Das Forum Russische Kultur Gütersloh e. V. hat über zwei Jahr- zehnte Beziehungen zwischen Menschen in Deutschland und Russland her­gestellt, gepflegt und vermittelt und damit einen anerkannten Beitrag zur Verständigung beider Völker geleistet. Verantwortlich: Forum Russische Kultur Gütersloh e. V. Ignaz-Jaspers-Straße 30, 33332 Gütersloh Redaktion: Heinz Schaefer, Franz Kiesl (V.i.S.P.) Gestaltung: Günter Pohlschmidt Fotos: Forum-Archiv Druck: art + image, Dresdner Straße 4, 32423 Minden Auflage: 2000

Gütersloh 2011 Schutzgebühr 5,00 € Inhalt

Zum Geleit 4

Grußworte Unsere Veranstaltungen Bürgermeisterin Maria Unger 5 Russische Kulturwochen in Gütersloh 91 Generalkonsul Jewgenij Schmagin 6 Lesungen und Vorträge 95 Dr. Ernst-Jörg von Studnitz 7 Vortrag des Generalkonsuls J. Schmagin 96 Ausstellungen 98 Der Anfang einer Erfolgsgeschichte Unsere Jubiläen 99 Franz Kiesl berichtet 9 Widmung von Lew Kopelew 10 Völkerfreundschaft mit Hilfe der Musik Musik verbindet junge Menschen Unsere Beziehungen über alle Grenzen 106 Beziehungen zu unseren 17 Partnern 12 Zusammenarbeit der Kreismusikschule Besuche in Susdal 47 mit den »Neuen Namen« 107 Besuche des sowjetischen Friedhofs Grundschulen sammeln Erfahrung in in Stukenbrock-Senne 54 Kultur und Völkerfreundschaft 109 Vergangene Partnerschaften 56 »Junge Sinfoniker« 113

Unsere Kooperationspartner Unsere Reisen Der Verein »Wasilissa« 67 Reisen in sechs russische Städte 117 Deutsch-Russische Gesellschaft Paderborn e. V. 68 Besuche in russischen Universitäten 154

Das Forum baut auf alten Traditionen auf Forum intern Russische und deutsche Beziehungen Wie der Verein entstand und geführt wurde 157 in der Literatur 70 Auszeichnungen für das Forum 159 Beziehungen der Deutschen und Russen Ein schwieriges Kapitel – die Finanzen 160 im Bereich der Musik 71 Die Mitglieder sind das Fundament Der Beitrag von August von Haxthausen und gleichzeitig die Säulen des Vereins 161 zur Bauernbefreiung in Russland 73 Was mich veranlasst hat, Mitglied zu werden 162 Die deutschen Spuren des russischen ­ Projekt »Helfen und Genießen« brachte »Zuckerkönigs« 74 26.000 Mark an Spenden ein 163 Russische Literatur – gestern und heute 76 Gastgeber praktizieren Völkerfreundschaft Orthodoxie – Kirche und Glauben 81 besonders intensiv 165 Die kulturelle Koexistenz Russlands Unsere Homepage 167 und Deutschlands ist notwendig 85 Unser Forum-Report 168 Besuche in der Russischen Botschaft und im Russischen Generalkonsulat 87 Die deutsche Wirtschaft schätzt die Kultur als Begleiter in Russland 89

Zum Geleit

Es gibt Phasen im Verlaufe der Geschichte, in denen sich Ereignisse stark verdichten. In eine solche Zeit fallen die Anfän-

ge des Forum Russische Kultur Gütersloh. Durch den Zusammenbruch des »Ostblocks« und das Verschwinden des »Ei-

sernen Vorhangs« eröffneten sich plötzlich und völlig unerwartet Möglichkeiten, viele mühsam unter der Oberfläche der

zwei sich feindlich gegenüber stehenden Ideologien aufrechterhaltene Kontakte offen und frei zu beleben und auszubauen. E­Allerdings wirkten andererseits die mehrere Jahrzehnte lang systematisch aufgebauten Feindbilder – zunächst durch den Zweiten Weltkrieg und danach durch den »Kalten Krieg« – in weiten Teilen der Bevölkerung auf beiden Seiten nach. Inso-

fern lagen nach außen propagierte zum Teil euphorische Visionen einer gemeinsamen Zukunft und dumpfes gegenseitiges

inneres Misstrauen dicht beieinander.

Nichts war also wichtiger als der Auf- während der zwei Dekaden seines Be- Viele Beiträge in diesem Buch lassen bau von Brücken des Vertrauens. Auf stehens mit Ideen und Aktionen in- erkennen, dass das Forum sich die vie- diesem Gebiet tut die Politik sich er- tensiv gefördert zu haben: Es bot einer len traditionell guten Beziehungen fahrungsgemäß schwer, weil Politik Vielzahl russischer Künstler in unserer zwischen Deutschland und Russland, eben (nur) »die Kunst des Möglichen« Region eine Plattform und unterstütz- ­gerade auf dem Gebiet der Kultur, ist. Erforderlich war hier aber mehr. te – besonders in den ersten Jahren – zunutze gemacht hat. Maßgeblich Gefragt war deshalb persönliche Initia- durch Benefizkonzerte soziale Einrich- ­geblieben ist aber vom Anfang bis heute tive. Es entstanden spontan viele pri- tungen im Osten. Von Anfang an stand die nachhaltige, manchmal sogar recht vate Hilfsprojekte, um unterversorgte aber im Mittelpunkt die Überzeugung, mutige Initiative der Personen, die den Menschen im Osten zu unterstützen, dass Vertrauen nachhaltig nur durch Verein auch noch dahin geführt haben, und es nahmen Menschen aus dem persönliches Kennenlernen geschaffen dass das Forum zu einem an­erkannten Osten, insbesondere Künstler, Kon- werden kann. Russische Künstler und Kulturträger in der Region geworden takte zum Westen auf, um auch ein in Gäste lebten während ihres Aufenthalts ist. schwierigen Zeiten lebendig gehaltenes in deutschen Gastgeberfamilien und wertvolles Gut hier zu präsentieren, kehrten als Botschafter unseres Landes Was bleibt als Ergebnis dieser Rück- ihre Kultur. in ihre Heimat zurück, und hunder- schau auf die ersten 20 Jahre? Der An- te von deutschen Besuchern konnten sporn, es in Zukunft mindesten genau Es ist zweifellos geradezu ein Marken- sich auf Forum-Reisen nach Russland so gut zu machen, denn es bleibt noch zeichen des Forum Russische Kultur aufgrund persönlicher Begegnungen viel zu tun für die gegenseitige Verstän- geworden, in diesem Sinne den Auf- ein eigenes Bild von Land und Leuten digung. bau von gegenseitigen Beziehungen machen.

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5 Grußwort des Generalkonsulats der Russischen Föderation

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freunde,

es ist mir eine besondere Ehre und Freude, allen Mitgliedern, Freunden und Förderern des Forums Russische Kultur Gütersloh e.V. vom ganzen Herzen zum 20-jährigen Jubiläum zu gratulieren.

Geboren in den bewegenden Jahren politischer und wirtschaftlicher Erdrutsche in Europa an der Schwelle der 80/90-er Jahre des letzten Jahrhunderts hat Ihre Organisation einen würdigen, engagierten und beach- tenswerten Weg zurückgelegt. Es war und bleibt ein Weg der Pflege und aktiver Festigung des deutsch-russi- schen Miteinanders, der Zusammenführung der Zivilgesellschaften unserer Länder, Förderung wachsender gegenseitiger Verständigung und Freundschaft zwischen Deutschland und Russland.

Als Mittel zum Zweck wurde die Kultur gewählt – eine wahrlich alltaugliche menschenverbindende Sub- stanz, die im Stande ist, jegliche Vorurteile abzubauen und die Politik samt Wirtschaft mit humanitären, allgemein menschlichen Werten zu bereichern.

Der Werdegang der Russischen Kultur Gütersloh ist eine beispielhafte Erfolgsgeschichte, die mit kleinen Schritten der Herstellung erster Kontakte zu Künstlern aus St.Petersburg 1991 eingeleitet wurde. Die dar- auffolgende Entwicklung war rasant und umfasste immer neue Kulturbereiche, Künstlergruppen und Städte Russlands. Bereits 1992 wurde die erste »Russische Musikwoche« in Gütersloh veranstaltet. Seitdem wird in jedem Jahr ein umfangreiches, vielfältiges und hochklassiges Kulturprogramm geboten, das zum festen Be- standteil des Lebens der Stadt gehört.

Doch man ist bemüht, keine Einbahnstraßen im bilateralen Verkehr aufzubauen, sondern breite Brücken zu schlagen, die das gegenseitige Kennenlernen ermöglichen. So ist es zu Austauschprojekten und Reisen in russische Regionen gekommen, die natürlicherweise zu vielen privaten Freundschaften führten.

An dieser Stelle kommt man nicht umhin, den persönlichen Verdienst an dem prosperierenden Wirken der Russischen Kultur Gütersloh des 1. Vorsitzenden Herrn Franz Kiesl und seiner Mitstreiter zu würdigen. Ihr selbstloses Engagement hat in den zurückliegenden Jahren ein funktionstüchtiges und umfassendes Netz- werk von Verbindungen zur Politik und Wirtschaft in der Stadt und Region Gütersloh zusammengeknüpft, welches den Erfolg der Organisation entscheidend mitgeprägt hat.

Somit ist heute der Verein zu einem festen und nicht mehr wegzudenkenden Baustein im Fundament der deutsch-russischen strategischen Partnerschaft geworden.

Für die weiteren Jahre ihres Bestehens wünsche ich der Russischen Kultur Gütersloh viel Glück und das Um- setzen neuer Vorhaben, die dem Wohle unserer Menschen dienen.

Generalkonsul Jewgenij Schmagin Bonn-Bad Godesberg

6 Grußwort von Dr. Ernst-Jörg von Studnitz

Es ist eine Freude, dem Forum Russische Kultur Gütersloh zu seinem zwanzigjährigen Bestehen Glück- wünsche, vor allem aber Dank auszusprechen für die großartige Arbeit, die das Forum über eine so lange Zeit hinweg mit Ausdauer und Hingabe für die Pflege der deutsch-russischen Kulturbeziehungen leistet. Die Kultur spielt im Leben unserer Völker, in ihren Beziehungen zueinander eine ganz entscheidende Rolle. Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass sie vielleicht das Wichtigste überhaupt ist, worin sich unse- re Völker und Menschen begegnen.

