Umkämpfte Spielfelder Fußball in Der Geschichte Lateinamerikas
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Umkämpfte Spielfelder Fußball in der Geschichte Lateinamerikas Alexander Kraus und Stephan Ruderer (Hrsg.) Alexander Kraus, Stephan Ruderer (Hrsg.) Umkämpfte Spielfelder Wissenschaftliche Schriften der WWU Münster Reihe X Band 19 Alexander Kraus, Stephan Ruderer (Hrsg.) Umkämpfte Spielfelder Fußball in der Geschichte Lateinamerikas Wissenschaftliche Schriften der WWU Münster herausgegeben von der Universitäts- und Landesbibliothek Münster http://www.ulb.uni-muenster.de Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Dieses Buch steht gleichzeitig in einer elektronischen Version über den Publikations- und Archivierungsserver der WWU Münster zur Verfügung. http://www.ulb.uni-muenster.de/wissenschaftliche-schriften Alexander Kraus, Stephan Ruderer (Hrsg.) „Umkämpfte Spielfelder. Fußball in der Geschichte Lateinamerikas“ Wissenschaftliche Schriften der WWU Münster, Reihe X, Band 19 © 2014 der vorliegenden Ausgabe: Die Reihe „Wissenschaftliche Schriften der WWU Münster“ erscheint im Verlagshaus Monsenstein und Vannerdat OHG Münster www.mv-wissenschaft.com ISBN 978-3-8405-0102-9 (Druckausgabe) URN urn:nbn:de:hbz:6-83309469186 (elektronische Version) direkt zur Online-Version: © 2014 Alexander Kraus, Stephan Ruderer (Hrsg.) Alle Rechte vorbehalten Satz: Alexander Kraus, Stephan Ruderer Titelbild: Manuel Rodríguez Navarro www.rodriguez-navarro.com Umschlag: MV-Verlag Druck und Bindung: MV-Verlag Inhaltsverzeichnis Alexander Kraus & Stephan Ruderer Einleitung . 5 Niklas Pelizäus & Sebastian Stewing Schwarzer Spieler, weißes Spiel Arthur Friedenreich und der Rassismus in Brasilien . 11 Christian Bornemann & Henning Bovenkerk Die Entdeckung des Fußballparadieses Die erste Weltmeisterschaft 1930 in Montevideo . 25 Christian Pfordt & Yannic Steinkamp Das Geheimnis von El Dorado Kolumbien 1949–1953: Spitzenfußball und Bürgerkrieg . 37 Lucas Schuricht & Patrick Zemke Die Könige von Morgen Brasilien, Uruguay und die Stille im Maracanã 1950 . 49 Tobias Hambuch & Daniel Hoffmann Fußball als Kriegsmotiv? Eine zentralamerikanische Tragödie . 63 Josip Alviz & Annalena Baasch Carlos Caszelys Spiel gegen die Diktatur in Chile . 75 Katharina Ahlers Blut am Ball Die Fußballweltmeisterschaft 1978 in Argentinien . 89 Kim Oesterwinter & Timo Vogt Diktatur – Demokratie 1:1 Die WM 1970, Corinthians São Paulo und die Militärdiktatur in Brasilien . 101 Matthias E. Cichon & David Lambert Rache für die Islas Malvinas Diego Maradona, der Falklandkrieg und das WM-Viertelfinale England – Argentinien 1986 . 113 Matthias Hogrefe Der Mann, mit dem das Geld kam João Havelange: Ein Vierteljahrhundert an der FIFA-Spitze . 125 Lina Hayek & Jasper Stephan Von der Copacabana ins Maracanã Der lange Weg des brasilianischen Frauenfußballs . 141 Niels Sibbersen Sekt oder Selters für Brasilien? Aufruhr vor der WM im Land des Fußballs . 151 Literaturverzeichnis . 163 2 Einleitung Alexander Kraus & Stephan Ruderer Die Nationalmannschaft aus Kolumbien galt als einer der Favoriten auf den Gewinn der 1994 in den USA ausgetragenen Fußballweltmeister- schaft. Sogar Pelé hatte ihr im Vorfeld des Turniers Siegchancen einge- räumt. Ganz unberechtigt war diese Einschätzung nicht: Die Mannschaft war gespickt mit überragenden Fußballern, hatte mit Francisco Maturana einen erfahrenen und erfolgreichen Trainer und war zum damaligen Zeitpunkt seit fast zwei Jahren unbesiegt. Spätestens nach dem 5:0 Aus- wärtssieg im WM-Qualifikationsspiel gegen Argentinien im September 1993 war der kolumbianische Fußball nicht nur Kennern ein Begriff. Das Spiel war eine Fußballdemonstration. Die Mannschaft aus der Karibik nahm den damaligen Vizeweltmeister im eigenen Stadion förmlich ausei- nander. Der Eleganz und den Pässen von Carlos Valderrama, den Sturm- läufen von Adolfo Valencia, den Toren von Faustino Asprilla und Freddy Rincón schien kaum eine Mannschaft gewachsen. Bei der WM 1994 jedoch schied Kolumbien nach zwei Niederlagen gegen Rumänien und die USA noch in der Vorrunde aus. Allein die Schweiz konnte, als es schon um nichts mehr ging, bezwungen werden. Den Spie- lern war der Starrummel, der im Vorfeld um sie veranstaltet wurde, of- fenbar zu Kopf gestiegen. Doch auch die politischen Verhältnisse in Ko- lumbien spielten wohl eine Rolle für das enttäuschende Abschneiden der Nationalmannschaft. Die entscheidende Szene auf dem Fußballplatz war das Eigentor des kolumbianischen Abwehrspielers Andrés Escobar im zweiten Spiel gegen die USA. Es sollte tragische Bedeutung über den Fußball hinaus erlangen, als Escobar nach seiner Rückkehr nach Kolum- bien auf offener Straße erschossen wurde. Ganz konnte der Mord an ihm zwar nie geklärt