Factsheet Neomyceten Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL swissFungi.wsl.ch

Eichenmehltau alphitoides (Griffon & Maubl.) U. Braun & S. Takam. (Familie: Erysiphaceae) Synonyme: Microsphaera alphitoides Griffon & Maubl. Erysiphe hypophylla (Nevod.) U. Braun & Cunningt. (Familie: Erysiphaceae) Synonyme: Microsphaera hypophylla Nevod. Erysiphe quercicola S. Takam. & U. Braun (Familie: Erysiphaceae)

Jonas Brännhage und Andrin Gross

Eichenmehltau zählt zu den häufigsten Eichenkrankheiten Europas. Tatsächlich handelt es sich um drei verschiedene, sehr ähnliche Pilzarten, die unabhängig voneinander aus Asien nach Euro- pa eingeschleppt wurden. Auch wenn die durch Eichenmehltau ausgelösten Blattsymptome oft- mals gravierend aussehen, stellt die Erkrankung meist nur in Kombination mit anderen Faktoren eine Bedrohung für die Eichen dar.

Erysiphe alphitoides (Foto: Julia Kruse) Verbreitung von Erysiphe alphitoides in der Schweiz

Erysiphe hypophylla (Foto: Julia Kruse) Verbreitung von Erysiphe hypophylla in der Schweiz Factsheet Neomyceten – Eichenmehltau – SwissFungi 2020

