faktor des menhangs zwischen der Rennspielnutzung und Fahrverhaltens interpretiert. dem Fahrverhalten die Personenvariablen · Feindseligkeit, Persönlichkeitsmerkmal Feindseligkeit · Einstellung zu Geschwindigkeit, Als letzte Kontrollvariable enthielt der Fragebogen · Einstellung zu Verkehrsregeln, für die männliche Teilstichprobe die allgemeine Feindseligkeit, die mit den Items des Freiburger · Fahrsicherheitsklima im sozialen Umfeld Persönlichkeitsinventars erhoben wurde (FAHREN- zu berücksichtigen. Geht man davon aus, dass BERG, HAMPEL & SELG, 1994). Da hier keine diese Variablen einen kausalen Einfluss auf das metrisch interpretierbare Skalierung, sondern ein problematische Fahrverhalten ausüben, welcher dichotomes Antwortsystem („ja/nein”) verwendet logisch vor oder parallel zum (möglichen) Effekt der wurde, erübrigt sich die Homogenitätsprüfung; al- Rennspielnutzung angreift, wäre ein isolierter nen- lerdings kann aufgrund der Vorarbeiten der Autoren nenswerter Effekt der Rennspielnutzung empirisch des Inventars von einer ausreichenden Reliabilität am ehesten bei den Personen zu erwarten, die ver- der Items ausgegangen werden. Das Ausmaß der gleichsweise niedrige bzw. sicherheitsbezogen Feindseligkeit wird durch die Anzahl der mit „ja” günstige Werte in den genannten vier Personenva- beantworteten Items aus der Liste von insgesamt riablen aufweisen, jedoch eine hohe Rennspielnut- zwölf Aussagen ermittelt. Um Einflüsse von fehlen- zung aufweisen. Es ist angesichts der oben be- den Werten zu eliminieren, wurde kein Summenin- schriebenen Analyse für die Gesamtstichprobe da- dex, sondern ein Mittelwertindex berechnet, wel- gegen weniger wahrscheinlich, dass sich ein 'On- cher bei der Endkalkulation die Anzahl der beant- Top'-Einfluss der Rennspielnutzung nachweisen worteten Items eingehen lässt. Er kann zwischen lässt, dass also Personen, die hohe bzw. ungünsti- 0 und +1 schwanken, wobei der Wert +1 die Zu- ge Voraussetzungen hinsichtlich der genannten stimmung zu allen 12 Feindseligkeits-Items bedeu- vier Personenvariablen besitzen, sich im Straßen- tet. In diesem Indexwert erreichte die untersuchte verkehr nochmals problematischer verhalten, wenn männliche Teilstichprobe einen mittleren Durch- sie zusätzlich intensiv Rennspiele nutzen. Denn die schnittswert (M = .45, SD = .22, n = 617). Er wies durch die Rennspielnutzung zusätzlich aufgeklärte substanziell-positive Korrelationen mit allen Di- Varianz im Fahrverhalten nach Einschluss der in mensionen des problematischen Fahrverhaltens der Gesamtstichprobe erhobenen Kontrollvariablen (um Alter und Fahrleistung bereinigt) auf, nicht aber war recht gering (vgl. Kapitel 3.4). Die Suche nach mit den Indikatoren der Rennspielnutzung. Diese nicht-linearen Effekten der Rennspielnutzung soll Befunde decken sich mit den Erkenntnissen von also bei den Personen ansetzen, die von ihren KRAHÉ und FENSKE (2002) und zeigen, dass auf Grundvoraussetzungen her eigentlich besonders der Ebene der stabilen Verhaltensweisen Feindse- unproblematische Fahrer sein müssten. Bei diesen ligkeit ebenso berücksichtigt werden muss wie der Personen ist am ehesten Spielraum für eine 'Ver- 72

schlimmerung' des Fahrstils aufgrund massiver konsum und problematischem Fahren im Alltag, Rennspielnutzung. Entsprechend wurde eine neue zumal sich der F-Wert vor dem Hintergrund der Teilstichprobe gebildet, die aus Personen bestand, sehr großen Stichprobe relativ klein darstellt. die (1) unterdurchschnittlich feindselig sind, (2) im Vergleich zur Gesamtstichprobe eher negativ-kri- 6.3.8 Akzeptanz von Fahrlernspielen tisch gegenüber schnellem Fahren eingestellt sind, (3) im Vergleich zur Gesamtstichprobe eine eher ver- Die potenzielle Akzeptanz von Fahrlernspielen als kehrsregelkonforme Auffassung vertreten und (4) ein Begleitung der Fahrausbildung wurde anhand der im Vergleich zur Gesamtstichprobe eher auf Sicher- Zustimmung zu drei Aussagen gemessen. Ihre Aus- heit bedachtes Meinungsklima in ihrem sozialen wertung basiert auf der Gesamtstichprobe, die al- Umfeld berichten. Diese Teilstichprobe (operationa- lerdings um Personen über 26 Jahre sowie um Per- lisiert durch Indexwerte unter den Mittelwerten der sonen, die bei der Rennspielnutzung mindestens vier genannten Variablen) umfasste 110 Personen. eine unplausible Angabe gemacht hatten, bereinigt Sie wiesen überzufällig geringere Häufigkeiten auf wurde (verbleibend n = 904). Tabelle 6.13 gibt die allen Dimensionen des problematischen Fahrverhal- durchschnittliche Zustimmung in dieser Gesamt- tens (um Alter, Fahrleistung und Lebensstil bereinigt) stichprobe und die durchschnittliche Zustimmung auf und ebenfalls signifikant geringere Ausprägun- von Männern und Frauen im Vergleich an. gen in den (um Alter und Lebensstil bereinigten) In- In der Stichprobe hält sich die Akzeptanz von Fahr- dikatoren der Rennspielnutzung auf. Innerhalb die- lernspielen in Grenzen. Insbesondere bei den weib- ser Gruppe ergab sich jedoch kein isolierter Zusam- lichen Befragten lässt sich zwar die Bereitschaft er- menhang zwischen der Rennspielnutzung und dem kennen, sich mit solchen Lernspielen auch dann problematischen Fahrverhalten. Die Korrelations- auseinander zu setzen, wenn sie dafür keine for- werte blieben für alle erhobenen Dimensionen des male Anerkennung im Rahmen der Fahrausbildung Fahrverhaltens im Zufallsbereich und überschritten erhielten. r-Werte von .10 nicht. In der Subgruppe, deren Ge- samtdisposition also nach Datenlage den größten Dennoch bewegen sich insgesamt die gemesse- Spielraum für Einflüsse der Rennspielnutzung auf nen Akzeptanzwerte nahe am Skalenmittelpunkt, das Fahrverhalten zulassen würde, lässt sich ein sodass den Befragten weder eine dezidierte Ableh- Zusammenhang statistisch nicht absichern. nung noch eine euphorische Begrüßung solcher Lehr-/Lernmittel unterstellt werden kann. Es finden sich auch nur sehr schwache positive Zusammen- 6.3.7 Integrierte Analyse hänge zwischen der selbst berichteten Rennspiel- Um die Auswertung zu vervollständigen, wurden nutzung und der Akzeptanz von Fahrlernspielen. abschließend integrierte multivariate Analysen durchgeführt, die den Effekt des Gebrauchs von Signifi- kanz- Rennspielen gleichzeitig mit den relevanten Dritt- M (SD) M (SD) M (SD) Item prüfung gesamt Männer Frauen variablen betrachten. Hier ergab sich – nach den des Ge- bislang berichteten Einzelbefunden erwartbar – schlechts Computerlernspiele zum kein substanzieller Zusammenhang. Der einzige er- 2.04 1.99 2.16 Üben des Autofahrens t(894) = wähnenswerte Befund stammt aus einem Allge- (1.32) (1.33) (1.30) würde ich unterhaltsam -1.83 n = 896 n = 613 n = 283 meinen Linearen Model (GLM) mit der männlichen finden Teilstichprobe. Hier zeigte die Häufigkeit von Renn- Für Fahrschüler können 2.21 2.26 2.08 solche Lernspiele die t(894) spielsitzungen im Konzert der Drittvariablen (Alter, (1.30) (1.32) (1.24) Fahrausbildung sinnvoll = 1.94* Mobilitätsorientierung des Lebensstils, Fahrleis- n = 897 n = 612 n = 285 ergänzen tung, Feindseligkeit, Einstellungskonstrukte, Mei- Mit solchen Lernspielen nungsklima bei ‚relevant others’) zwar keinen mul- würde ich mich nur be- 1.81 1.87 1.68 schäftigen, wenn das in t(894) tivariaten Effekt auf alle Dimensionen problemati- (1.34) (1.35) (1.30) der Fahrausbildung aner- = 1.99* schen Fahrverhaltens zusammen, wohl aber einen n = 891 n = 611 n = 282 kannt würde (z. B. als überzufälligen Einfluss auf die Einzel-Variable „Fah- Teil der Theorieprüfung) ren zur Erregungssuche” (F = 6.44, p < .05). Dies mit * gekennzeichnete t-Werte sind mit p < .05 signifikant deckt sich mit den zuvor ermittelten Korrelations- Tab. 6.13: Durchschnittliche Akzeptanz von Fahrlernspielen in daten, rechtfertigt jedoch nicht die Annahme ein- der Gesamtstichprobe (Alter 18 bis 26 Jahre) mit deutiger Zusammenhänge zwischen Rennspiel- Geschlechtervergleich (Skalierung von 0 bis 4) 73

