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Comi(C)Sche Literaturadaptionen

Comi(C)Sche Literaturadaptionen

Comi(c)sche Literaturadaptionen

Textlinguistische Aspekte der ‚‘ am Beispiel der „Menschenfabrik“ von Oscar Panizza

Diplomarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades einer Magistra der Philosophie

an der Karl-Franzens-Universität Graz

vorgelegt von Stephanie GODEC

Institut für Sprachwissenschaft Begutachter(in): Univ. Prof. Mag. Dr. Ralf Vollmann

Graz, 2013

Ehrenwörtliche Erklärung

Ich erkläre hiermit ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen nicht verwendet und die den benützten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe.

Graz, Mai 2013

Danksagung

Ich danke Herrn Univ. Prof. Mag. Dr. Ralf Vollmann für seine Betreuung während des Entstehungsprozesses dieser Arbeit. Weiters bedanke ich mich bei meiner Erzeugerfraktion für ihre finanzielle sowie emotionale Unterstützung. Besonderer Dank gebührt meinem Bruder Martin, der immer meine erste Anlaufstelle, speziell bei technischen Problemen war, sowie Rafael, Lisa und Bettina die mich in meinem Vorhaben und Tun immer bestärkt und unterstützt haben.

Inhaltsverzeichnis

01. EINLEITUNG ...... 6

02. HISTORISCHER HINTERGRUND ...... 8

02.01. DIE ANFÄNGE 8 02.02. THE YELLOW KID 10 02.03. ABENTEUER -, DETEKTIV - UND SUPERHELDENCOMICS 12 02.04. COMICS CODE 14 02.05. EINFÜHRUNG DES FORMATS : GRAPHIC NOVEL 15

03. LITERATUR UND COMICS ...... 18

03.01. DER BEGRIFF DES „L ITERATUR -COMICS “ 18 03.02. DIE URSPRÜNGE DES LITERATUR -COMICS 18 03.03. DIE GESAMTHEIT DER LITERATUR -COMICS 20 03.04. DER COMIC IN DER LITERATUR 25 03.04.01. ANTEIL DES LITERARISCHEN IM COMIC ...... 26 03.04.02. ANTEIL DES LITERARISCHEN IN MICHAEL MEIERS LITERATURADAPTION „D IE MENSCHENFABRIK “ ...... 27

03.05. LITERATURWISSENSCHAFTLICHE ANALYSEN 28 03.06. SPRACHWISSENSCHAFTLICHE ANALYSEN 31 03.07. ABGRENZUNG ZU COMICS 33 03.07.01. WAS IST EINE GRAPHIC NOVEL ? ...... 33 03.07.02. DAS PROBLEM DES BEGRIFFS ...... 34 03.07.03. GRAPHIC NOVEL VS . COMIC ...... 35

04. COMICS UND TEXT ...... 36

04.01. ORALITÄT UND LITERALITÄT 36 04.02. GRAPHISCHE ERZÄHLSTRATEGIEN 41 04.02.01. DAS PANEL ...... 41 04.02.02. DAS BILD ...... 45 04.02.03. SPRACHLICHE ZEICHEN – TEXT ...... 48 04.03. TEXT -BILD -KOMBINATION 60 4

05. EMPIRISCHE VORGEHENSWEISE – MATERIAL UND METHODE...... 65

05.01. HYPOTHESE 1 – WORT -PANEL VERHÄLTNIS 65 05.01.01. METHODE ...... 65 05.01.02. ANALYSE ...... 66 05.01.03. RESULTAT ...... 74 05.02. HYPOTHESE 2 – LESBARKEITSINDEX 75 05.02.01. METHODE ...... 76 05.02.02. ANALYSE ...... 77 05.02.03. RESULTAT ...... 79

06. SCHLUSSFOLGERUNG ...... 80

07. ABBILDUNGSVERZEICHNIS ...... 85

08. LITERATURVERZEICHNIS ...... 86

09. ANHANG ...... 93

09.01. CODE OF THE COMICS MAGAZINE ASSOCIATION OF AMERICA . INC . 93 09.02. EDDIE CAMPBELL 'S (R EVISED ) GRAPHIC NOVEL MANIFESTO 97

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01. Einleitung

Comics haftet seit ihrer Entstehung ein meist zweifelhaftes Image an (vgl. Sanchez- Stockhammer 2012; 55/ siehe auch: Welke 1974; 8f, Pirkl/Richter 1980; 8f, Fröhlich/Kämpf/Ramseier 1983; 6), wie Titel damaliger Publikationen, zum Beispiel Verdummung durch Comics (Anon.; 1956) oder Schmutz und Schund unter der Lupe (Hesse; 1955) bezeugen. Jedoch werden nicht nur die Inhalte der Blasengeschichten kritisiert, sondern auch deren sprachliche Gestaltung, wobei häufig behauptet wird, dass Comicsprache eine schlechte, den Leser verdummende Sprache sei (vgl. Sanchez-Stockhammer 2012; 55). In Verdummung durch Comics heißt es:

Von der Sprache ist wirklich nicht mehr übriggeblieben als nur ein paar Aufrufe und Lautnachahmungen und höchstens gelegentlich, wenn es durchaus nicht anders zu schaffen ist, ein Krüppelsatz. (Anon. 1956; 26)

Welke (1974) schreibt, dass „die Lektüre von Comics ‚keine verstandesmäßige Leistung‘“ (Sanchez-Stockhammer 2012; 55) des Lesers fordere und schlicht zu simpel sei. Sanchez-Stockhammer (2012; 55) merkt an, dass Comics immer salonfähiger würden und es nun vermehrt Messen, Veranstaltungen und Forschungsbeiträge zu Comics gäbe, allerdings Forschungskongresse, die unterschiedliche Forscher miteinander vernetzen könnten, in Europa äußerst selten stattfänden. Als Ausnahme hierfür wäre das 2009 abgehaltene Kolloquium in Heidelberg mit dem Titel „Die Sprache(n) der Comics“ zu nennen, bei dem Forscher und Wissenschaftler aus unterschiedlichen Disziplinen der Geisteswissenschaft aufeinandertrafen, um ihre Theorien und Hypothesen vorzustellen. Es ist also eine deutliche Zunahme am Interesse an der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Comics und dem Austausch darüber zu vermerken. Weiters kommt es zu einer begrifflichen Neuorientierung: Die Graphic Novel etabliert sich als eigene, ernst zu nehmende Kunstform, was aus sprachwissenschaftlicher Sicht zu einer Zweiteilung führt (vgl. Sanchez-Stockhammer 2012; 55). Sanchez-Stockhammer (2012) führt dazu aus:

Während der neue Terminus graphic novel die Teilmenge der als künstlerisch wertvoll intendierten narrativen Comicwerke in Buchform und mit eher erwachsener Zielgruppe bezeichnet (Bongco 2000: 82), muss der bisherige Terminus Comic zwangsläufig für alle anderen Blasengeschichten herhalten. (Sanchez-Stockhammer 2012; 55)

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Ob sich diese Annahme der strikten Zweiteilung in Zukunft so weiterentwickeln wird, gilt abzuwarten. Zu Beginn dieser Arbeit wird ein allgemeiner Überblick über den historischen Hintergrund und die Aufarbeitung der bereits vorangegangenen empirischen Arbeiten an Literaturadaptionen von Comics und Graphic Novels gegeben. Dann wird der Versuch unternommen, eine Unterscheidung zwischen Graphic Novels und Comics zu machen, um anschließend auf die graphischen Erzählstrategien (Panels, Sprechblasen etc.) bzw. Oralität und Literalität einzugehen. Darauf folgend sollen zwei Hypothesen verifiziert werden: Als Erstes soll das Verhältnis zwischen dem Panel pro Seite und dem Text pro Seite analysiert werden, wobei durch manuelle Auswertung der prozentuelle Anteil des Textes, der wortwörtlich aus der Originalliteratur übernommen wurde, ausgerechnet wird. Anschließend soll anhand der Auswertung aufgezeigt werden, wie sich die Graphic Novel anhand der proportionalen Zunahme von Bild und Text in die Dramentheorie einordnen lässt, da angenommen wird, dass durch den ausgesprochen hohen Anteil an wortwörtlicher Übernahme aus dem Originaltext, der stark in der Mündlichkeit 1 konzipiert ist, eine große Ähnlichkeit mit dem Aufbau des klassischen Dramas besteht. Zweitens wird anhand des SMOG-Tests der Schwierigkeitsgrad der Lesbarkeit der Graphic Novel berechnet und anhand der SMOG-Text-Skala interpretiert. Es wird angenommen, dass Graphic Novels wegen ihrer Informationsdichte, ihrer langen Satzkonstruktionen über mehrere Panels hinweg und im Fall des hier gewählten exemplarischen Werks Die Menschenfabrik durch die Nähe zum Originaltext eine Abgrenzung zum Comic und eine Nähe zur Literatur zugestanden werden muss.

1 Für weitere Informationen siehe Kapitel 04.01. Oralität und Literalität. 7

02. Historischer Hintergrund

Um einen besseren Überblick über den historischen Hintergrund der Graphic Novels gewährleisten zu können, wird zuerst auf die Entstehung und den Entwicklungsprozess der ersten Comics eingegangen und anschließend die Weiterentwicklung von Comics zu Graphic Novels und deren Entwicklung dargestellt.

02.01. Die Anfänge

Wie bereits Monika Schmitz-Emans (2012) beschreibt, gibt es zwei Positionen bezüglich der Entwicklung des Comics: Die eine Seite bezeichnet Bildergeschichten als „nahtlose Fortsetzung der Tradition früherer mit Bildern operierender Erzählverfahren“ (Schmitz- Emans 2012; 62), denen der Comic neue Ausdrucksmöglichkeiten verleiht, aber historisch von ihnen abhängig ist. Die andere Position hingegen sieht den Comic als „genuine Kunstform, deren Erscheinen als Bruch mit vorhergegangenen Formen bildlichen Erzählens zu verstehen ist“ (Schmitz-Emans 2012: 62). Laut der ersten Position muss, wie bei Fuchs und Reitberger (1974) dargestellt, die historische Darstellung des Comics bei den Höhlenmalereien beginnen, die bereits 1942 vom American Institute of Graphic Arts in der Ausstellung „The Comic Strip, Its History and Significance“ als die frühesten Vorläufer der Comic Strips ausgestellt wurden (vgl. Fuchs/Reitberger 1974; 12). Die zweite Position wiederum beginnt mit der historischen Darstellung des Comics um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert, wobei Kriterien wie Verbreitung, Publikationsform, Leserschaft usw. eine entscheidende Rolle dabei spielen, ob eine Bildergeschichte als Comic gelten gelassen wird oder nicht (vgl. Schmitz-Emans 2012; 62). Im Zusammenhang mit dieser Arbeit genügt die Betrachtung eines kleineren Zeitraums: Der Schweizer Rodolphe Töpffer (1799–1846) gilt als Vorreiter der Comic- Bücher. Er veröffentlichte seit dem zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts Bildergeschichten, die unter anderem die Gepflogenheiten der guten Gesellschaft ( Histoire de Monsieur Jabot ), die Politiker ( Histoire d’Albert , Monsieur Pencil ), die Unterrichtsmethoden ( Monsieur Crépin ) und die Wissenschaftler ( Voyages et aventures du Dr Festus, 1829, eine Parodie auf Goethes Faust ), karikieren (vgl. Wikipedia: Rodolphe Töpffer). Töpffers Erzählungen weisen viele Gestaltungsmittel auf, die mit dem modernen Comic verbunden werden, wie zum

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Beispiel die Technik der Panels 2, die Vielzahl dramaturgisch inszenierter Situationen (vgl. Knigge 2009; 11) und die unterschiedliche Bildgröße, die ein Gefühl von Zeit und Raum vermittelt. Verglichen etwa mit den Bilderzyklen William Hogarths (1697–1764), dessen Bilderzählungen und Karikaturen in ganz Europa gelesen und in Deutschland durch Georg Christoph Lichtenberg verbreitet wurden, eine Innovation (vgl. Schmitz-Emans 2012; 63/ vgl. Knigge 2009; 11). Unter Töpffers Bildern steht meist ein kurzer, erklärender Text (vgl. Schmitz-Emans 2012; 62). Über das enge Zusammenspiel von Text und Zeichnungen schreibt er 1833 im Vorwort zu seinem Monsier Jabot :

Die Zeichnungen hätten ohne den Text nur eine vage Bedeutung; die Texte ohne die Zeichnungen bedeuten nichts. Beide zusammen bilden als Ganzes eine Art Roman, der um so [sic!] origineller ist, da er sowohl einem Roman als etwas anderem ähnelt. (Knigge 2009; 11)

Weiters zählt zu seinem Werk Essai de Physiognomonie (1839), in dem er „grundlegende Beobachtungen zur zeichnerischen Gestaltung von menschlichen Gesichtern macht“ (Schmitz-Emans 2012; 62).

Abbildung 1: Histoire de M. Vieux Bois auf der Suche nach seiner "Geliebten". Mark Rosenfelder: Bob’s Comics Reviews. Rodolphe Töpffer. May 1999. URL: http://www.zompist.com/bob25.html [Stand: 06. 05.2012]

Mr. Vieux Bois kills himself. After forty-eight hours, hearing the Mr. Vieux Bois drags Fortunately, the cord is too voice of the Loved One in the street, Mr. along the beam he has long. Vieux Bois forgets that he has been been hung from. hanged, and rushes in that direction.

2 Zur Beschreibung/Definition des Panels siehe Kapitel 04.02.01. Das Panel. 9

1842 erscheint Töpffers 1837 entstandene Histoire de M. Vieux Bois in den Vereinigten Staaten als Raubdruck unter dem Titel The Adventures of Obadiah Oldbuck . Auch in Frankreich („La Caricature“), England („Punch“), Spanien, Italien, Russland, den Niederlanden und zahlreichen weiteren europäischen Ländern werden illustrierte Zeitschriften immer beliebter. Heinrich Hoffmann veröffentlicht in Deutschland 1945 den Struwwelpeter , der verschiedene Arten von Bildgeschichten mit Simultanbilden und sequentiellen Bildfolgen enthält (vgl. Schmitz-Emans 2012; 63). Neben den Satire-Zeitschriften „Die Fliegenden Blätter“3 oder „Kladderadatsch“ 4 bilden seit dem 18. Jahrhundert auch Bilderbögen, wie die „Neuruppiner Bilderbogen“5 und die „Münchener Bilderbogen“6 die Grundlage für Comics (vgl. Fuchs/Reitberger 1974; 14). Wilhelm Buschs (1832–1908) erste Bildergeschichten werden 1859 als Münchener Bilderbogen und in den Fliegenden Blättern gedruckt, wobei er zum „Virtuosen der neu entdeckten Kunst“ avanciert, die er „‚in Bildern schreiben‘ nannte und bei der er ‚zuerst das Bild und dann das Wort‘ sah“, wobei „beides ‚in einander [sic!] greifen‘ müsse“ (Knigge 2009; 11) – Busch integriert Dialoge in die Zeichnungen.

02.02. The Yellow Kid

Kurz vor der Jahrhundertwende stehen die beiden Medien-Mogulen Joseph Pulitzer (1847– 1911), Besitzer der New York World , und Randolph Hearst (1863–1951), dessen ehemaliger Schüler und Eigentümer des New Yorker Morning Journal s, in Konkurrenz zueinander und versuchen durch unterhaltsame Sonntagsbeilagen, Zeichnungen, Cartoons und die ersten Comic Strips Abonnenten dauerhaft zu binden bzw. neue Käufer zu gewinnen (vgl. Schmitz- Emans 2012; 63). Richard Felton Outcault zeichnet für die New York World die Serie Hogan’s Alley (später McFadden’s Row Flats ), zu dessen regelmäßig auftretenden Figuren ein kleiner kahlköpfiger Junge mit schiefen Zähnen namens Mickey Dugan zählt. Er trägt ein

3 Die humoristisch-satirischen, reich illustrierten „Fliegende Blätter” wurden von 1844 bis 1944 von Kasper Braun und Friedrich Schneider im gemeinsamen Verlag Braun & Schneider in München herausgegeben. Sie gelten als Kompendium humoristischer Zeitkritik. Illustrationen von namhaften Künstlern: Wilhelm Busch, Adolf Oberländer, Franz Graf von Pocci, Moritz von Schwind und Carl Spitzweg (vgl. Universitätsbibliothek Heidelberg: Fliegende Blätter. URL: http://fliegendeblaetter.uni-hd.de [Stand: 06.05.12]). 4 Die Berliner Satirezeitschrift „Kladderadatsch“ erschien vom 07. Mai 1848 bis 1944, als ihr Erscheinen eingestellt wurde. Die Beiträge des „Kladderadatsch“ bestanden aus witzig-kritischen Beiträgen, Glossen und Parodien (vgl. Universitätsbibliothek Heidelberg: Kladderadatsch. URL: http://kladderadatsch.uni-hd.de [Stand: 06.05.12]). 5 Für mehr Informationen siehe: Zaepernick, Gertraud (1982): Neuruppiner Bilderbogen der Firma Gustav Kühn. 2. Aufl. Leipzig: Seemann. 6 Für mehr Informationen siehe: Eichler, U. (1974): Muenchener Bilderbogen. 10

übergroßes Nachthemd und treibt sich in heruntergekommenen Gassen voller Elend herum, wie sie typisch waren für das New York an der Wende vom 19. ins 20. Jahrhundert. Mithilfe der neuen Technologie des Farbdrucks versuchen sich Pulitzer und Hearst gegenseitig zu übertrumpfen, nur die Farbe Gelb schien noch problematisch. Als am 16. Februar 1896 Pulitzer das neue Druckverfahren zur Erzeugung der Farbe Gelb an dem bis zum Boden reichenden Nachthemd von Mickey Dugan ausprobiert, wurde die Serie fortan The Yellow Kid genannt (vgl. Fuchs/Reitberger 1974; 14). Für Zeitungen die den Sensationsjournalismus pflegen, wie damals die New York World , gibt es seitdem den Begriff „yellow press“. Anfänglich tritt The Yellow Kid nicht in Bildergeschichten, sondern in untertitelten Einzelzeichnungen auf, die nach und nach durch kurze Monologe, die das Verstehen des Witzes erleichtern sollten, erweitert werden. Diese werden meist auf das Nachthemd der Hauptfigur geschrieben. In der weiteren Entwicklung beginnt Mickey Dugan sich auch in Sprechblasen 7 zu artikulieren, die eigentlich keine Neuigkeit darstellen, da sie bereits im Mittelalter zur Anwendung kamen, jedoch trotzdem in der Geschichte des Comics zu den „Erfindungen“ Outcaults zählen (vgl. Knigge 2009; 8). Als Outcault von Hearst abgeworben wird und nun für das New York Journal zeichnet, will er etwas Neues schaffen, greift deshalb das Prinzip der Bildergeschichte auf und legt einzelne Folgen als Bildsequenzen an. Zu Beginn sind die Einzelbilder durch großzügige Leerräume, in Anlehnung an die klassische Bildergeschichte, voneinander getrennt, doch bald verwendet er „wechselnde Hintergrundfarben, vertikale Bildelemente und dünne Linien“, bis er Anfang 1897 zu „schmalen weißen Stegen“ (Knigge 2009; 9), den so genannten Panels, übergeht. Sein graphisches Erzählkonzept wird rasch imitiert und gewinnt zu Beginn des 20. Jahrhunderts an Popularität (vgl. Knigge 2009; 9). Hearst beauftragt weiters den immigrierten deutschen Zeichner Rudolph Dirks (1877– 1968), eine ähnliche Serie wie The Yellow Kid zu entwerfen, diese jedoch an Buschs Max und Moritz anzulehnen (vgl. Schmitz-Emans 2012; 64/ vgl. Knigge 2009; 10). Am 12. Dezember 1897 debütieren schließlich Dirks ʼ The Katzenjammer Kids , die auch heute noch, 115 Jahre nach ihrem Debüt erscheinen, sie werden damit zum langlebigsten Erfolg der Comic-Historie (vgl. Schmitz-Emans 2012; 64/ vgl. Knigge 2009; 10). Nachdem sich die Sonntagscomics bereits etabliert hatten, wird 1907 durch Harry Conway Fischer der erste täglich erscheinende Strip Mr. A. Mutt publiziert, der sich, es gab

7 Zur Sprechblase siehe Kapitel 04.02.03.03. Sprechblasentexte. 11 bereits davor täglich erscheinende Strips, auch durchsetzt (vgl. Fuchs/Reitberger 1974; 18). Experimentelle Comics finden meist in intellektuellen Kreisen großen Zuspruch, können sich jedoch auf Dauer nicht etablieren. Winsor McCays (1871–1934) Little Nemo in Slumberland , von 1905 bis 1914 wöchentlich erschienen, zeigt zum Beispiel eine deutliche Nähe zum Jugendstil, vermischt mit der Traumdeutung Freuds (vgl. Knigge 2009; 13f.). McCay setzt als erster „das Prinzip der Fortsetzung“ durch und begründet damit eine „gänzlich neuartige Form der Bilderzählung“ (Knigge 2009; 14f). In George Herrimans (1880–1944) Krazy Kat hingegen, erschienen 1913 bis 1944, herrscht eine dadaistische Welt (vgl. Schmitz-Emans 2012; 65). Infolge der fast ausschließlich kommerziellen Ausrichtung der frühen Comics kommt es Anfang des 20. Jahrhunderts zu einer Standardisierung der Inhalte, wie man sie bei Little Orphan Annie von Harold Gray (1894–1968) und Blondie von Murat Bernard „Chic“ Young (1901–1973), in Form von zeitgenössischen amerikanischen Normen und Werten – „Nationalismus und Antikommunismus, Leistungs-, Aufstiegs-, und Konkurrenzdenken“ (Schmitz-Emans 2012; 65) – findet (vgl. Schmitz-Emans 2012; 65).

02.03. Abenteuer-, Detektiv- und Superheldencomics

In den 1930er Jahren können sich neue Genres etablieren, die durch die vorhergehende Entwicklung der Fortsetzung des Comics begünstigt werden. Am 7. Januar 1929 erscheinen die Comics Tarzan von Hal Fosters, der dem Comic das Genre der Abenteuergeschichte, und Buck Rogers von Dick Calkin, der dem Comic das Genre Science-Fiction erschließt. Bei beiden Neuerscheinungen handelt es sich um Adaptionen literarischer Vorlagen. Tarzan wird ursprünglich von Edgar Rice Burroughs verfasst und Buck Rogers basiert auf Philip F. Nowlans Armageddon 2419 A.D . (vgl. Schmitz-Emans 2012; 65). Das Genre der Detektivgeschichte wird mit George P. Remi, der unter dem Pseudonym Hergé die Reihe Tim und Struppi erfindet, und Chester Goulds Dick Tracey erschaffen (vgl. Schmitz-Emans 2012; 65). Als weiteres Genre folgt der Ritterroman, der von Hal Fosters Prince Valiant , nach dem Vorbild Walter Scotts, 1937 aufgegriffen wird. Mit Alex Raymonds Flash Gordon , Milton Caniffs Terry and the Pirates und Dashiell Hammetts Secret Agent X-9 können sich die Abenteuer-Comics endgültig durchsetzen (vgl. Schmitz-Emans 2012; 65). Die typisch amerikanische Publikationsform der Comics setzt Walt Disney mit dem Mickey Mouse Magazine von 1933 und dem Heft Famous Funnies von 1934 durch (vgl. Schmitz-Emans 2012; 65).

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Die Comic-Hefte, wie sie auch heute noch in den Fachgeschäften zu finden sind, finden ihren Durchbruch in der Stunde der Superhelden-Comics 1939. Der außerirdische alias Clark Kent, geschaffen von und Joe Schuster (vgl. Weiner 2003; 2), zieht seine Leser in den Bann und wird ein Vorbild für unzählige weitere Superhelden, wie zum Beispiel Batman , der dessen Erfolg, langfristig betrachtet, noch übertrumpft. Superman war jedoch der erste Comic-Held, dessen Geschichte aufgrund seines kommerziellen Erfolges in einem eigenen Comicheft angeboten wird (vgl. Schmitz-Emans 2012; 66). Ein weiterer Held 8 ist Joe Simons und Jack Kirbys Captain America , „der ab 1941 gegen Hitler- Deutschland in den Krieg zieht“ (Schmitz-Emans 2012; 66). Durch Captain America entwickelt sich eine „bewegungsbetonte Erzähldynamik“, wobei „Größe und Form der Einzelbilder“ variieren, „Umrandungen der Einzelbilder“ von den handelnden Figuren durchbrochen und einzelne Seiten bzw. Doppelseiten als „Gestaltungselement“ entdeckt werden, wobei es sich um einen „bedeutenden Entwicklungsschritt, der Erzähltechnik“ (Schmitz-Emans 2012; 66) handelt. Zu Kriegszeiten ziehen Superhelden mit den US-Soldaten gemeinsam in den Krieg gegen „verrückte deutsche Wissenschaftler“, Hitler usw., befreien „gefangene Soldaten“ und retten „amerikanische Blondinen vor lüsternen Japanern“ (Schmitz-Emans 2012; 66f). Nach dem Krieg kämpfen diese Helden gegen „Kinderräuber“, „den Ku-Klux-Klan“, „Haie“ (Schmitz-Emans 2012; 66f) etc., wodurch ihre Glaubwürdigkeit in Frage gestellt wird. Die Reihe der Classic Comics (später Classic Illustrated ), in der seit 1941 kurze Fassungen „kanonischer Werke der Weltliteratur ad usum delphini “ (Schmitz-Emans 2012; 67) erscheinen, unter anderem Die drei Musketiere , Der Graf von Monte Christo von Alexandre Dumas und Ivanhoe von Sir Walter Scott, beteiligt sich an der Kriegspropaganda. Es folgen weitere kanonische Werke aus der amerikanischen Literatur von „James Fenimore Cooper, Harriet Beecher Stowe, Mark Twain, Herman Melville und andere“ 9 sowie Werks- Adaptionen von nichtamerikanischen Autoren, wie „Erich Maria Remarques Im Westen nichts Neues , Dostojewskijs Verbrechen und Strafe oder Goethes Faust “ (Schmitz-Emans 2012; 67).

