Protokoll-Nr. 19/61

19. Wahlperiode Parlamentarischer Beirat für nachhaltige Entwicklung

Wortprotokoll der 61. Sitzung

Parlamentarischer Beirat für nachhaltige Entwicklung Berlin, den 18. November 2020, 18:00 Uhr 10557 Berlin, Konrad-Adenauer-Straße 1 Videokonferenz im Webex-Format

Vorsitz: Dr. , MdB

Tagesordnung - Öffentliche Anhörung

Einziger Tagesordnungspunkt Seite 3

Fachgespräch zum Thema „Deutscher Nachhaltigkeitspreis und andere Multi- Stakeholder-Plattformen“ mit Prof. Dr. Günther Bachmann, Stiftung Deutscher Nachhaltigkeitspreis e.V.

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Mitglieder des Beirates Ordentliche Mitglieder Stellvertretende Mitglieder CDU/CSU Benning, Sybille Beermann, Maik Damerow, Astrid Färber, Hermann Lenz, Dr. Andreas Kruse, Rüdiger Marschall, Matern von Pilsinger, Stephan Stein (Rostock), Peter Pols, Eckhard Whittaker, Kai Weiler, Albert H. SPD Scheer, Dr. Nina De Ridder, Dr. Daniela Thews, Michael Klare, Arno Westphal, Bernd Schäfer (Bochum), Axel AfD Kraft, Dr. Rainer Glaser, Albrecht Spaniel, Dr. Dirk Wiehle, Wolfgang FDP Hoffmann, Dr. Christoph Bauer, Nicole Köhler, Dr. Lukas Kluckert, Daniela DIE LINKE. Vogler, Kathrin Leidig, Sabine Zdebel, Hubertus Remmers, Ingrid BÜNDNIS 90/DIE Hoffmann, Dr. Bettina Kekeritz, Uwe GRÜNEN Zickenheiner, Gerhard Strengmann-Kuhn, Dr. Wolfgang

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Einziger Tagesordnungspunkt Professor Bachmann von der Stiftung Deutscher Nachhaltigkeitspreis e.V. begrüßen dürfen. Er ist Fachgespräch zum Thema „Deutscher uns über viele Jahre auch bestens bekannt als Ge- Nachhaltigkeitspreis und andere Multi- neralsekretär des Rates für Nachhaltige Entwick- Stakeholder-Plattformen“ lung. Ich habe jetzt leider das Buch von ihm nicht mit Prof. Dr. Günther Bachmann, Stiftung dabei. Das hätte ich sonst in die Kamera gehalten. Deutscher Nachhaltigkeitspreis e.V. Ich habe mir aber das neueste Buch von ihm be- stellt, das im Titel auch das Thema „Politik“ bein- dazu verteilt: haltet – ich glaube, der Titel lautet „Es liegt in der Stellungnahme Ausschussdrucksache 19(26)87-1; Hand der Politik“. Es ist natürlich für uns alle ein Vorabdruck FAZ-Beilage Ausschussdrucksache sympathischer Titel, der sicher auch nicht zu viel 19(26)87-2 verspricht und daher auch die Lektüre lesenswert macht. Vorsitzender Dr. Andreas Lenz (CDU/CSU): Ich denke, wir können beginnen. Man sieht mich Ich begrüße – wie vorhin schon gesagt – alle Mit- auch. Es hallt hier ein bisschen, aber das bekom- glieder des PBnE. Ich würde mir eine längere Ein- men wir sicher auch noch hin. Kurz die Frage in führung sparen, weil wir ja alle Herrn Profes- die Runde: Könnt Ihr, können Sie mich alle hören sor Bachmann bestens kennen. Ich würde aber und sehen? Ich sehe ein Nicken. Ich hoffe, Sie se- noch einige organisatorische Hinweise geben. Als hen mich auch. Die Verbindung ist soweit gut. Redezeit für das Eingangsstatement sind 15 Minu- Herrn Professor Bachmann sehe ich auch und ten vorgesehen. Wir wollen die Sitzung dann um Herrn Bauernfeind ebenfalls. Beide sind natürlich ca. 19:00 Uhr schließen. Ich darf noch erwähnen, ganz herzlich gegrüßt. Dann fangen wir auch dass dann noch eine weitere kurze Beiratssitzung gleich an. und noch ein ganz kurzes Obleutegespräch statt- finden werden. Daher würde ich alle Obleute bit- Vor Eintritt in die Tagesordnung möchte ich – wie ten, dann noch in der Leitung zu bleiben. Das gesagt – Herrn Professor Bachmann ganz herzlich heutige Gespräch wird im Parlamentsfernsehen begrüßen. Es freut mich, dass Sie heute teilneh- übertragen und ist dann ab dem 20. November men können. Das Sekretariat und ich befinden 2020 in der Mediathek abrufbar. Das Ganze wird sich im Sitzungssaal E.700 des Paul-Löbe-Hauses. natürlich auch protokolliert. Bevor wir gleich einsteigen, noch ein paar organi- satorische Hinweise. Ich bitte, dass diejenigen, die Ich bitte jetzt Herrn Professor Bachmann ums nach dem Einführungsstatement von Herrn Wort und um sein Eingangsstatement. Wir freuen Professor Bachmann eine Frage stellen wollen, uns auf Ihre Ausführungen und auf die anschlie- das entsprechend in der Chat-Funktion des Pro- ßende Diskussion. Herr Bachmann, Sie haben das gramms „webex“ sichtbar machen, und dann nach Wort. der Wortmeldung das Mikro wieder auf stumm Sachverständiger Prof. Dr. Günther Bachmann schalten. Ansonsten ist allen freigestellt, ob sie (Stiftung Deutscher Nachhaltigkeitspreis e.V.): mit oder ohne Bild an der Sitzung teilnehmen. Al- Vielen Dank. Sehr geehrter Herr Vorsitzender, lie- lerdings haben wir schon ein paar Bilder einge- ber Andreas Lenz, und sehr geehrte Anwesende. blendet. Es ist ja doch ein vertrauteres Verhältnis, Ich habe nicht gedacht, dass ich, als ich in meiner wenn man sich sehen kann. Wir haben uns in der Funktion aus dem Rat für Nachhaltige Entwick- Obleuterunde drauf verständigt, dass die Mitarbei- lung ausstieg, bildlich so schnell „so weit weg“ terinnen und Mitarbeiter der Abgeordneten ohne vom Ihnen sein würde. Aber es ist auch ange- Bild an der Beiratssitzung teilnehmen können. nehm, Sie so wieder sehen zu können. Es gibt mit Ich eröffne die 61. Sitzung des Parlamentarischen dieser Technik ja gewisse Vorteile. Und ich danke Beirats für nachhaltige Entwicklung (PBnE) mit sehr, dass Sie mich heute zum Thema „Deutscher dem einzigen Tagesordnungspunkt „Öffentliches Nachhaltigkeitspreis“ vortragen lassen. Wie Sie Fachgespräch zum Thema „Deutscher Nachhaltig- wissen, ist das ein Projekt, das mir sehr am Her- keitspreis und andere Multi-Stakeholder-Plattfor- zen liegt, und in dem ich jetzt auch Verantwor- men“. Wir haben heute sozusagen einen „alten tung in der Leitung des Stiftungsvereins des Bekannten“ zu Gast. Es freut uns sehr, dass wir Deutschen Nachhaltigkeitspreises übernommen

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habe. Ich möchte dazu im ersten Teil meines Ein- Form von Publikumsvoting dabei, manchmal geht gangsstatements sprechen. Ich will dann noch es übers Fernsehen, manchmal ist es dann nur die einige – sagen wir einmal – generelle Anmerkun- Jury, manchmal auch ein sogenannter „Live- gen zu den Multi-Stakeholder-Initiativen machen, Pitch“ am Tag der Veranstaltung selbst. Charakte- die dann am Ende auch einen politischen Aus- ristisch ist auch, dass wir sozusagen einen Kombi- blick nahelegen. nationspunkt haben: Das ist natürlich die Verga- befeier, aber auch ein Diskursprojekt, ein Kon- Eine Vorbemerkung zum Deutschen Nachhaltig- gress, wo die Beteiligten und weitere Akteure ein- keitspreis: Es gibt viele Preise. Der Universität geladen sind, miteinander zu diskutieren und Hohenheim, insbesondere Frau Dr. Gebhardt, ver- man auch vor Ort direkt – also bisher vor Ort, aber danken wir, dass wir eine Übersicht über die in diesem Jahr natürlich nicht persönlich – mit Nachhaltigkeitspreise in Deutschland haben. Sie den Preisgewinnern und den Teilnehmern spre- zählt insgesamt 141 Preise, die irgendetwas mit chen kann. „Nachhaltigkeit“ und auch mit „Umwelt“ zu tun haben – die teilweise regional, aber auch demo- Ein weiteres Element ist der sogenannte „Fair-Fu- kratisch fokussiert sind. Sie hat alle Preise mit ture-Day“, so nennen wir das, wo wir Auszubil- Hilfe von Empirie und mit Umfrageergebnissen dende, Studentinnen und Studenten einladen, verglichen. Ich würde es ja nicht sagen, dass es ohne Gebühr an der Veranstaltung teilzunehmen. jetzt meine Idee sei. Aber an dieser Stelle kann ich Das haben wir – glaube ich – drei- oder viermal die Universität Hohenheim zitieren: „Der Deut- schon gemacht. Bei der Veranstaltung in sche Nachhaltigkeitspreis ist der beste dieser Düsseldorf kommen 2000 Leute zusammen. Wir Preise. Er ist sowohl der bekannteste als auch der haben in diesem Jahr ungefähr 1000 Bewerberin- begehrteste, attraktivste und in seiner umfassen- nen und Bewerber für die Preise. den Art auch der Größte.“ Die Empirie und die Wie hat das Ganze angefangen? Das war im Jahr Unterlagen habe ich Ihnen in der Langfassung zu 2007. Stefan Schulze-Hausmann hatte – wie in dem, was ich jetzt ausführe mitgebracht, sodass den vergangenen Jahren auch – den Deutschen Sie das nachlesen können. In der Tat sind wir, Umweltpreis der Deutschen Bundesstiftung Um- sage ich, als Deutscher Nachhaltigkeitspreis auch welt (DBU) moderiert. Er kam auf mich zu und ein „Multi-Stakeholder-Projekt“, denn seit über sagte „Ich habe da für einen Preis eine Idee“. Jetzt 13 Jahren haben wir 150 zivilgesellschaftliche war die Idee aber auch nicht so, dass man sie Einrichtungen, Verbände, Stiftungen in irgendei- gleich hat nehmen können. Und so ergab sich ein ner Weise beteiligt, mal eine Jury, mal ein Feed- „Pingpong“-Spiel zwischen uns: Wie macht man back und mal ein Kongress. Wir haben Wissen- eigentlich eine Methodik für einen Nachhaltig- schaftler dabei, vor allem die Universität Münster keitspreis, und wie muss die „Governance“ für und vom Wuppertal Institut. Wir haben aber na- den Preis aussehen? Und dabei mussten wir zwei türlich auch die Bundesregierung dabei, ich Hürden überwinden. Das waren ziemlich substan- komme da später noch mal drauf, und die Kom- zielle Hürden. Die eine war eine Ablehnungsfront, munalvertreter. Das ist halt eine bunte Mischung. nämlich von Personen, die sagten, „Nachhaltig- Einige Fakten: Es handelt sich hier um acht Block- keit“ ist kein Thema zum Feiern. „Nachhaltigkeit“ bewerber. Das geht von den Unternehmen, den ist das Thema, wo man die Lippen zusammenbei- Kommunen, bis hin zum Deutschen Nachhaltig- ßen muss und Forderungen stellt, und bei denen keitspreis „Architektur“ im „Next-Economy- es nicht gut vorangeht. Da gibt es gar keine „Glit- Award“, den Startups, dem Deutschen Nachhal- zereffekte“. tigkeitspreis „Forschung“, einem Sonderpreis für globale Partnerschaften, also Unternehmen in Die andere Seite ist geprägt durch so eine Art Un- Deutschland und Unternehmen weltweit, Kom- glauben. Kann man den Nachhaltigkeitspreis im mune Deutschland – Kommune weltweit. In die- Verfahren eines Multi-Stakeholders organisieren? sem Jahr erstmals auch der Deutsche Nachhaltig- Wer seid ihr überhaupt, die so einen Preis ma- keitspreis „Design“, bei dem wir fast die gesamte chen? Wir wollten das eigentlich auch gar nicht. Design-Community zum Mitmachen animieren Wir dachten, der Bundesverband der Deutschen konnten. Die Wettbewerbe unterscheiden sich in Industrie e.V. (BDI) würde den Preis ausloben der Art, wie wir sie machen. Manchmal ist eine

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oder die Bundesregierung. Beides klappte aber da- „Corona“? Was heißt „Kommunikation in Bedro- mals nicht. Und so haben wir den Preis als Multi- hungslage“, wenn man jetzt mal guckt, wie eigent- Stakeholder-Initiative auf die Bühne gebracht. Ich lich andere Probleme – Klimawandel usw. – uns muss aber sagen: Danke an den BDI. Damals hat auch bedrohen? Also, was kann man da in der ein BDI-Mitarbeiter uns dann sehr geholfen, zu- Kommunikation für Schlussfolgerungen ziehen? sammen mit Transparency International, mit Und ich bin sehr froh, dass Herr Seibert und Frau Sylvia Schenk, eine Governance zu entwickeln für Demmer – beide – auf dem Kongress sprechen den Preis, also eine Satzung für den Stiftungsver- werden. ein, die Geschäftsordnung für die Jury und Fragen Recherchepartner sind ganz wichtig. Denn wir bezüglich der Preisvergabe und der Finanzierung. kriegen ja Bewerbungen rein und müssen dann Alle diese Dinge sind mit deren Hilfe entstanden, auch fragen „Stimmt das eigentlich, was da aufge- und dafür gilt es immer noch, Dank abzustatten. schrieben ist?“ Und das machen wir mit Recher- Zum Thema „Multi-Stakeholder“: Alleine bei die- chepartnern, die teilweise Interviews führen, Ge- sem Preis kooperieren wir mit der Deutschen Ge- spräche führen, zu den Kommunen hinfahren und sellschaft für Nachhaltiges Bauen, mit der Archi- dann mit dem Oberbürgermeister/der Oberbürger- tektenkammer, mit dem Bund der Architekten meisterin bzw. deren Beauftragten selber spre- und der Stiftung Baukultur. Das ist sozusagen ein chen. Bei den Unternehmen machen wir auch sol- Beispiel für die Art und Weise, wie wir versu- che Kontrollschleifen. Und da helfen uns zwei chen, den Preis in die jeweilige Szene hineinzu- Wirtschaftsberater, nämlich Ernst & Young und bringen. Die Institution – da gibt es den Verein. A. T. Kearney. Da helfen uns das Difu, das Deut- Das ist der Stiftungsverein Deutscher Nachhaltig- sche Institut für Entwicklungsfragen, die Universi- keitspreis in Düsseldorf, der da angemeldet ist. tät Lüneburg, die Uni Münster, die Industrie- und Und es gibt ein Kuratorium, das uns seither be- Handelskammer (IHK) ganz besonders für die gleitet. Da ist z. B. Bärbel Dieckmann drin. Da wa- Startups, und einige weitere wie der ICLEI (Inter- ren jetzt auch Personen aus der Industrie mit da- national Council for Local Environmental Initiati- bei – Volker Haub ist dabei, die besagte Sylvia ves), also den Kommunalverbänden. Schenk von Transparency ist dabei. Und es gibt Das hört sich alles groß an. Jetzt sagen die die Jury, die Jurys – Plural. Das ist ganz interes- „Mensch, Ihr seid ja schon toll stabil“. Stabil ist sant, weil wir in jedem Jahr die Jury wieder etwas hier gar nichts, muss ich Ihnen sagen, finanziell personell verändern. Erst mal ist das ein ziemli- stabil schon mal überhaupt nicht. In jedem Jahr cher Aufwand, das zu machen. Da muss man ein wird die Finanzierung des Deutschen Nachhaltig- bisschen Rücksicht nehmen auf die Personen, keitspreises (DNP) erneut sozusagen auf die Probe weil die das nicht jedes Jahr machen können. gestellt. Wir müssen dann über Projektgelder und Zweitens ist aber eine Änderung der Jury-Zusam- Sponsoring der Wirtschaft die jeweils nötige mensetzung auch immer ein Garant dafür, dass Summe einbringen. Das sind über zwei Millionen sich keine Routinen festfressen. Also, das machen Euro pro Jahr. Und das ist nicht stabil – schon gar wir jedes Jahr erneut. Und der Verein selber hat nicht im „Corona“-Jahr. Und was den DNP in die- dann die Aufgabe, zu beauftragen, nämlich alle sem Jahr angeht, kann ich Ihnen gleich sagen: Es Gewerke, die für den Nachhaltigkeitspreis in An- gibt eine Online-Veranstaltung, es gibt auch einen spruch genommen werden. hybriden Teil, weil die Moderatoren vor Ort sein Bezüglich der Beteiligung der Bundesregierung – sollen – so ähnlich, wie Sie das jetzt auch machen das will ich Ihnen schnell sagen: Einige Ressorts mit dieser Sitzung. Wir haben dafür noch mal machen das – und da lobe ich insbesondere das zehntausende von Euro in die Technik investiert Bundesministerium für Bildung und Forschung und hoffen – die Daumen werden gedrückt –, dass (BMBF) und das Bundesministerium für wirt- das alles am 3. und 4. Dezember gut über die schaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Bühne geht. Wir haben Zusagen zur Teilnahme (BMZ) – und dies über Jahre hinweg konstant. Das von Frau von der Leyen und Bundesfinanzminis- tut uns sehr gut. In diesem Jahr ist das Bundes- ter Olaf Scholz, auch vom Bundesminister Gerd presseamt mit einem Kongress im Kongress dabei. Müller vom BMZ. Und Elton John wird dabei Wir haben nämlich gefragt: Was heißt eigentlich

