Vitamin C Für Alle! Pharmazeutische Produktion, Vermarktung Und Gesundheitspolitik (1933-1953)
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Research Collection Monograph Vitamin C für alle! Pharmazeutische Produktion, Vermarktung und Gesundheitspolitik (1933-1953) Author(s): Bächi, Beat Publication Date: 2009 Permanent Link: https://doi.org/10.3929/ethz-a-005788850 Rights / License: In Copyright - Non-Commercial Use Permitted This page was generated automatically upon download from the ETH Zurich Research Collection. For more information please consult the Terms of use. ETH Library 1933 begann das künstliche Vitamin C seinen Aufstieg als eine Beat Bächi Art Wunderdroge. Heute fi ndet es sich nicht nur in Multivita- minpräparaten, sondern beispielsweise auch zu Konservie- rungszwecken in verschiedenen Nahrungsmitteln. Das vorlie- gende Buch zeichnet die fesselnde Geschichte der komplexen Beat Bächi Vitamin C für alle! Herstellung und der ausgefeilten Vermarktung nach und zeigt auf, wie kulturelle, ökonomische, politische und technische Pharmazeutische Produktion, interferenzen 14 Mechanismen zum Erfolg beitrugen. interferenzen 14 Vermarktung und Gesundheitspolitik Zahlreiche Akteure waren an diesem Erfolg beteiligt. Es war (1933–1953) jedoch das Basler Pharmaunternehmen Hoffmann-La Roche, das ausgehend von Patentrechten von Tadeus Reichstein eine marktbeherrschende Position im Vitamin-C-Geschäft eroberte. Um dem künstlichen Vitamin C zum Durchbruch zu verhelfen, wurden – im Verbund mit Gesundheitsbehörden – neue Krank- heitsbilder geschaffen, welche die Einnahme von Vitamin C als ratsam erscheinen liessen. Der Konsum von Vitamin C wurde im Schatten des Zweiten Weltkriegs zu einer neuen Bürgerpfl icht und für die Aufrechterhaltung der Gesundheit in industriellen Gesellschaften als notwendig angesehen. Dabei galt die Sorge nicht mehr nur der individuellen, sondern immer mehr auch der Gesundheit des «Volkswirtschaftskörpers». Das Quellenmaterial stammt aus dem Nachlass des Nobelpreis- trägers Reichstein sowie aus dem Historischen Archiv Roche. Vitamin C für alle! Es bietet seltene Einblicke in die Funktionsweise wissenschaft- licher Propaganda und in die Entwicklung eines modernen industriellen Verfahrens in der pharmazeutischen Industrie. Bächi UG.indd 1 6.4.2009 14:27:30 Uhr Vitamin C für alle! DOI: 10.3929/ethz-a-005788850 Bächi Satz 05.indd 1 26.3.2009 9:26:26 Uhr Interferenzen Studien zur Kulturgeschichte der technik herausgegeben von David Gugerli Publiziert mit Unterstützung der etH zürich und des Schnitter-fonds für technikgeschichte Bächi Satz 05.indd 2 26.3.2009 9:26:26 Uhr Beat Bächi Vitamin C für alle! Pharmazeutische Produktion, Vermarktung und Gesundheitspolitik (1933–1953) Interferenzen 14 Bächi Satz 05.indd 3 26.3.2009 9:26:26 Uhr Die vorliegende Studie wurde auf Antrag von Prof. Dr. David Gugerli und Prof. Dr. Michael Hagner von der ETH Zürich im Frühlingssemester 2008 als Dissertation angenommen. Informationen zum Verlagsprogramm: www.chronos-verlag.ch Umschlagbild: Diese wahrscheinlich aus den 1950er Jahren stammende Collage fasst die Geschichte von Vitamin C in knapper Form zusammen: Vom Skorbut als grossem Schrecken der Seefahrer über die Verabreichung von Vitamin C an