8 Es wird in dieser Arbeit nicht auf alle nennenswerten Comic-Helden eingegangen, da dies den Rahmen sprengen würde. 9 Für nähere Erläuterungen siehe Kapitel 03. Literatur und Comics. 13

02.04. Comics Code

Nach 1945 finden die Superhelden-Comics schlechten Absatz, woraufhin Comics für Erwachsene mit spannenden gewaltbehafteten Stoffen beliebt werden, woraus sich in weiterer Folge das Genre der Horror-Comics entwickelt. Diese Art von Comics führt Mitte der 1950er Jahre in den Vereinigten Staaten zu einer Jagd auf die Produzenten „vermeintlich jugendgefährdender Comics“ (Schmitz-Emans 2012; 67), wobei der Verlag E.C.-Comics (Entertaining Comics, ehemals Educational Comics) schwer beschuldigt wird und nur durch die auch heute noch erhältliche Comic-Zeitschrift Mad gerettet werden kann (vgl. Schmitz- Emans 2012; 67). Als Verursacher dieser Hetze gilt der Psychologe Frederic Wertham, der in diversen Interviews und vor allem in seinem Buch mit dem Titel The Seduction oft he Innocent „am Beispiel verschiedener Comics zu belegen versucht, dass die Bildgeschichten auf direktem Wege zur Verdummung der Jugend, zu Jugendkriminalität und Homosexualität führen“ (Schmitz-Emans 2012; 67). In Deutschland findet Wertham regen Zuspruch. Im Zuge dieser Diskussion kommt es zur Einführung des Comics Code 10 1954 (abgeändert 1971), der von der Comics Magazine Association of America, Inc., zur Selbstregulierung der Inhalte der Comics in den Vereinigten Staaten, kreiert wird (vgl. Fuchs/Reitberger 1978; 286). Der Code gibt sowohl gestalterische als auch inhaltliche Richtlinien (vgl. Fuchs/Reitberger 1978; 286). Trotz der unzähligen Vorwürfe gelingt Stan Lee in den 1960er Jahren eine Neubelebung des Superhelden-Genres. Er erfindet mit Jack Kirby die Fantastic Four (1961) und mit Steve Ditko Spider-Man (1962) (vgl. Schmitz-Emans 2012; 68). Es handelt sich hierbei um ganz normale Menschen und deren Probleme, wobei die Geschichten wegen des Comics Codes stereotyp bleiben, die Charaktere jedoch an Tiefe gewinnen (vgl. Schmitz- Emans 2012; 68). Der Code weicht Anfang der 1970er Jahre langsam auf und verliert seit den 1980er Jahren zunehmend an Bedeutung, sodass er heute, trotz des stetigen in Kraft seins, von Verlagen ignoriert wird (Vgl. Schmitz-Emans 2012; 68). Zur Zeit des Codes entstehen und verbreiten sich die sogenannten „Underground Comix“, deren Themen Schmitz-Emans (2012) aus dem Comics Code herleitet: „Profanity, obscenity, smut, vulgarity, or words or symbols which have acquired undesirable meanings“ 11 , denn diese sind laut Comics Code verboten (vgl. Schmitz-Emans 2012; 68). Diese Comics können natürlich nicht professionell von Verlagen vermarktet werden und

10 Für den Volltext des Comics Code siehe Anhang Kapitel 09.01. Code of the Comics Magazine Association of America. Inc.. 11 Zitiert aus dem Code of the Comics Magazine Association of America, Kapitel 09.01. 14 werden daher entweder von Leser an Leser weitergegeben oder in speziellen Fachgeschäften unter dem Tresen verkauft (vgl. Schmitz-Emans 2012; 68f). Die Stoffe und Motive der „Underground Comix“ stammen meist aus dem Leben der Autoren, weshalb die ersten umfangreichen autobiographischen Comics Anfang der 1970er Jahre entstehen (vgl. Schmitz- Emans 2012; 68f). Währenddessen gründen in Frankreich 1959 sechs Comic-Zeichner und - Autoren – „Jean-Michel Charlier, François Clauteaux, René Goscinny, Jean Hébrard, Raymond Joly und Albert Uderzo“ (Schmitz-Emans 2012; 69) – die Zeitschrift Pilote , in der neben vielen weiteren Beiträgen Valerian et Veronique , Blueberry , Isnogoud , Lucky Luke und Asterix erscheinen (vgl. Schmitz-Emans 2012; 69). Neben Frankreich kommt es auch in Italien durch Hugo Pratt (1927-1995) zur Beliebtheit der Comics, wobei diese dort Fumetti genannt werden und sich auch an erwachsene Leser richten. Pratts Comic Una Ballata del Mare Salato (Südseeballade ) handelt von den Reisen eines Malteser Kapitäns, namens Corto Maltese, der immer wieder zeitgenössische Literaten wie Hermann Hesse, Ernest Hemingway, Thomas Morus, William Butler Yeats und Jack London trifft. Es handelt sich hierbei um den „ersten umfangreichen europäischen Comic-Roman“ (Schmitz-Emans 2012; 69).

02.05. Einführung des Formats: Graphic Novel

Zu Beginn der 1980er Jahre setzen sich längere Geschichten mit abgeschlossenen Handlungen durch, wobei Will Eisner mit seinen Arbeiten A Contract with God (1978), The Building (1987), der autobiographischen Geschichte To the Heart oft he Storm (1991) und The Plot (2005) hervorsticht (vgl. Schmitz-Emans 2012; 69). Will Eisner (1917-2005), der schon zu Lebzeiten und auch heute noch als Koryphäe unter den Comic-Zeichnern bzw. Comic-Autoren gilt, lehnt den Begriff „comics“ ab, da es im Englischen zu sehr nach „komisch“ klingt, und kreiert die neuen Begriffe „graphic novel“ (Bildroman) und „sequential art“, sequentielle, fortgesetzte Kunst (vgl. Havas 1993; 228). Er weiß zwar, dass er somit Grenzen der Kommerzialität überschreitet, will jedoch den Comic „mit neuen Erzählweisen aus dem Korsett des Periodischen und genormter Umfänge befreien“ (Knorr 2009; 77). Anstatt die einzelnen Seiten mit Panels und detaillierten Bewegungen der Charaktere zu überfüllen, vergrößert er die Zeichnungen, der Fokus liegt auf der Mimik, der Expression, und die Panels weiten sich fast über die Seitenränder aus (vgl. Weiner 2003; 20).

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Die Neuartigkeit der Graphic Novels belebt auch die Superhelden-Comics von Alan Moores V for Vendetta , Watchmen , The League of Extraordinary Gentlemen wieder, da auch diese sich an ein erwachsenes Publikum richten und auf ein literarisches, politisches und kulturelles Vorwissen bauen (vgl. Schmitz-Emans 2012; 70). Watchmen 12 ist ursprünglich eine Serie, bestehend aus 12 Ausgaben, und wird 1987 als Graphic Novel zusammengefasst (vgl. Weiner 2003; 34). Als erste Graphic Novel-Serie, die es schafft, sich aus dem Genre des Comic-Buchs zu befreien, gilt Elfquest (1978-2010) – eine Gruppe von Elfen, die nach ihrem Heimatland suchen – kreiert durch Wendy Pini (*1951) und publiziert durch Warp Graphics (vgl. Weiner 2003; 26). Das heutige Format der Graphic Novels, (meistens) Hardcover, gute Papierqualität, exzellente Farbabbildungen und ihre Länge von ca. 48-64 Seiten werden zuerst in Europa festgelegt und von Terry Nantier (*1957) nach Amerika gebracht (vgl. Weiner 2003; 26). In Europa weicht man auch von den „ewig gleichen“ Geschichten der Superhelden ab und publiziert anspruchsvolle Geschichten für Erwachsene. Der NBM-Verlag (Nantier Beall Minoustchine Publishing Inc.) entwickelt sich in Amerika zum ersten Verlag, der Graphic Novels publiziert, und bewirkt deren Einzug in Buchhandlungen und Bibliotheken (vgl. Weiner 2003; 26f). Für Aufsehen sorgt Art Spiegelmans zweiteiliger Comic Maus: A Survivors Tale (1986), die autobiographische Geschichte von Spiegelmans Vater, einem Holocaust- Überlebenden. Der Autor bedient sich in seinem Werk der Tiermetaphorik (vgl. Weiner 2003; 35) (als Comic-Tradition von Krazy Kat bis hin zu Mickey Mouse ) (vgl. Schmitz-Emans 2012; 70) – Juden als Mäuse, Polen als Schweine und Deutsche als Katzen – und zieht dadurch das Interesse der Leser, nicht nur der Comic-Leser, auf sich. Spiegelmans Maus gilt heute noch als Meisterwerk und veränder die Graphic Novel-Szene für immer (vgl. Weiner 2003; 35). Eine weitere Graphic Novel, die Leser in Atem hält, ist The Sandman (1988-1996), ein Held aus den 1940er Jahren, dessen Geschichte von Neil Gaiman (*1960) (verändert) wieder aufgenommen wird. The Sandman hat die Besonderheit, dass Gaiman verschiedene Zeichner anheuert und seine Geschichten an deren Zeichenstil anpasst (vgl. Weiner 2003; 40) – so wird jede Ausgabe einzigartig und bietet dem Leser Unerwartetes.

12 Für nähere Informationen siehe: Van Ness, Sara J. (2010): Watchmen as literature: a critical study of the graphic novel. Jefferson, NC u.a.: McFarland & Co. 16

1993 veröffentlicht Scott McCloud Understanding Comics , eine 215 Seiten lange Erklärung des historischen Hintergrunds der Comics, wie sie funktionieren, wie sie gemacht werden, was sie sein können (vgl. Weiner 2003; 47f). Das Buch ist im Comic-Stil gehalten und wird durch eine Figur, Scott McCloud, moderiert bzw. kommentiert und gewährt dem interessierten Comic-Leser erstmals einen Einblick hinter die Kulissen bzw. trägt zum besseren Verständnis der Comics bei (vgl. Weiner Abbildung 2: McClouds Selbstportrait aus : McCloud 1994; 36. 2003; 48). Mit Kings in Disguise von James Vance (*1953) und Dan Burr erscheint 1990 erstmals ein Werk, das von den Medien sowie von den Lesern als Roman mit Bildern anstatt als langes Comic-Buch gesehen wird (vgl. Weiner 2003; 51). Mit Kings in Disguise , Flood von (*1958) und weiteren Comics werden schwarz-weiße Graphic Novels immer beliebter. 1995 publiziert Peter Kuper (*1958) Give It Up! And Other Stories by Franz Kafka und schafft damit den Durchbruch, Literatur in Graphic Novels zu verarbeiten und somit eine neue Leserschaft für das Genre zu gewinnen (vgl. Weiner 2003; 52f). Ein weiteres Beispiel für das Potential von Graphic Novels ist Joe Saccos Palestine , entstanden 1996, wofür er Monate damit zubringt, Interviews mit Palästinensern zu führen, um das Leben dieser während des Konflikts im Mittleren Osten darzustellen (vgl. Weiner 2003; 54). Erst in den 1990er Jahren werden Graphic Novels auch in Zeitschriften rezensiert und geben interessierten Lesern detailliertere Informationen über das Medium. Ende der 1990er Jahre finden die Comics schließlich auch den Einzug in die Buchhandlungen, bekommen ihre eigene Sektion und werden auch in Zeitungen in sporadisch erscheinenden kurzen Artikeln erwähnt (vgl. Weiner 2003; 56). Im Jahr 2000 gewinnt die Graphic Novel-Szene durch Dan Clowes ʼ Jimmy Corrigan: The Smartest Kid on Earth wieder das Interesse der Öffentlichkeit für sich, denn das Buch wird 2001 für den Guardian Prize nominiert (vgl. Weiner 2003; 57f). Heute erfreuen sich Comics auch zunehmender Beliebtheit im Film sowie in Zeitungen und Zeitschriften, da es vermehrt zu Interviews mit renommierten Autoren und Zeichnern bzw. zu Comic-Kongressen kommt.

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03. Literatur und Comics

03.01. Der Begriff des „Literatur-Comics“

Laut Schmitz-Emans (2012) kann von einem Literatur-Comic die Rede sein, wenn er sich auf einen oder mehrere literarische Texte – Beziehung zwischen Hypertext und Hypotext im Sinne Gérard Genettes (vgl. Genette 1993) – bezieht (vgl. Schmitz-Emans 2012; 11). Somit sind unter diesem Begriff nicht nur Comics, „die als bilderzählerische Darstellungen bestimmter Vorlagentexte zu beschreiben sind“ zu subsumieren, sondern auch „‚literaturbezogene‘ Comics“ (Schmitz-Emans 2012; 12): a.) „Bilderzählungen, die wie Pastiches auf Vorgaben“ (Schmitz-Emans 2012; 12) verschiedenster Herkunft, auch auf mehreren Texten, beruhen können, b.) „Bilderzählungen über die Verfasser literarischer Texte“ (Schmitz-Emans 2012; 12), c.) „Bilderzählungen über die Entstehung und den Entstehungskontext literarischer Texte“ (Schmitz-Emans 2012; 12). Als Punkt d.) wäre die Verarbeitung und das Aufgreifen des Comics in der Literatur zu nennen – mit Hangartners Worten: „Bilderwelten der Comics in der Welt der Literatur“ (Hangartner 2009; 52). Die unterschiedlichen Comics nehmen durch die unterschiedliche Umsetzung des Zeichners verschiedenartigen Bezug zu den literarischen Texten. Manche Comics nehmen ganz offen Bezug auf ihre literarische Vorlage, sie wollen „Wissen über ihren ‚Hypotext‘“ vermitteln und zitieren entweder nur teilweise oder den ganzen Hypotext, wohingegen andere es bei Anspielungen, parodistischen Spielen oder Ersetzung des Hypotexts durch Paraphrasen bzw. auf Verzicht desselben belassen (vgl. Schmitz-Emans 2012; 12). Die Bezugnahme auf eine literarische Vorlage bedeutet jedoch nicht, dass sich der Comic rein auf deren Darstellung und Umfang beschränkt, der Zeichner bzw. Szenarist verwirklicht seine eigenen künstlerischen Vorstellungen, wodurch der Comic einen anderen Schwerpunkt bzw. eine umfangreichere Darstellung für den Leser ermöglicht.

03.02. Die Ursprünge des Literatur-Comics

Lange bevor der Comic-Strip in den Tageszeitungen auftaucht, war „‚Literatur‘ der grundlegende Begriff, als es darum ging, erstmals auf einer theoretischen Ebene das Erzählen mit Text und Bildern zu beschreiben“ (Hangartner 2009; 35). Rodolphe Töpffer (1799-1846) hat bereits ein „erzählerisches Gebilde mit eigenen Darstellungsregeln“ (Kuchenbuch 1992; 70) entdeckt, welches er in seinem Essai de physiognomonie (1845) theoretisch begründet:

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Man kann Geschichten schreiben in Kapiteln, Zeilen, Wörtern: Das ist Literatur im eigentlichen Sinn. Man kann Geschichten schreiben in Folgen grafisch dargestellter Szenen: Das ist Literatur in Bildern. […] Die Literatur in Bildern hat Vorteile eigener Art: Durch den Reichtum an Details erlaubt sie eine außerordentliche Prägnanz. (Töpffer 1982; 7)

Töpffer beschreibt seine „Literatur in Bildern“ als „in allen Epochen sehr wirkungsvoll, vielleicht sogar wirkungsvoller als die eigentliche Literatur“, da es mehr Menschen gibt, die „schauen“, als Menschen, „die lesen“ (Töpffer 1982: 9). Daher wirkt „Literatur in Bildern hauptsächlich auf die Kinder und das Volk“, also auf „jene zwei Kategorien von Personen, die man sehr leicht verderben kann und die moralisch zu erziehen höchst wünschenswert wäre“ (Töpffer 1982: 9). Weiters schreibt er:

Tatsächlich könnte die Literatur in Bildern mit den ihr eigenen Vorzügen der größeren Prägnanz und Klarheit die andere ihr sonst gleichwertige Literatur übertreffen, einerseits, weil sie sich mit mehr Lebhaftigkeit an ein größeres Publikum wendet[,] und andererseits, weil derjenige, der in einem Kampf sofort losschlägt, den besiegt, der in Kapiteln redet. (Töpffer 1982: 9)

Die Gestaltung von Literatur in Bildern bedeutet für ihn, irgendeine Handlung zu erfinden, deren Teile ein sinnvolles Ganzes ergeben (vgl. Hangartner 2009; 36). Im Vorwort zu seinem 1833 erschienenen Buch formuliert er:

Ce petit livre est d'une nature mixte. Il se compose d'une série de dessins autographiés au trait. Chacun de ces dessins est accompagné d'une ou deux lignes de texte. Les dessins, sans ce texte, n'auraient qu'une signification obscure; le texte sans les dessins ne signifierait rien. Le tout ensemble forme une sorte de roman, d'autant plus original qu'il ne ressemble pas mieux à un roman qu'autre chose. 13 (Aventures Graphiques 1996; 13)

Durch seine Bild-Wort-Verknüpfungen wertet er das Bild auf und macht es zum tragenden Erzählelement (vgl. Hangartner 2009; 36). Kuchenbuch hält fest, dass es sich bei „Töpffers ‚Literatur in Bildern‘ nicht nur um ‚segmentierte Panorama-Alben‘, sondern um ausgedehnte Comic-Romane“ handelt, „die alle Mittel der intellektuellen Montage und der Bildpointe nutzen“ (Kuchenbuch 1992; 81).

13 „Dieses kleine Buch ist gemischter Natur. Es setzt sich zusammen aus einer Reihe von Strichzeichnungen. Jede dieser Zeichnungen ist begleitet von ein oder zwei Textzeilen. Die Zeichnungen hätten ohne den Text nur eine vage Bedeutung; der Text ohne die Zeichnungen würde gar nichts bedeuten. Beides zusammen bildet als Ganzes eine Art Roman, der umso origineller ist, da er sowohl einem Roman als auch etwas anderem ähnelt“ (Hangartner 2009; 56). 19

Der Comic könnte also von seinem Beginn an als „literarische Erzählform“ gesehen werden, wäre dies nicht durch die frühen Zeitungsstrips und die Eskapaden der Superhelden in Vergessenheit geraten (vgl. Hangartner 2009; 37). Erst in den 1970er Jahren wird „Literatur“ wieder im Zusammenhang mit Comics gebraucht, dann wenn es um die „künstlerisch-ästhetische Positionierung der Comics im Vergleich zu den übrigen Künsten geht“ (Hangartner 2009; 37). Heutzutage wird vom „roman graphique“ (Hangartner 2009; 37) gesprochen, der Graphic Novel, die die „Möglichkeit zu epischem, komplexem, tiefgründigem Erzählen“ bietet und „zu Reflexion statt vordergründiger Aktion“ (Hangartner 2009: 37f) anregt. Für Will Eisner (1917-2005) liegt die Zukunft des Comic-Romans

in der Wahl lohnenswerter Themen […]. […] Die Zukunft des Mediums ruht auf Künstlern, die daran glauben, daß [sic!] die Bild-Erzählung mit ihrem Gewebe aus Worten und Bildern eine neue Form der Kommunikation darstellen könnte und etwas bisher nicht Erreichtes zur ernsthaften Literatur beizutragen hat. (Eisner 1995; 143)

03.03. Die Gesamtheit der Literatur-Comics

Schmitz-Emans (2012; 12) schreibt, dass nicht nur solche Comics als Literatur-Comics zu verstehen sind, die sich auf einen bestimmten Vorlagentext beziehen, sondern auch jene, die sich in irgendeiner Art auf Literatur beziehen. Sie gibt dafür drei Punkte an, die bereits in Kapitel 03.01. Der Begriff der „Literatur-Comics“ angeführt wurden und hier zur besseren Übersicht, da nun näher auf diese eingegangen werden soll, noch einmal angeführt werden. Als ersten Punkt nennt Schmitz-Emans (2012; 12) Bilderzählungen, die als Hommage auf Vorgaben verschiedenster Herkunft, einzelner oder mehrerer Texte, beruhen können. Bereits in den 1940er Jahren begründet der Verleger Albert Lewis Kanter in den USA die Heftreihe Classic Comics , 1947 umbenannt in Classics Illustrated (vgl. Hangartner 2009; 38). Eine der ersten Adaptionen ist Walt Kellys Interpretation von Jonathan Swifts Gullivers Reisen 1935. Doch erst durch die Classics Illustrated , deren erste Adaption Dumas ʼ Die drei Musketiere, von George Evans gezeichnet, ist, erweisen sich die Adaptionen als Erfolgskonzept (vgl. Hangartner 2009; 38f). 1962 sind bereits zweihundert Millionen Hefte verkauft und für etliche Titel erscheinen erstmals Neuauflagen. Vorwiegend werden Stoffe bearbeitet, die Action und Abenteuer, verbunden mit Spannung, Gewalt und Romantik, bieten (vgl. Hangartner 2009; 38f). Illustrierte Klassiker , das deutsche Pendant, mit dem Untertitel „Die spannendsten Geschichten der Weltliteratur“, gibt zwischen 1952 und 1972 zweihundertvier Titel heraus. Einem gewissen „Bildungsauftrag“ folgend versuchen die

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Verleger der amerikanischen Ausgaben die Leser im Schlussteil des Comics zum „guten Buch“ hinzuführen, indem sie das Publikum auffordern: „Nachdem du nun die Classics Illustrated-Ausgabe gelesen hast, verpasse nicht das zusätzliche Vergnügen, das Original zu lesen. Erhältlich in deiner Schul- oder Gemeindebibliothek“ (Hangartner 2009; 39). Für Hangartner ergibt sich daraufhin als Fazit, dass durch die unabdingbare Reduktion des Heftumfangs und die Simplifizierungen die Adaptionen den literarischen Vorlagen in „Gehalt und Geist“ kaum gerecht werden können (vgl. Hangartner 2009; 39). Dies mag eventuell für damalige Adaptionen gelten, ist jedoch sicherlich für Adaptionen des 21. Jahrhunderts auszuschließen. Einige Zeit nach dem Ende der Classics Illustrated geben und Bob Gallahan im New Yorker Verlag Avon Books die Reihe „Neon Lit“ heraus – „‚Neon Lit. Where, in urban shadows, art and literature meet.‘ – eine Comic-Reihe mit Adaptionen moderner literarischer Kriminalromane“ (Schikowski 2009; 89). Sie gilt als Versuch, das Medium Comic zu nobilitieren und den Eingang in den „normalen“ Buchhandel zu schaffen (vgl. Hangartner 2009; 39f). Die Comics sind für ein Nicht-Comic-Publikum konzipiert, und David Mazzucchelli, Zeichner der Comic-Adaption von Paul Austers Roman City of Glass, meint dazu:

Der Zweck ist es, das Publikum für Comics zu verbreitern, indem man ein anerkanntes Werk nimmt, eine gute Comic-Adaption daraus macht, sie bei einem anerkannten Literatur-Verlag herausbringt und in Buchläden, nicht über die spezialisierten Comic-Läden, vertreibt. Das Literatur-Publikum soll sehen, dass komplexe, erwachsene Geschichten in Comic-Form möglich sind. (Hangartner 2009; 40)

Paul Karasik bereitet Paul Austers Roman textlich auf, und David Mazzucchelli findet für die Graphic Novel sehr stimmige Bilder. Hangartner (2009) beschreibt das Resultat der Adaption als „ein visuelles Erlebnis, ein neues eigenständiges Werk, das jedoch den Geist des Romans nie verrät, ein raffiniert inszenierter ‚graphischer Roman‘, der zum exquisiten Leseabenteuer wird“ (Hangartner 2009; 40). Der Roman kann als Musterbeispiel dafür gelten, „wie der Comic Literatur aufgreifen kann, in einer ihm eigenen Sprache und doch exakt die Atmosphäre des Originals atmend“ (Hangartner 2009; 40). Weitere Adaptionen, die unter dem Titel „Neon Lit“ erscheinen, sind Bob Callahans und Scott Gillis ʼ Adaption von Barry Giffords Perdita Durango (1995), Garreth Hinds Beowulf (2007) und Peter Kupers The Metamorphosis (2003) (vgl. Versaci 2007; 199). Obwohl das „Neon Lit“-Projekt scheitert, da die Verbindung von Comics und Literatur im öffentlichen Bewusstsein noch nicht sehr 21 verbreitet ist, gibt es eine Reihe von Künstlern – unter anderem der französische Jacques Tardi, der Romane von Patrick Manchette, Léo Malet und Jean Vautrin adaptiert, sowie die deutsche Isabel Kreitz, die die Werke Erich Kästners und Uwe Timms Novelle Die Erfindung der Currywurst adaptiert – die auf literarische Vorlagen zurückgreifen (vgl. Hangartner 2009; 40). Zu Beginn des 21. Jahrhunderts werden Adaptionen wieder vermehrt aufgegriffen, aber mit dem Hintergedanken, dass Graphic Novels nun nicht mehr für pubertierende Teenager gedacht sind, sondern für ein reiferes, beleseneres Publikum. Stéphane Heuets (*1957) Unternehmen, Marcel Prousts Roman Auf der Suche nach der verlorenen Zeit zu adaptieren, gilt als besonders ambitioniert (vgl. Hangartner 2009; 53). Das Ergebnis findet höchste Anerkennung, wird von der französischen Proust-Gesellschaft ausgezeichnet und in einige Sprachen (in Deutsch erst 2010-2012 im Verlag Knesebeck veröffentlicht) übersetzt (vgl. Hangartner 2009; 53). Besonders in Frankreich gibt es einen Aufschwung der Comic- Adaptionen, begonnen durch die 2007 ins Leben gerufene Comic-Literaturreihe „Collection Ex Libris“ im Verlag Delcourt. Diesem „Hype“ schließen sich auch die Verlagshäuser Gallimard, Robert Laffont, Glénat und Adonis an (vgl. Hangartner 2009; 53). Zweitens nennt Schmitz-Emans „Bilderzählungen über die Verfasser literarischer Texte“ (Schmitz-Emans 2012; 12), wobei diese „Kategorie“ ausgeweitet werden sollte auf die literarische Gattung der Autobiografie, die speziell im Genre der Graphic Novel in den letzten Jahren an Bedeutung gewinnt.14 Die Serien Introducing… und … for Beginners porträtieren wichtige Wissenschaftler, Künstler, Philosophen und Dichter. Der Zeichner bzw. der Autor integriert die Theorien, Ideen und Werke der zu proträtierenden Person in eine biografische Rahmenerzählung und entfaltet zeichnerisch seinen eigenen Stil. Als gelungenes Beispiel kann Robert Crumbs (*1943) Kafka Porträt 15 genannt werden, das in Zusammenarbeit mit David Zane Mairowitz entsteht. Crumb vermittelt den Inhalt von einzelnen Kafka Texten, gibt keinerlei Interpretation, gleicht jedoch einzelne Figuren der Binnengeschichte an die „rahmende[] biografische[] Kafka-Geschichte“ (Schmitz-Emans 2009; 287) an. Als Vorreiter der Gattung der autobiografischen Graphic Novel sind , , Will Eisner und Art Spiegelman zu nennen: Die Bilderwelten „haben sich als

14 Hier soll angemerkt werden, dass diese Erweiterung des Terms nicht mehr auf Genettes Annahmen zum Hypotext bzw. Hypertext beruht. 15 Davic Zane Mairowitz u. Robert Crumb (1993): Introducing Kafka. A Kafka Comic by David Zane Mairowitz (text) and Robert Crump (Drawings). Cambridge: Totem. 22 ideales Medium für ein hintergründiges, kluges und feinfühliges Aufarbeiten der eigenen Lebensumstände erwiesen, in denen individuelle Befindlichkeiten“ sowie „der Zustand unserer Zeit“ (Hangartner 2009; 44) klar aufscheinen. Es soll nun auf ein paar Beiträge aus diesem Bereich eingegangen werden: Als herausragende Graphic Novel dieser Gattung wird Art Spiegelmans (*1943) Maus gehandelt. 16 Er arbeitet über fünfzehn Jahre an der Darstellung des Holocausts in Form einer Tierfabel und verarbeitet damit die Überlebensgeschichte seiner jüdisch-polnischen Eltern Wladek und Anja. Spiegelman bedient sich dabei des Trickfilms und der literarischen Traditionen. Er zeichnet seine Figuren als Katzen (Nazis), Schweine (Polen), Mäuse (Juden) und Hunde (Amerikaner) und schafft so eine „neue, verfremdete Wirklichkeit“, die leichter zu fassen ist als ein „‚realistischer‘ Zugang zu diesem Thema“ (Hangartner 2009; 46). Die dargestellten Mäuse sind kaum voneinander zu unterscheiden, darauf angesprochen, gibt der Zeichner in einem Interview zu verstehen, dass auch die Menschen in den Konzentrationslagern ihre individuellen Charakterzüge verloren hatten und eine „große Masse“ wurden (vgl. Hangartner 2009; 46). Bereits im Vorfeld der Veröffentlichung sorgt Spiegelmans Buch für Aufregung, da das Genre für solch ein Thema als ungeeignet erachtet wird (vgl. Hangartner 2009; 46). Ein weiteres „Tabuthema“ greift Keiji Nakazawa (*1939) in seinem Antikriegs-Comic Hadashi no Gen (Barfuß durch Hiroshima ) auf, worin er seine Kindheitserinnerungen an den Atombombenabwurf über seiner Heimatstadt Hiroshima verarbeitet (vgl. Hangartner 2009; 46). Die Erzählung wird zuerst über drei Jahre hinweg als Fortsetzungsgeschichte publiziert und erst später in vier Bänden zusammengefasst. Es ist der erste Manga 17 , der auch als Übersetzung in den USA und mehreren europäischen Ländern erscheint, jedoch werden erst im Jahr 2005 im Carlsen Verlag alle vier Bände ins Deutsche übersetzt und publiziert (vgl. Hangartner 2009; 46f). Zu einem Bestseller avanciert auch Marjane Satrapis (*1969) Persepolis , eine autobiografische Erzählung über den Schah-Sturz von 1979, die Einführung der Kopftuchpflicht, Saddams Angriff im September 1980 und über den Entschluss ihrer Eltern, sie ins (österreichische) Ausland zu schicken. Hangartner (2009) bezeichnet Persepolis als „ein gelungenes Kunststück, aus dem Individuellen heraus das Politische und Historische zu

16 Für weitere, detailliertere Informationen siehe: Ole Frahm (2006): Genealogie des Holocaust. Art Spiegelmans „MAUS, A Survivor’s Tale“. Paderborn: Wilhelm Fink. 17 Ein „aus Japan stammender handlungsreicher Comic, der durch besondere grafische Effekte gekennzeichnet ist“ (Duden 2010; 639). 23 erzählen, Einsichten in den Alltag zu geben, die für eine Gesamtsituation sprechen“ (Hangartner 2009; 48). Abschließend sollen noch drei weitere Comics genannt werden, die in der Kategorie Autobiografie besondere Beachtung finden: Chris Wares (*1967) Jimmy Corrigan: the smartest kid on earth , ein Jedermann, der Angst hat, nicht geliebt zu werden (vgl. Hangartner 2009; 48). Im Jahr 2000 empfängt Ware den eigentlich belletristischen First Book Award des Guardian für das eben genannte Werk (vgl. Hangartner 2009; 48). Blankets (2003) von Craig Thompson (*1975) umfasst sechshundert Seiten und ist damit eine der seitenschwersten Graphic Novels. Er schreibt über sein Leben als Kind einer fundamentalistischen Christenfamilie, die in einer Provinzstadt in Wisconsin lebt (vgl. Hangartner 2009; 48f). Als letztes wird noch Joe Saccos (*1960) Palestine (Palästina 2001) und Safe Area Gorazde. The War in Western Bosnia 1992-95 (2000) erwähnt (vgl. Hangartner 2009; 50). Er erzählt Geschichten aus dem Nahen Osten und aus Bosnien, wobei er selbst Teil der Geschichte ist. Sacco will, dass der Leser die Geschichte mit seinen Augen sieht und wird so Pionier der Comic-Reportage, einem neuen Genre (vgl. Hangartner 2009; 50). „Bilderzählungen über die Entstehung und den Entstehungskontext literarischer Texte“, nennt Schmitz-Emans (2012; 12) als drittes und letztes Beispiel. Hier wird der „zeichnerische Arbeitsprozess selbst thematisiert“, wie man etwa in Falk Nordmanns (*1965) „graphischer Paraphrase zu Goethes Faust “ (Schmitz-Emans 2012; 32) sehen kann. Am Ende des Buches gibt der Zeichner Einblicke in den Entstehungsprozess des Faust -Comics, wobei er Studienblätter zur Figur des Mephisto, zu den Tierfiguren und Faust selbst bietet (vgl. Schmitz-Emans 2012; 32). Zu sehen ist die graphische Entwicklung einzelner Figuren über mehrere Überarbeitungsprozesse hinweg. Scott McCloud zum Beispiel zeigt in seinen Metacomics, unter anderem Understanding Comics: The invisible art , die Arbeitsprozesse des Künstlers und gibt dem Leser Einblicke in seine „Werkstatt“ (vgl. Schmitz-Emans 2012; 32). Metacomics sind Comics, „die explizit vom Comic selbst handel[n] und die eigene Medialität auf inhaltlicher wie auf darstellerischer Ebene bespiegel[n]“ (Schmitz-Emans 2012; 38). Als Untergattung des Metacomics sind Comics, die Anleitungen zum Lesen oder zum Zeichnen von Comics bieten, zu bezeichnen, wie McClouds Comics machen , ein Handbuch zum Erlernen des graphischen Zeichnens (vgl. Schmitz-Emans 2012; 38).