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sein, wenn Sie das interessieren sollte. Es gibt im- tigkeitskodex, wie den DNP und auch den Regio- mer so ein Highlight am Ende. Das macht auch nalen Netzstellen. den DNP aus, dass er Emotionen mit Handlung – In den internationalen Diskussionen gibt es ein mit Aktionen – verbindet. Tagsüber ist das meist paar andere Sichtweisen. Da herrscht Kritik vor eine „dürre“ Diskussion: Was ist eigentlich gut an und Misstrauen gegenüber den Multi-Stakeholder- dem, was der eine tut? Wie kann man das verbrei- Initiativen. Harte – ich sage mal – internationale tern? Was kann man noch tun? Wo sind die „Lei- Globalisierungsgegner sagen heute, Multi-Stake- chen im Keller“ – wenn man so will? Und abends holder-Initiativen haben ihre Ziele verfehlt und ist dann eher festliche Stimmung angesagt. Beides verfehlen sie permanent. Die deutsche Verbände- zusammen finde ich wichtig als eine Kultur der Landschaft – beispielsweise VENRO (Bundesver- Nachhaltigkeit. Und Kultur die belohnt und er- band entwicklungspolitischer und humanitärer muntert. Nichtregierungsorganisationen) und andere – sehe Was hat sich bewährt bei der ganzen Angelegen- ich hier auch sehr kritisch, aber etwas konstrukti- heit? Gut ist, dass wir als Stiftungsverein Deut- ver. Der Kernpunkt ist eigentlich immer: Ist eine scher Nachhaltigkeitspreis keine politische Posi- Multi-Stakeholder-Initiative nur eine Ersatzvor- tion einnehmen. Wir schreiben keinen Forde- nahme für den Staat, der sonst nichts tut, oder er- rungskatalog, sondern wir schauen mit diesem weitert sie die staatlichen Handlungsmöglichkei- sehr ausgetüftelten Konzept, was liefern die Bes- ten? Das hat was mit „Freiwilligkeit“ zu tun, aber ten und wo dann der nächste Schritt ist. Was kann auch mit der Frage, was passiert eigentlich mit de- man von denen noch fordern, und vor allen Din- nen, die sich freiwillig nicht beteiligen? Und da gen, was heißt das für die Branche oder für die gibt es eben unterschiedliche Erfahrungen bei Vergleichsgruppe? Kann man da noch mehr ma- Textil, bei Palmöl, bei Kakao usw., den großen chen? Kann man noch mehr zum Partizipieren Multi-Stakeholder-Initiativen, die im Kern alle bringen? Und daraus gibt es Narrative. Da gibt es vom BMZ mit der jeweiligen Industrie heraus ini- beispielsweise das Narrativ einer Firma, die den tiiert worden sind. kompletten Turnaround schafft – von Pleite, dann Aus meiner Sicht sind vier Kriterien wichtig bei umdreht in Richtung „nachhaltige Produkte“ und den Multi-Stakeholder-Initiativen. Erstens: Legiti- wieder finanziell stabil wird. Da gib es den großen mation. Die hat man nicht, die muss man sich im- Tanker der Firma, der einzelne Produkte – wenn mer wieder neu erwerben. Das ist ein ganz wichti- man so will – „ergrünen“ lässt und immer natür- ger Punkt. Wer auf Routinen setzt, wird am Ende lich mitschleppt, was er sonst noch für Verant- keinen Erfolg haben. Das Zweite ist der Diskurs- wortung hat. Da gibt es die Stadt und den Haus- modus. Man findet sich ja freiwillig zusammen, haltsvorbehalt, die trotzdem so eine Aktion der um absichtsvoll Kontroversen zu diskutieren. Das Nachhaltigkeit hinbekommt, obwohl es keine wäre so ein bisschen die Definition von Multi-Sta- Kommunalaufgabe formeller Art ist. Und da gibt keholder-Initiativen – freiwillig, absichtsvoll, es Städte, die haben eine reiche Bürgerschaft – kontrovers. Das ist genau nicht das, was man „Reich“ im Sinne von ideenreich, kreativ, aktions- sonst unter Aktionsbündnis oder Allianzen ver- reich – und die schaffen das, die immer wieder steht. Also, hier steht die Kontroverse im Mittel- neu zu motivieren und sich von der Bürgerschaft punkt, und die muss man lösen. Dazu müsste man motivieren zu lassen. Solche Geschichten werden sich auf ein Verfahren einigen. Deswegen sind so beim DNP erzählt. Das ist das Narrativ. etwas wie wir – ich habe es vorhin beschrieben Bewährt hat sich aus meiner Sicht auch die Feed- über Methodik, Recherche und so −, essentiell für back-Schleife. Wir überlegen immer, wo wir bes- das Gelingen einer solchen Initiative. Compliance ser werden können, und das habe ich in dem Pa- ist wichtig. Ich finde es extrem wichtig, die strate- pier, was ich Ihnen vorgelegt habe, auch etwas be- gische, inhaltliche Lenkung und Leitung zu tren- schrieben. Was heißt das generell für Multi-Stake- nen von dem operativen Geschäft. Hier bei uns in holder-Initiativen? Meine Erfahrung beruht auf dem Fall wäre es dann auch das Einwerben von diesen aus den von Multi-Stakeholdern herausge- Geld und eine Selbstbegrenzung. Man darf nicht hobenen Initiativen wie den Deutschen Nachhal- überspielen. Das habe ich auch gelernt. Es muss immer bei solchen Dingen klare Spielregeln für

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Anfang und Ende geben, sonst wird es mühsam. über die Governance von solchen Initiativen noch stärker Gedanken machen muss. Herzlichen Dank Der Ausblick – um in der Viertelstunde meiner für Ihre Aufmerksamkeit. Ich bleibe an dieser Redezeit zu bleiben: Ich glaube, dass Multi-Stake- Stelle stehen – zeitlich etwas überzogen. Ich bitte holder-Initiativen trotz der Kritik oder vielleicht um Entschuldigung. sogar wegen der Kritik wichtiger werden. Das hat etwas mit dem „Lieferketten“-Thema zu tun. Aber Vorsitzender Dr. Andreas Lenz (CDU/CSU): Vie- darüber hinaus: Ich glaube, dass sie, wenn man so len Dank für die Ausführungen. Es war in dem will, politische Macht gewinnen werden, weil Fall aus meiner Sicht kein Schaden, dass Sie über- sich diese „Run away“-Probleme, wie „Klima“, zogen haben. Das machen wir eben bei Ihnen auch „Biodiversität“, „Ungleichheit“ – das sind sozusa- gerne, dass wir das durchgehen lassen. Jetzt haben gen die „Widged-Problems“ –, die werden sich Sie uns eine Übersicht gegeben. Sie haben gesagt, nicht anders lösen lassen, als durch den Einbezug Sie sind der beste Wettbewerb, aber nicht der ein- von Multi-Stakeholdern, damit der Staat stärker zige. Wir sind sicher auch der beste Beirat. Daran wird. Ich teile also nicht die Kritik der Verbände haben wir keinen Zweifel, und deswegen würden an dem Instrument Multi-Stakeholder-Foren, son- wir auch gerne bei einigen Punkten nachfragen dern sehe die eigentlich als Teil der Lösung an. und die erste Wortmeldung kommt von der Und da möchte ich Sie noch auf zwei Dinge hin- Union, und ich gebe das Wort. weisen. Das eine ist: Im internationalen Bereich Abg. Kai Whittaker (CDU/CSU): Herzlichen Dank, sehe ich die Holländer als sehr großes Vorbild, Herr Vorsitzender. Sehr geehrter Herr Bachmann, weil sie nämlich nicht die einzelnen Kakao-, herzlichen Dank, dass Sie heute bei uns sind. In Palmöl-, Textil- usw. -Szenarien für Multi-Stake- der Tat würde ich gerne noch mal nachfragen holder haben, sondern eine sogenannte nach der Entwicklung insbesondere auch des „Sustainable Trade Initiative Hollands“ gegründet Deutschen Nachhaltigkeitspreises, der in der Tat haben, die das zusammenführt, die also auch or- ja der bekannteste und wichtigste Preis in der chestriert, welche Rolle der Staat hat, welche die Szene ist. Vielleicht können Sie uns noch mal ein Multi-Stakeholder. Das finde ich beachtenswert. bisschen deutlicher schildern, wie sich der Preis Und zum anderen – abschließend –: „Stakeholder- in den letzten Jahren entwickelt hat, also sprich, Kapitalismus“ sagt Klaus Schwab, sei die Ent- wie der Zulauf ist, die Anzahl der Bewerbungen wicklung. „Stakeholder-Kapitalismus“ ist ein usw., wie sich das – wie gesagt – entwickelt hat, Wort, das muss man sich zweimal überlegen. Bei und vor allem auch, ob das über alle Branchen Klaus Schwab, also dem Chef des World Econo- hinweg geht oder ob es da spezielle Branchen gibt, mic Forum, heißt es, dass die Unternehmen, die die da besonders herausstechen? an der Spitze stehen – und übrigens sind das auch die, die bei uns ganz vorne mit anstehen –, zuneh- Dann finde ich es eine sehr spannende Frage, mend die nichtfinanziellen Leistungen, also Öko- auch noch mal darauf zu schauen, was passiert ei- logie und Menschenrechte, einbeziehen in ihre gentlich, nachdem Sie den Preis vergeben haben? Rechnungslegung. Das machen die natürlich nicht Also, den Preis zu gewinnen, das ist ja vielleicht offiziell, aber sie üben schon mal, in der Erwar- noch eine klare Aufgabe, die man sich als Unter- tung, irgendwann kommt das auch mal offiziell. nehmen setzt. Aber wenn man den Preis in den Also die Betrachtung nichtfinanzieller Leistungen Händen hält, dann kommt eigentlich der Lack- – Schäden wie auch Vorteile –, die wird in Zu- mustest, ob die Politik der Nachhaltigkeit im Un- kunft eine größere Rolle spielen. Und das ist auch ternehmen wirklich auch verankert worden ist möglich, weil Datenmengen in neuen Datenöko- und es dann durchgehalten wird nach dem Preis. systemen auch bewertet werden können. Bewer- Da würde mich mal interessieren, ob Sie das in ir- ten kann man sie aber nur, wenn man die Multi- gendeiner Form sozusagen „Retouren“. Und zu- Stakeholder mit einbezieht. Ansonsten wird das letzt noch mal die Frage, wie Sie eigentlich den ein „In-sich-Geschäft“ und funktioniert nicht. In- Gewinner Ihres Preises ermitteln? Also was sind sofern glaube ich, dass Multi-Stakeholder-Initiati- die wesentlichen Methoden oder Kernpunkte, die ven in Zukunft eine größere Rolle spielen werden, ein Wettbewerber erfüllen muss, um den Deut- und man sich deswegen – und deswegen bedanke schen Nachhaltigkeitspreis zu erhalten? Danke- ich mich auch für das Aufgreifen dieses Themas – schön.