6.4 Diskussion setzungen hinsichtlich ihres Fahrverhaltens auf- weist – und damit gleichzeitig einer 'Verschlimme- Die erste Hauptstudie hat zunächst anhand von rung' ihres Fahrverhaltens durch Rennspielkonsum Befragungsdaten die Gruppe der Vielnutzer von den größtmöglichen Raum öffnet. Innerhalb dieses Rennspielen beschrieben. Es zeigt sich, dass Personenkreises (n = 110) ließ sich jedoch keine Rennspiele eine weit verbreitete Freizeitbeschäfti- substanzielle und/oder überzufällige Korrelation gung darstellen und dass sich deren intensiver zwischen Rennspielgebrauch und problematischen Konsum in ein erlebnis- und dynamikorientiertes Fahrweisen beobachten. Ebenso erbrachte die ab- Lebensstilmuster, das sich vorwiegend bei jungen schließende integriert-multivariate Auswertung mit Männern im Alter von ca. 20 bis 22 Jahren findet, Hilfe Allgemeiner Linearer Modelle (GLM) keine einordnen lässt. Darüber hinaus hat die Studie den systematischen und eindeutigen Effekte des Renn- Zusammenhang zwischen dem Ausmaß des Ge- spielkonsums auf das problematische Fahren. Die brauchs von Rennspielen und der selbst berichte- bisherige Analyse stützt also die Hypothese, wo- ten Häufigkeit problematischer Fahrweisen im rea- nach der Rennspielgebrauch unabhängig von an- len Straßenverkehr überprüft. Es ergab sich eine deren Faktoren kausal auf das Fahrverhalten wirkt, gut interpretierbare dimensionale Struktur der pro- nicht. blematischen Fahrweisen, sodass den zwei Indika- toren der Rennspielnutzung (Häufigkeit und Dauer Zusätzliche Analysen wurden nachträglich ange- der Nutzung über eine Liste von 14 bekannten, un- stellt, um den Einfluss der Variable „Migrationshin- terschiedlichen Rennspielen) fünf Dimensionen des tergrund” (die vornehmlich in Bezug auf das Ver- problematischen Fahrverhaltens (aggressiv-rache- ständnis des Fragebogens relevant war) zu prüfen. motiviertes Fahren, Maintaining Progress, Compe- Die Ergebnisse zeigen, dass dieser Personenkreis tition, Feindselige Kommunikation gegenüber an- kein systematisch andersartiges Antwortverhalten deren Fahrern/innen, Fahren zur Erregungssuche) aufweist und die Berücksichtigung dieser Variable gegenüberstanden. entsprechend keine Auswirkungen auf die oben berichteten Ergebnisse hat. Die in der bivariaten Korrelationsanalyse durchaus Eine mögliche Erklärung für diese Befunde ist, dass erkennbaren Zusammenhänge zwischen diesen die bisherigen Analysen an der falschen Stelle nach Variablen(-blöcken) ließen sich für die Gesamt- Effekten gesucht haben. Möglicherweise lassen stichprobe durch das Lebensalter, die Fahrleistung sich nämlich Auswirkungen des Rennspielge- in den vergangenen 12 Monaten sowie die Mobi- brauchs nicht so klar auf der Ebene des Fahrver- litätsorientierung des Lebensstils fast vollständig haltens aufzeigen, sondern schon (und nur) auf der aufklären. Durch die Berücksichtigung der Renn- vorgelagerten Ebene der fahrbezogenen Einstel- spielnutzung als zusätzlicher Prädiktor im Rahmen lungen. Dass die Einstellungen zu schnellem Fah- von Regressionsmodellen ließ sich eine kaum ren und zu Verkehrsregeln mit dem Fahrverhalten nachweisbare zusätzliche Varianzaufklärung im zusammenhängen, wurde immerhin gezeigt. Fahrverhalten erzielen. Weiter gehende Analysen Würde der (dauerhafte, massive) Rennspielge- innerhalb der männlichen Teilstichprobe (die im brauch also die Ausbildung und Aufrechterhaltung Mittelpunkt des Interesses stand und für die weite- nachlässig-kritischer Einstellungen gegenüber Ver- re potenzielle Determinanten des Fahrverhaltens kehrsregeln und positiv-aufgeschlossener Einstel- erhoben worden waren) förderten darüber hinaus lungen zu schnellem Fahren unterstützen, wäre die Bedeutung der Drittvariablen Feindseligkeit, ebenfalls ein problematischer Effekt identifiziert. Einstellung zu Geschwindigkeit, Einstellung zu Ver- Auch hierzu böte der Datensatz einige empirische kehrsregeln sowie sicherheitsbezogenes Mei- Prüfungsmöglichkeiten; allerdings müssten dazu nungsklima im sozialen Umfeld zu Tage. Ange- zunächst genauere theoretische Überlegungen er- sichts der Dominanz der acht genannten Kontroll- arbeitet werden. variablen (einschl. Geschlecht) wurde nicht nur nach einem zusätzlichen linearen Einfluss der Mit Blick auf die Akzeptanz von Fahrlernspielen im Rennspielnutzung auf das Fahrverhalten gesucht, Rahmen der Fahrausbildung ist festzustellen, dass sondern zunächst ein nicht-linearer Einfluss der die Begeisterung der Teilnehmer der vorangegan- Rennspielnutzung bei der (männlichen) Personen- genen Interviewstudie (vgl. Kapitel 4) für solche gruppe angenommen, die nach Kontrolle der ge- Lernspiele von der hier betrachteten großen Stich- nannten Drittvariablen besonders günstige Voraus- probe nicht geteilt wird. Möglicherweise war die 74

Operationalisierung der Akzeptanz zu abstrakt, so- Projektplan sah eine Messfahrzeugstudie vor, bei dass die durchschnittlichen Werte weniger inhaltli- der die Probanden mit einem echten Auto (in dem che Zurückhaltung als eher Unsicherheit über die verschiedene Sensoren zur Registrierung von Fahr- Frageform reflektieren. Doch hat der erste Versuch, verhaltensdaten untergebracht sind) einen definier- die Akzeptanz für elektronisch-spielerische Ele- ten Parcours absolvieren. Diese Vorgehensweise mente der Fahr(-zusatz-)ausbildung zu messen, wurde jedoch nach Konsultation mit Experten der zumindest keine deutlich erkennbare Zustimmung Verkehrspsychologie aus forschungsethischen und zu dieser Idee aufgedeckt. -praktischen Gründen verworfen. Stattdessen wurde die Kooperation mit dem Betreiber eines leis- Die Befunde der Befragungsstudie sind unter der tungsfähigen Fahrsimulators gesucht. Moderne methodischen Limitation zu sehen, dass das prob- Fahrsimulatoren erreichen eine bemerkenswerte lematische Fahrverhalten über Self-Report-Daten Realitätsnähe (z. B. AKAMATSU, OKUWA & ONUKI, operationalisiert wurde. Dieser Datenkategorie 2001) und können verhaltensbezogene Daten in un- mangelt es naturgemäß an Objektivität. Effekte der terschiedlichsten Verkehrskontexten produzieren sozialen Erwünschtheit oder einfach nur der Inter- und aufzeichnen. Sie stellen daher eine risikoarme pretation, wann eine Verhaltensweise als ‚häufig’ Alternative zu Messfahrzeugstudien dar, die jedoch einzuschätzen ist, können nicht ausgeschlossen spezifische Validitätsprobleme hinsichtlich der werden und relativieren damit die Aussagekraft der Übereinstimmung von Fahrverhalten im Simulator Befunde. Allerdings bleibt festzuhalten, dass die und in der Wirklichkeit aufweisen (können; vgl. von Ergebnisse so wenig Indizien für Zusammenhänge BRESSENDORF, HEILIG, HEINRICH, KÄPPLER & zwischen Rennspielgebrauch und Fahrverhalten WEINAND, 1995). Diese Einschränkung wurde je- enthalten, dass eine völlige Änderung des Bildes doch in Kauf genommen, um einen Kompromiss bei Verwendung von weniger verzerrten Datenqua- zwischen dem Bedarf an objektive(re)n Fahrdaten litäten kaum vorstellbar ist. Unabhängig von dieser und praktisch-ethischer Machbarkeit der Studie zu vorläufigen Falsifikation der Annahmen zur langfris- erzielen (vgl. ausführlich zur Anlage und Methodik tigen verhaltensrelevanten Wirksamkeit des Renn- der Studie: KLIMMT & VORDERER, 2004). spielgebrauchs besteht jedoch nach Abschluss der Befragungsstudie der Bedarf, kurzfristige Wirkun- Die Studie sollte zum einen langfristige Effekte des gen des Rennspielgebrauchs zu untersuchen (vgl. Rennspielkonsums auf das problematische Fahr- Kapitel 5) und zugleich ein objektiveres, also weni- verhalten betrachten, wie sie im theoretischen Mo- ger von subjektiven Einschätzungen abhängiges dell postuliert wurden (vgl. Kapitel 2), jedoch in der Messverfahren für problematisches Fahrverhalten Befragungsstudie nicht ermittelt werden konnten zu implementieren. Beide Aspekte wurden in der (vgl. Kapitel 6.). Gleichzeitig wurde das Augen- zweite Hauptstudie umgesetzt (vgl. Kapitel 7) merk jedoch auch auf kurzfristige Effekte (also Transfereffekte von Rennspielgebrauch auf das Verhalten bei unmittelbar folgenden Autofahrten) gelegt, die sich in den Vorarbeiten als potenziell 7 Ein experimenteller Test des bedeutsam herausgestellt hatten (vgl. Kapitel 4 Einflusses des Konsums von und 5). Als Zielgruppe der Studie wurden aus- Rennspielen auf reales Fahr- schließlich junge männliche Fahrer betrachtet, weil hier die größte Risikoproblematik im Rahmen des verhalten mit Hilfe eines Fahr- Projekts zu erwarten war (vgl. Kapitel 1 und 6). Ent- simulators sprechend wurden zwei Hypothesen getestet:

7.1 Zielsetzung H1. In der Gruppe der jungen Autofahrer besteht ein positiv-linearer Zusammenhang zwischen der Die letzte empirische Untersuchung des Projekts Nutzung von Rennspielen im Alltag und der Anzahl sollte den Zusammenhang zwischen Rennspielkon- problematischer Fahrverhaltensweisen in einem sum und problematischem Fahren möglichst objek- Fahrsimulator. tiv und losgelöst von Self-Report-Angaben über das eigene Fahrverhalten überprüfen. Dieser zentrale Nachteil der Befragungsstudie (vgl. Kapitel 6) sollte H2. In der Gruppe der jungen Autofahrer bewirkt mit Hilfe apparativer Verfahren zur Aufzeichnung von der Gebrauch eines Rennspiels unmittelbar vor An- Fahrdaten überwunden werden. Der ursprüngliche tritt einer Simulatorfahrt eine im Vergleich zu einer 75

Kontrollgruppe höhere Anzahl problematischer · Anzahl von Protokolleinträgen „aufgeblendet”. Fahrverhaltensweisen im Fahrsimulator. Die letztgenannten Anzahlwerte wurden den so ge- nannten Fehlerprotokolldateien („ErrorLogs”) ent- 7.2 Methode nommen, die der Simulator für jede Fahrt erstellt; die zuvor aufgelisteten Durchschnittswerte (z. B. Die Studie wurde in Kooperation mit dem Lehrstuhl Geschwindigkeit, Motordrehzahl) wurden aus den für Neuropsychologie der Universität Zürich (Prof. eigentlichen Fahrtaufzeichnungen entnommen, bei Dr. Lutz JÄNCKE) durchgeführt. Der Lehrstuhl ver- denen etwa im Sekundentakt die Ausprägungen für fügt über einen leistungsfähigen Fahrsimulator der die genannten Parameter registriert werden. Für Dr. Foerst AG (Modell F10P), der für die Untersu- die Zwecke der vorliegenden Untersuchungen wur- chung eingesetzt wurde. Er besteht aus einem rea- den hier keine zeitreihenanalytischen Verfahren litätsgetreuen Nachbau einer Pkw-Fahrgastzelle umgesetzt, sondern die Verlaufsdaten pro Parame- (Cockpit mit allen Bedienelementen sowie Teilen ter (z. B. Geschwindigkeit) gemittelt, sodass sie pro der Karosserie) und drei Großbildschirmen zur Dar- Versuchsperson in über die Zeit aggregierter Form stellung der simulierten Verkehrsumgebung. Das in die Analyse eingingen. System leistet neben visueller und auditiver Rück- meldungen an die Fahrer auch taktile Feedbacks. Die Nutzung von Rennspielen im Alltag, die zum Während der Versuchsfahrt zeichnet das PC-ba- Test der H1 gemessen werden musste, wurde mit sierte System zahlreiche Parameter des Fahrver- möglichst großer Übereinstimmung zur Vorgehens- haltens auf, von denen einige als Indikatoren für weise in der Befragungsstudie (vgl. Kapitel 6) ope- problematisches Fahren herangezogen werden rationalisiert: Für 14 aktuelle Rennspiele bzw. können. Konkret wurden als abhängige Variablen Rennspielreihen wurden Kenntnis, Anzahl der bis- die folgenden Simulatordaten verwendet: her mit ihnen verbrachten Spielsitzungen und An- zahl der mit ihnen verbrachten Stunden erfragt. · durchschnittliche Geschwindigkeit in km/h, Der kurzfristige Effekt des Rennspielgebrauchs auf · durchschnittliche Beschleunigung (Betätigung problematisches Fahrverhalten im Simulator wurde des Gaspedals in Prozent), experimentell überprüft. Dazu wurden die Proban- · durchschnittliche Anzahl der Motordrehzahl (in den zufällig auf drei Gruppen verteilt. Eine Gruppe U./min), spielte unmittelbar vor der Messfahrt am Simulator „Need for Speed Underground” (vgl. Bild 7.1 oben) · durchschnittliche „time to headway” (hypotheti- für 15 Minuten (experimentelle Bedingung: Renn- sche Zeit bis zur Kollision mit vorausfahrendem spiel). Eine zweite Gruppe spielte unmittelbar vor Fahrzeug; berechnet sich aus Abstand und ab- Antritt der Simulatorfahrt das Kampfspiel „Coun- soluter Geschwindigkeit), terstrike: Condition Zero” (vgl. Bild 7.1 unten), · durchschnittliche „time to collision” (hypotheti- ebenfalls für 15 Minuten (experimentelle Bedin- sche Zeit bis zur Kollision mit dem nächsten gung: Kampfspiel). Das Kampfspiel generiert eine Objekt, z. B. einem Baum), ähnliche sensorische Dynamik wie das Rennspiel, beinhaltet jedoch keinerlei Fahrzeugbezug. Der Anzahl von Unfällen, · Vergleich zwischen Rennspiel und einem anderen · Anzahl von Auffahrunfällen, Computerspiel ohne Fahrzeugbezug diente der Kontrolle, ob die Tätigkeit des Computerspielens · Anzahl von Protokolleinträgen „zu schnell” (vom unabhängig von Typ, Genre oder Inhalt des Spiels System in Zonen mit Geschwindigkeitsbegren- einen Effekt auf das Fahrverhalten hat (etwa auf- zungen vergeben), grund von Erregungsprozessen, vgl. Kapitel 4.4). · Anzahl von Protokolleinträgen „Fahrbahn ver- Eine dritte Gruppe schließlich fungierte als Kon- lassen”, trollgruppe; ihre Mitglieder spielten vor Beginn der Simulatorfahrt überhaupt kein Computerspiel und · Anzahl von Protokolleinträgen „Blinker nicht be- übten auch keine andere Tätigkeit aus. tätigt”, Um die Anzahl von Messartefakten im Simulator zu · Anzahl von Protokolleinträgen „Wagen driftet”, reduzieren, wurden die Probanden vor der eigentli- · Anzahl von Protokolleinträgen „Vorfahrt miss- chen Experimentalsitzung (mindestens einen, ma- achtet”, ximal drei Tage zuvor) ins Labor gebeten, um eine 76

fiel für Kontrollgruppe). Dazu instruierte sie der/die Versuchsleiter/in, sie sollten sich vorstellen, bei einem Freund einen Computerspieleabend zu ver- bringen, wobei sie dabei „Need for Speed” bzw. „Counterstrike” spielen würden. Direkt im An- schluss daran nahmen die Probanden im Simulator Platz. Bevor die Messfahrt begann, erhielten sie den Auftrag, sich vorzustellen, dass sie nun nach beendetem Spieleabend mit dem eigenen Auto nach Hause fahren würden. Damit sollte in kurzer Form der ‚Ernst’-Charakter der Simulationsfahrt gegenüber der vorangegangenen Spielphase her- vorgehoben werden, ohne die Probanden jedoch zu sehr zum Nachdenken über den Untersu- chungsablauf anzuregen. Die Teilnehmer in der Kontrollgruppe erhielten bei Antritt der Simulator- fahrt die (nahezu identische) Instruktion, sie sollten sich vorstellen, nach einem Abend bei einem Freund mit dem eigenen Auto nach Hause zu fah- ren. Bei allen Teilnehmern wurden während der Messfahrt die Protokolldaten aufgezeichnet, von denen die oben benannten in die Analysen eingin- gen.

Nach der Simulatorfahrt füllten die Probanden einen weiteren Fragebogen aus, der einige Items zu ihrem Erleben der Simulatorfahrt beinhaltete. Außerdem enthielt er den Driving Behaviour Bild 7.1: Als Experimentalstimuli verwendete Computerspiele Questionnaire (DBQ), wie er auch in der Befra- („Need for Speed: Underground”, oben; „Counter- strike: Condition Zero”; unten) gungsstudie (vgl. Kapitel 6) verwendet worden war, sowie ein Kontroll-Item, das Personen identifizieren Übungsfahrt am Simulator durchzuführen. Auf sollte, welche die Simulatorfahrt entgegen der In- diese Weise konnten sich die Teilnehmer mit der struktion nicht ernst genommen und eher wie ein Bedienung des Simulators vertraut machen (etwa gefahrloses Spiel betrachtet hatten. Mit Hilfe die- die Spezifika des Bremspedals kennen lernen, das ses Items sollten Verzerrungen in den Daten ver- mehr Kraftaufwand verlangte als bei den meisten mieden werden. echten Pkw erforderlich ist). Ferner sollten senso- Insgesamt nahmen 90 Männer im Alter zwischen motorische Adaptionsprozesse unterstützt werden, 18 und 24 Jahren (M = 20.76 Jahre, SD = 1.64 die sich zum einen auf die Abstimmung der Moto- Jahre) an der Studie teil. Sie verteilten sich zufällig rik (z. B. Lenkbewegungen) mit den Reaktionen des auf die Bedingungen, wobei für zwei Bildungsgrup- simulierten Autos (z. B. Einschlagwinkel der Vor- pen (Subgruppe ‚niedrige Bildung’: Berufsschüler derräder bei Lenkbewegung) bezogen, zum ande- und Subgruppe ‚hohe Bildung’: Studierende) sepa- ren Übelkeitsanfällen (‚simulator sickness’) vorbeu- rat randomisiert wurde, um das Bildungsmerkmal gen, die in 3-D-Simulatoren aufgrund der unge- in allen experimentellen Gruppen zu parallelisieren. wohnten und psychophysiologisch nicht ganz Plausibilitätsüberprüfungen in den Simulatordaten wirklichkeitsgetreuen Darstellung auftreten kön- führten zum Ausschluss von drei Fällen, die sich in nen. Im Anschluss an die Übungsfahrt erhielten die einzelnen Variablen extrem vom Gesamtdurch- Teilnehmer einen ersten Fragebogen, in dem unter schnitt unterschieden. Hier wurden Aufzeichnungs- anderem ihr Rennspielgebrauch im Alltag gemes- fehler angenommen, sodass die Fälle zur Vermei- sen wurde. dung von Verzerrungen aus der Analyse ausge- Am Tag des eigentlichen Experiments spielten die schlossen wurden. Sechs weitere Personen wur- Probanden zunächst das ihnen zufällig zugewiese- den aus der Analyse ausgeschlossen, weil sie be- ne Computerspiel (Rennspiel oder Kampfspiel; ent- sonders hohe Werte (5 oder 6 auf der Skala von 1 77