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Eine andere Untergattung der Metacomics rückt wiederum „die historische Genese und die medienästhetischen Eigenarten des Comics“ (Schmitz-Emans 2012; 38) in den Mittelpunkt, wie Will Einser mit Graphic Storytelling & Visual Narative bzw. mit Comics & Sequential Art zeigt. Darin bekommt der Leser Informationen zur Geschichte des Comics mit medientheoretischen Erörterungen und illustrativen Beispielen.

03.04. Der Comic in der Literatur

In diesem Kapitel soll das Aufgreifen und die Verarbeitung des Comics in der Literatur beleuchtet werden – mit Hangartners (2009) Worten könnte es als „Bilderwelten der Comics in der Welt der Literatur“ bezeichnet werden (Hangartner 2009; 52). Bereits in den 1960er und 1970er Jahren wird der Comic durch Literaten wie beispielsweise Rolf Dieter Brinkmann (1940-1975) in die Literatur aufgenommen (vgl. Hangartner 2009; 50). Dieser macht in seinem frühen Gedichtband Die Piloten (1968) den Comic nicht nur buchstäblich, sondern auch bildlich zum Gegenstand seiner Lyrik (vgl. Hangartner 2009; 50). Er platziert zu Beginn eines jeden Kapitels einen amerikanischen Comic-Strip und nimmt mit „‚Comic‘ betitelten Gedichten das Batman-Motiv auf“ (Hangartner 2009; 51). In einer Romantrilogie Funny Papers (1985), Derby Dugan’s Depression Funnies (1996) und Dugan Under Ground (2001) nimmt sich Tom De Haven (*1949) der Anfänge der Zeitungs-Comicstrips der 1890er Jahre bis hin zu den 1970er Jahren an und beschreibt den turbulenten Wandel Amerikas und seiner Popkultur (vgl. Hangartner 2009; 51). 2005 verfasst er, auf Anfrage des Comic-Verlags DC, den Roman It’s Superman , der den Beginn von Clark Kent und seine „Verwandlung“ in Superman darstellt (vgl. Hangartner 2009; 51). The Amazing Adventures of Kavalier & Clay (Die unglaublichen Abenteuer von Kavalier und Clay 2000) bringt Michael Chabons (*1963) 2001 den Pulitzer-Preis in der Kategorie „Fiktion“. Er beschreibt darin den Aufstieg (und Fall) der beiden jüdischen Cousins Josef Kavalier und Sammy Klayman (Clay) in der Zeit zwischen 1939 und 1954, der goldenen Zeit der Comics (vgl. Hangartner 2009; 51). Kavalier, der 1939 vor den Nazis aus Prag flüchtet, etabliert sich in der New Yorker Comic-Industrie und erschafft mit seinem Cousin Sammy die antifaschistische Comic-Figur Escapist , der ein Entfesselungskünstler mit Superheldenqualitäten ist und der gegen das Regime Hitlers kämpft (vgl. Hangartner 2009; 51). Nach dem Kriegsende verliert der Superhelden-Comic seine Wirkung – der Absturz für Josef und Sammy.

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Chabons historische und fiktiv-biografische Studie zeugt von großer Kenntnis der amerikanischen Comic-Welt und lässt in seinen Protagonisten Kavalier und Clay die Superman-Schöpfer Joe Schuster und Jerry Siegel erkennen (vgl. Hangartner 2009; 51f). Der Escapist findet so großen Anklang, dass er 2004 zu einer „realen“ Comic-Figur avanciert (vgl. Hangartner 2009; 51f). Weitere Beispiele sind Frederic Tutens (*1936) Tintin in the New World: A Romance (Tim und Struppi in der Neuen Welt ) (1993), mit Hergés Figur Tintin und Jonathan Lethems (*1964) The Fortress of Solitude (Die Festung der Einsamkeit 2003) und Men and Cartoon (Menschen und Superhelden 2004), worin die jugendkulturelle Wirkung der Comics der 1970er Jahre geschildert wird (vgl. Hangartner 2009; 52). Als letztes ist noch Christian Gassers (*1963) 2007 erschienene Erzählung Blam! Blam! Und du bist tot! zu nennen, in der Comic-Helden lebendig werden (vgl. Hangartner 2009; 52).

03.04.01. Anteil des Literarischen im Comic Bis jetzt wurde davon ausgegangen, dass sich Literatur-Adaptionen des literarischen Vorlagentextes annehmen, dies ist jedoch, wie bereits in Kapitel 03.01. Der Begriff des „Literatur-Comics“ angesprochen, nicht zwingend der Fall. In manchen Adaptionen wird der Hypotext ganz oder teilweise zitiert, wobei in anderen paraphrasiert bzw. ganz auf den Text verzichtet wird. Manche Texte versuchen das Wissen über den Hypotext zu transportieren, während andere diesen parodieren (vgl. Schmitz- Emans 2012; 12). Teilweise steht der zugrunde liegende Text im Mittelpunkt, teilweise wird er an den „Rand“ gedrängt (vgl. Schmitz-Emans 2012; 12). Manche Autoren „leihen“ sich Handlungselemente, Geschichten, Requisiten und Figuren aus literarischen Texten, gestalten damit eine neue Geschichte, wobei diese Feinheiten – Zitate, Querverweise und Anspielungen – nur dem Leser mit bestimmtem Vorwissen zugänglich sind (vgl. Schmitz-Emans 2009; 287). Als bekannte Beispiele hierfür können The League of Extraordinary Gentleman (1999- 2003) von Alan Moore und Kevin O’Neill (*1953) – Figuren aus literarischen Klassikern des Genres der Phantastik, wie Captain Nemo aus Jules Vernes Twenty Thousand Leagues Under the Sea (1870) und The Mysterious Island (1874), The Invisible Man von H. G. Wells, Mina Murray aus Bram Stokers Dracula, Allan Quatermain aus H. Rider Haggards King Solomon's Mines (1885) und Mr. Henry Hyde aus Robert Louis Stevensons Strange Case of Dr Jekyll and Mr Hyde (1886) treten miteinander in einem Elitebund gegen Feinde des Britischen Weltreichs an – und Hugo Pratts (1927-1995) Corto Maltese (1967) – Ein britischer Besatzungsoffizier, der auf Reisen Arthur Rimbaud (1854-1891) liest, begegnet während 26 seiner diversen Abenteuer vielen zeitgenössischen Literaten, wie Ernest Hemingway, Joseph Conrad, Hermann Hesse, Gabriele d’Annunzio, James Joyce, Eugene O’Neill, John Reed und Jack London – genannt werden (vgl. Hangartner 2009; 42f). Das anspielungsreiche Szenario ist auch ein Merkmal für Alan Moores und Melinda Gebbies dreibändige Erzählung Lost Girls (2006) (vgl. Hangartner 2009; 43). Es handelt sich hierbei um eine Graphic Novel, die die sexuellen Abenteuer von drei weltbekannten weiblichen fiktionalen – inzwischen erwachsen gewordenen – Charakteren des späten 19. und 20. Jahrhunderts erzählt: Alice aus Alice im Wunderland (1865) und Alice hinter den Spiegeln (1871) von Lewis Carroll, Lyman Frank Baums Dorothy aus Der Zauberer von Oz (1900) und Wendy aus J. M. Barries Peter Pan (1902) (vgl. Hangartner 2009; 43). In der Erzählung gibt es unzählige Anspielungen und Verweise auf Alfons Mucha, Aubrey Beardsley, Oscar Wilde, Egon Schiele, Guillaume Apollinaire, Bayros und Strawinsky sowie deutliche Parallelen zu Thomas Manns Zauberberg (1924) (vgl. Hangartner 2009; 43).

03.04.02. Anteil des Literarischen in Michael Meiers Literaturadaption „Die Menschenfabrik“ In der Literaturadaption von Michael Meier wird nicht der ganze Hypotext zitiert, die Teile, die übernommen werden, sind jedoch wortwörtlich realisiert. Vanderbeke (2010; 108) meint, dass eine wortwörtliche Übernahme des Textes mit einer genauen Verbildlichung ein künstlerischer Misserfolg ist, da der Künstler seiner eigenen Fähigkeit, Texte in Bildern realisieren zu können, misstraut. Weiters konstatiert er, dass „treating the text as sacrosanct will diminish the artistic opportunities to fully exploit the potential of the new medium“ (Vanderbeke 2010; 108). Michael Meier hingegen offeriert in seiner Adaption, wie Karasik und Mazzucchelli für City of Glass, unabhängige Bilder mit subjektiven und idiosynkratischen Assoziationen, wobei er nicht die Erzählung in Bilder transformiert, sondern die Bilder um den Text fließen lässt und Informationen beifügt (vgl. Vanderbeke 2010; 109). In weiterer Folge ergeben die Bilder ohne den Text keinen Sinn, besonders da die Erzählung hauptsächlich auf direkter Rede basiert und meistens nur die sprechenden Figuren bildlich dargestellt werden. Als weiteres Problem nennt er die Form der Ich-Erzählung:

[A] text narrated in the first person is inevitable drawn towards a third person point of view in the adaptation […]. This is due to the unavoidable graphic depiction of protagonists referred to as “I”, which widens the gap between reader and narrator and makes identification and the classical perception through the eyes of the first person narrator more difficult. (Ferstl 2010; 62) 27

Das heißt, dass ein Ich-Erzähler unvermeidlich in die Rolle der dritten Person rückt, da er graphisch als Person, als „Ich“, dargestellt wird und die Lücke zwischen Leser und Erzähler größer wird, da es fast unmöglich scheint, die klassische Wahrnehmung, die Sicht durch die Augen des Erzählers beizubehalten. Meier verwendet für diese Darstellung die Doppelperspektive, wobei er das erlebende Subjekt vom erinnernden Subjekt trennt, wodurch die Graphic Novel innerhalb der Erzählung mehrmals die Perspektive wechselt (vgl. Vanderbeke 2010; 110). Weiters schreibt Vanderbeke (2010; 116), dass jede Art von Adaption in eine bildende Kunst den Leser mit fertigen Bildern konfrontiert – ein Raum, der in der Erzählung nur vage beschrieben wird, kann in der Graphic Novel voll möbliert sein, der Focus kann aber auch nur auf einem Möbelstück liegen. Der Zeichner muss sich für eine Möglichkeit entscheiden und kann nicht wie der Autor bestimmte Bilder/Beschreibungen umgehen. Wegen der sequentiellen Natur des Mediums entwickelt die Graphic Novel ihre eigene „Poetik der Abwesenheit“ 18 , lässt dabei einen beträchtlichen Teil der Handlung im „gutter“, dem Übergang zwischen den Panels 19 , und verzichtet gelegentlich auf etwaige mögliche Bilder, um den Leser dazu anzuregen, seine eigene Imagination einzusetzen (vgl. Vanderbeke 2010; 116). Die Punkte, die hier aufgeworfen wurden, zeigen, dass der Versuch der „Wiedergabetreue“ hin zum Original sich als nachteilig erweisen kann.

03.05. Literaturwissenschaftliche Analysen

Der Comic hält erst vor einigen Jahren Einzug in die „öffentliche“ Wissenschaft und findet langsam Zugang in das universitäre System – so bieten einige deutsche Universitäten spezielle Lehrveranstaltungen an, die sich mit dem Medium kritisch auseinandersetzen (vgl. Pietrini 2012; 7). Speziell die Didaktikforschung zum Fremdspracheunterricht lieferte einen entscheidenden Beitrag zu dieser Entwicklung in den Geisteswissenschaften (vgl. Pietrini 2012; 7). Die anfängliche Trivialisierung des Genres schwächt sich seit den 1970er Jahren ab und geht durch das zunehmende Interesse der Wissenschaft, das sich in Dissertationen, Diplomarbeiten, Zeitungsartikeln, Zeitschriften, Kolloquien, Kongressen, Comic-Messen und Internetforen zeigt, verloren. Es gibt mehr und mehr Forschung zu positiven Eigenschaften und Auswirkungen von Comics (vgl. Pietrini 2012; 7).

18 Die „Poetik der Abwesenheit“ geht auf Mallarmé zurück. Siehe: Wolfgang Riedel (1999): Poetik der Präsenz. In: Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur (IASL). Hrsg. von Norbert Bachleitner, Christian Begemann, Walter Erhart u. Gangolf Hübinger. Band 24, Heft 1, S. 82–105. URL: 10.1515/iasl.1999.24.1.82 [Stand: 22.01.2013] 19 Für mehr Informationen siehe 04.02.02. Das Panel. 28

Doch bereits 1962 wird in Paris der „Club der Comic-Freunde“ gegründet, aus dem dann das „Zentrum zur Erforschung der Literatur in der grafischen Ausdrucksform“ ( Centre d’étude des littératures d’expression graphique = C.E.L.E.G.) (Fuchs/Reitberger 1978; 258) hervorgegangen ist. Später wird die C.E.L.E.G. von der Socerlid , der Société Civile d’Etudes et de Recherches des Littératures Dessinées (Fuchs/Reitberger 1978; 258) abgelöst. Ein gesteigertes Interesse am Comic kann infolge von Ausstellungen, Diskussionen, Kongressen Abbildung 3: und Sendungen in Radio und Fernsehen verzeichnet werden (vgl. Angoulemes Festival Logo: URL: Fuchs/Reitberger 1978; 258). Es werden Vereinigungen gegründet und http://www.bdangoule me.com [Stand: schließlich findet 1965 in Bordighera, Italien, der erste internationale 06.03.2013] Comic-Kongress statt, der bis 1976 jährlich in Lucca fortgesetzt wird (vgl. Fuchs/Reitberger 1978; 258). Das Festival International de la Bande Dessinée d’Angoulême , seit 1974 der Treffpunkt der Comicologen, ist das größte Comic Festival in Europa und findet jährlich, jeweils im Jänner statt. Dort werden Preise und Auszeichnungen vergeben (vgl. Fuchs/Reitberger 1978; 258). Die Begeisterung für den Comic strahlt aus, und es entstehen einige Monographien, Nachschlagewerke (z.B. Allessandrini 1979, Fillipini 1989) Magazine, Theorieansätze (Lacassin 1971, Fresnault-Deruelle 1972, Duc 1982 und 1983). Auch außerhalb Frankreichs kommt es zu Einzelpublikationen, zum Beispiel über die nationale bzw. internationale Entwicklung des Comics (Gasca 1996, Daniels 1971, Berger 1974 uvm.) (vgl. Grünewald 2000; 68f). Auch in Deutschland wird in den 70er Jahren in Berlin die Interessensgemeinschaft Comic Strip (INCOS) gegründet, deren Zielsetzung die „kritische Beschäftigung mit dem Phänomen Comic Strip in all seinen Erscheinungsformen und Wirkungsbereichen“ (Gründungsprotokoll, Pkt. 7) ist. Grünewald (2000; 70) kommentiert dies jedoch mit Kritik, da sich die Interessensgemeinschaft eher durch eine unkritische Haltung auszeichnet. 1985 schafft es der Interessensverband Comic, Cartoon, Illustration und Trickfilm (ICOM) Ausstellungen, den internationalen Comic-Salon Erlangen, zu organisieren. Er publiziert das Magazin COMIC! und baut eine Bibliothek für Sekundärliteratur auf (vgl. Grünewald 2000; 70). Zu einer kritischen Fachzeitschrift entwickelt sich die einstige Schülerzeitung Comixene (1978, Hannover), die sich der nationalen, sowie internationalen Comic-Geschichte und aktuellen Themen widmet und zu einem Forum für auch wissenschaftlich arbeitende Interessenten wird – sie wird jedoch aus finanziellen Gründen

29 eingestellt (vgl. Grünewald 2000; 70f). Danach gibt es das Magazin Rraah! , das von 1987 bis November 2001 in Print und dann nur noch online erscheint (vgl. Grünewald 2000; 73). Die Berliner Ausstellung gibt den Anstoß für eine Reihe von Veranstaltungen, auf die mit zahlreichen Publikationen – Lexika, Handbücher, allgemeine Überblicksdarstellungen des historischen Hintergrundes, der „Sprache“ der Comics und pädagogische Hinweise zum Umgang mit Comics im Unterricht – reagiert wird 20 . Entsprechend vielfältig sind die Methoden, mit denen die Comics untersucht werden: ihre Zeichen- und Erzählstruktur semiologisch, die Inhalte hermeneutisch, phänomenologisch, ikonographisch/ikonologisch, Charakter und Erscheinungsbild stilkritisch, ihre Rezeptionsanforderung und Wirkung empirisch und ihre Behandlung im Unterricht didaktisch (vgl. Grünewald 2000; 73). Sie werden aus den unterschiedlichsten Sichtweisen – psychoanalytisch, ideologie-kritisch, soziologisch, religiös – als Kunstform, Massenkultur und populäre Literaturform analysiert (vgl. Grünewald 2000; 73). Inhaltliche Untersuchungen werden meist ausführlich publiziert und behandeln meist die Frage, wie spezielle Themen und Motive in historischen und zeitgenössischen Comics erscheinen, andererseits werden theoretische Ausführungen, zum Beispiel zur „Sprache der Comics“, ihrem System, ihrer Erzählstruktur und ihrem Zeichenrepertoire, meist nur kurz in Comic-Historien angeschnitten (vgl. Grünewald 2000; 74). Umfangreichere, nicht semiologisch ausgelegte Darstellungen dazu können bei Schnackertz (1980), Barker (1989) und Grünewald (1991) gefunden werden, wobei unschwer zu erkennen ist, dass diese Abhandlungen nicht mehr dem neuesten Stand der Wissenschaft entsprechen können. Weiters ergibt sich das Problem, dass die Auseinandersetzung mit dem Thema Comic eher beliebig geschieht, hervorgerufen durch ein spezielles Interesse von Lehrenden bzw. Wissenschaftlern, wodurch viele Publikationen einer kritisch-distanziert wissenschaftlichen Sicht kaum standhalten und es nur geringen internationalen Austausch zu speziellen Themen gibt. Zumindest gibt es seit 1992 an der Universität Hamburg eine Arbeitsstelle für Graphische Literatur (ArGL), die „die kontinuierliche Präsenz der Graphischen Literatur in Forschung und Lehre langfristig sicherstellt“ (Balzer/Frahm 1995, 284). Zusammenfassend bedeutet dies, dass es Comic-Forschung, auch literaturwissenschaftliche Forschung, bereits seit Beginn der 70er Jahre gibt, diese jedoch erst

20 Für eine Auflistung dezidierter Beispiele siehe: Dietrich Grünewald (2000): Comics. Tübingen: Niemeyer S. 72. 30 zu Beginn des 21sten Jahrhunderts, abgesehen von den Comic-Fans, für ein breiteres wissenschaftliches Publikum interessant wurde.

03.06. Sprachwissenschaftliche Analysen

Obwohl das Genre mittlerweile in der Literaturkritik, der Kunstgeschichte, der Semiotik, Soziologie, Erziehungswissenschaft 21 , Medienwissenschaft, Literaturwissenschaft etc. behandelt wird, bleiben in der Sprachwissenschaft spezifisch linguistische Analysen der Texte meist aus. In Abhandlungen der 60er Jahre wurde die „Sprache“ der Comics meist nur am Rande erwähnt und es überwiegen die Aussagen, in denen an den Texten Kritik geübt wird. Beispielsweise schreibt H. E. Giehrl 1954 in seinem Aufsatz Comic Books – Eigenart und Geschichte :

Die Texte sind durchweg auf einem erschreckend niedrigen Stand, oft nicht einmal richtiges Deutsch. Satzrümpfe, Stichworte, Slang oder Gassendeutsch, Zeitphrasen, schiefe und falsche Vergleiche, seltsame Aus- und Zwischenrufe und einfältige Lautmalereien sind die bezeichnendsten Eigenheiten. (Giehrl 1954; 30)

In einem anderen Artikel Verdummung durch Comics, erschienen im selben Blatt, heißt es:

Was da an Form noch übrig ist, ist so primitiv, daß [sic!] es selbst den Verächtern der sprachlichen Form unangenehm auffällt. Von der Sprache ist wirklich nicht mehr übriggeblieben, als nur ein paar Aufrufe und Lautnachahmungen und höchstens gelegentlich, wenn es durchaus nicht anders zu schaffen ist, ein Krüppelsatz. (Anon. 1956; 26)

Im Gegenzug dazu gibt es 1954 eine Studie zum Wortschatz der Bildhefte Phantom , Donald Duck , Blondie , Superman , Wild-West und Tarzan , die von Klingenberg am Psychologisch- pädagogischen Institut in Falun, Schweden, durchgeführt wurde, wobei der Wortschatz

21 Hier soll nun ein kurzer Exkurs zur Nutzung der Comics in der Didaktik gegeben werden, um die gesellschaftliche Veränderung der Meinung über Graphic Novels darzustellen: Der Comic wird als didaktisches Mittel eingesetzt, wobei sowohl literarische Inhalte als auch Wissen vermittelt werden. David Robertson, Erfinder der 7 Generations series , beschreibt in seinem Artikel „How the graphic novel has become a teaching tool”, die Effektivität der Graphic Novel in fünf Punkten: 1.) Sie dient als Motivation für ungeübte Leser, da der Text durch visuellen Input verstärkt wird. 2.) Die Visualität des Mediums spricht die stark visuell geprägte Jugend an. 3.) Sie hat visuelle Permanenz, da der Leser entscheidet, wann und wo gelesen/gelernt wird. 4.) Sie ist derzeit modern. 5.) Sie regt zu vermehrtem Lernen an, da zum Beispiel ein Comic über Grammatik Spaß am Lernen bereitet. (Ein Beispiel hierfür wäre Ebner, Helga (2007): Durchstarten in Deutsch: Alle Lernjahre – Grammatik: Erklärung und Training. Übungsbuch mit Lösungen. 5. Aufl. Linz: Veritas. David Robertson (2012): How the graphic novel has become a teaching tool. 11. Aug. 2012. URL: http://www.cbc.ca/manitoba/scene/books/2012/08/11/7-generations/ [18.09.2012]. 31 schwedischen Jugendbüchern gegenübergestellt wurde (vgl. Welke 1974; 9/ vgl. Hesse 1955; 82). Laut der Studie gibt es keinen messbaren Unterschied zwischen dem Wortschatz der Comics und dem in schwedischen Jugendbüchern, wobei das Material nur statistisch überprüft wurde, während eine wertmäßige Beurteilung der Texte ausblieb (Welke 1974; 9). 1974 untersucht Manfred Welke Die Sprache der Comics , indem er wesentliche Stilmomente herauszuarbeiten und zu einem Stiltypus zusammenzufassen versucht. Sein Ziel ist es „die gröbsten Verstöße gegen ‚gutes Deutsch‘ aus den Comics verschwinden“ (Welke 1974; 11) zu lassen. Die erste linguistische Arbeit zu Graphic Novels selbst gibt es erst 2004 durch Klaus Schikowski, der seine Magisterarbeit Vom Wort zum Bild. Die Umsetzung eines literarischen Textes in eine Bildergeschichte. Eine empirische Untersuchung am Beispiel von Paul Austers »Stadt aus Glas« , an der Universität Köln schrieb 22 . Daniela Pietrini organisiert 2009 ein Kolloquium „Die Sprache(n) der Comics“ in Heidelberg, wobei versucht wird, den sprachwissenschaftlichen Ansatz in das traditionelle Feld der Comic-Analyse zu integrieren. Der gleichnamige Sammelband erscheint 2012. Es sollte eine Distanzierung von der semiotischen Sicht des Comics in seiner Relation von Bild und Text stattfinden und das Hauptaugenmerk auf den geschriebenen Text, die Textsprache gelegt werden. Das Kolloquium sollte die Möglichkeit geben, die Abgrenzung des Comics von anderen Textsorten, seine fingierte Mündlichkeit, den sprachlichen Gebrauch von Onomatopoetika, lexikalischen Erfindungsgeist sowie Wortspielereien zu diskutieren und zu erforschen und im besten Fall die Hypothese zu verifizieren, „ob eine eigene Comic-Varietät existiert, die sich von der Sprache anderer Textsorten unterscheidet, und wie die bestimmenden Charakterzüge einer solchen Comic-Sprache aussehen“ (Pietrini 2012; 8). Pietrini stellt weiters die Hypothese auf, dass es eine parallele Entwicklung zwischen den nationalen Gegenwartssprachen und der Sprache des Comics gibt und diese als „Spiegel“ für Sprachwandelerscheinungen fungieren könnten (vgl. Pietrini 2012; 8). Ob diese Hypothese für zukünftige Sprachwandelerscheinungen tragbar ist, müsste als synchrone23 Studie über mindestens eine Generation hinweg erforscht werden.