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Vorsitzender Dr. Andreas Lenz (CDU/CSU): Vie- teressieren, wie schlussendlich die Entschei- len Dank. Als Nächstes Dr. von der dungsfindung zustande kommt. „Nachhaltig“ mit SPD. den 17 Nachhaltigkeitszielen geht in viele, viele extrem verschiedene Richtungen. Wie kann man Abg. Dr. Nina Scheer (SPD): Hallo in die Runde, das untereinander bewerten? Vor allem natürlich und auch meinerseits einen herzlichen Dank an auch, weil ja in einigen Bereichen in Deutschland den Austausch an dieser Stelle. Der Begriff des evtl. ein höheres Niveau gegeben ist, als in ande- „Stakeholder-Kapitalismus“, der bringt einen na- ren Ländern. Und es mag natürlich sein, dass ein türlich tatsächlich so ein bisschen ins Stutzen, kleiner Fortschritt auf einem Bereich eigentlich welches Feld damit aufgemacht wird. Aber ich eine viel, viel größere Leistung darstellen mag, als habe dann, als ich dann noch mal kurz in das Pa- ein großer Fortschritt in einem anderen Bereich. pier – in Ihre Stellungnahme – hineingeschaut Es geht um die Frage, wie man es schaffen könnte, habe, auch noch einen Anknüpfungspunkt gefun- das Ganze einheitlicher zu bewerten. Oder ist man den, den ich auch ohnehin als Frage formulieren den Weg gegangen, dass man Schwerpunkte in Ih- wollte. Eingangs in Ihrer Stellungnahme hatten rem Haus setzt, und – ich sage mal – den Nachhal- Sie ja erläutert, dass es viele Preise gibt. Ja, aber tigkeitspreis dann eben rotierend oder nach ande- jeder Preis hat ja auch irgendwo eine Mission. ren Verfahren, nach unterschiedlichen Schwer- Und gerade der Kontext „Nachhaltigkeit“ müsste punkten, vergibt? Das würde mich interessieren. ja eigentlich grundsätzlich die Mission haben, in- terdisziplinär zu wirken, und zwar auch durch die Vorsitzender Dr. Andreas Lenz (CDU/CSU): Vie- verschiedenen Akteursebenen hindurch, die dann len Dank. Als Nächstes Herr Dr. Hoffmann von angesprochen sind. Und – ich glaube – eine der FDP. Schwierigkeit oder eine Herausforderung im Abg. Dr. Christoph Hoffmann (FDP): Eigentlich Nachhaltigkeitsbereich ist auch, dass man aufpas- sollte der Herr Köhler das machen. sen muss, nicht zunehmend in einer Blase von Akteuren zu sein, die sich gegenseitig – ich sage Vorsitzender Dr. Andreas Lenz (CDU/CSU): Alles jetzt mal – „katholisch machen“, sondern dass klar, dann Dr. Lukas Köhler von der FDP. man möglichst die Breite der Gesellschaft in allen Abg. Dr. Lukas Köhler (FDP): Herr Professor Aktionsräumen durchdringt. Und ein Preis hat ja Bachmann, vielen Dank für den super spannen- eigentlich genau diesen Auftrag. Es wird ja etwas den Beitrag. Sie hatten ja am Anfang die Gruppe in die Öffentlichkeit getragen. Es wird etwas prä- derer, die sagen, bei „Nachhaltigkeit“ sollte man sentiert. Und damit trägt man es ja in die Breite eigentlich die Zähne zusammenbeißen und keine und auch an Gruppen heran, die vielleicht noch Preise verleihen. Ich bin da ganz gegenteiliger gar nicht damit in Berührung gekommen waren. Auffassung. Ich glaube, es ist extrem wichtig, Er- Und da würde mich doch interessieren, wie jetzt folge zu feiern und Multiplikatoren zu erreichen. gerade mit der Konzeption und mit diesem Be- Ich glaube, das tut man auch über Preise, das tut griff, der – glaube ich – da irgendwo in diese Rich- man insbesondere über Preise. Deswegen finde tung auch einen Anknüpfungspunkt sucht, da ich das sehr, sehr gut. vielleicht auch Überlegungen vielleicht sogar schon praktiziert oder angestellt werden, Akteurs- Ich habe tatsächlich eigentlich nur zwei Fragen. gruppen zu erschließen, die man sonst nicht so Das eine ist: Wie – das habe ich nicht gefunden, gut erreicht im Kontext „nachhaltiges Wirtschaf- vielleicht steht es irgendwo und ich sehe es nicht ten“. – wie definieren Sie denn „Stakeholder“? Insbe- sondere dann, wenn Sie jetzt sozusagen im nächs- Vorsitzender Dr. Andreas Lenz (CDU/CSU): Vie- ten Debattenschritt über die „Stakeholder-Wirt- len Dank. Als Nächstes Herr Dr. Rainer Kraft von schaft“ sprechen, finde ich das extrem spannend, der AfD. weil das natürlich auch verbunden ist so ein biss- Abg. Dr. Rainer Kraft (AfD): Danke. Auch vielen chen auch mit meiner zweiten Frage. Sie sprachen Dank, Herr Professor Bachmann, für den Vortrag. über die Governance, die sie sich selber gegeben Es würde mich, und da würde ich mich den Wor- haben, und das finde ich total spannend und rich- ten von Herrn Kollegen Whittaker anschließen, in- tig. Aber in der Zusammenarbeit von Stakehol-

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dern kommen ja immer wieder Governance-Fra- Klimaschutzes: Wie gehen Sie eigentlich mit sol- gen auf, und auch in den SDGs ist ja „Gover- chen Widersprüchen selber um? nance“ als eines der Ziele mit benannt. Und da Vorsitzender Dr. Andreas Lenz (CDU/CSU): Vie- würde mich sozusagen interessieren, ob das ein len Dank, und abschließend für die erste Runde Wertungskriterium auch innerhalb z. B. der Preis- Herr Zickenheiner von den Grünen. träger ist. Also, wie gehen Sie mit dieser Gover- nance-Frage um – sozusagen, was wären die Ver- Abg. (BÜNDNIS 90/DIE bindung der beiden Sachen? Und vielleicht eine GRÜNEN): Vielen Dank, Herr Bachmann, für das Frage anschließend an das, was Herr Whittaker ge- spannende Intro. Ich finde, es ist insgesamt eine sagt hat. Nicht nur die Frage, was passiert eigent- tolle Sache. Ich sehe das an einer Stelle aber eher lich nach dem Preis, sondern haben Sie irgendwie kritisch und wüsste einfach gerne, wie Sie mit ein Bewertungskriterium, irgendeine Art von Ein- dem Punkt umgehen. Jetzt ist es ja so, dass wir blicken, was denn so einen Preis auch ausmacht, nicht so richtig stolz sind auf die Umsetzung der also was die Auswirkungen sind, wenn man so ei- Nachhaltigkeit in Deutschland. Nach dem letzten nen Preis erhalten hat? Ich weiß, das ist wahr- Peer Review bescheinigt man uns nicht unbedingt scheinlich unmessbar, aber vielleicht haben Sie die großen Erfolge in Sachen „Nachhaltigkeit“ eine persönliche Einschätzung. und dann „bepreisen“ wir aber laufend Projekte, die nachhaltig sind. Und die Gefahr ist natürlich Vorsitzender Dr. Andreas Lenz (CDU/CSU): Vie- groß, dass wir über diese einzelnen Projekte, die len Dank. Als Nächstes Herr Zdebel von den jetzt gerade laufen, halt ganz schnell den Eindruck Linken. vermitteln, dass wir doch auf einem wunderbaren Abg. (DIE LINKE.): Danke schön, Weg sind, was „Nachhaltigkeit“ betrifft. Gerade Herr Vorsitzender. Herr Bachmann, herzlichen Preise, die in der Öffentlichkeit dann sehr abstrakt Dank für Ihr Statement, auch für Ihre schriftliche publiziert werden. Und das ist ein Spannungsfeld. Stellungnahme, die ja quasi auch zum Fragen ein- Da interessiert mich: Sehen Sie das auch so und lädt. Sie schreiben in Ihrem Statement, dass einige welche Strategie haben Sie, um zu verhindern, von Deutschlands wesentlichen Branchen im dass diese Bepreisung von einzelnen Objekten Wettbewerb bisher kaum vertreten sind. Sie nen- dann zu sehr auch bei der Bevölkerung den Ein- nen insbesondere die Autoindustrie, große Ban- druck erweckt – und wir wollen ja in der Fläche ken und Versicherungen, die Fleischindustrie, wirksam werden – also gerade dort auch den Ein- den Maschinenbau und die Erneuerbaren Ener- druck erweckt, „wir sind auf einem prima Pfad“? gien. Meine Frage wäre: Woran liegt das Ihrer Also, klar ist andererseits, dass der anreizschaf- Meinung nach? Bei einigen Branchen kann ich fende Charakter von Preisen ein sehr, sehr wert- mir das schon denken, aber vielleicht haben Sie volles Gut ist, der wiederum auch anregen kann. da ja auch noch einige zusätzliche Informationen Aber genau das ist eben der Spannungsbogen, und oder Einschätzungen dazu? Die zweite Frage ist da würde mich interessieren, wie kriegen Sie das die: 2012 wurde ja der Lebensmittelgigant „Unile- hin, dass Letzteres praktisch der Fall ist – also, ver“ für seine nachhaltige Zukunftsstrategie mit dass zusätzlich animiert wird und nicht eher be- dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis ausgezeich- ruhigt wird? Danke. net, obwohl der Konzern große Mengen Palmöl Vorsitzender Dr. Andreas Lenz (CDU/CSU): Vie- verarbeitet. Und das hat dann umgehend auch len Dank, Herr Zickenheiner. Wir konnten Sie ver- einen großen „Shitstorm“ natürlich gerade auch stehen, aber es war ein leichtes Rascheln im Hin- bei den Umwelt- und den sonstigen Verbänden tergrund. Ich weiß nicht, ob das Mikro in irgend- ausgelöst, dass das so weit kommen konnte. Und einer Weise durch Kleidung oder dergleichen ver- vor diesem Hintergrund meine Frage noch mal, deckt wurde. Nur als kurzer Hinweis. Danke für auch bezogen auf die SDGs, die ja auch sehr stra- die Fragen in der ersten Runde und ich übergebe pazierfähig sind, dass z. B. ein SDG gegen ein an- jetzt das Wort an Herrn Professor Bachmann zur deres teilweise in Stellung gebracht werden kann, ersten Antwortgelegenheit. Das waren ja viele Fra- wenn es z. B. einerseits um Wirtschaftswachstum gen – auch vielschichtige Fragen. Herr Bachmann, geht und auf der anderen Seite um Interessen des Sie haben das Wort.

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Sachverständiger Prof. Dr. Günther Bachmann würde, wenn sie Windenergieanlagen aufstellen (Stiftung Deutscher Nachhaltigkeitspreis e.V.): wollen, das hat sich noch nicht so richtig herum- Vielen Dank, Herr Lenz. Vor allem waren es gute gesprochen. Also, das will ich mal so ein bisschen Fragen, und sie berühren praktisch das Herz des „farbig“ da stehen lassen. Deutschen Nachhaltigkeitspreises – dessen, was Was passiert danach? Das ist eine gute Frage. Bei wir tun wollen. Ich gehe mal der Reihe nach den Kommunen ist es so, die bekommen ja ein durch. Preisgeld. Das wird ausgerichtet von der Umwelt- Herr Whittaker − die Bewerbungen bei den Kom- stiftung der Allianz SE. Und die müssen dann, um munen steigen in der Zahl an. Bei den Unterneh- dieses Geld auch wirklich zu bekommen, darle- men bleiben die im Grunde immer bei 500, 600, gen, welchen nächsten Schritt sie machen. Also, 700 Unternehmen, die sich den Fragebogen her- wir haben bei Unternehmen sozusagen eine „Vor- unterladen, und um die 200 bis 300, die ihn dann wärtskontrolle“ eingebaut. Was da passiert, ist auch wirklich abgeben. Das sind dann immer un- sehr unterschiedlich. Manche kriegen den Preis, gefähr ein Drittel bis die Hälfte Unternehmen, die stellen den in die Ecke, und fertig war es – ein das neu machen. bisschen enttäuschend für uns. Manche stellen den in die Eingangshalle und lassen jeden Tag die Frau Scheer − also, da erweitern wir auch schon Beschäftigten daran vorbeilaufen, und bei man- den Kreis der üblichen Betroffenen aus. Das pas- chen wird es zum Thema von Veränderung im siert einfach so. Die Bewerbungen werden besser, Unternehmen – neue Produkte. Da können sie weil sie natürlich auch wissen, worauf es an- dann ein Label drauf machen: „Mit dem Deut- kommt, wenn man sich bewirbt. Sie fragten nach schen Nachhaltigkeitspreis ausgezeichnet“. Das ist den Branchen – das hat aber jemand anderes auch sehr unterschiedlich. Am liebsten wäre mir natür- schon gefragt. Wir sind ziemlich tief in den Bran- lich, die würden „brutal“– wenn man so will – chen, die etwas mit Konsumentenprodukten, also alle in die Kapitalisierung des Preises gehen und Business-to-Consumer (B2C), zu tun haben − ins- versuchen, den Reputationsgewinn am Markt zu besondere Lebensmittel, insbesondere Handel, erlösen. Das machen aber nicht alle. Als einmal insbesondere auch so Gebrauchsgegenstände. Ich ein Wohnungsbauunternehmen gewonnen hatte, erinnere daran: Im vorigen Jahr hat Herr Fischer war der Effekt rein intern, und der war für die irre von den Dübeln – das Unternehmen Fischerwerke wichtig. Die wollten nämlich junge Leute dazu ge- − gewonnen, weil die sich wahnsinnig viele Ge- winnen, dass sie bei denen arbeiten. Wohnungs- danken zu Innovationen machen über die kleinen bauunternehmensverwaltungen sind tendenziell Teile, die man in die Wand steckt. immer etwas älter. Und „Diversität“ ist auch ein Dass wir nicht so gut sind, dass die eben auch Thema. Also, die brauchten so eine „Frischzellen- schon von Herrn Zdebel zitierten Branchen sich kur“. Das will ich Ihnen nur sagen. Wir monitoren nicht bewerben, hat unterschiedliche Gründe. Da das aber nicht. Das ist eine gute Frage. Ich würde ist der Wettbewerb zwischen den vier Großen so das gerne tun, aber dazu fehlen mir einfach die hart, dass die es vorziehen, sich gar nicht erst zu Mittel. Was wir gemacht haben – ich greife einer bewerben, damit sie nicht durchgereicht werden anderen Frage vorweg – ist, dass wir mal ein Gut- bzw. man sagt uns informell, „Also, wenn ihr uns achten vergeben haben, um Wirkungen zu ermit- eine Garantie geben würdet, dass wir den Preis ge- teln, und das habe ich Ihnen auch durch diese winnen, dann würden wir uns auch bewerben“. eine Folie aus dem Gutachten noch in die Lang- Und das machen wir natürlich nicht. fassung hereinkopiert. Sie sehen dort, dass es in- terne und externe Wirkungen gibt. Und nach mei- Bei der Fleischindustrie erklärt sich das – glaube ner Beobachtung überwiegen die internen Wir- ich – von selbst. Die sind im Moment noch ziem- kungen im Blick auf die Belegschaft – auf das Mit- lich fernab von unseren Themen. Bei der Erneuer- machen, auf die Motivation – die überwiegen die baren Energie muss es andere Gründe haben. Ich externen Wirkungen. glaube, dass das so ein in sich abgeschlossener Akteursbereich ist, der mit dem Thema „Nachhal- Die Methodik hat sich verändert. Es waren auch tigkeit“ im Grunde genommen sehr fremdelt. Dass mehrere Fragen zur Methodik. Ich ziehe das mal denen dieses Thema „Nachhaltigkeit“ helfen