Die Kultur ist das am tiefsten reichende Bindeglied zwischen unseren Völkern. Die gegenseitige Achtung für die Kultur des anderen ist auch durch die Kriege, insbesondere auch nicht durch den barbarischen zweiten Weltkrieg, unterbrochen worden. Aus dieser unverletzt gebliebenen Wurzel konnte die Wieder- annäherung zwischen Deutschland und Russland am Ende des 20. Jahrhunderts erfolgreich stattfinden.

Die Elemente, die für Russland zu einer so starken Bindung an die deutsche Kultur geführt haben, sind zum einen die deutsche Philosophie. Kant, dessen Grab in seiner Heimatstadt Königsberg im heutigen Kaliningrad fast unzerstört den Krieg und den Kampf um Königsberg überstand, wurde und wird als einer der ganz großen Philosophen geehrt und gelehrt. Eine Anekdote will wissen, dass ein unbekannter Angehöriger der Roten Armee am Grabmal Kants in den Apriltagen 1945 ein Schild anbrachte »Nicht zerstören! Großer Philosoph«. Das hat jedenfalls das Grabmal gerettet, soll aber auch die unmittelbar daran gelegene Domruine vor dem Abriss bewahrt haben. Hegel war vor allem durch die in der kom- munistischen Zeit auf Marx zurückgehende Auseinandersetzung mit seinem Denken ein in Russland studierter Philosoph. Karl Marx schließlich gehörte 70 Jahre lang zu den Gründungsheiligen des so- wjetischen Systems und sein Denkmal steht bis zum heutigen Tage auf dem Theaterplatz im Zentrum Moskaus, zwischen Kreml und Bolschoij Theater.

Die deutsche Musik ist vielleicht die weitestreichende Verbindung zwischen beiden Völkern. Die großen deutschen Komponisten Bach, Mozart, Beethoven, Brahms werden eigentlich gar nicht als Deutsche, sondern als auch ganz zu Russland gehörende Komponisten empfunden. Das heißt nicht, dass die gro- ßen Deutschen Händel, Schubert, Schumann, Wagner und Strauß nicht ebenso dem russischen Mu- sikpublikum vertraut wären. In gleicher Weise sind die großen russischen Komponisten Tschaikowskij, Mussorgskij, Prokofiew, Schostakowitsch, aber auch die Zeitgenossen Schnittke und Gubaidulina ein fester Bestandteil des in Deutschland gepflegten Musiklebens.

Einen hohen Rang nimmt im deutschen Kulturleben natürlich die russische Literatur ein. Die großen Romanschriftsteller Dostojewski und Tolstoj, wie auch Turgenew, der lange Jahre in Deutschland gelebt hat, übten und üben einen starken Einfluss auf das deutsche Geistesleben aus. Von überragender Bedeu- tung ist der Dichter Tschechow, dessen Stücke zum ständigen Repertoire deutscher Bühnen gehören. Die Russen berührt es schmerzlich, dass ihr größter Dichter Puschkin, wohl weil sich seine kunstvolle Sprache nur schwer in irgendeine andere Sprache übersetzen lässt, in Deutschland nicht so hoch ge- schätzt wird wie in seiner Heimat. Gleichwohl, diese und viele nicht genannte Schriftsteller und Dichter haben deutsches Denken und deutsche Bildung im 19. und 20. Jahrhundert unauslöschlich mitgeprägt. In der russischen Sprache und Kunst lebt etwas, zu dem sich Deutsche immer hingezogen gefühlt ha- ben. Ernst Barlach, Käthe Kollwitz und Rainer Maria Rilke haben entscheidende Anregungen für ihr Werk in Russland aufgenommen.

In der Malerei schließlich ist die gegenseitige Durchdringung so intensiv gewesen, dass Maler wie Kan- dinskij, Malewitsch, Jawlenskij und El Lissitzkij wie deutsche Künstler angesehen wurden. Ihr Beitrag zur Entwicklung der deutschen Kunst in den zwanziger Jahren ist nicht wegzudenken. Welch intensive gegenseitige Durchdringung es in jenen Jahren gegeben hat, hat die große Ausstellung Moskau– 1900–1950 eindrucksvoll dokumentiert.

7 Zu dem deutschen kulturellen Erbe in Russland zählt in starkem Maße auch die wissenschaftliche Ver- bundenheit. Jeder gebildete Russe weiß, dass der Gründer der Moskauer Universität Michail Lomonossow zum Studium nach Freiberg und Marburg ging und auf diese erste wissenschaftliche Begegnung ein ganzer Strom von Deutschen folgte, die in Russland forschten oder an den dortigen Universitäten lehrten. Einer der Glanzpunkte deutscher wissenschaftlicher Arbeit ist die Reise Alexander von Humboldts nach Russland und Sibirien im Jahre 1829 gewesen. Seine damaligen Entdeckungen und Forschungen gelten in der russi- schen Wissenschaft bis zum heutigen Tage als grundlegend und haben nichts an ihrer Bedeutung eingebüßt. Große deutsche Namen wie die Mathematiker Euler und Gauß und der Chemiker Justus von Liebig haben einen gleich guten Klang in der russischen Wissenschaft. Ihre Namen zieren die Russische Akademie der Wissenschaften, deren Mitglieder sie waren. Die Reihe der berühmten Deutschen in russischen Diensten ist lang. Zu ihr zählen auch namhafte deutsche Wissenschaftler, die nach dem 2. Weltkrieg zur Entwicklung moderner Waffensysteme zwangsweise in die Sowjetunion verbracht wurden, unter ihnen Manfred von Ar- denne. Ein Name darf unter den berühmten Deutschen in Russland nicht fehlen: Friedrich Joseph Haass, der sogenannte »Gute Doktor«, der als Moskauer Stadtarzt sich unter Einsatz seines gesamten Vermögens bemühte, das Los der durch Moskau ziehenden Sibirienverbannten zu lindern. Die Moskauer haben ihm das nie vergessen. Bis zum heutigen Tage liegen stets frische Blumen auf seinem Grab.

Obwohl der 2. Weltkrieg alle diese Fäden abgerissen hat, war es gerade auf Grund dieser vielseitigen Ver- flochtenheit möglich, unter vielen Mühen langsam doch einen Neuanfang zu suchen. Der Neuanfang wurde durch die Teilung Deutschlands erschwert und verzögert. Die Aufmerksamkeit der Sowjetregierung richtete sich zwangsläufig zunächst auf die DDR. Sie galt gleichsam für die Sowjets als »unser Deutschland« und wurde inoffiziell gelegentlich so bezeichnet. Es herrschte ein weitgehendes Unterordnungsverhältnis, das ei- nen Austausch unter Gleichen nur in Grenzen ermöglichte. Es soll aber nicht unterschätzt werden, was an deutsch-russischen Begegnungen zwischen Sowjetbürgern und Deutschen aus der DDR in dem sehr breiten und durch seine zeitliche Dauer unvermeidlich auch intensiven Austausch von Studenten und Praktikanten realisiert wurde. Dadurch sind viele Gemeinsamkeiten neu begründet worden. Diese bekunden sich in der breiten Kenntnis der Sprache des jeweils anderen in beiden Ländern. Das bedeutet, dass heute in Russland immer noch etwa 3 Millionen Schüler und Studenten Deutsch lernen. In keinem Land der Welt wird die deutsche Sprache so intensiv gelernt wie in Russland. Leider kann sich Deutschland in Bezug auf das Erler- nen des Russischen damit nicht vergleichen. Etwa 160000 deutsche Schüler und Studenten lernen Russisch. Das ist ein beklagenswerter Unterschied, und dennoch, nirgends in Europa wird soviel Russisch gelernt wie in Deutschland.

Der Wiederbeginn von Beziehungen zwischen Deutschen aus der Bundesrepublik und Sowjets auch im Be- reich des kulturellen Lebens vollzog sich mühsam und langsam. Von Jahrzehnte anhaltender Bedeutung ist in den fünfziger Jahren das Gastspiel von Gustav Gründgens mit dem Faust gewesen. Das war gleich- sam die Wiederbegegnung mit dem besseren, dem unvergänglichen Deutschland. Eine ähnliche Bedeu- tung hatte das erste Gastspiel der Berliner Philharmoniker in der Sowjetunion nach dem zweiten Weltkriege im Jahre 1969 unter Herbert von Karajan. Die Ausstellung Moskau – Berlin 1996 gehört in die gleiche Kategorie von Kulturprojekten von weit überragender Wirkung. Es steht zu hoffen, dass das deutsch–rus- sische Kulturjahr 2012–2013, das nun nach dem ersten Kulturjahr 2003-2004 schon das zweite Ereignis dieser Art ist, den so ungemein wichtigen deutsch-russischen Kulturbeziehungen weitere fruchtbare Im- pulse gibt. In diese Arbeit reiht sich das Forum Russische Kultur Gütersloh auf bewundernswerte Weise ein und wird darin von der ganzen Stadt großartig unterstützt. Man möchte sich ein so reges deutsch- russisches Kulturleben überall in Deutschland wünschen. Gütersloh ist ein weithin strahlendes Vorbild.

Dr. Ernst-Jörg von Studnitz Botschafter a. D. 1. Vorsitzender des »Deutsch-Russischen Forums e. V.«, Berlin

8 Die Anfänge einer Erfolgsgeschichte

ohl keinem Leser dieser Festschrift wird verborgen bleiben, was das Forum Franz Kiesl, der den Verein seit 18 Jahren führt, zu verdanken What. Anerkennung dafür ist ihm in vielfacher Weise zuteil geworden. Am Anfang von Erfolgsgeschichten stehen aber so manches Mal Ereignisse, de- ren Konsequenzen zwar nicht absehbar sind, in denen sich jedoch bereits Ele- mente erkennen lassen, die ausschlaggebend für spätere Entwicklungen sind – zumindest im Rückblick .

