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Stefan Lichtenegger

Büchereien Wien. Am Gürtel

Urban-Loritz Platz 2a, 1070 Wien

U-Musikmedien als Anziehungspunkt in Öffentlichen Bibliotheken :

am Beispiel der Büchereien Wien

Projektarbeit im Rahmen der hauptamtlichen Ausbildung für Bibliothekar/innen (Ausbildungslehrgang 2006-2008/B)

Eingereicht am 08. Februar 2008

Stefan Lichtenegger Büchereien Wien. Am Gürtel Urban-Loritz Platz 2a

Abstract:

U-Musikmedien als Anziehungspunkt in Öffentlichen Bibliotheken : am Beispiel der Büchereien Wien

Die Bereitstellung von U-Musikmedien in der früheren Musikbücherei in der Skodagasse ab Mitte der 80er Jahre fand bei den Bibliotheksbenutzern sofort regen Zuspruch. Die Entwicklung von einer fast gänzlich auf klassische Musik spezialisierten Bibliothek für eine relativ kleine Zielgruppe hin zu einer alle Musikrichtungen präsentierenden Einrichtung entspricht dem Bild einer modernen öffentlichen Bücherei für ein großes Publikum. Zugleich wurden damit auch neue Benutzer in die Bücherei gelockt, die zu den nicht so stark vertretenen Gruppen in Büchereien zählen. Seit Anfang der 90er Jahre hat sich vor allem die Compact Disc als eines der am meist entlehnten Medien durchgesetzt. Auch U-Musiknoten und DVDs sind stark nachgefragte Medien. Nach einer nun schon 20 Jahre andauernden Erfolgsstory zeigen sich aber durch die Entwicklungen neuer Technologien auf dem Markt Veränderungen an, die in Zukunft auch das Angebot der herkömmlichen U-Musikmedien in Öffentlichen Bibliotheken betreffen werden. Während die Musikindustrie seit Jahren Umsatzrückgänge verzeichnet, haben neue Technologien die Entlehnungen von U-Musikmedien bei den Büchereien Wien bislang zusätzlich gefördert. Doch auch hier sind erste Auswirkungen durch die Möglichkeiten des Kopierens und durch das Downloaden von Musik feststellbar. Diese Arbeit wirft einen Blick zurück auf die Geschichte der U-Musikmedien bei den Büchereien Wien, gibt einen Einblick in die momentane Situation und zeigt mögliche Auswirkungen für Bibliotheken durch die rasanten Veränderungen in der Musikindustrie.

Bei folgenden Personen möchte ich mich für Hilfestellung, Informationen und aufgewendete Zeit bedanken:

Mag.a Karin Claudi Peter Hörschelmann Gina Jank Werner Kantner Robert Kellner Susanne Kurz Bernadette Posch Dr. Alfred Pfoser Anita Pravits Ilse Weber Reinhard Wieser

Anmerkung zum Sprachgebrauch: Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurde durchgehend die männliche (neutrale) Anredeform benutzt, die selbstverständlich die weibliche mit einschließt. Inhaltsverzeichnis

1. U-Musik 1 1.1.Was ist U-Musik? 1 1.2. Einteilung von U-Musik 6 1.2.1. Allgemeine Einteilung von U-Musik 6 1.2.2. Anforderungen an den Bibliothekar mit Schwerpunkt U-Musik 15 1.2.3. Systematische Zuordnung bei den Büchereien Wien 16

2. U-Musikmedien 19 2.1. Allgemeine Einteilung von U-Musikmedien 19 2.2. Bestand an U-Musikmedien in den Büchereien Wien 20 2.2.1. Bestand an U-Musikmedien in der Hauptbücherei 20 2.2.1.1. Entwicklung des Bestandes seit Eröffnung der neuen HB 21 2.2.2. Bestand an U-Musik-CDs in den Zweigstellen der Büchereien Wien 22 2.2.3. Geschichte der Bestandsentwicklung von U-Musikmedien bei den Büchereien Wien 25 2.2.3.1. Geschichte der Bestandsentwicklung in der Hauptbücherei 25 2.2.3.2. Standort der U-Musikmedien in der Hauptbücherei 28 2.2.3.3. Die Situation in der Stützpunktbücherei Philadelphiabrücke 29 2.2.3.4. Die Situation in der Stützpunktbücherei Bernoullistrasse 31

3. Katalogisierung von U-Musikmedien 33

4. Sichern von U-Musikmedien 39 4.1. Die Technologie RFID 39 4.1.1. Vor- und Nachteile von RFID 40 4.1.2. Booster-Etiketten 40 4.2. Diebstähle in Bibliotheken 41 4.2.1. Fallbeispiel 1 43 4.2.2. Fallbeispiel 2 45 4.2.3. Lösungsansätze 45 4.3. Beschädigungen von U-Musikmedien und ähnliche Problemfälle 46 4.3.1. Probleme mit CD-Hüllen 46 4.3.2. Beschädigungen von CDs und DVDs 48

5. Die Benutzer von U-Musikmedien 50 5.1. Auswertung 50 5.2. Ein Blick auf die Benutzer 54

6. Tendenzen 59 6.1. Markttendenzen 59 6.2. Tendenzen in Bibliotheken 60 6.3. Die digitale Bibliothek 61

Bildanhang 64 Interviews 73 Verzeichnis der verwendeten Literatur 73 Verzeichnis verwendeter Internetadressen 75 Erklärung 76

1. U-Musik

1.1. Was ist U-Musik?

U-Musik als Kürzel für Unterhaltungsmusik erklärt sich anscheinend bereits ausreichend durch die Zusammensetzung der beiden Substantive Unterhaltung und Musik. Wir haben es also mit unterhaltender Musik zu tun. Diesbezüglich habe ich auch einmal in einem einfachen Musiklexikon, welches ich nicht mehr eruieren konnte, die logische, zugleich einfachste und damit auch im Gedächtnis haften gebliebene Definition gefunden: „Unterhaltungsmusik ist Musik, die unterhält.“

Damit wäre wohl alles geklärt, oder? Tatsächlich beginnen hier erst die Probleme. Denn, welche Musik hat eigentlich keinen unterhaltenden Charakter? Für viele Menschen wären damit auch die meisten zur „Ernsten Musik“ gezählten Komponisten Unterhaltungsmusiker. Bach, Mozart, Schubert, Puccini und Verdi auf jeden Fall. Jede Opernaufführung, jeder Liederabend hat einen in diesem Sinne unterhaltenden Charakter. Für jemanden, der beim Musikhören nicht automatisch wertende Maßstäbe anlegt, können somit auch problemlos moderne Komponisten wie Henze oder Nono, aber auch Musikrichtungen wie der Free oder die Avantgarde zur Unterhaltungsmusik gehören.

Die Definition von U-Musik in den verschiedensten Musiklexika, die sich ernsthafter mit dem Begriff auseinandersetzen, findet dann meist über eine wertende Komponente statt, über die Trennung der Begriffe „Ernste Musik“ („E-Musik“) als Kunstmusik mit einem höheren Anspruch als nur dem der reinen Unterhaltung, und Unterhaltungsmusik als Musik mit rein unterhaltendem Charakter. Auch hier ist naheliegend, dass diese Klassifikation umstritten ist, denn die Grenzen zwischen E- und U-Musik sind fließend, beide Gattungen können ernstzunehmend und unterhaltend sein. Hinzu kommt, dass der Begriff U-Musik ausschließlich im deutschsprachigen Raum üblich ist und sehr häufig auch schon durch die Bezeichnungen „populäre Musik“, „Populärmusik“ oder auch einfach „Popmusik“ ersetzt wird. Neben der wertenden war im 20. Jahrhundert vor allem die verwertende Betrachtung entscheidend für die klare Trennung zwischen Klassischer Musik als E-Musik und nicht

1 klassischer als U-Musik. E-Musik wurde von den Verwertungsgesellschaften grundsätzlich höher vergütet, die Verwaltung strikt getrennt. Diese Trennung existiert bei vielen Verwertungsgesellschaften bis heute und ist auch das entscheidende Erklärungsmodell für die Erhaltung der systematischen Klassifikation in E- und U-Musik.

Da keine übereinstimmenden Definitionen für U-Musik in Musiklexika zu finden sind, werde ich Ihnen die wichtigsten aus bekannten Musikwörterbüchern präsentieren, wobei Sie sehr schnell feststellen werden, wie sehr sich die Musikwissenschaft mit diesem Begriff abmüht.

Schon „Meyers Taschenlexikon Musik“ gesteht den zweifelhaften Charakter der Einteilung in E- und U-Musik ein: „Sie ist daher von Funktionsart und -weise her alltagsnah, stellt in Gestalt und Gehalt keine hohen Ansprüche und wird überwiegend zu Geselligkeit, Vergnügen, Erholung gebraucht. [...] Andere Bezeichnungen mit jeweils etwas anderer Akzentuierung sind »leichte«, »triviale«, »niedere«, »populäre« oder »Pop«-Musik. Im dt. Sprachgebrauch ist aber der Begriff U. (U-Musik) der mit dem weitesten Begriffsinhalt und der gebräuchlichste. [...] U. kann als eine Art Volksmusik unter den Bedingungen des industriellen Zeitalters gelten. [...] Dennoch gibt es ständige Wechselwirkungen zwischen U- und E-Musik (in beiden Richtungen) und es ist sicher, daß diese grobe Zweiteilung der Struktur und Entwicklung der Musikkultur nicht voll gerecht wird.“ 1

In der grundsätzlich sehr guten neuen Ausgabe „Handbuch der populären Musik“ aus dem Jahre 2007 begehen die Autoren den Fehler, die Begriffe „U-Musik“ und „Unterhaltungsmusik“ getrennt zu definieren: „U-Musik: Kürzel für →Unterhaltungsmusik, wird oft auch als Oberbegriff für die Genres und Gattungen der →populären Musik gebraucht und so dem für die →artifizielle Musik stehenden Kürzel E-Musik gegenübergesetzt. Rubrizierungen dieser Art haben sich vor allem bei Verwertungsgesellschaften und in der Rundfunkpraxis als Sparten eingebürgert.“ 2

1 Meyers Taschenlexikon Musik : in 3 Bd. ; [rund 8000 Biographien u. Sachart.] / hrsg. von Hans Heinrich Eggebrecht. In Verbindung mit d. Red. Musik d. Bibliograph. Inst. unter Leitung von Gerhard Kwiatkowski. - Orig.-Ausg.. - Mannheim ; Wien ; Zürich : Bibliographisches Institut. – Bd. 3. On-Zz. – 1984, S. 280 – 281. 2 Wicke, Peter: Handbuch der populären Musik : Geschichte, Stile, Praxis, Industrie / Peter Wicke und Wieland & Kai-Erik Ziegenrücker. - Mainz : Schott, c 2007, S. 769.

2 „Unterhaltungsmusik: kaum eindeutig festlegbare Form von Hintergrundmusik, die sich ausschließlich funktional definiert, als Hintergrund zu oder für Unterhaltung. [...] Unterhaltungsmusik wurde so bis in die 1950er Jahre zu einem Oberbegriff für alle im Rundfunk gesendeten oder produzierten Formen der populären Musik, ein Begriffsgebrauch, der sich umgangssprachlich mit dem Kürzel →U-Musik weitgehend bis heute erhalten hat.“ 3

Der „Schülerduden Musik“ hält sich kurz und bleibt ohne genaueren geschichtlichen Hintergrund: „U-Musik: Abk. für Unterhaltungsmusik, verwendet als Gegensatz zur E-Musik. Die in ihrer Pauschalierung und Polarisierung problematische Einteilung der Musik in Unterhaltungsmusik und »ernste« oder »klassische« Musik (E-Musik) entstand in den 1920er-Jahren aus verwaltungstechnischen Gründen bei der Wahrung von Urheberrechten, z.B. bei GEMA und Rundfunk.“ 4

Heinrich Lindlar weist auf Musikrichtungen wie den Jazz hin, die an der Grenze zwischen U- und E-Musik angesiedelt sind: „Unterhaltungsmusik (U-Musik), Sammelbez. f. Musik u. Musikgattungen unterhaltenden Charakters, im 18. Jh. z.B. →Tafelmusik, im 19 Jh. →Salon- und Caféhaus-Musik, im 20. Jh. Tanz-, Schlager- und Pop-Musik ; terminologisch findet sich U. durch die Produktions- u. Verwertungsindustrie spätestens seit Bestehen der →GEMA (1947) in Ggs. zu >Ernster Musik< (E-Musik), im Verkaufs- u. Verrechnungswesen auch als >Klassik< bezeichnet, womit z.B. die Jazzszene in einen Zwischenbereich verwiesen erscheint.“ 5

Auch „Das große Wörterbuch der Musik“ hält sich so kurz wie möglich: „Unterhaltungsmusik: zusammenfassende Bezeichnung für die dem natürlichen Unterhaltungsbedürfnis des Menschen mit sehr unterschiedlichem ästhetischen Anspruch Rechung tragenden Erscheinungsformen musikalischer Unterhaltung, die seit der 2. Hälfte des 19. Jh. vom künstlerisch anspruchslosen, auf bloße Zerstreuung ausgerichteten Musikstück der sog. leichten Muse bis zur gehobenen, an volkstümliche Musizierformen anknüpfenden und daher leichter zugänglichen Komposition der sog. ernsten Musik reichen.“ 6

3 ebda., S. 771-772. 4 Schülerduden, Musik : [ein Lexikon für Musikunterricht und -praxis ; das grundlegende Wissen zur europäischen und außereuropäischen Musik von ihren Anfängen bis heute] / hrsg. und bearb. von der Redaktion Schule und Lernen. [Red. Leitung: Martin Fruhstorfer. Autoren: Bernd Enders ...]. - 3. völlig neubearb. Aufl.. - Mannheim ; Leipzig ; Wien ; Zürich : Dudenverl., 2000, S. 431. 5 Lindlar, Heinrich: Wörterbuch der Musik / Heinrich Lindlar. - 1. Aufl.. - Frankfurt am Main : Suhrkamp, 1989. (Suhrkamp-Taschenbuch ; 1452), S. 308. 6 Hirsch, Ferdinand: Das grosse Wörterbuch der Musik / Ferdinand Hirsch. - Sonderausg.. - Weyarn : Seehamer, 1996, S. 499.

3 Das Metzler Sachlexikon Musik widmet dem Begriff und vor allem der geschichtlichen Entwicklung der Bezeichnung U-Musik mehrere Seiten, ein gewisses Unbehagen bei der Definition bleibt dabei aber spürbar. Die (ab-)wertende Betrachtung steht im Vordergrund: „Fast jede Musik ist darauf angelegt, ihre Wirkung in einem interaktiven Kontext zu entfalten und dabei auch das Unterhaltungsbedürfnis zu befriedigen, aber nicht jede Musik ist deshalb gleich Unterhaltungsmusik. Im alltäglichen Sprachgebrauch werden jene Musikarten dazugerechnet, die angeblich nicht oder nicht in vollem Maße den ästhetischen und kompositionstechnischen Normen der Kunstmusik (E-Musik) entsprechen, jener Musik also, die für sich in Anspruch nimmt, mehr zu sein und geistig Bedeutsameres auszudrücken als Unterhaltung. Diese Dichotonie zwischen U- und E-Musik und die damit verbundene Hierarchisierung von Musik entsprechen bis heute gängigen Wertvorstellungen.“ 7

Schließlich versucht es noch „Der Brockhaus Musik“ mit einer ausführlichen Erläuterung, die wiederum vor allem die wertende Konnotation einbringt und auf die Bedeutung der Verwertungsgesellschaften in Bezug auf die umgangssprachliche Verwendung der Begriffe U- und E-Musik hinweist: „Unterhaltungsmusik, U-Musik, Musik, die der Entspannung und geselligen Erholung dient und in ihrer Art von daher geprägt ist. Ihr Wert definiert sich dadurch, dass sie diese Funktion erfüllt. Kennzeichen sind: Beschränkung der kompositorischen Mittel ( »leichte Musik« ), Anlehnung an Vertrautes, Alltags- und Lebensnähe, Abwechslung, Raffinesse und Sound. [...] Der Begriff der Unterhaltungsmusik entstand im 19. Jh. im Zusammenhang mit den aufkommenden musikalischen Massen- und Klassenbedürfnissen vor dem Hintergrund der durch die Industrialisierung hervorgerufenen gesellschaftlichen Veränderungen. [...] Mit dem Aufkommen der Massenmedien (Rundfunk und Tonträger) verstärkten sich die Unterscheidungen der Musikbedürfnisse, -zwecke und –arten, und aus dem Sprachgebrauch der Verwertungsgesellschaften (in Deutschland →GEMA) gelangte die in ihrer Pauschalierung und Polarisierung problematische Einteilung der Musik in Unterhaltungsmusik (U-Musik) und »ernste« oder »klassische« Musik (E-Musik) in die Umgangssprache.“ 8

7 Metzler-Sachlexikon Musik : [auf der Grundlage des von Günther Massenkeil hrsg. Großen Lexikons der Musik (1978-82/1987), einer Bearbeitung des Dictionnaire de la musique von Marc Honegger (1976)] / [red. Bearb.: Ralf Noltensmeier]. - Stuttgart ; Weimar : Metzler, 1998. (Metzler Musik), S. 1098. 8 Der Brockhaus, Musik : Personen, Epochen, Sachbegriffe / hrsg. von der Lexikonredaktion des Verlags F. A. Brockhaus, Mannheim. [Red. Leitung: Marianne Strzysch-Siebeck]. - 2., völlig neu bearb. Aufl.. - Mannheim ; Leipzig : Brockhaus, 2001, S. 822 – 823.

4 Die stattfindende Verdrängung des Begriffes „U-Musik“ durch die Verwendung des Begriffes „Populäre Musik“ im Sinne von neuen, nicht der Kunstmusik zugerechneten Musikstilen vereinfacht nicht die Definition. Lediglich die abwertende Besetzung des Wortes ist im deutschen Sprachraum noch nicht so weit fortgeschritten, wie das im Falle von „Unterhaltungsmusik“ der Fall ist.

„Die Bezeichnung „populäre Musik“ – zeitweise auch das Wortungetüm ‚Popularmusik‘ als allzu wörtliche Übersetzung von ‚‘ – wurde zunächst synonym mit ‚Unterhaltungsmusik‘ und ‚leichte Musik‘ verwendet und bezeichnete sodann alle neueren Musikstile, die nicht der sogenannten ernsten Musik oder ‚Kunstmusik‘ zugerechnet wurden.“ 9

Die negative Bewertung des Begriffes Unterhaltungsmusik zeigt sich indirekt bei der vorsichtigen Verwendung des Überbegriffes seitens der Musiker. Kaum ein Musiker, der in vielen Stilen der Unterhaltungsmusik versiert ist, wird auf die Frage, welche Musik er denn spiele, antworten: „ Ich spiele (mache) Unterhaltungsmusik.“ Viel eher wird er den Überbegriff vermeiden und auf grundsätzlich anerkannte Musikstile zurückgreifen. Das liegt daran, dass Menschen einzelne Musikstile mit wenigen Ausnahmen akzeptieren, auch wenn sie diese nicht bevorzugen. Mit dem Überbegriff werden vom Betrachter aber automatisch und hauptsächlich alle als schlecht und wertlos empfundenen Musikrichtungen assoziiert; ein Bild, welches einem klassischen Vorurteil entspricht.

9 Pfleiderer Martin: Was macht Musik populär? – Überlegungen zur (Un-)Popularität im Jazz und anderswo / aus Jazz goes Pop goes Jazz : der Jazz und sein gespaltenes Verhältnis zur Popularmusik ; eine Veröffentlichung des Jazzinstituts Darmstadt / hrsg. von Wolfram Knauer. - Orig.-Ausg.. - Hofheim am Taunus : Wolke, 2006. (Darmstädter Beiträge zur Jazzforschung; Bd 9), S. 19.