22 Leider gibt es keine Möglichkeit diese Magisterarbeit zu bekommen: Nach mehrmaliger Kontaktaufnahme mit der Universität Köln stand fest, dass kein Exemplar der Arbeit archiviert wurde. Auch die Kontaktaufnahme per Mail mit Klaus Schikowski war nicht fruchtbar, da auch er diese nicht elektronisch archiviert hat. 23 Im Sinne Ferdinand de Saussures. Für weitere Informationen siehe: De Saussure, Ferdinand (1967): Grundfragen der allgemeinen Sprachwissenschaft. Berlin: Walter de Gruyter. 32

03.07. Abgrenzung zu Comics

Derzeit gibt es in der Fachliteratur noch keine klare Definition von Graphic Novels und ihren speziellen Eigenschaften. Daher soll nun versucht werden mithilfe von Kombinieren und Zusammenfügen der verschiedenen Definitionen und Beschreibungsmöglichkeiten eine annähernd gerechte bzw. umfangreiche Darstellung des Terms zu schaffen.

03.07.01. Was ist eine Graphic Novel? Der Begriff Graphic Novel kann mit „Illustrierter Roman“ oder „Comicroman“ (Duden: Wörterbuch der Szenesprachen 2000) ins Deutsche übersetzt werden, wobei damit meist graphische „full-length“ (Oxford English Dictionary: Graphic Novel) Erzählungen, herausgegeben als Buch im Comicstrip-Format, gedacht für eine erwachsene Leserschaft, gemeint sind (vgl. Duden: Wörterbuch der Szenesprachen 2000). In Understanding Comics definiert Scott McCloud (1994) Comics als „Juxtaposed pictorial and other images in deliberate sequence, intended to convey information and/or to produce an aesthetic response in the viewer” (McCloud 1994; 20). Graphic Novels werden auch als Teil des Kontinuums der „sequential art“ gesehen, welches Comicstrips, Comicheft und lateinamerikanische „ fotonovelas“ , sogenannte Bildromane, umfasst (vgl. Goldsmith 2010; 3). Will Eisner (2008) definiert „sequential art” als „a means of creative expression, a distinct discipline, an art and literary form that deals with the arrangement of pictures or images and words to narrate a story or dramatize an idea” (Eisner 2008: xi). Die Bilder geben jedoch nicht lediglich den Text wieder, sondern offenbaren weitere Informationen, die nicht aus dem Text zu schließen sind. Dementsprechend gibt der verbale Inhalt Informationen, die nicht im Bild enthalten sind – es handelt sich daher nicht um eine Bildbeschreibung (vgl. Goldsmith 2010; 4). Typischerweise werden Bild und Text in Panels oder in festgelegten, begrenzten Bereichen an den Seiten zusammengefügt, manchmal dient jedoch auch die ganze Seite als einziges Panel (vgl. Goldsmith 2010; 4). In einigen Fällen ist die Graphic Novel auch rein graphisch, also wortlos gestaltet, wobei selbst hier die Bilder in linearer Art und Weise wie ein Text angeordnet werden: entsprechend einem Handlungsbogen mit Anfang, Mittelteil und Ende (vgl. Goldsmith 2010; 4).

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03.07.02. Das Problem des Begriffs Der Begriff der Graphic Novel wird zurzeit auf mindestens vier unterschiedliche Arten verwendet, so Eddie Campbell (2007), ein schottischer Comic-Künstler. Erstens wird er als Synonym für das Comicheft benutzt (vgl. Campbell 2007; 13). Zweitens soll er ein ganzes Format klassifizieren, das sich durch Buchbindung mit Soft- oder Hardcover von den „alten“ gehefteten Comicmagazinen unterscheidet (vgl. Campbell 2007; 13). Drittens gilt er als Comic-Erzählung, welche als Äquivalent zum Prosaroman bzgl. Form und Dimension gesehen werden kann (vgl. Campbell 2007; 13). Schlussendlich darf für diese Art von Erzählung angenommen werden, dass sie sich aufgrund ihrer thematischen Ambitionen von Comicheften abhebt (vgl. Campbell 2007; 13). Carter (2008) kritisiert die Leser der Graphic Novels, da diese den Begriff als Genre anstatt als Format verstehen. Er meint dazu:

[R]egardless of the conscientious scholars and creators who have written on the graphic novel as being a form beyond genre, many students, teachers, and professors continue to refer to sequential art narration (comic strips, comic books, and graphic novels) as a genre rather than […] a form or format. (Carter 2008; 15)

Misst man das Medium an stärker etablierten Medien, wie zum Beispiel dem Film, ist ein erster Schritt, um sein ganzes Potential auszuschöpfen, getan (vgl. Hoover 2012; 175f.). Es ist nun klar erkennbar, dass das Erreichen einer neuen Rubrik für das Medium, wie es jetzt praktiziert wird, zusammenfällt mit einer großen Verschiebung der ästhetischen Anschauung von Comics bzw. Graphic Novels (vgl. Campbell 2007; 13) 24 . In einem Interview von Ole Frahm und Volker Hamann (2009) mit Isabel Kreitz, Martin tom Dieck, Ronald Gutberlet und Markus Huber, allesamt Comic-Zeichner/-Autoren, wurde die Frage gestellt, ob hinter dem Begriff Graphic Novel ein Label oder eine formale Beschreibung stehe, und die Zeichner waren sich einig: Der Comic hat durch das Format der Graphic Novel, meist Hardcover und in Buchformat, die Aufmerksamkeit der Verlage auf sich gezogen, da es optische Reize mit sich bringt, der Verlag das Produkt schlussendlich richtig platzieren kann und „[j]e schöner und hochwertiger die Aufmachung [ist], umso mehr traut man dem Inhalt zu“ (Frahm/Hamann 2009; 73). Denn plötzlich geht es um zu verkaufende Inhalte und nicht „um die künstlerische Ausgestaltung“ (Frahm/Hamann 2009; 73). Roland Gutberlet warnt

24 Eddie Campbell hat 2004 ein Manifest zur Graphic Novel veröffentlicht – für mehr Informationen siehe Kapitel 09.02. Eddie Campbell's (Revised) Graphic Novel Manifesto. 34 jedoch vor diesem falschen Spiel, „denn niemals kann eine gute Verpackung über fehlende künstlerische Qualität hinwegtäuschen“ (Frahm/Hamann 2009; 73).

03.07.03. Graphic Novel vs. Comic Die Geschichte der „sequential art“ in Form von Comics ist relativ lange, verglichen mit jener der Graphic Novel. Während der Begriff der Graphic Novel erstmals durch Will Eisner verwendet wurde, wurden Bücher mit ähnlichen Attributen bereits im frühen 20. Jahrhundert veröffentlicht (vgl. Goldsmith 2010; 4). In dem zuvor beschriebenen Kontinuum der „sequential art“ repräsentiert der Comicstrip eine einzelne Idee, wobei sich ein Witz oder eine Handlung über mehrere Panels – meistens drei bis fünf – entfaltet (vgl. Goldsmith 2010; 3). Comichefte sind mehrseitig, meistens aus mehreren Ausgaben bestehend (Fortsetzungsgeschichten), und werden von verschiedenen Zeichnern und Autoren bearbeitet (vgl. Goldsmith 2010; 3). Die fotonovela ist dem Comic-Buch zwar durch ihre Serien, aber auch durch abgeschlossene Handlungen, wie sie auch bei der Graphic Novel zu finden sind, sehr ähnlich, unterscheidet sich aber in der graphischen Darstellung durch Momentaufnahmen anstatt der üblichen Zeichnungen (vgl. Goldsmith 2010; 3). Die Graphic Novel hat sehr viele technische und ästhetische Charakteristika mit den anderen Formaten gemeinsam, unterscheidet sich jedoch durch die abgeschlossene Erzählung des Handlungsstrangs, es gibt immer Anfang, Mittelteil und Ende, im Gegensatz zum Comicheft, in dem der Held immer wieder neue Abenteuer erlebt, welche in unzähligen Ausgaben erscheinen. Die Graphic Novel wird im Gegensatz zum Comic meist in Buchformat publiziert und ist geeignet, eine große Vielfalt an Genres in sich zu vereinen, darunter auch nonfiction (vgl. Goldsmith 2010; 4). Dittmar (2008) definiert das Kriterium für Graphic Novels als „Unterschied zum profanen Comic entsprechend die Länge und Komplexität der Erzählung, die spezifische Qualität des Textes, der in diesen Fällen nicht von den Bildern getrennt werden kann, ohne die Tiefe und Subjektivität der Erzählung zu zerstören“ (Dittmar 2008; 49). Leider umfasst der Begriff derzeit sowohl Fachwerke als auch Belletristik, und in vielen öffentlichen Bibliotheken sowie auch in Schulbibliotheken werden auch gebundene Ausgaben von reproduzierten Comics unter dem Namen Graphic Novel geführt (vgl. Goldsmith 2010; 4).

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04. Comics und Text

04.01. Oralität und Literalität

In der Literatur wird oft vereinfacht von mündlich/gesprochen und schriftlich/geschrieben gesprochen, dies wird jedoch der Komplexität von Oralität und Literalität nicht gerecht. Es gibt phonisch realisierte Äußerungen, „deren sprachlicher Duktus“ kaum der generellen Vorstellung von Mündlichkeit entspricht, es gibt aber auch „graphisch realisierte Äußerungen, die sich schwerlich“ mit der generellen Vorstellung von Schriftlichkeit decken (Koch/Oesterreicher 1990; 5), zum Beispiel Privatbriefe, stichwortartige Notizen oder die Sprechblasen in Comics. Koch und Oesterreicher (1994; 587) unterscheiden deshalb zwischen medialer und konzeptioneller Schriftlichkeit bzw. Mündlichkeit, wobei mit medial die „Realisationsform der Äußerung“ – also eine „phonisch-hörbar[e]“ oder „graphisch- sichtbar[e]“ Äußerung – und mit konzeptionell die „gewählte Ausdrucksweise“ (Schmitz 2004; 108), die abhängig ist von der Nähe bzw. der Distanz zwischen den Partnern, gemeint ist. Sie geben hierfür eine Abstufung, wie sie in Abbildung 4 zu sehen ist 25 :

Abbildung 4: „Schematische Anordnungen verschiedener Äußerungsformen im Feld medialer und konzeptioneller Mündlichkeit/Schriftlichkeit (a = familiäres Gespräch, b = Telefongespräch, c = Privatgespräch, d = Vorstellungsgespräch, e = Zeitungsinterview, f = Predigt, g = wissenschaftlicher Vortrag, h = Leitarti kel, i = Gesetztestext) (Koch/Österreicher 1994; 588)

25 Das Konzept von Koch und Oesterreicher (1990), bzw. der Querschnitt darf nicht ganz streng genommen werden, da es auch Misch- und Übergangsformen von Mündlichkeit und Schriftlichkeit gibt. Weiters wird das Konzept besonders von Dürscheid (2003) hinsichtlich der Nähe und Distanz zwischen den Partnern kritisiert, wobei dieser Aspekt des Modells in Bezug auf Literatur interessant sein könnte. 36

Sie zeigen damit, dass beispielsweise der wissenschaftliche Vortrag „trotz seiner Realisierung im phonischen Medium konzeptionell ‚schriftlich‘“ ist, „während der Privatbrief trotz seiner Realisierung im graphischen Medium“ der konzeptionellen ‚Mündlichkeit‘ nähersteht (Koch/Oesterreicher 1994; 588). Walter Ong (1987) unterteilt Oralität in zwei Unterpunkte, nämlich die primäre Oralität und die sekundäre Oralität. Unter der primären Oralität versteht man eine nicht- literarisierte Mündlichkeit, während unter sekundärer Oralität die Form der mündlichen Sprache, die im Kontext von Schriftlichkeit steht oder bereits auf Schriftlichkeit basiert, verstanden wird. In Bezug auf Literatur wird die sekundäre Oralität als „Literarisierung von Mündlichkeit“ (Blank 1991: Titel) bezeichnet, da es sich in literarischen Darstellungen um eine Art Medienwechsel handelt, wobei das „strukturelle Muster anderer Medien“ (Winkels 1999; 106) in das Medium Literatur transformiert wird. Sekundärer Mündlichkeit wäre nach dem Konzept Kochs und Oesterreichers (1990) eine fingierte Form einer Sprache der Nähe zuzuschreiben. Sie könnte aber auch eine Sprache der Distanz sein, wie Dürscheid (2003) meint. Die literarisierte Mündlichkeit bleibt, weil sie mit Hilfe der Schrift konstruiert wird, immer fingiert, bietet jedoch nach Goetsch (1985; 204) einen „realistische[n] Stilwille[n] für die Annäherung an Mündlichkeit in erzählender Literatur“. Döring (1996; 227) beschreibt die „Simulation von Mündlichkeit als Effekt in der Schrift“, als Stilmittel der sekundären Oralität, wobei hier weniger die Darstellung von mimetischer Transkriptionen mündlicher Rede und die Darstellung von Umgangssprachlichkeit im Text gemeint ist, sondern die Übernahme spezifischer Charakteristika mündlicher Sprechakte in das Medium Schrift. Hans-Martin Gauger bezeichnet im Vorwort zu Blanks (1991) Dissertation Literarisierung von Mündlichkeit , „die Literarisierung gesprochener Sprache als eines der innovativsten Elemente in der Literatur, da mithilfe der schriftlichen Umsetzung eine Sprache in ihrer Komplexität dargestellt werden kann“ (Heim 2008; 5) und somit das Repertoire literarischer Darstellungen erweitert. Laut Schmitz (2004) gibt es einige Parameter, durch die die gesprochene Sprache ausgezeichnet und festgemacht wird:

hohes Tempo, prozesshafte Dynamik, situations- und adressatenbezogene Flexibilität, Flüchtigkeit, asyndetische Reihungen, grammatisch undvollständige Äußerungen, verkürzte Sätze (Ellipsen), Satzbrüche, Kongruenzfehler, Verzögerungsphänomene, Selbstkorrekturen, Wiederholungen, häufige[r] Gebrauch von Joker-Wörtern mit sehr weiter Bedeutung,

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Wortabschweifungen, umgangssprachliche Ausdrücke und Dialektismen, viele Modalpartikeln, Sprechersignale, Einstellungsbekundungen und Referenzen auf die eigene Person (Schmitz 2004; 108), wobei hier festgehalten werden soll, dass nicht alle Merkmale der gesprochenen Sprache schriftlich realisiert werden können. Zur Darstellung der meisten dieser Merkmale werden Interpunktion und Wörter verwendet, die den Leser instruieren. Hohes Sprechtempo kann im Comic eventuell durch eine Vielzahl von kleineren Panels bzw. durch viel Text dargestellt werden. Unvollständige Äußerungen und Ellipsen sind eine Eigenheit des anspruchsvollen Comics und sind auch in der Graphic Novel von Oskar Panizza zu finden, wobei sie wie Satzbrüche und Verzögerungen durch drei Auslassungspunkte (…) „gekennzeichnet“ sind. Die Interpunktion macht den Leser auf eine Fortsetzung bzw. einen eventuell unnatürlichen Abbruch aufmerksam.

Tabelle 1: Interpunktion als Regieanweisung 1 Die Menschen um mich herum erblassen zu Schattenbildern, … (GN 26 ; 3-4) 2 … die wie wertlose Puppen auf und ab taumeln, … (GN; 3-4) 3 Herr Doktor! Der Herr Professor läßt ihnen ausrichten, … (GN; 3-4) 4 … dass er kurzfristig aufbrechen musste. (GN; 3-4)

Die Auslassungszeichen am Ende der ersten Zeile und die Auslassungszeichen am Anfang der zweiten Zeile deuten auf eine Verzögerung hin, der Text wird erst in einem anderen Panel weitergeführt, wohingegen die drei Punkte am Ende der zweiten Zeile auf einen Satzbruch hindeuten, da die Rede des Erzählers durch ein Gespräch von zwei Figuren unterbrochen wird. Ein weiteres Charakteristikum konzeptioneller Mündlichkeit stellen auf pragmatischer und textueller Ebene die sogenannten „Gesprächswörter und verwandte Verfahren dar“, die auf „Situationseinbettung, geringe Planung, Dialogizität und Emotionalität zugeschnitten sind“ (Koch/Oesterreicher 1994; 590). Die Gesprächswörter können Sätze gliedern, Satzbrüche markieren und inkohärente Aussagen miteinander verbinden (vgl. Blank 1991; 22). Unter den Gesprächswörtern versteht man Sprecher-/Hörer-Signale (Kontaktsignale),

26 Textbeispiele aus der Graphic Novel werden des Weiteren mit GN, für Graphic Novel, und Seitenzahl und Textbeispiele aus dem Roman werden mit OP, für Oscar Panizza, und Seitenzahl angegeben. 38 hesitation phenomena (Überbrückungsphänomene), Gliederungssignale, Korrektursignale, turn-taking-Signale , Abtönungsphänomene und Interjektionen (vgl. Koch/Oesterreicher 1990, 51-76).

Tabelle 2: Gliederungssignale in der GN „Menschenfabrik“ Ja 5 … darin liegt ja der Reiz im menschlichen Leben, (GN; 39) 6 und das Zusehen des Ichs bei diesem Kampfe ist ja eben das, (GN; 39) 7 Es ist ja nur Cochenille! (GN; 44)

Einleitendes Gliederungssignal: nun, also, so 8 Nun ja, also, für ihre Spezies? (GN; 40) 9 Nun, es war gestern. (GN; 7) 10 So, sind die Augenschlitze gut ausgefallen? (GN; 17)

Ich meine 11 Das mein‘ ich nicht, ich meine, haben Sie nicht daran gedacht, diesen armen (GN; 33) Geschöpfen einen sittlichen Funken ins Herz zu legen?

Die Gliederungssignale, die speziell für dieses Beispiel gefunden werden konnten, weisen informationsverstärkende und bestätigungsheischende Partikeln wie ja, also, ich meine, nun, so auf, die zeigen, dass es sich hierbei eindeutig um ein literarisierte Mündlichkeit handelt. Weiters konnten nur einleitende Gliederungssignale gefunden werden, während abschließende Signale völlig weggelassen werden, da die sprechende Figur meist mitten im Satz unterbrochen wird bzw. eine direkte Frage an ihren Gesprächspartner stellt. Dies mag daran liegen, dass es sich hier um keine authentische Sprechsituation, sondern um eine fingierte handelt.

Tabelle 3: hesitation phenomena in der GN „Menschenfabrik“ 12 In der Tat, in der Tat. (GN; 11) 13 Menschen! Menschen aber wozu? machen Sie (GN; 12) 14 Menschen! Menschen, Menschen (GN; 13)

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In der Graphic Novel gibt es keine typischen Überbrückungsphänomene wie „ähm, äh“, die Verzögerung wird jedoch durch Wiederholungen ausgedrückt, wodurch der Vorgang der Rezeption erleichtert wird.

Tabelle 4: Interjektionen in der GN die "Menschenfabrik" Feste Verbindungen als Interjektion: 15 Um Gottes Willen, wie kommen sie auf den Gedanken, auch (GN; 28) künstliche Kinder zu machen?

Ach 16 Ach, sind das ihre eigenen Kinder? (GN; 28) 17 Ach, mein lieber Herr, das ist schwer; (GN; 33)

Oh 18 Oh, unsere Rasse ist harmlos und gefügig. (GN; 40) 19 Oh, warum lassen sie freie Gottesgeschöpfe nicht… (GN; 41)

Im untersuchten Text sind, im Gegensatz zu herkömmlichen Comics, erstaunlich wenige Interjektionen zu finden. Dies kann eventuell daran liegen, dass der Zeichner die Gefühle, Emotionen und Gedanken in den Gesichtsausdruck der sprechenden Figur gelegt hat und daher die verbalen Konnotationen schriftlich weggelassen hat, um die Aufmerksamkeit des Lesers bewusst auf den Ausdruck der sprechenden Person zu lenken. Bei der Analyse konnte festgestellt werden, dass fast alle Beispiele, – ausgenommen Beispiel Nr. 9: Der ganze Satz wird neu in den Text eingefügt und nicht aus der Erzählung übernommen und Beispiel Nr. 16: Der Satz ist auch in der Erzählung zu finden, jedoch wurde das „Ach“ erst in der Graphic Novel eingefügt –, die für die Gesprächswörter genannt werden konnten, Beispiele sind, die bereits im Roman als direkte Rede verschriftlicht wurden, das heißt, dass sich der Autor eindeutig einer „literarisierten Mündlichkeit“ bedient hat und beim Schreiben bereits das literarische Repertoire erweitert bzw. die Erzählung lebendiger gestaltet hat. Ein Beweis hierfür, dass es sich um eine fingierte Sprechsituation handelt, wäre die Tatsache, dass es keine abschließenden Gliederungssignale gibt, da die sprechenden Figuren meist mitten im Satz unterbrochen werden oder eine direkte Frage an ihren Gesprächspartner stellen, daher nicht auf Bestätigung oder Zustimmung warten. Es wurden auch nur wenige Interjektionen gefunden, was eventuell darauf zurückzuführen ist, dass Michael Meier, der Zeichner und Gestalter der gesamten Graphic Novel, den Ausdruck und die Emotionen in den 40

Gesichtsausdruck und die Körperhaltung der sprechenden Figur zu legen versucht, sodass der Rezipient bewusst seine Aufmerksamkeit auf Text und Bild richten muss, damit ein ganzheitliches Erfassen/Verstehen ermöglicht wird, denn in der gesprochenen Sprache wird durch Akustik, Mimik und Gestik ein hohes Maß an Anschlussfähigkeit und Verständnis gewährleistet; dies muss in der Verschriftlichung kompensiert werden (vgl. Hein 2008; 5). Korrektursignale, Abtönungspartikel und klassische turn-taking-Signale konnten in dem speziellen Beispiel nicht gefunden werden, da der Text wahrscheinlich, zumindest was diese Gesprächswörter angeht, doch zu sehr in der Schriftsprache konzipiert ist. Weiters wird die Mündlichkeit des Textes durch Groß-, Klein- und Fettschreibung von Worten ausgedrückt, da den Worten der sprechenden Figur Emotionen zugesprochen werden 27 . Abschließend wird festgehalten, dass bei der Darstellung von redesprachlichen Elementen im Text meist die Imitation und Simulation von Mündlichkeit im Vordergrund steht (vgl. Blank; XIIIf.) und daher Anakoluthe, Kongruenz-Schwächen, Kontaminationen und dgl., die Kennzeichen der Oralität darstellen, weitestgehend bereits in der Planung des Textes ausgeschlossen werden.

04.02. Graphische Erzählstrategien

Der Begriff „Graphische Erzählstrategien“ wurde durch Michael Wittmann (1994; 42ff) geprägt und meint die Möglichkeiten der räumlichen Darstellung von zeitlichen Abläufen mit den Mitteln der Bild- und Seitengestaltung. In diesem Kapitel wird nun auf Panels, das Bild, die sprachlichen Zeichen (spezifische Formen des Textes) und die Text-Bild-Kombination und ihre Besonderheiten hinsichtlich der Graphic Novel eingegangen.

04.02.01. Das Panel Eigens für die Comic-Forschung wurde der Begriff „Panelologie“ eingeführt, die Lehre von den Panels, wobei der Begriff auch generell für die Forschung am Comic als Medium und Kunstform verstanden werden kann (vgl. Fuchs/Reitberger 1978; 256). Sie beschäftigt sich mit der positivistischen Aufarbeitung von Fakten. Die Panelologie ist seit den 50er Jahren nicht mehr ausschließlich auf dem pädagogischen Gebiet tätig, sondern nähert sich auch an literaturwissenschaftliche Beobachtungen an (vgl. Fuchs/Reitberger 1978; 256).

27 Für genauere Ausführung zur Verwendung der Schrift für den Ausdruck von Emotionen siehe Kapitel 04.02.04.04. Onomatopöien. 41

Das Panel bezeichnet ein Einzelbild in einer Sequenz, wobei ein Comic-Strip zum Beispiel eine Sequenz von 3-4 Panels haben kann (vgl. Platthaus 2008; 23). Platthaus (2008) hält den Begriff des Panels für unnötig, da sich seines Erachtens nach Bild und Panel gleichen. Diese Meinung kann hier jedoch nicht vertreten werden, da Panel der spezifische Ausdruck für ein Einzelbild in einer Bildabfolge ist, speziell in der Comic-Forschung Gebrauch findet, wodurch es sich beispielsweise von den bildenden Künsten unterscheidet. Die Panelstrukturierung kann auch als „grafischer Zyklus“ (Neuerburg 1976; 8) bezeichnet werden, und Neuerburg (1976) definiert diesen Begriff in ihrer Dissertation über grafische Zyklen im deutschen Expressionismus wie folgt:

„Graphischer Zyklus“ ist der Gattungsbegriff für eine Großform, in der von einem einzelnen Künstler ein bestimmtes Thema über die Fixierung und Begrenzung im einzelnen graphischen Blatt hinaus auf eine Reihe von Darstellungen ausgeweitet wird und über eine Zustandsschilderung hinaus entweder Anlässe und Entwicklungen, d.h. Abläufe in der Zeit, systematische Zusammenhänge, die vielfältige Komplexität gegenständlicher Erscheinungen oder Variationsmöglichkeiten deutlich werden. Der graphische Zyklus, der nur sukzessiv in der Abfolge der Blätter erfasst werden kann, rückt damit in die Nähe des Buches, das sich dem Leser ebenfalls erst während der Lektüre nach und nach erschließt. (Neuerburg 1976; 8f.)

Panels werden meist in Zeilen gruppiert, woraus sich eine ziegelmauerartige Aufteilung der Seite ergibt. Ein relativ starres Raster dieser Aufteilung wird als angenehm lesbar und ästhetisch gesehen, wobei speziell in Graphic Novels und Mangas diese Rasterstrukturen aufgebrochen werden. Prinzipiell kann der Künstler – speziell in Monographien – frei über Anzahl und Optik der Panels entscheiden, außer es gibt Vorschreibungen des Publikationsmediums, beispielsweise bei täglich oder wöchentlich erscheinenden Comicstrips in Zeitschriften und Zeitungen. Die räumliche

Abbildung 5: McCloud 2007; 32. Anordnung der Panels ermöglicht auch ein unmittelbares Nebeneinander der Gegenwart und der Vergangenheit (vgl. International Reading Association 2008).