Fragt man Franz Kiesl nach Ereignis- bessere Kenntnisse und Erfahrungen schrieb mir einen Brief, der zwei Aus- sen, die bestimmend für seine Ent- abzubauen. Ich wusste sehr bald, dass sagen enthielt: »Eine einmalige Hilfe, scheidung waren, sich so intensiv für sowohl Deutsche wie Russen bei ihren ist eigentlich keine Hilfe« und weiter den Brückenschlag zu den russischen Begegnungen Sympathie für einander »Schön wäre es, wenn 10 Kinder zur Menschen und der russischen Kultur empfinden. Deshalb sah und sehe ich Erholung nach Gütersloh kommen und einzusetzen, so erhält man Antworten, es immer noch als meine wichtigste von einer Person begleitet werden könn- die nicht nur sein Engagement für das Aufgabe an, Möglichkeiten zum Ken- ten«. Forum erklären, sondern auch viele As- nenlernen zu schaffen. pekte seiner Persönlichkeit offenbaren. Ich dachte, der erste Satz stimmt zwar, Lassen wir ihn ganz authentisch selbst Drei Schlüsselerlebnisse führten zu aber er klingt nicht schön, und wie berichten: meinem Engagement: aus dem zweiten Satz etwas zu machen Es begann am 20. Dezember 1990 mit wäre, das war mir zunächst nicht klar. »Ein Jahr vor der Gründung des Ver- einem Ereignis, aus dem sich die »Kin- Aber dieser Satz ließ mir keine Ruhe. eins »Forum Russische Kultur Gü- derhilfe Tschernobyl« entwickelte. Da- Ich lud Edith Thumel und den Redak- tersloh« hatte ich drei bedeutsame mals war ich Geschäftsleiter im Kauf- teur der »Glocke«, Herrn Daub-Dieck- Erlebnisse, die sich entscheidend auf haus HERTIE. Edith Thumel kündigte hoff, zu einem Gespräch ein, um zu mein späteres Wirken auswirkten. Bis mir an, dass Swetlana Krassowskaja beraten, ob nicht vielleicht irgendwie zu meinem ersten Zusammentreffen aus Minsk am nächsten Tag zu Besuch zu organisieren sei, Kinder aus Minsk mit Russen hatte ich große Angst vor komme. Frau Thumel hatte Swetlana nach Gütersloh einzuladen – natürlich ihnen. Wie erfreut war ich darüber, Krassowskaja auf einer Reise nach Mos- mit Swetlana Krassowskaja als Beglei- dass »Russen auch Menschen sind wie kau und St. Petersburg als Reiseleiterin terin. Nach unserem Gespräch schrieb wir«, wie ich bei der ersten Begegnung kennengelernt und schlug vor, dass ihre am 20. Februar 1991 die »Glocke« und einer Gruppe von ihnen in Gütersloh Besucherin mich treffen sollte um zu am 28. Februar die »NW«, dass Gast- sagte! Mich beeindruckte das Wesen sehen, wie im Kaufhaus HERTIE Geld geber für gesundheitsgefährdete Kinder der Russen, denen ich erstmals Ende für Pakete nach Russland gesammelt aus Weißrussland gesucht würden und 1990 und Anfang 1991 begegnete. Es wird. Mit diesen Paketen sollte die da- sie sich bei Edith Thumel melden soll- war viel mehr als eine bloße Begeg- mals dort herrschende große Not gelin- ten. Am ersten Tag nach der Veröffent­ nung. Mir ging es gleich am Anfang dert werden. Es handelte sich um eine lichung in der »Glocke« meldete sich um die Beziehungen zu den Men- Aktion des Deutschen Roten Kreuzes. nur eine Familie, die zwei Jungen auf- schen, noch nicht um die Kultur der Swetlana Krassowskaja, Dozentin für nehmen wollte. Aber die Zahl der Gast- Russen, denn deren besonderer Wert Deutsch an der Hochschule in Minsk, geber wuchs, und ab Anfang März 1991 war mir damals noch gar nicht be- erzählte mir sehr viel über die Situa- stand fest, dass die Unterbringung von kannt. tion in ihrer Heimatstadt und auch 50 Kindern möglich war. über die unzureichenden Zustände im Dieses Interesse an den russischen Minsker Kinderkrankenhaus. Ich ging Edith Thumel und ich trafen sich in Menschen war und ist die Basis für daraufhin mit ihr in die Krönig’sche kurzen Abständen mit den Gastgebern, meine spätere ehrenamtliche Tätigkeit. Apotheke, um Medikamente zu kau- um die nächsten Schritte zu beraten. Viele Gelegenheiten für Begegnungen fen. Von meinen gespendeten 500 DM Ich hatte über Swetlana Krassowskaja, russischer und deutscher Menschen zu konnte Swetlana nur für 220 DM Me- die in ihrer Heimatstadt über viele Be- schaffen, war das Leitmotiv für meine dikamente mitnehmen, weil sie keine ziehungen verfügte, ständigen Kontakt spätere Arbeit im »Forum Russische größeren Mengen auf ihrer Rückreise nach Minsk, wo das Thema, dass Kin- Kultur Gütersloh«, und es hat mein unterbringen konnte. der nach Gütersloh eingeladen worden Wirken seit nunmehr 18 Jahren be- seien, damit an der richtigen Stelle war. stimmt. Ich wusste um die vielen Vor- Ich bat sie, mir eine Liste mit dem kon- In der ersten Mai-Hälfte 1991 rief mich urteile der Deutschen gegenüber den kreten Bedarf zu zu senden, damit ich morgens um 4 Uhr ein Herr aus Ka- Russen – denn ich hatte sie ja auch ge- ihr die restlichen Medikamente spä- menz in Sachsen an und teilte mir mit, habt – und wollte mithelfen, sie durch ter per Post schicken könne. Swetlana dass er in Minsk von der Bereitschaft

9 der Gütersloher gehört habe und seine Frage sei jetzt, wann die Kinder denn kommen könnten.

Ich erfuhr, dass die Kinder mit einem Militärzug fahren könnten, der immer montags in Magdeburg ankäme und dienstags zurückführe. Ich nahm den Kalender zur Hand und legte fest, dass die Kinder am 1. Juli 1991 kommen und am 23. Juli wieder zurückfahren sollten. Durch viele Treff en mit den Gasteltern wurde der gesamte Ablauf während des Aufenthalts geregelt.

Ich erinnere mich noch an die An- kunft des Busses vor einer außerhalb der Stadt liegenden Gaststätte und an die Übergabe der Gäste an ihre Gast- geber. Die Begrüßung war so herzlich, dass ich, der ich etwas abseits stand, Lew Kopelew dankte Franz Kiesl mit einer Widmung in seinem Buch »Zeitgenossen – Meister – Freunde« vor Freude über diese Herzlichkeit ge- weint habe. Für die Kinder und ihre fünf erwachsenen Begleiter, zu denen gehabt hätte und sie ihm erklärt hät- Mannes neben ihm und sagte: »Das ist natürlich Swetlana Krassowkaja gehör- ten, der Termin für die Organisation mein Sohn.« Dieser das Orchester be- te, gab es dann ein abwechslungsreiches eines Konzerts wäre zu knapp. »Dann gleitende Sohn Georg war Geigenbauer Programm. Bei der Abschiedsfeier am nehme ich es in die Hand«, war meine im Musiklyzeum, und Vater Polt hatte Sonntag vor der Rückfahrt sagte ich aus Antwort. erst kurz zuvor von diesem Sohn erfah- Begeisterung über diese gelungene Be- ren. Günter Polt war als Soldat in Minsk gegnung, dass 1992 die gleichen Kin- Ich hatte das Glück, dass ein paar gewesen. Mir lief es kalt über den Rük- der und weitere 50 kommen könnten. Tage vorher der neue »Kleine Saal« ken, weil ich glaubte, die Gefühle der Und so kamen beim zweiten Besuch der Stadthalle in Betrieb ging und der beiden spüren zu können. 100 Kinder. Raum für die in Frage kommende Zeit noch nicht vergeben war. Zu dem mit einem Schnellschuss an- Aus berufl ichen Gründen ging ich gesetzten Konzert am 24. April 1991 Ende 1991 nach Th üringen. Sparkas- Damit hatte ich das Wichtigste: Den kamen 250 Besucher, die vom zweiten sendirektor Dieter Winkler übernahm Saal. Dann ließ ich von der HERTIE- Stellvertretenden Bürgermeister Her- mein Engagement für die »Gütersloher Dekorationsabteilung Plakate und Ein- bert Strothmann begrüßt wurden. Am Kinderhilfe Tschernobyl.« Lew Kope- trittskarten drucken, ließ Hausdurch- darauf folgenden Tag organisierte ich lew dankte mir am 1. Dezember 1991 sagen bei HERTIE machen und gab Auftritte kleiner Ensembles in den Ver- mit einer Widmung in seinem Buch den drei regionalen Tageszeitungen ei- kaufsräumen des Kaufhauses HERTIE. »Zeitgenossen – Meister – Freunde«. nen Pressetext. Aber vorher waren auch Das bereitete vielen Menschen große noch Gastgeber für 40 Jugendliche, Freude und mir besonders. Das nächste Schlüsselerlebnis war, als für den Direktor und den Dirigenten Günter Polt mich im Mitte April 1991 und für zwei Busfahrer zu fi nden. Die- Aus dieser ersten Begegnung mit der anrief und sagte, dass ein Jugendorche- se Suche dauerte nur zwei Tage, denn Leitung des Musiklyzeums entstanden ster aus Minsk an einem Dienstag über diejenigen, die im Juli die Kinder aus in den Folgejahren viele Konzerte, die Gütersloh in die Heimat fahren werde. Minsk aufnehmen wollten, brachten zum Programm des Forums gehörten. Da deren Visum erst am darauf folgen- zum größten Teil auch die Gäste des Die größte Veranstaltung gab es am den Freitag abliefe, könne das Orche- Minsker Orchester unter. 26. September 1996 mit dem Orchester ster also für drei Tage in Gütersloh Sta- und einem Ensemble der Staatlichen tion machen und ein Konzert geben. Am Tag der Ankunft standen vor der Ballettakademie Minsk. Ich dachte, Herr Polt wolle nur einen Stadthalle, dem Treff punkt für die Rat haben. Deshalb sagte ich ihm, er Übernahme der Gäste, Günter Polt, Und schließlich war mein 3. Schlüssel- möge sich an den Geschäftsführer der Direktor Wladimir Kusmenko und Di- erlebnis im Frühsommer 1991 der Be- Stadthalle wenden oder an den Leiter rigent Wladimir Perlin vom Minsker such von Künstlern aus St. Petersburg. des Kulturamtes oder an den Vorsitzen- Musiklyzeum, ein junger Mann und den des Verkehrsvereins oder vielleicht ich zusammen. Ich fragte Herrn Polt: Im HERTIE-Haus erschienen drei Da- - weil es sich um ein Jugendorchester »Was haben Sie denn mit dem Or- men und fragten, ob sich die Künstler handelte - an den Leiter des Jugend- chester zu tun? Sie kennen ja zu jeder aus St. Petersburg täglich mittags im amtes. Herr Polt antwortete mir, dass Zeit das Programm.« Herr Polt legte Restaurant treff en könnten und ob diese er mit diesen Herren schon Kontakt die Hand auf die Schulter des jungen Gäste vielleicht das Mittagessen zu ei-

