Spätslawische Gräber Mit Schwertbeigabe Von Wusterhausen an Der Dosse Ein Vorbericht
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BUFM 52, Bauer et al., Spätslawische Gräber von Wusterhausen, 327 - 337 327 Uli Bauer, Felix Biermann, Olaf Brauer, Thomas Kersting und Hartmut Lettow Spätslawische Gräber mit Schwertbeigabe von Wusterhausen an der Dosse Ein Vorbericht Einleitung Allgemein wird die Siedlungsregion an der Die Kleinstadt Wusterhausen (Lkr. Ostprignitz- Dosse (Abb. 2) und den Kyritzer Seen mit dem Ruppin) liegt am mittleren Dosselauf im Grenz- Gebiet der Dossanen identifziert (vgl. Plate 1989; bereich von Prignitz und Ruppiner Land. Von 1998). Diese werden als „Doxani“ im 11. Jh. bei März bis Juli 2006 wurden in den Straßen bei der Adam von Bremen erwähnt. Ein ähnlich bezeich- spätmittelalterlichen Pfarrkirche St. Peter und netes Territorium tritt außerdem bereits in der Paul Leitungssysteme angelegt und der Straßen- Stiftungsurkunde für das Bistum Brandenburg aufbau erneuert. Dies wurde baubegleitend ar- (946/48) als „Dassia“ und in der im 12. Jh. ver- chäologisch betreut (Abb. 1; vgl. Brauer 2007). Die fälschten Urkunde für Havelberg als „Desseri“ in Arbeiten unter Leitung von O. Brauer, an denen Erscheinung (Brüske 1955, 193-196; Herrmann auch U. Bauer und H. Lettow beteiligt waren, 1968, 30). Darunter könnte ein Stammesgebiet im führten zu neuen Erkenntnissen über die Sied- Sinne von „Dossanenland“, ein am Fluss orien- lungsgeschichte im Bereich der Stadt und er- tierter Landschaftsname – als „Dossegau“ – oder brachten insbesondere spektakuläre Grabbefun- aber eine Stammes- und zugleich Regionsbe- de, und zwar zwei spätslawische Gräber mit zeichnung zu verstehen sein. Nach den Havelber- Schwertbeigabe. ger Diözesanurkunden des 12. Jhs. lagen auch Wittstock und Putlitz – die „Wizoca civitas“, also Siedlungs- und Geschichtsraum „große Burg“, sowie die „Pochlustim civitas“ mit 2 Das Areal um Wusterhausen gehörte in slawi- ihren jeweiligen Burgwarden – in „Desseri“. Für scher Zeit zu einer dicht belegten Siedlungsland- eine Gleichsetzung der Siedlungslandschaft an schaft an den Rändern des Unteren Rhinluchs, der Dosse mit „Desseri“ bzw. „Dassia“ sprechen der Kyritzer und Ruppiner Platte, in der v. a. eine die Abfolge der Gebietserwähnungen in den Ha- größere Anzahl von Burgwällen auffällt. Diese velberger und Brandenburger Bistumsurkunden ballen sich am Mittellauf der Dosse und an der sowie sein offensichtlich mit der Flussbezeich- Nord-Süd-verlaufenden Kyritzer Seenrinne im nung verwandter Name (Herrmann 1968, 30). Ob Bereich von Neustadt/Dosse, Plänitz, Kyritz und sich „Desseri“ im Norden bis zur Müritz erstreck- Wusterhausen. Weiter dosseaufwärts dünnen die te, ist ungewiss. Dass jedenfalls ein Machtzent- Fundplätze aus, um bei Wittstock noch eine klei- rum des „Desseri“-Territoriums im Raum Kyritz- nere Konzentration zu bilden; ostwärts liegen Wusterhausen lag, können die Schwertgräber von weitere Siedlungsballungen bei Wildberg und jenen Orten untermauern. Neuruppin, die mit der schon im 10. Jh. erwähn- Das mittelalterliche Zentrum des 1232 erstmals ten Region „Zamzizi“ verbunden werden (Herr- als „wstrehusen“ schriftlich erwähnten Ortes mann 1968, 30 f.). Südlich und westlich behinder- Wusterhausen befindet sich auf der Kuppe einer te die weite Niederung des Rhin-Luchs eine Be- siedlung in allen ur- und frühgeschichtlichen Tornow-Sechzehneichen östlich Kyritz (Plate/Plate 1983) und Perioden. 