Merkmale und Symptome Verbreitung Die Eichenmehltau-Symptome an den Blättern können Die genaue Herkunft der heute praktisch weltweit ver- sehr auffällig sein und stark befallene Eichen erkennt breiteten Eichenmehltaue ist noch nicht vollständig man bereits von Weitem an ihrer weisslichen Farbe. geklärt. Aufgrund der asiatischen Verbreitung weite- Ebenso kann es an den Blättern zu braunen Flecken, rer, bei uns nicht vorkommenden, Eichenmehltauar- Blattdeformationen (z. B. Einrollen), vorzeitigem Blatt- ten, wird auch für die in Europa eingeschleppten Arten fall (bes. in Eichenjungwuchs) und Absterben der Trie- Asien als Ursprungskontinent vermutet. be kommen. Jungeichen sind besonders betroffen Interessanterweise zeigen die Eichenmehltaue in und werden oft im Wachstum geschwächt. Befallene Europa unterschiedliche Verbreitungsgebiete. E. alphi- Sämlinge können ganz absterben. Die Symptomatik toides ist in ganz Europa verbreitet und fast überall von E. alphitoides und E. hypophylla ist einigermas- klar die häufigste Art. Sie kommt mit einer grossen sen artspezifisch. Spannbreite an geographischen und klimatischen Be- Erysiphe alphitoides ist ein sehr verbreiteter und dingungen zurecht. E. hypophylla scheint auf Nord- auffälliger Mehltau an heimischen Eichen. Er zeichnet und Zentraleuropa beschränkt und auf ein kälteres sich durch den auffälligen mehlig-weissen Belag des Klima spezialisiert zu sein. Die Art gilt als selten, dürfte Konidienstadiums (asexuelle Sporen) auf den Blatto- aber aufgrund der unauffälligeren Befallssymptome berseiten (teils auch Blattunterseite) der jung oft de- oft übersehen werden. Dagegen ist E. quercicola in formiert wirkenden Eichenblätter aus. Im Herbst bil- Südeuropa häufig und an ein wärmeres Klima ange- den sich die Chasmothezien (sexuelle Fruchtkörper, passt. Die Verbreitungsgebiete der drei Arten überlap- kleine schwarze Pünktchen). Befallene Eichenblätter pen sich stark. finden sich fast während der ganzen Vegetationszeit Alle drei Eichenmehltauarten sind auch aus der zwischen Mai und November. Schweiz bekannt und bis auf E. quercicola, der vor- Erysiphe hypophylla ist nur schwer von E. alphitoi- erst nur im Kanton Tessin nachgewiesen wurde, weit des zu unterscheiden und beide Arten können auf dem verbreitet. E. alphitoides ist auch in der Schweiz die gleichen Blatt gefunden werden. E. hypophylla produ- häufigste Art und kommt wohl fast überall vor, wo es ziert einen unauffälligeren weissen Befall der Eichen- Eichen hat. Aufgrund von Bestimmungsschwierigkei- blätter (ohne Deformationen), der lediglich auf der ten sind die Verbreitungskarten der drei Arten noch Blattunterseite auftritt. Auch die Form der Konidien ist sehr lückenhaft. etwas verschieden. Befallene Eichenblätter finden sich oft erst ab Herbst. Erysiphe quercicola wurde erst 2007 als neue Art Ökologie aus Japan beschrieben und wenig später überra- Alle drei Eichenmehltauarten befallen in Europa die schenderweise auch in Europa nachgewiesen. Sie Blätter verschiedener laubwerfender Eichenarten (be- lässt sich ausschliesslich genetisch von E. alphitoides sonders , gefolgt von Q. petraea, teils unterscheiden. Vor dem molekularen Zeitalter wurde auch Q. pubescens und Q. cerris), während die immer- Sie daher übersehen. grünen Mittelmeereichen resistent zu sein scheinen. Dabei sind Eichen sowohl in Wäldern als auch in Park- anlagen betroffen. Da Eichen besonders im Flachland Biologie und Vermehrung verbreitet sind, stammt der Grossteil der Eichenmehl- Ein typischer Eichenmehltau-Lebenszyklus läuft wie taufunde von unter 600 m. ü. M. folgt ab: Im Frühjahr werden über Sporen die besonders Schon länger bekannt waren Gelegenheitsfunde anfälligen, jungen Eichenblätter befallen. Auf der Blatto- auf Rosskastanie (), Edel-­ berfläche wird dann ein wattig-weisses Oberflächenmy- Kastanie (Castanea sativa), Perückenstrauch (Coti- cel gebildet, das mit Konidien (asexuelle Sporen) eine nus coggygria) und Rotbuche (Fagus sylvatica). Eine Massenvermehrung vollführt. Über Haustorien (Saugo- grosse Überraschung war die Entdeckung, dass eine rgane) in den Blattzellen werden der Eiche Nährstoffe Mehltaukrankheit auf Mango (Mangifera indica) mit E. entzogen. Die sexuellen Fruchtkörper werden im Herbst alphitoides auf Eichen identisch zu sein scheint. Mitt- produziert. Eichenmehltau überwintert artabhängig ent- lerweile wurden alle drei Mehltauarten weltweit auf weder als Myzel bevorzugt in Knospen (E. quercicola) verschiedensten Wirtspflanzen wie Kautschukbaum oder als Chasmothecium (E. alphitoides und hypophyl- (), Gelbe Pfingstrose(Paeonia lu- la) in der Baumrinde, wo es sich mithilfe von verzweigten tea, auch aus der Schweiz), Chinesischer Blauregen Anhängseln festhält. Das Chasmothecium bildet erst im ( sinensis), einer Heidelbeeren-Art (Vaccinium Frühjahr sexuelle Sporen, um erneut die frischen Blätter hirtum), Cashewbaum (Anacardium occidentale), Zi- zu befallen. E. alphitoides gilt als «Schönwetterpilz» und tronenpflanze Citrus( spp.), Akazie (Acacia spp.) oder scheint sich besonders bei warm-trockener Witterung Götterbaum (Ailanthus altissima, bislang nur Schweiz) sehr rasch ausbreiten zu können. usw. nachgewiesen. Factsheet Neomyceten – Eichenmehltau – SwissFungi 2020