10 nem günstigen Preis bekämen. Das er- sehr gut kennen. Von ihrer Einstellung Das Ereignis führte später übrigens zur möglichte ich. war ich begeistert, und ich fühlte ihre Gründung des Vereins »Forum Russi- Freude an den Begegnungen mit Deut- sche Kultur Gütersloh«. Am 8. Novem- Initiatoren für den Besuch der Künstler- schen. In Gütersloh gab es die ersten ber 1991 wurde der Verein eingetragen. gruppe aus St. Petersburg waren auf »Russischen Kulturtage« mit vielen Und es kam in Gang, wozu Lew Kope- russischer Seite Professorin Olga Min- Aktivitäten. Es traten Puppenspieler, lew aufgerufen hatte: ›Schaff en Sie viele kina und auf deutscher Seite der Gü- Maler, Sänger und Pianisten auf. Die Kontakte zwischen deutschen und rus- tersloher Organist Andreas Liebig. Resonanz auf diesen Besuch aus St. Pe- sischen Bürgern, denn diese Kontakte tersburg war einfach großartig. zwingen die Regierungen zur Zusam- Ich war jeden Mittag im Restaurant menarbeit.‹« und lernte die russischen Menschen

Zeitungsbericht am 26. April 1991 in »Die Glocke«

11 Es gibt viele Organisationen und Initiativen in Deutschland, die »Russische Kultur« vermitteln möchten. Aber sehr oft bleibt es bei kurzlebigen Kontakten, weil es entweder an der erforderlichen Nachhaltigkeit der Aktivitäten oder am Mut zu fi nanziellen Vor- leistungen mangelt. Um viele solcher mehr oder weniger zufälli- gen kulturellen Ereignisse zu präsentieren, reichen erfahrungsge- mäß Kontakte nicht aus. Vielmehr müssen daraus Beziehungen entwickelt werden, die beiden beteiligten Seiten auf Dauer Vor- teile bringen, also für beide Parteien ein gegenseitiges Geben und Nehmen bedeuten. UNSERE BEZIEHUNGEN

Nach dem Motto »Beim Forum kom- mer dichteres Netzwerk von Synergien Manche Auftritte waren durchaus gran- men erst die Beziehungen und dann entstanden. Die außergewöhnliche dios und wichtig für die Entwicklung die Veranstaltungen« hat Franz Kiesl Entwicklung des Vereins ist im We- eines Veranstaltungsspektrums. Aber mit langem Atem entscheidend dazu sentlichen auf diese Strategie zurück- es gab auch Kontakte, bei denen es aus beigetragen, aus ungezählten Kontak- zuführen. Die Pfl ege und den weiteren verschiedenen Gründen zu keiner län- Nten, die selbstverständlich nicht alle Ausbau von Beziehungen kann man geren Zusammenarbeit kam. Auch über gleich ergiebig waren, eine Reihe von daher zweifellos als einen wesentlichen Gruppen, zu denen heute keine Bezie- stabilen Beziehungen aufzubauen, die Grundstein, ja sogar als Markenzei- hungen mehr bestehen, wird an anderer sich inzwischen zu tragfähigen Pfeilern chen des Forums, ansehen. Stelle berichtet. der »Brücke zwischen Deutschen und Russen« entwickelt haben. Durch ge- Am Anfang stand natürlich auch beim schicktes Verknüpfen der entstandenen Forum die Suche nach Künstlergrup- Beziehungen ist darüber hinaus ein im- pen für interessante Veranstaltungen.

13 Die Stiftung rechtzeitige Lieferung war zwar fraglich, und so bestand die Hoffnung, dass die- se Ausgabe vielleicht doch noch hätte abgewendet werden können. Aber das »Neue Namen« Instrument kam pünktlich, und Man­ fred Ligensa, Inhaber des gleichnami- gen Musikhauses und Mitglied des Fo- rums, brachte es am 18. Oktober mit zum Konzert in die Stadthalle. Fazit: ine Beziehung des Forums überragt in ihrer Bedeutung alle anderen. Am 31.12.1998 hatte das Forum fast Sie ist vergleichbar mit dem Stamm eines Baumes, dem viele Äste ge­ 5.000 DM Minus auf dem Veranstal- E wachsen sind. Tamara Meschocha hat diesen Baum mit dem Namen tungskonto, obwohl die Stadt für dieses »Stiftung Neue Namen in Moskau« gepflanzt. Projekt 3.725 DM Zuschuss gegeben hatte. Denn damals galt die Regelung: Die Hälfte der Unterdeckung trägt die Stadt Gütersloh. So nebenbei: Das Bei- Das kam so: Der im November 1993 und war als »Pfadfinderin« die richtige tragsaufkommen des Vereins betrug gewählte Vorstand organisierte eine Person. Die beiden berichteten dem 1998 ganze 3.340,00 DM. Wie wäre bei »Russische Kulturwoche« vom 8. bis Vorstand des Forums über das Erlebte diesen finanziellen Verhältnissen wohl 18. September 1994. Zum Besuch und darüber, welche Erwartungen die die Entscheidung zu einem weiteren der Veranstaltung »Gitarrenmusik und Gäste haben würden. Besuch der »Neuen Namen« gefallen, russische Küche« erging eine Einla- wenn sie allein mit dem Verstand ge- dung an die Botschaft der Russischen Danach stand fest: Das Forum lädt troffen worden wäre? Und wie hätte Föderation, die ihren Sitz damals noch die »Neuen Namen« für die Zeit vom sich das Forum wohl weiter entwickelt, in Bonn-Bad Godesberg hatte. Tama- 17. bis 23. Oktober 1998 ein. Es ka- wenn nach dem ersten Besuch der ra Meschocha, Kulturattachée, kam men siebzehn junge Künstlerinnen und »Neuen Namen« nicht der zweite und dieser Einladung nach. Für Franz Künstler zusammen mit Iwetta Wo- folgende gekommen wären? Kiesl wurde es die erste, denkwürdige ronowa sowie fünf Pädagoginnen und Begegnung mit einem russischen Di- Pädagogen nach Gütersloh. Sie wurden Vom Konzert, für das die damalige Lan- plomaten.1996 meldete sich Tamara von Galina Abdeeva, der Gattin des da- desministerin für Kultur, Ilse Brusis, die Meschocha bei ihm mit der Informa- maligen stellvertretenden Außenmini- Schirmherrschaft übernommen hatte, tion, dass sie wieder im Moskauer Au- sters und heutigen Kulturministers, als drehte der Amateurfilmkreis Gütersloh ßenministerium tätig sei und dass eine Übersetzerin begleitet. Die Unterbrin- einen Videofilm auch mit einer Fassung Freundin von ihr, die junge Musiker gung in Gütersloher Gastgeber­familien in russischer Sprache, die nach Moskau fördert, gern mit einigen Kindern und war ein voller Erfolg. Die Gäste hatten ging. In Moskau berichteten mehrere Jugendlichen zu einem Konzert nach in gleicher Weise ihre Freude an ihren Medien über diesen ersten Besuch der Gütersloh kommen möchte. Gastgebern wie die Gastgeber an ih- »Neuen Namen« beim Forum Russische ren Gästen, so dass eine völlig gelöste Kultur in Gütersloh. Sergej Krylow, Bot- Das war natürlich ein reizvolles An- ­Atmosphäre herrschte. Außer im Kon- schafter der Russischen Föderation, be- gebot, aber ein Projekt von bis dahin zert in Gütersloh traten die »Neuen dankte sich in einem Brief beim Forum nicht gekannter Dimension. Immer- Namen« auch in Löhne und in Gescher für die Organisation der Konzertreise. hin war jetzt außer der Adresse der auf. Abschließend gastierten sie in der Die WELT am SONNTAG veröffent- Stiftung »Neue Namen« bekannt, dass Russischen Botschaft in Bonn-Bad Go- lichte am 18. Oktober einen Bericht Iwetta Woronowa die Gründerin und desberg und bei Bayer in Leverkusen. unter der Überschrift »Rußlands ›beste Präsidentin war. Es gingen Faxe zwi- Saiten‹ treten in Gütersloh auf.« Im Rah- schen Gütersloh und Moskau hin und Der Besuch des Konzerts in Gütersloh men einer Feierstunde in Moskau wurde her, um nach und nach Näheres zu er- im großen Saal der Stadthalle an einem dem jungen Cellisten Aleksej Drondin fahren. Aber es blieben für Franz Kiesl Tag mit herrlichem Sommerwetter war am 27. November das »Cello Gütersloh« viele Fragen offen, besonders: Welche mäßig. Das trübte die Freude wegen übergeben. Ansprüche stellen die Präsidentin, die der absehbaren finanziellen Unterde­ begleitenden Pädagogen und die jun- ckung. Während des Aufenthalts der Bei diesem ersten Besuch der »Neuen gen Künstler? Und: Wie hoch sind die »Neuen Namen« gab es in der Stad­t­ Namen« in Gütersloh war Elfie Wör- Kosten für einen Besuch in Gütersloh? halle eine Ausstellung über das Kinder- ner, die Witwe des früheren NATO- Szenenwechsel: Iwetta Woronowa kam krankenhaus in Perm, das WDR-­ Generalsekretärs Manfred Wörner, aus Franz Kiesl zuvor. Er wurde von ihr für Intendant Fritz Pleitgen unterstützte. München angereist, um ihre Freundin Juli 1998 zum Besuch der Sommer- Vom Eintrittspreis gingen absprachge- Iwetta Woronowa zu treffen. Da Elfie schule der Stiftung nach Susdal in der mäß 5,00 DM als Benefizanteil an das Wörner auch eine Freundschaft mit Liz Nähe von Moskau eingeladen, reichte Permer Kinderkrankenhaus. Und dann Mohn verband, besuchte sie zusammen die Einladung aber weiter an das Ehe- kam noch etwas hinzu: Das Forum mit Iwetta Woronowa Frau Mohn in paar Swetlana und Burkhard Hoeltzen- hatte einem jungen Cellisten ein neues der Bertelsmann Stiftung. Im Laufe des bein. Swetlana Hoeltzenbein ist Russin Cello für 5.200 DM versprochen. Die Gesprächs trug Liz Mohn Iwetta Woro-