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Weiters gibt es noch Splash-Panels, das sind Einzelbilder, die eine ungewöhnliche Größe haben, eine halbe Seite bis zu einer Seite einnehmen. Es kann unterschieden werden zwischen Opening-Splash und Interior-Splash: Ein Opening-Splash wird zu Beginn des Comics eingesetzt, da er durch seine Größe dem Leser Auskunft über den Handlungsort und die vorherrschende Stimmung bzw. auch Informationen über den Titel und Autor geben kann, ähnlich dem Establishing Shot (Panoramaansicht) im Film (vgl. Platthaus 2008; 23). Ein Interior-Splash tritt erst im Verlauf der Geschichte auf und kennzeichnet meist einen dramaturgischen Höhepunkt, der eine aufwendigere Darstellung benötigt, oder er soll einfach dem Leser die Besonderheit dieser Szene vermitteln. Ein Panel beispielweise, das größer ist als die anderen, kann auch als Splash-Panel bezeichnet werden. Bei den Graphic Novels wäre jedoch auch ein Finish-Splash oder End-Splash 28 zu vermerken, da diese häufig damit enden. Sie bieten einen Ausklang der Geschichte, einen großen Überblick über den letzten Schauplatz der Erzählung, wie bei dem Ende eines Films. Panels werden herkömmlicherweise durch Rahmen, „frames“, von anderen Panels abgegrenzt. Diese Rahmen haben meist eine rechteckige Form, wobei diese natürlich aus kreativen und informativen Gründen geändert werden kann. Ein Panel in der Form einer Wolke kann auf einen Traum oder eine Rückblende hinweisen, ein Panel mit gezacktem Rand kann Wut oder Schock ausdrücken und Panels ganz ohne Rahmen werden genutzt, um Raum besser darzustellen. Weiters können Panels auch von Gegenständen umrandet sein, beispielsweise von einer Tür oder dem Rahmen von Ferngläsern – diese Ansicht vermittelt dem Leser die Vorstellung er würde selbst durch das Fernglas sehen.

28 Die Begriffe Finish-Splash bzw. End-Splash sind in der Literatur nicht zu finden und daher von der Verfasserin für diese Arbeit eingeführt worden. 43

Abbildung 6: Meier, Michael/Oskar Panizza (2009): Die Menschenfabrik. Frei nacherzählt und illustriert von Michael Meier. Kassel: Rotopolpress, S. 22.

Ein weiteres Mittel der Panelgestaltung ist das „abgeschnittene Bild“, „bleed“, welches häufig als Buchcover verwendet wird (vgl. International Reading Association 2008). Es gibt keine Begrenzung durch einen Rahmen, das Bild läuft eigentlich über die Seitenränder hin aus. Diese Technik wird auch bei Panels im Verlauf der Geschichte verwendet, um Raum oder Bewegung besser zur Geltung zu bringen.

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Der schmale Freiraum zwischen den Panels heißt „gutter“. Hierin geschieht, laut Platthaus (2008; 32) „[d]as meiste“. In den Panels selbst sind nur die Momente der Handlung festgehalten, alles Weitere liegt in der Imagination des Lesers. Der Übergang zwischen den Panels erfüllt „sowohl eine syntaktische als auch eine semantische Funktion“, und erst durch „die Begrenzung der einzelnen Darstellungen“ werden diese als solche „erkenn- und lesbar“ (Platthaus 2008; 32). Der Zeitsprung bzw. der Ortswechsel zwischen den Panels bedeutet also, dass der Betrachter durch „Leerraum oder Trennlinie […] zur Ergänzung der Abbildung in der Vorstellung“ angehalten wird und „schließlich, daß [sic!] die Repräsentation von Zeitlichkeit, Räumlichkeit und Objektwelt sowohl im Rahmen des Panels als auch darüber hinaus im Rahmen des Strips insgesamt zur Repräsentation einer fragmentierten Kontinuität zusammengesetzt“ (Hein 2002; 55) ist, diese wiederum stellt die Handlung dar. Es liegt also am Rezipienten, die Lücken des „Nicht-Gezeigten“ zu schließen. Besonders in Graphic Novels gibt es eine Vielzahl an unterschiedlich gestalteten Panels, guttern und frames innerhalb einer Geschichte.

04.02.02. Das Bild 29 Über „das Bild“ gibt es unzählige Bücher sowie wissenschaftliche Abhandlungen, speziell in der Kunsthistorie und der aktuellen Kunstbeschreibung. Hier soll jedoch auf das Bild als Teil einer „Bildgeschichte“ eingegangen werden, wobei der historische Kontext bzw. die Entwicklungs- und Entstehungsgeschichte vorerst weggelassen wird. Grünewald nennt vier konstitutive Aspekte „für das Bild des Prinzips Bildgeschichte“ (Grünewald 2010; 20f): Erstens ist das Bild „statisch“, „d.h. es handelt sich um ein zwei- oder dreidimensionales, im Raum präsentiertes, unbewegliches starres, gestaltetes Bild, das simultan bzw. im visuellen Abtasten von Fixpunkten […] rezipiert wird“ (Grünewald 2010; 20f). Dadurch grenzen sich Bildgeschichten von den bewegten Bildern der kinetischen Kunst ab. Zweitens beschreibt er das Bild als „narrativ“: „[D]as Motiv des Bildes erschöpft sich nicht in seiner Darstellung, sondern impliziert stets auch einen erzählerischen Aspekt. Es verweist auf einen Prozess […], der im Verweis auf ein Davor und Danach einen ausgewählten Augenblick eines inneren und/oder äußeren Bewegungsprozesses vorstellt“ (Grünewald 2010; 21). Die Codes des Bildes, darstellender und emotionaler Code, besitzen „keinen Selbstwert“, sondern „dienen der Narration“ (Grünewald 2010; 21). Weiters tritt der

29 Es wird hier – abweichend von der Meinung von Dittmar (2008; 68) u.a. – bewusst Panel und Bild in eigenen Kapiteln abgehandelt, da Panel und das einzelne Bild in diesem Zusammenhang nicht als das gleiche verstanden werden, da Panel den Rahmen des Bildes und das Bild als gemeinsame Einheit bezeichnet. 45 dramaturgische Code hinzu, der narrative Spannungen produzieren und auflösen kann, eventuelle „Verknüpfungen anbahnt“, „Sprecher und seine Rede inhaltlich wie intonierend[,] z.B. durch Sprechblasen[,] ausweist, Geräusche visualisiert oder mittels Indices den Eindruck von Befindlichkeiten oder Bewegung (z. B. durch Speedlines[30 ]) unterstützt“ (Grünewald 2010; 21). Als dritten Punkt nennt Grünewald (2010; 21) den „Bausteincharakter des Bildes“: Er meint das Bild habe keinen „in sich ruhenden Eigenwert“, es sei ein „Element eines“ sich selbst „überschreitenden zeitlichen Prozesses“ (Grünewald 2010; 21). Zuletzt erwähnt er ein Merkmal, das bereits in Kapitel 03.07.01. Was ist eine Graphic Novel? angesprochen wurde, nämlich, dass das Bild eine „intendierte Aussage“ eigenständig trägt, „fakultatives Beiwerk“ ist und sich damit „von der einem Text beigefügten Illustration“ abhebt – „Das Bild ist obligatorisch und autonom“ (Grünewald 2010; 21). Es gilt nun festzuhalten, dass all diese Aspekte fixe Konstanten sind, die jedoch in sich variiert werden können. Beispielsweise kann die Erzähldramaturgie mit Prolepsen, Analepsen oder linear agieren, kann auf unterschiedlichsten Erzählebenen basieren, wie auf der diegetischen sowie metadiegetischen Erzählebene, und kann einen homodiegetischen, heterodiegetisch oder autodiegetischen Erzähler wählen. Die einzelnen Bilder werden also erst mit der Imagination des Lesers, der die unterschiedlichen Handlungsstränge und Geschehnisse verbindet, zu einer Geschichte. Bereits im Kapitel 04.02.01. Das Panel konnte festgestellt werden, dass Geschichten als Zyklen zu behandeln sind. Der Künstler muss die Bilder, die für seine Geschichte von besonderer Bedeutung sind, geschickt auswählen und Zwischenräume und Sprünge ausfüllen, damit der durchgehende Handlungsstrang der Geschichte nicht verloren geht. „Die inhaltlich und prozessual zusammenhängende Bildfolge ist also konstitutiv für das Prinzip Bildgeschichte“ (Grünewald 2010; 24/siehe auch Krafft 1978; 13). Mayer und Goethe schreiben 1798 dazu:

Der Künstler, welcher es übernimmt, eine Geschichte als Zyklus zu behandeln, oder, um so zu sagen, uns eine Erzählung vor Augen zu stellen, muss zu seinen Bildern die bedeutendsten und für die Darstellung bequemsten Punkte derselben auszusuchen wissen. Die Natur seiner Kunst, welche auf Darstellung einzelner Momente eingeschränkt ist, zwingt ihn Sprünge zu machen, darum muss er achtgeben, dass die Zwischenräume sich unvermerkt ausfüllen, er muss alles Weitläufige vermeiden und sich sorgfältig hüten, die eigentliche Folge, oder den

30 Speedlines sind Bewegungslinien, die hohe Geschwindigkeit anzeigen. 46

durchgehenden Faden der Geschichte zu unterbrechen, der Held sei in jedem Bilde die Hauptfigur, oder wo das nicht angeht, doch eine der Hauptfiguren, und werde überall leicht wiedererkannt. (Zitiert nach Busch/Beyrodt 1982; 71)

Um die Anmerkung Goethes und Mayers umzusetzen, nennt Grünewald (2010; 26) drei Möglichkeiten der Bildfolge, die dem Prinzip der Bildgeschichte zur Verfügung stehen: 1.) Die „weite“ Bildfolge: Bei der weiten Bildfolge liegt zwischen den Einzelbildern relativ viel Zeit, daher muss das einzelne Bild sehr genau betrachtet werden, da es eine große Autonomie besitzt und meist sehr detailreich gestaltet wurde (vgl. Grünewald 2010; 26/vgl. auch Grünewald 2000; 31f). Oft wird auf das Vorwissen bzw. das Weltwissen des Rezipienten gesetzt oder es helfen Untertexte beim Verständnis (vgl. Grünewald 2010; 26/vgl. auch Grünewald 2000; 31f). 2.) Die „enge“ Bildfolge: Bei der engen Bildfolge vergeht von Panel zu Panel relativ wenig Zeit, oft werden die Panels durch das Element Bewegung oder durch Übergangselemente – wie ein von einem Panel zum anderen springender Ball oder eine Hand, die nach einem Gegenstand greift, miteinander verbunden (vgl. Grünewald 2010; 26/vgl. auch Grünewald 2000; 32), die Grenzen werden „zur Dramatisierung des Dargestellten aufgebrochen“ (Dittmar 2008; 65). Die rasche Bildfolge verleitet den Leser zum raschen Fortschreiten mit der Geschichte, und das einzelne Bild hat daher ein geringeres Maß an Autonomie (vgl. Grünewald 2010; 26/vgl. auch Grünewald 2000; 32). 3.) Die Mischform: Die Mischform ist, wie der Name bereits verrät, eine Mischung aus der weiten und engen Bildfolge und daher die erzählerisch ergiebigste. Diese Variante wird meist bei längeren Erzählungen, wie bei den Graphic Novels verwendet, da es viele Verknüpfungsmöglichkeiten – Montagen, Parallelitäten, Einschübe – eröffnet und das „Timing“ (Eisner 1995; 27ff.), den Rhythmus der Geschichte variieren lässt (vgl. Grünewald 2010; 26). Abschließend kann festgehalten werden, dass die Bildgeschichte von dramaturgischen Faktoren abhängig ist, wobei vom Künstler der durchgehende Faden durch die spezielle Auswahl der Bilder nicht unterbrochen werden soll, er sich jedoch wiederum der verschiedenen Möglichkeiten der Bildfolge bedienen kann, um dem Rezipienten Abwechslung, Spannung und Pointen zu bieten.

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04.02.03. Sprachliche Zeichen – Text Als Texte versteht man im Comic die verbalen Elemente, die ausschließlich in textlichen Zeichen vorkommen. In Anlehnung an Hünig (1974; 221) und Wienhöfer (1979; 69f) können folgende Kategorien unterschieden werden 31 :

04.02.03.01. Das Titelemblem Meistens der Titel einer Comic-Geschichte oder einer Episode, wobei die Namen der Autoren und Zeichner angeführt sein können. Es kann inhaltliche Angaben zum jeweiligen Comic machen und dient als Eröffnungs- und Erkennungssignal (vgl. Wienhöfer 1979; 69).

04.02.03.02. Erzähltexte und Rezitative (Blocktexte) Unter ihnen versteht man Reportagen, Erzählungen, Berichte oder, wie meistens üblich, Kommentare des (meist) fiktiven Erzählers, die jeweils in Form von Rechtecken innerhalb eines Panels in eine Handlung bzw. einen Ort einführen, einen Teil der Erzählung übernehmen, beispielsweise genaue Beschreibungen von Gegenständen oder Stimmungen, oder temporale Ereignisse, wie Gleichzeitigkeit oder Zeitsprünge, präzisieren (vgl. Wienhöfer 1979; 69). Sie können über, unter, in oder neben den Panels stehen und übernehmen laut Wienhöfer (1979; 69) den „epischen Teil der Narration“, wobei die Stellung des Blocktextes unterschiedliche Funktionen erfüllt. In Paul Austers Stadt aus Glas, siehe Abbildung 7, steht der Blocktext meist am oberen bzw. am unteren Panelrand und gibt dem fiktiven Adressaten Informationen eines fiktiven Erzählers. Der Blocktext gibt in diesem Fall Informationen über den geistigen Zustand der Figur, Informationen, die in den Sprechblasen nicht dargestellt werden. In Michael Meiers Adaption Die Menschenfabrik ist der fiktiv-personale Erzähler aus dem Blocktext gleichzeitig die erzählte Figur, wodurch es sich um einen autodiegetischen Erzähler handelt.

31 Wienhöfer (1979; 69f.) kommt auf sieben Kategorien, wobei die Kategorie „Grapheme“, als „bedeutungshaltige Zeichen verschiedener Typen, die sich auf Begriffssequenzen beziehen“ (Wienhöfer 1979; 70) hier nicht berücksichtigt wird, da Grapheme nicht aus textlichen Elementen bestehen. 48

Abbildung 7: Karasik, Paul & David Massuchelli (2006): Paul Austers Stadt aus Glas. Nach dem Roman von Paul Auster. Mit einem Vorwort von Art Spiegelman. Berlin: Reprodukt, S. 103.

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In Abbildung 8, aus Die Menschenfabrik , gibt der fiktiv-personale Erzähler im Blocktext einen Parallelkommentar zum bildlich Dargestellten und gibt weiters Informationen über den Gemütszustand der erzähl ten Figur , die ungehindert ihren Dialog weiterführen kann .

Abbildung 8: Meier /Panizza 2009; 25.

Angelehnt an Kahrma nn/Reiß und Schluchter (1996; 45ff) , auch umgesetzt bei Dauphin (1992; 46), lassen sich in Bezug auf diese Beispiel e zwei Kommunikationsniveaus , die hier miteinander kombiniert sind, feststellen: 50

- Kommunikationsniveau N1 ist die Kommunikation der Comic-Figuren untereinander: Die Ebene der erzählten Figuren. - Kommunikationsniveau N2 ist die Kommunikation zwischen fiktivem Erzähler und fiktivem Adressaten: Die Ebene der erzählenden Figuren. Schematisch könnte dies, nach Dauphin (1996; 47), wie in Tabelle 5 dargestellt werden:

Tabelle 5: Kommunikationsniveaus nach Kahrmann/Reiß/Schluchter Kommunikationsniveau N1: S1 Nachricht E1 Erzählte (sendende) Figur Sprechblase erzählte (empfangende) Figur

Kommunikationsniveau N2: S2 Nachricht E2 Fiktiver Erzähler Panel/Blocktext fiktiver Adressat

Da sich jedoch in den beiden Graphic Novels (Die Menschenfabrik und Stadt auf Glas ) das herkömmliche Schema nicht anwenden lässt, müsste es für diese beiden Fälle etwa wie in Tabelle 6 aussehen:

Tabelle 6: angepasstes Kommunikationsniveau Kommunikationsniveau N1: Kommunikationsniveau N2:

S1 Erzählte (sendende) Figur = S2 Fiktiver Erzähler Nachricht/Sprechblase Nachricht /Panel Blocktext E1 erzählte (empfangende) Figur S2 fiktiver Adressat

Die erzählte Figur ist gleichzeitig der fiktive Erzähler, wobei die einzelnen Zuschreibungen zu den Kommunikationsniveaus beibehalten werden: Die „Sender- bzw. Empfängerrolle[]“ der erzählten Figur bleibt im Verlauf der Figurenkommunikation variabel, und der fiktive Erzähler bildet „in seiner Eigenschaft als erzählende Figur die erzählten Figuren auf N1“ (Kahrmann/Reiß/Schluchter 1996; 45f). Dieses Modell ist wieder auf die Problematik zurückzuführen, die bereits in Kapitel 03.04.02. Anteil des Literarischen in Michael Meiers Literaturadaption „Die Menschenfabrik“ aufgegriffen wurde – das Problem der Ich-Erzählung im Original. Durch doppelperspektivische Darstellung wird zwischen erlebendem Subjekt und erinnerndem/erzählendem Subjekt gewechselt.

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04.02.03.03. Sprechblasentexte 32 Bereits im Mittelalter ließen Künstler ihre Figuren in Spruchbänder sprechen oder schrieben Texte auf deren Hände. Die Sprechblase, wie wir sie heute kennen, verbreitete sich um 1800 in der englischen Karikatur, und bekannte Zeichner, wie Thomas Rowlandson und James Gillray, machten davon Gebrauch (vgl. Knigge 2009; 8). Doch erst Richard Felton Outcault (1863-1928) mit seinem Mickey Dougan, Yellow Kid brachte diese Art der Kommunikation in den Bereich des Comics, indem er erst die Texte auf das Nachthemd seiner Hauptfigur schrieb; später artikulierte sich Mickey durch Sprechblasen (vgl. Knigge 2009; 8). In Europa wurde die Sprechblase erst viel später eingesetzt, sie wurde anfänglich sogar aus nachgedruckten Comics aus Amerika entfernt und durch Untertitelung der Panels – wie in den klassischen Bildgeschichten – ersetzt (vgl. Knigge 2009; 8). Erst mit den Serien Zig et Puce (ab 1925) von Alain Saint-Ogan und Hergés Les Aventures de Tintin (ab 1929) gewann die Sprechblase auch in Europa an Popularität (vgl. Knigge 2009; 8). Eine Definition der Sprechblase bietet Wiesing (2008): Die Sprechblase ist ein „Ballon mit weißem Grund“ mit einer bestehenden „Verbindung zur Figur durch ein Ventil“ worin (normalerweise) in „gewöhnliche[r] Schrift in waagerechten Linien“ (Wiesing 2008; 26) geschrieben wird. Friederike Wienhöfer (1979) beschreibt die Form der Sprechblasen auch als den „sichtbar ausströmenden Atem eines Sprechers“ (Wienhöfer 1979; 87), der, je nach Zeichner, in Form, Größe und Layout variiert. Durch den ausströmenden Luftstrom verweist die Blase „von sich aus auf Sprache und Metasprache“ und damit auf ihren „indexikalischen Bezug“ (Wienhöfer 1979; 87). Wie bei den Panels können auch die Sprechblasen verschiedene Formen, wie Wolken oder eine gezackte Form, aufweisen und drücken damit Emotionen oder Rückblenden aus, wobei die gezackte Form einer Blase auch auf die Erzeugung durch ein Gerät (Radio, Fernseher, usw.) hinweisen kann (vgl. International Reading Association 2008). Weiters wird unterschieden zwischen externen Dialogen, diese wären eine Konversation zwischen Charakteren, wobei die Sprechblasen zum Sprecher hin ein Ventil haben, und inneren Monologen, die Denkblasen genannt werden und meist durch kleine Kreise aufsteigend zur Blase gekennzeichnet sind (vgl. International Reading Association 2008). Die Beschriftung der Sprechblasen nennt man Lettering, wobei das Schriftbild Auskunft über den Gemütszustand des jeweiligen Charakters geben kann. „Je mehr artikulatorische Energie zur Produktion der Laute benötigt wird, umso fetter, zackiger wird die Blase“, so Wienhöfer

32 Wienhöfers (1979; 69) Bezeichnung dieser Kategorie als „Dialogtexte“ erweist sich als problematisch, da sie in ihrer anschließenden Aufzählung keine Abgrenzung der Monologe von den Dialogen aufweist. 52

(1979; 90). Üblicherweise werden die Textblasen entsprechend der vorherrschenden Leserichtung – im indogermanischen Sprachraum von links nach rechts und von oben nach unten – angeordnet, wobei bei mehrfacher Rede und Gegenrede die Reihenfolge durch Überschneidungen und zusammenhängende Sprechblasen deutlich gemacht werden kann, die Blasen fungieren daher als Indices und verstärken „die Vorstellung von Prozeßablauf [sic!] und Zeit“ (Wienhöfer 1979; 88). Aus phänomenologischer Sicht verbindet Wiesing (2008; 30) die Verwendung von Sprechblasen mit einem Realitätseffekt, denn erst die Sprechblase gibt den Charakteren eines Comics eine Realität, die diese sonst so nicht hätten. Er meint, dass die Sprechblase den Anwesenheitsstatus der Comic-Figur verändert, „indem sie […] nicht als eine Interpretation der sichtbaren Welt, sondern als phantomhaft-anwesende Wesen in einer physikfreien Welt behandelt“ (Wiesing 2008; 30) werden. Die sprechende Figur wird durch die Sprechblase „nicht als Zeichen für etwas Abwesendes“ behandelt, sondern als, „im Bild artifiziell“ (Wiesing 2008; 31) anwesende, zum Sprechen gebrachte Figur. Wichtig hierbei ist jedoch die Schrift in der Sprechblase, denn es handelt sich nicht um ein Bild von Schrift, sondern um einen realen Gegenstand. Wiesing (2008; 32) geht soweit, dass er das Einfügen von Sprechblasen in ein Panel als Collage bezeichnet, da Bilder, in denen reale Gegenstände, in diesem Fall die Schrift, verarbeitet sind, als solche bezeichnet werden. Er beschreibt die Schrift in der Sprechblase als real, weil sie, ähnlich dem normalen Buchdruck, in parallelen und waagerechten Linien verläuft, es wird also „ in ein Bild reale Schrift eingefügt“ (Wiesing 2008; 32). Im Unterschied hierzu kann die „gezeigte Schrift“ genannt werden, darunter fallen Aufschriften und Beschriftungen, wie sie in Punkt 04.02.03.05. Aufschriften und Beschriftungen ausgeführt sind. Wiesings Theorie würde auch die Tatsache stützen, dass die Schwierigkeit bei Comic- Übersetzungen darin besteht, den Sprechblasentext, nebst den Onomatopoetika, so auszutauschen, dass dieser das Bild als Einheit nicht stört, und er verifiziert weiterhin die Theorie, dass Sprechblasen als Collagen behandelt werden können. Es gilt abschließend festzuhalten, dass Schrift in den Sprechblasen deshalb als real gilt, weil sie der Norm des Buchdrucks gleicht und nicht durch ein weiteres Medium, wie Spruchband, T-Shirt (bei Yellow Kid ), Banner oder Ähnliches, getragen wird.

04.02.03.04. Onomatopöien Der Begriff „Onomatopöie“ stammt aus den griechischen Wörtern „onoma“ und „poëin“ und bedeutet wörtlich übersetzt „Namen schaffen“. Man versteht darunter „expressive“ und 53

„schallnachahmende Phonemfolgen“ (Wienhöfer 1979; 69), wie sprachliche Imitation von Geräuschen stimmlicher Natur (Schreien, Lachen, Schnarchen etc.) und auditiv wahrnehmbare Vorgänge (Tierlaute, Gegenstands- und Bewegungsgeräusche). In der kultivierten Sprache werden sie jedoch meist vermieden und auch in der Literatur nur in einigen wenigen Beispielen (Wolfgang Borchert Draußen vor der Tür , James Joyce Ulysses ) eingesetzt (vgl. Havlik 1981; 8). Das Problem der Onomatopoetika besteht darin, dass es nicht um ihre akustisch perfekte Nachahmung, sondern um ihre Verschriftlichung geht – daher ist jede Onomatopöie nur eine grobe Kopie der akustischen Realität (vgl. Havlik 1981; 8). Es gibt zwei große Gruppen von Onomatopöien – die eigentlichen und die umschreibenden Onomatopöien: Die eigentlichen Onomatopoetika versuchen ein Geräusch oder einen Laut möglichst originalgetreu zu imitieren, ungeachtet sprachlicher Konventionen: IIIEEEHHH, PSSSSSCHT usw., wohingegen umschreibende Onomatopoetika den Wortstamm von laut- bzw. geräuscherzeugenden Verben (KLIRR, ZISCH, SURR, …) und Verben, bei denen der Zusammenhang mit dem Geräusch gegeben ist (HACK, SPRITZ, RUTSCH,…) benützen (vgl. Havlik 1981; 38). Oft ist die Einteilung in umschreibende und eigentliche Onomatopöien nicht durchführbar, da beispielsweise „Ausrufe- und Empfindungswörter einerseits zum konventionellen Wortschatz“ gezählt werden, andererseits „durchaus lautimitierend“ (Havlik 1981; 39) sind (OH, JUHU, AUWEH,…). Interjektionen sieht Havlik als Grenzfälle (vgl. Havlik 1981; 38f). Onomatopoetika bieten weiters eine Verkürzung bei der Wiedergabe von Ereignissen und Abläufen, – eine besprechend-propositionale Beschreibung würde erheblich mehr Zeit und vor allem Platz beanspruchen –, daher rührt auch die Kritik der sprachlichen Verarmung. Jedoch erfordern genau die Onomatopoetika eine „hohe Aktivität von Seiten des Rezipienten“ (Bierbach 2007; 375), da der Leser durch die Entschlüsselung der „Codes“ (der Onomatopoetika) aktiv am jeweiligen Comic mitwirkt (vgl. Bierbach 2007; 375f). Ästhetisch werden sie meist mit besonderen Schriften realisiert, wobei die Art der Schrift unwesentlich ist, solange „der Zusammenhang zwischen dem geschriebenen Sprachzeichen und dessen phonetischer Bedeutung“ (Havlik 1981; 11) verstanden wird. Beispielsweise haben sich in den deutschen Comics CRASH, BANG, VOOM, SPLASH, usw. als Lehnwörter aus dem englischsprachigen Raum etabliert, da es schwierig ist, die in das Bild integrierten Wörter abzuändern. Dies bringt Probleme mit sich: Da Comics meist von Kindern gelesen werden, die meist noch nicht so viele Erfahrungen mit Fremdsprachen haben, sind ihnen diese Begriffe nicht gegenwärtig und sie beherrschen deren

54 richtige Aussprache nicht (v gl. Havlik 1981; 11f) . Die Aussprache ist bei englischsprachigen Ausdrücken eventuell noch eher nachvollziehbar als beispielweise bei französischen. Hier kommt es dann zu einer Abstraktion des lautimitierenden Wortes, da das Kind das Wort nicht akustisch nachvollzieht; Es stellt sich j edoch ein Wiedererkennungswert ein , da der Rezipient erkennt, in welchen Situationen welche Onomatopöien verwendet werden und was damit ausgedrückt werden soll (v gl. Havlik 1981; 11f) . Havlik (1981) konstatiert w eiters, dass es einen Regelapparat zur Buchstabenfolge und zur grafischen Gestaltung gibt, der zu Eigengesetzlichkeiten führt. Begonnen wird mit den Eigengesetz lichkeiten der Buchstabenfolge: a.) Es werden Doppel- und Mehrfachbuchstaben oder – buchstabengruppen einges etzt, die als Zeitfaktor wirken; sie sollen den Eindruck der Dauer vermitteln (vgl. Havlik 1981; 17ff) : „WAAAS?“, „EEOOOEEEEEEOOOOO…“ (Sirenen) (Kreitz 2005; 13, Panel 7) usw.