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zusammen. Wir hatten lange Zeit am Anfang ge- Herr Kraft – die Entscheidungsfindung: Wie gesagt fragt: Habt ihr die richtige Aufstellung, um Nach- über die Recherche. Die ist sehr intensiv, manch- haltigkeit in Unternehmen zu organisieren? Also mal auch ein bisschen lästig, würde ich sagen. Ja, Chefsache/Chefinnensache? Gibt es jemanden, der die Arbeit müssen wir machen. Man muss dann zuständig ist? Gibt es Prozesse, Strukturen? nachfragen. Wir erlauben uns auch, die Selbstein- Sprecht ihr mit den Stakeholdern? Das ist auch schätzung des Bewerbers zu korrigieren – manch- ein wichtiges Kriterium. Jemand hat das gefragt mal nach oben, manchmal nach unten. Es gib den für die Unternehmensperformance. Nach unserer Fall von „Pionieren“ der Umwelt und Nachhaltig- Feststellung ist das aber ziemlich weit zu fassen. keit. Die schätzen sich regelmäßig als zu gering Also, das unterscheiden die Unternehmen jetzt ein, weil sie das lange schon machen. Und es gibt nicht mehr so stark. Deswegen: In diesem Jahr ha- so ein paar frische Neue, die überschätzen sich. Es ben wir gefragt, welcher Beitrag zur Transforma- wird dann von uns das korrigiert. Da gibt es eine tion ist da, auf der Grundlage – Herr Kraft – eines Zahlenfolge. Wir teilen auch mit, wie viele Zahle, generellen Nachhaltigkeitsansatzes. Da dürfen die wie viele Punkte/Wertpunkte pro Antwort zu er- nicht raus. Wir dürfen nicht „Cherry-Picking“ ma- reichen sind. Und dann geht das in die Jury. Und chen. Aber dann: Welche Wirkungen erzeugen sie die Jury muss sich nicht an die Zahlen halten. Die in den Transformationsfeldern „Energie“, „Mobili- wird einfach, genau wie Sie gesagt haben, disku- tät“ usw.? Also sind wir stärker auf die Wirkungs- tieren, ist das kleine bisschen Plus an der einen seite gegangen. Stelle es wirklich wert, dass wir so einen Preis vergeben? Oder ist es zu wenig? Frau Scheer – zum Thema „Blase“: Also, erst ein- mal muss man eine „Blase“ erzeugen. Ich möchte Gestern hatten wir die letzte Jury-Sitzung für die ja eine Community erzeugen, und die gibt es bis- globalen Partnerschaften. Eine Riesendiskussion her noch nicht. Das Irre ist ja – auch wenn ich das im Bereich „Textilunternehmen“. Was bewirkt jetzt mal politisch, sozusagen wahlkreispolitisch, eigentlich das deutsche Unternehmen, das mit ausdrücke: Wenn ich zu jemandem von Ihnen einem ausländischen Partner zusammenarbeitet. komme und habe zig gute Firmen oder kleine Fir- Ein Kriterium dabei war: In diesem Jahr, haben sie men oder Initiativen im Gepäck und sage, die sich sofort bei COVID 19 aus den Lieferketten zu- spielen alle in Eurem Wahlkreis eine Rolle und rückgezogen oder haben sie so eine Art solidari- wir haben die gesehen, dann ist es so, dass die Ini- sche Herangehensweise an die Produzenten in tiativen selten den Namen des oder der Wahl- Indien oder wo auch immer – in Afrika, in kreisabgeordneten kennen. Und manchmal ist es Tansania – gezeigt. Und sie haben dann die Pro- auch so, dass die Initiativen politisch gar nicht duktionsbedingungen angepasst. auftauchen. Also, da möchte ich „Community“ er- Aber letztendlich ist das – und deswegen haben zeugen. Ich möchte die aber nicht – und da bin wir das ja auch – eine Jury-Entscheidung. Da sit- ich bei Ihnen – immer mit den Gleichen erzeugen. zen wirklich wichtige Leute mit drin und ich Ich will es ausweiten. Was machen wir dafür? Den kann Ihnen als der Leiter dieser Jury-Sitzung sa- „Fair-Future-Day“ machen wir dann. Wir holen gen, man lernt viel als Leiter und man lernt auch, Studentengruppen rein. Die machen entspre- wie schwierig diese Debatte manchmal zu organi- chende Wettbewerbsbeiträge an ihrer Uni. Die sieren ist. Aber es bleibt immer ein Diskurs. gleichen das mit dem Deutschen Nachhaltigkeits- Gleichzeitig kann niemand den Deutschen Nach- kodex ab. Wir haben über die Moderation, über haltigkeitspreis einklagen. die Teilnahme am Kongress, die Möglichkeit, auch ganz andere Schwerpunkte zu setzen. Und Wie ich „Stakeholder“ definiere? Herr Köhler, ich deswegen glaube ich, dass von der Zahl der Teil- mache mir das einfach. Ich reagiere darauf, wenn nehmer – ich sagte 2000 – auszugehen ist. Da sind mir jemand sagt, er sei ein Stakeholder. Ich defi- auch immer ganz viele neue Leute dabei. Das frage niere die nicht. Das sind „Invested Interests“, die ich auch immer ab: „Wer ist neu dabei? Hände da eine Rolle spielen. Also, da greift man schon hoch usw. Die Begrenzung, die wir haben, ist die mal auch in zweifelhafte Bereiche. Aber letztend- Größe des Hotels in dem wir das stattfinden las- lich ist für mich ein „Stakeholder“ einer, der sich sen. Wir könnten viel mehr Karten verkaufen. selber so definiert.

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Die Unternehmen werden in der Tat im Hinblick Unternehmen führen, in dem die solche auf die „Governance“ geprüft, ob sie mit ihrem „Turnarounds“ gemacht haben. Und das kriegen Umfeld, ihren Stakeholdern, ordentlich umgehen, Sie eben nicht, wenn Sie mit Verbänden sprechen. ob es Beschwerdemechanismen gibt, ob es mit Die Verbände können so etwas nicht erzählen, we- den Stakeholdern solche Diskurse gibt. Da gibt es gen Konkurrenz usw. und auch den letzten Daten. ein paar von denen, die machen das super, die Aber einzelne Unternehmen können es. Deswegen machen das ganz öffentlich, und ein paar, die ma- war ja die Idee, mit dem Nachhaltigkeitspreis ein- chen das eher intern. Das muss man dann eben zelne Unternehmen auszuzeichnen und sie her- bewerten können. vorzuheben und dann zu fragen, was machst du besser als andere, und was willst du in Zukunft Zur Wirkung des DNP hatte ich vorhin schon et- noch zusätzlich tun? Ich finde, auch „nachhaltige was gesagt. Intern, extern, Innovation, Produktge- Industriepolitik“ muss man sagen können – und staltung usw. es muss verbunden werden mit „Suffizienz“. Das Herr Zdebel, ich hatte das mit den Branchen und sagen mir doch die Unternehmen dauernd. Wir den ausbleibenden Beiträgen schon erzählt. Ich brauchen Veränderung des Konsums, sonst kön- will noch etwas erzählen zum Palmöl. Sie haben nen wir unsere Unternehmenspolitik in diesen das mit Recht angesprochen – Unilever. Wir ha- Transformationsbereichen nicht gut organisieren. ben damals durch diese Dinge, die Sie gesagt ha- Also müsste man mal hingehen und buchstabie- ben – Shitstorm und durch die öffentliche Reak- ren was es heißt, bezüglich „nachhaltige In- tion – es geschafft, Unilever und andere in die Ak- dustriepolitik“ oder „Wirtschaftspolitik“ und tion „Nachhaltiges Palmöl“ reinzubringen. Die gab „Suffizienz“. Bisher sind das zwei völlig getrennte es bis dahin vorher nicht. Vorher haben die alle Bereiche. Solche – sagen wir mal – Impulse ziehe immer gesagt: „Wir machen das internationale ich aus dem Bewerberfeld und aus dem Ge- Zertifikat RSPO (Roundtable on Sustainable Palm winnerfeld vom Nachhaltigkeitspreis und von Oil)“. Das ist aber indiskutabel. Man muss mehr dem ganzen Geschehen insgesamt. Ich hoffe, ich tun. Also, das finde ich eine gute Aktion, damals habe einigermaßen alles berücksichtigt. die Preisverleihung zu nutzen, um dann über die Vorsitzender Dr. Andreas Lenz (CDU/CSU): Ich öffentliche Wirkung neue Aktionen zu erzeugen. glaube, Sie haben alles soweit berücksichtigt und In dem Fall ist es gut gelungen – finde ich. Mit sehr ausgiebig geantwortet. Wir haben jetzt noch Widersprüchen zwischen dem „Gewollten“ und die Zeit für eine kurze zweite Runde – allerdings dem „Gekonnten“ und dem, was vor uns liegt und nur, wenn es entsprechende Wortmeldungen gibt. dem, was hinter uns liegt, umzugehen, das ist – Ich schaue in die Reihen der Union. Da sehe ich das gebe ich mal gerne an Sie zurück. Das machen bis dato nichts. wir alle. Da gibt es keinen glorreichen Weg, son- dern nur das mühsame Geschäft der Ebenen. Abg. Matern von Marschall (CDU/CSU): Ich hatte mich gemeldet, Herr Vorsitzender, Matern Herr Zickenheiner, der Peer Review hat mit Recht Marschall. gesagt, Deutschland hat eine gute Voraussetzung. Das haben wir ja im Peer Review aufgezählt, was Vorsitzender Dr. Andreas Lenz (CDU/CSU): Alles alles gut ist – nämlich die Technologie in den In- klar, dann hat das Wort Matern von Marschall. genieurwesen usw. – auch finanziell. Und dabei Abg. Matern von Marschall (CDU/CSU): Herzli- hat der Peer Review schon auch diese Art von chen Dank, Herr Vorsitzender. Herr Bachmann, Wettbewerben gesehen. Die Schwäche, die er fest- ich glaube, das ist sehr wichtig, dass Sie uns so stellt, war bei der Umsetzung generell, nicht bei ein bisschen auf die Spur bringen, wie wir insge- den einzelnen Vorreiterunternehmen. Insofern samt Unternehmen auch besser bewerten oder wie passt das meines Erachtens zusammen. Aber ich wir sie in die Lage versetzen, sich nach Nachhal- nehme Ihre Frage noch zum Anlass, zu sagen, aus tigkeitskriterien selber zu bewerten. Die Frage, die meiner Sicht müsste eine Nachhaltigkeitsstrategie Sie angesprochen haben, ob möglicherweise diese auf dieses Feld nachhaltigen Wirtschaftens noch Kriterien der Nachhaltigkeit eines Tages auch bi- viel mehr Wert legen. Man muss da vielleicht lanziert werden, was ich für einen interessanten auch einen Indikator haben. Man muss vielleicht und wichtigen Gedanken halte, stellt sich damit auch hingehen und so einen Diskurs mit diesen

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verbunden ja auch. Also, wir haben bei uns am momentan in der „Corona“-Zeit auch nicht ganz Kaiserstuhl eine Ihnen – glaube ich – bekannte so leicht ist mit der Finanzierung des Preises. Die Firma, „Regionalwert AG“, die auch vor Jahren großen Veranstaltungen oder das Feiern entfallen schon einen Nachhaltigkeitspreis bekommen hat, ja momentan so ein bisschen. Ich finde es übri- und die zusammen mit Firma SAP ein Tool entwi- gens sehr wichtig – sage ich mal −, dass man auch ckelt hat, der „QuartaVista“ heißt, in dem diese mal positive Botschaften nach außen gibt, und Kriterien sozusagen auch für eine denkbare Bilan- dazu sind natürlich auch solche Preisverleihun- zierung, aber jedenfalls für die interne Bewertung gen immer ganz gut. Mich würde jetzt mal interes- dieser Nachhaltigkeitsaspekte, vorgesehen ist. sieren: Wie sieht das Ganze finanziell aus? Und Und diese Firma hat unterdessen auch ein Tool vielleicht kannst Du noch ein paar Worte darüber angeboten, was auch verkauft wird, vor kurzem sagen: Ich glaube, dass natürlich über die Jahre erst, was Banken auch in ihrer Beratungsleistung hinweg immer wieder Preisträger, aber auch na- Unternehmen gegenüber in die Lage versetzen türlich Bewerber da sind. Entstehen durch diese soll, sich selbst Rechenschaft abzulegen über die Arbeit auch Netzwerke? Vernetzen die sich auch eigenen Nachhaltigkeitskriterien. Das finde ich untereinander? Ist das auch so ein Effekt, den man sehr interessant, und ich denke, das machen die spüren kann? Oder bekommt einer einen Preis übrigens ursprünglich vor allen Dingen mit der und ist dann wieder weg? Gibt es da – sage ich Landwirtschaft. Also, in der Beratung von Land- mal – auch Treffen? Gibt es da auch etwas, was wirtschaftsbetrieben da werden natürlich z. B. Ihr vielleicht organisiert? Das würde mich noch auch die natürlichen Ressourcen und ihre positive mal interessieren. oder eben möglicherweise auch sinkende Werthal- Vorsitzender Dr. Andreas Lenz (CDU/CSU): Vie- tigkeit beurteilt. Ich frage mich, ob auch bei der len Dank. Als Nächstes Dr. Kraft von der AfD. Entwicklung der Kriterien des Nachhaltigkeits- preises solche Unternehmen, die derartig lange Abg. Dr. Rainer Kraft (AfD): Vielen Dank. Ich und mühevoll erarbeitete Berechnungsgrundlagen möchte noch mal auf die Vergabe zurückkommen, geschaffen haben, von Ihnen gesehen werden. Ich weil sich bei mir immer noch der Kopf dreht um weiß nicht, ob es sehr viele gibt? Vermutlich gibt die Komplexität, wie man da zu einem halbwegs es gar nicht sehr viele, die derartige Anstrengun- fairen Prozedere kommen kann, z. B. wenn je- gen unternommen haben, um das wirklich auch in mand eine wunderbar tolle Maschine baut, die ef- Zahlenwerten nachher zu erfassen und abzubil- fizient ist, die ressourcenschonend ist etc., aber den. Aber ich wollte diese Anregung mal mitge- dann wird diese Maschine meinetwegen haupt- ben und Sie auch fragen, ob Sie – Christine sächlich irgendwo in den asiatischen Export ge- Lagarde hat ja z. B. auch mal von der Frage der hen, wo sie dann unter Umwelt- und Sozialbedin- Ausgabe grüner Anleihen gesprochen – eigentlich gungen verwendet wird, die dann wiederum kei- im größeren politischen Kontext, z. B. auch der nerlei Vergleich mit Deutschland anfangen brau- Europäischen Union (EU), Ansätze sehen, dass chen, weil sie einfach unterirdisch sind. Ist dann solche Nachhaltigkeitsaspekte vielleicht tatsäch- der Hersteller eigentlich nachhaltig, weil er die lich eines Tages auch bilanziert werden können. tolle Maschine gemacht hat, oder wird er interna- lisiert, weil das Ganze dann in Nationen stattfin- Vorsitzender Dr. Andreas Lenz (CDU/CSU): Vie- det oder von Kunden gekauft wird? Also, ich len Dank. Als Nächstes noch mal Frau Dr. Nina möchte es ein bisschen verstehen. Ich staune Scheer von der SPD. wirklich. Also Hochachtung davor, zu versuchen, Abg. Dr. Nina Scheer (SPD): Eigentlich wäre jetzt das Ganze in eine Entscheidungsmatrix zu brin- Herr Thews dran. Ich hatte voreilig meine Hand gen, die dann halbwegs belastbare Kriterien gehoben. voraussetzt. Wirklich absolut „Hut ab“ vor dieser Aufgabe. Ich versuche es nur noch ein bisschen Abg. (SPD): Soll ich einmal? mehr zu verstehen. Danke. Vorsitzender Dr. Andreas Lenz (CDU/CSU): Ja, Vorsitzender Dr. Andreas Lenz (CDU/CSU): Vie- gerne. len Dank. Als Nächstes Herr Dr. Hoffmann von Abg. Michael Thews (SPD): Zum einen hätte ich der FDP. gerne noch mal gehört – ich weiß, dass es jetzt