Die verschiedenen Altersstadien der Eichen schei- Kolonialreich Portugal). Wann welche Art nach Europa nen sich auch durch verschiedene Mehltauarten etwas eingeschleppt wurde, ist derzeit noch Gegenstand der voneinander zu unterscheiden. Erysiphe quercicola Forschung. scheint auf jungen Eichen besonders häufig zu sein, Interessanterweise kannte man bereits vor der Ein- während E. alphitoides alle Altersstadien infiziert. schleppung der exotischen Erysiphe-Arten eine wohl Ein einziges Eichenblatt kann von mehreren Ei- heimische Mehltauart auf Eichen, die mit wesentlich chenmehltauarten gleichzeitig befallen sein. Um Kon- geringeren Erkrankungssymptomen einherging. Es kurrenz untereinander möglichst gering zu halten, hat ist aber nicht geklärt, ob der Phyllactinia roboris ge- zwischen den drei Arten eine Nischendifferenzierung nannte Mehltau wirklich eine eigene Art darstellt oder stattgefunden. E. hypophylla findet sich ausschliess- eher zur häufigenP. guttata gehört, von der ein brei- lich auf der Blattunterseite und wird als konkurrenz- tes Wirtsspektrum bekannt ist. Auf jeden Fall scheint schwächer als alphitoides eingestuft. E. alphitoides dieser noch im 19. Jahrhundert als recht häufig ange- und quercicola finden sich häufig zusammen auf der gebene Mehltau heute fast vollständig von den exoti- gleichen Blattoberseite, wo sie aber meist räumlich schen Arten verdrängt worden zu sein. getrennt wachsen. Faktoren wie Stickstoffdüngung, erhöhte Wasser­ versorgung, Dichtpflanzungen sowie reduzierte SO2- Bekämpfung Be­lastung in der Luft fördern das Wachstum von Ei- Eine Bekämpfung von Eichenmehltau ist generell chenmehltau. mit Fungiziden möglich. Baumschulen setzen an jun- gen Eichen mit starkem Mehltaubefall regelmässig Fungizide ein. Eine Verwendung von Fungiziden auf Ausbreitungsgeschichte und Gefahren Verjüngungsflächen im Wald ist durch die Chemikali- Erstmals wurde in Europa 1907 (zeitgleiches Auftreten en-Risikoreduktions-Verordnung (ChemRRV; Stand 1. in der Schweiz) ein plötzlicher und schwerwiegender Dezember 2018) vom 18. Mai 2005 gemäss Anhang 2.5 Ausbruch von Eichenmehltau beobachtet. Die Krank- untersagt. Ausserdem wäre ein solcher Einsatz auch heit breitete sich rasch in ganz Europa aus und führte sehr teuer, praktisch kaum durchführbar und mit ne- besonders in den dazumal verbreiteten Niederwäl- gativen ökologischen Konsequenzen behaftet. Eine dern zu erhöhter Eichensterblichkeit. Dazumal sorgten Herbstlaubentfernung kann aufgrund der Entfernung sich die Förster sehr um die Zukunft der Eiche. Bereits der Chasmothezien ebenfalls Abhilfe schaffen. Die wenige Jahre später schwächte sich die Virulenz des Wirksamkeit dieser Massnahme wird aber durch das Eichenmehltaus jedoch stark ab, teilweise vermutlich häufige Überwintern der Eichenmehltaue in den Knos- durch den allmählichen Rückgang der Niederwald- pen abgeschwächt. bewirtschaftung. Seither kommen unsere Eichen mit dem Mehltau einigermassen zurecht, sodass dieser trotz der auffälligen Befallssymptome nicht mehr als Wo melden, wo um Rat fragen? eine Hauptbedrohung für unsere Eichenwälder ange- Eine sichere Bestimmung der drei Eichenmehltauarten sehen wird. Befallene Eichen leiden jedoch unter einer ist oft nur genetisch möglich. Deshalb sind Fundmel- reduzierten Photosyntheseleistung und einer gerin- dungen an SwissFungi, dem nationalen Datenzentrum geren Speicherung von Reservestoffen. Die grössten zur Schweizer Pilzflora, nur sinnvoll, wenn ein getrock- Auswirkungen zeigt Eichenmehltau in den folgenden neter Herbarbeleg eingesendet wird. Zur sicheren drei Situationen: 1) in den bereits erwähnten Nie- Diagnose können solche Belege auch an Waldschutz derwäldern, wo die Eichen durch den regelmässigen Schweiz eingesendet werden. Benützen Sie dazu bitte Schnitt bereits geschwächt sind; 2) in Eichenjung- das Online-Meldeformular. wuchsflächen im Wald und in Baumschulen; 3) bei kombiniertem Auftreten zusammen mit Trockenheit, Frost oder Schadinsekten, wobei sich die Sterblichkeit ausgewachsener Eichen erhöht. Die Ausbreitungsgeschichte der Eichenmehltaue stellt wahrscheinlich eine voneinander unabhängige Einschleppung der drei nahe verwandten Arten E. al- phitoides, hypophylla und quercicola dar. Sie wurden vermutlich zusammen mit exotischen Wirtspflanzen (z. B. nicht heimische Eichen, Mango) nach Europa eingeschleppt und schafften wohl alle unabhängig einen Wirtswechsel auf heimische Eichen (einer der Erstfunde von Eichenmehltau war 1877 im damaligen Factsheet Neomyceten – Eichenmehltau – SwissFungi 2020