Abbildung 9: Kreitz , Isabel (2005): Die Entdeckung der Currywurst. Hamburg: Carlsen, S. 13, Panel 7.

b.) Abgehackte Laute oder Geräusche werden durch Silbentrennung ausgedrückt und können sich über zwei oder mehrere Bilder erstrecken: RAT -TAT-TAT, HAA- TSCHIII usw. (vgl. Havlik 1981; 17ff). c.) Zusammengesetzte Onomatopoetika können zusammenhängend oder getrennt geschrieben werden: RUCK -ZUCK, SPLISH-SPLASH usw. (vgl. Havlik 1981; 17ff). d.) Buchstabengruppen lassen sich auch voneinander isolieren, wobei Affixe unterschie den werden: Präfixe K -, KA-, FA-, die meist ein mit Gewalt verbundenes Geräusch einleiten; Infixe –DI, -BE-, die meist zwei themati sch zusammengehörige Geräuschwörter verbinden und Suffixe –ASH, steht für Zerstörung und –OING für elastisches Zurückfedern (vgl. Havlik 1981; 17ff).

55

e.) Interpunktion kommt bei Onomatopoetika weniger häufig vor. Mehrere Punkte bedeuten, dass ein Laut oder Ger äusch fortdauert oder ausklingt. Der Bindestrich wird eingesetzt zur Silbentrennung, Worttrennung oder zum Abbruch einer Onomatopöie. Das Fragezeichen und der A postroph kommen nur selten vor (v gl. Havlik 1981; 17ff). Als zweiter Punkt werden nun die Eigengesetzlichkeiten der grafischen Gestaltung nach Havlik (1981; 21ff ) aufgelistet :

Abbildung 10: McCloud 2007 ; 147.

a.) Die Lautstärke wird durch die Buchstabengröße wiedergegeben, wobei dies bei sich nähernden bzw. entfernen den Geräuschen am deutlichsten zu erk ennen ist (vgl. Havlik 1981; 21ff). b.) Der Ort des Gegenstandes und der Ort des Geräusches sind meistens ident und die Onomatopoetika können dem Gegenstand in Gestalt, Richtung und Dauer angepasst sein (vgl. Havlik 1981; 2 1ff). c.) Die grafische Gestaltung kann auch die Aussage und den Inhalt der Onomatopöie n verstärken oder unterstützen (vgl. Havlik 1981; 21ff). d.) Die Färbung der La utmalereien erfolgt willkürlich (vgl. Havlik 1981; 21ff). e.) Onomatopoetika in Sprechblasen geben „Laute, Ausrufe und imitierte Geräusche wieder, nicht jedoch Geräusche selbst“ (Havlik 1981; 21). Dies stimmt zwar im 56

Beispiel aus Havliks Buch (1981; 23): – Der Junge aus Abbildung 11 zielt mit einer unechten Pistole und macht das Geräusch BANG –, trifft jedoch nicht für Kreitzs Graphic Novel Die Entdeckung der Currywurst (2005; 23, Panel 6: Abbildung 12) zu. Die Frau zieht ihre Nase mit dem Geräusch SNIFF hoch, sie macht hier keine verbale Aussage, sondern gibt ein Geräusch von sich.

Abbildung 11: Quino (1971): Malfalda hat immer recht. Abbildung 12: Kreitz 2005; 23, Panel 6. Bärmeier & Nikel: Frankfurt/Main. f.) Onomatopoetika werden fast ausschließlich in Großbuchstaben geschrieben (vgl. Havlik 1981; 21ff). Generell kann festgehalten werden, dass Onomatopoetika in den Graphic Novels weniger häufig vertreten sind als in klassischen Comics, und speziell in dieser Arbeit, die sich ausschließlich mit Literaturadaptionen auseinandersetzt, sind die Beispiele dafür sehr gering, was wiederum auf die spärliche Verwendung von Onomatopoetika in der Literatur zurückzuführen ist, wie bereits zu Beginn des Kapitels angeführt.

Kleiner sprachwissenschaftlicher Exkurs: Sind Onomatopöien Wörter? Den Versuch der Analyse von Onomatopöien gibt es schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts, er war jedoch nicht sehr umfangreich und lässt einige Behauptungen ohne nähere Erklärungen im Raum stehen. So konstatiert Brück (1971), dass „Päng“-Worte, wie er Onomatopoetika zu bezeichnen pflegt, keine richtigen Worte sind, erklärt jedoch nicht, warum er zu dieser Annahme kommt:

In der [„Päng“-]Sprache existieren lautmalende Wörter als Verben (bimmeln, klingeln) oder andere Wortarten; die Päng-‚Worte‘ sind jedoch nicht einmal Worte, sie lassen sich keiner Kategorie zuordnen. Ebensowenig [sic!] kann man sie als ‚Sprachverstümmelung‘ abtun: abgesehen davon, daß [sic!] die Mehrzahl der ‚Pängworte‘ keine sprachliche Entsprechung haben (wie Z.B. bimm – bimmeln), läßt [sic!] sich die unmittelbare Darstellung akustischer

57

Vorgänge durch visuelle Zeichen wohl kaum mit den Mitteln der Sprachanalyse erfassen. (Brück 1971, XIV f.)

Havlik (1981) hingegen versucht über die linguistische Definition des Begriffs Wort – Ein „gesprochene[r] oder geschriebene[r] Ausdruck“ wird nur dann als „Sprachzeichen (Wort)“ bezeichnet, „wenn er aus einem Zeichenkörper mit bestimmter im Sprachsystem vorgegebener Bedeutung besteht und auf einen in der Realität existierenden außersprachlichen Sachverhalt verweist“ (Havlik 1981; 39) – zu erklären, dass Onomatopoetika in diesem Sinn keine Wörter sein können, da sie mit „ihrem Zeichenkörper ungeachtet irgendwelcher Konventionen ein Geräusch nachahmen“, keine vorgegebene Bedeutung haben und daher streng genommen keine vollständigen Zeichen und daher keine Wörter sind. Weiters versucht Havlik (1981) die Grundeigenschaften der Wörter, nämlich Arbitrarität und Linearität, den Onomatopöien zuzuschreiben. Die Arbitrarität bezeichnet die Beziehung zwischen dem Bezeichnenden (Signifikant, Lautbild) und dem Bezeichneten (Signifikat), woraus zu schließen wäre, dass sich bei Onomatopoetika aus der bloßen Lautfolge von Wörtern

Abbildung 13: Schrier, Fred (1947 ): „kein Zusammenhang mit dem bezeichneten Bubble Blowers. In: Lexikon der Onomatopöien. Die lautimitierenden Sachverhalt“ (Havlik 1981; 39) ergibt. Bei eigentlichen Wörter im Comic. Von Ernst J. Havlik Onomatopoetika besteht jedoch dieser Zusammenhang (1981). Frankfurt/Main: Fricke, S. 42. zwischen Sachverhalt (die akustische Erscheinung) und Zeichenkörper durch die phonetische Arbitrarität. Dadurch wird die Arbitrarität der Onomatopöien deutlich eingeschränkt. Zum Beispiel ist es nicht möglich, die Ausdrücke DONG für einen Glockenschlag und PFFT für ausströmendes Gas miteinander zu tauschen, dies wäre nicht realitätskonform. Die Linearität der Wörter, „der örtlich und zeitlich lineare Verlauf der Zeichenkörper“ (Havlik 1981; 40), ist bei Onomatopöien nur bei den einzelnen Zeichenkörpern gegeben, da selten lineare Anordnungen von mehreren lautsprachlichen Zeichen gegeben sind. Die Zeichen sind i. d. R. über die Bildfläche verteilt, können aber auch als Stilmittel linear dargestellt werden. Diese These von Havlik basiert rein auf dem Zeichenmodell von Ferdinand de Saussure (1857-1913). Eine Theorie, die auf Charles Sanders Peirces (1839-1914) Modell 58

zurückgeht, ist bei Keller (1995) und, bezugnehmend darauf, bei Bierbach (2007) zu finden, wobei sie von Symptomen 33 , Ikonen und Symbolen ausgehen (vgl. Bierbach 2007; 360). Sie setzen voraus, dass Geräusche Symptome sind, die sich, wenn sie imitiert werden, von ihrer Ursache trennen, daher wieder mental mit der Ursache in Beziehung gesetzt werden können und so zu Ikonen werden. Die Ikonizität 34 wird bei Bierbach durch den „Umwandlungsprozess von Symptomen in Ikonen“ (Bierbach 2007; 360) ausgedrückt, wobei diese erst durch einen Sender in Gang gesetzt werden müssen, der beim Empfänger eine Assoziation auslösen möchte, daher können laut Bierbach Onomatopoetika als Ikone verstanden werden, da der Leser mit dem Geräusch PENG einen Schuss assoziiert und dieser daher zu einem Ikon wird (vgl. Bierbach 2007; 360). Weiters konstatieren die beiden, dass bei vielfacher Wiederholung eines Ikons, unter gleichbleibenden Bedingungen, das Ikon zu einem Symbol werden kann: Das heißt, dass Onomatopoetika als symbolische Sprachzeichen „eine (relativ) stabile Zuordnung von Lautformen und Interpretationen der Lautform“ (Bierbach 2007; 361) haben. Das hat zur Folge, dass Onomatopoetika in Wörterbücher aufgenommen werden, wobei die interkulturell-sprachlichen Differenzen in der Anlegung der Onomatopoetika zu Problemen führen können. Onomatopoetika sind also nach den beiden Modellen von Saussure und Peirce mehr oder weniger als Wörter zu bezeichnen, da sie sehr wohl gewisse Eigenschaften mit denen von Wörtern teilen. Einerseits ähneln sie Wörtern durch ihre phonetische Arbitrarität oder ihre „Symbolizität“, die ihnen den Eingang in Wörterbücher, worin sie mit Wörtern gleichgestellt sind, ermöglicht, andererseits divergiert ihre Beschaffenheit auf der sprachlich-interkulturellen Ebene, wobei nicht zwingend ein Onomatopoetikon mit der „in einem Wörterbuch angegebenen Bedeutung[…]“ (Bierbach 2007; 362) verknüpft werden muss – „zzz“ kann beispielsweise auf das Summen eines Insekts oder auf das Schnarchen eines Charakters verweisen: Wird auf diese Vielfältigkeit im Wörterbuch nicht verwiesen, ist die ganze Darstellung der Onomatopoetika unter dem Modell Peirces fraglich, da eine ganzheitliche Erfassung all ihrer Bedeutungen unmöglich scheint. 35

33 Symptome nennt Bierbach als die heute gängige Terminologie für die indexikalischen Zeichen. Zu Symptomen siehe Nöth (2000; 189a-b). 34 Laut Keller (1995; 162) wird von „Ikonifizierung“ gesprochen, wenn ein anderer Zeichentyp zu einem Ikon wird. 35 Ein weiterer sehr interessanter Diskurs zu Onomatopoetika und Ideophone kann bei Wienhöfer (1979; 158ff) nachgelesen werden. 59

04.02.03.05. Aufschriften und Beschriftungen Es handelt sich hierbei um Schriften an innerhalb der Zeichnung repräsentierten Objekten (Plakate, Kleidung, Verpackung, Türschilder etc.) oder Namen von Orten, wie Flughäfen, Kinos, Cafés, öffentlichen Einrichtungen etc. Sie können auf temporale-historische und lokale Bezüge verweisen (vgl. Wienhöfer 1979; 70).

04.02.03.06. Editorials Dies sind „erzählungsunabhängige fremde Zusätze des Herausgebers“ (Wienhöfer 1979; 70) bzw. des Autors, wie The End, Ende, Fortsetzung folgt, 2. Folge etc. die nicht direkt zur Comic-Erzählung selbst gehörend.

04.03. Text-Bild-Kombination

Bereits in der Antike gab es Bilderzählungen, die mit Schrift kombiniert wurden: Ägyptische Totenbücher verschränken Bildzeichen und Hieroglyphen miteinander, griechische Vasenmalereien präsentieren Helden durch Untertitelung, auf dem um 1080 gestickten Wandteppich von Bayeux wird mit lateinischen Obertiteln die Invasion Englands geschildert und auch in heutigen Kirchen können Bilderzählungen in Form von Portalreliefs, Glasmalereien und Wandfresken besichtigt werden (vgl. Strobel 1993; 378). Dies dient nur als historischer Beleg für die ersten Fundstücke von Text und Bild in Kombination, für weitere historische Entwicklungen siehe Kapitel 02. Historischer Hintergrund. Comics widersprechen hinsichtlich ihrer Funktion von Text und Bild ästhetischen Vorstellungen von bildender oder literarischer Kunst (vgl. Fuchs 1978; 54). In den einzelnen Panels werden den Textelementen und den bildhaften Elementen unterschiedliche Bereiche zugeordnet: Der Textbereich besteht aus drei Teilen, nämlich aus der Sprechblase (siehe Kapitel 04.02.03.03.), der Denkblase (siehe ebenfalls Kapitel 04.02.03.03.) und dem Blocktext (siehe Kapitel 04.02.03.02.), wobei dieser auch einen ganzen Panel für sich einnehmen kann, wobei dann von einem „Textfeld“ gesprochen wird (vgl. Strobel 1993; 382). Wird der Blasentext – die Goten sprechen in Asterix Fraktur, Schriftgröße drückt Lautstärke aus – oder die graphische Gestaltung der Blase – Flüsterton kann durch eine gestrichelt umrandete Sprechblase dargestellt werden – individuell gestaltet, gewinnt der Text selbst bildhafte Qualität bzw. „der Rahmen, in dem sich der Text befindet, Bildqualität“ (Strobel 1993; 383). Es kann aber auch der Text selbst zum integrativen Teil des Bildes werden,

60 beispielsweise durch Onomatopöien (siehe Kapitel 04.02.03.04.), die Schrift verlässt das Textfeld und steht frei im Panel. Breithaupt (2002; 37) nennt für das bildliche Erzählen, wobei er meint, dass erst die Folge von Bildern eine Narration aktiviert, drei Elemente des Comics, die bereits im 18. Jahrhundert benannt wurden: 1.) „Die Notwendigkeit, die Narration ohne vorherige Kenntnisse allein aus den Bildern ableiten zu können“ (Breithaupt 2002; 41). Der Leser muss dazu fähig sein, die Handlung und die handelnden Personen aus dem Kontext heraus zu erkennen, da es keine traditionelle Einleitung gibt. 2.) „[D]ie Zeichenwerdung der bildlichen Elemente, und genauer; ein Über-das-Bild- Hinausweisen aller Teile“ (Breithaupt 2002; 41). In manchen Bildern kommen Elemente vor, die für diese eine Sequenz keine Signifikanz haben, jedoch im Fortlauf der Narration sehr wohl von Bedeutung sind. 3.) „[D]ie Ungewißheit [sic!], was in einem Bild zu einem Zeichen wird, was als Indiz fungiert und was in die Irre führt; […] die Einführung der Ungewißheit [sic!] als Spannungsstifter“ (Breithaupt 2002; 41). Breithaupt (2002; 37) versteht unter Indizes Bildelemente, die erst im Fortlauf der Geschichte Signifikanz erhalten, die der Leser jedoch nicht gleich erkennt bzw. erkennen kann und nur durch aufmerksames Lesen erschlossen werden, sodass eine Art Spannungsaufbau geschieht. Breithaupt (2002) geht dabei auf die Eigenheiten von Zeichen und Sprache, die es innerhalb eines Bildes geben kann, ein, wohingegen Scott McCloud (2007; 130) sieben verschiedene Arten, wie Text und Bild miteinander verbunden werden können, nennt:

Textlastig: Das Bild dient nur zur Illustration, da jegliche Art von Information vom Text übermittelt wird. Der Text kann durch Verdichtung komplexe Sachverhalte und große Zeitspannen in einigen wenigen Worten ausdrücken, wodurch der

Bildgestaltung ein größerer Freiraum geboten Abbildung 14: McCloud 2007; 140. wird (vgl. McCloud 2007; 131ff).

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Bildlastig: Der Text dient lediglich zur Herausarbeitung einzelner Aspekte, die wesentlichen Informationen übermittelt das Bild. Da das Medium Comic ein genuin bildliches ist, kann es über mehrere Panels hinweg ohne Text auskommen, wohingegen textlastige Sequenzen nicht auf Bilder verzichten können, da es sich sonst um Prosa Abbildung 15: McCloud 2007 ; 140. handelt (vgl. McCloud 2007; 134).

Dopplung von Bild und Text: Bild und Text vermitteln die gleichen Informationen. Diese

Form der Darstellung wird meist vermieden, da sie redundant ist, außer in Sachcomics (z.B.: Notfallpläne, Verhaltensregeln bei Gefahr etc.), bei deren Inhalten maximale Klarheit von hoher Wichtigkeit ist, und in Abbildung 16: McCloud 2007 ; 140. Kinderbüchern (vgl. McCloud 2007; 135).

Überschneidung von Bild und Text: Teile der Informationen werden von Text und Bild übermittelt, andere jeweils von einem Teil alleine. Diese Art der Text-Bild -Kombination kann dem Comic interessante Blickwinkel oder Details hinzufügen, wobei das Verständnis für den Leser trotz der

Weglassung einer der beiden Teile noch stets Abbildung 17: McCloud 2007 ; 140. gegeben wäre (vgl. McCloud 2007; 136).

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Verschränkung von Bild und Text (Korrelativ) 36 : Sie vermitteln gemeinsam

Information, die sie alleine nicht übermitteln könnten. Hier wäre die Weglassung einer der beiden Teile nicht möglich, da die Information verloren gehen würde (z.B. Lügen) (vgl. McCloud 2007; 137). Abbildung 18: McCloud 2007 ; 140.

Parallele: Text und Bild geben eigenständige Informationen. Sie werden als praktisches und ästhetisches Mittel verwendet, um zum Beispiel Übergänge von Szene zu Szene eleganter zu gestalten (vgl. McCloud 2007; 138).

Abbildung 19 : McCloud 2007; 140.

Montage 37 : Der Text ist Bestandteil des Bildes. Worte oder Buchstaben werden in

verbildlichter Form in Bilder eingearbeitet, wobei Onomatopoetika für diese Kategorie als Grenzgänger gelten (vgl. McCloud 2007; 139).

Abbildung 20: McCloud 2007 ; 140.

36 Harvey (1996) U nterteilt die Verschränkung von Bild und Text in drei weitere Unterpunkte Juxtaposition, Blending und Balance, die hier nur zur Vollständigkeit angeführt werden, jedoch im Kontext dieser Arbeit nicht weiter beachtet werden. 37 Schüwer (2008; 450) lässt in seiner Aufzählung der „Wort -Bild-Interaktionen im Einzelpanel“, nach McCloud (2007) und Harvey (1996), die Form der Montage weg, da diese Interkation nicht auf der Bedeutungsebene sondern auf der grafischen Ebene stattfindet. Weiters konstatiert er, dass d ie Montage „in Kombination mit jeder der anderen Formen der Interaktion auftreten kann, während diese sich gegenseitig ausschließen“ (Schüwer 2008; 451). Im Rahmen dieser Arbeit wird diese Art der Form jedoch der Vollständigkeit angeführt, da die Montage s onst in keinem Kapitel aufgegriffen wird. 63

McClouds (2007) Text-Bild-Kombinationen sind alle in der in dieser Arbeit analysierten Graphic Novel zu finden, wobei hier klar gegen Dittmars (2008) Aussage

Bilder dominieren über Sprache und Text: Wenn die Informationen, die in Bildern und begleitenden Texten vermittelt werden, nicht übereinstimmen oder sich widersprechen, bleiben zumeist die Bilder in Erinnerung, während der begleitende Text nicht erinnert wird. (Dittmar 2008; 67) plädiert werden kann, da speziell in der Graphic Novel viele Inhalte durch das Bild allein nicht dargestellt werden können, da es sich hauptsächlich um einen Dialog zwischen den Hauptfiguren handelt. Der Leser würde aus dem reinen Bildinput zu wenige Informationen über das tatsächliche Geschehen bekommen. Laut Fuchs und Reitberger (1978) ermöglicht erst die Vereinigung von konkretem Bild und abstraktem Text, die Anforderung an das Schrift- und Bildverständnis des Menschen, die „Kombination des Konkreten mit dem Abstrakten“ (Fuchs/Reitberger 1978; 55) zu erfüllen, wodurch ein Sinnverständnis der Welt, wie es auch im Alltag erlebt wird zustande kommt. Schüwer (2008; 457) weist in diesem Zusammenhang noch einmal auf die Bedeutung der Freiräume zwischen den Panels, den guttern, hin, wobei der „Grad der Freiheit und der Kombinationsleistung, die dem Leser hier zugemutet wird“ sehr unterschiedlich ist. Krafft (1978; 122) beschreibt auch, dass die Stellung des Textes im Bild, die Reihenfolge des Lesens beeinflusst. Steht der Blocktext beispielsweise in der linken oberen Ecke, dann wäre die Leserichtung Text-Bild anzuwenden, steht der Text aber in der unteren rechten Ecke, dann wäre die Reihenfolge Bild-Text anzuwenden. Daraus lässt sich schließen, dass „die Anordnung von Text und Bild im Panel die Textstruktur mitbestimmt“ (Krafft 1978; 122). Zusammenfassend kann gesagt werden, dass „[b]eide Zeichensysteme […] unabhängige und verschiedene Informationswerte“ haben, „die sich bei simultaner Ausstrahlung bzw. Projektion zu einer neuen Super-Struktur integrieren und einen völlig neuen Mitteilungsmodus bilden“ (Heimann 1963; 76). Pforte (1972; 334) spricht hier auch von einer „Synechie (Verwachsung) von Wort und Bildergeschichte“.

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05. Empirische Vorgehensweise – Material und Methode

Nach der theoretischen Einleitung zu den Hintergründen und strukturellen Formaten von Graphic Novels und Comics sollen nun anhand von verschiedenen Methoden zwei Hypothesen verifiziert werden. Mit der ersten Hypothese soll bewiesen werden, dass in handlungsreichen Passagen Bild und Text proportional zueinander ansteigen. Die derzeitige wissenschaftliche Meinung geht davon aus, dass in handlungsreichen Passagen der bildliche Anteil überwiegt. In der zweiten Hypothese soll anhand des SMOG-Tests gezeigt werden, dass die Lesbarkeit von Graphic Novels nicht auf dem Niveau von Comics anzusiedeln, sondern auf der Skala des SMOG-Tests höher einzustufen ist.

05.01. Hypothese 1 – Wort-Panel Verhältnis

Die erste These, die untersucht werden soll, ist die Annahme, dass das Verhältnis der Anzahl der Wörter pro Seite mit der Anzahl der Panels pro Seite mehr oder weniger kongruent verläuft: Das heißt, dass auf mehr bzw. kompaktere Handlung zu schließen ist, wenn viel Text bzw. viele Bilder pro Seite abgebildet sind, wobei das „Tempo“ – hiermit wäre die Bilddichte gemeint, die den Leser dazu anhält, schneller in der Erzählung fortzuschreiten, bzw. die Textdichte, die dem Leser viele Informationen gibt, die bildlich eventuell nicht dargestellt werden können oder den Umfang der ganzen Graphic Novel sprengen würden – eine entscheidende Rolle spielen könnte.

05.01.01. Methode Für die erste Hypothese wurde in Microsoft Excel eine Datenbank erstellt, in die der Text der Originalliteratur und der Text der Graphic Novel eingegeben wurde. Die beiden Texte wurden tabellarisch so nebeneinander gestellt, dass der Text innerhalb eines Panels in einer Zeile stand und direkt mit dem Text aus dem Original, der in einer anschließenden Spalte eingegeben wurde, verglichen werden konnte. Neben der textuellen Ebene wurden auch Sprecherwechsel vermerkt und ganz seltene Unterschiede in der Wortwahl markiert. Weiters wurden angegebene Seitenzahlen festgehalten, sodass speziell bei der Graphic Novel auf einen Blick sichtbar wurde, wie viel Text ungefähr auf einer Seite verarbeitet wurde. Neben der Angabe zur Seitenanzahl wurde auch eine Angabe zum Panel gemacht, sodass auch der Textanteil pro Panel übersichtlicher dargestellt werden konnte und die manuelle Auswertung

65 erleichterte. Die Textüberlappung wurde, nachdem die Textteile wortwörtlich übernommen worden waren, anschließend anhand einer einfachen Schlussrechnung berechnet. Nachdem eine statistische Auswertung der Panels pro Seite und der Wörter pro Panels pro Seite bereits vorgenommen worden war, konnte dies leicht graphisch dargestellt werden, wie es in Kapitel 05.01.02. Analyse zu sehen sein wird.

05.01.02. Analyse Beim Vergleich des Textes der Originalliteratur „Die Menschenfabrik“ von Oskar Panizza (1984) mit dem der Comicadaption von Michael Meier (2009) konnte aufgrund manueller Auswertung festgestellt werden, dass die Novelle 6145 Wörter umfasst und die Graphic Novel 3266 Wörter, woraus mit Hilfe einer Schlussrechnung berechnet werden konnte, dass rund 53% des Gesamttextes übernommen wurden. Weiters wurde festgestellt, dass die Dialogteile fast gänzlich übernommen wurden und die erzählenden Elemente bzw. die Kommentare des Autors meist weggelassen bzw. bildlich dargestellt wurden. Laut Schmitz- Emans (2012; 12) kann hier von einer offenen Bezugnahme auf die literarische Vorlage gesprochen werden, wobei der übernommene Hypotext (fast) ausnahmslos – der Schlussteil wurde abgeändert – zitiert wurde. Weiters umfasst die Graphic Novel Die Menschenfabrik auf 48 Seiten insgesamt 277 farbige Bilder – in der Graphic Novel selbst werden nur 272 Abbildungen genannt, in der vorliegenden Arbeit wird jedoch, nach mehrfacher manueller Auswertung mit 277 Bildern gerechnet – wobei ein Durchschnitt von ca. 5,75 Bildern pro Seite errechnet werden konnte. Graphisch dargestellt würde dies so aussehen, siehe Abbildung 21:

Panels/Seite 12

10

8

6 Panels/Seite Panels 4

2

0 0 10 20 30 40 50 Seite

Abbildung 21: Graphische Darstellung der Panels pro Seite 66

Die Graphik „Panels/Seite“ zeigt auf der horizontalen Achse die Seitenangabe aus der Graphic Novel und auf der vertikalen Achse die Anzahl der Panels, es soll also gesammelt die Anzahl der Panels pro Sei te dargestellt werden. Die blaue Linie zeigt die genaue Auswertung der Panels pro Seite, die manuell erhoben wurde, wobei jeweils der Punkt das exakte Ergebnis darstellt. An der Graphik kann abgelesen werden, dass eine Ab- und Zunahme der Panels gegeben ist, wobei gegen Ende hin eine deutliche Zunahme an Panels zu verzeichnen ist, was auf einen bildlichen Handlungshöhepunkt schließen lässt bzw. auf die Geschwindigkeit des „Textes“. McCloud (1994 ; 101 ) schreibt, dass Zeit durch den Inhalt des Panels, die Anzahl der Panels , durch den Übergang zwischen den Panels und durch die Form des Panels kontrolliert werden kann. Mit der Form meint McCloud (1994) speziell die Größe bzw. die Länge der einzelnen Panels, langge zogene Panels weisen auf eine längere Zeitdauer hin. Auf den Seiten 43-45 der Graphic Novel Die Menschenfabrik , Abbildung 21 und Abbildung 22, das sind die Seiten mit den meisten Panels gegen Ende der Erzählung, werden lange Panels zu mehreren Panels aufge spalten, es ist jedoch zu erkennen, dass es sich um ein und dasselbe Geschehen handelt:

Abbildung 22: Meier/Panizza 2009 ; 44, Panel 1/2/3.

Abbildung 23: Meier/Panizza 2009 ; 43, Panel 5/6.