5 1.2. Einteilung von U-Musik

1.2.1. Allgemeine Einteilung von U-Musik

Um eine mögliche Ein- bzw. Unterteilung von U-Musik zu veranschaulichen, betrachten wir allmusic, eine Website von All Media Group, LCC, eine ganz vorzüglich gestaltete Seite über alle Musikrichtungen mit Schwerpunkt auf Musik aus angloamerikanischen Ländern.10 Grundsätzlich bietet es aber Information zu Musikern und Gruppen aus der ganzen Welt, wobei die angloamerikanischen Vertreter sehr ausführlich behandelt werden. Die Seite glänzt nicht nur mit der Einteilung von Musikstilen, sondern bietet Biografien, Diskografien, Songlisten, Hörbeispiele, Querverweise und sogar Chartplatzierungen und Awards von Musikern, Musikgruppen und am Musikschaffen Beteiligten an. Wir haben es also mit einem umfassenden Musiklexikon im Internet zu tun. Die Einteilung der Hauptgruppen erfolgt in Rock, Jazz, R&B, Rap, Country, , World, Electronica und E-Musik unter Classical . Unter More finden wir eine weitere Einteilung in Popular Genres, Instruments, Countries, Moods und Themes. Jede der oben genannten musikalischen Hauptgruppen ist wiederum unterteilt in zahllose Untergruppen, die vor allem im Bereich der U-Musik immer mehr werden. Betrachten wir nur einmal die Hauptgruppe Rock genauer, um festzustellen, wie viele Untergruppen von allmusic allein in dieser U-Musikrichtung aufgelistet werden.

Rock Styles11

Alternative/Indie-Rock

• Industrial

• Alternative Pop/Rock

• Goth Rock

• Lo-Fi

• Grunge

• Shoegaze

• Britpop

• Post-Rock/Experimental

• Funk Metal

10 www.allmusic.com [sowie auch http://wm01.allmusic.com/ ] (Eintragsrecherche vom 10.11.2007) 11 http://wm01.allmusic.com/cg/amg.dll?p=amg&sql=73:20 (Eintragsrecherche vom 10.11.2007)

6 • Indie Rock

• Paisley Underground

Pop

• Alternative Country-Rock

• Punk Revival

• Post-Grunge

• Third Wave Ska Revival

• Neo-Psychedelia

• Riot Grrrl

• Space Rock

• Adult Alternative Pop/Rock

• Alternative Dance

• Cocktail

• Dream Pop

• Punk-Pop

• British Trad Rock

• Industrial Dance

• Madchester

• Psychobilly

• Ska-Punk

• Cowpunk

• New Zealand Rock

• Emo

• Slowcore

• Electro-Industrial

• C-86

• Math Rock

7 • Queercore

• Sadcore

• Shibuya-Kei

• Skatepunk

• Garage Punk

• Alternative Folk

• Neo-Glam

• College Rock

• Pop Underground

• American Underground

• Indie Electronic

• Punk Blues

• Screamo

• Alternative Singer/Songwriter

• New Wave/Post-Punk Revival

Art-Rock/Experimental

• Prog-Rock/Art Rock

• Kraut Rock

• Noise-Rock

• Neo-Prog

• Experimental Rock

• Canterbury Scene

• Avant-Prog

Dance

• Dance-Pop

• House

• Disco

• Urban

• Hi-NRG

• Acid Jazz

• Euro-Dance

• Club/Dance

8 • Rave

• Garage/House

• Freestyle

• Alternative Dance

• Latin Dance

• Latin Freestyle

• Dance-Rock

Folk/Country Rock

• Country-Rock

• Folk-Pop

• Singer/Songwriter

• Folk-Rock

• British Folk-Rock

Hard Rock

• Blues-Rock

• Christian Metal

• Hard Rock

• Southern Rock

• Thrash

• Death Metal/Black Metal

• Glam Rock

• Grindcore

• Heavy Metal

• Speed Metal

• Hair Metal

• Arena Rock

• Alternative Metal

• British Metal

• Boogie Rock

• Industrial Metal

• Rap-Metal

9 • Guitar Virtuoso

• Progressive Metal

• Neo-Classical Metal

• Album Rock

• Aussie Rock

• Pop-Metal

• Rap-Rock

• New Wave of British Heavy Metal

• Detroit Rock

• Glitter

• Punk Metal

• Stoner Metal

• Scandinavian Metal

• Goth Metal

• Doom Metal

• Symphonic Black Metal

• Sludge Metal

• Power Metal

Pop/Rock

• Christian Rock

• Pop

• Pop/Rock

• Bubblegum

• Teen Idol

Pop

• Comedy Rock

• Sunshine Pop

• AM Pop

• Celebrity

Punk/New Wave

10 • Synth Pop

• Punk

• Alternative Pop/Rock

• Hardcore Punk

• New Wave

• Ska Revival

• Mod Revival

• Post-Punk

• New Romantic

• No Wave

• Proto-Punk

• Oi!

• Garage Rock Revival

• British Punk

• Christian Punk

• New York Punk

• L.A. Punk

• American Punk

• Straight-Edge

• Anarchist Punk

• Sophisti-Pop

• College Rock

• Post-Hardcore

Rock & Roll/Roots

• Rock & Roll

• Blues-Rock

• Tex-Mex

• Instrumental Rock

• Rockabilly

• Roots Rock

• Surf

11 • Pub Rock

• Hot Rod

• Rockabilly Revival

• Surf Revival

• American Trad Rock

• Jam Bands

• Heartland Rock

• Frat Rock

• Hot Rod Revival

• Retro-Rock

• Latin Rock

• Bar Band

Soft Rock

• Singer/Songwriter

• Adult Contemporary

• Pop/Rock

Psychedelic/Garage

• Psychedelic

• Garage Rock

• Acid Rock

• British Psychedelia

• Obscuro

• Acid Folk

Europop

• Euro-Pop

• Euro-Rock

• Swedish Pop/Rock

Foreign Language Rock

12 • Rock en Español

• French Pop

• Foreign Language Rock

• Italian Pop

• Asian Pop

• Japanese Pop

• Japanese Rock

• Hong Kong Pop

• French Rock

• Aboriginal Rock

British Invasion

• Psychedelic

• Merseybeat

• British Blues

• Mod

• British Psychedelia

• Freakbeat

• Early British Pop/Rock

Die Auflistung all dieser Musikstile kann nur als Möglichkeit betrachtet werden, nicht aber als allgemein gültig.

Stärkste Tendenz innerhalb der U-Musik ist das sogenannte Crossover, ein Mischen oder häufig auch nur Übereinanderlagern von verschiedenen Musikstilen. Immer mehr Musiker mischen Jazz, Pop, Rock und Musikstile aus der ganzen Welt. Das macht die Zuordnung natürlich nicht leichter, eindeutige Zuordnungen werden immer seltener, immer mehr Musikstile entstehen.

Als Überbegriff bleibt letztendlich im deutschen Sprachraum die Bezeichnung U-Musik oder, aufgrund der Vorherrschaft des angloamerikanischen Marktes die Bezeichnung

13 Popmusik, die einerseits als Überbegriff für jede Form populärer Musik steht – mit der Ausklammerung von populärer Klassik - andererseits aber auch für einen ganz bestimmten Musikstil, der wiederum nur eine Untergruppe von U-Musik ist. Neben den Verwertungsgesellschaften, die die Bereiche E- und U-Musik trennen bzw. trennten, ist es vor allem für den Handel wichtig, Musik in Untergruppen einzuteilen. Dabei gibt es vor allem die Trennung, die auch die Büchereien Wien für U-Musik vornehmen. Nämlich die grobe Einteilung in die Bereiche

• Jazz, Blues • Rock, Pop • Worldmusic • Volksmusik, Schlager • Operette • Musical • Weitere Richtungen

Die weitere Einteilung erfolgt dann meist alphabetisch.

Je nach Spezialisierung eines Händlers kann die Einteilung aber auch ganz anders erfolgen. Es gibt z.B. Händler, die nach Labels ordnen. Spezialisierte CD-Läden ordnen gerne streng nach Untergruppen der von Ihnen angebotenen Musikstile. Je größer ein CD-Geschäft, desto stärker ist jedoch die wie oben genannte grobe Unterteilung in die Hauptströmungen der U-Musik mit anschließender alphabetischer Ordnung. Der Sinn dahinter ist der, dass Käufer in erster Linie nach Musiker- oder Bandnamen suchen und nicht nach Musikstilen. Die Unterscheidung in Jazz oder Pop oder Volksmusik kann fast jeder noch selbst treffen, aber ob Musiker dann unter „Dirty South Rap“, „Ambient House“ „ oder „Grunge“ zu finden sind, dies würde die meisten Käufer überfordern. Dafür sind dann eben noch die Spezialgeschäfte da, welche leider aufgrund der Marktentwicklung immer weniger werden. In Wien gibt es nur noch ganz wenige Spezialisten, die aber alle ganz ausgezeichnete Arbeit leisten und deswegen als Lieferanten für die Büchereien Wien bevorzugt werden.

14

1.2.2. Anforderungen an den Bibliothekar mit Schwerpunkt U-Musik

Aufgrund der Vielzahl an Unterteilungen bei den einzelnen Musikstilen ist schon erkennbar, dass nur intensive Beschäftigung mit U-Musik den Durchblick verschaffen kann. Neben musikalischer Begabung gehört auch ein Grundmaß an Schulung dazu, um Musikstile richtig zuordnen zu können. Neben der Fähigkeit, Rhythmen, Instrumente und Stimmen beim Hören zu erkennen, Liedaufbau, Harmoniefolgen und Arrangements nachvollziehen zu können, also neben den musikalischen Fähigkeiten, ist eine Beschäftigung mit Musikgeschichte unerlässlich. Das Hören von Musik ist wichtiger Teil dieser Arbeit. Wer nur das Wort „Bebop“ gehört hat, kann sich darunter schwerlich etwas vorstellen. Wer Bebop-Musik allerdings einmal vernommen hat, wird diese Musik beim zufälligen Hören wahrscheinlich wieder erkennen können. (Egal, ob es dem Hörer gefällt oder nicht.) Es ist jedoch nicht notwendig, alle Unterteilungen bei Musikstilen zu kennen. Viele Unterteilungen sind Erfindungen der Musikindustrie sowie von Musikern und Bands, um sich hier von anderen abzugrenzen oder um sich einen Namen zu machen, sich besser vermarkten zu lassen und der Presse „etwas ganz Neues“ zu präsentieren. Neu erfunden wird in der U-Musik jedoch selten etwas. Viele Musikrichtungen überschneiden sich hier und minimale Unterschiede schon als eigenen Musikstil zu verkaufen ist in erster Linie ein pseudokünstlerischer Anspruch oder Marketingstrategie, um auf sich aufmerksam zu machen. Natürlich möchte jeder Musiker etwas Besonderes schaffen, meist ist das aber eben nur der Name für einen neuen Musikstil, den es in der einen oder anderen Form schon gibt. Musikstile werden auch nach Entstehungsorten benannt, wie das beim Blues häufig der Fall ist, weitere Zuordnungen erfolgen durch typische Merkmale der Musik, die sich dann im Namen des Musikstils wiederfinden (z.B.: Rap, Beat, Gothic, Industrial, Techno) oder sind Fantasienamen (z.B. Triphop [auch Down Beat], Boogaloo [auch Bugalu], New Age), die bei genauerer Betrachtung meist eine Verbindung zur Musik aufweisen. „To rap“ bedeutet z.B. „quasseln“, der rasante Sprechgesang ist das dominante Merkmal des Musikstils „Rap“.12

12 vgl. Wicke, Peter: a.a.0. , S. 579.

15 Viele Stilbezeichnungen sind im Laufe der Jahre sehr irreführend geworden, die Musikindustrie hat die Namen aus markttechnischen Gründen so gewählt. Die Akzeptanz gibt ihr dabei recht. Als Beispiel sei der Begriff „Worldmusic“, also Weltmusik, angeführt. Grundsätzlich handelt es sich dabei meist um Volksmusik, die vor der Globalisierung des Musikmarktes nur in einem regional begrenzten Gebiet von dort heimischen Musikern gepflegt wurde. Der Begriff Volksmusik ist also naheliegend, verkauft sich aber aus verschiedenen und auch nachvollziehbaren Gründen nicht. Nach der Bezeichnung „Ethno“ hat der Überbegriff „Worldmusic“ für (Volks-)Musik aus allen Teilen der Welt die größte Akzeptanz beim Konsumenten gefunden. Somit befinden sich Obertonsänger aus Tuva, Koraspieler aus Mali, Klezmer und korsische Männerchöre im gleichen musikalischen Eintopf „Worldmusic“.

1.2.3. Systematische Zuordnung bei den Büchereien Wien

Bei den Büchereien Wien erfolgt zuerst einmal die Einteilung und Trennung nach Medienarten. Folgende Medienarten sind im Bereich U-Musik vertreten: • Bücher • Noten • Zeitschriften • Tonträger • Bildtonträger • Elektronische Ressourcen

Die systematische Aufstellung richtet sich nach der „Wiener Systematik“ und sieht bei U-Musikmedien folgendermaßen aus:13 Systematische Aufstellung von U-Musikbüchern: KM.M Musikbücher allgemein KM.MN52 Worldmusic, Volksmusik KM.MN54 U-Musik [Pop, Rock, Schlager] KM.MN540 U-Musik Interpreten KM.MN 55 Chanson KM.MN56 Jazz KM.MN560 Jazz Interpreten KM.MN41 Operette, Musical Einzelne Bücher mit U-Musikbezug in anderen Gruppen (z.B.: Jazz-Harmonielehre – KM.MO3)

13 vgl. Pfoser, Alfred : Die Wiener Städtischen Büchereien. Zur Bibliothekskultur in Österreich. Wien 1994, S. 174-175.

16 Systematische Aufstellung von U-Musiknoten:

KM.N Noten allgemein KM.NP1-18 Liederbücher / Songbooks U-Musik KM.NC14,15,K Klavier Pop, Jazz, Keyboard KM.NG2,3,4, 5 Gitarre World,Pop, Jazz, andere Zupfinstrumente KM.NG31,41 Gitarre Lehrbücher Pop, Jazz Weitere Gruppen mit U- und E-Musik gemischt Andere Instrumentengattungen (z.B.: KM.NB, NE, NF, NG10, NH, NL)

Systematische Aufstellung von Tonträgern: Die große Menge an CDs in der Musikbücherei der Wiener Hauptbücherei lässt, so wie in größeren CD-Geschäften, eine grobe Unterteilung in Musikrichtungen mit anschließender alphabetischer Aufstellung am sinnvollsten erscheinen.

CD CDs allgemein CD.04 Operette CD.09 Rock / Pop CD.10 Jazz / Blues CD.11 Worldmusic / Volksmusik CD.12 Liedermacher / Chanson CD.13 Schlager, Gebrauchsmusik CD.14 Filmmusik CD.18 Playback-Aufnahmen mit Noten CD.20 Meditations- und Entspannungsmusik CD.21 Musical CD.KM% CDs zum Thema Musik

Systematische Aufstellung von Bildtonträgern: Bei den Bildtonträgern lösen die DVDs (Systematik: TT) die Videos (Systematik: TV) sukzessive ab, momentan ist aber auch noch ein großer Bestand an Videos vorhanden. Die Entlehnquoten sind bei den DVDs sehr hoch, bei den Videos ist ein ständiger Entlehnrückgang feststellbar. TV.KM.04 ; TT.KM.04 Operette TV.KM.09 ; TT.KM.09 Rock / Pop TV.KM.10 ; TT.KM.10 Jazz / Blues TV.KM.11 ; TT.KM.11 Worldmusic / Volksmusik TV.KM.12 ; TT.KM.12 Liedermacher / Chanson TV.KM.13 ; TT.KM.13 Schlager, Gebrauchsmusik TV.KM.18 ; TT.KM.18 Lernvideos/dvds TV.KM.20 ; TT.KM.20 Meditations- und Entspannungsmusik TV.KM.21 ; TT.KM.21 Musical TV.KM.MN52 ; TT.KM.MN52 Filme über World- bzw. Volksmusik TV.KM.MN54 ; TT.KM.MN54 Filme über U-Musik (Rock/Pop/Schlager) allgemein TV.KM.MN540 ; TT.KM.MN540 Filme über U-Musiker TV.KM.MN56 ; TT.KM.MN56 Filme über Jazz und Blues TV.KM.MN560 ; TT.KM.MN560 Filme über Jazz- und Bluesmusiker

17 Schließlich gibt es noch eine kleine Anzahl an Elektronischen Ressourcen, ausschließlich CD- und DVD-ROM (CR.KM% / TT.KM.M%), U-Musikzeitschriften (Z.KM) und den Bestand von ca. 10.000 nicht entlehnbaren LPs (TS.%), unter denen sich eine geringe Anzahl von U-Musik-LPs befindet.

18 2. U-Musikmedien

2.1. Allgemeine Einteilung von U-Musikmedien

Bevor wir die geschichtliche Entwicklung von U-Musikmedien bei den Büchereien Wien betrachten, werfen wir einen Blick auf die geschichtliche Entwicklung von U-Musikmedien allgemein. Neben den herkömmlichen Medien, also Büchern und Noten, die sozusagen parallel mit dem Aufkommen von U-Musik oder dessen, was man zu diesem Zeitpunkt mit U-Musik bezeichnete, entstanden sind, ist vor allem die Entstehungsgeschichte von Tonträgern für Bibliotheken von Interesse. Während es Bücher und Noten wohl auch weiterhin, so hoffe ich es zumindest, geben wird, kann man sich bei Tonträgern nie ganz sicher sein. Manche tauchen aus dem Nichts auf wie der Phönix aus der Asche, um dann genau dort wieder zu verschwinden. Während das Fernsehen Kino und Radio nicht verdrängen konnte, sondern alle 3 Bereiche friedlich und kooperierend nebeneinander existieren, kann das Aufkommen eines Tonträgers schon das Aus für einen anderen bedeuten. So geschehen durch die Markteinführung der Compact Disc und dem damit verbundenen Niedergang von Schallplatte und Tonkassette. Zwar hat es für die Schallplatte so etwas wie eine kleine Renaissance – vor allem in einigen Nischen der U-Musik – gegeben und auch die Tonkassette wird noch als Speichermedium verwendet, für die breite Masse ist Musik hören heute aber mit den Tonträgern DVD und CD verknüpft. Und seit einigen Jahren mit dem Speichern von Musik auf Computern und Digitalgeräten, wie MP3-Playern, I-Pods, USB-Sticks und Handys. Inwieweit das Downloaden von Musik aus dem Internet und das CD-Kopieren als Bedrohung für CD und DVD anzusehen sind, darüber werde ich im letzten Kapitel dieser Arbeit noch referieren. Hier die Liste der wichtigsten Tonträger mit dem Datum ihrer Markteinführung:1

• Stiftwalze aus Holz oder Metall (18. Jahrhundert) • Schallplatte aus Schellack [10 Inch = 17,5 cm] mit 78 UPM (1898) • Tonband [Tonbandgerät] (1928) • Langspielplatte mit Mirkorille [LP; Vinyl mit 33 UPM] (1948) • Stereo-Langspielplatte (1957) • Kassette [Compact Cassette] (1963) • Compact Disc [CD] (1982) • CD-R (Recordable) (1994) • Flash Memory [Smart Media Card – später für MP3-Player] (1995) • DVD-Audio (2001)

1 vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Tontr%C3%A4ger (Eintragsrechereche vom 10.11.2007)

19 Bei den Büchereien Wien finden sich folgende Tonträger:

• Kassette (seit 1977, Einkauf und Bestandserweiterung mit Einführung der CD eingestellt) • Langspielplatte (seit 1968, Einkauf und Bestandserweiterung mit Einführung der CD eingestellt; keine Entlehnung möglich) • Compact Disc (Ankauf seit 1985, Entlehnung seit 1990) Entlehndauer: 4 Wochen ; 2x verlängern möglich ; max. 12 CDs ; gebührenfrei • Bildtonträger: Video und DVD ; CD- und DVD-ROM Entlehndauer: 2 Wochen ; 2x verlängern möglich ; max. 4 Stück Entlehngebühr: 1€ pro Medium