14 nowa an, für den Wettbewerb »Neue Im Sommer 2001 kam Franz Kiesl Stimmen« die Vorauswahl der russi- einer Einladung zur Sommerschu- schen Bewerberinnen und Bewerber in le der »Neuen Namen« in Susdal Moskau zu organisieren. Das geschieht nach, dieses Mal zusammen mit seit 1999. In jenem Jahr kam Iwet- seiner Frau. Er nahm an einigen ta Woronowa auf Einladung von Liz Gesprächsrunden teil, erlebte Mohn zum Finale der »Neuen Stim- hochklassige Konzerte und hat- men« am 9. Oktober in die Güterslo- te interessante Kontakte zu den her Stadthalle. Sie traf sich am Vortag Pädagogen. An einem sonnigen mit Kulturattachée Natalia Ermolenko Morgen hätte sich Franz Kiesl, von der Russischen Botschaft zu einem beeindruckt von der großartigen Pressegespräch in der Stadtbibliothek, Atmosphäre, zu der der Umgang bei dem die Auftritte der »Neuen Na- der Schüler miteinander, die Art men« in Berlin zur Eröff nung der Rus- der Begegnungen der Pädago- sischen Botschaft und beim Festival gen untereinander sowie das »Berliner Winter« erörtert wurden. ungezwungene Verhältnis zwi- schen den Schülern und den Die große Aufmerksamkeit der Öf- Pädagogen in gleicher Weise fentlichkeit, die ihr Auftritt in 1998 beitrugen, gewünscht, »dass hervorgerufen hatte, war Motiv viele Deutsche diese Welt hät- genug, die »Neuen Namen« auch ten sehen und fühlen können, für 1999 einzuladen. Im Novem- um ihrem Russland-Bild einen ber gaben sie ihr zweites Konzert in wichtigen Mosaikstein hinzufügen zu Gütersloh. Auch in 2000 waren sie können«. wieder in Gütersloh zu Gast. Zum Sein 10-jähriges Bestehen feierte das Frau Dr. Karin Zinkann die Schirm- Konzert am 27. September über- Forum 2001 am 2. September im Fo- herrschaft übernommen hatte. Ein Be- brachte die Besuchergruppe unter yer der Sparkasse Gütersloh. Über die- nefi zanteil an den Eintrittsgeldern ging Leitung von Iwetta Woronowa, der se Feier wird später berichtet, doch an wiederum an die Burdenko-Klinik in auch der stellvertretende Kulturmini- dieser Stelle muss das außergewöhn- Moskau. ster Anatolj Rackajev angehörte, der liche Geschenk erwähnt werden, das Stadt Gütersloh Grüße und Glück- Iwetta Woronowa überbrachte. Es 2003 wirkten die »Neuen Namen« wünsche zum 175-jährigen Stadt- bestand aus einer Einladung von zehn bei der »Russischen Kulturwoche« der jubiläum. Zu den Höhepunkten des Kindern und Jugendlichen zur Teilnah- Stadt Gütersloh sehr engagiert mit. Ein Programms gehörte der Gesang der me an Meisterkursen im Sommer 2002 Team des zentralen russischen Fernse- Sopranistin Anna Samuil und des in Susdal. Das führte natürlich zu einer hens aus Moskau hielt eine Woche lang Bassisten Wladimir Bajkow. Beide ganz besonderen Aktion, auf die in ei- das Geschehen in Gütersloh in Bild nahmen ein paar Wochen später an nem eigenen Kapitel eingegangen wird. und Ton fest und berichtete darüber Meisterkursen der Bertelsmann Stif- Die deutschen Teilnehmer an diesen im überregionalen 1. Programm. tung in Gütersloh teil. Der Benefi z- Kursen in SusdaI gaben dann im No- anteil an diesem Konzert ging an die vember gemeinsam mit Musikerinnen 2004 war das Jahr des Beginns der Zu- Moskauer Burdenko-Klinik. und Musikern der Stiftung »Neue Na- sammenarbeit der »Neuen Namen« men« unter Leitung von Malte Stein- mit den »Jungen Sinfonikern« aus siek in Gütersloh ein Konzert, für das Ostwestfalen. Fritz Th oben, der an der Forum-Reise nach Chanty Mansijsk teilgenommen hatte, berichtete Prof. Dr. Ulrich Junge, Präsident der »Jun- gen Sinfoniker«, vom großartigen Kön- nen des russischen Musikernachwuch- ses. Gespräche mit Franz Kiesl führten schließlich zu dem Ergebnis, dass junge Musikerinnen und Musiker aus Russland und Deutschland zum ersten Mal am 21. November unter Leitung des Dirigenten Steff en Leißner im ex- quisiten Ambiente der Mercedes-Benz- Niederlassung in Bielefeld gemeinsam in einem Konzert auftraten.

Anastasia Prokofjeva und Sergej Romankowski begeisterten das Publikum – hier beim Konzert in Harsewinkel-Greffen

15 mitzunehmen. Einer der Gäste, Hans- Josef Leewe, sprach einen Herrn am Nebentisch an: »Kann es sein, dass ich sie schon im Fernsehen gesehen habe?«. »Ja«, war die Antwort. Es war Professor Abdulkhan Achtamsjan von der MGI- MO-Universität in Moskau, der rus- sischen »Diplomaten-Schmiede«. Aus dieser Begegnung ergab sich, dass der Co-Vorsitzende der »Liga für Russisch- Deutsche Freundschaft« in Moskau für den Forum-Report 2008 einen sehr interessanten Bericht schrieb, und zwar unter dem Titel »Die kulturelle Koexi- stenz Russlands und Deutschlands ist notwendig«. Professor Akhtamsjan lud die Forum-Reisegruppe 2007 zu einem Besuch in die MGIMO-Universität ein. So kann Franz Kiesl jetzt jedem russi- Ein gemeinsames Konzert der »Jungen Sinfoniker« mit den »Neuen Namen« in der Mercedes-Benz- schen Diplomaten sagen: »Die Univer- Niederlassung in Bielefeld sität, an der Sie studiert haben, habe ich auch schon mal auf Einladung von Pro- fessor Achtamsjan besucht« Und man Bereits am 17. November waren die Am 22. Oktober 2006 beging das Fo- kann sicher sein: Alle Diplomaten jün- »Neuen Namen« im großen Saal der rum wiederum im Foyer der Sparkasse geren Jahrgangs sagen dann: »Das war Gütersloher Stadthalle in einem Kon- mit über 200 Gästen die Feier seines mein Lehrer.« zert aufgetreten, das die »Jungen Sinfo- 15 jährigen Bestehens, die am Abend nikern« musikalisch mit dem »Großen mit einem Konzert der »Neuen Na- Die Beziehung zur »Stiftung Neue Na- Tor von Kiew« eindrucksvoll eröffnet men« mit 15 jungen Talenten und dem men« besteht natürlich nicht zu der hatten. Die »Neuen Namen« folgten umjubelten Sängerpaar Anastasia Pro- Institution, sondern zu den Menschen, dann der Einladung des Generalkon- kofjeva und Sergej Romankowski vor die dort wirken. Die Präsidentin Iwetta suls Dr. Georgij Gerodes zu einem etwa 800 Besuchern fortgesetzt wurde. Woronowa ist in ihrer stets zielgerichte- Konzert im Generalkonsulat in Bonn- ten Arbeitsweise eine äußerst kreative Bad Godesberg und reisten anschlie- Aus Anlass des zehnten Besuchs der und kommunikative Persönlichkeit. ßend weiter nach München zu einem »Neuen Namen« in Gütersloh fand Margarita Epifanowa, die Auslands­ Benefizkonzert zu Gunsten der »Alten- 2007 ein feierliches Konzert statt, dem expertin der »Neuen Namen«, hat sich pflege Moskau e. V.« ein Empfang in der Volksbank Gü- über all die Jahre durch ihre Zuverläs- tersloh vorausgegangen war. Im Juli sigkeit und Hilfsbereitschaft gegenüber Das Gemeinschaftsprojekt der »Jungen war Franz Kiesl zum dritten Mal zu dem Forum ausgezeichnet. Alle, die Sinfoniker« mit den »Neuen Namen« Besuch in der Sommerschule in Sus- mit ihr zusammenarbeiten, tun das wurde um die Zusammenarbeit mit dal, wo er als Ehrengast an zahlreichen gern und sind voll des Lobes. Tatjana dem Moskauer Musiklyzeum »Frederic Veranstaltungen teilnahm. Bei diesem Avdjunina, stellvertretende Präsidentin, Chopin« erweitert und auf einer Reise Aufenthalt begegnete er der damals vermittelt mit ihrem freundlichen We- vom 11. bis 18. Februar 2005 weiter 14 jährigen Liza Dorogova aus Wol- sen eine Atmosphäre des Wohlgefühls entwickelt mit dem Erfolg, dass auf gograd, die an den Meisterkursen für innerhalb der Gemeinschaft. Nicht zu der Weltausstellung in Hannover am Malerei teilnahm. Diese Begegnung vergessen ist Direktor Viktor Majew- 11. April 2005 ein gemeinsames En- eröffnete der jungen Malerin Perspekti- ski, ein hervorragender Organisator, der semble aus den »Neuen Namen« und ven, die sogar weit über die Gegenwart beim Umgang mit den jungen Talenten den »Jungen Sinfonikern« den Rund- hinausgehen. Näheres über diese un- die Umsicht in Person ist. gang von Kanzler Gerhard Schröder gewöhnliche Geschichte ist an anderer und Präsident Wladimir Putin im Rus- Stelle nachzulesen. Ein ganz besonderer Dank gilt Iwetta sischen Pavillon musikalisch begleitete. Woronowa für die Vermittlung von Be- Und im gleichen Jahr reisten 21 »Junge 2007 hatten die »Neuen Namen« Ge- gegnungen mit vielen wichtigen Persön- Sinfoniker« nach Moskau, um mit dem legenheit, in der Russischen Botschaft lichkeiten. Damit hat sie einen gar nicht Orchester des Moskauer Musiklyzeums in Berlin ein Konzert zu geben. Durch hoch genug einzuschätzenden Anteil an »Frederic Chopin« in zwei Konzerten die gute Beziehung zu Iwetta Wo- der positiven Entwicklung weiterer Be- des vor 60 Jahren beendeten Zweiten ronowa war es Franz Kiesl möglich, ziehungen des Forums, besonders in der Weltkriegs zu gedenken. sechs Gäste zu dieser Veranstaltung nicht ganz einfachen Anfangsphase.

16 Maestro Wladimir Spivakov

enn man irgendwo in Russland erzählt, dass Wladimir Spivakov mit der »Russischen Nationalphilharmonie« in Gütersloh mit einem Kon- Wzert gastiert hat, wird man entweder ungläubig angesehen, oder es wird nachgefragt: »In Gütersloh?«.In Russland kennt fast jedes Kind Wladimir Spivakov! Deshalb schätzt sich das Forum glücklich, den großen Maestro seit Oktober 2007 sein Ehrenmitglied nennen zu dürfen.