bis 6) bei dem Kontroll-Item angegeben hatten, das sich überzufällige Korrelationen zwischen der erfragte, ob ihr Fahrverhalten im Simulator sich von Rennspielnutzung im Alltag und ihrem normalen Fahrverhalten unterschieden hät- · der durchschnittlichen „time to headway” (hy- ten. Die verbleibenden Teilnehmer verteilten sich pothetische Zeit bis zum Auffahrunfall): r = .54, nicht mehr ganz gleichmäßig auf die experimentel- p < .01 für Anzahl der Rennspielsitzungen und len Bedingungen (Bedingung Rennspiel: r = .49, p < .05 für Anzahl der Rennspiel-Spiel- n = 32; Bedingung Kampfspiel: n = 23; Kontroll- stunden; gruppe: n = 26). Der letzte Bereinigungsschritt be- zog sich auf einen Fall, der extrem überdurch- · der Anzahl der Auffahrunfälle: r = . 50, p < .05 schnittliche Nutzungsintensitäten für die abgefrag- für Anzahl der Rennspielsitzungen und r = .34, ten Rennspiele aufwies (5- bis 6-mal so hohe Werte p < .10 für Anzahl der Rennspiel-Spielstunden; wie die Person mit der zweitgrößten Nutzungsin- tensität). Um Ausreißereffekte bei der Berechnung · der Anzahl der Fehlerprotokollierungen „zu von Korrelationen zu vermeiden, wurden die Nut- schnell”: r = . 50, p < .01 für Anzahl der Renn- zungshäufigkeit und Nutzungsstunden (als Indika- spielsitzungen und r = .39, p = .05 für Anzahl toren von Rennspielgebrauch) für diese Person auf der Rennspiel-Spielstunden; die Werte des Teilnehmers mit den zweithöchsten · der Anzahl der Fehlerprotokollierungen „Fahr- Werten zurückgesetzt und jeweils um eins ver- bahn verlassen”: r = . 41, p < .05 für Anzahl der größert (neue Nutzungswerte: 1.400 + 1 Sitzungen Rennspielsitzungen und r = .43, p < .05 für An- und 3.017 + 1 Stunden). Somit behielt dieser Fall zahl der Rennspiel-Spielstunden. die höchsten Werte in der Stichprobe, verursachte aber nicht mehr eine so starke Streuung. Mit erheblichen Einschränkungen (vgl. dazu Kapitel 7.4) unterstützen die Daten demnach H1, wonach Vielnutzer von Rennspielen im Simulator eher zu 7.3 Ergebnisse problematischem Fahren neigen als Wenigspieler. Die zweite Hypothese wurde mit multivariaten Vari- Der Einfluss des Rennspielgebrauchs im Alltag auf anzanalysen (Manova) überprüft, wobei die experi- das problematische Fahrverhalten wurde mit Hilfe mentellen Bedingungen als Faktor und die 13 oben von Korrelationen zwischen den Indikatoren zur genannten Simulatorvariablen als abhängige Varia- Nutzung von Rennspielen (Anzahl der Spielsitzun- blen eingingen. Im ersten Schritt wurden keine Ko- gen und Anzahl der Spielstunden, Interkorrelation variaten berücksichtigt. Deskriptiv zeigt sich, dass r = .78, p <. 01) und den oben (Kapitel 7.1) aufge- die Personen in der Rennspiel-Bedingung bei meh- führten 13 Variablen aus den Simulatorprotokollen reren Fahrparametern die problematischsten überprüft. Die Korrelationsmatrix weist mit einer Durchschnittswerte aufweisen (vgl. Bild 7.2), etwa Ausnahme nur Zusammenhangswerte unter .20 für Durchschnittsgeschwindigkeit, Motordrehzahl, aus, die sämtlich im Zufallsbereich liegen. Einzig Beschleunigung, und time to headway. In Relation der Zusammenhang zwischen dem Rennspielkon- zu den Streuungswerten fallen diese Gruppenun- sum und der Anzahl der Fehlerprotokollierung terschiede jedoch recht bescheiden aus. Entspre- „Fahrbahn verlassen” ist überzufällig und substan- chend zeigt das varianzanalytische Modell keinen ziell (r = .30, p < .01 für Anzahl der Rennspielsit- multivariaten Effekt des experimentellen Faktors zungen; r = .31, p < .01 für Anzahl der Rennspiel- (F(26, 130) = .92, ns). Spielstunden). Daher ist mit Blick auf die Gesamt- stichprobe keinesfalls von einem systematischen Die Betrachtung der einzelnen abhängigen Variab- Zusammenhangsmuster auszugehen. Anders stellt len ergab, dass nur die gefundenen Gruppenunter- sich die Ergebnislage jedoch dar, wenn man die schiede bei ‚durchschnittliche Beschleunigung’ Analyse auf die Teilnehmer der Kontrollgruppe (F = 3.54, p < .05, partielles η2 = .09) sowie ‚durch- (n = 26) beschränkt. Geht man davon aus, dass die schnittliche time to headway (hypothetische Zeit Zusammenhänge zwischen Rennspielkonsum und bis zum Auffahrunfall)’ (F = 2.57, p < .10, partielles Fahrverhalten in den Gruppen, die vor der Simula- η2 = .06) überzufällig waren bzw. sich im Trendbe- torfahrt ein Computerspiel genutzt hatten, durch reich bewegten. Signifikante Effekte, die gegen H2 das experimentelle Treatment verändert sein könn- sprechen würden (bei denen also eine andere ex- ten, würde die Kontrollgruppe ohne diese Verzer- perimentelle Gruppe als die Rennspielgruppe den rung die ‚wahren’ Korrelationen darstellen – aller- problematischsten Mittelwert aufwies), ergaben dings für ein sehr kleines Subsample. Hier ergeben sich nicht. Die Varianzaufklärung des Gesamtmo- 78

dells (22) lag bei neun Prozent. Insofern ergab die Analyse einen vergleichsweise kleinen (aber vor- handenen) Effekt des Computer-Spieltyps auf das Fahrverhalten.

Trotz der ungleichen Verteilung der eliminierten Fälle (vgl. Kapitel 7.2) zwischen den Gruppen sind diese experimentellen Befunde aufgrund der ran- domisierten Zuweisung der Versuchspersonen zu den Bedingungen aussagekräftig und generalisier- bar. Allerdings weist das experimentelle Treatment mit Computerspielen das Problem auf, dass der Verlauf der Stimulusrezeption (und damit auch seine Wirkungsintensität und -qualität) in hohem Maße durch die einzelnen Versuchspersonen (mit-)bestimmt werden (KLIMMT, VORDERER & RITTERFELD, 2004). Theoretisch kann dieser indi- viduelle Anteil am experimentellen Treatment des- sen Wirksamkeit gefährden. Im vorliegenden Fall bezog sich dieser Effekt nicht auf die inhaltliche Di- mension ‚Fahrzeugbezug’ – diesen konnten weder die Teilnehmer in der Bedingung ‚Rennspiel’ von sich aus umgehen noch die Teilnehmer in der Be- dingung ‚Kampfspiel’ herstellen. Relevant war viel- mehr der Spielerfolg, also das Ausmaß, in dem die Teilnehmer positive Leistungsrückmeldungen vom Spielprogramm erhielten. Spielerfolge steigern das Selbstwertgefühl und können physiologische Erre- gung sowie spezifische Folgemotivationen auslö- sen (KLIMMT, in Druck), die einen Effekt auf die nachfolgende Simulatorfahrt haben könnten. Aus diesem Grund wurde die experimentelle Analyse wiederholt, wobei der individuelle Spielerfolg als Kovariate einbezogen wurde. Dazu wurde für die Bedingung Rennspiel die Anzahl der so genannten ‚Stylepunkte’ herangezogen. Damit sind Punktwer- tungen gemeint, die vom Spielprogramm für spek- takuläre Manöver (z. B. Sprünge, Driftbewegungen) vergeben und während der Autorennen eingeblen- det werden. Die Spannweite reichte hier von 312 bis 7.556 Punkten, was auf erhebliche Unterschie- de im erfolgsbezogenen Spielverlauf und -erleben zurückschließen lässt. Für die Bedingung Kampf- spiel wurde die Differenz aus Gegnern, die die Teil- nehmer erschossen hatten, und der Anzahl der ‚Tode’ der eigenen Spielfigur gebildet. Hier reichte die Spannweite von -5 (mehr Verluste als erfolgrei- che Tötungen) bis +26. Beide Erfolgsmaße wurden (jeweils innerhalb der Gruppe, in der sie entstanden waren) z-standardisiert (d. h. auf einen zwischen Bild 7.2: Ausgewählte experimentelle Gruppenunterschiede in den Gruppen vergleichbaren Nenner gebracht) und den Simulatordaten. „CFB” steht für die experimentel- le Gruppe, die ein Rennspiel („Computerspiel mit dann in eine Variable ‚standardisierter Spielerfolg’ Fahrzeugbezug”) genutzt hatte zusammengeführt, sodass Personen mit über- 79