2.2. Bestand an U-Musikmedien in den Büchereien Wien

2.2.1. Bestand an U-Musikmedien in der Hauptbücherei

Bei einigen Systematiken überschneiden sich die Bereiche E- und U-Musik. Ist der Anteil an U-Musik ein geringer, so wurden diese Systematiken nicht extra gelistet. Ist der Anteil ein größerer bzw. die Trennung zwischen E- und U-Musik schwierig, so wurden diese Systematiken in [ ] Klammer gesetzt. Der kleine Bestand an CD- und DVD-ROMs, an Zeitschriften und der Bestand von ca. 10.000 LPs, die nicht entlehnbar sind, wurden ebenfalls nicht berücksichtigt. Stand von Dez. 20062 Tonträger: = CDs [CD.04] Operette 192 CD.09 Rock / Pop 6904 CD.10 Jazz 4007 CD.11 World- und volksmsuik 2188 CD.12 Cnansons / Liedermacher 556 CD.13 Schlager / Gebrauchsmusik 473 CD.14 Filmmusik 755 [CD.18] Playback-Aufnahmen 430 CD.20 Meditations- und Entspannungsmusik 266 [CD.21] Musical 255

CDs gesamt 16026

Bücher: KM.MN52, 54, 540, 55, 56, 560, World- u Volksmusik, U-Musik, U-Musik Interpreten, 1560 [MN41] Chanson, Jazz, Jazz-Interpreten, [Musical, Operette] [1631]

2 Quelle: bibliotheca-Statistik der Hauptbücherei, Dezember 2006

20 Noten: KM.NB3 Chor U-Musik 121 KM.NC14 Klavier Rock/Pop 91 KM.NC15 Klavier Jazz 154 KM.NCK Keyboard U-Musik 74 [KM.NE] Harmonika-Instrumente [66] KM.NF Schlagzeug, Percussion 96 KM.NG2 Gitarre Worldmusic 35 KM.NG3 Gitarre Rock/Pop 237 KM.NG31 Gitarre Rock/Pop Lehrbuch 91 KM.NG4 Gitarre Jazz 78 KM.NG41 Gitarre Jazz Lehrbuch 33 KM.NG5 Bass u.a. Zupfinstrumente 58 [KM.NH% ohne NH4] Blasinstrumente [473] KM.NH4 Blasinstrumente Jazz/Pop 135 KM.NL6 Streichinstrumente U-Musik 31 KM.NP1 Liederbücher, Songbooks gemischt 56 KM.NP11 Liederbücher: deutscher Sprachraum 132 KM.NP12 Liederbücher, Songbooks: andere Sprachen 93 KM.NP14 Songbooks / Noten Rock/Pop 605 KM.NP15 Songbooks / Noten Jazz 101 KM.NP16 Songbooks / Noten Filmmusik 90 KM.NP17 Songbooks / Noten Liedermacher, Chanson 66 KM.NP18 Songbooks Schlager, Volksmusik 77 KM.NR Partituren U-Musik 27

[KM.NU12, 13] Klavierauszüge Operetten , Musical [175, 278]

Noten gesamt 2481 [3473]

Bildtonträger: TV.KM.09, 10, 11, 12, 13, 14, 18, 20 Video Pop, Jazz, World, Chanson, Schlager, Lernen, 294 [TV.KM.04, 21] Meditation, [Operette, Musical] TT.KM 09, 10, 11, 12, 13, 14, 20 DVD Pop, Jazz, World, Chanson, Schlager, Meditation 458 [TT.KM.04, 21] [Operette, Musical] Bildtonträger gesamt 752

U-Musikmedien gesamt 21882

2.2.1.1. Entwicklung des Bestandes seit Eröffnung der neuen HB (Zeitraum Juni 2003 bis Dezember 2006) Nach April 2006 kam es zu einer drastischen zahlenmäßigen Verringerung des Bestandes an CDs. Dies geschah jedoch nicht durch natürlichen Abgang mittels Verlust oder Makulatur sondern durch eine Neuregelung Medienpakete betreffend. Vor diesem Zeitraum wurden Doppel-CDs wie 2 CDs gezählt, Dreifach-CDs wie 3 CDs usw... Seit Mai 2006 gilt 1 Medienpaket als 1 Medium, also eine 3-fach CD als eine CD. Das verringerte gleichzeitig die Anzahl der Medien als auch die Absenzquote. Mit März/April 2006 wurde sowohl ein Höchststand an U-Musikmedien erreicht als auch bei einigen

21 Systematiken die (bis Dezember 2006 eingerechnet) höchste Absenzquote. Die Umarbeitung der Medienpakete in diesem Zeitraum ist auf der folgenden Tabelle zu berücksichtigen.3 (Systematikzuordnung siehe vorangegangene Tabelle)

[AQ = Absenzquote: prozentueller Anteil der entliehenen Medien ; B = Bestand: Anzahl der verfügbaren Medien ; blaue Zahlen: jeweilige höchste Bestandszahl bzw. Absenzquote ; grüne Zahlen: jeweilige niedrigste Bestandszahl bzw. Absenzquote]

Systematik Juni 03 AQ Mai 04 AQ Dez. 05 AQ April 06 AQ Dez.06 AQ (Auswahl) B B B B B CD.09 5657 52,5 6449 58,6 6787 67,9 6989 68,0 6904 61,9 Rock/Pop CD.10 3688 44,5 3863 52,9 4020 61,3 4112 65,5 4007 59,6 Jazz CD.11 1760 49,8 1871 56,4 2048 64,3 2103 49,5 2188 62,7 World CD.12 511 55,4 561 61,1 579 67,6 584 72,4 556 68,3 Chanson CD.13 373 38,3 388 54,1 476 58,9 465 65,3 473 60,9 Schlager CD.14 682 55,9 717 61,2 770 72,5 733 77,8 755 69,7 Filmmusik CD.18 213 26,8 351 40,2 469 56,5 466 51,3 430 54,5 Playback CD.20 235 62,6 255 63,1 252 82,0 256 77,5 266 80,0 Meditation

Noten KM.NP14 425 62,6 506 74,3 662 70,7 707 72,2 605 70,8 KM.NP15 75 72,0 89 94,1 91 90,7 104 88,0 101 91,5 KM.NC14 54 68,5 68 66,2 91 65,6 86 63,8 91 61,8 KM.NC15 118 61,0 131 72,5 149 81,1 156 70,5 154 69,7 KM.NG3 160 48,1 214 50,5 233 55,3 241 54,2 237 51,1

Bücher KM.MN54 368 24,2 356 41,3 360 40,5 395 45,5 414 49,1 KM.MN540 494 27,9 543 33,7 593 36,4 608 34,9 620 36,2

DVD 98 61,2 182 57,1 244 88,5 242 85,8 293 77,7 TT.KM.09

GESAMT 14911 16544 17824 18247 18094

2.2.2. Bestand an U-Musik-CDs in den Zweigstellen der Büchereien Wien

Zwar besitzt die Hauptbücherei mit der integrierten Musikbücherei als einzige der insgesamt 39 Zweigstellen der Büchereien Wien einen großen Bestand an Noten, aber alle Zweigstellen besitzen AV-Medien, darunter kein geringer Anteil an U-Musikmedien. Die Anzahl an U-Musik-CDs beträgt bei den kleineren Zweigstellen meist einige hundert

3 Quelle: bibliotheca-Statistik der HB im Zeitraum Juni 2003 bis Dezember 2006

22 Stück, 15 Zweigstellen (HB eingerechnet) können aber mit einer Stückzahl von über 1000 U-Musik-CDs aufwarten. Mit 4284 CDs (Stichtag 03.05.2007) besitzt die zweitgrößte Zweigstelle der Büchereien Wien, die Stützpunktbücherei Philadelphiabrücke mit zusätzlichem Schwerpunkt Jugend auch den zweitgrößten Bestand an U-Musik CDs. Im Jahr 2006 erzielte man 44643 Entlehnungen. Die Stützpunktbücherei Bernoullistrasse hat den drittgrößten Bestand mit 2800 U-Musik-CDs und 18466 Entlehnungen im Jahre 2006..

Ich liste hier nun die 15 Zweigstellen mit über 1000 U-Musik-CDs auf, plus der Gesamtanzahl aller Musik-CDs, der Entlehnzahlen des Jahres 2006 und die Absenz von U-Musik-CDs vom 03.05.2007.4

Zweigstelle der Bestand an Bestand an CDs Entlehnungen von Absenz von Büchereien Wien U-Musik-CDs gesamt U-Musik-CDs 2006 U-Musik-CDs (03.05.2007) (03.05. 2007) (03.05.2007) 01 Hauptbücherei 17582 35707 171953 8748 04 1334 2825 7708 436 06 1130 2562 7543 424 10 1012 2483 4372 212 12 1167 2980 8656 460 16 1123 2679 3888 190 18 1648 3334 4910 202 23 4284 8045 44634 2007 30 1405 3223 5649 264 32 1161 2435 3356 186 39 1219 3402 4645 232 40 1068 2322 3143 275 47 1184 2908 4613 205 49 2800 4578 18466 795 53 1238 2936 6766 329

Folgende Tendenz ist dabei festzustellen. Bei einem höheren Bestand an CDs sind auch die Umsatzzahlen höher. Im Schnitt wird eine U-Musik-CD in der Hauptbücherei und der Philadelphiabrücke bis und über 10x pro Jahr entliehen.

4 Kellner, Robert: bibliotheca-Abfrage vom 03.05.2007. [EDV-Abteilung d. MA-13 Büchereien Wien]

23 [Im Zeitraum von Juli 2006 bis August 2007 wurde aus Personalgründen nur eine geringe Anzahl an U-Musik-CDs für die Zweigstellen eingekauft, was darauf schließen lässt, dass die Entlehnzahlen bei Vorhandensein aktuellerer CDs noch besser gewesen wären.]

Die Statistik belegt die Beliebtheit von U-Musikmedien in allen Zweigstellen der Büchereien Wien, bis zu einem gewissen Grad auch unabhängig von Lage und Größe der jeweiligen Bücherei.

Weitere U-Musikmedien in den Zweigstellen sind neben Büchern und CDs noch Videos und DVDs. Letztere werden seit einigen Jahren verstärkt angeboten, kosten jedoch 1€ Entlehngebühr für 2 Wochen pro Medium. Das tut dem großen Entlehnerfolg jedoch keinen Abbruch. Absenzquoten von bis zu 90% in der HB sind hier keine Seltenheit. Unerfreulicherweise werden von dieser Mediengruppe sehr viele Exemplare gestohlen, dies wiederum hat die Einkaufs- und Bereitstellungsoffensive immer wieder gebremst. Andererseits sind die Einnahmen über diese Medien hoch, bei Entlehnungen von 20-40x pro Jahr könnte die hohe Diebstahlsquote relativiert werden. Als Lösung käme zumindest in der Hauptbücherei nur ein eigener Ausgabeschalter für DVDs in Frage. Dies wäre aber nur mit mehr Personal zu bewältigen. Über die Einnahmen beziehungsweise die Verhinderung der Mehrkosten bei Diebstahl wäre das dafür zusätzlich benötigte Personal möglicherweise zu finanzieren, wenn man bedenkt, dass folgende Kostenpunkte bei Diebstählen anfallen: Kosten des entwendeten Mediums. Kosten der Transponder. Neukaufkosten. Neusicherungskosten. Verlust an Einnahmen durch Fehlen von Medien und Dauer der Einarbeitung bei Neukauf. Personal- und doppelte Arbeitszeitkosten. Würden hingegen z.B. 5.000 – 10.000 DVDs mit einem Entlehnschnitt von 10-20x im Jahr ausgegeben werden, so könnte mit den Einnahmen mehr Personal zur Verfügung gestellt werden. Gleichzeitig bedeutet aber die Ausgabe an einem Ausgabeschalter in einer Freihandbibliothek einen Rückschritt für eine moderne, benutzerorientierte Bibliothek und ist daher nur im äußersten Notfall erstrebenswert.

24 2.2.3. Geschichte der Bestandsentwicklung von U-Musikmedien bei den Büchereien Wien

3 Voraussetzungen erscheinen heute für die rasante Bestandsentwicklung von U- Musikmedien, hier vor allem von Tonträgern und Noten, bei den Büchereien Wien verantwortlich. Erste Voraussetzung war eine neue Generation an Bibliothekaren, die es nicht mehr als vorrangiges Ziel sah, den Bibliotheksbenutzer zu bevormunden, sondern versuchte, die Wünsche eines breiten Publikums zu erfüllen. Dies kann nur funktionieren, wenn man z.B. U-Musik nicht wertend betrachtet. Bestand das Hörpublikum ab Eröffnung der Musikbücherei in der Hauptbücherei im Jahre 1970 als erste öffentliche Musikbücherei zum größten Teil aus Musikstudenten, Musikwissenschaftlern, Musikern, Lehrern und Klassikfans, also einer kleinen Zielgruppe, wurde mit dem Ankauf und der damit verbundenen Entlehnung von U-Musikmedien in allen Zweigstellen ein breites Publikum angesprochen.

Dies war auch die entscheidende zweite Voraussetzung: die Akzeptanz durch die Benutzer. Die Möglichkeit der Entlehnung von zuerst Kassetten ab 1977 und dann CDs ab 1990 wurde begeistert aufgenommen.

Voraussetzung Nr. 3 war eine Tendenz innerhalb der Stadtpolitik, sich marktwirtschaftlichen Vorgaben auch in Öffentlichen Bereichen anzupassen. So mussten Öffentliche Büchereien beginnen, Leistungen anhand von Zahlen vorzuweisen. Insofern kamen die hohen Entlehnzahlen bei U-Musik nur recht. Konnte sich die beinahe vollständig auf klassische Musik ausgerichtete Musikbücherei unter ihrem damaligen Leiter Rudolf Komarnicki noch als eine Art elitärer Kreis mit einem hohen Grad an Selbstbestimmung betrachten, haben sich die Vorgaben in den folgenden Jahren immer mehr verschärft. Wichtig erscheinen heute in erster Linie hohe Entlehnzahlen, die momentan bei den U-Musikmedien noch vorhanden sind. Doch auch hier dürfte bereits eine Sättigung eingetreten sein, das Downloaden von Musik als direkter Konkurrent für den Entlehnbetrieb von CDs scheint vor allem bei Jugendlichen gut zu greifen. Die Entwicklung in den nächsten Jahren wird für die Zukunft der herkömmlichen CD und der damit verbundenen Entlehnung in Öffentlichen Büchereien entscheidend sein.

25 2.2.3.1. Geschichte der Bestandsentwicklung in der Hauptbücherei Das Umdenken bei den Büchereien Wien setzte zeitgleich mit Aufkommen der Compact Disc ein, die 2007 ihr 25-jähriges Bestehen feierte. 1982 war das Jahr der Markteinführung der Compact Disc, 1984 ging der vielgerühmte damalige Leiter der Musikbücherei, Rudolf Komarnicki, in Pension. Komarnicki wird von jenen Menschen, die ihn gekannt haben, als außergewöhnlicher Mensch bezeichnet, er war aber sicher kein Freund der „leichten Muse.“ So finden sich bis zu diesem Zeitpunkt nur Volksmusik und einige wenige ausgewählte Jazz- und Popplatten im Bestand der Hauptbücherei.

„Ich kann mich erinnern, es hat das blaue und das rote Beatles-Album gegeben, die irgendwann von Rudolf Komarnicki angekauft wurden. Da hat man schon durchschauen können, so abgespielt waren die. Durch Mundpropaganda hat es sich herumgesprochen, dass es diese Platten gibt, und die sind, vor allem von Kindern, immer wieder angehört worden. Es ist aber nicht weiter ausgebaut worden. Da war faktisch nichts vorhanden.“ 5

„Und dann [gab es ] diese Michael Jackson Platte, und The Harvest von Neil Young und Beatles, das blaue und das rote Album und ein paar so Hadern, das hat auch schon der Komarnicki eingekauft. Aber wirklich nur so ganz vereinzelt, so punktuell ein paar Popmusiksachen, das wurde ja nicht goutiert.“ 6

Mit Reinhard Wieser als neuem Leiter der Musikbücherei von 1984-1988 wurde dann der eigentliche Wechsel von der reinen Klassikbücherei zur breitgefächerten, allen Musikrichtungen offenstehenden Bücherei durchgeführt. Es begann der intensive Einkauf von U-Musikmedien. 1986 wurden die Grundbestände im Bereich Jazz und Popmusik noch auf Kassetten ergänzt und nachgekauft, parallel lief aber bereits der Einkauf von CDs und noch der von Schallplatten.7 Mit Etablierung der CD wurde der Einkauf von LPs und Kassetten jedoch beendet. Vorerst konnte man CDs aber, so wie es bei Schallplatten auch der Fall war, nicht entlehnen, sondern nur in der Musikbücherei auf der hauseigenen Abspielanlage anhören. Diese war 1985 erneuert worden. 14 Plattenspieler, 2 Tape-Decks und ein CD-Spieler standen zur Verfügung.8 1987 werden dann zusätzliche CD-Spieler angeschafft, die im Laufe der Zeit die Plattenspieler verdrängen. Zum jetzigen Zeitpunkt stehen den Benutzern in der Musikbücherei im College 5 der Hauptbücherei Wien am Urban-Loritz-Platz 17 CD-Spieler, 6 DVD- und Videogeräte und 2 Plattenspieler zur Verfügung.

5 Ausschnitt aus einem Interview mit Reinhard Wieser im September 2007. 6 Ausschnitt aus einem Interview mit Bernadette Posch, Bibliothekarin in der Billrothstrasse, im September 2007. 7 vgl. Pravits, Anita: Die Hauptbücherei der Wiener Städtischen Büchereien. Hausarbeit im Rahmen des Ausbildungskurses 1999/2000. S.22. 8 ebda.

26 1990 ist dann das große Jahr der CD, sie steht endlich zur Entlehnung zur Verfügung. 1992 sind 4.100 Musik-CDs im Bestand gelistet.9 Am 03. Juni 2007 ergibt eine bibliotheca- Abfrage einen Bestand von 17.582 U-Musik-CDs bei etwa 36.000 CDs gesamt.10 Auch alle Zweigstellen haben den CD-Bestand im Musikbereich kontinuierlich ausgebaut und insgesamt weisen 14 Zweigstellen (ohne HB) einen Bestand mit mehr als 1000 U- Musik-CDs auf. U-Musiknoten werden hingegen fast nur von der Musikbücherei eingekauft und zur Verfügung gestellt. Auch hier kam es innerhalb von 20 Jahren zu großen Bestandserweiterungen und überdurchschnittlich hohen Entlehnungen. Seit 1995 gibt es auch Musikvideos, die in der Zwischenzeit immer mehr durch Musik-DVDs verdrängt werden. Die Begeisterung der Benutzer Mitte der 90er Jahre geht soweit, dass viele CDs verschwinden, also gestohlen werden. Nach einer Inventur von Rudi Kraus und Peter Hörschelmann, die einen immensen Schwund an CDs nachweist, reagiert man 1997 mit der Installation einer Mediensicherungsanlage. Schwachpunkt der Anlage war, dass sie nur beim Ausgang, nicht aber beim Stiegenaufgang zur Musikbücherei aufgestellt war. „Somit konnte die hohe Anzahl an Diebstählen nicht wirklich konsequent verhindert werden.“ 11

In die Amtszeit von Dr. Alfred Pfoser als Leiter der Büchereien Wien (1998 – 2007) fallen mehrere große Veränderungen, die die Bedeutung der Öffentlichen Büchereien als kulturelle Einrichtungen und Kommunikationszentren auch in Zukunft erhalten sollen. 1999 bekommen die Büchereien Wien ein EDV-System, das alle Zweigstellen integriert, und die Bibliothekssoftware Bibliotheca. Ab 2002 gibt es auch erstmals festgelegte Budgets für den Einkauf der einzelnen Colleges, die am Jahresanfang festgelegt werden. Für den im U-Musikbereich einkaufenden Bibliothekar eine wichtige Richtlinie bei Recherche und Auswahl der Medien. Die Ausstattung der Medien mit neuen RFID-Transpondern ab 2002 sollte schnellere und problemlosere Entlehnungen und mehr Sicherheit vor Diebstahl garantieren.12 2003 erfolgt der Umzug der Hauptbücherei vom ungünstig gelegenen und mit den Jahren viel zu klein gewordenen Standpunkt aus der Skodagasse in die neu gebaute Hauptbücherei

9 Posch, Bernadette: Öffentliche Musikbücherei Wien. Entwicklung – Vergleiche – Tendenzen. Hausarbeit im Rahmen des bibliothekarischen Ausbildungskurses 1999/2000, S. 11. 10 Kellner, Robert: bibliotheca-Abfrage vom 03.06.2007. [EDV-Abteilung d. MA-13 Büchereien Wien] 11 Ausschnitt aus einem Interview mit Peter Hörschelmann, Bibliothekar in der HB, im September 2007. 12 RFID steht für Radio Frequenzy Identification. Siehe dazu Kapitel 4.