Säuglinge und müde Sekretärinnen ist Vitamin C – in Form von Kristallen – nun auf dem Tisch des Normalverbrauchers angekommen. (HAR, PH.9-500074, Nr. 11188, o.J.) © 2009 Chronos Verlag, Zürich ISBN 978-3-0340-0921-8 Bächi Satz 05.indd 4 26.3.2009 9:26:26 Uhr 5 Inhalt I. einleitung 9 Fragestellung und theoretischer Ansatz 10 Forschungsstand 11 Quellen 15 Aufbau 16 II. Die Geburt von Vitamin C im Labor: reichstein und roche 17 Die Genese der Reichstein-Synthese: eine freundschaftliche Arbeitsgemeinschaft und ein produktiver Irrtum 22 Tadeus Reichstein: zwischen Alchemie und «Kaffee Zaun» 22 Patentanmeldung und die Suche nach einer «Chemischen Fabrik» 28 Roche und die Vitamine 31 Das Unternehmen Hoffmann-La Roche 31 Die ersten Auseinandersetzungen bei Roche um die «hochhängenden sauren Vitamin-Trauben» 33 1933: «Nationalsozialistische Revolution», amerikanischer Dollarsturz und Vitamin C 38 Natürliches oder synthetisches Vitamin C? Evaluationen vor und hinter verschlossenen Türen 40 Verhandlungen und Streitigkeiten in Zürich 42 Die Entwicklung eines chemisch-biotechnologischen Verfahrens 45 Von der d- zur l-Ascorbinsäure 45 Der biotechnische Verfahrensschritt: Recycling von Wissen 46 Haco und Roche werden handelseinig 52 Bächi Satz 05.indd 5 26.3.2009 9:26:26 Uhr 6 III. Die Politik der Patente 57 Die Publikation der Reichstein-Synthese in den «Helvetica Chimica Acta» 58 Patentrechtliche Evaluationen: nichtintendierte Nebenwirkungen und Apparaturenfragen 60 Verhandlungen zwischen Roche und Chemiegiganten im «Dritten Reich» 63 Patent- und Lizenzverhandlungen mit Merck 63 Die IG Farbenindustrie tritt auf den Plan 65 Neuverhandlungen zwischen Roche und Merck 67 Neuverhandlungen zwischen Haco und Roche 70 Die Erteilung des «Deutschen Reichspatents»: der prekäre Status von Vitamin C zwischen Chemikalie und Arzneimittel 73 Merck: Vitamin C und die deutsche Wehrmacht 73 IG Farbenindustrie: Freilizenzen zur Umgehung des «Clearing»-Systems 75 IV. Hochschul- und Industrieforschung: die Anfänge der Biotechnologie bei roche 79 Biotechnologie als «revolutionäre Methode»? 81 Vom Flachschicht- zum Tiefgärverfahren 87 Menschliches und Allzumenschliches im Gärkeller von Roche 91 Die Reichstein-Synthese in Deutschland: Bakterien und Gestapo 95 V. Vom Stoff zur Ware: synthetisches Vitamin C als functional food 101 Nestrovit und die Einverleibung der Vitamine in die Lebensmittelgesetzgebung – Nestlés Angst vor den Ärzten 102 Vom künstlichen Vitamin C zum Multivitaminpräparat 107 Wie vermarktet man künstliche Vitaminzusätze in Naturprodukten? 109 Die Schöpfung eines Markenzeichens 110 Nestrovit: ein Nahrungs- oder ein Heilmittel? Die Regulierung der «Vitaminpsychose» 112 Nestrovit kommt auf den Markt 118 Vitamin C als Todesurteil für «Ovomaltine» 122 VI. Wissenschaftliche Propaganda in Aktion: die erfindung eines neuen Krankheitsbildes 127 Wie man PatientInnen eine neue Krankheit andichtet 129 Die Lancierung von Redoxon auf dem Forschungsmarkt 131 Optimale Gesundheit und der statistische Gesundheitsbegriff: von der individuellen zur Gesundheit des Volkskörpers 136 Diagnostika und die Sichtbarmachung der C-Hypovitaminose 139 Vom Skorbut zum Kampf gegen die Ermüdung: Sportlerkörper als lebende Metaphern 144 Sportärzte und Sportlerkörper im Fadenkreuz der Vitamin-C-Propaganda 145 Roche und Versuche mit Vitamin C in Deutschland 150 Ist Vitamin C ein Dopingmittel? 