durchschnittlichen Leistungswerten unabhängig kurzfristige Überlagerungen durch das experimen- von der Art des Spiels, das sie genutzt hatten, telle Treatment und kann daher nicht sehr substan- hohe (positive) Werte erhielten und umgekehrt Per- ziell und stabil sein. Dennoch kontrastieren die Si- sonen mit schlechten Leistungen spielunabhängig mulatordaten die Ergebnisse der Befragungsstudie niedrige (negative) Werte aufwiesen. Die integrierte (vgl. Kapitel 6), bei der mit Self-Report-Maßen Erfolgsvariable hatte eine Spannweite von -1.66 bis problematischen Fahrens überhaupt kein Zusam- +2.83. menhang mit dem Rennspielgebrauch ermittelt wurde. In Bezug auf die langfristigen Auswirkungen Eine erneute Manova, bei der diese Erfolgsvariable des Rennspielgebrauchs, wie sie im theoretischen als Kovariate eingeführt wurde (sodass die Kon- Modell antizipiert wurden (vgl. Kapitel 2), sind die trollgruppe, für die die Kovariate nicht zur Verfü- Daten daher zwar als Hinweis auf die Existenz sol- gung stand, ausgeschlossen wurde), replizierte die cher Effekte zu werten, aber nur nach einer Erwei- oben berichteten Befunde insofern, dass wiederum terung der Stichprobe (ohne experimentelles kein multivariater Effekt des experimentellen Treat- Treatment) bzw. einer Replikation mit echten Mess- ments nachgewiesen werden konnte (F(13, 39) = fahrzeugen und/oder alternativen Messzugängen 1.00, ns). Auch die Erfolgsvariable selbst wies kei- als tatsächliche Bestätigung für solche Effekte he- nen multivariaten Einfluss auf (F(1 3, 39) = 1.08, ns). ranzuziehen. Etwas klarer ist hingegen das Bild zu Hingegen zeigten die Analysen zu den einzelnen den kurzfristigen Effekten des Rennspiels. Nach abhängigen Variablen (Simulatorvariablen), dass der Nutzung von „Need for Speed: Underground” die Rennspielgruppe (nahezu) überzufällig höhere fuhren die Versuchspersonen im Durchschnitt Werte als die Kampfspielgruppe in den Merkmalen etwas schneller und mit geringeren Sicherheitsab- Durchschnittsgeschwindigkeit (F = 2.66, p = .11, ständen zum Vordermann als die Vergleichsgrup- partielles η2 = .05), Beschleunigung in Prozent des pen. Ein kurzfristiger Effekt im Sinne einer erhöhten Gaspedalanschlags (F = 5.46, p < .05, partielles Motivation, ‚sportlich’ zu fahren und/oder einer ver- η2 = .10), time to headway – hypothetische Zeit bis fehlten Geschwindigkeitseinschätzung und -an- zum Auffahrunfall (F = 4.65,p < .05, partielles passung nach Rennspielkonsum (sensomotorische η2 = .08) aufwies. Die Berücksichtung der Erfolgs- Readaption), konnte nachgewiesen werden. Wel- variable als Kovariate ließ demnach den Effekt des experimentellen Treatments deutlicher hervortre- che psychischen Mechanismen für diesen Effekt ten, wonach die im Gruppenvergleich problemati- verantwortlich sind, kann indes mit dem durchge- scheren Fahrweisen der Teilnehmer aus der Renn- führten Forschungsdesign nicht vollständig aufge- spielbedingung klarer (wenn auch nach wie vor klärt werden. Ein allgemeiner Arousaleffekt (der für nicht mit großen Effektstärken) erkennbar wurde. Renn- und Kampfspiel gleichermaßen Auswirkun- Kontrollen des Bildungsniveaus ergaben kein ver- gen aufs Fahrverhalten implizieren würde - vgl. Ka- ändertes Bild. pitel 4.4), scheint jedoch weniger wahrscheinlich zu sein als ein rennspielspezifischer Mechanismus (Priming oder sensomotorische Adaption). 7.4 Diskussion In jedem Fall muss die geringe Effektstärke berück- Die Simulatordaten stützen in Grenzen die beiden sichtigt und in Rechnung gestellt werden, dass die Hypothesen, die im Experiment getestet wurden. In Probanden in der Rennspiel-Bedingung per Defini- Bezug auf die korrelative Analyse des Zusammen- tion eine größere strukturelle Ähnlichkeit zwischen hangs zwischen Rennspielkonsum im Alltag und ihrem Treatment (Autorennen am Computer) und problematischem Fahren (H1) ist zunächst festzu- der Messsituation (Autofahrt am Simulator) wahr- stellen, dass sich der Effekt nicht in der Gesamt- genommen haben dürften als die anderen beiden stichprobe zeigte, sondern nur in der (kleinen) Kon- Gruppen. Dies ist natürlich Teil des angenomme- trollgruppe auftrat. Ein robuster Effekt hätte sich nen Wirkungsmechanismus (vgl. Kapitel 2), birgt hingegen in allen experimentellen Bedingungen aber auch das Risiko, methodische Artefakte zu – nämlich unabhängig vom experimentellen Treat- produzieren, weil die Ähnlichkeit zwischen Renn- ment – bemerkbar machen müssen. Dass er nur spiel und Simulator die Künstlichkeit der Simulator- (und auch nur für einige Simulatorvariablen) in der Situation für die Teilnehmer der Rennspielbedin- Kontrollgruppe auftrat, kann daher lediglich als gung möglicherweise stärker hervorgehoben hat stark eingeschränkte Bestätigung von H1 angese- als für die anderen Versuchspersonen (und da- hen werden: Der Zusammenhang ist anfällig für durch die Bereitschaft zum riskanten Fahren erhöht 80

hat). Andererseits ließe sich argumentieren, dass 8.1 Implikationen und Empfehlungen die wahrgenommene Ähnlichkeit zwischen Renn- für die Verkehrssicherheit spiel und Simulatorsituation auch dann für die Probanden in der Rennspiel-Bedingung höher ge- Die Vielzahl der Einzelbefunde, die das Projekt im wesen wäre, wenn alle Teilnehmer statt in den Laufe von drei Jahren Arbeit hervorgebracht hat, Simulator in ein wirkliches Auto eingestiegen birgt eine Reihe von Implikationen für die Verkehrs- wären. sicherheitsarbeit. Nach intensiver Auseinanderset- zung mit den Inhalten, Nutzern/innen und Wirkun- In Bezug auf die Prüfung beider Hypothesen ist gen von Rennspielen steht fest, dass diese höchst schließlich kritisch anzumerken, dass Verhaltens- populären Unterhaltungsangebote von praktischer aufzeichnungen eines Fahrsimulators ganz all- Relevanz für die Verkehrssicherheitarbeit sind. Dies gemein nur in Grenzen auf reale Fahrsituationen gilt vor dem Hintergrund ihrer großen Verbreitung übertragen werden können. Ihr Vorteil gegenüber und Popularität bei jungen Fahrern und Jugendli- einem reinen Befragungszugang ist zweifelsohne chen, die bald den Führerschein erwerben (wollen), die Lösung von Selbstberichten und damit die Stei- und der inhaltlichen Charakteristika dieser Spiele, gerung der Objektivität. Aufgrund des laborexperi- nämlich vor allem die Abgrenzung zum oder sogar mentellen Settings, der nach wie vor nicht maxi- gezielte Übertretung von Regeln des realen malen Realitätsnähe und des Wissens der Proban- Straßenverkehrs. Die öffentlichen Anschuldigungen den um die Künstlichkeit der Fahrsituation ist da- zu den problematischen Inhalten von Rennspielen gegen die Validität der Simulatordaten einge- sind nach Erkenntnissen des Projekts zwar nur in schränkt. Bezug auf einen kleinen Teil der Rennspiel-Land- Trotz aller Limitationen müssen jedoch insbeson- schaft angebracht, doch handelt es sich hierbei dere die experimentellen Effekte als wichtige Be- vielfach um besonders populäre Titel wie etwa die funde erachtet werden. Erstmals liegen Ergebnisse „Grand Theft Auto”-Reihe. vor, die problematische Implikationen von „Play and Drive”-Situationen empirisch nachweisen. Da- Die Ergebnisse zur Wirkung von Rennspielen auf mit liegen die Befunde auf einer Linie mit der jün- die Verkehrssicherheit lassen insgesamt den geren Forschung zu gewalthaltigen Computerspie- Schluss zu, dass sie allenfalls unter spezifischen len und Aggression (ANDERSON, 2004), die in der Bedingungen, nicht aber mit Blick auf die ‚Allge- Regel schwache bis mäßige Effektstärken, aber meinheit’, ein verschärfendes Potenzial für existie- einen eindeutig vorhandenen Gesamteffekt ermit- rende Fahrsicherheitsproblematiken besitzen. So telt hat. Bei aller gebotenen Vorsicht bezüglich der sind die direkten langfristigen Effekte von Renn- Generalisierung und Interpretation weisen die Er- spielen nach den Befunden des Projekts zu ver- gebnisse darauf hin, dass sich die Medienwir- nachlässigen. Diese für die Gesamtstudien gültigen kungsforschung und die Verkehrssicherheitsarbeit Schlussfolgerungen beziehen sich auch auf den in mit dem Themenkomplex „Rennspiele” weiter wer- der qualitativen Studie (Kapitel 4) entdeckten Spie- den beschäftigen müssen. ler, der Fahrmanöver aus einem Rennspiel mit sei- nem Auto nachstellte: Hierbei handelt es sich nach Lage unserer Daten um einen Einzelfall, der keinen unmittelbaren Anlass zur Besorgnis gibt. 8 Gesamtdiskussion und Verkehrssicherheitsmaßnahmen sollten daher nicht Empfehlungen für die Ver- ‚Rennspieler’ als neue Zielgruppe küren bzw. die kehrssicherheitsarbeit Nutzung von Rennspielen zu einem primären Risi- koindikator für die Verkehrssicherheit ausrufen. Es bietet sich an, die Abschlussdiskussion für das Projekt in zwei Teile zu gliedern. Zunächst gehen Vielmehr ist zu beachten, dass sich Rennspielkon- wir auf Implikationen und Empfehlungen für die sum nahtlos in ein erlebnisorientiertes Freizeitprofil Verkehrssicherheitsarbeit ein, die aus den Ergeb- einfügt und häufig mit anderen potenziell verkehrs- nissen folgen (Kapitel 8.1). Anschließend diskutie- sicherheitsrelevanten Größen (z. B. Motorsport- ren wir den weiteren Forschungsbedarf, der sich involvement, vgl. CHRIST, 1995) zusammenfällt. aus kommunikationswissenschaftlicher und ver- Die Befragungsstudie hat die besondere Bedeu- kehrspsychologischer Perspektive aus der Befund- tung von Einstellungen gegenüber Verkehrsregeln lage ergibt (Kapitel 8.2). und schnellem Fahren für das Ausmaß problemati- 81