27 am Urban-Loritz-Platz im 7. Wiener Gemeindebezirk. Das attraktive und moderne Haus, die gute Lage und die ständige Präsenz in den Medien bedeuten auch für die U- Musikmedien immens hohe Entlehnquoten. Bei den U-Musik-CDs betrug die Absenzquote im Juni 2006 und 2007 bei einigen Systematiken noch immer bis zu 75%. Auch die Absenzquote bei U-Musiknoten kann sich sehen lassen und bewegt sich bei einzelnen Systematikgruppen zwischen 60 und 80%.13

Neben zahllosen positiven Entwicklungen ergeben sich durch die hohen Besucherzahlen bei relativ gering erscheinender Personalanzahl auch eine Unzahl von bis heute ungelösten Problemen. So sind die zwei für den U-Musikbereich zur Verfügung stehenden Bibliothekare einer Dauerbelastung ausgesetzt, die sich aus der Vielfalt an zu bewältigenden Aufgaben ergibt. Neben Recherche, Einkauf, Einarbeitung, Katalogisierung, Sicherung, Bestandspflege und Bereitstellung der U-Musikmedien gehören auch noch das Einstellen der Medien und bis zu 4 Stunden Front-Office-Dienste täglich sowie die Bearbeitung einer immens hohen Anzahl an Problemfällen (Diebstähle, nicht vollständige oder kaputte Medien, Reklamationen) zu den Aufgaben. Front-Office- Dienste (Entlehn- und Rückgabeschalter, Infotheke, Auskunftsdienst) sind aufgrund der hohen Besucherfrequenz mit keiner geringen Anzahl an schwierigen Einzelpersonen oft mit hoher psychischer Belastung und zusätzlichem Arbeitsaufwand verbunden. Hier wird meist am Limit der Leistungsfähigkeit gearbeitet. Abstriche im Bereich der Recherche, der Katalogisierung und der Bestandspflege mussten dafür in Kauf genommen werden.

2.2.3.2. Standort der U-Musikmedien in der Hauptbücherei Der U-Musikbereich in der neuen Hauptbücherei am Gürtel befindet sich zur Gänze in der Mitte des dritten Obergeschosses. Integriert im College 5: Kunstraum – Musikbücherei finden sich alle U-Musik-CDs sowie Videos und DVDs im Bereich 5a: Szene. Auch die Noten der Systematik KM.NP sowie Bücher zum Thema U-Musik sind hier aufgestellt. Die Architektur des Hauses bedingt eine räumliche Trennung der Bereiche Kunst und Musik, aber auch innerhalb der Musik. So finden sich sämtliche andere U-Musik-Noten und einiges an Sachliteratur zur U-Musik sowie alle 10.000 Schallplatten im Bereich 5b: Musik.

13 Quelle: bibliotheca-Statistiken der HB 2006/2007

28 Die Lage von 5a und 5b im 3. Obergeschoss der Bücherei wird auf der Skizze aus der Vogelperspektive aus veranschaulicht:14

Die großen CD-Bereiche Jazz/Blues und Pop-Rock sind in eigenen Regalen untergebracht, die weiteren U-Musik-CDs sind gemeinsam mit den Klassik-CDs an einer Holzwand untergebracht, die sich über die ganze Länge des Raumes zieht. (Siehe Bildmaterial im Anhang.) So haben die Benutzer viel Platz und behindern sich nicht mehr gegenseitig bei der Suche.

Insgesamt stehen heute den Benutzern im College 5: Kunstraum/Musikbücherei 17 CD-Abhörplätze, 2 LP-Abhörplätze, 6 DVD- und Videoabspielplätze, 6 Opac-Schirme, 1 Internetzugang und 1 Piano mit Verbindung zum Notensatzprogramm Finale zur Verfügung.

2.2.3.3. Die Situation in der Stützpunktbücherei Philadelphiabrücke Wie in Kapitel 2.2.2. auch mit Zahlen belegt wird, können die Zweigstellen auf einen großen Erfolg mit U-Musikmedien hinweisen. Der Einkauf der Musik-CDs erfolgt dabei zum größten Teil zentral über Peter Hörschelmann, der auch den gesamten Bereich Pop/Rock und Moderne Klassik in der HB betreut. Bei der zweitgrößten Zweigstelle, der Stützpunktbücherei 23 – Philadelphiabrücke, wird dabei zusätzlich Augenmerk auf Mainstream-Pop für die Zielgruppe Jugendliche gelegt. Die Leiterin der im September 2004 eröffneten Bücherei, Gina Jank, berichtete mir dazu in einem Interview über die momentane Situation:

14 Grafik von der Homepage der Büchereien Wien unter www.buechereien.wien.at

29

„Es gibt 2 Schwerpunkte: für junge Menschen zwischen 12 und 18. Und der zweite Schwerpunkt ist Musik. Wir haben auch Musiknoten, wobei wir nichts im klassischen Bereich haben, sondern im sogenannten U-Musik-Bereich. Seit September 2004 sind wir hier, seit Anfang an mit Schwerpunkt U-Musik. Der zweite Schwerpunkt Musik hat sich ergeben, weil neben uns die Musikschule ist. Und zudem ja Musik sich mit dem ersten Schwerpunkt kombiniert, da junge Menschen, wenn sie Lebensgefühl oder den Standort in der Gesellschaft suchen, dann wird das ja vielfach auch über Musik dokumentiert. Die 2 Schwerpunkte beeinflussen sich also. Ich wollte ja immer Songbooks haben, aber von den finanziellen Möglichkeiten wäre es nicht drinnen gewesen, dass ich das ganze Musikspektrum bediene. Und du musst , wenn du einen gewissen Schwerpunkt hast, immer Geld investieren. Da die HB z.B im Musicalsektor nicht so viel hat, versuchen wir das abzudecken. Sozusagen das sich unsere Büchereien untereinander ergänzen. Wir haben 60 000 Medien als Zielbestand, ein Drittel davon ist im AV-Bereich. Davon sind wiederum über 4000 CDs aus dem U-Musikbereich...... Soweit ich es beobachte, borgen Jugendliche schon viel aus, wobei es wird halt auch bereits viel übers Internet runtergeladen. Was bei uns schon sehr gut geht, ist diese klassische Rock-Schiene. Was wieder ungefähr auf die genannte Benutzergruppe deiner Statistik [siehe Kapitel 5 – Anm. d. Verf.] zutreffen würde. Aber HipHop und Mainstream gehen schon gut. Das ist eindeutig die Jugendschiene. Bei den Songbooks ist die Absenzquote nicht so hoch, wobei ich glaube, dass vielfach eine Vorortnutzung stattfindet. Meist wird ja nur ein Lied gesucht. Zum Beispiel für die Musicalausbildung brauchen sie halt für Auditions ein Lied, und es hat sich schon rumgesprochen, dass wir da viel haben. Und für ein Lied kauft ein Gesangsschüler nicht sofort einen teuren Notenband.. Also ich bin der Meinung, dass es gut ist, dass wir es haben, fürs Image...... Schüler der Musikschule kommen relativ wenige, das liegt wohl am Aufbau der Musikschule. In der Musikschule sind eher Kinder, nicht viele Jugendliche. Und Jugendliche, die sich ernsthaft für Musik interessieren, gehen, glaube ich, woanders hin. Unsere Zusammenarbeit ist hier aus verschiedenen Gründen nicht ideal, die Leitung der Musikschulen scheint hier andere Ziele und Meinungen als die unsere zu vertreten. Aber es muß ja nicht sein. Wir setzen ja einen Musikschwerpunkt für ganz Wien und nicht nur für die Musikschule daneben.“ 15

Auf meine Frage, ob sie sich vorstellen könne, dass in der Zukunft z.B. Musikmedien der Bücherei nur noch online ausgeborgt werden, also übers Internet für eine bestimmte Entlehndauer runtergeladen, oder der Download über Computer in der Bücherei erfolgt, erwidert Gina Jank folgendes:

„Ich denke, es gibt unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Interessen. Viele Menschen kommen ja, um hier Zeit zu verbringen und nicht nur ihre Medien abzuholen. Vielfach wollen die Menschen ja auch hineinschauen. Bei Fernleihe mußt du ja schon wissen, was du willst. Aber oft sitzen Benutzer halt und hören sich CDs an oder entdecken beim Durchstöbern etwas Interessantes. Genauso ist es bei den Büchern. Also diese sinnliche Erfahrung der Auswahl findet ja nur statt, wenn du die Bücher in der Hand

15 Ausschnitte aus einem Interview mit Gina Jank, Leiterin der Stützpunktbücherei Philadelphiabrücke, im Oktober 2007.

30 hältst, oder reinschaust oder CDs anhörst. Also rein die Entlehnzahlen sagen ja noch lang nicht aus, wie die CDs genutzt werden. Es gibt immer eine Vorortnutzung, vor allem bei den Songbooks und den CDs...... die Jugend ist in der Hinsicht sicher schon anders. Die Mediennanzahl ist ja schon so hoch. All diese Medien und Infos, du musst ja wirklich eine kurze Essenz rausnehmen, das muss rasch gehen. Es gibt sicher einen Generationsunterschied. Aber ich denke, es gibt Menschen, die kommen nur her, konsumieren, nehmen sich rasch die Sachen, zackzackzack und gehen wieder. Und dann gibt’s welche, die einfach hier sein wollen. Weil der Ort etwas hat...... Du weißt ja, heute ist der Markt so groß, da sind irgendwelche Sternchen am Himmel und sind morgen schon wieder weg. Früher hatten weniger die Möglichkeit, und da sind halt viele Stars geblieben. David Bowie oder so. Qualität bleibt...... Früher war ein gewisser Teil der Musik-CDs auch im Jugendregal. Und später sind wir draufgekommen, dass, wenn sich junge Menschen für Musik interessieren, man das nicht alles so in eine Sparte zwängen kann. Also wir haben dann das Jugend-CD-Regal aufgelöst. Und die Musik-CDs befinden sich jetzt eigentlich alle in einem Bereich.“ 16

Die Stützpunktbücherei ist momentan die modernste Zweigstelle der Büchereien Wien, denn sie besitzt als einzige auch RFID-Rückgabe. Auch ist sie architektonisch und das Interieur betreffend zweifellos eine der schönsten Büchereien, wie es auch das Bildmaterial im Anhang der Arbeit veranschaulicht.

2.2.3.4. Die Situation in der Stützpunktbücherei Bernoullistrasse Auch in der Bücherei 49 - Bernoullistr., im 22. Wiener Gemeindebezirk, mit dem zweitgrößten Bestand an U-Musik-CDs (gab und ) gibt es Bibliothekare, die eine sehr engagierte Bestandspflege im Musikbereich betreiben und hier ein interessantes Angebot – vor allem im Bereich „Adult Music“ – vorweisen können. Susanne Kurz, Leiterin der Bücherei Bernoullistrasse, hat mir in einem Gespräch dazu folgendes geschildert :

„U-Musik wird sehr gut entlehnt. Schon als wir noch Tonkassetten hatten - auch hier hatte die Bernoullistraße schon früher mehr Medien im Bestand als andere Büchereien, dank des Einsatzes des damaligen Leiters - gingen die weg wie warme Semmeln. Daran hat sich nicht viel geändert, außer dass sich vielleicht die Benutzergruppen ein bisschen verschoben haben. Waren es damals eher Teenager, die sich über den Bestand stürzten, so sind es jetzt eher Menschen gehobeneren Alters, also so um die 30 bis 50, und hier ist vor allem auch der Männeranteil, gemessen an den sonstigen männlichen Entlehngewohnheiten, ziemlich hoch. Die Verschiebung des Hörer/innenanteils mag vielleicht an MP3 und Downloads liegen, die Teenies möglicherweise eher nutzen als die ältere Generation ...

16 ebda.

31 ... es kommen auch Nutzer/innen aus anderen Büchereien extra wegen der CDs zu uns, bzw gibt’s viele Vorbestellungen. Pop/Rock entlehnt sich besser als Jazz und Ethno. Bei aktuellem Pop/Rock liegen die Entlehnungen manchmal bei 12-15 Entlehnungen pro Jahr, bei Jazz und Ethno auch so um die 10, ausgenommen bei Interpretinnen wie Diane Krall und ähnlichen gehypten Musker/innen. Wobei bei vielen CDs ein deutlicher Rückgang der Entlehnungen von Jahr zu Jahr zu bemerken ist , also unaktueller werden. Es gibt aber auch genügend Dauerbrenner, die üblichen Klassiker, wie Rolling Stones, U2, Clapton, Falco, Nirvana, Queen, R.E.M. und dergleichen. Die beiden CDs mit den meisten Entlehnungen sind übrigens "Ambros- Zentralfriedhof", knapp gefolgt vom Soundtrack zu "Bodyguard“. Bei Pop/Rock geht eigentlich alles, was neu ist und halbwegs bekannt. Jazz borgt sich vielleicht jetzt ein bisschen weniger aus als vor 5-10 Jahren, Ethno geht vielleicht eine Spur besser als Jazz, vor allem keltisch und südamerikanisch und , ja, also CDs mit schönem Cover, die sind auch Dauerbrenner. Die Musik-DVDs gehen ganz gut, aber nicht so wie die CDs. Das mag an den Gebühren liegen, sie gehen auf jeden Fall nicht so gut, dass wir jetzt großartig ausbauen wollen. Und es ist trotz erhöhter Quoten oft noch ein zähes Verhandeln, dass jemand nicht 20 CDs ausborgen kann, auch dann nicht, wenn die Person sie ‚eh gleich morgen‘ wieder zurückbringt.“ 17

Susanne Kurz führt in dieser Schilderung gleich mehrere Punkte an, die Gültigkeit für alle Zweigstellen der Büchereien Wien haben. Da wäre einmal die Tatsache, dass sich neuere CDs naturgemäß besser entlehnen, aber auch, dass sich im Lauf der Jahre ‚Dauerbrenner‘ entwickeln, die sich unabhängig von Zeitgeist und Musikströmungen konstant gut entlehnen. Ein weiterer wesentlicher Punkt, der sich auch durch die ganze Projektarbeit zieht, ist der Umbruch in der Musikindustrie. Die Entlehner von U-Musik-CDs sind älter geworden, die Jugend verwendet schon intensiv die neuen Technologien wie Internet, MP3-Player oder USB-Sticks. Ein Trend, der sich bei den Büchereien Wien bereits bemerkbar macht.

17 Ausschnitte aus einem Interview mit Susanne Kurz, Leiterin der Stützpunktbücherei Bernoullistrasse, im Oktober 2007.

32 3. Katalogisierung von U-Musikmedien

Während Bücher über U-Musik nach den „Regeln für die alphabetische Katalogisierung“ RAK behandelt werden, erfolgt die Katalogisierung von U-Musikdrucken (also Songbooks, Partituren, etc...) und Nichtbuchmaterialien mit musikalischen Werken, zu denen Tonträger (also CDs, LPs, etc...) und Bildtonträger (also DVDs und Musikvideos) zählen, nach den RAK-Musik. Die RAK-Musik sind Sonderregeln der RAK, die den Besonderheiten von Musikmedien Rechnung tragen sollen. Dabei unterscheiden sich die RAK-Musik im formalen Schema nur unwesentlich von den RAK. Ein Katalogisat nach RAK-Musik würde bei einem Verfasserwerk folgendes formales Schema aufweisen, wobei als Verfasser der Komponist oder bei interpretengebundener Musik der Interpret oder die Musikgruppe angegeben wird.1

Verfasser in Ansetzungsform:

Sachtitel [allgemeine Materialbenennung] : erster Zusatz ; weiterer Zusatz / Verfasserangabe. – Ausgabebezeichnung. – Erscheinungsort : Verlag, Erscheinungsjahr. – Kollationsvermerk. – (Reihe ; Bandzählung : Unterreihe)

Fußnote(n): Fußnote 1. – Weitere Fußnoten

ISMN ISMN-Zusatz

NE: NE 1; weitere Nebeneintragungen VW; VW1; weitere VW

Jetzt gehört gerade der U-Musikbereich zu den jüngsten im bibliothekarischen Betätigungsfeld und mag auch als eher untypisches Interessensgebiet für den klassischen Bibliothekar gelten. Auch herrscht nicht die Ordnung vor, wie es in der Buchbranche üblich ist. Während jedes Buch durch seine ISBN (International Standard Book Number) eindeutig zuzuordnen ist und meist bereits ein Katalogisat aufweist, das der Bibliothekar im einfachsten Falle nur zu übernehmen braucht, ist dies bei Noten und Musiktonträgern

1 Oszuszky, Claus: Einführung in die „Regeln für die Alphabetische Katalogisierung“ (RAK) / Claus Oszusky – Wien : BVÖ, 2006. (BVÖ-Materialien ; 11), S. 88.

33 nicht der Fall. Da auch noch der Großteil der U-Musik nicht aus deutschsprachigen Ländern kommt – der Hauptanteil entfällt dabei auf die angloamerikanischen Länder –, und die Musikbranche anders organisiert ist als die Buchbranche, ist die Katalogisierung eine aufwendige Arbeit. Letztendlich muss jede CD, jeder Notenband einzeln durchgesichtet und katalogisiert werden. Während Bücher mit der Hautptitelseite und dem Impressum grundsätzlich alle für das Katalogisat entscheidenden Daten aufweisen, sind CDs in erster Linie nach grafischen und kreativen Gesichtspunkten gestaltet. Es kann vorkommen, dass zahlreiche Daten fehlen oder schwer auffindbar sind. Schreibweisen sind uneinheitlich, Rechtschreibregeln haben sich den grafischen Erfordernissen unterzuordnen. Deshalb erscheint es für diesen Bereich unerlässlich, dass Bibliothekare, die den U- Musikbereich betreuen, sich auch schon seit Jahren damit auseinandersetzen, wie es in der Hauptbücherei der Fall ist. Die grafische Gestaltung führt häufig dazu, dass Unbedarfte nicht mal Gruppen- oder Interpretennamen vom Albumtitel unterscheiden können und nicht die geringste Ahnung haben, welchem Musikstil die CD zuzuordnen ist. So geht es dann aber nicht nur Bibliotheksbenutzern, sondern auch den Bibliothekaren, was wirklich kein Wunder ist, bei der Flut an Veröffentlichungen auf diesem Sektor. Tatsächlich kann ich aber behaupten, dass ein geschultes Auge die Musikzuordnung mit hoher Wahrscheinlichkeit bereits nach der Gestaltung eines CD-Covers durchführen kann. Hier sind im Laufe der Jahre im grafischen Bereich gewisse ungeschriebene Regeln entstanden, die sich durch die gesamte U-Musikgeschichte ziehen. Diese Regeln gelten schließlich auch für die Bereiche Mode und Lifestyle. Der Beitrag der grafischen Gestaltung am Gesamtwerk ist in einer visuell ausgerichteten Gesellschaft kein unwesentlicher und ist daher auch Gegenstand zahlreicher Buchveröffentlichungen.