werden, doch es ist sehr wahrscheinlich, dass der Spieler Opfer der Verwicklung von Drogenmafia und Fußball wurde. Denn der Fußball in Kolumbien war tief mit den Drogenkartellen verwurzelt. Diese waren maßgeblich für den Aufschwung des Landesfußballs in den 1980er 5 und 1990er Jahren verantwortlich: Sie finanzierten Fußballvereine und ließen deren Stars mitunter gar für sich arbeiten. Dem Druck dieser kri- minellen Banden konnte sich auch die Nationalmannschaft nicht entzie- hen. So gab es schon in den Tagen vor dem ersten WM-Spiel 1994 Dro- hungen gegen Trainer und Mannschaft. Einige Kartelle hatten anscheinend auf einen Sieg Kolumbiens gewettet und hohe Einsätze ver- loren, dafür musste der Schütze des Eigentors büßen.1 Andrés Escobar kostete ein Eigentor sein Leben. In diesem Fall wurde der Fußballplatz zum umkämpften Spielfeld der kolumbianischen Drogenma- fia. In der Geschichte des lateinamerikanischen Fußballs war es indes nur ein Spielfeld von vielen. Es ist hinlänglich bekannt, dass der Fußball von der Politik für ihre Zwecke eingespannt wird. Das Spiel ist ein Massen- spektakel, das große Emotionen hervorruft und zur Bildung von kol- lektiven Identitäten beitragen kann.2 Diese Eigenschaften machen den Fußball auch für die Spielfelder der Politik interessant: Sei es zur Darstel- lung und Legitimation von Regimen, zur Ablenkung von unliebsamen po- litischen Handlungen oder Ereignissen, zur Beschwörung eines National- gefühls,3 zur Identifikation mit einer Regierung oder zum symbolischen wenn nicht gar konkreten Widerstand gegen eine Diktatur – der Fußball bietet vielfältige Projektionsflächen für politische Interessen. Gerade auf einem so fußballverrückten Kontinent wie Lateinamerika spielte der Sport häufig auf der politischen Bühne mit. Ende des 19. Jahrhunderts von Vertretern des britischen Empire in die Häfen und Städte Lateinamerikas gebracht, begann der Fußball zunächst als ein elitärer Sport der weißen Oberschicht.4 Doch schon bald fingen Angestellte, Arbeiter, Schwarze, Mulatten und Indigene an zu spielen – 1 Für das Vorherige siehe Chris Taylor, The Beautiful Game. A Journey through Latin American Football. London 1998, S. 171–183. 2 Jüngst wieder Klaus Zeyringer, Fußball. Eine Kulturgeschichte. Frankfurt am Main 2014, S. 19. 3 Beispielsweise Pablo Alabarces, Für Messi sterben? Der Fußball und die Erfindung der argentinischen Nation. Frankfurt am Main 2010. 4 Für Brasilien zeigt dies aktuell David Goldblatt, Futebol Nation. A Footballing History of Brazil. London 2014, S. 1–31. 6 mehr als einen Ball brauchte es dafür ja nicht. Der Fußball entwickelte sich schnell zu einem Volkssport und ist heute in fast allen Ländern des Kontinents die mit Abstand beliebteste und populärste Sportart. Erfolg- reich ist er noch dazu. So gewann mit Uruguay nicht nur ein lateinameri- kanisches Land die erste Weltmeisterschaft, sondern der Kontinent konnte bis heute auch fast genauso häufig (nämlich neun Mal) den WM-Titel er- ringen wie Europa (zehn Mal) – und das, obwohl die Weltmeisterschaft bisher deutlich öfter auf dem „alten“ als auf dem „neuen“ Kontinent statt- fand. Fußballstars sind eines der wichtigsten Exportgüter Lateinamerikas und spielen heute in nahezu jedem großen europäischen Verein. Da lag es nahe, die Fußballweltmeisterschaft in Brasilien 2014 zum Anlass zu nehmen, um mit einer studentischen Projektgruppe an der Westfäli- schen Wilhelms-Universität Münster im Sommersemester 2014 den viel- fältigen Verbindungen von Politik und Fußball in der Geschichte Latein- amerikas nachzugehen. Auch, weil diese Verbindung kuriose und faszinierende Geschichten geschrieben hat – sowohl im Fußball als auch in der Politik. Ein offizielles WM-Qualifikationsspiel ohne Gegner, ein an- geblicher „Fußballkrieg“, ein Deutscher als erster brasilianischer Fußball- star, ein Tor mit der „Hand Gottes“ – es gibt viele Anekdoten, die Anlass dazu geben, einen genauen Blick auf die Geschichte des lateinamerikani- schen Fußballs zu werfen. Doch wirklich interessant werden diese Anek- doten erst dann, wenn man versteht, wie häufig sie Ausdruck oder Abbild der historischen und politischen Entwicklung auf dem Kontinent waren. Aus diesem Grund sind die Texte in diesem Buch auch keine reinen „Fußballgeschichten“. Sie dienen uns vielmehr dazu, über das Phänomen Fußball einen Zugang zu der vielschichtigen und spannenden Geschichte Lateinamerikas zu eröffnen. Die „umkämpften Spielfelder“ sind dabei so vielfältig wie die Möglichkei- ten des Spiels selbst. Anhand der Geschichte des ersten brasilianischen Fußballstars lässt sich auch der Rassismus der lateinamerikanischen Ge- sellschaften darstellen (Niklas Pelizäus & Sebastian Stewing). Die Ausrichtung der ersten Fußballweltmeisterschaft in Uruguay