schen Fahrens herausgestellt. Dabei geht es um beit sind und auf diesem Wege latente ‚Rest-Risi- die Einstellungen der Fahrer selbst als auch die ken’, die mit dem Methodenarsenal des Projekts ihres sozialen Umfelds. Angesichts der großen all- nicht ausgeschlossen werden können, angespro- tagskulturellen Bedeutung von Computerspielen chen werden können. (also auch von Rennspielen) ist hier ein wirkungs- verschärfendes Potenzial denkbar, weil Rennspiele Eine wichtige Voraussetzung für solche diskussi- in Peer Groups und Milieus, die bereits anfällig für onsorientierten Maßnahmen wäre die gründliche ‚Vorbildung’ der Mitarbeiter/innen in den Institutio- (andere) Determinanten und Vorläuferprozesse nen der Verkehrssicherheitsarbeit im Themen- problematischen Fahrverhaltens (z. B. ‚Macho Per- bereich Rennspiele. Dazu liefern die Berichte zu sonality’, vgl. KRAHÉ & FENSKE, 2002) sind, als den Vorstudien des Projekts wichtige Grundla- zusätzliches Vehikel zur gruppenweiten Ausbildung gen, die für die praktische Anwendung aufgegrif- verkehrsbezogener Vor- und Einstellungen fungie- fen, verdichtet, ergänzt und aktualisiert werden ren können. Rennspiele als Bestandteil von Ju- müssten. gendkultur könnten dann die sozial-interaktive Ausbildung problematischer Verhaltenstendenzen Als Reaktion auf die kurzfristigen Effekte von Renn- im Straßenverkehr in spezifischer Weise fördern, spielen, wie sie sich in der Simulatorstudie ange- etwa indem sie für eine mentale Unterrepräsen- deutet haben, sollte die Verkehrssicherheitsarbeit tation schwacher Verkehrsteilnehmer sorgen (vgl. versuchen, die Anbieter von Rennspielen zur Mitar- die Inhaltsanalyse: 3) oder die Neugier auf beson- beit bei der Prävention von ‚Play and Drive’-Situa- ders riskante Fahrweisen schüren (vgl. die Leitfa- tionen zu gewinnen. In einigen Titeln erscheinen deninterviews: 4). Solche komplexen Wirkungsmus- beispielsweise im Vorspann Warnungen, man ter hat das Projekt freilich nicht empirisch nachwei- möge die im Spiel möglichen Fahrweisen nicht mit sen können, wobei jedoch Limitationen mit dem einem echten Auto ausprobieren. In ähnlicher Methodenzugang der Fragebogenstudie zu be- Weise könnte man für die Einhaltung einer Min- rücksichtigen sind (vgl. dazu Kapitel 6.4). In Bezug destpause zwischen Rennspielkonsum und an- auf die langfristigen Folgen der Rennspielnutzung schließendem Antritt einer echten Autofahrt wer- sollten Verkehrssicherheitsmaßnahmen daher ben. Die Hersteller von CFB würden hierin vermut- einen integrierten Ansatz verfolgen, indem der lich eine willkommene Möglichkeit sehen, sich ge- Kontakt zu bekanntermaßen gefährdeten Peer- gen Regressklagen und Imageverluste abzusi- Groups und Milieus gesucht wird und dabei das chern. Positive Erfahrungen zur Kooperationsbe- Thema Rennspiele aufgegriffen wird, etwa als reitschaft von Computerspielanbietern gibt es be- Anschauungsbeispiel für Diskussionen über Ver- reits im verwandten Bereich der gewalthaltigen kehrssicherheit, über angemessene Fahrmanöver Computerspiele, wo sich etwa der Branchenprimus im Spiel im Vergleich zur Wirklichkeit oder über Fol- „Electronic Arts” (der auch das in der Simulatorstu- gen von riskantem Fahren in virtuellen und die eingesetzte „Need for Speed: Underground” echten Autos. Solche Diskussionen könnten verantwortet) um verstärkte Kontakte zur Wissen- ‚problem awareness’ bei potenziell Betroffenen schaft und einen engagierten Umgang mit dem schaffen und dabei die Rolle von Rennspielen im Thema in der Öffentlichkeit verdient macht. Eine ei- Zusammenspiel mit sozial-alltagskulturellen Prakti- genständige ‚Don’t play and drive!’-Kampagne ver- ken thematisieren. In Bezug auf die Verhinderung bietet sich indes für die Verkehrssicherheitsarbeit, langfristig-struktureller direkter Wirkungen von weil zum einen die kurzfristigen Effekte noch nicht Rennspielen könnten sie zugleich die Medienkom- zureichend bestätigt wurden und zum anderen die petenz (im Sinne von Spiel-Realitäts-Unterschei- Häufigkeit, mit der solche Situationen des Renn- dungskompetenz, vgl. Kapitel 2) fördern. Es muss spielgebrauchs mit unmittelbar folgender Autobe- jedoch betont werden, dass sich diese Empfehlun- nutzung überhaupt auftreten, allenfalls vermutet gen nicht aus empirischen Nachweisen eines werden kann. Auf solchen Grundlagen sollte die massiv sicherheitsgefährdenden Wirkungspoten- Entscheidung über ein teures Investment in eine zials von Rennspielen ergeben (im Gegenteil, die ganze Kampagne sicherlich nicht ruhen. Ohnehin gemessenen Wirkungen sind geradezu minimal), wären über Warnhinweise auf Verpackungen, im sondern vielmehr dadurch motiviert sind, dass Vorspann von und auch beim Beenden von Renn- Rennspiele aufgrund ihrer Beliebtheit in der Ziel- spielprogrammen die Adressaten solcher Bot- gruppe (vgl. Kapitel 6.3.2) ein potenziell nützliches schaften aufwandsarm, ohne Streuverlust und in Gesprächsthema für die Verkehrssicherheitsar- relevanten Situationen zu erreichen. 82