Zwei wesentliche Faktoren haben das Katalogisieren von U-Musikmedien in den letzten Jahren um einiges erleichtert und werden in Zukunft darüber entscheiden, ob der Benutzer (nur) mit Hilfe von Stichworten alle für ihn entscheidenden Musikmedien auffinden kann. Faktor eins sind die Masken der Bibliotheksprogramme - für die Büchereien Wien ist dies das Programm bibliotheca - , die durch die Eingabe in vorgefertigte Felder die Arbeit

34 erleichtern. So haben Bücher, Noten, Audiomedien und Zeitschriften verschiedene Masken. Die Hauptmaske für Musik-CDs sieht folgendermaßen aus:2

Der wichtigste Faktor der letzten Jahre ist aber sicher die Einbeziehung des Internets beim Katalogisieren von U-Musiknoten oder Tonträgern. Anfangs hat man gerade mal Bandname, Titel, Erscheinungsjahr und Erscheinungsort eingegeben sowie die drei ersten Songtitel. Dies war natürlich auch eine Frage des zeitlichen Aufwands und auch heute wird aufgrund von Zeitknappheit die Recherche im Internet und die Übernahme von Daten aus dem Internet nicht immer durchgeführt, was auch nicht verpflichtend ist. Die Hilfestellung für Musiksuchende und Bibliothekare ist aber immens, wenn man nur bedenkt, dass so jeder einzelne Songtitel zu eruieren ist, man nach Musikrichtungen, Künstlern, Instrumenten oder Ländern suchen kann. Begonnen hat alles mit der Übernahme von Daten von der bereits im ersten Kapitel vorgestellten Webseite allmusic, die jeden Songtitel auflistet, die Musikrichtungen festlegt, Querverweise en masse angibt und über brauchbare Artikel in Englisch über die Musiker

2 Hauptmaske des Bibliotheksprogramms bibliotheca zur Katalogisierung von Audio-Medien

35 und die einzelnen Werke verfügt. Eine riesige, unerschöpfliche Datenbank, die jedoch einen Nachteil hat. Der angloamerikanische Raum ist vorherrschend, andere Länder werden nicht so sorgfältig behandelt. In den letzten Jahren haben sich aber auch im deutschen Sprachraum riesige Internet- Datenbanken entwickelt, in der oft zusätzlich Rezensionen auf Deutsch erscheinen, sodass die meisten Daten von hier übernommen werden können. Neben der für den Markt korrekten Schreibweise von Bands und Interpreten, dem Titel und der Songliste, sind vor allem die Rezensionen zur Übernahme in das Maskenfeld „Annotation“ interessant. Da die Wörter, die in die Annotation eingegeben werden, seit geraumer Zeit per Stichwortsuche vom Bibliotheksbenutzer auf der Online-Datenbank aufgefunden werden können, sind gute Rezensionen äußerst hilfreich. Leider sind jedoch die meisten Rezensionen nicht besonders geistreich. Entbehrliche Texte wie „Ich find die CD so toll, die muss man kaufen“ sind in der Überzahl und absolut unbrauchbar. Die brauchbaren Rezensionen sind mit dem Namen eines Musikjournalisten versehen oder sind gekennzeichnete Artikel von Musikzeitschriften, Plattenfirmen oder Verlagswebseiten. Eine gute Rezension klärt über Musikstil, Musiker und Entstehung und Inhalt des Werkes auf.

Somit kann ein sorgfältig katalogisiertes musikalisches Werk dem Benutzer folgende zusätzliche Auskünfte geben: Titelabfolge (teilweise sogar mit der Länge der einzelnen Titel), Musikstil, mitwirkende Musiker, Infos zur Entstehung des Werkes, Querverweise zu ähnlichen Werken. Warum das manchen Benutzern so wichtig erscheint, will ich hier noch näher erläutern: In der U-Musik ist die Bedeutung einzelner Lieder oft größer als die Bedeutung der CDs, auf denen sie sich befinden, bzw. auch größer als die Bedeutung der Interpreten. Im Jazz und im Pop wird so von Bibliotheksbenutzern immer öfter nach einzelnen Nummern gesucht. Dies wird durch die Eingabe aller Songtitel möglich. Im Jazz sind die beteiligten Musiker von immenser Wichtigkeit. Während im Rock- und Popbereich meist Gruppen oder der genannte Interpret von Interesse sind, gibt es bei Jazzmusikern kaum die Bindung an Gruppen. So kommt es, dass ein Jazzfan vorrangig nach Musikern sucht. Die Eingabe der beteiligten Musiker hat im Jazz also Priorität. Sie ist im Rock-Popbereich vernachlässigbar, jedoch kommt es auch hier seit Jahren verstärkt zu Kooperationen bekannter Namen, die man berücksichtigen sollte. Wenn berühmte Musiker wie Sting oder Peter Gabriel auch nur an einer einzigen Nummer einer CD mitarbeiten,

36 erscheint mir dieser Umstand doch erwähnenswert. Musiker wie Musikfans suchen und finden so im Internet oft die Schmankerl der Musikgeschichte. Die Ergänzung des Musikstils wird immer wichtiger, sowohl in der Annotation als auch in der Beschlagwortung. Im Bereich der sogenannten World-Music ist die Zuordnung nach Ländern, Regionen, Städten oder Volksgruppen sowie der entsprechende Musikstil nicht zu vergessen. Was nutzt mir eine schöne CD mit Cajun-Musik oder „Dirty South Rap“, wenn ich nicht weiß, wie und wo ich sie finden soll? Neben den großen Verkaufsportalen seien noch die Labels, Verlage und Plattenfirmen als wichtigste Hilfestellung genannt, deren Webadressen meist auf den CDs angegeben werden.

Nun noch ein Blick auf U-Musiknoten. Auch hier hat sich im Katalogisat das Fehlen der Titel der Lieder als Schwachstelle herausgestellt. Wie bereits erwähnt, suchen Musiker und Musikinteressierte im U-Musikbereich vorrangig nach einzelnen Titeln. Zusätzlich werden gerade auf diesem Sektor zahllose Liedersammlungen angeboten, deren Inhalt auch übers Internet nicht recherchierbar ist. Titel wie „ Songs of the century“ oder „Love ballads“ sind bei spezieller Suche nicht sehr hilfreich. Teilweise gibt es Sammlungen mit mehreren 100 Liedern in einem Notenband, nur welche sind es? Dies gilt gleichermaßen für Jazz und Pop, der Benutzer ist gezwungen, sich die einzelnen Liedersammlungen vor Ort durchzusehen. Die Lösung, die seit kurzer Zeit in der Musikbücherei der Hauptbücherei angewandt wird, kam vom äußerst engagierten Händler, bei dem ein Großteil der U-Musiknoten eingekauft wird. Dieser schickt monatlich per email eine Liste von Neuerscheinungen, bei denen sämtliche Liedtitel angeführt werden. Bei Kauf und anschließender Einarbeitung können diese Titel durch Kopieren in die Maske übernommen werden. Ein Vorgang, der mehr als sinnvoll ist, aber natürlich auch einen weiteren Zeitaufwand bedeutet.

Bei der Erwähnung der wichtigsten Faktoren für die Verbesserung der U-Musik- Katalogisierung muss der immense Zeitaufwand genannt werden. Man muß sich nämlich eines vor Augen halten. In der Wiener Hauptbücherei sind für fast den gesamten U- Musiksektor nur zwei Personen zuständig, und bedingt durch Karenzzeiten waren es auch

37 schon weniger. Neben den Tätigkeiten der Recherche, der Bestellung, des Einkaufs, der Warenübernahme und -eingabe, der Etikettierung der Medien, des täglichen Einstellens von Medien, den bis zu 4-stündigen Frontoffice-Diensten (Entlehnung, Rückgabe, Einschreibung, Infothekendienst, Auskunftsdienst) pro Tag und der Bearbeitung von zahlreich anfallenden Sonder- und Problemfällen - um nur die wichtigsten zusätzlichen Aufgabengebiete zu nennen - ist die Katalogisierung ja nur eine unter vielen Tätigkeiten für die zuständigen Bibliothekare in der HB. Dementsprechend gering ist die Zeit, die der Katalogisierung gewidmet werden kann.

Dieses grobe Missverhältnis von aufzuwendender Arbeitszeit und vorhandenem Personal wurde bis dato von den verantwortlichen Stellen nicht erkannt oder schlicht ignoriert.

[ Zur Veranschaulichung sind hier nackte Zahlen sehr hilfreich. Allein die U-Musik-CDs wurden im Jahr 2006 in der Hauptbücherei über 170.000mal entliehen.3 Die beiden dafür zuständigen Bibliothekare betreuen aber auch noch die Noten, Bücher, Videos und DVDs für den U-Musikbereich. Zusätzlich sind CDs, DVDs und Noten, was die Katalogisierung und die Bearbeitung der häufiger auftretenden Problemfälle betrifft, mit mehr Arbeit verbunden als Bücher. Und wie viele entliehene Medien sollten lt. Experten eigentlich auf einen Bibliothekar pro Jahr kommen? Die Antwort ist ernüchternd: 20.000 entliehene Medien pro Bibliothekar sind für Österreich ein empfohlener Richtwert.4 ]

3 vgl. dazu die Tabelle in Kapitel 2.2.2., S. 23. 4 vgl. Leitner, Gerald: Aufgaben, Organisation und Verwaltung Öffentlicher Bibliotheken : Ausbildungsskriptum für Hauptberufliche Bibliothekare / Gerald Leitner und Franz Pascher. - 2..veränderte Aufl.. - Wien: BVÖ, 2002. (BVÖ-Arbeitshilfen; 7), S. 76.

38 4. Sichern von U-Musikmedien

Mit der Installation der Mediensicherungsanlage in der alten HB im Jahre 1997 wird erstmals versucht, gegen den Schwund von Medien, vor allem im Bereich der Musikmedien, vorzugehen. Neben CDs und DVDs sind im U-Musikbereich weiters noch Noten von Diebstahl betroffen, da Notenbücher häufig sehr teuer sind. Nachteil an den damaligen CD-Etiketten, die einen Barcode besaßen und über die ganze Vorderseite der CD geklebt wurden, war, dass sie nach der Rücknahme mit einem Stift einzeln magnetisiert werden mussten, um wieder gesichert zu sein, um also im Ernstfall den Alarm der Mediensicherungsanlage auszulösen. Ein weiterer Nachteil, der nicht direkt mit den Sicherungsetiketten zusammenhängt, wurde bereits im zweiten Kapitel erwähnt, nämlich, dass es noch einen weiteren Zu- bzw. Ausgang in der ehemaligen Hauptbücherei gab, an dem keine Mediensicherungsanlage stand. Als Vorteil kann im nachhinein sicher gelten, dass die Etiketten, erst einmal aufgeklebt, bombenfest hielten. Wer versuchte, die Etiketten zu entfernen, riskierte gleichzeitig, die CD gänzlich zu beschädigen.

4.1. Die Technologie RFID

Eine Technologie, die, wie so häufig bei technischen Erfindungen, aus dem militärischen Bereich kommt, ist gerade bei Bibliotheken sehr beliebt.1 So verwenden schon mehrere hundert Bibliotheken weltweit die RFID-Technologie, die für Bibliotheken tatsächlich maßgeschneidert zu sein scheint. RFID steht für „Radio Frequenzy Identfication“ und dient der automatischen Identifikation und Lokalisierung von Objekten, in unserem Falle Medien der Bibliothek, per Funkerkennung. Mit dem Aufbruch in die neue Hauptbücherei am Urban-Loritz-Platz war auch die Zeit reif für diese neue Technologie. Alle Medien wurden umgerüstet. Bücher, Noten und Zeitschriften erhielten viereckige Transponder, die mit einem Mikrochip ausgestattet sind, der als elektronischer Datenspeicher dient. Für CDs und DVDs gibt es eigene runde Transponder, die genau den Innenring der CD/DVD abdecken.

1 vgl. Löhmann, Sebastian: RFID Technologie. Unter www.medien.ifi.lmu.de/lehre/ws0607/mm1/essays/ (Eintragsrecherche vom 02.10.2007)

39 4.1.1. Vor- und Nachteile von RFID

Man hätte ein so teures System kaum angeschafft, lägen die Vorteile nicht klar auf der Hand. Sicherung, Ausleihe und Rückgabe funktionieren leichter und schneller. Bei Selbstverbuchungsstationen kann der Benutzer sogar eigenhändig entlehnen und sein Bibliothekskonto abfragen. Langfristig entstehen durch Arbeitszeitentlastung auch erhebliche finanzielle Entlastungen. „Als ausbaufähiges modulares System entlastet der Einsatz von RFID-Technologie das Personal in vielen Facetten von Routinearbeiten.“ 2

Neben den unumgänglich hohen Anschaffungskosten und dem Zeitfaktor bei der Umstellung bleibt das System sehr betreuungsintensiv. So sind z.B. die Selbstverbucher noch sehr fehleranfällig und beschäftigen Bibliotheks- und EDV-Personal immer wieder. Für den U-Musikbereich haben sich aber in erster Linie die Transponder als Schwachstelle erwiesen. Sie lassen sich nämlich zu leicht von CDs und DVDs lösen. Weiters, was von mir noch ausführlich in Kapitel 4.2. erläutert wird, bieten die vielen unübersichtlichen Bereiche in der Hauptbücherei die Möglichkeit, die Transponder in Ruhe zu entfernen. Eine andere Möglichkeit, das System zu überlisten, ist die Abschirmung der Transponder. Dies ergibt sich leider schon häufig bei übereinanderliegenden Transpondern (z.B. in Doppel- oder Mehrfach-CD-Hüllen). Das Erkennen von Medien, die mit mehreren Transpondern ausgestattet sind, bereitet ebenfalls bis heute Probleme, ohne das diesbezüglich Lösungen in Sicht sind. Selten angesprochen werden die Bedenken, die einige Mediziner und Naturwissenschaftler zu RFID äußern, da der Einfluss der Strahlung und des Elektrosmogs auf den Menschen noch nicht ausreichend erforscht ist.

4.1.2. Booster-Etiketten

Da es vor allem im Bereich der U-Musik-CDs und DVDs allgemein zu großem Schwund trotz Sicherungsetiketten kommt, wurden transparente Zusatzetiketten der Firma Easy Check angekauft, sogenannte EasyTag-Booster.3 Wegen der zusätzlich entstehenden Kosten werden vorerst nur DVDs damit ausgestattet. In Zukunft sollen auch wertvollere CDs beklebt werden. Diese Sicherungs-Booster enthalten keinen Chip, erhöhen aber die Lesereichweite am Verbuchungsgerät und den Security-Gates. Die Anzahl der Diebstähle

2 http://www.bibliotheca-rfid.com/docs/dokumente/Philadelphiabruecke.pdf , S.3. (Eintragsrecherche vom 17.11.2007) 3 http://www.easycheck.org/produkt.php ( Eintragsrecherche vom 17.11.2007)

40 bei DVDs wurde dadurch zwar verringert, aber nicht gestoppt. Selbst diese neuen Etiketten kann man mit viel Mühe noch entfernen, auch Abschirmung ist weiterhin möglich.

4.2. Diebstähle in Bibliotheken

Gründe für Diebstähle in Bibliotheken gibt es viele. Einer davon ist, dass es vergleichsweise einfach geht. Viele kleine Bibliotheken verfügen über keinerlei Sicherungsmöglichkeiten. Bibliothekare sind keine Detektive, Überwachungseinrichtungen und Personal sind teuer. Auch in der Hauptbücherei ist mit hoher Wahrscheinlichkeit - neben der Zusammensetzung der Besucherschaft, den hohen Besucherzahlen und der damit verbundenen Anonymität des Einzelnen - die relativ einfache Möglichkeit Hauptgrund für Diebstähle. Es verschwinden in erster Linie DVDs und U-Musik-CDs, und das, obwohl alle Medien mit Sicherungstranspondern ausgestattet sind. Diese lösen bei den Sicherungsschranken ein Signal aus, wenn das Medium nicht ordnungsgemäß entlehnt worden ist. Die jetzigen Transponder sind jedoch schon einer der großen Schwachpunkte des Systems. Sie lassen sich nämlich leicht von den Medien lösen. In Verbindung mit der Größe des Hauses, seinen ruhigen und zahlreichen Winkeln, den fehlenden Sicherheitsschranken vor den Toiletten und der nicht eingehaltenen Garderobenpflicht bleibt Dieben sehr viel Zeit und Möglichkeit, diese Transponder zu entfernen. Tatsächlich kann man mit etwas Geschick jeden Transponder innerhalb von Sekunden von einer CD lösen. Das war nicht immer so. Die früheren Sicherungsetiketten waren fast unmöglich von den CDs zu lösen, gelang es doch, wurde dabei auch die CD beschädigt, womit Diebe automatisch abgeschreckt wurden. Jedoch musste man diese Etiketten früher händisch sichern, bei den derzeitigen Entlehnzahlen wäre dies ein unvorstellbarer Zeitaufwand. Vor Diebstahl schützt es außerdem nicht, solange man Medien, z.B. durch Einwickeln in Alufolie, abschirmen kann. Hier erweist sich die bis heute nicht durchführbare Garderobenpflicht als Problem. Logischerweise hat man bei Eröffnung der neuen HB am Urban-Loritz-Platz mit regem Interesse rechnen müssen, insofern standen die Mitarbeiter an der Garderobe und die Bibliothekare auf verlorenem Posten. Abgesehen davon, dass die Garderobe rechts hinter dem Eingang liegt und somit von Lesern gar nicht bemerkt bzw. ignoriert wird, wäre der Mitarbeiter aufgrund der hohen Besucherfrequenz auch hoffnungslos überfordert. Würde jeder Besucher der Garderobenpflicht nachkommen,

41 käme der Bibliotheksbetrieb schon am Eingang zum Erliegen. So oder so ignorieren die meisten Besucher die Garderobenpflicht und nach der Eröffnung kam es diesbezüglich, wenn sich Personen mit Koffern, Rücksäcken und vollen Taschen im Haus aufhielten, immer wieder zu Streit zwischen Besuchern und Bibliothekaren. Fast alle Benutzer zeigen sich hier uneinsichtig und lassen sich auch nicht durch die Benutzerordnung zur Garderobenabgabe bewegen. Die überforderten Bibliothekare, die gegen uneinsichtige Personen praktisch keine Handhabe verfügen, haben hier zwangsweise resigniert. So kann jeder Besucher seine Taschen bei sich tragen, zweifelsohne kein Usus in Bibliotheken. Diebstähle können demnach folgendermaßen ablaufen: Jemand packt die Medien in seine/n Rucksack / Mantel / Tasche, betritt damit die ohne Sicherheitsschranken ausgestatteten Toilettenanlagen und kann dort in aller Ruhe und ungestört Sicherheitstransponder von den Medien lösen. Dies geschieht aber auch zwischen den Regalen, die vielen unbeobachteten Winkel des Hauses machen es einem nicht schwer. Nur ein Security-Angestellter für das gesamte Haus, ein Bibliothekar pro College mit großen unübersichtlichen Räumen und Winkeln und das Wissen vieler Benutzer um diese Situation führen zu dem Spruch „Gelegenheit macht Diebe“. Selbst wenn es am Sicherheitsschranken piept, doch der Sicherheitsmann ist irgendwo im Haus auf Runde, kann jeder gehtüchtige Mensch problemlos die Flucht ergreifen. Als letzter Ausweg für Bösewichte bleibt noch immer die schwer zu widerlegende Behauptung, der Selbstverbucher habe das Medium wohl nicht erkannt. Da ich hier kein Lehrbuch für angehende Diebe verfassen sollte, werde ich die Auflistung der mir noch bekannten Möglichkeiten der Entwendung von Medien hier beenden. Es ist jedoch auch festzuhalten, dass es sich bei den Dieben voraussichtlich um Serientäter handelt, es also um wenige schwarze Schafe geht. Dies wird dadurch ersichtlich, dass z.B. bei den U-Musik-CDs grundsätzlich nur ganz bestimmte Musikrichtungen bzw. bestimmte Musiker vermehrt gestohlen werden. Eine Eindämmung von Diebstählen konnte zwangsweise nur dadurch gelingen, dass man auf den Einkauf bzw. die Ausgabe bestimmter Musikrichtungen fast gänzlich verzichtete. Leider wurden ganz neue CDs bestimmter Musikstile nach Eröffnung der neuen HB kontinuierlich gestohlen, sodass auf einen Nachkauf nicht nur aufgrund fehlender Budgetmittel verzichtet wurde. Dafür wurden problemlosere Musikrichtungen bei der Ausgabe forciert. Die zweite Methode war die Vorreservierung von potentiell gefährdeten Musik-CDs und DVDs allgemein noch vor deren erster Ausgabe. Dies hat bei CDs und DVDs teilweise funktioniert. Die Menge der

42 so verwalteten Medien bedeutete gleichzeitig einen größeren Arbeitsaufwand, der nicht in die ohnehin knappen Ressourcen eingerechnet werden konnte.

Als beste Lösung wäre wohl noch das Erwischen von Dieben zu nennen. Ein seltenes Vergnügen, das keines ist. Zweimal habe ich in persönlichem Einsatz Diebe gefangen bzw. zur Rede gestellt. Der persönliche Einsatz ist hier mit Problemen verbunden, über die man sich als Bibliothekar üblicherweise keine Gedanken machen würde. Ich möchte die beiden Fälle schildern, um klarzumachen, wohin Courage führen kann.