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Abg. Dr. Christoph Hoffmann (FDP): Ich würde der Produktionsweise ändert? gerne noch mal anschließen bei den Fragen von Vorsitzender Dr. Andreas Lenz (CDU/CSU): Vie- Herrn Thews. Die Finanzierung: Es gab ja immer len Dank, und Herr Zickenheiner von den Grünen. so eine Anteilfinanzierung auch von der freien Wirtschaft, Unternehmerschaft und Bundesregie- Abg. Gerhard Zickenheiner (BÜNDNIS 90/DIE rung, wie Sie das in Zukunft sehen, weil natürlich GRÜNEN): Sie saßen ja persönlich in der Nachhal- auch die Unternehmen jetzt vielleicht nicht mehr tigkeitsdisziplin für die Kommunen in der Jury. ganz so spendabel sind in Zeiten, in denen sie Da würde mich sehr interessierten: Was waren das auch nicht mehr so viel Geld verdienen. Und für Projekte? Vielleicht können Sie da kurz noch dann – zweite Frage: „Abnutzungserscheinun- berichten? Was war das für ein Typ? Sind das gen“. Wir haben ja relativ viele Kategorien. Gibt es Kommunen, die insgesamt auf einem Weg Rich- Kategorien, die gar nicht mehr so richtig ziehen tung „Nachhaltigkeit“ sind oder sind das … [un- oder wo die Nachfrage nicht so hoch ist? Und verständlich – technische Probleme] letzte Frage noch mal speziell zu den Kommunen, Vorsitzender Dr. Andreas Lenz (CDU/CSU): Wir weil es natürlich für die Kommunen oftmals eher können Sie gerade nicht hören, Herr ein Prestigeobjekt ist, als dass der Gewinn wirk- Zickenheiner. Können Sie es noch mal probieren? lich zieht. Wie sehen Sie da die Zukunft? Wird das noch angenommen von den Kommunen, oder Abg. Gerhard Zickenheiner (BÜNDNIS 90/DIE sehen Sie da auch Abnutzungserscheinungen? GRÜNEN): Tut mir leid. Ich wollte weniger rau- schen, jetzt war gar nichts übrig. Mir ging es noch Vorsitzender Dr. Andreas Lenz (CDU/CSU): mal um die Kommunen. Herr Bachmann, Sie wa- Danke, und noch mal Herr Zdebel von den ren ja in der Jury selber Mitglied. Was waren das Linken. für Projekte, oder was sind es generell für Pro- Abg. Hubertus Zdebel (DIE LINKE.): Dankeschön, jekte? Sind es Kommunen, die sich generell gut Herr Vorsitzender. Herr Bachmann, ich fände es ja profilieren in allen Aspekten der Nachhaltigkeit sehr spannend, mit Ihnen noch mal über das Fal- oder in vielen? Sind das eher Einzelprojekte? Und sche am Neoliberalismus und Ihren „Stakeholder- was sehen Sie in der Zukunft? Jetzt haben wir Kapitalismus“ zu diskutieren, allerdings wird das „Corona“ mit Sicherheit als einen Faktor, der die wahrscheinlich heute den Rahmen sprengen. Des- Kommunen hart treffen wird. Was erwarten Sie wegen lasse ich es mal bei einer Frage, die mich für das kommende Jahr? jetzt tatsächlich umtreibt − zur Einschätzung der Vorsitzender Dr. Andreas Lenz (CDU/CSU): Vie- Multi-Stakeholder-Initiativen, die ja gerade auch len Dank für diese weiteren anschließenden eben- von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) oder falls sehr guten Fragen. Ich würde Sie jetzt bitten, von sogenannten globalisierungskritischeren Krei- Herr Professor Bachmann, zu antworten und sen erhoben wird: Dass es bei diesen Multi-Stake- würde auch möglichst bitten, dass Sie etwas auf holder-Initiativen letztlich nur darum geht, dass die Zeit achten, also dass wir so zwischen fünf Konzerne oder Unternehmen, die wegen ihrer Pro- und acht Minuten bleiben bei der Antwort. Herr duktionsweise in die Kritik geraten sind, quasi Bachmann, Sie haben das Wort. diesen Initiativen beitreten, um damit harten ge- setzlichen Maßnahmen zu entgehen. Und wenn Sachverständiger Prof. Dr. Günther Bachmann ich mir die ganze Entwicklung z. B. aktuell um (Stiftung Deutscher Nachhaltigkeitspreis e.V.): Su- das Lieferkettengesetz angucke, dann kann ich per, Herr Lenz. Ich versuche das, und das schaffe diese Kritik bis zu einem bestimmten Grad zumin- ich − glaube ich − auch. dest sehr gut nachvollziehen. Wie begegnen Sie Herr von Marschall − Christian Hiß hatten wir vor einer solchen Kritik, dass da möglicherweise an- ein paar Jahren in der Tat als „Entrepeneur“ aus- dere Interessen im Raum stehen, möglicherweise gezeichnet. Ich folge dem, was die Regional- solche Interessen, um quasi die Gewinne dadurch wert AG tut. Ich weiß, dass die Kommission einen sogar steigern zu können, indem man sich ein an- Auftrag vergeben hat – nicht an die Regional- deres Mäntelchen umlegt und auch die Kritik, wert AG, aber an eine andere Einrichtung –, einen dass es letztlich nur um eine strategische Einbin- sogenannten grünen Rechnungslegungsstandard dung geht, ohne dass sich grundsätzlich etwas an

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zu entwickeln. Das geht also in die Breite der ge- nicht so gut leisten können, aber ich kann es im samten Wirtschaft. Und ich weiß, dass das “ Moment auch nicht leisten. Der Bedarf ist da. Der Klima“-Thema, sozusagen in der Taxonomie des- hängt so ein bisschen in der Luft. sen, was man sinnvoll finanzieren könnte, wo Herr Kraft – Thema „Vergabe“: Also, die Bewer- man aber die Finger davon lässt, aufgeteilt worden tung des Unternehmens geht vom Housekeeping ist. Da gibt es die nächste Runde. Zu „Biodiversi- über die Rohstoffproduktion, dann zum Vertrieb, tät“ soll das jetzt auch gemacht werden – großes und dann gibt es auch die Kategorie „After-Sales“, Thema, schwieriges Thema, aber das ist noch et- also die letzte Meilensetzung zum Konsumenten. was unterwegs, was die gesamte Wirtschaft an- Das wird auch bewertet. Ich bin jetzt bei Ihrem geht. Und da sind dann wieder die Firmen SAP Beispiel: Wenn einer eine Maschine macht, die ist und PWC mit dabei – die BASF betreibt das auch. toll, aber die wird nicht so gut verwendet oder es Wir haben das Thema jetzt beim nächsten Nach- gibt einen Reebound-Effekt – das geht in die Be- haltigkeitspreis auch im Diskurs, in dem Kongress wertung ein. Man fragt dann: Was hat sich das mit drin. Für mich ist die Regionalwert AG ein gu- Unternehmen eigentlich hierbei gedacht? Wie tes Beispiel, wo ich sage, Ermunterung ist stärker sieht das Unternehmen dieses Problem? Was ma- als Ermahnung – jetzt mal so als Governance- chen die dagegen? Können die das durch Kunden- Grundsatz. Und das ist auch das, was wir mit dem dienste verbessern? Können die das durch Vorort- Nachhaltigkeitspreis sehen. Das heißt nicht, dass Service verbessern? Also, wer eine tolle Sache ich Gesetze ablehne. Wir brauchen natürlich Ge- produziert, die aber komplett im Gegenteil ange- setze an allen möglichen Stellen, aber wenn Sie wendet wird, der hat für den Nachhaltigkeitspreis über den Fortschritt in der Spitze reden, dann ist wahrscheinlich kaum eine Chance. Wir gucken Ermunterung stärker als Ermahnung. Das zu die- auch diese Seite mit an, und wir fragen uns dann sem Punkt. – das Unternehmen –, was aus deren Sicht da zu Herr Thews fragte nach dem Geld und der Vernet- tun ist. Das ist also mit drin, wird mit bewertet. zung. Also, wenn ich mir etwas wünschen könnte, Wer etwa im Bewerbungsbogen sagt „Ich produ- dann würde ich mir einen Hauptsponsor wün- ziere. Wer es kauft, ist mir egal und was die damit schen, der auch den ganzen Preis mit seinem machen, ist mir auch egal“, hat keine Struktur, die Sponsorship absendet. Also, das ist das Angebot. wir als nachhaltige Unternehmensführung sehen Bisher haben wir den noch nicht gefunden. Und würden. man kann ja mal überlegen, ob es nicht der Deut- Herr Hoffmann − die Finanzierung durch die freie sche − der PBnE sogar − sein könnte. Wirtschaft und die Bundesregierung: Also, die Aber das wäre eine Einladung. Da müssen Sie mal Bundesregierung ist immer projektbasiert. Das drüber nachdenken. Das will ich jetzt nur mal so ergibt sich aus dem Haushalt. Da kann keiner eine in den Raum stellen. längerfristige Zusage machen. Das sind Projekte, „Vernetzung“, Herr Thews, das passiert auch da. und die müssen in jedem Jahr neu gestartet wer- Wenn Sie Logistikunternehmen auf der Bühne ha- den. Es gibt mal zwei oder drei Jahre Projektlauf- ben, wie „Lila Logistik“, die vernetzen sich mit zeiten beim BMBF, aber das ist in jedem Jahr wie- denen. Das ist ja ihre Kundschaft, die da rumläuft. der ein neues Spiel von unserer Seite. Das macht Das geht eins zu eins los. Also die Vernetzung im die Sache etwas schwierig. Bei der Wirtschaft ha- Kongress und darüber hinaus ist meines Erach- ben wir einen Partner wie z. B REWE, das darf ich tens, was ich höre, was ich mitkriege, ein großes jetzt mal nennen, die ein langfristiges Commit- Thema. Das monitoren wir aber auch nicht. Auch ment abgegeben haben und zu dem Preis stehen da springen wir kürzer. Wir machen den Preis, die und uns da auch sehr helfen. Wie gesagt, in jedem Mechanik, die Methodik, die Veranstaltung – das Jahr ein neues Spiel. ist es. Mehr kriegen wir im Moment nicht hin. Ich Thema „Abnutzungserscheinungen“: Ja, wir ha- kenne aber den Bedarf aus der Szene, dass wir die ben auch schon Kategorien wieder sein gelassen. Vernetzung organisieren sollen – wir als Preisma- Das sind Zukunftsstrategien, was Sie vorhin ange- cher. Das kriege ich nicht hin. Ich kenne die Be- sprochen hatten, Herr Zdebel. Das haben wir dann grenzungen der Verbändelandschaft. Das kenne sein gelassen. Nur eine Zukunftsstrategie ist uns ich ganz gut. Und ich weiß, dass die das auch

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dann zu wenig gewesen. Und die anderen Katego- aber bei den Umweltverbänden auch so ein biss- rien haben wir auch ein bisschen angeschärft. Wie chen Fehlverhalten. Manche benutzen die Multi- jetzt gerade, indem wir nicht mehr die Strukturen Stakeholder-Initiativen nur, um an Informationen alleine bewerten, sondern wir sagen, das ist ge- zu kommen, um dann die Industrie wieder vorzu- lernt, das müsst ihr haben, und jetzt geht es um führen in der Öffentlichkeit. Das ist auch eine Pra- die Wirkung zu den Transformationsfeldern. xis. Also, das muss man beides sehen − finde ich. Und das ist gar nicht so einfach, dann immer zu Bei den Kommunen ist es so, dass wir die Kugel – entscheiden, wo geht es denn lang? Ich sehe beide also der Preis ist ja in Form einer Kugel – zu den Punkte hier, und deswegen sage ich Ihnen ja auch, Kommunen hinbringen und wir machen dann mit Multi-Stakeholder-Initiativen, die quasi im Schat- der Oberbürgermeisterin/dem Oberbergermeister ten von angedrohter Regulierung stattfinden, sind und der Stadtgesellschaft eine Veranstaltung − schwächer als solche, die, wie der Nachhaltig- mal in einem Saal, mal bei einem Bürgerfest auf keitspreis, ohne diesen Schatten auskommen. der grünen Wiese, mal auf einem Marktplatz. Da wird ein bisschen diskutiert, da wird gefragt, was Herr Zickenheiner − es bewerben sich immer neue macht Ihr? Was könnt Ihr weiterentwickeln? Also, Städte. Also, ich bin da ganz begeistert von der da merke ich, weil ich das auch selber mit be- Breite, die wir da bisher erzeugt haben. Schwer- treibe, die große Resonanz, die da in den Kommu- punkte natürlich bei den Kleinen – da gibt es ja nen besteht. Und das sind nicht immer die Glei- auch mehrere von. Die breite Aufstellung in den chen, das ist doch ein uriges, buntes Völkchen, Städten ist meines Erachtens, also wenn Sie z. B. was da zusammenkommt. Kiel nehmen oder jetzt Buxtehude – eine mittel- große Stadt −, das ist klar, das machen die. Das In der Kategorie „Großstädte“ sind in diesem Jahr geht gar nicht mehr anders. Und dann setzen sie drei Landeshauptstädte gegeneinander angetreten Prioritäten, weil jede Stadt halt andere Projektpro- – München, Stuttgart und Kiel. Kiel hat gewon- file hat. Und − wie gesagt − wir machen nur noch nen, weil sie uns mit ihren Handlungsaktivitäten Ausnahmen bei den ganz kleinen Städten. 2021: überzeugt haben. Also richtig präzise und auf den Meine Vorstellung von 2021 ist verbunden mit der Punkt gebracht und alle Themen gleichzeitig abge- Hoffnung, dass wir das überhaupt erleben als deckt. Wer nur ein Thema bringt, der wird nicht Nachhaltigkeitspreis und nicht auch Corona-Opfer bis in die Endgruppe des Wettbewerbes vordrin- werden, weil wir die Finanzierung für 2021 nicht gen. Dafür haben wir die Szene zu stark – die hinkriegen. Dankeschön. Szene derjenigen, die aus dem gesamtheitlichen Verständnis heraus dann ein paar Schwerpunkte Vorsitzender Dr. Andreas Lenz (CDU/CSU): Vie- setzen. Bei den Städten machen wir eine Aus- len Dank für diese ja fast mahnenden Worte am nahme. Bei den kleinsten Kommunen ist es meis- Ende Herr Bachmann. Wir haben aber auch die tens so, dass die ein oder zwei große Themen ha- Botschaft mitgenommen, dass wir diese Beispiele ben und diese dann voranbringen. Meistens brauchen. Diese Beispiele, diese Vorbilder, die „Energie“ oder „Verkehr“ oder „Kommunales Le- dann auch eben letztlich zur Animation und zur ben“, „Alt-Jung-Zusammen“. Und das lassen wir Nachahmung, aber auch zur Inspiration anregen. eben auch zu. Bei einer so kleinen Kommune Und wir haben auch vernommen, dass der Deut- kannst du nicht verlangen, dass die jetzt da groß- sche Nachhaltigkeitspreis kein Preis ist, sondern artige gesamtheitliche Strategien entwickeln. einen Prozess oder letzten Endes ein Projekt dar- stellt, und diesen Prozess, dieses Projekt verfolgen Über Neoliberalismus, Herr Zdebel, kann man in wir natürlich sehr gerne als Sparringspartner oder der Tat diskutieren, aber vielleicht besser mit auch darüber hinaus. Und wir würden uns alle Klaus Schwab, als mit mir. Das würde sich – freuen, wenn wir in diesem Kontext auch in Kon- glaube ich – mehr lohnen. „Umgehungsversuche“: takt bleiben. In dem Sinne noch einmal herzli- Klar, die gibt es bei den Stakeholder-Initiativen chen Dank und alles Gute. Und wir freuen uns na- natürlich. Es gibt schlechtlaufende Multi-Stake- türlich auch, wenn der Preis 2021 stattfindet und holder-Initiativen. Aber dieses „Ein-anderes-Män- unterstützen da, wenn wir das können, natürlich telchen-umwerfen“ und sozusagen im Geleitzug auch sehr gerne. In dem Sinne noch mal vielen dann der Regulierung entgehen – das versuchen Dank und alles Gute. einige in der Tat. Auf der anderen Seite sehe ich

19. Wahlperiode Protokoll der 61. Sitzung Seite 16 von 17 vom 18. November 2020 Parlamentarischer Beirat für nachhaltige Entwicklung

Sachverständiger Prof. Dr. Günther Bachmann Stelle auch noch mal übermittelt. Wir kommen (Stiftung Deutscher Nachhaltigkeitspreis e.V.): Ich auch zum Schluss der 61. Beiratssitzung. Wir ma- danke Ihnen und für die Gelegenheit vorzutragen chen eine ganz kurze Pause. Ich bitte aber alle Bei- und wünsche Ihnen auch alles Gute und bleiben ratsmitglieder, noch in der Leitung zu bleiben. Sie gesund. Wir werden aber die Live-Übertragung oder die Aufzeichnung jetzt beenden und kommen dann Vorsitzender Dr. Andreas Lenz (CDU/CSU): Die zur anschließenden nicht-öffentlichen Beiratssit- Gesundheit wünschen wir Ihnen an der Stelle na- zung. türlich auch und kommen somit auch zum Ende. Der virtuelle Dank und Applaus, den können Sie natürlich jetzt nicht hören, aber er sei an der

Schluss der Sitzung: 19:14 Uhr

Dr. Andreas Lenz, MdB Vorsitzender

19. Wahlperiode Protokoll der 61. Sitzung Seite 17 von 17 vom 18. November 2020 Anlage 1

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Der Deutsche Nachhaltigkeitspreis und andere Multi-Stakeholder Initiativen (MSI)

Statement für den

Parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung Sitzung (online) am 18. 11. 2020, Langfassung

Günther Bachmann

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1. Wettbewerbe zur nachhaltigen Entwicklung

Wettbewerbe zu Nachhaltigkeitspreisen sind eine relativ junge Erscheinung. Die meisten sind nach der Finanz- und Wirtschaftskrise 2009 entstanden.