151 Die Arbeit an den Metaphern 153 Bächi Satz 05.indd 6 26.3.2009 9:26:26 Uhr 7 VII. Vitamin C und der zweite Weltkrieg 159 Entgegnungen: schweizerisches Vitamin C und die Schweizer Armee 159 Die Kritik des Oberfeldarztes 160 Versuche mit synthetischem Vitamin C in der Armee 165 Der Eidgenössische Armeeapotheker meldet sich zu Wort 168 General Guisan und Vitamin C 170 Die Reichstein-Synthese auf der Landesausstellung 1939: die Renaturierung des kranken «Volkswirtschaftskörpers» 172 Roche inszeniert die Reichstein-Synthese als schweizerische Grosstechnologie 173 Migros: mit Hagebutten gegen künstliches Vitamin C 180 Vitamin C als «ergozymartiger Kunststoff» 184 Die Renaturierung von Konserven 185 Der Ausbau der Vitamin-C-Produktion im Zweiten Weltkrieg 187 Mode oder Krieg: Was hat die Reichstein-Synthese mit Russlands Öl- und Weizenfeldern zu tun? 189 Skalenökonomie: von der Opiate- zur Vitamin-C-Produktion 192 Eine wissenschaftliche Studienkommission aus dem «Dritten Reich» bei Roche: Vitamin C oder Munition und Zünder? 195 Roche, Reichstein und das «Dritte Reich» 198 Die Übersetzung von Vitamin C in die Interessen der Gesundheitspolitik 201 Die Eidgenössische Kommission für Kriegsernährung und der menschliche Instinkt 201 Die Vitaminisierung von Arbeiterkörpern: Grippe und «Vita-Versicherung» 204 Der Zweite Weltkrieg als günstiges «climat psychologique» 206 «Unser tägliches Brot»: Vitamine im Klassenzimmer 208 Die Festschreibung des Vitamin-C-Bedarfs 214 Die Wahlverwandtschaften zwischen wissenschaftlicher Forschung und Propaganda 215 Die Aufnahme der Vitamine in die Pharmakopöe und das Schweizerische Vitamin-Institut 218 VIII. Kriegsschäden und die einpassung von Vitamin C in die nachkriegszeit 223 Transformationen bei Roche: eine neue «Vitamin-Politik» nach dem Krieg 223 Biotechnologie und die Reorganisation der Roche-Forschung 224 Auf dem Weg in die Konsumgesellschaft: neue Märkte für Vitamin C in der Nachkriegszeit 230 Nahrung, Nation und die Materialisierung des statistischen Gesundheitsbegriffs 234 VIII. epilog: eine explosion in Basel, das Wunder von Bern und «Golden Powder» 239 Bibliographie 251 Dank 275 Bächi Satz 05.indd 7 26.3.2009 9:26:26 Uhr Bächi Satz 05.indd 8 26.3.2009 9:26:27 Uhr 9 I. einleitung Als Tadeus Reichstein und sein Freund Gottlieb Lüscher dem Pharmaunter- nehmen Hoffmann-La Roche im Mai 1933 Patente für eine Vitamin-C-Syn- these anboten, reagierte dessen Forschungschef, Markus Guggenheim, äusserst zurückhaltend. Er sah keinen Bedarf für künstliches Vitamin C. «Erwachsenen dürfte in der Norm genügend Vitamin C mit frischem Gemüse, Obst und der- gleichen zukommen.»1 Es bestehe somit keinerlei medizinische Nachfrage nach Vitamin C, das höchstens zur Bekämpfung von Skorbut in Frage komme. Ein anderes Indikationsgebiet für reines Vitamin C war nicht be kannt. Dennoch wollte er die beiden nicht einfach wieder ziehen lassen und dem Unternehmen alle Optionen offen halten. Aber das Ziel von Roche könne vorläufig nur darin bestehen, «die interessante Substanz für physiologische und biochemische Untersuchungen zu einem erschwinglichen