4.2.1. Fallbeispiel 1

Der Bibliotheksbesucher war mir bereits durch aggressives und asoziales Verhalten aufgefallen, unter anderem hatte er mich auch bedroht. Jedoch nur sein unverschämtes, besser gesagt dummdreistes Verhalten machte es möglich, ihn des mehrfachen Diebstahls zu überführen. Nachdem ich ihn schon längere Zeit beobachtet hatte, fiel mir auf, das CDs, die er sich am Entlehnschalter weglegen ließ, Tage danach nicht als entlehnt aufschienen aber auch nicht aufgefunden werden konnten. Der Name, den der Mann angegeben hatte, schien auch nicht in der Datenbank auf. Bei der Überführung war schließlich auch nur der Zufall behilflich, da ich gerade am Entlehnschalter Dienst hatte und beobachten konnte, wie sich der Mann weggelegte Popmusik-CDs zwar aushändigen ließ, sie aber nicht verbuchte, sondern seinen Rucksack von der Garderobe holte und auf der Toilette verschwand. Über die Sprechanlage des Hauses informierte ich den Security-Mitarbeiter. Als der Mann schließlich von der Toilette direkt zum Ausgang und durch den Sicherheitsschranken marschierte, musste ich über die Entlehntheke hechten, die verdutzt starrende Reihe der Entlehner zur Seite schiebend dem Mann nacheilen und ihn mit dem Security-Mitarbeiter kurz vor dem Hauptausgang stoppen. Der Mann war so verdutzt ob unseres raschen Zugriffs, dass er sich erstaunlich widerstandslos zeigte. Zahllose CDs konnten sichergestellt werden. Grundsätzlich alles in allem auch eine unangenehme Situation für einen Bibliothekar, nur der Security-Mitarbeiter freute sich, da er sich so vor der versammelten Menschenmenge, hauptsächlich Jugendliche, Respekt verschaffen konnte, was in der HB für einen Security-Mitarbeiter kein unbedeutender Faktor ist. Der unangenehmste Teil stand mir aber noch bevor. Nämlich dauerte es eine gute ¾ Stunde, bis Polizisten vom nur 200 m entfernten Polizeiposten eintrafen. In dieser Zeit war ich mit dem Mann längere Zeit allein, da der Security-Mitarbeiter, es war bereits Sperrstunde, die Schlussrunde durchs ganze Haus machen musste. In dieser Zeit versuchte mich der Mann

43 mit allen Mitteln zu erweichen, um ihn gehen zu lassen, was ich auch getan hätte, wenn sich die 3 langsam daherschlendernden Polizisten noch mehr Zeit gelassen hätten. (Seine Personaldaten und die sichergestellten CDs hatte ich ja schon entgegengenommen.) Die äußerst grobe Art, mit der die Polizei den Mann schließlich behandelte, was zu diesem Zeitpunkt wirklich nicht mehr nötig war, ließ mich schon wieder Mitleid mit dem Mann empfinden. Die Geschichte ist damit aber noch nicht ganz zu Ende. Abgesehen davon, dass ich es nicht als meine Aufgabe als Bibliothekar ansehen kann, einen möglicherweise gefährlichen Menschen über einen längeren Zeitraum festzuhalten, ist mir der Mann später noch zweimal spätabends in der Nähe des Westbahnhofs über den Weg gelaufen. Ich hatte beide Male einen ordentlichen Schrecken, glücklicherweise hatte ich den Mann zuerst gesehen und konnte ausweichen.

Zusammenfassend wäre folgendes festzuhalten: Der Erfolg rechtfertigt die Aktion, jedoch habe ich mir danach sehr wohl die Frage gestellt, ob ich in einem ähnlichen Fall nochmals gleich handeln würde. Der Sicherheitsschranken piept ja recht häufig (hauptsächlich wegen Fehlern bei der Selbstverbuchung an den Entlehnautomaten), und ist der Sicherheitsmann nicht in der Nähe - was aufgrund der Größe des Hauses häufig der Fall ist -, ist mir nicht bekannt, dass Kollegen sich über die doch mehr als einen Meter hohe Entlehntheke schwingen, um einem flüchtenden Individuum in den Rachen der U6 folgen. Abgesehen von den möglicherweise fehlenden sportlichen Voraussetzungen ist die Menschenschlange an den Schaltern meist so lang, dass man dem Piepen kaum noch Beachtung schenken kann. Hier würde nur ein ständig am Ausgang positionierter Sicherheitsmann Abhilfe schaffen können. Ein wichtiger Punkt ist auch die Sicherheit der Bibliotheksmitarbeiter. Die Positionierung der HB und das aus allen Schichten kommende Publikum führte bereits des öfteren zu Konflikten und gewalttätigen Übergriffen von aggressiven Besuchern bzw. Besuchergruppen auf Mitarbeiter oder andere Besucher. Da einige Mitarbeiter bereits bedroht wurden, ist es nicht verwunderlich, dass sich die Zivilcourage auf Dauer in Grenzen hält. Es ist ja nicht einmal möglich, bei Durchschnittsbenutzern Verständnis für das Handyverbot zu erzeugen, da ist der Umgang mit Problemgruppen umso unerwünschter. Die Sicherheitssituation in so großen öffentlichen Gebäuden, in denen sich täglich mehrere tausend Menschen aus allen Bevölkerungsschichten aufhalten und es auch zur Bildung von Gruppierungen aller Art kommt, sollte von den politischen Verantwortlichen ernster genommen werden.

44

4.2.2. Fallbeispiel 2

Hier habe ich nur auf Verdacht gehandelt. Die Personalien eines jungen Mannes wurden von mir mit Hilfe des Security-Mitarbeiters überprüft.. Da der junge Mann immer mit Freunden kam, führte ich ihn in mein Büro, wo ich ihn mit einer Unzahl von leeren CD- Hüllen einer bestimmten Musikrichtung konfrontierte und der Behauptung, wir würden wissen, dass er die fehlenden CDs dazu entwendet habe. Wir würden auf eine Anzeige verzichten, wenn er sich nie mehr blicken ließe. Der Mann zeigte sich eingeschüchtert und verließ mit seinen Freunden das Haus, nachdem ich ihm seinen Bibliotheksausweis abgenommen hatte. Schon am nächsten Tag stand der Mann wieder vor mir und wollte einen neuen Ausweis. Ich antwortete, ich würde ihm den Ausweis ausstellen, aber dann sofort die Polizei holen. Darauf zog der Mann mit beleidigtem Gesichtsausdruck ab und ward samt seinem Freundeskreis nicht mehr gesehen. Da ich nur auf Verdacht gehandelt hatte, war ich danach natürlich äußerst erleichtert, dass das Abhandenkommen von CDs dieser Musikrichtung schlagartig aufhörte. Fazit aus beiden Fallbeispielen ist, dass nur Zufall und besonders auffälliges Verhalten der Personen zu einem erfolgreichen Abschluß führten. Personen, die die Schwächen des Systems kennen und sich unauffällig verhalten, werden unter den gegebenen Umständen kaum beim Diebstahl erwischt werden. Das erklärt auch die seltenen Fälle, in denen jemand überführt werden konnte und die hohe Anzahl an vermissten Medien.

4.2.3. Lösungsansätze

Diebstahl lässt sich nie zur Gänze ausschließen. Auch im Handel, der bessere Sicherungsmöglichkeiten kennt, ist er ein ernstzunehmendes Problem. 8-15% Schwund sind in manchen Branchen keine Seltenheit und können Betriebe auch in finanzielle Turbulenzen bringen. In großen Büchereien wie der HB mit fast allen sozialen Schichten und einer aufgrund der Anonymität des Einzelnen herabgesetzten Identifikation des Benutzers mit der Einrichtung werden Diebstähle trotz Sicherheitstranspondern weiter vorkommen. Einige der Möglichkeiten zur Verhinderung von Diebstählen scheitern an den Kosten und fehlendem Personal, teilweise sind sie auch nicht Wunsch der Belegschaft oder widersprechen der Idee von Öffentlichen Bibliotheken, wie zum Beispiel Videoüberwachung oder Ausgangskontrollen. Trotzdem möchte ich alle Ideen für die HB hier einmal vorstellen. Das eine oder andere ist auch im Rahmen der derzeitigen Möglichkeiten umsetzbar:

45

• Einhaltung der Garderobenpflicht bzw. verpflichtende Abgabe von Tragtaschen und ähnlichem. Dafür unbedingt erforderlich: mehr Personal an der Garderobe. • Ausgabe von (durchsichtigen) Tragekörben, in denen ausschließlich Medien der Bücherei während des Aufenthalts im Haus aufbewahrt werden können. • Mehr Sicherheitspersonal : 1 Person immer verpflichtend am Ausgang. 1-2 Personen, die im Haus „patrouillieren“. Kontrolle von Personen, die sich nicht an Abgabe von Tragetaschen halten. • Ganzjährige Videoübewachung bei besonders heiklen Regalen (z.B. DVD-Spielfilme) und vor den Toiletteneingängen. • Tageweise Videoüberwachung des Hauses durch Detektivbüro (wie es bei den großen Handelsketten üblich ist.) • Sicherheitsschranken oder Eingabe-Code vor den Toiletten. • Sicherungsetiketten, die sich nicht von den Medien entfernen lassen. • Ein eigener Ausgabeschalter für DVDs. Auch dafür ist aufgrund der großen Menge an Medien mehr Personal erforderlich. • Kein Ausgang beim Internetsaal.

Zu den genannten Lösungsmöglichkeiten möchte ich ganz klar sagen, dass ich wahrlich kein Freund von Überwachungsmaßnahmen bin. Die Aufstellung eines Wachmannes für die gesamte Öffnungsdauer direkt am Eingang und die konsequente Einhaltung der Garderobenpflicht, wie ich es schon in anderen großen Bibliotheken (z.B. Zentralbibliothek Zürich) gesehen habe, hat auf jeden Fall eine große Wirkung.

4.3. Beschädigungen von U-Musikmedien und ähnliche Problemfälle

4.3.1. Probleme mit CD-Hüllen

Erstaunlicherweise scheint der Großteil der Benutzer, die sich gerne und viel über alles Mögliche und oft zu Unrecht beschweren, mit etwas kein Problem zu haben, das offensichtlicher nicht sein könnte. Nämlich mit dem Zustand der Medien. Ich kenne nur ganz wenige Personen, die sich bis jetzt darüber beschwert haben. Die Mehrheit ignoriert dies gänzlich. Und gerade das führte vor allem im ersten Jahr nach Eröffnung zu einem

46 Problem, das bis dahin in dieser Form noch nicht aufgetreten war und nie wirklich gelöst werden konnte. Es ging um kaputte CDs, in erster Linie aber um kaputte CD-Hüllen. Bevor ich zum Kern der Sache komme, muss ich noch eine kleine persönliche Hypothese voranstellen, die das Verhalten der Benutzer diesbezüglich erklären soll. Anscheinend führt der uneingeschränkte Gratiszugriff auf Medien aller Art zu einer gewissen Entwertung dieser Medien. Nach dem Prinzip, was nichts kostet ist auch nichts wert, wird mit den Medien entsprechend achtlos umgegangen. Hauptsache ist, die Medien stehen sofort und gratis zur Verfügung, der Zustand ist absolut zweitrangig. Unverständlich erscheint auch der Umstand, dass Benutzer bereits kaputte Medien am Selbstverbucher entlehnen und mit der Standardfloskel „Das-War-Schon-So“ Wochen später wieder zurückbringen. Unverständlich natürlich auch, wenn Benutzer Medien beschädigen, und sie eben mit jener Standardfloskel zurückzugeben versuchen, was, eben aufgrund des schlechten Zustands zahlreicher Medien, in der HB auch oft durchgeht. Sehr viele Medien werden bereits im Haus beschädigt, besonders im Bereich der U-Musik sind hier CDs und DVDs am stärksten gefährdet. Auch hier ist ein psychologisches Phänomen zu beobachten. Die Masse richtet sich hier sehr schnell nach den schwarzen Schafen und gegen die Regeln. Einer telefoniert, und die anderen sehen es als Legitimation für eigenes Fehlverhalten. Weist man einen telefonierenden Benutzer aufs Handyverbot hin, hört man oft die dummdreiste Antwort „ Aber der hat auch gerade telefoniert“. Dies gilt auch beim Rückgeben beschädigter Medien. Die Benutzerordnung wird vollkommen ignoriert bzw. wurde sie niemals wirklich durchgelesen. Wird irgendwo ein Stoß mit CD- Hüllen einfach stehen gelassen, sammeln sich in dessen Umfeld innert kürzester Zeit weitere Stöße. So kommt es, dass sich bis abends manchmal hunderte CDs ansammeln, die von den Benutzern nicht mehr in die Regale zurückgestellt wurden . Unabhängig davon ist es dann innerhalb kürzester Zeit auch dazu gekommen, dass von den CD-Hüllen fast jede zweite beschädigt war. Kaum ein Benutzer hat sich diesbezüglich verantwortlich gefühlt, was insofern zu verstehen ist, als die Hüllen leider wirklich sehr leicht brechen. Hier wäre besondere Vorsicht angebracht. (Ein Manko sind hier die CD- Stützen, die beim Zurechtschieben der CDs den Unterteil der Hüllen brechen können). Nun wurden und werden bereits beim Abhören im Haus viele Hüllen beschädigt. Bei Rückgabe von kaputten CD-Hüllen kam es dann oft zu lautstarken Verbalattacken von Benutzern, die nicht einsehen wollten, dass sie für eine kaputte CD-Hülle Schadenersatz zahlen sollten. Auch das selbständige Austauschen wurde verweigert. Nach einer gewissen Zeit argumentierte jeder mit dem allgemein schlechten Zustand der Hüllen und der „Das-

47 War-Schon-So“- Floskel. Aufgrund der ohnehin schon hohen Belastung der Bibliothekare an den Entlehnschaltern wurde hier seitens der Mitarbeiter aufgegeben. Es wurde ein Kleber mit der Aufschrift „Hülle defekt“ für kaputte Hüllen eingeführt. Das hat die Situation nur insofern verbessert, als es nicht mehr zu großen Konfrontationen zwischen uneinsichtigen Lesern und stärker engagierten Mitarbeitern kam. Für die Mitarbeiter des College 5 bedeutet es jedoch einen erheblichen Mehraufwand, da die besonders stark beschädigten Hüllen regelmäßig ausgetauscht werden müssen. Der Hüllenverbrauch ist enorm und daher auch teuer.

4.3.2. Beschädigungen von CDs und DVDs

Im Bereich der U-Musik-CDs scheint der allgemein schlechte Zustand der CDs und DVDs die Leser nicht sonderlich zu stören. Hier kann ich nur sagen, Gott sei Dank, denn eine Verbesserung der Situation ist hier nicht zu erwarten. Zu Beginn der Ära der CD brüstete sich die Musikindustrie ja noch damit, dass die CD unverwüstlich sei. Heute wissen wir, dass bei unsachgemäßer Behandlung oder Lagerung CDs und DVDs sehr wohl und relativ leicht beschädigt werden. Trotzdem gibt es auch in diesem Bereich so etwas wie kleine Wunder. Bis heute gibt es in der Hauptbücherei CDs aus den frühen 90er-Jahren, die trotz unglaublicher Entlehnzahlen noch immer funktionieren. Diese kleine Hitparade an besonders gut entlehnten Einzelstücken von U-Musik-CDs bei den Büchereien Wien möchte ich Ihnen nicht vorenthalten:4

317 Entlehnungen: Leonard Cohen - New skin for the old ceremony 313 Entlehnungen: Colosseum - Epitaph 311 Entlehnungen: Ry Cooder - Jazz 306 Entlehnungen: David Bowie - Space Oddity 304 Entlehnungen: George Benson - Verve Silver Collection 304 Entlehnungen: Bob Dylan - Biograph 302 Entlehnungen: Kraftwerk - Autobahn

Wenn man bedenkt, dass die genannte CD von Leonhard Cohen in den letzten 17 Jahren jährlich also etwa 18-19mal entliehen wurde, und viele andere CDs fast genauso oft, sind die CDs im Gegensatz zu deren Hüllen ja beinahe unverwüstlich. Werden die

4 bibliotheca-Statistik: Stand vom 04.10.2007.

48 CD-Scheiben jedoch beschädigt, ist es in einer Freihandbibliothek sehr schwer, einen Benutzer dafür verantwortlich zu machen. Dies ist kaum nachzuweisen. Grundsätzlich ist die Recherche aufwendig und selten erfolgreich. Hier kann man nur an die Ehrlichkeit der Benutzer appellieren.

49 5. Benutzer von U-Musikmedien

Hier zuallererst mein Dank an Robert Kellner aus der EDV-Abteilung. Ohne die Hilfe von Robert Kellner, der für die von mir gewünschten Daten eine eigene Abfrage schreiben musste, wäre dieses Kapitel nicht möglich gewesen.1 Gleichzeitig liefert diese Form der Abfrage nicht nur neue Erkenntnisse über Benutzergruppen und Benutzerverhalten, sondern kann in Zukunft auch für alle anderen Bereiche der Wiener Büchereien genutzt werden. Die erstellte Statistik zeigt den prozentuellen Anteil der Entlehner von U-Musik-CDs und U-Musiknoten (Systematik KM.NP%). Die Unterteilung der Entlehner erfolgte nach Geschlecht, Alter (0-10 Jahre, 10-20, 20-30, ...) und Benutzerstatus (Jahresleser, Ermäßigte, Studenten, Jugendliche, Kinder) . Die Daten wurden in starken Entlehnmonaten, nämlich Mai/Juni und Oktober gesammelt. Es sind somit auch Monate, in denen alle Entlehnergruppen gleichmäßig vertreten sind, da keine Ferienzeit die Statistik verzerrt. Beobachtungen im Informations- und Entlehndienst über Jahre hinweg ließen vor allem vermuten, dass Männer zwischen 25 und 45 und Frauen zwischen 20 und 30 Jahren viele U-Musik-CDs und U-Musiknoten entlehnen. Jedoch kann der Eindruck bei Frauen vor allem deshalb täuschen, weil viel mehr Frauen als Männer Bibliotheken nutzen, was auch anhand von Entlehnstatistiken sofort erkennbar ist.2 Vor allem der hohe Anteil an Leserinnen zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr ist signifikant. Bedeutet das aber gleichzeitig, dass die Leserinnen das Angebot an U-Musikmedien genau so stark nutzen wie Bücher allgemein? Insofern war es also wichtig, den prozentuellen Anteil an Entlehnern von U-Musikmedien innerhalb einer definierten Gruppe zu berechnen. Und das ergibt, auf den ersten Blick zumindest, ein für viele möglicherweise überraschendes Ergebnis.

5.1. Auswertung

Hier die 3 stärksten Entlehnergruppen beider Geschlechter:

1 Kellner, Robert: bibliotheca-Abfrage über Entlehnungen von U-Musikmedien, erstellt im Mai/Juni 2007. [EDV-Abteilung der MA-13 Büchereien Wien] 2 vgl. Anzahl der Gesamtentlehner in den Tabellen 3,4, 5 und 6 dieses Kapitels

50 Tabelle 1 Entlehnergruppe Prozentueller Anteil an Entlehnern mit U-Musik-CDs innerhalb der Entlehnergruppe (Geschlecht und am 30.05.2007 am 26.06.2007 am 09.10.2007 am 16.10.2007 am 22.10.2007 Alter) M, 40-50 19,75 18,11 18,06 19,35 19,30 M, 50-60 16,76 15,70 16,65 17,27 16,79 M, 30-40 16,10 16,61 15,68 15,70 15,83

W,30-40 9,27 9,01 8,95 9,25 8,86 W,20-30 9,05 9,11 8,87 8,93 8,46 W,40-50 8,24 7,90 8,81 9,35 7,79

Es wird also ersichtlich, dass innerhalb einer Entlehnergruppe bis zu 20% der Männer auch U-Musik-CDs entlehnen, bei Frauen sind es nicht einmal 10%. Auf den ersten Blick überrascht das Alter (40-49 Jahre) bei der stärksten Entlehnergruppe, andererseits ist das genau die Personengruppe, die mit der Musik-CD als wichtigstem Medium der U-Musik aufgewachsen ist. Bestimmte Musikrichtungen wie Rock und Jazz haben für diese Gruppe einen relativ hohen Stellenwert und die Beschäftigung mit U-Musik ist bei dieser Gruppe eine intensivere als es bei den anderen Gruppen der Fall ist.