Wie sehr ein Konzert der »Russischen erlebte auf der ersten Irkutsk-Reise Nationalphilharmonie« unter seiner im September 2004 im Rahmen des Leitung geschätzt wird, belegen die »Festivals der Sterne am Baikal« ein Aussagen von Natalie Petrovskaja und Konzert mit dem Orchester »Moskauer Swetlana Krassosvkaja, dass die Ein- Virtuosen«, das Spivakov nicht nur di- trittspreise in Russland oder Weißruss­ rigierte, sondern auch mit seiner Brat- land etwa dreimal so hoch sind wie in sche begleitete. Er war fasziniert von für die Vermittlung von Künstlern, Or- Gütersloh. Natalie hat lange überlegt, der Ausstrahlung dieses Musikers, der chestern und Chören betreibt. Er setzte ob sie sich bei dem hohen Eintritts- bis dahin für ihn ein fast Unbekannter sich mit Medwedew in Verbindung und preis in ihrer Heimat den Konzertbe- gewesen war. Auf dem Rückflug fand berichtete, was er von Spivakov gesehen, such erlauben solle – und kam dann zu er in einer AEROFLOT-Broschüre ei- gehört und gelesen hatte. Um seine Ge- dem Entschluss, halt mal einen Monat nen Bericht über Spivakov. Er nahm fühle mit Worten zu beschreiben, sagte lang kein Fleisch zu essen, um das Kon- die Seiten mit und ließ sie von Swet- er: »Spivakov braucht kein Orchester, er zert zu erleben. Swetlana schrieb, dass lana Hoeltzenbein übersetzen. Es war braucht auch seine Bratsche nicht, es der Konzertbesuch in Minsk eine hal- ein Interview aus Anlass seines 60. Ge- reicht, wenn er auf die Bühne kommt.« be Monatsrente gekostet habe, sie sich burtstags. Der Text offenbarte die Per- aber das Erlebnis gegönnt habe. Die sönlichkeit dieses großen Mannes, des- 2005 teilte Medwedew mit, dass er Konzerte mit Spivakov sind in Russ­ sen Einstellung zum Leben wohl allen, für Spivakov und die »Russische Na- land und den GUS-Staaten stets aus- die ihn kennenlernen, großen Respekt tionalphilharmonie« eine Tournee in verkauft. abverlangt, ganz besonders wegen sei- Deutschland, Österreich und der ner vielfältigen großzügigen Aktivitä- Schweiz zusammenstelle. Er wolle ver- Im Dezember 2011 kommt die »Rus- ten zugunsten von Menschen, die Hilfe suchen, Spivakov auch nach Gütersloh sische Nationalphilharmonie« mit ih- nötig haben. zu bekommen. rem berühmten Dirigenten nun bereits zum dritten Mal nach Gütersloh. Franz Kiesl kennt Michail Medwedew, Das war, so Franz Kiesl, für das Fo- Wie ist die Beziehung zum Wladimir einen früheren Moskauer Pianisten, rum mehr als eine Nummer zu groß. Spivakov entstanden? – Franz Kiesl der jetzt in Hofgeismar eine Agentur Er verwies Medwedew an Klaus Klein, den Leiter des Kulturamts der Stadt Gütersloh. Der Preis für das Orchester und den damals schon sehr bekannten Pianisten Nikolai Tokarew hätte eine unüberwindbare Hürde werden kön- nen. Die räumte Franz Kiesl aus dem Weg mit der Zusage des Forums, sich mit 3.000 € an der Gage zu beteiligen. Das Geld war zu diesem Zeitpunkt zwar nicht vorhanden, es bestand aber die Hoffnung, noch eine Quelle zu finden.

Das Konzert stand dann im Oktober 2007 als »Meisterkonzert« auf dem Plan der Stadt Gütersloh. Für das Forum war es eine Ehrensache, dass jeder Platz im

So sah es am 30. Oktober 2007 im Foyer der Stadthalle aus

17 Saal verkauft würde. Um sicher zu ge- hen, wurden 342 Eintrittskarten vom Forum gekauft, die durch intensive Werbung kurzfristig vergeben waren, so dass vier Wochen vor dem Konzert keine Karte mehr zu bekommen war. Für Spivakov war das sicher ein ange- nehmes Bild, für die Konzertbesucher eine Überraschung, für das Kulturamt der Stadt eine gute Einnahme und für Franz Kiesl eine Genugtuung.

Das Forum organisierte nach dem Konzert für Spivakov und Tokarev einen Empfang, an dem die Bürger- meisterin und etwa 80 weitere Gäste teilnahmen. Franz Kiesl trug Spivakov die Ehrenmitgliedschaft des Forums an, und der nahm diese ohne Zögern an. Beim Empfang am 27. Februar 2010: Wladimir Spivakov, Nikolai Tokarev, Bürgermeisterin Maria Unger Es war der Abschluss eines unvergess­ und Franz Kiesl lichen Abends. gewesen war – er war frühmorgens in lente der Spivakov-Stiftung nach Gü- Im Februar 2010 fand das zweite Kon- Moskau abgeflogen und hatte das Kon- tersloh eingeladen würden. zert mit der »Russischen Nationalphil­ zert dirigiert –, nahm er an dem Emp- Das dritte Konzert der Russischen Na- harmonie« unter Leitung von Wladi- fang nach dem Konzert teil. Er berich- tionalphilharmonie am 1. Dezember mir Spivakov statt. Dieses Mal war der tete ausführlich in deutscher Sprache 2011 im großen Saal der Gütersloher Saal noch schneller ausverkauft. Die über seine Stiftung und darüber, wel- Stadthalle war durch die Unterstüt- Nachfrage bei den Vorverkaufsstellen chem Zweck sie diene. zung des Forums zwei Wochen vorher war von Beginn an so groß, dass nur ausverkauft. Maestro Wladimir Spi- noch 245 Eintrittskarten über das Fo- Unter dem Beifall aller Anwesenden rakov bedankt sich beim Publikum in rum zu verkaufen waren. Obwohl es verkündete Franz Kiesl anschließend deutscher Sprache für die Zuneigung, für Spivakov ein sehr, sehr langer Tag dass für das Frühjahr 2011 junge Ta- die er spürte.

Die ährend der Moskau-Reise im Oktober 2010 besuchte Franz Kiesl die Spi- Wvakov-Stiftung, um mit der Direktorin Ekaterina Shirman den Rahmen für einen Besuch junger Künstler im März 2011 abzustecken. Irina Chetveriko- Spivakov- va, die mit nach Gütersloh kommen sollte, fungierte als Übersetzerin. Für die geplanten Konzerte in Gütersloh, Bielefeld und Bochum wurden zwei Pianis­ Stiftung tinnen, eine Geigerin, eine Bajan-Spieler und eine Flötistin ausgewählt.

Franz Kiesl war überrascht zu erfahren, stinnen Susanna Rudanowskaja und Eintrittsgelder, bat aber die Besucher über welch weitreichende Beziehungen Julia Vanjuschina, die 14-jährige Gei- um eine Spende für die »Spivakov- die Spivakov-Stiftung verfügt, die seit gerin Sophia Fedotova, die ebenfalls Stiftung«. ihrer Gründung 1994 rund 10.000 14-jährige Flötistin Ksena Arsjanova Nachwuchskünstler gefördert hat. Sie und der 22 Jahre alte Bajanspieler Die jungen Musiker besuchten die wird bei ihren Aktivitäten begleitet Iosif Purits. Sie alle waren in Wettbe- Bahnhofsschule in Bielefeld-Senne, durch die »Russische Welt«-Stiftung, werben mehrfach ausgezeichnet wor- die Pius-Schule in Wiedenbrück und die es sich zur Aufgabe gemacht hat, den und stellten in der Studio-Bühne die Grundschule Gütersloh-Isselhorst, weltweit Projekte zur Verbreitung der und im großen Saal des Theaters in stellten sich und ihre Instrumente vor russischen Sprache, Kultur und Wis- unterschiedlichen Programmen über- und gaben Konzerte. senschaft für eine bessere internatio- wiegend klassische europäische Werke nalen Zusammenarbeit und für die von Antonio Vivaldi bis Sergej Rach- Die Spivakov-Stiftung widmet sich Schaffung zusätzlicher eigener Ent- maninov vor. Allerdings fehlten die aber nicht nur der Förderung von wicklungsimpulse zu unterstützen. Da- beliebten folkloristischen Einlagen Musikern. Es war der Wunsch von bei werden alle gesellschaftlich relevan- nicht ganz. Als ein Geschenk zum Wladimir Spivakov, dass sich während ten Gruppen Russlands einbezogen. zwanzigjährigen Bestehen des Forums des Aufenthalts der musikalischen Ta- übernahm Vladimir Spivakov die Rei- lente auch eine junge Malerin mit ih- Nach Deutschland kamen im März sekosten für die Musiker. Das Forum ren Werken in Gütersloh präsentieren 2011 die 15 und 16 Jahre alten Piani- verzichtete für die Konzerte daher auf könnte. Die 13-jährige Maria Kono-

18 nova hatte an zwei Tagen Gelegenheit, einen Teil ihrer zahlreichen mitge- brachten Bilder im Foyer des Theaters auszustellen. Danach gab eine Ausstel- lung im Elisabeth-Hospital einen Mo- nat lang einen Einblick in das Schaffen der jungen Künstlerin.

Dem Elisabeth-Hospital machte Maria ein außergewöhnliches Geschenk: Sie malte ein großformatiges Märchenbild, das aus zehn Einzelmotiven besteht. An dem Gesamtwerk arbeiteten Schülerin- nen und Schüler der Gütersloher Mal- schule »ARTige Kinder«, die von Swet- lana Samsonowa geleitet wird, und der Grundschule Isselhorst mit. 30 % des Erlöses der verkauften Bilder spendete Maria dem Elisabeth-Hospital für die Kinder-Abteilung. Irina Chetverikova, Franz Kiesl und Ekaterina Shirman­ in der Spivakov-Stiftung

Bereits mit drei Jahren begann Maria aus eigenem Antrieb zu malen. Spon- tan nahm sie Stifte und Papier in die Hand und fing an, Hunde, Pferde und Katzen zu zeichnen. Ihr Talent wurde schnell offenbar, und bereits im Kin- dergarten standen die Kinder Schlange, um von Maria ihre Lieblingstiere zeich- nen zu lassen. Schon bald entdeckte Maria die Farben für ihre Lieblingsbe- schäftigung. Sie begann mit Blumen- und Landschaftsaquarellen und bereits mit fünf Jahren probierte sie verschie- dene Techniken aus, so dass ihr Spek- trum immer weiter wuchs. Beim Expe- rimentieren mit Pastellen, Filzstiften, Buntstiften und Naturfarben benutz- te sie verschiedene Texturen wie Papier, Textilien und schließlich Leinwand. Illustrationen in diversen Druckwer- ken wie Wandkalender und Postkar- Die jungen Musikerinnen und der Bajanspieler bekamen großen Applaus ten sind inzwischen in tausenden von Exemplaren weltweit verkauft worden. Ihre Cover-Illustrationen schmücken fünf Bücher ihres Großvaters, des Arz- tes und Schriftstellers Wladimir Nai- din.