Einen empirischen Überblick liefert die Uni Hohenheim (Gebhard 2016, 2017 und 2020). Sie zählt in Deutschland derzeit ingesamt 141 Preise zu Nachhaltigkeit und / oder Umwelt. In ihrer Art, ihrer Reichweite und dem Format sind diese allerdings denkbar verschieden. Es werden auch solche Preise mitgezählt, die auf Regionen und / oder Themen und Branchen beschränkt sind. Nicht alle sehen sich als so umfassend, dass sie selbst den Begriff Nachhaltigkeit verwenden. Der Deutsche Nachhaltigkeitspreis ist laut Gebhard (2020) der bekannteste und für die Bewerber attraktivste deutsche Nachhaltigkeitspreis ist.

Das Veranstaltungsformat des Deutschen Nachhaltigkeitspreises ist einzigartig. Es kombiniert einen zweitägigen, inhaltlich- diskursiven Kongress mit einer abendlichen, feierlichen Verleihung. Das Format lebt von relevanten Inhalten und einem gut durchdachten Programm. Vor allem lebt es aber von Wertschätzung für die Besten, von der Motivation die durch die Beispiele für andere ausgeht und nicht zuletzt von großen emotionalen Momenten.

Jahr für Jahr bietet er eine große Bühne; zu Kongress und Preisverleihung kommen rund 2.000 Gäste. Mit über 5.000 Meldungen erzielte der DNP jährlich eine mediale Brutto- Reichweite von außergewöhnlich vielen (nach üblichen Standards Milliarden) Medienkontakten in Deutschland. Neben intensiver Pressearbeit steht die Kooperation mit 3Sat/ZDF und weiteren Medienpartnern aus Tages- und Fachpresse sowie Online- Medien. Sonderbeilagen und Anzeigen stellen die Akteure rund um den DNP vor, schaffen Reichweite und helfen, die Wirkung der Auszeichnung weiter zu erhöhen.

Der Deutsche Nachhaltigkeitspreis

Der DNP ist ein Multistakeholder-Projekt, seit 2008 mit insgesamt ca. 150 zivilgesellschaftliche Organisationen und Verbänden, die über die Jahre aktiv an Recherchen, Juryarbeit, Kuratorium und Kongress sowie in Partnerschaften beteiligt waren.

Der DNP ist 2008 erstmalig vergeben worden. Die Arbeiten an Konzeption und Vorbereitung starteten 2007, als Stefan Schulze-Hausmann mit der Idee auf mich zukam. Seite 3 von 13 Die umfangreichen Vorarbeiten bezogen sich sowohl auf die Entwicklung der Methodik (Fragebogen, Recherche-Konzept, Prozess der Entscheidung) als auch auf die Governance einer Initiative

Der Deutsche Nachhaltigkeitspreis, DNP, „übersetzt“ das Anliegen der Nachhaltigkeit in das strategische Handeln in Wirtschaft, Kommunen und Gesellschaft. Er macht Nachhaltigkeit zu einem wichtigen Anliegen in den Wahlkreisen und in der demokratischen Selbstverwaltung der Kommunen und erweitert dadurch den Gestaltungsspielraum der Stakeholder. Das tut er sicher nicht allein, aber sein Anteil ist nennenswert.

Mit acht Wettbewerben, über 1.000 Bewerbern und üblicherweise 2.000 Gästen zu den Abschlussveranstaltungen ist er der größte Preis seiner Art in Europa. Die Wettbewerbe finden in acht Kategorien statt:

• Unternehmen (differenziert nach Größe) • Kommunen (differenzier nach Größe, in Kooperation mit Allianz Umweltstiftung, Bertelsmann Stiftung) • Architektur (in Kooperation mit DGNB, BAK, BDA, Stiftung Baukultur) • Forschung (in Kooperation mit BMBF) • Startups, Next Economy Award/NEA (in Kooperation mit RNE, DIHK, Landeshauptstadt Düsseldorf) • Sonderpreis Verpackung (in Kooperation mit REWE Group) • Sonderpreis globale Partnerschaften (in Kooperation mit BMZ). • Design (erstmalig 2020)

Neben den Wettbewerbssieger*Innen werden nationale und internationale Ehrenpreisträger*Innen gewürdigt, die sich prominent für die Idee der Nachhaltigkeit einsetzen.

Die DNP besteht aus einer festlichen Verleihung und einer diskursiven Veranstaltung. Er vernetzt die Stakeholder und bietet ihnen die Chance, an den Erfahrungen der Vorreiter teilzuhaben – fokussiert und qualifiziert, aus erster Hand, mit internationalen Expert/innen, Köpfen großer und kleiner Unternehmen, Spitzenpolitiker/innen und Vertreter/innen der Zivilgesellschaft. Als Fair Future Day lädt er (ohne Kosten) Menschen in der beruflichen Orientierungsphase ein - als eine Plattform für junge Nachhaltigkeitsakteur*Innen in Ausbildung oder Studium. Der DNP vernetzt und schafft gegenseitige Inspiration sowie Kontaktaufnahme zu potenziellen Arbeitgeber/innen und zukünftigen Geschäftspartner/ innen.

Insgesamt bildet dies eine attraktive Landschaft aus Informationsständen und einem gemeinsamen Anliegen, das sich auch im Charakter der Veranstaltung als nachhaltiger Event ausdrückt. 2019 kamen über beide Tage etwa 2.000 Teilnehmer und 130 Medienvertreter.

Governance und Finanzierung

Denn zunächst galt es, zwei substantielle Hürden zu überwinden. Die Zustimmung, die der DNP heute genießt, gab es damals nämlich nicht. Die reine Idee, einen Preis im Wettbewerb zu vergeben und die Erfolge der Nachhaltigkeit zu feiern, stieß auf ideelle Ablehnung, auf hinhaltenden Unglauben: Seite 4 von 13 a) Ablehnung, weil die Auffassung breit verankert war, dass Nachhaltigkeit ein Grund zu Mahnung und Anklage ist, aber kein Anlass für Anerkennung und schon gar nicht fürs Feiern in Smoking und Abendkleid. Der engere Kern der Nachhaltigkeits-Community misstraute der gesellschaftlichen Öffnung des Themas zur „Society“, die als Glitzerwelt ohne Tiefgang gesehen wurde.

Die Konzeption des DNP setzt auf Ermutigung statt auf Ermahnung, weil Anregung und Lob stärker wirkt als Appell und Kritik. In der Sache dauert diese Debatte an, ist aber nun eher unterschwellig. b) Ungläubig reagierten wirtschaftliche und politische Spitzen, weil „so ein paar Leute aus Düsseldorf“ - gemeint war: „spontan hergelaufene und von uns nicht ermächtigte Leute“ - doch aus deren Sicht keinen Oscar-typischen Preis veranstalten könnten. Wir folgten in der Tat einem Multi-Stakeholder Ansatz und der ist bis heute vielfach ungewohnt. Wir boten sowohl dem BDI als auch der Bundesregierung an, eine führende Rolle als Absender zu übernehmen und den Preis zu finanzieren. Das wurde abgelehnt. Engagierte Mitarbeiter des BDI haben uns, den Initiatoren und der Rechtsberatung durch Fachleute von Transparency International, aber sehr bei der Ausarbeitung der institutionellen Architektur des Preises geholfen.

Letztlich widerlegt der Erfolg des DNP die anfänglichen Reserven.

Die Stiftung Deutscher Nachhaltigkeitspreis e.V. hat ihren Sitz in Düsseldorf. Der Verein wurde 2009 gegründet und verantwortet umfassend die Vergabe des Deutschen Nachhaltigkeitspreises. Der Verein steuert unmittelbar und durch Beauftragung von Beginn an kooperierenden Subunternehmern sämtliche Bereiche (Konzeption, Wettbewerbe, Partnerschaften, Finanzierung, Veranstaltungsproduktion). Wiederholte Finanzprüfungen die ordnungsgemäße Verwendung der Mittel bestätigt.

Das eigentliche „proof-of-concept“ der Governance ist aber vor allem, dass sie unterschiedlichste Stakeholder davon überzeugt, dass die Sache Hand und Fuß hat, und dass sie in der Jury und Recherche mitarbeiten. Weder begünstigt die DNP-Methodik Greenwashing und Trittbrettfahrerei, noch ist sie normativ oder bürokratisch überzogen. Dem dienen die Unabhängigkeit des Jury-Votums, die Transparenz des Recherche- Vorganges und dessen Qualitätssicherung, die interne Regelung zum Ausschluss von Befangenheiten innerhalb der Jury. Dem dient auch die Tätigkeit des Kuratoriums. Ferner ist es ein wesentliches Merkmal der modernen Stakeholder - Governance, die Verantwortung für die Projektidee von der operativ-wirtschaftlichen Durchführung zu trennen.

Seit 2008 ist die Finanzierung des Deutsche Nachhaltigkeitspreis jedes Jahr erneut auf die Beine zu stellen. Dass das gelungen ist, ist langfristigen Partnern aus der Wirtschaft zu verdanken sowie der langjährigen projektweisen Unterstützung durch BMBF, RNE und BMZ. In jedem Jahr kommt allerdings eine bunte und stets wechselnde Mischung weiterer Unterstützer hinzu. Ein finanziell stabiles Projekt sieht anders aus. Eine Finanzierung, die auch nur annähernd kohärent mit dem inhaltlichen Anliegen einhergeht, sieht anders aus. Zudem: Das Corona-Jahr stellt den DNP auf eine harte finanzielle Probe.

Beteiligung der Bundesregierung

Seit Beginn beteiligt sich der Nachhaltigkeitsrat der Bundesregierung kontinuierlich am DNP. Er stellt in der Regel eine Präsentationsfläche, eine Förderung des DNP Startup Seite 5 von 13 Next Economy Awards sowie prominente Redner*Innen. Er nimmt ferner umfangreich und eigeninitiativ an der Erarbeitung der Konzeption aller Elemente des DNP teil.

Die Ressorts der Bundesregierung haben sich auf unterschiedliche Weise und unterschiedlich intensiv eingebracht.

o 2012 bis 2020 BMBF DNP Forschung o 2014 bis 2018 BMWi NEA o 2018 bis 2020 BMZ DNP Globale Partnerschaften o 2017 und 2020 BPA Kongress-Elemente o 2016 und 2019 BMU DNP Unternehmen

Recherchepartner

Die Wettbewerbsunterlagen der Bewerber werden einer umfangreichen Recherche unterzogen. Aus ihr gehen die für die Jury-Beratung nominierten Wettbewerbsbeiträge vor. Der DNP kommuniziert keine Beiträge, die es nicht in die Endrunde der Jury geschafft haben, gibt den Bewerbern aber Feedback.

Neben Expert*Innen der Wirtschaftsberater EY und ATKearney sind als Recherchepartner aktiv: Deutsches Institut für Urbanistik Difu, Wuppertal Institut, Hochschule für Wirtschaft und Recht, Berlin, Deutsches Institut für Entwicklungspolitik DIE, Marketing Center Universität Münster MCM, Centre for Sustainable Management Leuphana Universität Lüneburg CSM, ICLEI, Ashoka, DIHK.

Erfahrungen

Der DNP beweist, dass Wettbewerb und Nachhaltigkeit zusammenpassen. Er zeigt positive Beispiele dafür, dass Innovation und Veränderung der Lebenswirklichkeit im Alltag der Menschen gute und nachvollziehbare Leitbilder, Vision und den Beweis der Praxisfähigkeit braucht. Diese sind an der Praxis der Besten abzulesen.

Gute Wettbewerbsbeiträge beziehen möglichst viele Stakeholder ein und verteilen das „Lernen“ auf viele Schultern. Innerbetrieblich und in der Kommune ist eine Beteiligung am Wettbewerb ein wesentlicher Motivator und ein Antreiber für neue Ideen.

Auszeichnungen erfordern den Diskurs. Stakeholder-Lernen braucht entsprechende Räume. Die Kombination von Feier und Debatte liefern den richtigen Kontext. Der DNP ermöglicht den Dialog, gibt ihn aber nicht autoritär vor. Der DNP e.V. verfolgt keine eigene politische Agenda, sondern orientiert sich am jeweils fortgeschrittensten Stand der Praxis und fragt diskursiv, wo noch mehr geht und wie andere partizipieren können.

Der DNP hilft entscheidend dabei, Nachhaltigkeit vor dem Bedeutungsverlust zu bewahren, der in der Literatur oft durch inflationäre Verwässerung und Unübersichtlichkeit befürchtet wird. Er erreicht Schichten und Gruppen von Menschen, die bisher kaum erreicht worden sind. Die Kombination von Wissen, Kontext und Taten mit Geschichten des Erfolges und auch des Zweiten Versuchs ergibt ein spannendes und attraktives Narrativ. Als Effekt aus diesem Erfolg gehen die Erwartungen der „Szene“ noch weiter und wünschen sich mehr Aktivitäten des DNP.

Feedback-Schleifen bewähren sich. Die fachlichen und prozessualen Anforderungen sollen immer auf einem ambitionierten Niveau fortentwickelt werden. Sie werden in jedem Seite 6 von 13 Jahr auf Grund der Rückmeldungen aus der Jury, der Recherche-Partner sowie des Kuratoriums überprüft und weiterentwickelt. So sind Kategorien entfallen und neu geschaffen worden. Die Systematik stellte zu Beginn mehr auf Strukturen und Prozesse ab, die das gesamte Unternehmen (und nicht nur eine Abteilung oder eine Produktlinie) auf Nachhaltigkeit hin orientieren. Heute wird dies für die Bewerber als „gelernt“ unterstellt (und natürlich weiter abgefragt), aber der Fokus liegt mehr auf Wirkung in den zentralen Transformationsfeldern. Unter Wirkung verstehen wir im Durchgang 2020 beste Konzepte und praktische Erfolge gegen Erderwärmung, Ressourcenschwund, Artenschwund und gesellschaftlichen Spaltung.

