„Meine Beine, Deine Stimme“ Nahaufnahme: in Berlin Wird Das Musical „Daddy Cool“ Mit Den
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Kultur „Meine Beine, deine Stimme“ Nahaufnahme: In Berlin wird das Musical „Daddy Cool“ mit den CARSTEN KOALL CARSTEN größten Erfolgen des Hit-Produzenten Frank Farian aufgeführt. ie Brachfläche nahe dem Ostbahn- Musikeinheiten, die er seit 1976, dem Jahr und wortreich bedauert hat. Aber dann hof, auf dem die blauen Sattel- seines Durchbruchs, verkauft hat, nicht an- habe sein Verleger ihm die Augen geöffnet: Dschlepper des Frank-Farian-Musi- sieht: Er ist ganz der Typ, mit dem man „Frank, du musst ein Musical machen, cals „Daddy Cool“ rund um eine blaue sich in jedem Rotlichtmilieu sicher fühlen Queen läuft erfolgreich, Abba läuft erfolg- Zeltlandschaft Stellung bezogen haben, ist oder an einer Autoraststätte gern mal einen reich, und du hast mehr Hits als die bei- die Adresse mit dem vielleicht hässlichsten Becher Kaffee trinken würde. Kleines den zusammen.“ Die Handlung, das habe Namen Berlins: O2-World-Platz. Fachsimpeln über die Speedbootmarke Ci- Farian auf Musical-Recherche in London Gemeiner, weil aufgedonnerter, pseu- garette: In Miami ist er seit Mitte der neun- kapiert, sei nicht so wichtig: bisschen Sex, domoderner und kommerzieller als O2- ziger Jahre zu Hause, aber dort fährt er ein bisschen Voodoo, verfeindete Straßenban- World-Platz, kann auch ein Musical nicht anderes Boot, breiter, langsamer, beque- den, Junge liebt Mädchen, aber sie dür- klingen, das auf den Plakaten als die neue mer, besser für die Bandscheiben. fen nicht zusammenkommen, die übliche Show-Sensation aus London und als „non- Farian führt durch die Zeltlandschaft, Romeo-und-Julia-Geschichte halt, Show- stop, feel-good fun“ („Mail on Sunday“) zeigt hierhin und dorthin. Für die Disco- down, Happy End. „Daddy Cool“ ist die gefeiert wird – und so passt doch schon thek im Seitenzelt habe er sich den Namen Vertonung von Farians Musikkarriere, wieder alles an diesem herrlich sonnigen „Studio 54“ überlegt („Die Leute kommen „und das ist das Schöne, alle singen mit!“ Nachmittag: Das Musical, ein „Best of“ aufgekratzt aus der Show und wollen tan- Luft holen: Puh. Das ist ja auch alles der Frank-Farian-Hitmaschinen Boney M., zen“), er ist aufgeregt, aber es ist eine freu- schön. Mag Farian die klatschenden Haus- Milli Vanilli und La Bouche, frauen? „Das sind unsere lief im Londoner West End Kunden, die haben vor 30, 40 vor 180000 Zuschauern, nun Jahren die Platten gekauft! feiert es, bevor es später nach Meine Mutter war Hausfrau.“ Köln und Dortmund, Mos- Und nun wird es Zeit, wie kau, New York, Las Vegas, der Big Boss da auf den roten Shanghai und den Rest der Sesseln seiner Zeltdiscothek Welt weiterzieht, in Berlin kauert und schwärmt, noch seine Deutschlandpremiere. einmal die Musik zu feiern: Im nächsten Jahr schon „Daddy Cool“ gehört neben soll hier ein ganzes Unterhal- George McCraes „Rock Your tungsviertel entstanden sein, Baby“ und Baccaras „Yes Sir, aber noch sind hier der Platz I Can Boogie“ zum Kanon der und die Zeit für eine bunte Siebziger-Jahre-Schlager, zu Showtruppe aus London, die denen Menschen sich bewe- sich exakt so hektisch und gen müssen. Und die Num- glamourös aufführt, wie sich mer ist nicht etwa „so eine Showtruppe vor der Pre- schlecht, dass sie schon wie- miere nun einmal aufführen der gut ist“, wie es im ironi- muss: Da werden noch Vor- Musical „Daddy Cool“: Bisschen Sex, bisschen Voodoo, Happy End schen Pop-Konsens heißt, sie hänge genäht. Da spritzen ist einfach nur gut: billig, Handwerker die Holztresen im Foyer gol- dige Aufgeregtheit (rund 14 Millionen Euro cheesy, sexy, merkwürdigerweise schwarz. den. Da rennt ein Tänzer mit Handy am seines Privatvermögens hat Farian in die Was also ist das Geheimnis der Nummer? Ohr vor den Dixi-Klos auf und ab, und ein Show investiert), aber der Spaß lohne sich „124 beats per minute“, sagt Farian, Grüppchen Tänzerinnen schlendert tu- ja auch – und dann schießt der Profi ein „nicht langsamer, nicht schneller, und die schelnd dahin, eine bricht mit ein paar paar Werbesprüche heraus: Kein anderes tiefe Stimme.“ Er betrachtet nun die zwei Breakdance-Schritten aus, und es geht be- Musical verfüge über mehr Top-Ten-Hits. Papp-Papageien, die über den Zuschauer- tont langsam weiter. Verrückte Zirkuswelt! Allein die Boney-M.-Hits wie „Rivers of rängen hängen: Da fehlt einer, für seinen Frank Farian, 65, das ist der mit der Babylon“ und „Brown Girl in the Ring“ Geschmack. Und der Hit-Man erklärt nun Sonnenbrille, die auf dem Schirm der Kap- seien mehr als Hits – Marken, Evergreens, noch einmal seine einzigartige Arbeits- pe liegt, die wiederum auf einem Siebziger- unvergessen! Ein schon klassischer Frank- methode: Die erste Platte war immer schon Jahre-Lockenhaufen sitzt: der Hit-Man, Farian-Spruch, der selbstverständlich nicht fertig, bevor die Interpreten zusammenge- Strippenzieher, Mann im Hintergrund, er- von ihm stammt, lautet: „Nichts ist so er- stellt waren. Tut ihm der alte Boney-M.- folgreichster deutscher Musikproduzent folgreich wie der Erfolg.“ Tänzer Bobby Farrell im Nachhinein leid, der siebziger und achtziger Jahre. Eigentlich, so Farian, sei sein nächstes weil der immer nur zu Farians Stimme die Er trägt eine Lederjacke mit der Auf- Projekt die Hollywood-Verfilmung der Mil- Lippen bewegen durfte? „Ach, der Bobby. schrift „Cigarette Racing Team“. Funkeln- li-Vanilli-Story gewesen: Nach drei Num- Der hat immer gesagt: Meine Beine, deine de Äuglein, seine merkwürdig helle, mer-eins-Hits allein in den USA war 1990 Stimme, das ist die Kombination.“ Und jugendliche Stimme. Das hat er jahrzehn- bekannt geworden, dass die Sänger Rob mit Blick an das Zirkusdach schwört Fa- telang trainiert, dass man ihm seinen und Fab zur Musik nur die Lippen bewegt rian, dass der dritte Papagei spätestens in Mythos, die sagenhaften 800 Millionen hatten – ein Betrug, den Farian seither oft Moskau hängen wird. Moritz von Uslar 186 der spiegel 17/2007.