Bei den U-Musiknoten ist das Verhältnis ein ausgewogeneres. Hier liegen zwar auch die Männer prozentuell innerhalb der Entlehnergruppen voran, doch nicht so ausgeprägt wie bei den U-Musik-CDs. Typische Männerdomänen wie bestimmte Instrumentengattungen wurden jedoch nicht berücksichtigt. So ist es kein Geheimnis, dass z.B. bei den Noten für E-Gitarre oder Schlagzeug der Anteil an Entlehnungen von Männern ein überdurchschnittlich hoher ist. Weiters entsteht hier auch durch die starke Vorortnutzung von Noten eine verzerrte Sichtweise, deren Ausmaß schwer abzuschätzen ist.

Tabelle 2 Entlehnergruppe Prozentueller Anteil an Entlehnern mit U-Musiknoten (Systematik KM.NP%) innerhalb der Entlehnergruppe (Geschlecht und am 09.10.2007 am 16.10.2007 am 22.10.2007 Alter) M, 40-50 2,24 2,36 2,51 M, 50-60 2,16 2,00 1,99 M, 30-40 1,97 2,34 2,39

W,30-40 1,99 2,00 2,12 W,20-30 1,54 1,44 1,48 W,40-50 1,29 1,39 1,38

51 Die Tagesstatistiken mit der Zahl der Gesamtentlehner zeigen, wie hoch der Anteil der Frauen an den Gesamtentlehnern ist. Am 30.5. 2007 sind von 22400 Entlehnern zwischen 10 und 60 Jahren 14143 weiblich, also über 63%. Von diesen wiederum entlehnen aber nur 1142 Frauen (oder 8,1%) U-Musik-CDs. Hingegen weisen bei 8257 männlichen Entlehnern 1173 Männer (oder 14,21%) Entlehnungen von U-Musik-CDs vor. Dieses Entlehnverhalten zieht sich durch alle durchgeführten Tagesstatistiken. Es gibt keinen einzigen Ausreißer.

Tabelle 3: vom 30. 05. 2007 Entlehner: Alter und Gesamtentlehner Anteil der U-Musik-CD- Prozentueller Anteil Geschlecht Entlehner M, 40-50 1580 312 19,75 M, 50-60 740 124 16,76 M, 30-40 1776 286 16,10 M, 20-30 2670 338 12,66 M, 10-20 1491 113 7,58 M, 10-60 8257 1173 14,21

W, 30-40 2525 234 9,27 W,20-30 5657 512 9,05 W,40-50 1930 159 8,24 W,50-60 919 68 7,40 W,10-20 3112 169 5,43 W,10-60 14143 1142 8,10

W+M, 10-60 22400 2315 10,33

Tabelle 4 vom 26.06.2007 Entlehner: Alter und Gesamtentlehner Anteil der U-Musik-CD- Prozentueller Anteil Geschlecht Entlehner M, 40-50 1502 272 18,11 M, 50-60 707 111 15,70 M, 30-40 1728 287 16,61 M, 20-30 2467 311 12,61 M, 10-20 1238 106 8,56 M, 10-60 7642 1087 14,22

W, 30-40 2487 224 9,01 W,20-30 5139 468 9,11 W,40-50 1860 147 7,90 W,50-60 893 65 7,28 W,10-20 2580 149 5,78 W,10-60 12959 1053 8,13

W+M, 10-60 20601 2140 10,39

52 Tabelle 5 vom 09.10.2007 Entlehner: Alter und Gesamtentlehner Anteil der U-Musik-CD- Prozentueller Anteil Geschlecht Entlehner M, 40-50 1606 290 18,06 M, 50-60 787 131 16,65 M, 30-40 1773 278 15,68 M, 20-30 2446 295 12,06 M, 10-20 1353 97 7,17 M, 10-60 7965 1091 13,70

W, 30-40 2659 238 8,95 W,20-30 5127 455 8,87 W,40-50 2008 177 8,81 W,50-60 929 65 7,00 W,10-20 3058 168 5,49 W,10-60 13781 1103 8,00

W+M, 10-60 21746 2194 10,09

Tabelle 6 vom 16.10.2007 Entlehner: Alter und Gesamtentlehner Anteil der U-Musik-CD- Prozentueller Anteil Geschlecht Entlehner M, 40-50 1607 311 19,35 M, 50-60 799 138 17,27 M, 30-40 1796 282 15,70 M, 20-30 2594 312 12,03 M, 10-20 1375 94 6,84 M, 10-60 8171 1137 13,92

W, 30-40 2704 250 9,25 W,20-30 5419 484 8,93 W,40-50 2020 189 9,35 W,50-60 940 73 7,77 W,10-20 3187 170 5,33 W,10-60 14270 1166 8,17

W+M, 10-60 22441 2303 10,26

Aus der Statistik wird ersichtlich, dass jeder 10te Entlehner in der HB auch U-Musik-CDs entlehnt, was bei einem prozentuellen Anteil von ca. 4,7 % (ca. 16500 tatsächlich entlehnbare U-Musik-CDs auf 350.000 Medien gesamt) schon beachtlich ist. Hinzuzufügen wäre noch, dass ein Entlehner insgesamt 25 Medien auf einmal entlehnen kann und darunter 12 Audio-CDs sein können. Bei einer Absenzquote von etwa 60% im Mai/Juni 2007 bedeutet das, dass ein Entlehner im Schnitt etwa 4-5 U-Musik-CDs mit nach Hause nimmt. Viele nutzen das Kontingent von 12 Stück natürlich voll aus, andere

53 nehmen wiederum nur 1-2 Stück U-Musik bzw. nehmen noch andere Audio-CDs (Klassik, Hörbücher) dazu.

5.2. Ein Blick auf die Benutzer

Eine abschließende Zusammenfassung ist angebracht. Das Programm hat gezeigt, was man zuvor nur erahnen konnte. Nämlich, dass U-Musik-CDs stärker als andere Medien einer Bücherei von Männern entlehnt werden, und hier am stärksten von Männern zwischen 40 und 49 Jahren. Ich bin hier fast geneigt, von einer „Generation Rock“ zu sprechen. Knapp 20% jener Männer, die an den Stichtagen Medien entlehnt hatten, haben auch das Angebot an U-Musik-CDs genutzt. Da auch die 30-39Jährigen und die 50-59Jährigen mit 15-20% nur knapp hinter dieser Gruppe liegen, kann der typische Entlehner von U-Musik-CDs als Mann zwischen 30 und 60 Jahren bezeichnet werden. Dies sind auch die Generationen, die mit Rock und Popmusik und dem Medium CD ( Markteinführung 1982) groß geworden sind. Jazz, Rock und Popmusik haben für diese Entlehner einen höheren Stellenwert als es bei anderen Benutzergruppen der Fall ist. In gewisser Weise ist sie sogar Ausdruck einer Lebenshaltung und wird oft verbunden mit Politik, Gesellschaft und Zeitgeschichte. Gleichzeitig hat man es bei der als Kulturgut betrachteten CD und DVD noch mit etwas Physischem zu tun. Ein Umstand, der für die mit dem Internet aufgewachsenen Generationen keine so hohe Rolle mehr spielt. Auch sehen (hören) diese Benutzer die Musik nicht nur als reine Unterhaltung. Wenn Frauen mehr lesen als Männer, so ist es beim Musikhören umgekehrt. Man kann es auch so betrachten: versinken Frauen in ihrer Freizeit gerne in der Welt des Buches, so versenken sich Männer lieber in der Welt der Musik. Für viele Männer dieser Generation(en) ist U-Musik ein wichtiger Bestandteil ihres Lebens, Begleiter in prägenden Phasen ihrer Entwicklung und nicht zuletzt auch Einfluss nehmend auf diese. Musik hat für diese Hörer einen relativ hohen Stellenwert, deshalb halten sie laufende Musikentwicklungen im Auge.

Anders gelagert ist die Situation bei Jugendlichen. Hier liegt die vergleichsweise schwache Entlehnquote bei den Musikmedien nicht daran, dass Jugendliche mehr lesen. Nein, auch bei den Büchern gehören sie zu den schwachen Benutzergruppen. Warum wird aber auch U-Musik schwächer entlehnt als bei anderen Gruppen? 4 Gründe scheinen mir für die geringe Nutzung von U-Musikmedien verantwortlich zu sein. Grund 1 ist zweifelsohne einleuchtend. Diese Generation wächst mit Internet, USB-Sticks, Handy, MP-3 Playern,

54 I-Pods, CD-Brennern und Harddisk-Recording auf und akzeptiert neue Technologien wesentlich kritikloser und mit größerer Begeisterung als ältere Menschen. Meist kommt man durch die neuen Technologien schneller und billiger an gewünschte U-Musik heran. Das Interesse für einzelne Lieder ist bei jugendlichen Hörern wesentlich höher als eine komplettes Album, man benötigt also gar keine ganze CD. Die neuen Speichermedien zum Musikhören setzen sich immer stärker durch und verdrängen die herkömmlichen Medien CD und DVD, so wie einst die CD das Ende der Vorherrschaft von Schallplatte und Tonkassette bedeutete. In Kapitel 6 wird diese Entwicklung auch anhand von Zahlen belegt. Grund 2 ergibt sich aus der Tatsache, dass das Hörverhalten Jugendlicher sehr stark vom Markt bestimmt wird. Das bedeutet, dass Jugendliche wesentlich stärker mainstream- orientiert sind als andere Musikhörer. Auch ist das Interesse an Musik als z.B. revolutionäres Element wie in den 60er und 70er Jahren fast versiegt. U-Musik ist Massenware, ständig präsent, kostenlos und beliebig austauschbar. Die Auflehnung mit Musik als Ausdrucksmittel findet nur noch im Rahmen einer von der Marktwirtschaft kontrollierten Modeschau statt. Mainstream ist in diesem Sinne fast alles, was in den Hitparaden ganz vorne ist. Die Büchereien Wien haben aber immer versucht, hier ein viel breiteres Spektrum anzubieten, als das, was in Fernsehen und Radio als „must“, „hip“, „in“ oder „cool“ präsentiert wird. Somit ist der Anteil an Mainstream-Musik in der Hauptbücherei im Verhältnis ein viel geringerer. Einerseits, weil Mainstream ohnehin ständig präsent und überall erhältlich ist. Andererseits, weil es kein Budget gibt, welches den jeweils aktuellen Mainstream abdecken könnte, ohne alle anderen Musikrichtungen noch berücksichtigen zu können. Ein Grund für die allgemein hohe Akzeptanz bei den U-Musikmedien ist sicherlich das breite Spektrum an U-Musik, das angeboten wird. Von Art-Rock über Chanson bis zur Worldmusic, von Filmmusik bis zum Wiener Lied. Wer hier nicht fündig wird, muss taub sein. Oder ein Jugendlicher, der sich für andere Musikrichtungen einfach (noch) nicht interessiert, was meines Erachtens in dieser Phase der Entwicklung nicht ungewöhnlich ist. Auch die lange Einarbeitungszeit von der Recherche bis zur Ausgabe von CDs muss berücksichtigt werden, da der schnellebige Musikmarkt bewirkt, dass für Jugendliche viele Musiker, die vor einigen Monaten vielleicht noch aktuell waren, schnell wieder uninteressant erscheinen. Der Jugendliche will Musik, die von der Musikindustrie als „hip (cool)“ vermarktet wird, und die will er sofort. Das kann momentan kaum gewährleistet werden.

55 Grund 3 ist eine hohe Diebstahlsquote bei Mainstream-Pop in den letzten Jahren, die verhindert, dass aktuelle CDs zur Verfügung stehen. Wie bei anderen problematischen Musikrichtungen wurde hier daher die Einkaufsoffensive stark gebremst. Es gibt aber auch einen äußerst erfreulichen Grund für den geringen Anteil in der Hauptbücherei, und zwar die „hausgemachte Konkurrenz“, die 2004 eröffnete Stützpunktbücherei Philadelphiabrücke mit einem Medienangebot speziell für Jugendliche. „Es werden gezielt die Bildungs- und Unterhaltungsbedürfnisse junger Menschen zwischen 12 und 18 Jahren angesprochen.“ 3 Ein Drittel der Medien sind AV-Medien, der Anteil an Mainstream-Pop ist dem Publikum entsprechend hoch. Beide Büchereien liegen nur wenigen U6-Stationen voneinander entfernt und ergänzen sich daher im U-Musikangebot ganz ausgezeichnet.

Vorortnutzung der U-Musikmedien: Was anhand der Statistik nicht ersichtlich werden kann, ist die starke Vorortnutzung von Noten und CDs. Hier kann durch Beobachtung angeführt werden, dass Jugendliche diesbezüglich wieder stärker vertreten sind. Auch andere Personen, die sich zwar gerne in der Bibliothek aufhalten, aber nicht entlehnen, nutzen hier die Möglichkeit des Musikhörens, aber auch die vielen anderen Möglichkeiten in der Bücherei. Für diese Personen ist der freie Zugang zur Bibliothek, die Gratisnutzung des Internets und die Möglichkeit der Nutzung der Medien vor Ort ausschlaggebend für ihren Besuch. Dabei werden die CD-Abhörplätze sowie die Video/DVD- und Internetplätze häufig und lange frequentiert.

Ich stelle Ihnen nun noch 3 typische Entlehner von U-Musikmedien vor, und deren Beweggründe, die Musikbücherei aufzusuchen.4

E. studiert Instrumental- und Gesangspädagogik und Harfe am Konservatorium und besucht nach Bedarf die Musikbücherei in der Hauptbücherei oder eine Zweigstelle : „ Als ich nach Wien kam, um Harfe zu studieren, wusste ich anfangs noch nicht, wo ich mir Noten fürs Studium besorgen sollte. Ein befreundeter Musiker wies mich dann [im Jahre 2003, Anm. d. Verf.] auf die Musikbücherei in der neuen Hauptbücherei hin. Noten sind ja meist sehr teuer, und ich könnte es mir nicht leisten, alle Noten für den Unterricht auch zu kaufen. Vor allem weil ich die Noten oft nur für einen kurzen Zeitraum benötige. Harfenoten gibt es zwar nicht viele, was ich auch nicht erwartet habe, aber bei den Klavier- und Gesangsnoten werde ich meistens fündig. Ich schau meistens zuhause über

3 Jank, Gina: a.a.0. 4 (Namen der Personen sind dem Verfasser bekannt.). Die Interviews wurden im September 2007 geführt.

56 die Datenbank der Bibliothek, ob die Noten verfügbar sind und hole sie mir dann ab. Falls das nicht der Fall ist, bestelle ich mir die Noten auch mal vor. Die Bibliothekare sind auch immer sehr nett und hilfsbereit, was nicht typisch wienerisch ist. Ich komme ja aus dem Westen und musste mich an die Wiener Mentalität erst mal gewöhnen. Anfangs benötigte ich ja nur Klassiknoten und CDs, seit geraumer Zeit spiele ich aber auch mit Jazz- und Popmusikern, so wurde auch das Angebot an Populärmusik und entsprechenden Noten für mich interessant. Da ich für Pop meist nur einzelne Lieder benötige, bin ich froh über das große Angebot an Songbooks in diesem Bereich. Hauptsächlich komm ich wegen der Musik in die Bücherei, zwischendurch nehme ich dann aber auch gerne unterhaltsame Belletristik mit. Praktisch finde ich die Selbstverbucher in der HB und die Möglichkeit, die Medien in jeder der Büchereien Wien zurückgeben zu können.“

D. ist Studentin und seit ihrer Kindheit mehrmals in der Woche in der HB: „Also ich bin schon als Kind fast täglich in die HB gekommen, es war ja auch ganz in der Nähe zu meiner Wohnung. Zuerst bin ich wegen den Kinder- und Jugendbüchern gekommen, danach wurde es für die Schule immer wichtiger für mich. Ich kann heute behaupten, dass ich nicht weiß, wie ich die Matura ohne die HB geschafft hätte, da meine Mutter wenig Geld hatte und ich mir sämtliche Literatur für die Schule in der Bücherei entlehnt habe. Als ich 12 Jahre alt war, so um das Jahr 1999 , habe ich im Obergeschoß der damaligen HB die Tische in der Musikbücherei entdeckt, das waren die Abspielplätze für die Schallplatten, die damals meistens leer waren. Da konnte ich dann in Ruhe lesen und auch noch Platten hören. Die wenigen CD-Abspielplätze waren immer besetzt, ich glaube, es gab auch nur 2 oder 3. Das ist ja heute in der neuen Musikbücherei ganz anders. Ich habe dann begonnen, Beatles-Platten zu hören, aber CDs konnte ich noch nicht entlehnen, weil sie damals noch was kosteten und ich kein Geld hatte. Als die CDs dann zum gratis entlehnen waren, habe ich vor allem Filmmusik entlehnt. Bei den Pop- und Jazz-CDs haben sich die Leute ja fast geprügelt, weil so wenig Platz war für so viele Entlehner. Es war auch sehr unübersichtlich, erst in der CD-Abteilung in der neuen HB habe ich dann begonnen, viele CDs auszuborgen. Plötzlich war viel Platz, es gab auch viel mehr Abhörplätze und, vor allem, es gab viel Musik zu entdecken, die man im Radio ja nie hört. Ich habe nie Mainstream gehört, aber im Radio läuft fast nur Mainstream. Die Musikbücherei hat diesbezüglich ja wirklich ein einmaliges Angebot an Alternative Music. Dort habe ich P J Harvey und ähnliche Musiker kennengelernt, die im Radio kaum gespielt werden. Entdeckt habe ich vieles wiederum durch Filmmusik-Compilations – Rage Against The Machine, Björk, REM, Depeche Mode, Tori Amis fallen mir da jetzt spontan ein. Dann habe ich mir deren CDs ausgeborgt. Die Auswahl ist ja riesig, die Suche über die Online-Datenbank im Internet erleichtert das Finden. Da vieles entlehnt ist, nutze ich natürlich auch das Vorbestellservice, sonst ist es bei manchen CDs kaum möglich, sie zu bekommen. Ich kann sagen, dass ich früher die HB hauptsächlich für die Schule gebraucht habe, heute auch manchmal wegen dem Gratiszugang zum Internet. CDs und DVDs borg ich mir nebenbei aus. Manchmal, wenn ich mehr Zeit habe, stöbere ich länger bei den Musik-CDs, um was Neues zu entdecken.“

57 N. ist ein echter Musikliebhaber und kommt mehrere Male in der Woche in die Musikbücherei: "I came to Vienna in ‘64 and studied music at the "Musikakademie". I never visited Skodagasse5 till 2002. Well, I knew , there was a musiclibrary, but I had my own books about music, scores and pianomusic, so there was no need for me to go there. In 2002 a friend told me, I should visit the Skodagasse, because they have many cds. This was in November 2002 just before the Skodagasse closed. So in April 2003 I visited the new library and I couldn't believe how many cds and also printed music the library had. Since then I have been here 779 times, no, with today's visit it is 780 times [sic!]. Till now I have borrowed about 9000 cds. I don't take out books because I like to read in English6 and have a large private library on English books. I started borrowing Jazz CDs, because I had recently become interested in jazz. In the jazz section there are very hard-to-find CDs. I am also interested in contemporary classical music and the library has a big selection. The yearly membership fee is the price of one CD, so this is a bargain. All of the employees are friendly and very helpful and well- trained. The only sad thing is, that people steal CDs, which can't be replaced. It would be nice, if there is an internetlink on the library homepage to find out about new CD-editions, ‘cause this would make it easier to know what new items the library has."

Schon anhand dieser 3 Entlehner zeigt sich das breite Spektrum und die verschiedenen Beweggründe der Benutzer. Vom Kind bis zum Pensionisten, vom Profimusiker bis zum Biologiestudenten, die Akzeptanz von U-Musik durchzieht alle Schichten der Bevölkerung und entsprechend bunt ist die Zusammensetzung der Mediennutzer. Die stärkere Nutzung durch Männer kann durchaus als erfreulich bewertet werden. Der Umbruch in der Musikindustrie, hin zum (legalen) Download und neuen Speichermedien, weg von der herkömmlichen CD, wird sich voraussichtlich in naher Zukunft auch in Bibliotheken mit U-Musikmedien bemerkbar machen. Noten und Bücher sind davon weniger betroffen, aber ob die Entlehnquoten bei CDs noch steigen werden , das bleibt abzuwarten

5 Mit „Skodagasse“ ist die frühere Musikbücherei der Büchereien Wien in der Skodagasse im 8. Wiener Gemeindebezirk gemeint. 6 Auch die Hauptbücherei verfügt über einen großen Bestand an englischen Büchern.