Der DNP zwingt die Bewerber nicht dazu, alle relevanten Angaben in theorie-lastige Zahlen-Gerüste hineinzupressen. Qualitäten können auch benannt und berücksichtigt werden. Der DNP sichert dies durch die Selbsteinschätzung des Unternehmens, die durch Recherche geprüft wird und in die Jury - Beratung eingeht.

Der DNP hat eine starke Anreizstruktur. Sie funktioniert nicht über Preisgelder, sondern ausschließlich über die harte Jury-Entscheidung, den Transfer von Reputation (das „Gesehenwerden“ in der Spitze von Machern und Denkern), Motivation der Mitarbeitenden, inkrementale Verbesserung interner Abläufe und eine Kultur der Anerkennung und des Dabeiseins.

Nur ein kleiner Teil der Teilnehmer am Wettbewerb wird am Ende auch wirklich ausgezeichnet. Wer seine Motivation nur am Gewinn festmacht, wird also enttäuscht. Wer seine Motivation dagegen an der Teilnahme selbst, an ihrer internen Wirkung und dem Lerneffekten orientiert, ist dagegen besser dran.

Die Selbsteinschätzung ist ein wichtiges Instrument. Die Erfahrungen damit gehen in zwei Richtungen. Preisträger und Finalisten sehen sich eher bestätigt, im großen Bewerberfeld überwiegen die Stimmen, die ihre eigene Leistung positiver einschätzen als dies die Recherche und die Jury gesehen hat. Der Grund dafür gibt zu denken: Der Markt reagiert auf Nachhaltigkeit uneinheitlich und nicht immer exakt voraussagbar. Noch immer fehlen Vergleichsmaßstäbe innerhalb der Branchen und branchenübergreifend.

Wirkung

Der Nachhaltigkeitspreis trägt wesentlich dazu bei, das politische Momentum mit der ökonomische Agenda zu verbinden; er ist ist ein „Gatekeeper“ für die Kultur der Nachhaltigkeit, die ansonsten oft noch fehlt (Bachmann 2020a). Der Preis hat auch spezifische Wirkung auf die Bewerber und ihr Umfeld. Das hat eine Umfrage ermittelt (siehe nebenstehende Übersicht nach Kannegießer 2018).

Daneben wird die Wirkung und Reichweite Seite 7 von 13 jährlich durch Feedback des Kuratoriums, der Jury und der Recherche-Partner überprüft.

Bei den Unternehmen sind die positiven Wirkungen je nach der Marktposition und Typ des Geschäftsfeldes (Endkonsumenten als Kunden, Handel, Herstellung, Position in der Lieferkette) unterschiedlich. Generell wird die Auszeichnung im jeweiligen Branchendiskurs sehr genau wahrgenommen. Als positive Wirkungen werden genannt: Kunden werden sensibilisiert, die Wettbewerbsdynamik ist positiv, innerhalb der Branchen werden Standards vorangetrieben, Tabuthemen werden enttabuisiert, Mitarbeiter*Innen sehen das Engagement positiv (Kannegießer, 2018). Die Branchenverteilung ist breit. Vorreiter beklagen eine größer werdende Lücke zwischen ihnen und den Marktteilnehmern, die nicht im gleichen Maße aktiv sind. Allerdings: Einige von Deutschlands wesentlichen Branchen sind im Wettbewerb bisher kaum vertreten: Auto, (große) Banken und Versicherungen, Fleischindustrie, Maschinenbau und erneuerbare Energien.

Es ist ein Charakteristikum des DNP, dass Erfolgsgeschichten „anekdotisch“ erscheinen, aber signifikant für die Entwicklung von Branchen und Städten sind:

• Der Turn-Around eines Unternehmens, das sich selbst und dabei auch den Markt transformiert. • Die Stadt unter Haushaltsvorbehalt, die sich dennoch mit Nachhaltigkeitspolitik profiliert und sich eine Identität gibt. • Der Architektur, die Nachhaltigkeit nicht nur ein technisch brillantes, sondern auch ein soziales und ästhetisches Gesicht zu geben weiß. • Das marktstarke Unternehmen, das Produktfelder konsistent auf Nachhaltigkeit dreht. • Die Stadt, die ihr bürgerschaftliches Engagement umfassend zu nutzen weiß und es dennoch immer wieder neu entfacht. 2020 wurden etwa 6.000 Unternehmen inkl. Startups für alle Preise kontaktiert. Ca. 2.500 befassten sich mit den Fragebögen, ca. 900 gaben den Bewerbungsbogen ab.

Der Deutsche Nachhaltigkeitstag hat sich seit 2008 zu einem führenden nationalen Kongress zur Nachhaltigkeit entwickelt; größte jährliche Kommunikationsplattform der deutschen Nachhaltigkeitsexperten. Der Fair Future Day richtet sich 2020 zum dritten Mal an Menschen in der beruflichen Orientierungsphase. Die beiden Tage mit mehr als 130 Referent/innen unterteilen sich in Plenumsblöcke für das gesamte Publikum und dezentrale Foren. 2019 kamen über beide Tage etwa 2.000 Teilnehmer und 130 Medienvertreter.

Das Feedback der Bewerber und vor allem Finalisten aller Preiskategorien und der Institutionen, die den DNP unterstützen, sowie Medienkontakte belegen eine eindeutig starke Wirkung des Deutschen Nachhaltigkeitspreises. Für Kommunen jeder Größenordnung ist der Preis Bestätigung und Ansporn; sie schätzen insbesondere, dass der DNP ein besonderes Augenmerk auf die kommunale Familie und ihre Beiträge zur Agenda 2030 legt.

Ausblick: Der Deutsche Nachhaltigkeitspreis 2020

Der DNP 2020 ist virtuell. Die Plattform DNP.TV überträgt aus allen Räumen. Weitere Features sind ein virtueller Marktplatz, virtual boothes, Chat- und Videocall-Funktionen, Teilnehmerlisten sowie Mediathek und Downloadbereiche. Reichweite für DNP.TV schaffen wir über das Magazin #DNP13 als Beilage zur FAZ-Gesamtlauflage, über die Seite 8 von 13 Website und social media-Kanäle, Präsentationen zahlreicher Partner und TV- Kooperationen. Der DNP ist auch 2020 klimaneutral, wobei Vermeiden vor Kompensieren geht.

2020 gehören die Präsidentin der Europäischen Kommission Dr. , Vizekanzler Bundesfinanzminister Olaf Scholz und Bundesentwicklungsminister Dr. Gerd Müller zu den Gästen der 13. Verleihung des Deutschen Nachhaltigkeitspreises am 4. Dezember in Düsseldorf.

Die Finalisten im Wettbewerb um den 13. Deutschen Nachhaltigkeitspreis für Unternehmen stehen fest. Auch 2020 gab es eine Vielzahl an Bewerbern - entgegen der Befürchtung, dass der Lockdown genau in der Bewerbungsphase zu einem Weniger an Beteiligung führe. Der neue DNP Design zeigt vorbildliche Lösungen zur nachhaltigen Gestaltung in Form eines Finales mit 26 Ikonen, 53 Vorreiter und 25 Zukunftsvisionen.

Gemeinsam mit dem BMBF wird 2020 der Deutsche Nachhaltigkeitspreis Forschung wissenschaftliche Ideen zum Thema urbane Bioökonomie prämieren, die in einem virtuellen Makeathon entwickelt wurden. Per Online-Voting wird das Siegerprojekt ermittelt.

Im Finale des Deutschen Nachhaltigkeitspreises Architektur stehen Beispiele für die Leistungsfähigkeit des urbanen Holzbaus und den nachhaltigen Umgang mit vorhandener Bausubstanz. Er wird in diesem Jahr zum achten Mal gemeinsam von der Stiftung Deutscher Nachhaltigkeitspreis e.V. und der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen – DGNB e.V. sowie der Bundesarchitektenkammer, dem Institut für Baukultur und dem Bund der Architekten vergeben.

In Kooperation mit der REWE Group werden vorbildliche Ideen für nachhaltigere Verpackungen ausgezeichnet - ein wichtiger Beitrag gegen die Umweltverschmutzung.

Bei den Startups nominieren die Recherche-Partner aus über 140 Bewerbungen die nachhaltigsten und innovativsten für die Endauswahl. Neun Startups treten im finalen Live-Pitch um den 6. Next Economy Award (NEA) vor der DNP-Jury an. Die DNP-Jury ist aus Startup-Experten zusammengesetzt. Aus ihrem Votum und einem Online-Voting des (Online)-Publikums werden die Sieger ermittelt.

2. Multi-Stakeholder Initiativen

Ich möchte den Bericht zu der konkreten Funktionsweise und Wirkung des DNP mit einigen allgemeineren Bemerkungen zu Multi-Stakeholder Initiativen abrunden. Diese verdanken sich jahrelanger Erfahrung mit derartigen Initiativen sowie dem internationalen Erfahrungsaustausch.

In MSI finden sich Akteure unterschiedlicher Herkunft freiwillig und absichtsvoll zusammen, um kontroverse Probleme zu lösen. MSI sind also nicht durch eine a priori gemeinsame inhaltliche Position definiert. Das unterscheidet sie von Allianzen, Bündnissen und Zweck-Kampagnen wie sie in der Zivilgesellschaft und Verbandspolitik üblich sind und teilweise auch vom Staat initiiert werden.

MSI spielen in der globalen Entwicklungspolitik und in der angelsächsischen Diskussion eine bisher weitaus stärkere Rolle (Hemmati 2015 und 2020, Dodds 2019, Strandenaes 2018) als für die soziale Marktwirtschaft im „Verbände-Staat“ Deutschland. Die Bundesregierung, namentlich das BMZ, bezeichnet die diversen Foren, Dialoge oder Seite 9 von 13 Initiativen zu Sorgfaltspflichten auch als MSI. Bei ihnen geht es um zertifizierbare soziale oder ökologische Standards für Produkte wie z.B. Textilien, Palmöl, Kakao (FNK), Diamanten.

Im deutschen Kontext und mit Bezug auf die nachgenannten Kriterien sehe ich den Deutschen Nachhaltigkeitspreis als eine nahezu klassische Form einer MSI sowie beispielsweise die Initiative Chemie-hoch-drei und die Regionalen Netzstellen Nachhaltigkeitsstrategien. Meine Eckpunkte / Kriterien für MSI sind thesenartig folgende :

• Legitimierung:

MSI brauchen immer erneute Legitimation. Dabei gibt es unterschiedliche Wege. a) Sie können Legitimation per Beauftragung oder gesetzlichem Auftrag erhalten. b) Legitimation kann einem MSI von Dritten zugeschrieben werden. c) Legitimation kann im Laufe der Arbeit und durch eine gute Konzeption eines MSI erworben werden, etwa durch Ergebnisse oder / und durch den Prozess der Arbeit.

Auf jeden Fall muss diese Legitimation ausgesprochen und nachvollziehbar kommuniziert werden. Es sind auch Mischformen möglich. Der Nachhaltigkeitspreis fällt in die dritte Kategorie, die meisten MSI, die Standard für Produkte oder Produktionsweisen vereinbaren, fallen in die erste Kategorie.

• Diskurs-Modus:

MSI zeichnen sich in der Regel durch einen expliziten Funktionsmodus aus, mit dem sie ihre Themen beraten. a) Ihr Diskurs ist gut vorbereitet und faktenbasiert, was zwingend erforderlich ist, wenn der Dialog aufgrund unterschiedlicher Ausgangsposition und -hypothesen ausgelöst ist. b) Sie anerkennen den jeweiligen praktischen wie normativen Bezugsrahmen ihrer Positionen und vereinbaren verbindlich die Formen, in denen sie die offenen Fragen klären wollen. c) MSI definieren, ob sie „Settings“ arbeiten, die gegenüber der weiteren Öffentlichkeit offenen oder geschlossenen sind.

• Compliance:

Im Idealfall übernehmen die Initiatoren und Teilnehmer selbst die Finanzierung und geben sich dafür eine Rechtsgrundlage. Sie trennen dabei die Verantwortung für die strategische Leitung von der operativen Verantwortung für die Bewirtschaftung der u.U. zur Verfügung stehenden Finanzmittel. Im besten Fall geschieht dies durch vertraglich gebundene Delegierung und Regelungen zu „Chinese Walls“.

Das ist allerdings nur selten der Fall. Überwiegend rückt die staatliche Förderung die MSI in den Grenzbereich staatlicher Aktivität. Daher ist die Freiwilligkeit der Teilnahme privatwirtschaftlicher Stakeholder unstrittig eine Governance- Problematik. Diese wird auch im Zusammenhang mit Vorüberlegungen zu dem Lieferkettengesetz diskutiert.

• Selbstbegrenzung und Selbstwirksamkeit:

MSI werden nicht auf Dauer eingegangen, sondern auf eine bestimmte Zeit oder für einen bestimmten Anlass. Diesen Zweck und das geplante Ende der Zusammenarbeit sollten die Beteiligten immer mitdenken. Im besten Fall kennen Seite 10 von 13 sie den zeitlichen Zyklus von politischen / wirtschaftlichen / sozialen Entscheidungen genau, die sie in den Fokus nehmen und verändern wollen.

• Kontext und Wirkung

MSI machen aus Komplexität eine Stärke und ein Mittel zum Umgang mit „wicked problems“, die von keiner einzelnen Interessengruppe alleine gelöst werden können. Das ist typischerweise bei ökologischen Fragen und Themen der öffentlichen Ordnung der Fall. MSI vergrößern das diverse Know-how und die Teilnehmenden muten sich gegenseitig Kompetenzen zu, die gemeinsam größer sind als jene, die jede/r Einzelne hat.

Bewertung und Ausblick

MSI können (!) die Qualität und Umsetzbarkeit von Entscheidungen erhöhen und die Chancen für ihre Wirkung erhöhen. Minu Hemmati (2020) sieht auch generelle Risiken, die im praktischen Fall zu managen sind: unangemessen verstärkter Einfluss von Spezialinteressen, Einfluss voreingenommener Interessen, Fehlen von Transparenz, Kostenrisiken. Die Agenda 2030 und das 17. UN Nachhaltigkeitsziel (SDG) setzen auf Multi-Stakeholder Partnerschaften.

Aus Sicht einer harten Globalisierungskritik (MSI Integrity 2020) verfehlen alle (!) Stakeholder Initiativen und Plattformen ihre Ziele. Die rund vierzig wesentlichsten Initiativen erfüllten ihre sozialen und ökologischen Ziele nicht und stünden dem Setzen von ordnungsrechtlich sanktionierten Pflichten im Wege.

Deutsche Umwelt- und Sozialverbände sehen MSI auch tendenziell skeptisch, wenn sie auf den Machtmechanismus der MSI sehen. Sie argwöhnen grundsätzlich, dass MSI lediglich gesetzliche Regulierung umgehen und insofern die eigentlich nötige Verbindlichkeit ausbooten. Auch erscheint der Aufwand an Zeit und Ressourcen gegenüber den Wirkungen als unverhältnismäßig (Venro et al, 2020). Kernpunkt ist auch hier die Frage, wie freiwillig die Teilnahme erfolgt respektive ob und wie ihre Verweigerung und das Fehlverhalten sanktioniert werden. Im Zusammenhang mit dem beabsichtigten Lieferkettengesetz ist dies ein Kernpunkt.