1 in der Vorburgsiedlung von Wildberg (Grebe 1970). 2 Brüske 1955, 194 Anm. 344; Herrmann 1960, 201; 1968, 30; F. 1 In den meisten Fällen handelt es sich lediglich um Oberflä- Ruchhöft (2008, 39 Anm. 232) erwägt allerdings, die Nachrich- chenfundplätze; Ausgrabungen fanden nur auf wenigen ten über Wittstock und Putlitz könnten „Teil der Fälschung“ Fundplätzen statt, z. B. in der spätslawischen Siedlung von sein. 328 BUFM 52, Bauer et al., Spätslawische Gräber von Wusterhausen, 327 - 337 Abb. 1. Wusterhausen. Luftbild des Areals um die Kirche St. Peter und Paul mit den prospektierten Bauflächen (blau), der Ausdehnung des Gräberfeldes (rot) und der Lage der beiden Schwertgräber (lila) (Luftbild Stadt Wuster- hausen, Bearbeitung: TOPO-Archäologie). Talsandinsel in der Dosseniederung. Die 1291 Im Areal der spätmittelalterlichen Altstadt gab „civitas“ genannte Stadt, deren Name auf sla- es ebenfalls eine ausgedehnte slawenzeitliche wisch +ostrog´ ь, „mit Palisaden befestigter Platz“, Besiedlung. Hier wurden bei nahezu allen Bauar- zurückgehen soll (Herrmann 1960, 69), wurde beiten frühgeschichtliche Überreste entdeckt, wohl schon in der ersten Hälfte des 13. Jhs. privi- vereinzelt auch slawische Körpergräber (Plate legiert (Enders 1970, 299 f.; Plate 1979, 265; Hein- 1979, 253 ff.; 1992, 97 ff.). Die Siedlungsbefunde rich 1995, 398 f.). Sie entstand im Anschluss an lassen auf eine im Schwerpunkt früh- bis mittel- einen großen spätslawischen Burgwall, der einen slawische Besiedlung im nördlichen Bereich der Übergang über die Dosseniederung sicherte und Talsandinsel und eine vorwiegend mittel- bis zugleich ein wichtiges Herrschaftszentrum im spätslawische Siedlungstätigkeit im Südosten südlichen Stammesgebiet der Dossanen war. Die schließen. Dabei handelte es sich wohl um subur- Bedeutung des Wusterhausener Kleinraums biale Bereiche der von J. Herrmann (1960, 54 f., 69, schon in slawischer Zeit wird nicht nur durch 73) als „spätslawische stadtähnliche Siedlung“ diese Wehranlage, sondern auch durch eine wei- tere, unfern gelegene Befestigung – wahrschein- lich ein kleinerer, mittelslawischer Ringwall – und 73/71-74. Es ist nicht ganz klar, ob es sich bei dem kleinen und dem großen Burgwall um zwei zeitlich folgende oder auch mehrere Siedlungsplätze in der Umgebung be- zeitgleiche Befestigungen oder um eine zweiteilige Burg (Vor- legt. 3 und Hauptburg) handelt. Der kleine Ringwall, 1910 „ein flacher Hügel von rundlicher Form“, wurde von W. Bartelt 3 Bartelt/Waase 1910, 36 ff.; Herrmann 1960, 64 f., 153 f. Kat.