Zur Frage nach dem potenziellen Nutzen von Lern- · Vergabe eines Modellprojekts zur Einbeziehung rennspielen für die Ergänzung oder Vorbereitung eines Lehr-/Lern-Rennspiels in die fahrschu- der regulären Fahrerausbildung, -weiterbildung lisch-theoretische Ausbildung junger Fahrer und -nachschulung fallen unsere Empfehlungen (einschließlich systematischer Evaluation). eher zurückhaltend aus. Trotz unbestrittener didak- tischer Potenziale von Computerspielen (RITTER- Dabei ergibt sich aus den Ergebnissen des Projekts FELD & WEBER, in Druck) sind die Möglichkeiten jedoch keine ernste Gefahrensituation, die mit zeit- für die Verkehrssicherheitsarbeit, effektiven Ge- lichem Hochdruck und intensivem Mittelaufwand brauch von Rennspielen im Sinne von Lehr-/Lern- zu lösen wäre. Das Problempotenzial von Renn- medien zu machen, begrenzt. Das liegt vor allem spielen für die Verkehrssicherheit stellt sich nach daran, dass solche Lern-Rennspiele in den Haupt- unseren Ergebnissen als begrenzt dar. Aus dieser zielgruppen mit technisch hochgerüsteten und sys- grundsätzlichen Entwarnung, wonach Rennspiele tematisch vermarkteten Entertainmentprodukten keine neuen Hauptverantwortlichen für Verkehrssi- konkurrieren müssten (zumindest haben unsere cherheitsprobleme darstellen, sollte jedoch keine Befragten eine solche Konkurrenzsituation be- Ignoranz gegenüber diesem neuen Medium er- schrieben, vgl. Kapitel 4). Dennoch gibt es offenbar wachsen. Vor allem aus diesem Grund empfehlen auch bei Vielnutzern von ‚High-End’-Rennspielen wir die genannten Maßnahmen. das Interesse, auf unterhaltsame Weise etwas über das Autofahren zu lernen. Vor diesem Hintergrund wäre die Option zu diskutieren, ein Computerspiel 8.2 Weiterer Forschungsbedarf zu entwickeln, das nicht junge Fahrer/innen als Bedarf nach Anschlussforschung ergibt sich bei Endkunden anzielt, sondern stattdessen als Unter- diesem Projekt auf verschiedenen Ebenen. Auf der stützung für die theoretische Ausbildung in Fahr- Ebene der Gegenstandsdeskription ist eine regel- schulen konzipiert wird. Dabei stünden dann weni- mäßige Wiederholung der Inhaltsanalyse anzura- ger die (technisch im PC-Bereich kaum adäquat si- ten, weil die technischen Rahmenbedingungen von mulierbaren) physikalischen Aspekte sicheren Fah- Computerspielen rasanten Dynamiken folgen. ‚Fu- rens (wie etwa Bremswege, Auswirkungen von ture Entertainment Systems’ werden mit heutigen Fahrbahnbelägen) im Mittelpunkt, sondern eher die PC-basierten Rennspielen kaum vergleichbar sein. praktisch-dynamische Bedeutung von Verkehrsre- Aktualisierte Erkenntnisse zu den inhaltlichen Cha- geln und typischen Verkehrssituationen (z. B. „Ball- rakteristika von Rennspielen sind auch vor dem rollt-auf-die-Straße”). Aufgrund seiner stark auf- Hintergrund, dass den Praktikern/innen der Ver- merksamkeitsbindenden und Interesse weckenden kehrssicherheitsarbeit hochwertige Informationen Wirkung sowie ihrer Interaktivität könnte ein sol- für ihre Maßnahmen zur Verfügung stehen sollten ches Spiel im Kontext der fahrschulischen Ausbil- (vgl. Kapitel 8.1), erforderlich. Eine Replikation (ggf. dung möglicherweise mehr bewirken als ein mit modifizierten Kategorien und verändertem the- ‚Edutainment’-Produkt für den Hausgebrauch der matischem Schwerpunkt) der Inhaltsanalyse wäre Zielgruppe. Ein solches Spiel könnte etwa in einem daher ein erstes Forschungsdesiderat. Folgeprojekt mit Unterstützung der BASt und in Kooperation eines Spieleanbieters mit einer wis- Mit Blick auf die Wirkungsstudien ist festzuhalten, senschaftlichen Einrichtung (für die Konzeption dass sowohl die Befragung (Abhängigkeit von Self- und Evaluation) produziert werden. Report-Daten) als auch die Simulatorstudie (künstli- Insgesamt leiten wir drei zentrale Empfehlungen ches Laborsetting, potenziell schlecht generalisier- aus den Projektergebnissen ab: bar auf reale Fahrsituation) mit methodischen Ein- schränkungen verbunden sind. Als Konsequenz er- verstärkte Thematisierung von Rennspielen in · gibt sich die Empfehlung, das Projekt mit einem dialogischen Verkehrssicherheitsmaßnahmen Multi-Methodendesign fortzuführen, in dem sich ver- (einschließlich thematischer Einarbeitung der schiedene Messverfahren und Forschungsdesigns beteiligten Mitarbeiter/innen). gegenseitig ergänzen. Das Projekt hat mit einer · Bildung einer Allianz zwischen Akteuren der standardisierten Befragung und einer experimentel- Verkehrssicherheit und Rennspiel-Anbietern zur len Simulatorstudie eine solche Vorgehensweise be- Implementierung von Warnungen vor ‚Play and reits im Ansatz realisiert; allerdings ergab sich kein Drive’-Situationen auf Packungen und Bild- methoden- bzw. studienübergreifendes Bild: schirminhalten von CFB, Während die Befragungsstudie keinen (langfristi- 83 gen) Effekt von Rennspielkonsum auf das proble- Literatur matische Fahrverhalten ergab, brachte die Simula- torstudie begrenzte Hinweise sowohl auf langfristi- AKAMATSU, M., OKUWA, M. & ONUKI, M. (2001): ge als auch (primär) auf kurzfristige Effekte. Ent- Development of Hi-Fidelity Driving Simulator for sprechend wäre hier über weitere methodische Measuring Driving Behavior. Journal of Herangehensweisen, etwa Priming-Studien, wel- Robotics and Mechatronics, 13(4), 409-417 che die kognitive Verfügbarkeit verkehrssicher- ANDERSON, C. A. (2004): An update on the effects heitsrelevanter Konzepte in Abhängigkeit vom of playing violent video games. Journal of Rennspielgebrauch untersuchen, nachzudenken. Adolescence, 27 (1), 113 122 Interessant erscheint uns auch die Berücksichti- gung der Kultivationsperspektive, die den Einfluss ANDERSON, C. A. & DILL, K. E. (2000): Video von Massenmedien auf Vorstellungen von der Welt Games and Aggressive Thoughts, Feelings, and thematisiert. Aus dieser Sicht wäre die Frage zu Behavior in the Laboratory and in Life. Journal untersuchen, wie der Gebrauch von Rennspielen of Personality and Social Psychology, 78(4), mit ihren inhaltlichen Charakteristika die mentalen 772-790 Modelle vom Straßenverkehr (z. B. Schadensvor- stellung bei Unfällen, mentale Repräsentation von BANDURA, A. (1977): Self-efficacy: Toward a typischen Gefahrensituationen) langfristig prägt. unifying theory of behavioral change. Dieser Aspekt wurde im theoretischen Modell (vgl. Psychological Review, 84 (2), 191-215 Kapitel 2) bereits angesprochen, jedoch im Projekt BANDURA, A. (1986): Social foundations of nicht systematisch empirisch verfolgt. Eine erste thought and action: A social cognitive theory. Kultivationsstudie in Bezug auf Computerspiele Englewood Cliffs, N. J.: Prentice Hall wurde indes kürzlich veröffentlicht (van MIERLO & van den BULCK, 2004), sodass hier bereits Grund- BANDURA, A. (1997): Self-Efficacy: The exercise of lagen existieren, auf die ein Folgeprojekt aufsetzen control. New York: Freeman könnte. Die Untersuchung der Effekte von Renn- spielen auf kognitive Repräsentationen von Stra- BANDURA, A. (2001): Social cognitive theory of ßenverkehr könnte sich als wichtiger Aspekt der mass communication. Media Psychology, 3 (3), Verkehrssicherheitsrelevanz erweisen, der in die- 265-299 sem Projekt noch nicht ausreichend gewürdigt BARTL, G. (1997): Hormonanalysen bei Hochge- werden konnte. schwindigkeitsfahrten. Zeitschrift für Verkehrs- Insgesamt hat das nun abgeschlossene Projekt sicherheit, 43 (4), 166-171 „Chancen und Gefahren neuer Medien in der Ver- BECK, K., SHATTUCK, T. & RALEIGH, R. (2001): kehrssicherheitsarbeit” substanzielle Beiträge zur Parental Predictors of Teen Driving Risk. Annäherung an dieses neue Thema geleistet und American Journal of Health Behavior, 25 (1), auch erhebliche Fortschritte für die Medienwir- 10-20 kungsforschung im Bereich der Verkehrssicherheit gemacht. Die Befunde des Projekts bieten Stoff für BEGG, D. & LANGLEY, J. (2001): Changes in risky umfangreiche Diskussionen hinsichtlich prakti- driving behaviour from age 21 to age 26 years. scher Konsequenzen und zeigen auch die große Journal of Safety Research, 32 (4), 491-499 Bedeutung, die einer weiterführenden wissen- BENDA, H. V. & HOYOS, C. G. (1983): Estimating schaftlichen Untersuchung dieses Themenkomple- hazards in traffic situations. Accident Analysis xes zukommt. Die Akteure der Verkehrssicherheit and Prevention, 15, 1-9 und auch die BASt sind unserer Ansicht nach gut beraten, ihr Engagement im Bereich der „Compu- BENTE, G. (Hrsg.) (2002): Digitale Welten. Virtuelle terspiele mit Fahrzeugbezug” sowohl explorativ- Realität und Computersimulation als Gegen- wissenschaftlich als auch anwendungsorientiert- stand und Methode in der Psychologie. Göttin- didaktisch auszubauen. Der Bedarf nach weiteren gen: Hogrefe Erkenntnissen ist vorhanden und das Gleiche lässt sich auch für das Chancenpotenzial dieser neuen BÖSSER, T. 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Schriftenreihe M 131: Perspektiven der Verkehrssicherheitsarbeit für Senio- ren Teil A: Erster Bericht der Projektgruppe zur Optimierung der Berichte der Bundesanstalt Zielgruppenprogramme für die Verkehrsaufklärung von Senioren Teil B: Modellprojekt zur Erprobung von Maßnahmen der Ver- für Straßenwesen kehrssicherheitsarbeit mit Senioren Becker, Berger, Dumbs, Emsbach, Erlemeier, Kaiser, Six unter Mitwirkung von Bergmeier, Ernst, Mohrhardt, Pech, Unterreihe „Mensch und Sicherheit“ Schafhausen, Schmidt, Zehnpfennig € 17,00 M 132: Fahrten unter Drogeneinfluss – Einflussfaktoren und Ge- 2000 fährdungspotenzial Vollrath, Löbmann, Krüger, Schöch, Widera, Mettke € 19,50 M 112: Ältere Menschen als Radfahrer Steffens, Pfeiffer, Schreiber, Rudinger, Groß. Hübner € 18,00 M 133: Kongressbericht 2001 der Deutschen Gesellschaft für Verkehrsmedizin e. V. € 26,00 M 113: Umweltbewußtsein und Verkehrsmittelwahl Preisendörfer, Wächter-Scholz, Franzen, Diekmann, M 134: Ältere Menschen im künftigen Sicherheitssystem Straße/ Schad, Rommerskirchen € 17,50 Fahrzeug/Mensch Jansen, Holte, Jung, Kahmann, Moritz, Rietz, M 114: ÖPNV-Nutzung von Kindern und Jugendlichen Rudinger, Weidemann € 27,00 Dürholt, Pfeifer, Deetjen € 13,50 M 115: Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung Schutzgebühr € 5,00 2002 M 135: Nutzung von Inline-Skates im Straßenverkehr M 116: Informations- und Assistenzsysteme im Auto benutzer- Alrutz, Gündel, Müller gerecht gestalten – Methoden für den Entwicklungsprozeß unter Mitwirkung von Brückner, Gnielka, Lerner, € 14,50 Meyhöfer € 16,00 M 117: Erleben der präklinischen Versorgung nach einem Verkehrs- M 136: Verkehrssicherheit von ausländischen Arbeitnehmern und unfall ihren Familien Nyberg, Mayer, Frommberger € 11,00 Funk, Wiedemann, Rehm, Wasilewski, Faßmann, Kabakci, M 118: Leistungen des Rettungsdienstes 1998/99 Dorsch, Klapproth, Ringleb, Schmidtpott € 20,00 Schmiedel, Behrendt € 13,50 M 137: Schwerpunkte des Unfallgeschehens von Motorradfahrern M 119: Volkswirtschaftliche Kosten der Sachschäden im Straßen- Assing € 15,00 verkehr M 138: Beteiligung, Verhalten und Sicherheit von Kindern und Ju- Baum, Höhnscheid, Höhnscheid, Schott € 10,50 gendlichen im Straßenverkehr M 120: Entwicklung der Verkehrssicherheit und ihrer Determinan- Funk, Faßmann, Büschges, Wasilewski, Dorsch, Ehret, Klapproth, ten bis zum Jahr 2010 May, Ringleb, Schießl, Wiedemann, Zimmermann € 25,50 Ratzenberger € 17,50 M 139: Verkehrssicherheitsmaßnahmen für Kinder – Eine Sichtung M 121: Sicher fahren in Europa € 21,00 der Maßnahmenlandschaft M 122: Charakteristika von Unfällen auf Landstraßen – Analy- Funk, Wiedemann, Büschges, Wasilewski, Klapproth, se aus Erhebungen am Unfallort Ringleb, Schießl € 17,00 Otte € 14,00 M 140: Optimierung von Rettungseinsätzen – Praktische und M 123: Mehr Verkehrssicherheit für Senioren – More Road Safety ökonomische Konsequenzen for Senior Citizens € 24,50 Schmiedel, Moecke, Behrendt € 33,50 M 141: Die Bedeutung des Rettungsdienstes bei Verkehrsunfällen 2001 mit schädel-hirn-traumatisierten Kindern – Eine retrospektive Aus- M 124: Fahrerverhaltensbeobachtungen auf Landstraßen am Bei- wertung von Notarzteinsatzprotokollen in Bayern spiel von Baumalleen Brandt, Sefrin € 12,50 Zwielich, Reker, Flach € 13,00 M 142: Rettungsdienst im Großschadensfall M 125: Sachschadensschätzung der Polizei bei unfallbeteiligten Holle, Pohl-Meuthen € 15,50 Fahrzeugen Heidemann, Krämer, Hautzinger € 11,50 M 143: Zweite Internationale Konferenz „Junge Fahrer und Fahrer- innen“ € 22,50 M 126: Auswirkungen der Verkehrsüberwachung auf die Befol- M 144: gung von Verkehrsvorschriften Internationale Erfahrungen mit neuen Ansätzen zur Ab- Pfeiffer, Hautzinger € 14,50 senkung des Unfallrisikos junger Fahrer und Fahranfänger Willmes-Lenz € 12,00 M 127: Verkehrssicherheit nach Einnahme psychotroper Substan- M 145: Drogen im Straßenverkehr – Fahrsimulationstest, ärztliche zen € 13,50 und toxikologische Untersuchung bei Cannabis und Amphetaminen M 128: Auswirkungen neuer Arbeitskonzepte und insbesondere Vollrath, Sachs, Babel, Krüger € 15,00 von Telearbeit auf das Verkehrsverhalten M 146: Vogt, Denzinger, Glaser, Glaser, Kuder € 17,50 Standards der Geschwindigkeitsüberwachung im Verkehr Vergleich polizeilicher und kommunaler Überwachungsmaßnahmen M 129: Regionalstruktur nächtlicher Freizeitunfälle junger Fahrer Pfeiffer, Wiebusch-Wothge € 14,00 in den Jahren 1997 und 1998 Mäder, Pöppel-Decker € 15,00 M 147: Leistungen des Rettungsdienstes 2000/01 – Zusammen- stellung von Infrastrukturdaten zum Rettungsdienst 2000 und Ana- M 130: Informations- und Steuerungssystem für die Verkehrs- lyse des Leistungsniveaus im Rettungsdienst für die Jahre 2000 sicherheitsarbeit für Senioren und 2001 Meka, Bayer € 12,00 Schmiedel, Behrendt € 15,00 91