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Diese Abfolgen zeigen, dass etwas gleichzeitig und zeitlich schnell geschieht. Auffällig sind auch die vielen kleinen Panels, die teilweise ohne Text auskommen und Nahaufnahmen von den Gesichtern der Figuren zeigen , siehe Abb ildung 23: Durch das Weltwissen ist dem Leser bewusst, dass spezielle Emotionen, wie Überraschung, Entsetzen, Enttäuschung , nur für ein paar Sekunden in den Gesichtern zu sehen sind, daher wird der Leser annehmen, dass es sich bei diesen Panels um die Darstellung eines sehr kurzen Zeitraum s handelt, und er wird dazu angehalten, schnell weiter zu lesen. Weiters werden hier Sprechblasen, daher auch Text, stark zurückgenommen, um den Fo kus auf das Bild zu Abbildung 24: Meier/Panizza 2009; 43, Panel 7/8. richten, ganz im Gegenteil zu Seite 46, Abbildung 24, wo einheitlich lange Panels gezeigt werden, in denen durch das Mittel des Zoomens der Sprecher hervortritt:

Abbildung 25: Meier/Panizza 2009; 46. 68

McCloud (1994) konstatiert zusammenfassend, dass all diese Methoden mit der gleichen grundsätzlichen Gesetzmäßigkeit des Comics arbeiten: „In learning to read comics we all learned to perceive time spatially , for in the world of comics, time and space are one and the same “ (McCloud 1994; 100). Martin Schüwer (2008) befindet diese Aussage jedoch als zu ungenau, da Zeit und Raum in der erzählten Welt 38 geschieden sind und daher auch im narrativen Diskurs unterscheidbar bleiben (vgl. Schüwer 2008; 218). Er hebt jedoch die Aussage hervor, dass Zeit vor allem in „verräumlichter Form“ ausgedrückt wird, nämlich mit dem „Arrangement von Panels auf der Seite“ (Schüwer 2008; 218). Sollten Kriterien „für die Bestimmung der zeitlichen Dauer eines Panels“ fehlen, gibt der „zweidimensionale Raum auf der Comicseite die einzigen Anhaltspunkte“ (Schüwer 2008; 218), wobei viel Raum viel Zeit bedeuten würde. So kann die „rhetorische Gestaltung des Seitenlayouts“ dazu dienen, „das timing eines Geschehens zu vermitteln“ (Schüwer 2008; 218). Weiters wurden die Wörter pro Seite erhoben, wobei große Variationen der textlichen Anteile festgestellt wurden, siehe Abbildung 26:

Wörter/Seite 250

200

150

Wörter 100 Wörter/Seite

50

0 0 10 20 30 40 50 Seite

Abbildung 26: Graphische Darstellung der Wörter pro Seite

38 Schüwer (2008; 52) geht hier auf die erzählte Zeit und Erzählzeit , also auf das Verhältnis zwischen der Zeit des Geschehens und der Zeit der Erzählung von Gerard Genette zurück. Siehe: Gérard Genette (1994): Die Erzählung. Aus d. Franz. von Andreas Knop. München: Fink. (= UTB für Wissenschaft: Literatur- und Sprachwissenschaft ) 69

Die rote Linie zeigt, manuell ausgewertet, die exakte Wortanzahl pro Seite, wobei wiederum der Punkt den exakten Wert angibt. Auch hier sind zwei deutliche Spitzen zu erkennen, eine zu Beginn des letzten Drittels, an den Seitenzahlen gemessen, und eine am Ende der Novelle. Dies kann wiederum bedeuten, dass hier entweder viel Handlung schnell vermittelt werden soll, sodass der Leser nicht zu große Lücken füllen muss oder, wie bereits bei der Graphik der Panels genannt, auf die Geschwindigkeit der Erzählung hingedeutet werden soll. Diese beiden Graphiken wurden zur deutlicheren Übersicht zuerst einzeln angeführt, damit sie dann in den direkten Vergleich gesetzt werden können, siehe Abbildung 27:

Wörter&Panels/Seite 12 250

10 200

8 150 6 Panels 100 Wörter Panels/Seite 4 Wörter/Seite 50 2

0 0 0 10 20 30 40 50 Seite

Abbildung 27: Graphische Darstellung der Wörter und Panels pro Seite

In der Graphik „Wörter&Panels/Seite“ sieht man die verhältnismäßige Verteilung von Text und Panel, wobei deutlich zu erkennen ist, dass meist der verhältnismäßige An- bzw. Abstieg von Wörtern und Panels pro Seite proportional ist. Speziell an der ersten Spitze im letzten Drittel, an der Seitenzahl gemessen, ist zu erkennen, dass die Anzahl der Wörter mit der Anzahl der Panels bzw. die Anzahl der Panels mit der Anzahl der Wörter steigt. An der zweiten Spitze lässt sich ablesen, dass der textliche Höhepunkt etwas verzögert nach dem bildlichen Höhepunkt kommt, was wiederum darauf schließen lassen könnte, dass zum Schluss noch schnell viel Inhalt sowohl auf bildlicher, als auch auf textlicher Ebene vermittelt werden muss. Weiters lässt sich daraus folgern, dass es sich hier um ein schnelleres Tempo handelt. Durch das höhere Tempo, die Bilddichte wird dem Leser beim letzten Höhepunkt 70 suggeriert, dass der Protagonist den Ort des Geschehens schnell verlassen möchte. Anschließend folgt der textliche Höhepunkt, wobei in möglichst kurzer Zeit viel wissenswerter Inhalt an den Leser vermittelt wird, wobei zu bedenken ist, dass spezielle Passagen nicht bildlich dargestellt werden können oder eine zu große Lücke zwischen den Panels entstehen würde, die der Leser unmöglich mit seinem Weltwissen schließen könnte, da durch die Größe der Lücke eine zu hohe Anzahl an Möglichkeiten des Geschichtsverlaufs gegeben wären.

Exkurs: Begründungsansatz in der Dramentheorie Die Gründe für den Anstieg der Panels und der Wörter an den beiden Spitzen könnten ihre Erklärung in der Dramentheorie finden. Es gilt nun diese Annahme exemplarisch anhand Michael Meiers Adaption Die Menschenfabrik zu verifizieren: Ott (2007) versteht unter Drama eine

lit[erarische] Textgattung, die auf einer Theaterbühne dargestellt werden kann und durch Rede bzw. Dialog der beteiligten Figuren eine Handlung unmittelbar gegenwärtig macht. Als Text verbindet das D[rama] Figurenreden (Haupttext) mit Nebentext, der diese rahmt und situiert (Sprecherbezeichnungen, Regieanweisungen u.a.) […]. (Ott 2007; 167)

Für die Graphic Novel würde das bedeuten, dass der Text auf einer Bühne dargestellt werden kann. Außerdem werden in der Graphic Novel selbst Textteile bildlich dargestellt, sodass diese Darstellung als Bühne verstanden werden könnte. Die Rede, der Dialog der beiden Figuren macht die Handlung gegenwärtig, da die zwei Figuren direkt miteinander kommunizieren, wie in Kapitel 04.01. Oralität und Literalität anhand der Gesprächswörter dargestellt und untersucht wurde. Weiters findet man in der Graphic Novel eine Art Figurenrede und Nebentext. Der Text der sprechenden Figur ist immer in der Sprechblase angegeben, der Kommentar, die Regieanweisung etc. erscheinen immer im Blocktext. Rein formal kann also angenommen werden, dass die Graphic Novel dem Drama sehr ähnlich ist. Für den Versuch einer Veranschaulichung des Aufbaus wird mit der Dramentheorie von Gustav Freytag, die er in seinem Werk Die Technik des Dramas (1863) veranschaulicht, gearbeitet. Freytag (2003; 95) entwickelt ein pyramidenförmiges Schema für den Aufbau des Dramas, wobei er es in 1.) Einleitung/Exposition, 2.) Steigende Handlung mit erregendem Moment, 3.) Höhepunkt und Peripetie, 4.) Fallende Handlung mit retardierendem Moment und 5.) Katastrophe gliedert (siehe Abbildung 25) 71

Abbildung 28: Technik des Dramas: Schema nach Freytag. URL: http://magic-point.net/fingerzeig/literaturgattungen/drama/drama- freytag/drama-freytag.html [Stand: 27.03.2013]

In der Exposition sollen die handelnden Personen, der Ort, die Zeit des Geschehens und die Zustände eingeführt werden, wobei „jedes Zerstreuende“ (Freytag 1863; 104), alles was Ablenkung hervorrufen kann, fern gehalten werden soll, sodass ein schneller Übergang mit der folgenden Szene, dem erregenden Moment, geschaffen wird (vgl. Freytag 1863; 104f.). Als nächstes folgt die Steigerung mit dem erregenden Moment, die im emotionalen Entwicklungsbogen auch „der Einführung und Hinführung des Publikums“ (Marx 2012; 2) dient, wobei sich die Situation verschärft. Damit werden die „in der Exposition aufgedeckten inneren und äußeren Bedingungen, welche die ‚bewegte Handlung‘, den dramatischen Konflikt[] auslös[en]“ (Delbrück 2007; 206), beschrieben. Anschließend erreicht die Handlung ihren Höhepunkt, auch Peripetie genannt, wobei dem Helden ein unerwartetes Glück oder Unglück widerfährt – ein Wendepunkt im Handlungsverlauf (vgl. Unger 2007; 578). Als vierten Abschnitt nennt Freytag (1863) die fallende Handlung mit retardierendem Moment, wobei die

Unterbrechung eines dramatischen oder narrativen Handlungsverlaufs durch Geschehnisse, die vorübergehend zur […] Abänderung oder sogar Umkehrung des vorgezeichneten Handlungsziels führen […]. In diesem Sinne ist das retardierende Moment […] das ‚Moment der letzten Spannung‘ (Freytag 1863; 100) (zit. nach Delbrück 2007; 648f.).

Mit anderen Worten: Die Handlung verlangsamt sich und arbeitet auf die bevorstehende Katastrophe hin. Als fünfter und letzter Abschnitt folgt die Katastrophe, dort findet „der 72 tragische Konflikt seine Lösung“ (Schweikle/Immer 2007; 377). Diese Entwicklung kann entweder zu einer Lösung der Konflikte oder zu einer Katastrophe für die handelnden Personen führen, wobei immer „in rasch fallender Handlung zum Ende des Dramas“ (Schweikle/Immer 2007; 377) geführt wird. Für die Graphic Novel bedeutet das, wenn man sich die Graphik „Wörter&Panel/Seite“ ansieht, dass die Einleitung/Exposition ungefähr in den Seiten 3 bis 9 zu finden ist. Auf der ersten Seite wird über drei Panels hinweg in ein Haus gezoomt. Auf der zweiten Seite „hört“ der Leser in dem Haus einem Arztgespräch „zu“ und bekommt bildlich zwei Figuren in Zwangsjacken zu sehen. Anschließend tritt die Hauptfigur, die vor kurzem von einem Landmann in die Klinik gebracht wurde, auf und berichtet dem Arzt von den Vorkommnissen der letzten Nacht. Zuerst sprechen der Arzt und die Hauptfigur miteinander, doch auf Seite 10 beginnt die Handlung mit einer Rückblende. Die Hauptfigur ist nicht mehr im Zimmer mit dem Arzt, sondern befindet sich zeitlich zurückversetzt in der letzten Nacht, in einer Menschenfabrik. Der Leser bekommt keine Erzählung der Geschehnisse, sondern erlebt das Geschehen im Hier und Jetzt. Diese Änderung der Perspektive deutet darauf hin, dass es sich ab Seite 10 bis ca. Seite 32 um die steigende Handlung mit erregendem Moment handelt. Ab Seite 33 spitzt sich die Handlung auf den Höhepunkt zu, die Hauptfigur lässt den Fabrikanten kaum noch zu Wort kommen und steigert sich, textuell als auch bildlich dargestellt, immer mehr in die Geschehnisse hinein. Auf Seite 45 werden die Geschehnisse für die Hauptfigur unerträglich, sie läuft aus der Fabrik und fährt mit dem Moped weg. Der Leser bekommt den Eindruck, dass die Figur dem Grauen in der Fabrik entkommen ist und wird auf Seite 46 durch ein Gespräch der Fabrikaten aus der Fabrik (Menschen) untereinander ein wenig aus dem Geschehen gerissen. Hier beginnt auch die fallende Handlung mit dem retardierenden Moment. Auf Seite 47 irrt die Hauptfigur durch die Landschaft, bis sie auf einen Landmann trifft, der sie in die Klinik bringt. Jetzt wird wieder der Schauplatz gewechselt, da sich die Hauptfigur nun wieder in der Klinik mit dem Arzt befindet, mit dem sie ganz zu Beginn der Handlung gesprochen hat. Der Arzt gibt der Figur auf Seite 48 Panel 1 einen Ratschlag, und als er das Zimmer verlässt, Panel 2, erkennt der Leser, dass es sich beim Arzt ebenfalls um eine Figur aus der Fabrik handelt, also nicht um einen echten Menschen, sondern um ein Fabrikat. Auf Panel 3 der Seite 48 beginnt nun die Katastrophe, die handelnde Figur erkennt, dass sie in eine unglückliche Situation

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gekommen ist, deren Folgen unbekannt sind. Es wird textlich ein Schrei dargestellt, der anhält, während von der Szene weg gezoomt wird.

05.01.03. Resultat Zusammenfassend ist zu bemerken, dass die Hypothese, dass Text und Bild in handlungsreichen Passagen mehr oder weniger proportional ansteigen, zu bejahen ist. Diese Annahme konnte anhand von Diagrammen dargestellt werden, die eindeutig zeigen, dass in handlungsreichen Passagen sowohl der Anteil des Textes als auch der Anteil der Bilder steigt. Weiters konnte festgestellt werden, dass in der Graphic Novel – anscheinend infolge der wortwörtlichen Übernahme des Originaltextes, der stark in der Mündlichkeit und dialogisch konzipiert ist – bestimmte Eigenschaften von Romanen/Dramen aufgegriffen werden, wie es anhand der Dramentheorie nach Freytag (1863) mit den Einteilungen in Exposition, Komplikation, Peripetie, Retardation und Katastrophe gezeigt werden konnte. Der Aktwechsel nach Freytag (1863) kann ungefähr mit der proportionalen Zunahme von Bild und Text in Verbindung gebracht werden, sodass Höhepunkte bzw. das Geschehnis ändernde Momente offensichtlich zu erkennen sind. Generell können diese Strukturen nicht ganz genau durch die Seitenzahlen abgegrenzt werden, es reicht jedoch hier für die Veranschaulichung, da aufgezeigt werden soll, dass bereits anhand der Zunahme von Text und Bild die Handlung vorangetrieben wird und bei dichter Betextung bzw. hoher Bilddichte meist wichtige Momente in der Handlung dargestellt werden, die mit der Dramentheorie Freytags (1863) veranschaulicht werden können. Somit kann Dittmars (2008) Aussage, dass „[j]eder Roman […] auch als Comic erzählt werden“ kann, zumindest für das hier angeführte Beispiel, bestätigt werden, da sich „die formale Struktur von Comics […] dabei natürlich auf die Darstellung von Schwerpunkten“ (Dittmar 2008; 49) auswirkt. Fuchs und Reitberger (1978; 143) wiesen auch darauf hin, dass „Comics aufgrund ihrer Ausrichtung auf dialogische Texte dem Theater näherstehen als etwa dem Roman“ (Dittmar 2008; 99), wobei diese Aussage durch den Vergleich mit der Dramentheorie bestätigt werden konnte. Dazu konnte auch noch das Tempo der einzelnen Passagen im Graphic Novel festgestellt werden: Viele Panels pro Seite verweisen auf ein schnelles Tempo, da die einzelnen Panels meist kleiner und daher weniger detailreich gestaltet werden und so den Leser anhalten, schneller mit der Geschichte fortzufahren. Interessant wäre hier nun eine quantitativere Auswertung, um einen besseren Vergleich in einem größeren Korpus anstellen zu können. 74

Als Nebenkommentar kann hier festgehalten werden, dass Kunzles (1973; 2) Annahme, dass Bilder die größere Bedeutung „für den Transport der Erzählung tragen“ und daher „das primäre Erkennungsmerkmal des Comics sind“ (Dittmar 2008; 47) hiermit widerlegt wurde, da aus der statistischen Auswertung eindeutig klar hervorgeht, dass Bild und Text in bestimmten Passagen proportional zueinander ansteigen und Text und Bild, über die ganze Graphic Novel gesehen, sehr ausgeglichen sind. Vielleicht kann dies als weiterer Unterschied zwischen dem Format der Graphic Novel und den Comics gesehen werden, wobei zur genaueren Auswertung ein quantitativeres Korpus nötig wäre.

05.02. Hypothese 2 – Lesbarkeitsindex

Zumeist wird behauptet, dass der Comic Schundliteratur bzw. sehr einfach zu lesende Literatur sei. Um den unterschiedlichen Schwierigkeitsgrad von Texten quantifizieren zu können, kann man die Komplexität von Texten anhand von verschiedenen Lesbarkeitsformeln messbar und damit miteinander vergleichbar machen (vgl. Sanchez-Stockhammer 2012; 60). Meist werden dabei die Schwierigkeit der Wörter und die Schwierigkeit der Sätze „durch Zählung der Wörter pro Satz“ (Sanchez-Stockhammer 2012; 60) gemessen, wobei ein Satz als mit einem Punkt, Ausrufezeichen oder Fragezeichen endende Einheit verstanden wird (vgl. Sanchez-Stockhammer 2012; 60). Satzlänge ist jedoch nicht zwingend ein Indikator für hohe Komplexität des Satzes, so Perera (1983; 270-272), wenn beispielsweise ein markierter Satzbau vorliegt, Parataxen mit gleich langen Hypotaxen verglichen werden, und auch Ellipsen werden durch ihre Satzkürze nicht einfacher, da bestimmte Informationen erst durch den Leser ergänzt werden müssen (vgl. Sanchez-Stockhammer 2012; 60). McLaughlin (1969; 640) behauptet jedoch, dass Satzlänge einer der linguistischen Maßstäbe ist, „welche die größte Vorhersagbarkeit für den von Probanden empfundenen Schwierigkeitsgrad von Texten haben“ (Sanchez-Stockhammer 2012; 60), da lange Sätze fast immer komplexe grammatische Strukturen enthalten und somit das Erinnerungsvermögen des Lesers stärker beanspruchen (vgl. McLaughlin 1969; 640). McLaughlin (1969: 640) stellt weiters fest, dass auch die Wortlänge einer der linguistischen Maßstäbe mit „der größten Vorhersagbarkeit für den Schwierigkeitsgrad von Texten“ sei (Sanchez-Stockhammer 2012; 60). Diese kann entweder durch die Anzahl der Buchstaben pro Wort oder durch die Anzahl der Silben pro Wort gemessen werden, wobei natürlich längere Wörter schwerer zu lesen sind als kurze Wörter. Bei der zweiten Hypothese gilt es zu beweisen, dass sich Literaturadaptionen in Form von Graphic Novels hinsichtlich ihrer Satzlänge und ihres Lesbarkeitsindexes sehr wohl von

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„herkömmlichen“ Comics unterscheiden und daher klassischer Literatur, hinsichtlich ihrer Lesbarkeit, näher stehen.

05.02.01. Methode Die Auswertung erfolgt wieder exemplarisch anhand Oskar Panizzas Die Menschenfabrik und wird mithilfe des SMOG, Simple Measure of Gobbledygook, einer Lesbarkeitsformel, welche die Jahre an Bildung, die benötigt werden, um einen bestimmten Text zu verstehen, schätzt, durchgeführt (vgl. McLaughlin 2012). Diese Formel wurde von G. Harry McLaughlin im Jahr 1969 entwickelt, und es kann über dessen Internettool 39 automatisch ein Lesbarkeitsindex ermittelt werden, wobei einfach der zu ermittelnde Text mit Copy und Paste auf der Homepage eingefügt werden kann. 40 Der SMOG wird durch die Anzahl der Sätze im Text (wobei mindestens 30 Sätze, 10 vom Beginn des Textes, 10 aus der Mitte und 10 vom Ende des Textes, verwendet werden müssen) und die Anzahl von drei oder mehrsilbigen Wörtern berechnet (vgl. McLaughlin 2009), indem die beiden Faktoren in diese Formel 41 eingesetzt werden:

30 grade = .1 0430 number of polysyllab les ⋅ ( ) + .3 1291 number of sentences

Das Ergebnis entspricht, wie bereits erwähnt, der Anzahl der benötigten Schuljahre, um den Text verstehen zu können (vgl. McLaughlin 1969; 639). Der SMOG-Grad weist eine Korrelation von 0.985 mit den Noten der Leser auf, die die Texte zu hundert Prozent verstanden haben, wobei die Standardabweichung der geschätzten Schuljahre bei 1,5159 Noten liegt (vgl. McLaughlin 2012). Es wäre also anzunehmen, dass der SMOG-Lesbarkeitsindex wie bei Sanchez- Stockhammers (2012; 68) Untersuchung von Comics auch bei Literaturadaptionen in Form von Graphic Novels die niedrigste Stufe, also das low-literate Niveau, erreichen würde (siehe Tabelle 7).

39 Von McLaughlins Homepage http://www.harrymclaughlin.com/SMOG.htm [Stand: 07.01.2013] wird man weitergeleitet zur Internetseite http://www.online-utility.org/english/readability_test_and_improve.jsp [Stand: 07.02.1013], wo der Lesbarkeitsindex berechnet werden kann. 40 Es ist darauf hinzuweisen, dass der SMOG-Index prinzipiell für englischsprachige Texte konzipiert wurde. Welke (1972; 52) hat seine bearbeiteten Comics manuell ausgewertet und kam auf einen Durchschnittswert von 6,5 Wörtern pro Satz. Sanchez-Stockhammer (2012; 67) kommt mit dem SMOG-Index auf eine durchschnittliche Satzlänge von 6,28 Wörter, wobei sie mit englischen Comics arbeitete. Es wird hier davon ausgegangen, dass sich der SMOG-Index auch für deutsche Texte eignet. 41 Die in der Arbeit angeführte Formel ist generalisiert für mehr als 30 Sätze. Zitiert von McLaughlin 2012. 76

Tabelle 7: SMOG-Lesbarkeitsindex 42 SMOG Grade Educational Level Example 0 – 6 low-literate Soap Opera Weekly 7 junior high school True Confessions 8 junior high school Ladies Home Journal 9 some high school Reader's Digest 10 some high school Newsweek 11 some high school Sports Illustrated 12 high school graduate Time Magazine 13 – 15 some college New York Times 16 university degree Atlantic Monthly 17 – 18 post-graduate studies Harvard Business Review 19+ post-graduate degree IRS Code

05.02.02. Analyse Für das Beispiel der Graphic Novel wurden nicht nur 30 Sätze insgesamt für den SMOG- Index herangezogen, sondern die Auswertungen beziehen sich auf den gesamten Text, der manuell von der Graphic Novel in eine Word Datei übertragen wurde. Auch die Anzahl der Wörter wurde, wie bereits in Kapitel 05.01.01. Methode angemerkt, manuell ausgewertet. Nach der Berechnung des SMOG-Index 43 liegt der SMOG-Lesbarkeitswert für Oscar Panizzas Literaturadaption Die Menschenfabrik erstaunlicherweise bei 10,02 und ist daher dem Niveau some high school , also dem Niveau eines Oberstufen-Gymnasiums zuzuordnen, wobei im Vergleich Reader‘s Digest „nur“ auf Stufe 9 steht.

Tabelle 8: SMOG-Index für Michael Meiers Die Menschenfabrik Wörter Sätze Wörter Wörter SMOG pro Satz > 3 Silben Index Die 3266 308 10.37 448 10,02 Menschenfabrik

42 Stewart, Paul/Clark Barrow (2007): Readability. URL: http://red6747.pbworks.com/w/page/8522988/Readability [Stand: 07.01.2013] 43 Der SMOG-Index wurde über die beiden Internettools www.wordscount.info [Stand: 09.01.2013] und http://www.online-utility.org/english/readability_test_and_improve.jsp [Stand: 07.02.1013] berechnet. 77

Sanchez-Stockhammer (2012) erklärt den niedrigen SMOG-Index der Comics damit, dass „sehr lange Sätze nicht mehr in die Sprechblasen passen würden und entweder die Textlastigkeit auf ein unästhetisches Maß erhöhen würden oder die Notwendigkeit schaffen würden, Sätze über mehrere Bilder aufzuspalten“ (Sanchez-Stockhammer 2012; 68). Einerseits hat Sanchez-Stockhammer (2012) echt: in der untersuchten Graphic Novel werden Sätze teilweise über mehrere Panels hinweg aufgespalten. Andererseits sind die Sprechblasen dementsprechend größer gestaltet, es kann also nicht daran liegen, dass lange Sätze nicht in Sprechblasen passen, denn diese können dem Textumfang angepasst werden, wodurch freilich eine höhere Textlastigkeit entsteht, die aber entgegen der Meinung von Sanchez- Stockhammer (2012) kein unästhetisches Maß erreicht. Die durchschnittliche Satzlänge bei Comics liegt laut Welke (1972; 52) bei 6,5 Wörtern für deutschsprachige Comics und bei Sanchez-Stockhammer (2012; 67) bei 6,28 Wörtern pro Satz für englischsprachige Comics. Bei der analysierten Graphic Novel wurde eine durchschnittliche Satzlänge von 10,37 Wörtern berechneten, wobei wie bei den Comics Onomatopoetika als eigene Sätze gezählt wurden; diese kommen jedoch im gesamten Text nur 6 mal vor. Bereits durch die Auswertung der durchschnittlichen Satzlänge kann bei der Literaturadaption in Form der Graphic Novel eine komplexere Satzstruktur erkannt werden. Es ist anzunehmen, dass semantische und syntaktische Schwierigkeiten des Leseverständnisses häufiger sind. Bei der Auswertung des Textes des Originals kommt es zu folgenden Ergebnissen:

Tabelle 9: SMOG-Index für Oscar Panizzas Die Menschenfabrik Wörter Sätze Wörter Wörter SMOG pro Satz > 3 Silben Index Die 6145 370 17,42 918 13,38 Menschenfabrik

Der SMOG-Lesbarkeitswert für Oscar Panizzas Die Menschenfabrik liegt bei 13,38 und ist dem Niveau some college , also dem Niveau einer Universität zuzuordnen. Vergleicht man nun den SMOG-Index der Graphic Novel mit dem SMOG-Index des Originals ist ein Gradunterschied von ca. 3 auszumachen. Weiters wird der Unterschied zwischen den Wörtern pro Satz in der Graphic Novel mit den Wörtern pro Satz im Original ersichtlich: Die Graphic Novel umfasst durchschnittlich 10,37 Wörter pro Satz, wohingegen die Erzählung 17,42 Wörter pro Satz umfasst und daher als syntaktisch komplexer gilt.

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05.02.03. Resultat Es wurde also bestätigt, dass Literaturadaptionen in Form von Graphic Novels der klassischen Literatur weitaus näher stehen als „normale“ Comics, da sie einen höheren Anspruch an den Leser stellen und komplexere Satzstrukturen sowie komplexere Wörter benutzen. Weiters wurde aufgezeigt, dass die durchschnittliche Satzlänge der Graphic Novel um einiges höher ist als bei Comics, wobei mit vorangegangenen Studien von Welke (1972) für deutschsprachige Comics und von Sanchez-Stockhammer (2012) für englischsprachige Comics verglichen wurde. Anschließend wurde die Auswertung der Graphic Novel mit der Auswertung des Textes vom Original verglichen und es wurde festgestellt, dass vor allem die Anzahl der Wörter pro Satz im Original von Oskar Panizza deutlich höher ist als in der Graphic Novel. Für das Original konnte auch ein höherer SMOG-Index errechnet werden, wobei die Differenz zwischen Graphic Novel und Comic höher ist als zwischen Graphic Novel und der Erzählung. Interessant wäre nun eine quantitativere Auswertung, um feststellen zu können, ob diese Ergebnisse auch dann noch standhalten.