- und K. Waase (1910, 37) als Bestattungsplatz eingestuft, was Nr. 164, 165; 1968, 186; Plate 1975, 154 ff.; Corpus 3, 1979, aber kaum zutreffen wird. BUFM 52, Bauer et al., Spätslawische Gräber von Wusterhausen, 327 - 337 329 Abb. 2 . Slawenzeitliche Fundplätze an der Dosse und der Kyritzer Seenrinne (Kartierung: Th. Kersting). (vgl. auch Corpus 3, 1979, 73/72) gekennzeichne- Die Grabungsergebnisse von 2006 ten Burg, die offenbar recht groß war und in klei- nen Erdaufschlüssen starke Kulturschichtpakete Die Siedlungsbefunde mittel- und spätslawischer Zeit mit Fußböden, Im Zuge der Baubegleitung konnte 2006 eine Herdstellen und Aufhöhschichten zeigte (Plate früh- bis mittelslawische, vermutlich unbefestigte 1975, 155 Abb. 2). Siedlung auf der Kuppe nördlich der Kirche Als die Herren von Plotho im frühen 13. Jh. in nachgewiesen werden. Die Kulturschichten liegen Wusterhausen ihre Herrschaft etablierten, knüpf- äolischen Sedimenten auf. Bei den Siedlungsgru- ten sie an diese Traditionen an. Die Burg des 13. ben handelt es sich meist um muldenförmige Jhs., die – wie die Siedlung – 1232 erstmals ge- Gruben mittlerer Tiefe, die Siedlungsabfall wie nannt wird und Mittelpunkt der 1349 nachgewie- Keramikscherben, Knochen und Fischgräten, senen terra Wusterhausen war, könnte an gleicher Holzkohle, Herdsteine u. ä. enthielten. Einige Stelle wie die spätslawische Befestigung gelegen größere, etwa rechteckige Gruben können als haben, auch wenn archäologische Beweise dafür Grubenhäuser oder eingetiefte Bereiche ebenerdi- fehlen. Wohl seit den 1270er Jahren askanisch, ger Häuser interpretiert werden. Weiterhin sind verlor die Burg bald nach 1293 an Bedeutung, Feuerstellen und Pfostengruben identifizierbar. während sich die Stadt weiter entfaltete (Herr- Die Verteilung der Befunde zeigt eine deutliche mann 1960, 57, 154; 1968, 186; Plate 1979, 265; Konzentration nördlich der Kirche. Anhand der Heinrich 1995, 399). Ihr Kern war die spätslawi- Keramik (v. a. Sukower, Feldberger und Menken- sche Vorburgsiedlung. So ergeben sich in Wust- dorfer Typ) kann diese Siedlung im Schwerpunkt erhausen bemerkenswerte Kontinuitäten zwi- in das 8./9. bis 10. Jh. gestellt werden. Über Teile schen dem spätslawischen Wirtschafts- und Herr- dieses Wohnplatzes erstreckte sich später das schaftszentrum sowie der frühdeutschen Burg Körpergräberfeld. und Stadt. 330 BUFM 52, Bauer et al., Spätslawische Gräber von Wusterhausen, 327 - 337 Nördlich dieses Areals wurden frühdeutsche Abweichung von der eigentlich angestrebten Befunde erfasst: Siedlungsgruben, Feuerstellen West-Ost-Ausrichtung (vgl. Biermann 2003, 617 und der Rest eines Dielenbodens deuten auf eine Anm. 6, 7) und mag somit bereits christliche Ein- Zeilenbebauung des 13. bis 15. Jhs. hin. Ein west- flüsse anzeigen. Grabtiefen von ca. 1 m waren die lich und nördlich der Kuppe verlaufender flacher Regel, doch gab es auch einige bis zu 2 m tiefe Sohlgraben, der bereits Mitte des 13. Jhs. durch Gruben. einen Bohlenweg überbaut wurde (Jahrringdatum 1244/1245; Dr. K.-U. Heußner, Berlin), gehörte zur spätslawischen oder zur frühdeutschen Sied- lungsetappe. Das spätslawische Gräberfeld Hauptbefund der Grabungen war ein spätslawi- sches Körpergräberfeld, dessen Areal im Mittelal- ter weitgehend unbebaut geblieben war. Es wur- de lediglich bei der Anlage eines Spitzgrabens angeschnitten, und erst eine neuzeitliche Bautä- tigkeit dürfte größere Teile davon zerstört haben. Das Zentrum des Gräberfeldes lag nördlich der Pfarrkirche. Seine Grenzen konnten nur im Westen und Norden ungefähr erfasst werden. Die Bestattungen setzten am Abhang oberhalb der Niederung ein. Im Süden liefen die slawischen Gräber auf der Kuppe aus, etwa in Höhe des Standortes