58 6. Tendenzen

6.1. Markttendenzen

Die Jahreswirtschaftsberichte der Deutschen Phonoverbände zeigen die anhaltende Abwärtstendenz beim Umsatz von Musikmedien, die besonders stark den reinen Tonträgermarkt betrifft.1 Seit 1997 verzeichnet die Phonomarktbranche Umsatzrückgänge, die stärksten Einbußen erlebte der Markt in den Jahren 2001 – 2003.2 Verzeichnete man 1997 noch einen Gesamtumsatz von 2,587 Milliarden € in Deutschland, so waren es 2005 nur noch 1,5 Milliarden, also ein Rückgang von über 1 Milliarde € innerhalb von 8 Jahren. Die Entwicklung des Geschäfts mit Downloads aus dem Internet und Downloads auf das Handy hatte noch geringen Einfluß auf die Umsätze, ist aber sicherlich der Bereich, der die momentane Hoffnung der Branche ist. Gleichzeitig sind sie eine der Hauptursachen des Absatzrückgangs, denn mit 415 Millionen Downloads aus sogenannten "Tauschbörsen“ beträgt der Anteil kostenlos heruntergeladener Musiktitel mehr als 80 %.3 Immerhin stieg der Umsatz mit Downloads im Jahr 2005 auf 26 Millionen Euro, was eine Verdoppelung des Umsatzes innerhalb eines Jahres bedeutet. Die zweite Ursache der Umsatzrückgänge ist das Brennen von Musik auf Leermedien, also das Erstellen von Musikkopien. Laut Studie der GfK im Auftrag des Bundesverbandes der Phonographischen Wirtschaft ergibt sich hier folgendes dramatisches Bild: 2001, im Jahr des ersten großen Einbruchs am Phonomarkt , wurden erstmals mehr CD-Rohlinge - nämlich 182 Millionen - mit Musik bespielt als CD-Alben verkauft. 2005 wurden bereits 439 Millionen Rohlinge mit Musik bespielt (inkl. DVD-Rohlinge umgerechnet in CD-Einheiten), aber nur mehr 123,7 Millionen CD-Alben verkauft. Unter dem Problem des illegalen Downloadens und der privaten Vervielfältigung leiden also nicht nur Musiker und die an der Herstellung beteiligten Personen, sondern auch sehr stark Vertrieb und Handel. Stellenabbau im Handel, der Industrie und den Musikfirmen waren die Folge. Weniger Geld und damit verbunden weniger Möglichkeiten, Musiker aufzubauen, sind nur eine von vielen weiteren Folgen. Andererseits kann gerade der Vertrieb über das Internet als Hoffnungsträger für die Musikindustrie gesehen werden, wenn es gelingt, hier brauchbare Rahmenbedingungen

1 Jahreswirtschaftsberichte der Deutschen Phonoverbände unter www.ifpi.de 2 Jahreswirtschaftsbericht 2005 der Deutschen Phonoverbände unter www.ifpi.de , S. 11. 3 ebda. S. 15.

59 zu schaffen. 2006 kamen jedoch in Deutschland auf einen legalen noch immer 14 illegale Downloads.4

6.2. Tendenzen in Bibliotheken

Bibliotheken waren von den Markttendenzen noch nicht betroffen, doch auch hier sind Folgen absehbar. Tatsächlich haben Bibliotheken durch die Möglichkeit der privaten Vervielfältigung von Ton- und Bildtonträgern bis dato eher profitiert.

Mit Einführung der Entlehnung von CDs und DVDs wurde ein echter Ausleihboom ausgelöst, unabhängig davon, ob die Medien gebührenpflichtig waren/sind oder nicht. Gleichzeitig wurden damit auch stark Gruppen angesprochen, die keine typischen Bibliotheksbenutzer sind. Vor allem, wie die Tabellen in Kapitel 5 zeigen, Männer zwischen 30 und 60 Jahren. Verbunden mit dem Synergieeffekt, dass diese Gruppen somit auch stärker andere Medien entlehnen, ein doppelter Erfolg für Öffentliche Bibliotheken mit einem großen Angebot an AV-Medien. Man kann unschwer davon ausgehen, dass viele Entlehner die Möglichkeit nutzen, entliehene CDs zu Hause zu kopieren. Von Interesse bleibt die Öffentliche Bibliothek für den Entlehner nur, wenn er ständig mit neuer, aktueller U-Musik versorgt wird. Hier kann die Bibliothek nur mit entsprechendem Budget und relativ schneller Einarbeitungszeit mithalten. Zwei Entwicklungen können hier das Entlehnverhalten ernsthaft verändern. Zuallererst ist die Entwicklung auf dem Downloadsektor zu betrachten. Vor allem Personen unter 30 Jahren, aber eben nicht nur die, nutzen die vielfältigen Möglichkeiten des Downloads immer stärker. Der Besuch einer Bibliothek und das Entlehnen von U-Musik-CDs scheint damit hinfällig zu werden. Dies hängt jedoch sehr stark vom Angebot von Downloadportalen, der Legalität und den damit verbundenen Preisen ab. Einen direkten Einfluß darauf nehmen können Bibliotheken aber auch bereits. Indem Bibliotheken eigene Downloadportale besitzen. Ich stelle diese Möglichkeit im nächsten Unterkapitel vor.

Eine zweite, diesbezüglich unerfreuliche Tendenz ist die immer stärkere Nutzung eigener Laptops in Bibliotheken. Aufgrund der bereits riesigen Festplattenspeicher und der immens hohen Brenngeschwindigkeiten können sich Bibliotheksbenutzer während ihres Aufenthalts und quasi nebenbei in einer Bibliothek bereits eine Unzahl von CDs/DVDs

4 http://www.ifpi.de/wirtschaft/wirtschaft-868.htm (Eintragsrecherche vom 12.07.2007)

60 kopieren. Diese illegale Vorgangsweise scheint insofern unverständlich, da das Entlehnen von CDs ohnehin gratis ist. Große, unübersichtliche Büchereien wie die Hauptbücherei, mit wenig Personal und einer hohen Anzahl an Besuchern können dem kaum einen Riegel vorschieben. Sollten Personen bei Kopieraktivitäten beobachtet werden, ist natürlich einzuschreiten. Hier wird der unschätzbare Vorteil, dass sich jeder Mensch in einer Öffentlichen Bibliothek aufhalten und diese vor Ort auch nutzen kann, sicherlich überstrapaziert.

6.3. Die digitale Bibliothek

Immer mehr, vor allem jüngere Menschen nutzen die Möglichkeit des Downloads aus dem Internet. Technische Entwicklungen und marktwirtschaftliche Veränderungen machen auch vor Bibliotheken nicht halt. Den Bibliothekar mag es schaudern bei dieser Vorstellung, aber die physische Existenz einer Bibliothek in Form eines frei zugänglichen Gebäudes wird infrage gestellt. Unter www.bibliothek-digital.net wird die „Onleihe“ propagiert, das Ausleihen digitaler Medien von zuhause aus.5 (Oder von wo auch immer, richtiger wäre die Formulierung „vom Laptop oder vom Computer aus“. Durch die Entwicklung des ‚drahtlosen’ Funknetzes Wireless LAN sind hier ja keine örtlichen Grenzen mehr gesetzt.) Das physisch greifbare Buch hat bisweilen alle Medienentwicklungen schadlos überstanden und erhält auch durch das digital angebotene E-Book keine ernsthafte Konkurrenz. Ganz anders ist dies bei passiv konsumierbaren Medien, also z. B. U-Musik auf Tonträgern. Hier ist es ja nicht unbedingt notwendig, in welcher Form die Musik vorliegt. Hören ist ein vom Medium unabhängiger Prozess. Neben den bereits in Kapitel 2 aufgelisteten zahllosen und bereits wieder beinahe verschwundenen Tonträgern hat sich die CD jetzt über 20 Jahre halten können. Hinzugesellt haben sich die DVD als Bild- und Tonträger und eben die Digitalen Speichermedien. Im November 2007 wurde in England erstmals U-Musik auf USB-Sticks zum Kauf angeboten. Immer mehr legale Downloadportale öffnen im Internet ihre Pforten. Die „Onleihe“ von bibliothek digital ist solch ein legales Downloadportal, welches aus einem Zusammenschluß von deutschen Bibliotheken besteht, die ihren Benutzern die Möglichkeit bietet, digitale Medien - also E-Books, Hörbücher, Musik und Videos - übers Internet für einen gewissen Entlehnzeitraum downzuloaden. Die Vorteile für den Benutzer liegen auf der Hand: man kann unabhängig von Öffnungszeiten entlehnen, 24 Stunden am Tag, 7 Tage in der Woche.

5 www.bibliothek-digital.net (Eintragsrecherche vom 03.01.2008)

61 Zusätzlich muß man sich nicht mehr um Rückgabefristen kümmern. Ich zweifle nicht daran, dass diese neue Form der Bibliotheksbenutzung erfolgreich sein wird.

Eines darf bei solchen Entwicklungen jedoch nicht vergessen werden. Die Nutznießer sind immer nur Konsumenten, die aufgrund gegebener Kaufkraft von technischen Entwicklungen nicht ausgeschlossen sind. Ein Buch kann ich aufschlagen und lesen. Um hingegen Musik downloaden zu können, benötigt man einen Computer, einen Internetanschluss, einen Internetanbieter und weitere Hilfsprogramme und digitale Speichermedien zum Downloaden. All das ist trotz ständig sinkender Preise am Elektroniksektor mit hohen Anschaffungs- und Fixkosten verbunden. Hier wird eine der wichtigsten Ideen von Öffentlichen Bibliotheken ad absurdum geführt, nämlich die Idee, vor allem einkommensschwache Bevölkerungsgruppen nicht vom Bildungsprozeß auszuschließen. Diesen Benutzern bleibt der Weg in die Öffentliche Bibliothek nicht erspart. Diesbezüglich möchte ich die Idee von vom Internet unabhängigen Downloadportalen in Öffentlichen Bibliotheken andenken. Theoretisch wäre es natürlich vor allem im Musikbereich möglich, in Bibliotheken installierte Download-Computer anzubieten, von denen sich der Benutzer eine bestimmte Anzahl von Musikmedien z.B. auf den MP3-Player laden kann. Dies wäre vor allem für Jugendliche interessant. Erstens gehören MP3-Player zu den billigsten Abspielgeräten von Musik und zweitens könnten Jugendliche auch Einzeltitel auswählen. Außerdem bleibt bei der CD ja immer das Problem, dass es als physische Einheit auch nur von einem Benutzer entliehen werden kann, während ein digitales Medium von vielen Benutzern gleichzeitig und zu jeder Zeit entliehen werden könnte.

U-Musikmedien haben sich vor allem durch die Möglichkeit der Entlehnung von Tonträgern als besonderer Anziehungspunkt in Öffentlichen Bibliotheken durchgesetzt. Die neuen Entwicklungen auf dem Tonträgersektor bieten auch den Öffentlichen Bibliotheken ganz neue Möglichkeiten, die jedoch nur mit entsprechendem personellen und finanziellen Aufwand und Unterstützung seitens der politisch Verantwortlichen umgesetzt werden können. Es ist zwar nicht egal, wie man den immer rasanter werdenden Entwicklungen im Musikbereich gegenüber steht, aber, unabhängig von der persönlichen Einstellung dazu, diese Entwicklung findet statt. Wenn Öffentliche Bibliotheken Teil dieser Entwicklung

62 sein möchten bzw. müssen, sind dafür auch entsprechende finanzielle Mittel und geschultes Personal notwendig. Nur so kann der Erfolg mit U-Musikmedien in Öffentlichen Bibliotheken auch in Zukunft garantiert werden.

63 Bildanhang: Hauptbücherei: Einstellen der Musik-CDs 9h – Good morning, Vienna. Ein vergleichsweise harmloser Einstellmorgen beginnt.

64

Aus dem Sortierraum werden die CDs in die Musikücherei gebracht, dort nach Systematik gestapelt und danach alphabetisch eingereiht.

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Die schöne, lange Holzwand mit den Klassik-CDs und einem kleinen Teil der U-Musik-CDs aus einer interessanten Perspektive.

66

10h (oder 11h?), fertig eingestellt!

67

Das Holzregal im Vordergrund beinhaltet die meisten Bücher zum Thema U-Musik.

68

Einige der CD-Abspielplätze, im Hintergrund (rechts oben) befinden sich 6 DVD/Video-Abspielplätze.

69

4 CD-Abspielplätze in der Mitte von Collegebereich 5a mit dem Regal für Pop/Rock-CDs.

Die Wand mit ca. 10.000 LPs sowie Arbeitsplätzen und CD- und LP-Abspielplätzen im Collegebereich 5b.

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Regal mit Musikvideos und –DVDs im Bereich 5a Regal mit Noten für Klavier im Bereich 5b

Materialien für Musikmedien: 1 Medium: bestehend aus 2 CDs, 2 Transpondern, 2 Boostern und 3 Etiketten

71 Bücherei Philadelphiabrücke :

Schönes Interieur, einladende CD-Abteilung

Eigenes Abteil mit türkischer Musik für die Zielgruppe „jugendliche MigrantInnen“ Musikhören JA, Telefonieren NEIN

72 Interviews:

Interview mit Peter Hörschelmann (Büchereien Wien) im September 2007 Interview mit Gina Jank (Büchereien Wien) im Oktober 2007 Interview mit Susanne Kurz (Büchereien Wien) im Oktober 2007 Interview mit Bernadette Posch (Büchereien Wien) im September 2007 Interview mit Reinhard Wieser (Büchereien Wien) im September 2007 Interviews mit Nutzern von U-Musikmedien im September 2007 (Namen sind dem Verf. bekannt)

Verzeichnis der verwendeten Literatur:

Bene, Isabella: Wiener Musikbibliotheken im Vergleich. Projektarbeit im Rahmen der hauptamtlichen Ausbildung für BibliothekarInnen (Ausbildungslehrgang 2004–2006/B). – Wien : 2006. – 55 S. : zahlr. Ill.

Der Brockhaus, Musik : Personen, Epochen, Sachbegriffe / hrsg. von der Lexikonredaktion des Verlags F. A. Brockhaus, Mannheim. [Red. Leitung: Marianne Strzysch-Siebeck]. - 2., völlig neu bearb. Aufl.. - Mannheim ; Leipzig : Brockhaus, 2001. - 896 S. : zahlr. Ill., graph. Darst., Noten

Büchereien Wien : die ganze Information. [ Broschüre der MA13 – Büchereien Wien.] - Wien : [o.J.]. – [14 S.]

Hirsch, Ferdinand: Das grosse Wörterbuch der Musik / Ferdinand Hirsch. - Sonderausg.. - Weyarn : Seehamer, 1996. - 544 S. : Noten Lizenz des Verl. Hirsch, Berlin

Jazz goes Pop goes Jazz : der Jazz und sein gespaltenes Verhältnis zur Popularmusik ; eine Veröffentlichung des Jazzinstituts Darmstadt / hrsg. von Wolfram Knauer. - Orig.-Ausg.. - Hofheim am Taunus : Wolke, 2006. - 278 S. : Ill. (Darmstädter Beiträge zur Jazzforschung ; Bd. 9)

Leitner, Gerald: Aufgaben, Organisation und Verwaltung Öffentlicher Bibliotheken : Ausbildungsskriptum für Hauptberufliche Bibliothekare / Gerald Leitner und Franz Pascher. - 2..veränderte Aufl.. – Wien : BVÖ, 2002. – 155 S. - (BVÖ-Arbeitshilfen; 7)

73

Lindlar, Heinrich: Wörterbuch der Musik / Heinrich Lindlar. - 1. Aufl.. - Frankfurt am Main : Suhrkamp, 1989. - 331 S. (Suhrkamp-Taschenbuch ; 1452)

Metzler-Sachlexikon Musik : [auf der Grundlage des von Günther Massenkeil hrsg. Großen Lexikons der Musik (1978-82/1987), einer Bearbeitung des Dictionnaire de la musique von Marc Honegger (1976)] / [red. Bearb.: Ralf Noltensmeier]. - Stuttgart ; Weimar : Metzler, 1998. - XVI, 1173 S. : Ill., Noten (Metzler Musik)

Meyers Taschenlexikon Musik : in 3 Bd. ; [rund 8000 Biographien u. Sachart.] / hrsg. von Hans Heinrich Eggebrecht. In Verbindung mit d. Red. Musik d. Bibliograph. Inst. unter Leitung von Gerhard Kwiatkowski. - Orig.-Ausg.. - Mannheim ; Wien ; Zürich : Bibliographisches Institut. - Bd.3 On-Zz. – 1984. – 352 S. : Ill. Noten

Oszuszky, Claus: Einführung in die „Regeln für die Alphabetische Katalogisierung“ (RAK) / Claus Oszuszky. - Wien : BVÖ, 2006. - 112 S. : graph. Darst. - (BVÖ-Materialien; 11)

Posch, Bernadette: Öffentliche Musikbücherei Wien : Entwicklungen - Vergleiche – Tendenzen. Hausarbeit im Rahmen des bibliothekarischen Ausbildungskurses 1999/2000. - Wien: 2000. - 34 S. : graph. Darst.

Pravits, Anita: Die Hauptbücherei der Wiener Städtischen Büchereien in der Skodagasse. Hausarbeit im Rahmen des Ausbildungskurses 1999/2000. - Wien: 2000. - 50 S. : Ill., graph. Darst.

Pfoser, Alfred: Die Wiener Städtischen Büchereien: Zur Bibliothekskultur in Österreich / Alfred Pfoser. – Wien : WUV-Univ.-Verl., 1994. - 264 S. : Ill., graph. Darst.

Schülerduden, Musik : [ein Lexikon für Musikunterricht und -praxis ; das grundlegende Wissen zur europäischen und außereuropäischen Musik von ihren Anfängen bis heute] / hrsg. und bearb. von der Redaktion Schule und Lernen. [Red. Leitung: Martin Fruhstorfer. Autoren: Bernd Enders ...]. - 3. völlig neubearb. Aufl.. - Mannheim ; Leipzig ; Wien ; Zürich : Dudenverl., 2000. - 501 S. : Ill., Noten

Wicke, Peter: Handbuch der populären Musik : Geschichte, Stile, Praxis, Industrie / Peter Wicke und Wieland & Kai-Erik Ziegenrücker. - Mainz : Schott, c 2007. - 821 S. : Ill., Noten

74 Verzeichnis verwendeter Internetadressen:

www.akm.co.at Staatlich genehmigte Gesellschaft der Autoren, Komponisten und Musikverleger www.allmusic.com Website von All Media Group, LCC www.amazon.de Website der Gesellschaften der Amazon-Unternehmensgruppe www.bibliotheca-rfid.com Bibliotheca RFID Library Systems AG www.bibliothek-digital.net DIVIBib GmbH, Tochterfirma der ekz.bibliotheksservice GmbH www.buechereien.wien.at MA13 – Büchereien Wien www.easy-check.org EasyCheck GmbH & Co.KG : Technologielieferant für Bibliotheken www.ifpi.de Die Deutschen Phonoverbände (Bundesverband der Phonographischen Wirtschaft, Deutsche Landesgruppe der IFPI, Deutsche Phonoakademie ) – Interessenvertretung der deutschen Musikindustrie www.jpc.de jpc-schallplatten Versandhandelsgesellschaft mbH www.medien.ifi.lmu.de LMU München – Lehr- und Forschungseinheit Medieninformatik www.wikipedia.org Website der Wikimedia Foundation Inc.

Fotos: (Umschlaggrafik und Bildanhang) – © Stefan Lichtenegger

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Erklärung

Ich erkläre hiermit, dass ich diese Arbeit selbst, auf eigene Kosten und ausschließlich in meiner Freizeit verfasst und außer den bezeichneten Hilfsmitteln und Quellen nichts benutzt habe.

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