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06. Schlussfolgerung

Prinzipiell gibt es literaturwissenschaftliche Comic-Forschung bereits seit Beginn der 70er Jahre, wobei jedoch erst seit Beginn des 21-sten Jahrhunderts das Forschungsgebiet auch für ein breiteres wissenschaftliches Publikum interessant wurde. Aus der Sicht der Linguistik sieht dies jedoch etwas anders aus: In den Büchern der 60er Jahre wird speziell die rudimentäre Sprache der Comics meist negativ erwähnt und behauptet, dass Comics zu einer Verdummung des Lesers führen würden. In den 70er Jahren untersucht Manfred Welke Die Sprache der Comics und versucht grobe Verstöße gegen ein sogenanntes gutes Deutsch auszumerzen. Die erste auffindbare linguistische Arbeit zu Graphic Novels wurde 2004 durch Klaus Schikowski veröffentlicht, der seine Magisterarbeit Vom Wort zum Bild. Die Umsetzung eines literarischen Textes in eine Bildergeschichte. Eine empirische Untersuchung am Beispiel von Paul Austers »Stadt aus Glas« , darüber verfasste. Leider ist diese Arbeit nicht greifbar, da die Universität Köln kein Exemplar archiviert und selbst Klaus Schikowski seine Arbeit nicht mehr digital vorliegen hat. 2009 findet erstmals ein Kolloquium zu „Die Sprache(n) der Comics“ statt, wobei verifiziert werden soll, ob es eine sprachliche Comic- Varietät gibt, wie diese aussehen könnte und ob es eine parallele Entwicklung der nationalen Gegenwartssprachen und der Sprache des Comics gibt. Nach einem kurzen Überblick über das wissenschaftliche Forschungsinteresse an Comics bzw. Graphic Novels sollen nun noch einmal alle Ergebnisse und Hypothesen, die in dieser Arbeit aufgezeigt und analysiert wurden, zusammengefasst werden. Zu Beginn der Arbeit wurden die historischen Hintergründe vom Comic bis zur Graphic Novel zusammengefasst, um aufzuzeigen, dass die Idee der Kombination von Bild und Text bereits eine lange Tradition hat. Anschließend wurde auf die bisherige Verarbeitung von Literatur und Comics in vorangegangenen wissenschaftlichen Arbeiten eingegangen, wobei speziell auf die 2012 erschienene Monographie von Schmitz-Emans Bezug genommen wurde, die sich in ihrem Werk Literatur-Comics. Adaptionen und Transformationen der Weltliteratur besonders mit der Comicadaption von klassischer Literatur beschäftigt. Bei dem Versuch einer Erklärung der Begrifflichkeit des Literatur-Comics wurde festgestellt, dass der Comic bereits von den Ursprüngen an als „literarische Erzählform“ gesehen werden konnte. Dies ließen die frühen Zeitungsstrips in Vergessenheit geraten. Schmitz-Emans (2012) erfasst mit ihrer Auffassung von Literatur-Comics sowohl Comics, die sich speziell auf einen Vorlagentext beziehen, als auch Comics, die generell auf Literatur Bezug nehmen. Sie nennt dafür drei Beispiele: 1.) Bilderzählungen, die als Hommage auf Vorgaben verschiedenster Herkunft, 80 einzelner oder mehrerer Texte, beruhen können (vgl. Schmitz-Emans 2012; 12). 2.) „Bilderzählungen über die Verfasser literarischer Texte“ (Schmitz-Emans 2012; 12). Dieser Punkt sollte jedoch breiter gefasst werden, da wegen der zunehmenden Popularität von Autobiographien im Genre der Graphic Novel auch diese literarische Gattung berücksichtigt werden sollte. 3.) „Bilderzählungen über die Entstehung und den Entstehungskontext literarischer Texte“ (Schmitz-Emans 2012; 12). Weiters wurde auf das Aufgreifen und die Verarbeitung des Comics in der Literatur hingewiesen, wobei hier unterschiedliche Arten der Adaptionen möglich sind: das ganze oder teilweise Zitieren des Hypotextes, das Paraphrasieren des Inhalts, der Verzicht auf direkte Verweise, der Versuch, das Wissen über den Hypotext zu transportieren oder zu parodieren, und das „Ausleihen“ von Handlungselementen, mit denen eine neue Geschichte gestaltet wird. In der in dieser Arbeit exemplarisch analysierten Graphic Novel nach Oskar Panizzas Die Menschenfabrik, adaptiert von Michael Meier, wird, abgesehen vom Schluss 44 , fast der ganze Text wortwörtlich übernommen. Ein Problem, das hierbei auftreten kann, ist die Form der Ich-Erzählung, da der Ich-Erzähler in die Rolle der dritten Person rücken muss, da er graphisch als Person dargestellt wird, wodurch die Lücke zwischen Leser und Erzähler größer wird, da es unmöglich scheint, die Sicht durch die Augen des Erzählers beizubehalten. Meier löst dieses Problem mithilfe einer Doppelperspektive, indem der Erzähler als erlebendes Subjekt vom Erzähler als erinnerndes Subjekt getrennt wird. Die sequentielle Darstellung der Handlung in der Graphic Novel kann bewirken, dass sie eine „Poetik der Abwesenheit“ entwickelt und einen beträchtlichen Teil im „gutter“ lässt, sodass der Leser seine Imagination einsetzen muss, um etwaige Lücken in der Darstellung zu füllen. Nach der historischen und der allgemeinen Einleitung zu Literaturadaptionen von Comics und Graphic Novels wurde, da es in der Fachliteratur derzeit keine klare Definition der Graphic Novel gibt, versucht, durch ein Summieren der Definitionen und Beschreibungsmöglichkeiten eine Beschreibung des Terms zu schaffen, wobei auch die Probleme eines Versuchs einer allgemeinen Definition aufgezeigt wurden. Da dieser Versuch nicht zu einer kurzen und prägnanten Definition geführt hat und sich die Annahmen eher aus dem Kontext ergeben, soll am besten das Kapitel 03.07 Abgrenzung zu Comics gelesen werden.

44 Das Ende der Graphic Novel ist völlig anders gelöst als das Ende des Romans. Auf diese Änderung wird in dieser Arbeit nicht näher eingegangen, da kein Vergleich angestellt werden kann. 81

Bei der Untersuchung zu Oralität und Literalität wurde anhand der Analyse von Gesprächswörtern (Sprecher-/Hörer-Signale (Kontaktsignale), hesitation phenomena (Überbrückungsphänomene), Gliederungssignale, Korrektursignale, turn-taking-Signale , Abtönungsphänomene und Interjektionen (vgl. Koch/Oesterreicher 1990, 51-76)) festgestellt, dass alle genannten Beispiele – bis auf zwei – bereits im Roman als direkte Rede verschriftlicht wurden, woraus gefolgert wird, dass sich der Autor einer literarisierten Mündlichkeit bedient. Als Beweis für die Fingiertheit der Sprechsituation spricht, dass es keine abschließenden Gliederungssignale gibt. Weiters wurde festgestellt, dass nur wenige Interjektionen gefunden wurden, woraus sich eventuell schließen lässt, dass Michael Meier, der Zeichner der Graphic Novel, die Emotionen und den Ausdruck der Figuren in deren Körperhaltung und Gesichtsausdruck gelegt hat, sodass der Rezipient seine Aufmerksamkeit bewusst auf Text und Bild richten muss. Korrektursignale, Abtönungspartikel und turn- taking-Signale sowie Anakoluthe, Kongruenz-Schwächen, Kontaminationen und dgl. konnten in der analysierten Graphic Novel nicht gefunden werden, da diese redesprachlichen Elemente wahrscheinlich bereits in der Planung des Textes ausgeschlossen wurden. Bei der Beschreibung der graphischen Erzählstrategien wurden das Panel (frames, bleed, gutter, Splash-Panels: Opening-Splash, Interior-Splash, Establishing Shot, Interior- Splash, Finish/End-Splash), das Bild (weite bzw. enge Bildfolge und deren Mischform), die sprachlichen Zeichen und die Text-Bild-Kombination (Textlastige und bildlastige Kombination, die Dopplung/die Überschneidung/die Verschränkung/die Parallelität von Bild und Text und die Montage (vgl. McCloud 2007; 131ff)) – die Leserichtung wird durch die Stellung der Texte im Bild bestimmt – berücksichtigt. Zu den sprachlichen Zeichen, dem Text, gehören nach Wienhöfer (1979; 69ff) und Hünig (1974; 221ff) das Titelemblem, der Titel des Comics, die Erzähltexte und Rezitative (Blocktexte), die Sprechblasentexte (Denkblasen, Monologe, innere Dialoge), die Onomatopöien – In der in dieser Arbeit analysierten Graphic Novel gibt es ganz wenig Onomatopoetika, was auf die spärliche Verwendung jener in der Literatur zurückzuführen ist –, die Aufschriften und Beschriftungen (Plakate, Türschilder,…) und zuletzt die Editorials (Zusätze des Herausgebers, The End, Fortsetzung folgt usw.). Im Erzähltext, im Rezitativ, in Michael Meiers Adaption von Die Menschenfabrik , ist der fiktiv-personale Erzähler gleichzeitig die erzählte Figur. Es handelt sich um einen autodiegetischen Erzähler. Anhand der Kommunikationsniveaus von Kahrmann/Reiß und Schluchter (1996; 45ff) lässt sich zeigen, dass die erzählte Figur gleichzeitig der fiktive Erzähler ist, die anderen Zuschreibungen auf den

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Kommunikationsniveaus können jedoch beibehalten werden. Die Sender und Empfängerrolle der erzählten Figuren bleibt während der Kommunikation variabel, und der fiktive Erzähler bildet die erzählten Figuren. Nach der Erläuterung der theoretischen als auch der praktischen Hintergründe von Comics und Graphic Novels wurde versucht, zwei Hypothesen zu verifizieren. Mit Hypothese eins – Das Verhältnis der Anzahl pro Wörter pro Seite mit der Anzahl der Panels pro Seite verläuft kongruent – wurde bewiesen, dass Bild und Text in handlungsreichen Passagen proportional zueinander ansteigen. Für die Verifizierung dieser Hypothese wurde eine manuelle Auswertung der Wörter pro Panel, der Panels pro Seite und der Wörter pro Seite vorgenommen und graphisch dargestellt. Die Diagramme zeigen eindeutig, dass sowohl der Anteil des Textes, als auch der Anteil der Bilder in handlungsreichen Passagen zunimmt. Diese Erkenntnis des Spannungsaufbaus wurde anhand der Dramentheorie nach Freytag (1863) mit dem Aufbau des klassischen Dramas mit den Einteilungen in Exposition, Komplikation, Peripetie, Retardation und Katastrophe verglichen. Der Aktwechsel nach Freytag (1863) kann ungefähr mit der proportionalen Zunahme von Text und Bild in Verbindung gebracht werden, wobei anzumerken ist, dass strikte Trennung, beispielweise genauer Beginn und genaues Ende der Peripetie, anhand der Seitenanzahl nicht exakt gegeben sein kann. Für diese Arbeit galt es jedoch aufzuzeigen, dass bereits anhand der Zunahme von Bild und Text die Handlung vorangetrieben wird und dass durch dichte Betextung bzw. hohe Bilddichte meist wichtige Momente der Handlung dargestellt werden, deren Auftreten mit der Dramentheorie Freytags (1863) belegt werden konnte. Weiters soll hier noch einmal festgehalten werden, dass die Annahme, dass Bilder die größere Bedeutung „für den Transport der Erzählung tragen“ und das „primäre Erkennungsmerkmal des Comics sind“ (Dittmar 2008; 47) widerlegt wurde, da die statistische Auswertung gezeigt hat, dass Text und Bild proportional zueinander ansteigen und das Verhältnis, auf die gesamte Graphic Novel bezogen, sehr ausgeglichen ist. Eventuell könnte dies als weiterer Punkt der Unterscheidung von Comics und Graphic Novels genannt werden, müsste jedoch mit einem quantitativeren Korpus ausgewertet werden. Bei der zweiten Hypothese galt zu beweisen, dass sich Literaturadaptionen in Form von Graphic Novels hinsichtlich ihrer Satzlänge und daher ihres Lesbarkeitsindexes von „normalen“ Comics unterscheiden und klassischer Literatur näher stehen. Diese Auswertung wurde mit dem SMOG-Test vorgenommen, wobei in Kapitel 05.02. Hypothese 2 - Lesbarkeitsindex kurz auf die Probleme dieses textuellen Analyseverfahren eingegangen

83 wurde. Der SMOG-Lesbarkeitswert liegt für die Graphic Novel bei 10,02, was dem Niveau eines Oberstufen-Gymnasiums entspricht, mit einer durchschnittlichen Satzlänge von 10,37 Wörtern pro Satz. Im Vergleich zu den Studien von Welke (1972: 52), der die durchschnittlichen Satzlänge von deutschsprachigen Comics mit 6,5 Wörtern pro Satz errechnet, und von Sanchez-Stockhammer (2012; 67), die die durchschnittlichen Satzlänge von englischsprachigen Comics mit 6,28 Wörtern pro Satz errechnet, wurde festgestellt, dass das Lesen der analysierten Graphic Novel wegen der komplexeren Satzstruktur mehr Schwierigkeiten im Leseverständnis mit sich bringen wird als bei einem der von Welke (1972) und Sanchez-Stockhammer (2012) ausgewerteten Comic. Der SMOG- Lesbarkeitsindex für den Originaltext von Oskar Panizza liegt bei 13,38, was dem Niveau einer Universität entspricht, mit einer durchschnittlichen Satzlänge von 17,42 Wörtern pro Satz. Beim Vergleich der beiden Ergebnisse zeigt sich, dass ein Unterschied von 3 Schuljahren festzustellen ist. Weiters ist ein deutlicher Unterschied zwischen den Wörtern pro Satz zu erkennen. Die Graphic Novel umfasst durchschnittlich 10,37 und der Originaltext 17,42 Wörter pro Satz, woraus zu schließen ist, dass die Satzstruktur im Original komplexer ist und daher eher zu Lesbarkeitsschwierigkeiten führt. Zusammenfassend gesagt, konnten beide Hypothesen verifiziert werden. Es wurde mithilfe der Berechnung der Wörter pro Satz bzw. der Auswertung des SMOG-Index sowie die Auswertung der proportionalen Zunahme von Bild und Text in handlungsstarken Passagen und ihre Ähnlichkeit mit der Dramentheorie bestätigt, dass Literaturadaptionen in Form von Graphic Novels der Literatur im klassischen Sinne weitaus näher stehen als „herkömmliche“ Comics. Alle Auswertungen in dieser Arbeit sind exemplarisch zu verstehen, da für eine umfangreichere Betrachtung ein quantitativeres Korpus herangezogen werden müsste.

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07. Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Histoire de M. Vieux Bois auf der Suche nach seiner "Geliebten". Mark Rosenfelder: Bob’s Comics Reviews. Rodolphe Töpffer. May 1999. URL: http://www.zompist.com/bob25.html [Stand: 06. 05.2012] 9 Abbildung 2: McClouds Selbstportrait aus: McCloud 1994; 36. 17 Abbildung 3: Angoulemes Festival Logo: URL: http://www.bdangouleme.com [Stand: 06.03.2013] 29 Abbildung 4: „Schematische Anordnungen verschiedener Äußerungsformen im Feld medialer und konzeptioneller Mündlichkeit/Schriftlichkeit (a = familiäres Gespräch, b = Telefongespräch, c = Privatgespräch, d = Vorstellungsgespräch, e = Zeitungsinterview, f = Predigt, g = wissenschaftlicher Vortrag, h = Leitartikel, i = Gesetztestext) (Koch/Österreicher 1994; 588) 36 Abbildung 5: McCloud 2007; 32. 42 Abbildung 6: Meier, Michael/Oskar Panizza (2009): Die Menschenfabrik. Frei nacherzählt und illustriert von Michael Meier. Kassel: Rotopolpress, S. 22. 44 Abbildung 7: Karasik, Paul & David Massuchelli (2006): Paul Austers Stadt aus Glas. Nach dem Roman von Paul Auster. Mit einem Vorwort von Art Spiegelman. Berlin: Reprodukt, S. 103. 49 Abbildung 8: Meier/Panizza 2009; 25. 50 Abbildung 9: Kreitz, Isabel (2005): Die Entdeckung der Currywurst. Hamburg: Carlsen, S. 13, Panel 7. 55 Abbildung 10: McCloud 2007; 147. 56 Abbildung 11: Quino (1971): Malfalda hat immer recht. Bärmeier & Nikel: Frankfurt/Main. 57 Abbildung 12: Kreitz 2005; 23, Panel 6. 57 Abbildung 13: Schrier, Fred (1947): Bubble Blowers. In: Lexikon der Onomatopöien. Die lautimitierenden Wörter im Comic. Von Ernst J. Havlik (1981). Frankfurt/Main: Fricke, S. 42. 58 Abbildung 14: McCloud 2007; 140. 61 Abbildung 15: McCloud 2007; 140. 62 Abbildung 16: McCloud 2007; 140. 62 Abbildung 17: McCloud 2007; 140. 62 Abbildung 18: McCloud 2007; 140. 63 Abbildung 19: McCloud 2007; 140. 63 Abbildung 20: McCloud 2007; 140. 63 Abbildung 21: Graphische Darstellung der Panels pro Seite 66 Abbildung 22: Meier/Panizza 2009; 44, Panel 1/2/3. 67 Abbildung 23: Meier/Panizza 2009; 43, Panel 5/6. 67 Abbildung 25: Meier/Panizza 2009; 46. 68 Abbildung 24: Meier/Panizza 2009; 43, Panel 7/8. 68 Abbildung 26: Graphische Darstellung der Wörter pro Seite 69 Abbildung 27: Graphische Darstellung der Wörter und Panels pro Seite 70

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Abbildung 28: Technik des Dramas: Schema nach Freytag. URL: http://magic- point.net/fingerzeig/literaturgattungen/drama/drama-freytag/drama-freytag.html [Stand: 27.03.2013] 72

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09. Anhang

09.01. Code of the Comics Magazine Association of America. Inc. 45 Adopted on October 26, 1954, the enforcement of this Code is the basis for the comic magazine industry's program of self-regulation. PREAMBLE The medium, having come of age on the American cultural scene, must measure up to its responsibilities.

Constantly improving techniques and higher standards go hand in hand with these responsibilities. To make a positive contribution to contemporary life, the industry must seek new areas for developing sound, wholesome entertainment. The people responsible for writing, drawing, printing, publishing and selling comic books have done a commendable job in the past, and have been striving toward this goal. Their record of progress and continuing improvement compares favorably with other media in the communications industry. An outstanding example is the development of comic books as a unique and effective tool for instruction and education. Comic books have also made their contributiuon in the field of letters and criticism of contemporary life. In keeping with the American tradition, the members of this industry will and must continue to work together in the future. In this same tradition, members of the industry must see to it that gains made in this medium are not lost and that violations of standards of good taste, which might tend toward corruption of the comic book as an instructive and wholesome form of entertainment, will be eliminated.

45 Der folgende Text wurde als Ganzes von Comics Magazine Association of America. Facts about Code- Approved Comics Magazines (1959). New York: The Association. URL: http://www.comicartville.com/comicscode.htm [Stand: 20.08.2012] zitiert. 93

Therefore, the Comics Magazine Association of America, Inc. has adopted this Code, and placed strong powers of enforcement in the hands of an independent Code Authority. Further, members of the Association have endorsed the purpose and spirit of this Code as a virtual instrument to the growth of the industry. To this end, they have pledged themselves to conscientiously adhere to its principles and to abide by all decisions based on the Code made by the Administrator. They are confident that this positive and forthright statement will provide an effective bulwark for the protection and enhancement of the American reading public, and that it will become a landmark in the history of self-regulation for the entire communications industry.

CODE FOR EDITORIAL MATTER General Standards Part A 1. Crimes shall never be presented in such a way as to create sympathy for the criminal, to promote distrust of the forces of law and justice, or to inspire others with a desire to imitate criminals. 2. No comics shall explicitly present the unique details and methods of a crime. 3. Policemen, judges, government officials, and respected institutions shall never be presented in such a way as to create disrespect for established authority. 4. If crime is depicted it shall be as a sordid and unpleasant activity. 5. Criminals shall not be presented so as to be rendered glamorous or to occupy a position which creates the desire for emulation. 6. In every instance good shall triumph over evil and the criminal punished for his misdeeds. 7. Scenes of excessive violence shall be prohibited. Scenes of brutal torture, excessive and unnecessary knife and gun play, physical agony, gory and gruesome crime shall be eliminated. 8. No unique or unusual methods of concealing weapons shall be shown. 9. Instances of law enforcement officers dying as a result of a criminal's activities should be discouraged. 10. The crime of kidnapping shall never be portrayed in any detail, nor shall any profit accrue to the abductor or kidnapper. The criminal or the kidnapper must be punished in every case. The letter of the word "crime" on a comics magazine shall never be appreciably greater than the other words contained in the title. The word "crime" shall never appear alone on a cover. 12. Restraint in the use of the word "crime" in titles or sub-titles shall be exercised.

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General Standards Part B 1. No comics magazine shall use the word horror or terror in its title. 2. All scenes of horror, excessive bloodshed, gory or gruesome crimes, depravity, lust, sadism, masochism shall not be permitted. 3. All lurid, unsavory, gruesome illustrations shall be eliminated. 4. Inclusion of stories dealing with evil shall be used or shall be published only where the intent is to illustrate a moral issue and in no case shall evil be presented alluringly nor as to injure the sensibilities of the reader. 5. Scenes dealing with, or instruments associated with walking dead, torture, vampires and vampirism, ghouls, cannibalism and werewolfism are prohibited.

General Standards Part C All elements or techniques not specifically mentioned herein, but which are contrary to the spirit and intent of the Code, and are considered violations of good taste or decency, shall be prohibited.

Dialogue 1. Profanity, obscenity, smut, vulgarity, or words or symbols which have acquired undesirable meanings are forbidden. 2. Special precautions to avoid references to physical afflictions of deformities shall be taken. 3. Although slang and colloquialisms are acceptable, excessive use should be discouraged and wherever possible good grammar shall be employed.

Religion 1. Ridicule or attack on any religious or racial group is never permissible.

Costume 1. Nudity in any form is prohibited, as is indecent or undue exposure. 2. Suggestive and salacious illustration or suggestive posture is unacceptable. 3. All characters shall be depicted in dress reasonably acceptable to society. 4. Females shall be drawn realistically without exaggeration of any physical qualities. NOTE:

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It should be recognized that all prohibitions dealing with costume, dialogue, or artwork apply as specifically to the cover of a comic magazine as they do to the contents.

Marriage and Sex 1. Divorce shall not be treated humorously nor represented as desirable. 2. Illicit sex relations are neither to be hinted at or portrayed. Violent love scenes as well as sexual abnormalities are unacceptable. 3. Respect for parents, the moral code, and for honorable behavior shall be fostered. A sympathetic understanding of the problems of love is not a license for moral distortion. 4. The treatment of love-romance stories shall emphasize the value of the home and the sanctity of marriage. 5. Passion or romantic interest shall never be treated in such a way as to stimulate the lower and baser emotions. 6. Seduction and rape shall never be shown or suggested. 7. Sex perversion or any inference to same is strictly forbidden.

CODE FOR ADVERTISING MATTER These regulations are applicable to all magazines published by members of the Comics magazine Association of America, Inc. Good taste shall be the guiding principle in the acceptance of advertising. 1. Liquor and tobacco advertising is not acceptable. 2. Advertising of sex or sex instruction books are unacceptable. 3. The sale of picture postcards, "pin-ups," "art studies," or any other reproduction of nude or semi-nude figures is prohibited. 4. Advertising for the sale of knives, concealable weapons, or realistic gun facsimiles is prohibited. 5. Advertising for the sale of fireworks is prohibited. 6. Advertising dealing with the sale of gambling equipment or printed matter dealing with gambling shall not be accepted. 7. Nudity with meretricious purpose and salacious postures shall not be permitted in the advertising of any product; clothed figures shall never be presented in such a way as to be offensive or contrary to good taste or morals. 8. To the best of his ability, each publisher shall ascertain that all statements made in

96 advertisements conform to the fact and avoid misinterpretation. 9. Advertisement of medical, health, or toiletry products of questionable nature are to be rejected. Advertisements for medical, health or toiletry products endorsed by the American Medical Association , or the American Dental Association , shall be deemed acceptable if they conform with all other conditions of the Advertising Code. (Comics Magazine Association 1959)

09.02. Eddie Campbell's (Revised) Graphic Novel Manifesto 46

There is so much disagreement (among ourselves) and misunderstanding (on the part of the public) around the subject of the graphic novel that it's high time a set of principles were laid down.

1. "Graphic novel" is a disagreeable term, but we will use it anyway on the understanding that graphic does not mean anything to do with graphics and that novel does not mean anything to do with novels. (In the same way that "Impressionism" is not really an applicable term; in fact it was first used as an insult and then adopted in a spirit of defiance.) 2. Since we are not in any way referring to the traditional literary novel, we do not hold that the graphic novel should be of the supposed same dimensions or physical weight. Thus subsidiary terms such as "novella" and "novelette" are of no use here and will only serve to confuse onlookers as to our goal (see below), causing them to think we are creating an illustrated version of standard literature when in fact we have bigger fish to fry; that is, we are forging a whole new art which will not be bound by the arbitrary rules of an old one. 3. "Graphic novel" signifies a movement rather than a form. Thus we may refer to "antecedents" of the graphic novel, such as Lynd Ward's woodcut novels but we are not interested in applying the name retroactively. 4. While the graphic novelist regards his various antecedents as geniuses and prophets without whose work he could not have envisioned his own, he does not want to be

46 Das ganze Manifest wurde zitiert von: Campbell, Eddie (2004): URL: http://web.archive.org/web/20050404060151/http://www.graphicnovelreview.com/issue1/campbell_inte rview.php [Stand: 05.09.2012] 97

obliged to stand in line behind William Hogarth's Rake's Progress every time he obtains a piece of publicity for himself or the art in general. 5. Since the term signifies a movement, or an ongoing event, rather than a form, there is nothing to be gained by defining it or "measuring" it. It is approximately thirty years old, though the concept and name had been bandied about for at least ten years earlier. As it is still growing it will in all probability have changed its nature by this time next year. 6. The goal of the graphic novelist is to take the form of the comic book, which has become an embarrassment, and raise it to a more ambitious and meaningful level. This normally involves expanding its size, but we should avoid getting into arguments about permissible size. If an artist offers a set of short stories as his new graphic novel, (as Eisner did with A Contract with God) we should not descend to quibbling. We should only ask whether his new graphic novel is a good or bad set of short stories. If he or she uses characters that appear in another place, such as Jimmy Corrigan's various appearances outside of the core book, or Gilbert Hernandez' etc. or even characters that we do not want to allow into our "secret society," we shall not dismiss them on this account. If his book no longer looks anything like comic books we should not quibble as to that either. We should only ask whether it increases the sum total of human wisdom. 7. The term graphic novel shall not be taken to indicate a trade format (such as "trade paperback" or "hardcover" or "prestige format"). It can be in unpublished manuscript form, or serialized in parts. The important thing is the intent, even if the intent arrives after the original publication. 8. The graphic novelists' subject is all of existence, including their own life. He or she disdains "genre fiction" and all its ugly clichés, though they try to keep an open mind. They are particularly resentful of the notion, still prevalent in many places, and not without reason, that the comic book is a sub-genre of science fiction or heroic fantasy. 9. Graphic novelists would never think of using the term graphic novel when speaking among their fellows. They would normally just refer to their "latest book" or their "work in progress" or "that old potboiler" or even "comic" etc. The term is to be used as an emblem or an old flag that is brought out for the call to battle or when mumbling an enquiry as to the location of a certain section in an unfamiliar bookstore. Publishers may use the term over and over until it means even less than the nothing it means

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already. Furthermore, graphic novelists are well aware that the next wave of cartoonists will choose to work in the smallest possible forms and will ridicule us all for our pomposity. 10. The graphic novelist reserves the right to deny any or all of the above if it means a quick sale. (Campbell 2004)

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