2003 M 168: Optimierung der Fahrerlaubnisprüfung – Ein Reform- vorschlag für die theoretische Fahrerlaubnisprüfung M 148: Moderne Verkehrssicherheitstechnologie – Fahrdaten- Bönninger, Sturzbecher € 22,00 speicher und Junge Fahrer M 169: € Risikoanalyse von Massenunfällen bei Nebel Heinzmann, Schade 13,50 Debus, Heller, Wille, Dütschke, Normann, Placke, M 149: Auswirkungen neuer Informationstechnologien auf das Wallentowitz, Neunzig, Benmimoun € 17,00 Fahrerverhalten M 170: Integratives Konzept zur Senkung der Unfallrate junger Färber, Färber € 16,00 Fahrerinnen und Fahrer – Evaluation des Modellversuchs im Land M 150: Benzodiazepine: Konzentration, Wirkprofile und Fahr- Niedersachsen tüchigkeit Stiensmeier-Pelster € 15,00 € Lutz, Strohbeck-Kühner, Aderjan, Mattern 25,50 M 171: Kongressbericht 2005 der Deutschen Gesellschaft für M 151: Aggressionen im Straßenverkehr Verkehrsmedizin e. V. – 33. Jahrestagung € 29,50 Maag, Krüger, Breuer, Benmimoun, Neunzig, Ehmanns € 20,00 M 172: Das Unfallgeschehen bei Nacht M 152: Kongressbericht 2003 der Deutschen Gesellschaft für Ver- Lerner, Albrecht, Evers € 17,50 kehrsmedizin e. V. € 22,00 M 173: Kolloquium „Mobilitäts-/Verkehrserziehung in der Sekundar- € M 153: Grundlagen streckenbezogener Unfallanalysen auf Bun- stufe“ 15,00 desautobahnen M 174: Verhaltensbezogene Ursachen schwerer Lkw-Unfälle Pöppel-Decker, Schepers, Koßmann € 13,00 Evers, Auerbach € 13,50 M 154: Begleitetes Fahren ab 17 – Vorschlag zu einem fahrpraxis- bezogenen Maßnahmenansatz zur Verringerung des Unfallrisikos junger Fahranfängerinnen und Fahranfänger in Deutschland Pro- 2006 jektgruppe „Begleitetes Fahren“ € 12,50 M 175: Untersuchungen zur Entdeckung der Drogenfahrt in Deutschland M 155: Prognosemöglichkeiten zur Wirkung von Verkehrssicher- Iwersen-Bergmann, Kauert € 18,50 heitsmaßnahmen anhand des Verkehrszentralregisters Schade, Heinzmann € 17,50 M 176: Lokale Kinderverkehrssicherheitsmaßnahmen und -pro- gramme im europäischen Ausland M 156: Unfallgeschehen mit schweren Lkw über 12 t Funk, Faßmann, Zimmermann, unter Mitarbeit von Wasilewski, € Assing 14,00 Eilenberger € 15,00 M 177: Mobile Verkehrserziehung junger Fahranfänger 2004 Krampe, Großmann in Vorbereitung M 157: Verkehrserziehung in der Sekundarstufe M 178: Fehlerhafte Nutzung von Kinderschutzsystemen in Pkw Weishaupt, Berger, Saul, Schimunek, Grimm, Pleßmann, Fastenmeier, Lehnig € 15,00 Zügenrücker € 17,50 M 179: Geschlechtsspezifische Interventionen in der Unfallprä- M 158: Sehvermögen von Kraftfahrern und Lichtbedingungen im vention nächtlichen Straßenverkehr Kleinert, Hartmann-Tews, Combrink, Allmer, Jüngling, Schmidt-Clausen, Freiding € 11,50 Lobinger € 17,50 M 159: Risikogruppen im VZR als Basis für eine Prämiendif- M 180: Wirksamkeit des Ausbildungspraktikums für Fahrlehrer- ferenzierung in der Kfz-Haftpflicht anfänger Heinzmann, Schade € 13,00 Friedrich, Brünken, Debus, Leutner, Müller in Vorbereitung M 160: Risikoorientierte Prämiendifferenzierung in der Kfz-Haft- M 181: Rennspiele am Computer: Implikationen für die Ver- pflicht – Erfahrungen und Perspektiven kehrssicherheitsarbeit – Zum Einfluss von Computerspielen € Ewers(†), Growitsch, Wein, Schwarze, Schwintowski 15,50 mit Fahrzeugbezug auf das Fahrverhalten junger Fahrer M 161: Sicher fahren in Europa € 19,00 Vorderer, Klimmt € 16,50 M 162: Verkehrsteilnahme und -erleben im Straßenverkehr bei Krankheit und Medikamenteneinnahme Holte, Albrecht € 13,50 M 163: Referenzdatenbank Rettungsdienst Deutschland Kill, Andrä-Welker € 13,50 M 164: Kinder im Straßenverkehr Funk, Wasilewski, Eilenberger, Zimmermann € 19,50 M 165: Förderung der Verkehrssicherheit durch differenzierte An- sprache junger Fahrerinnen und Fahrer Alle Berichte sind zu beziehen beim: Hoppe, Tekaat, Woltring € 18,50 Wirtschaftsverlag NW 2005 Verlag für neue Wissenschaft GmbH M 166: Förderung des Helmtragens bei radfahrenden Kindern und Postfach 10 11 10 Jugendlichen D-27511 Bremerhaven Schreckenberg, Schlittmeier, Ziesenitz unter Mitarbeit von Suhr, Pohl- Telefon: (04 71) 9 45 44 - 0 mann, Poschadel, Schulte-Pelkum, Sopelnykova € 16,00 Telefax: (04 71) 9 45 44 77 M 167: Fahrausbildung für Behinderte – Konzepte und Materialien Email: [email protected] für eine behindertengerechte Fahrschule und Behinderte im Internet: www.nw-verlag.de Verordnungsrecht Zawatzky, Mischau, Dorsch, Langfeldt, Lempp € 19,00 Dort ist auch ein Komplettverzeichnis erhältlich.