Weiterführende Informationen Erysiphe alphitoides: https://bladmineerders.nl/parasites/fungi//pezizomycotina///erysiphace- ae/erysiphe/erysiphe-alphitoides/ http://jule.pflanzenbestimmung.de/echte-mehltaupilze (dort auf E. alphitoides klicken) Erysiphe hypophylla: https://bladmineerders.nl/parasites/fungi/ascomycota/pezizomycotina/leotiomycetes/erysiphales/erysiphace- ae/erysiphe/erysiphe-hypophylla http://jule.pflanzenbestimmung.de/erysiphe-hypophylla Erysiphe quercicola: https://bladmineerders.nl/parasites/fungi/ascomycota/pezizomycotina/leotiomycetes/erysiphales/erysiphace- ae/erysiphe/erysiphe-quercicola

Quellen Desprez-Loustau, M.L.; Massot, M.; Toïgo, M.; Fort, T.; Aday Kaya, A.G.; Boberg, J.; … Tack, A.J., 2018: From leaf to continent: The multi-scale distribution of an invasive cryptic pathogen complex on . Fungal Ecol. 36: 39–50. Desprez-Loustau, M.-L.; Feau, N.; Mougou-Hamdane, A.; Dutech, C., 2011: Interspecific and intraspecific diversity in oak powdery mildews in Europe: coevolution history and adaption to their hosts. Mycoscience 52: 165–173. Klenke, F.; Scholler, M., 2015: Pflanzenparasitische Kleinpilze. Bestimmungsbuch für Brand-, Rost-, Mehltau-, Fla- gellatenpilze und Wucherlingsverwandte in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Südtirol. Berlin Heidel- berg, Springer Spektrum. Lohrer, T., 10. Januar 2019: ARBOFUX – Diagnosedatenbank für Gehölze. Von https://www.arbofux.de/echter-mehl- tau-an-eiche.html abgerufen. Marçais, B.; Desprez-Loustau, M.-L., 2014: European oak powdery mildew: impact on trees, effects of environ- mental factors, and potential effects of climate change. Ann. For. Sci. 71: 633–642. Mougou, A.; Dutech, C.; Desprez-Loustau, M.-L., 2008: New insights into the identity and origin of the casual agent of oak powdery mildew in Europe. For. Pathol. 38: 275–287.

Zitierung Brännhage, J.; Gross, A., 2020: Factsheet Neomyceten. Eichenmehltau. Birmensdorf, Eidg. Forschungsanstalt WSL. 4 S.

Eidg. Forschungsanstalt WSL, Zürcherstrasse 111, CH-8903 Birmensdorf, www.wsl.ch ein Forschungsinstitut des ETH-Bereichs

Herausgegeben mit finanzieller Unterstützung des Bundesamtes für Umwelt (BAFU)