Regulatorische Maßnahmen zu den „wicked problems“ (tipping points, planetare Grenzen, Runaway-Probleme) gewinnen jedoch nach meiner Erfahrung erst dann an Qualität und erfordern daher, dass die betroffenen Stakeholder ihre Ansätze bündeln, Kooperationen eingehen und über den Markteinfluss eines jeweils einzelnen Unternehmens hinaus in die Branche (Wettbewerber) und in die Lieferkette (vor- und nachgelagert) hinein wirken. Die Möglichkeiten der Kooperation im Bereich der Nachhaltigkeit begegnen allerdings u.a. auch kartellrechtlichen Schranken und Schranken, die sich aus Haltungen, Gewohnheiten und positioneller Politik ergeben (Bachmann 2020b).

Zukünftig dürfte sich die Legitimation eines MSI wesentlich daran gemessen werden, wie gut und verbindlich die Governance einer MSI in der Lieferkettenpolitik verankert ist. Ob MSI dadurch relevanter und wirkungsmächtiger werden, ist zu bezweifeln, solange ihre Legitimation lediglich in einer Art Ersatzvornahme staatlicher Regulation gesehen wird.

Hierzu gibt es Alternativen. Richtig angewandt und ausgebaut, würden sie zu einer neuen und durchschlagkräftigen Politik-Paradigma für Nachhaltigkeit beitragen: Seite 11 von 13 • Politisch - instrumentelle Governance:

Ein interessantes Beispiel für eine bessere, weil übergreifende Governance bietet die niederländische Sustainable Trade Initiative. Als sektor- und produkt-übergreifende Initiative bringt sie herstellende Unternehmen, Regierungen und die Finanzindustrie zusammen: „We orchestrate the powers of law, of entrepreneurship and investments to work together to create solutions for global sustainability issues at scale.“ (IDH website)

• Marktmechanismus und offene Datenökosysteme

Klaus Schwab (2020) bestätigt für das World Economic Forum an prominenter Stelle, dass die neoliberale Ideologie falsch war (has proved wrong) und dass es jetzt um den paradigmatischen Wechsel zu einem, wie er es nennt, Stakeholder Kapitalismus gehen müsse, der offene Datenkonzepte verlange.

Leistungsfähige Unternehmen (in der Spitze des DNP-Wettbewerbes) ergänzen schon jetzt die Unternehmenssteuerung um die Betrachtung nicht unmittelbar finanzieller Leistungen, das heißt Nutzen und Verluste aus Ökologie und Menschenrechten. In den nächsten zwei, drei Jahren würde diese Veränderung auf freiwilliger Basis einsetzen. Das wird im naher Zukunft vom Mainstream verlangt werden.

Es liegt auf der Hand, dass in diesem Kontext die MSI eine mit heute kaum vergleichbare Rolle spielen müssen. Die neue Datenökosysteme bestehen nicht nur aus einem Meer granulärer Einzeldaten, sondern ganz wesentlich benötigen sie auch Bewertungsgrößen und Vergleichsmaßstäben (benchmarks, standards); Bestand und Wirkung können diese aber nur in offenen Dialogen und durch MSI und Zivilgesellschaft haben.

Kooperation zu einer Pluralität der Lösungen kann für einen „European Public Data Space on Solutions for Sustainability“ eine identitätsstiftende und zugleich innovative Kraft sein, ähnlich und parallel zu der MSI Industrie 4.0, die die Kooperation in der industriellen Digitalisierung voranbringt. Seite 12 von 13 Angeführte Literatur

Bachmann, Günther (2020a) Die Stunde der Politik. Essay über Nachhaltigkeit, Utopien und Gestaltungsspielräume. Oekom: München

Bachmann, Günther (2020b) Gegen das bequeme Jammern. Vorabdruck aus dem Magazin des DNP-13, erscheint als Beilage der FAZ am 3./4.12.2020

Brouwer, H., Woodhill, J., Hemmati, M., Verhoosel, K., van Vugt, S. (2015). The MSP guide – how to design and facilitate multi-stakeholder partnerships. Download vorhanden auf www.mspguide.org/msp-guide

Dodds, Felix (2019) Stakeholder Democracy: Represented Democracy in a Time of Fear, London, Routledge

Gebhardt, Beate (2016) Beschreibung von 24 Nachhaltigkeitspreisen in Deutschland mit Relevanz für Unternehmen der Ernährungsbranche, Institut für Agrarpolitik und Landwirtschaftliche Marktlehre der Uni Hohenheim; Arbeitsbericht Nr. 26 https:// marktlehre.uni-hohenheim.de/fileadmin/einrichtungen/marktlehre/Arbeitsberichte/ haa26_net.pdf dieselbe (2017) Bedeutung von Nachhaltigkeitswettbewerben für Unternehmen in Deutschland. Studienergebnisse 2017 [Relevance of sustainability competitions for companies in Germany. Study 2017] 10.13140/RG.2.2.31904.84485 https:// www.researchgate.net/publication/ 332222351_Bedeutung_von_Nachhaltigkeitswettbewerben_fur_Unternehmen_in_Deutsch land_Studienergebnisse_2017_Relevance_of_sustainability_competitions_for_companies _in_Germany_Study_2017 dieselbe (2020) "Quo vadis Nachhaltigkeitswettbewerb - Bedeutungsverlust als existenzielle Herausforderung?“, Konferenz: „Möglichkeiten und Ansätze zur Qualitätssicherung von Nachhaltigkeitsawards für Unternehmen“; DOI: 10.13140/RG. 2.2.32075.21286 https://www.researchgate.net/publication/ 345601752_Quo_vadis_Nachhaltigkeitswettbewerb_- _Bedeutungsverlust_als_existenzielle_Herausforderung

Hemmati, Minu (2020) Stakeholder engagement. With contribution of: Maier, B. In: Paschke, M. and Dahinden, M. (eds.): Engaging in the science-policy dialogue, Workbook 2. Zurich: Zurich-Basel Plant Science Center., https://doi.org/10.3929/ethz-b-000308464 (open access)

IDH, The Sustainable Trade Initiative (Netherlands), see: https:// www.idhsustainabletrade.com/about-idh2/

Kannegießer, Matthias (2017) Zehn Jahre deutscher Nachhaltigkeitspreis. Wirkungen und Perspektiven für Nachhaltigkeit in Unternehmen. Studie im Auftrag des Rates für Nachhaltige Entwicklung, Berlin https://www.nachhaltigkeitspreis.de/media/7-Presse/ Downloads-Allgemein/studie-10-jahre-deutscher-nachhaltigkeitspreis.pdf

MSI, Institute for Multi-Stakeholder Initiative Integrity (2020) Not Fit-for-Purpose: The Grand Experiment of Multi-Stakeholder Initiatives in Corporate Accountability, Human Rights and Global Governance (Summary Report), July 2020. https://www.msi- integrity.org/wp-content/uploads/2020/07/ Seite 13 von 13 MSI_SUMMARY_REPORT.FORWEBSITE.FINAL_.pdf www.msi-integrity.org/not-fit-for- purpose/

Schwab, Klaus (2020) A Better Economy Is Possible. But We Need to Reimagine Capitalism to Do It, Essay in der Ausgabe The Great Reset des Time Magazine, October, https://time.com/collection/great-reset/

Strandenaes, Jan-Gustav (2018) Towards Strong and Active Stakeholder Engagement at the Global Level; presentation at the 2018 Sustainable Development Transition Forum „Accelerating Progress towards the SDGs: Enhancing the Role of the High-Level Political Forum (HLPF)“, UN OSD, Incheon Songdo, Incheon, Republic of Korea; https:// sustainabledevelopment.un.org/content/unosd/documents/4884Session%205-1_Jan- Gustav%20Strandenaes.pdf

VENRO, Cora, Forum Menschenrechte (2020) Anforderungen an wirkungsvolle Multi- Stakeholder-Initiativen zur Stärkung unternehmerischer Sorgfaltspflichten. Empfehlungen aus Sicht der Zivilgesellschaft; https://venro.org/publikationen/detail/anforderungen-an- wirkungsvolle-multi-stakeholder-initiativen-zur-staerkung-unternehmerischer- sorgfaltspflichten Anlage 2

6 7 Gegen das bequeme Jammern.

Autor Prof. Dr. Günther Bachmann, Vorstand Stiftung Deutscher Nachhaltigkeitspreis e. V.

Die Transformation zu einer klimaneutralen und Jammern ist verliebt ins Misslingen und Nichtstun. nachhaltigen Entwicklung fordert von uns nichts Helfen tut das nicht. weniger als den Umbau von dem, was wir für normal halten. Von Jahr zu Jahr zeigen die Träger So kann es nicht weitergehen. Krankheit, Klimakri- des Deutschen Nachhaltigkeitspreises, dass die se, Artensterben, Armut, Konflikte und Terrorismus, 2019:2019: InhaberInhaber Prof.Prof. KlausKlaus FischerFischer (m.)(m.) nimmtnimmt dedenn DeutschenDeutschen NachhaltigkeitspreisNachhaltigkeitspreis fürfür diedie UnternehmensgruppeUnternehmensgruppe fischerfischer entgegen.entgegen. Transformation nichts Systemfremd-Überirdisches Destabilisierung und die Politiker/innen des Unheils VORABDRUCKist. Sie zeigen, was bereits geht, was sie gehend – so unterschiedlich diese Themen sind, eines haben gemacht haben, was neu hinzukommt, was über- sie gemeinsam: Wer Abhilfe aufschiebt, verschärft trägernträgern der NachhaltigkNachhaltigkeit:eit: Nein! Das GegenteilGegenteil istist zwingend nachhaltig sein. Und manches ist auch rascht und was zum Zukunftstrend werden wird. Sie die Probleme. Verlangsamen heißt zuspitzen. Die der Fall:Fall: WWirir müsmüssensen NachhaltigkNachhaltigkeiteit an allen EEckencken ganz besonders nachhaltig, was zunächst irritiert zeigen: Transformation ist möglich. Der Blick in die Folge: Der Handlungsdruck steigt erratisch. und VVORABDRUCKEnden ausbauen, qualifizieren,qualifizieren, griffiger und oder als Zumutung und Affront erscheint. Nachhal- Gesellschaft zeigt indessen auch: Zu viele warten mutiger machen. SonstSonst übernehmen die TTrittbrett-rittbrett- tigkeit fängt an, wo das Jammern aufhört. ab, schauen allenfalls interessiert zu. Viele fühlen Es ist eine bequeme Legende, dass Politik nur die fahrer.fahrer. WWoo viele aufOR der SStelletelle trtreten,eten, isistt der langsam sich wahlweise überfordert oder übergangen. Statt Kunst des Machbaren sei. Sie darf nicht mehr ver- HinkendeHinkende nicht wirklich besbesser.ser. Nur leicht besbesserser als Der AufbauAufbau und der Erhalt nachhaltiger ProduktionProduktion zu handeln, jammern sie über alles Mögliche. Wo fangen. Eine neue Zeit für andere Politik zeigt sich der KonkurrentKonkurrent zu sein, rreichteicht nicht. WWirir zzeichneneichnen und nachhaltiger LieferkettenLieferketten mussmuss TeilTeil des Kern-Kern- immer es um Nachhaltigkeit geht, ist Jammern die in den Umrissen jener Praktiken, die der Deutsche PreisträgerPreisträger aus, wweileil sie WWirkungirkung haben. WWirir schauen geschäftesgeschäftes aller UnternehmenUnternehmen werden.werden. Klimaneu- gängige Grußformel. Zu wenig, zu langsam, nicht Nachhaltigkeitspreis zusammenbringt. Corona uns die kritischen PunktePunkte der BeBewerberwerber genauA an. tralitättralität wirwirdd zum SchlüsselSchlüssel für Innovation.Innovation. Es geht das Richtige. Vorreiter klagen, dass sie allein gelas- fördert zudem die Einsicht, dass Vorsorge sinnvoll Meist gibt es sie ja. Die Multi-Stakeholder-Jurys (es um die DNA jeder Kommune,Kommune, jedes Unternehmens,Unternehmens, sen werden. Die Bequem-Beschwörung sieht Nach- ist und Sorgfaltspflichten sozial relevant sind. Daher sind mehrere) lassen nur gelten, was seit Langem jederB Aktion:Aktion: Appelle zu CSR reichenreichen nicht mehr; haltigkeit als wichtig, wenn sie nichts kostet und schlägt jetzt die Stunde einer Politik, die Utopien hart an Nachhaltigkeit arbeitet, durch Transformation UmweltfreundlichkeitUmweltfreundlichkeit reichtreicht ebenfallsebenfalls nicht mehr.mehr. freiwillig bleibt. Wissenschaftler/innen jammern, nutzt, um Gestaltungsräume zu schaffen. überzeugt und Ausstrahlung hat. GefordertGefordert istist DRUheuteheute eine TransformationTransformation der ganzenganzen dass ihnen nicht genug zugehört wird. Politiker/- WirtschaftWirtschaft in Richtung auf Nachhaltigkeit.Nachhaltigkeit. Gefor-Gefor- innen jammern über den Mangel an Betriebstempe- Dass Nachhaltigkeit generell und selbst beim Inves- Vieles, was sich heute selbst so nennt und unserem dert ist,ist, die sozialen,sozialen, ökökologischenologischen und ökonomi-ökonomi- ratur. Aktivist/innen sehen um sich herum ohnehin tieren von Geld von erheblichem Nutzen ist, bestrei- Ansatz zuordnen will, hat tatsächlich wenig mit schen ChancenChancen gezieltgezielt anzugehen, die sich mit der nur ornamentales Schmuckwerk. Ich sehe es so: tet heute niemand mehr ernsthaft. Sind wir damit am Nachhaltigkeit zu tun. Aber auch umgekehrt gilt: Idee einer nachhaltigen Entwicklung verbinden.verbinden. Solcherart Jammern ist eine billige Flucht. Das Ziel? Bei allem Respekt vor Pionieren und Leistungs- Nicht alles Notwendige und nicht alles Gute muss Das ist Politik pur. Es wird Zeit. C Nachhaltigkeit, Utopien und Gestaltungsräume K

Das Corona-Jahr bringt so viel Krise wie noch nie – doch was bedeutet das für die Nachhaltigkeitspoli- tik und ihre Gestaltungsspielräume? Der langjährige Deutscher Generalsekretär des Rates für Nachhaltige Ent- Nachhaltigkeitspreis wicklung (RNE) Günther Bachmann lässt uns hinter Unternehmen die Kulissen blicken. Aus nächster Nähe erzählt sein Essay aus dem politischen Geschehen und schlägt neue Sichtachsen durch das Gewirr von Konferen- Der Deutsche Nachhaltigkeits- zen und Beschlüssen. Bachmann rückt eingefahrene preis prämiert Unternehmen, Denkhaltungen zurecht: Zu oft reden wir das Ge- bei denen Nachhaltigkeit lingen klein, zu sehr lähmt die ständige Rhetorik von Teil des Geschäftsmodells Krise und Rettung. Aus seiner Sicht wären größere ist. Ausgezeichnet werden Fortschritte möglich, doch zu viele Chancen bleiben Akteure aus der Wirtschaft ungenutzt. Das Buch plädiert für einen Paradig- (vom Konzern bis zum KMU menwechsel. Die Politik muss erkennen, dass es bei und Kleinstbetrieb), die mit Nachhaltigkeit um Macht geht und nicht nur um die innovativen Produkten und technische Umsetzung einmal beschlossener Ziele. Dienstleistungen, hohen öko- An Unternehmen und Bürger/innen appelliert er, der logischen Standards in der Politik mehr zuzutrauen. »Wir müssen die Nachhal- Produktion oder besonderem tigkeitspolitik aus dem Kreativitätskoma herausho- sozialem Engagement in ihrer len« – Bachmann zeigt, wie das gehen kann. Wertschöpfungskette wirk- same Beiträge zur Transfor- mation leisten.

#DNP13