Maria hatte bereits Einzelausstellungen in Brüssel, London, Paris und Mos- kau. Viele ihrer Werke finden sich in privaten Sammlungen auf der ganzen Welt. Die junge Künstlerin nimmt ak- tiv an Wohltätigkeitsveranstaltungen mit Ausstellungen und Auktionen zu- gunsten von Waisenhäusern teil.

2007 hat Maria eine Kollektion von Kinderkleidung kreiert, für die sie die Skizzen von 30 Kleidern und Anzügen Olga Mantovanelli, Direktor Dr. Pantenburg, Malerin Maria Kononova, Swetlana Samsonowa für Jungen und Mädchen in ihrem Al- und Franz Kiesl bei der Übergabe des Bildes an das Elisabeth-Hospital

19 ter mit der Auswahl der Materialien verbunden. Ihre Eltern und ihr jünge- kreative Inspiration. Nach dem ver- und des Zubehörs entworfen hat. Aus rer Bruder Leo unterstützen Maria in heißungsvollen Beginn der Beziehung diesen Zeichnungen entstanden tat- ihren kreativen Ideen. Wo immer sie zur Spivakov-Stiftung wird das Pro- sächlich Kleider und wurden bei einer unterwegs ist, nimmt Maria ihre Ein- gramm für Besuche der geförderten Modenschau im April 2008 präsentiert. drücke auf und gibt sie auf Leinwand Kinder und Jugendlichen natürlich Das »Alef Magazin« begrüßte Maria wieder. Marias Werke »reifen« von fortgesetzt, voraussichtlich bereits im damals als »Jüngste Modedesignerin der Tag zu Tag, und die Zahl wächst – ein März 2012. Welt«. Maria ist sehr mit ihrer Familie klares Zeichen für eine permanente

Das » Symphony Orchestra« unter Leitung von Arcady Berin begeisterte am 2. November sein Publikum im vollbesetzten Saal der Gütersloher Stadthalle.

Arcady und Maxim Berin

ie kommt das »Moscow Symphony Orchestra« nach Gütersloh? gründet, erfährt es nun Unterstützung Die Beziehung zu Arcady Berin, dem angesehenen russischen durch die Stadt Moskau und Sponso- WDirigenten, und seinem Sohn Maxim begann vor neun Jahren. ren aus der Wirtschaft und zählt heute Franz Kiesl lernte die beiden Musiker aus Minsk bei einem Kon- zu den ausgezeichneten und interna- zert im russischen Generalkonsulat in Bonn-Bad Godesberg kennen, tional erfolgreichen Klangkörpern der zu dem der damalige Generalkonsul Dr. Georg Gerodes eingeladen hatte. Stadt. Das Orchester trägt so zum Ruf Beim anschließenden Empfang hatte Kiesl Gelegenheit, mit Vater und Sohn Be- Moskaus als einer der bedeutendsten rin zu sprechen. Musikmetropolen bei.

Dortmund eine Künstleragentur unter- Sechs Konzerte gab das Orchester auf Dabei stellte sich heraus, dass sich die hält, bot dann im Frühsommer 2009 seiner Tournee im Jahr 2009, zum er- drei Herren schon 1996 in Minsk be- das Konzert seines Vaters mit dem sten Mal unter Leitung von Arcady Be- gegnet waren. Aus dem Zusammentref- »Moscow Symphony Orchestra« an, rin. Es stellte dabei auf einzigartige Wei- fen in Bonn entwickelte sich ein dau- das »ein Kind des neuen Russlands« ist. se unter Beweis, über welch großartige erhafter Kontakt. Maxim Berin, der in Als freies Orchester vor 20 Jahren ge- Tonfülle und welch feines Formgefühl,

20 Nach dem Konzert beim Empfang: Franz Kiesl, Konsul Oleg Markov, Bürgermeisterin Maria Unger, Maestro Arcady Berin, Pianist Alexander Ghindin

glänzende schöpferische Eigenständig- Für das Gütersloher Konzert, das am Vor dem Konzert begrüßte Konsul Oleg keit und technische Vollkommenheit 2. November 2009 im großen Saal der Markov vom Generalkonsulat in Bonn, die klassischen russischen Orchester Stadthalle stattfand, übernahm der der auf Einladung des Forums aus An- verfügen können. Dass neben den we- Botschafter der Russischen Föderati- lass des Konzerts eigens nach Gütersloh nigen großen Veranstaltungsorten auch on in Berlin, Vladimir Kotenev, die gekommen war, die Besucher und seine Gütersloh »bedacht« wurde, lag an der Schirmherrschaft. In seinem Grußwort Landsleute im Orchester. Er würdigte Beziehung zum Forum Russische Kul- zitierte er den deutschen Schriftsteller das Wirken des Forums, das es ermög- tur. Arcady Berin und sein Sohn reisten Berthold Auerbach: »Musik allein ist liche, einen solch hochklassigen Klang- vor dem Konzert nach Gütersloh, um die Weltsprache und braucht nicht über- körper auftreten zu lassen. in einem Pressegespräch das Orchester setzt zu werden«. Er schreibt weiter: und sein Programm vorzustellen. Die »Der musikalische Austausch zwischen Auftritte von Orchestern aus Russland Musikliebhaber der Region sollten um- unseren beiden Ländern gehört bekannt- in Gütersloh bedeuten für die Stadthal- fassende Informationen erhalten. lich zur guten Tradition der deutsch-rus- le ein volles Haus. Das liegt sicher zum sischen Kulturbeziehungen.« Teil am Programm, das die Dirigenten wählen, bestimmt auch an der großzü- gigen Besetzung der Ensembles und an Ehrenmitgliedschaft des Forums der Qualität der Interpretation. Man für Arcady Berin sollte aber nicht vergessen, dass das Fo- rum Russische Kultur jedes Mal kräf- tig die Werbetrommel rührt. So war es Nach dem Konzert gab das Forum in Anwesenheit von Bürgermeisterin Maria auch im November 2009. Unger, Konsul Oleg Markov und Dr. Reinhard Zinkann einen Empfang für Arcady Berin und Alexander Ghindin. Bürgermeisterin Maria Unger brach- Im Rahmen der Veranstaltung spielte te ihre Freude über das Konzert und den Besuch des Konsuls zum Ausdruck. der Pianist Alexander Ghindin u. a. das Dr. Reinhard Zinkann würdigte das Engagement des Forums für die Bereiche- »Konzert für Klavier und Orchester rung des Kulturlebens in Gütersloh. Nr. 1 b-Moll op. 23« von Peter Tschai- kowskij. Er erntete starken Applaus. Unter dem Applaus der achtzig Gäste nahm Dirigent Berin die ihm angetra- Alexander Ghindin und Franz Kiesl gene Ehrenmitgliedschaft des Forums freudig an. Berin wurde das dritte waren sich Jahre zuvor schon in Moskau Ehrenmitglied nach der Präsidentin der Stiftung »Neue Namen«, Iwetta Wo- begegnet. Dort war Ghindin Stipen- ronowa, und dem Dirigenten der Russischen Nationalphilharmonie, Wladimir diat der mit dem Forum befreundeten Spivakov. Stiftung »Neue Namen«. Beide konn- ten sich an das damalige Treff en gut erinnern.

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burg, die an der ersten St. Petersburg- Reise teilgenommen hatte, hatte im Kammerchor »Rossika« Sommer 2001 Gäste, unter ihnen auch Franz Kiesl. Natürlich wurde auch noch der St. Petersburger einmal über die gelungene Reise gespro- chen. Dabei erwähnte er, dass er den »Rossika-Chor« für 2002 einladen wer- Philharmonie de und noch passende Veranstaltungs- orte für Konzerte suche. Die Fürstin stellte über Pfarrer Josef Kemper einen Kontakt zu Frau Westhoff-Düppman Rossika« ist ein in Russland hoch angesehener Kammerchor aus St. Pe- und zu Frau Pavenstädt-Westhoff her, tersburg, 1976 gegründet und bis heute geleitet von Dr. Valentina Ko- in dessen Folge in der Laurentius-Kir- »pylova, stellte sich zum ersten Mal in Gütersloh am 16. Februar 1993 in che in Herzebrock-Clarholz ein Kon- der Aula des Evangelisch Stiftischen Gymnasiums vor und gab im gleichen Jahr zert stattfinden konnte. Es wurde eine im Rahmen der »Russischen Kulturwoche« sein zweites Konzert. Nach einer der am besten besuchten Veranstaltun- längeren Pause trat »Rossika« im Oktober 2000 vor zahlreichen Besuchern in gen. Nach dem Konzert fand ein fest­ der Liebfrauenkirche erstmals wieder auf. Bis zum Jahre 2001 kam der Chor liches Treffen im Restaurant der Familie auf Einladung des Organisten Christoph Ogawa-Müller aus Enger zu Auftritten Westhoff-Düppmann statt, zu dem die nach Ostwestfalen. Chormitglieder als Ehrengäste einge- laden waren. Weitere Konzerte gab es 2002 in der Heilig-Geist-Kirche in Bad Drei Wochen vor der ersten Forum- 2001 gab »Rossika« im Dezember noch Oeynhausen, in der Erlöserkirche in Gruppenreise nach St. Petersburg ein weiteres Konzert in der Gütersloher Detmold und in der Liebfrauenkirche im März 2001 besuchte der Chor Liebfrauenkirche. Die »Neue Westfäli- in Gütersloh. Insgesamt ein gelungenes ­Gütersloh wieder. Das Konzert in ­ sche« schrieb in ihrer Kritik: »Rossika erstes Jahr der Zusammenarbeit. der Evangelisch-Freikirchlichen Kirche – Chorgesang der feinsten Nuancen«. ließ sich keiner der Reiseteilnehmer Für die Chormitglieder mussten immer entgehen. Franz Kiesl erinnert sich: Die Konzertbesuche für den Chor in Gastgeber gefunden werden. Das war »Ich war vom Gesang der orthodoxen Deutsch­land organisiert ab dem Jahre nicht so leicht, denn durch die Anzahl Liturgie so sehr beeindruckt, dass ich 2002 regelmäßig das Forum. Seitdem der Konzerte mussten die Gäste nicht meine Gefühle den Konzertbesuchern erfolgen auch die Einladungen, die nur über einen relativ langen Zeitraum nur mit tränenerstickter Stimme zum dem Deutschen Generalkonsulat für untergebracht werden, sondern auch Ausdruck bringen konnte. Ich hatte die Visa-Erteilung vorgelegt werden von den Gastgebern zu den Veranstal- noch den Satz einer russlanddeutschen müssen, vom Forum. tungsorten gefahren werden. 2003 kam Frau in lebhafter Erinnerung, die nach Daraus erwuchs für Franz Kiesl die an- »Rossika« sogar zu neun Konzerten in einem der vorangegangenen Konzerte spruchsvolle Aufgabe, Möglichkeiten 11 Tagen in verschiedenen Kirchen und gesagt hatte: ›Mir kommen bei diesen für viele und lukrative Konzertauftrit- zur Begleitung eines russisch-orthodo- Gesängen die Tränen, weil ich traurig te zu finden. Ein gutes Omen: Gleich xen Gottesdienstes, eine echte Heraus- darüber bin, dass uns in der Sowjetzeit der erste Versuch war ein voller Erfolg: forderung für die Gastgeber. Der Chor diese wunderbaren Lieder vorenthalten ­Sissi, Fürstin zu Bentheim-Tecklen- hatte in diesem Jahr vorher bereits auf wurden.‹«

Die Reisegruppe stattete dann am 18. April dem »Rossika-Chor« zu einem Konzert in seinem Domizil, dem Pa- last der Fürstin Kotschenowa, einen Besuch ab, das alle aufs Neue begei- sterte. Anschließend wurden die Gä- ste zu einem Imbiss eingeladen. Auf allen folgenden zwölf St. Petersburg- Reisen waren die Reiseteilnehmer bis- her Gäste eines Konzerts des Chors. Es folgten jedes Mal interessante gemeinsame Stunden mit den Chor- mitgliedern, die die reichliche Aus- wahl an typisch russischen Speisen auf dem Buffet selbst zube­reitet hat- ten. Weil die meisten der Sängerinnen und Sänger Deutsch sprechen, gab es Der »Rossika-Chor« gibt für die schnell durch die lebhaften Gesprä- Forum-Reisegruppe ein Konzert che eine hervorragende Stimmung.

22 zert in Detmold zusammen mit dem hochklassigen Chor »Camerata Voca- le« In der Heilig-Kreuz-Kirche war der Besuch so zahlreich, dass zusätzliche Plätze geschaffen werden mussten. Die Mitglieder dieses Chors hatten alles, aber wirklich alles perfekt organisiert. Die Berichterstattung in der Lippischen Landeszeitung trug diesem großen Er- folg Rechnung. Beim anschließenden Beisammensein der Deutschen mit den Russen hielt die ausgezeichnete Atmo- sphäre des Konzerts an, die in der fühl- baren Sympathie für einander begrün- det war. Am Ende war es gar nicht so leicht, die »Rossika«-Chormitglieder für Für den Rossika-Chor war der Auftritt auf Gut Böckel ein unvergessliches Erlebnis die Rückfahrt nach Gütersloh in den Bus zu bekommen.

Danach wurde »Rossika« im 2-Jahres- Gut Böckel in Rödinghausen im Rah- der Kirche in Oelde-Lette. Nach dem rhythmus eingeladen. In 2008 kamen men des »Russischen Sommers« gesun- Konzert verbrachten die russischen Dr. Valentina Kopylova und neun Chor- gen, den Dr. Ernst Leffers seit Jahren Gäste und die Mitglieder des deut- mitglieder bei sechs Gastgebern mit Fa- dort veranstaltet. Bei diesem Konzert schen Chors noch drei gemeinsame milienanschluss – im wahrsten Sinne des war Generalkonsul Dr. Georgij Gero- Stunden in großartiger Stimmung bei Wortes – unter. Neben je einem Konzert des mit seiner Gattin anwesend, um einem Imbiss und Gesang. Besondere in Bielefeld-Senne und Bielefeld-Um- Dr. Valentina Kopylova und ihre Sän- Begeisterung war den Sängerinnen des meln, in Rheda und in Gütersloh bedeu- gerinnen und Sänger zu begrüßen. Ensembles aus Abchasien anzumerken. tete die unvorhergesehene gesangliche Gestaltung eines russisch-orthodoxen 2004 gab »Rossika« außer in Gütersloh Anschließend reiste das gesamte rus- Gottesdienstes mit Erzbischof Feofan sehr gut besuchte Konzerte in der sische Ensemble weiter zu einem Fe- in der Martin-Luther-Kirche eine ganz Herz-Jesu-Kirche in Bielefeld-Brack- stival in Schapdetten. Guido Froese beachtliche Glanzleistung. Zum ersten wede und in der Auferstehungskirche von der veranstaltenden Organisation Mal sang »Rossika« auf Einladung der in Bielefeld-Senne. Höhepunkt dieses »Aktion Münsterland« schrieb danach Deutsch-Russischen Gesellschaft in der Besuchs war allerdings das Benefizkon- an Franz Kiesl: »Ich wollte mich noch Paderborner Franziskaner-Kirche. Das zert zusammen mit dem »Männerchor einmal ganz herzlich bedanken für Konzert fand auch dort großen Beifall, 1905 Schloss Holte« in der dortigen die Vermittlung dieses wunderbaren und es wurde schnell klar, dass es beim St. Ursula Kirche, dessen Reinerlös für Konzertereignisses! Der ganze Besuch Besuch 2010 ein Wiedersehen geben die Beschaffung von Bestuhlung im der Gruppe war ein Erlebnis! Neben würde. Sehr gelungen waren zwei zu- Forum des Gymnasiums bestimmt war. einem wunderbaren Konzert (stehen- sätzliche Gemeinschaftskonzerte mit Die Kirche war bis auf den letzten Platz de Ovationen in einer vollen Kirche) dem Chor »Vocalissimo« unter Leitung besetzt. Der Chor erhielt als Honorar waren es die Tage und Abende mit von Jessica Walden in Alverdissen und lediglich 750 €, aber die Freude, die den Gästen, die interessanten Gesprä- mit dem »Studio-Chor« in der mäch- die russischen Gäste beim anschließen- che und die Begegnung, von der im tigen Johanniskirche in Bielefeld, das den gemütlichen Zusammensein er- Dorf immer noch gesprochen wird. besonders gut besucht war, wozu sicher kennen ließen, war ganz offensichtlich Alles hat gut funktioniert. Einige Trä- das Image dieses Chors beigetragen hat. ein Äquivalent. nen sind geflossen, insbesondere bei Auch hier war das anschließende Bei- den abchasischen Mädchen, die sich sammensein der zahlreichen Chormit- Im Jahre 2005 wurden die Mitglieder ausgesprochen wohl gefühlt haben.« glieder mit den russischen Gästen von des »Rossika-Chors« von einem En- gegenseitiger Sympathie geprägt. Man semble des »Neu-Athos-Klosters des 2006 brachte Dr. Valentina Kopylova verstand sich eben: Die Deutschen gra- Apostel Kananäus« in Abchasien beglei- 12 Chormitglieder mit zu zwei Kon- tulierten den russischen Partnern zu ih- tet. Von den 19 Sängerinnen und Sän- zerten in der Gütersloher Apostelkir- rer großartigen musikalische Leistung, gern wurden 13 von Gastgeberfamilien che, einem Konzert in Bielefeld-Quelle und die Russen sprachen dem »Studio- aufgenommen, und sechs wohnten in und einem in der Heilig-Geist-Kirche Chor« im Gegenzug ihre ehrlichen der Benediktinerinnen-Abtei in Riet- in Bad Oeynhausen, das sehr gut be- Komplimente aus. berg-Varensell. Das Konzert in Gü- sucht war. Ein Konzert in Schwerte tersloh fand im Kreishaus statt, weil zu brachte finanziell gesehen keine Freu- In dieser Darstellung werden überwie- dieser Zeit dort die Ausstellung »Missa de, denn es entstanden 290 € Kosten gend Ergebnisse beschrieben. Es ist aber Mystica« präsentiert wurde. Diese Rei- für die Busfahrt, denen gerade 590 € sicher interessant, einmal zu lesen, was Der »Rossika-Chor« gibt für die Forum-Reisegruppe ein Konzert se hatte ihren Höhepunkt im Konzert Einnahmen gegenüber standen. Groß alles geschieht, um zu diesen Resultaten mit dem Männerchor »Lyra Lette« in war dagegen die Freude über das Kon- und Erfolgen zu kommen. Franz Kiesl

23 »Rossika« sang am 3. und 6. November 2006 in der Gütersloher Apostelkirche

schreibt zum Beispiel in seiner Erin- Bezahlung der Gebühr versprach ich na unter den Titel »Adventskonzert« nerung an den Besuch von »Rossika« nach Ankunft in Alverdissen. Da heißt gestellt. Niemand hatte daran gedacht, im Jahr 2010: »Am Freitag, 19. No- es, Ruhe bewahren und sein Gottver- dass es in der orthodoxen Liturgie den vember, erfuhr ich, dass die Chormit- trauen wirken lassen. – Und tatsäch- Advent gar nicht gibt. »Rossika« wusste glieder erst am Sonntag, 21. Novem- lich: Die Chormitglieder waren schon sich zu helfen und sang in deutscher ber, dem Tag des ersten Konzerts, auf eine Stunde vor dem Konzert vor Ort.« Sprache am Anfang den Bach’­schen dem Flughafen Düsseldorf ankommen Choral »Nun kommt der Heiden Hei- könnten. Auf meine Frage nach der Für das Gemeinschaftkonzert in Alver- land« und zum Schluss »Wachet auf, Ankunftszeit erfuhr ich, dass diese für dissen mit den Männerchören MGV ruft uns die Stimme« von Philipp Ni- 12:50 Uhr vorgesehen sei. Ich schaute Sonnborn und MGV Liederfreunde colais. Auch dem Wunsch der Vorsit- im Internet auf den Flugplan und stell- Alverdissen war der Verein »Kirch- zenden des Arbeitskreises, Frau Elisa- te fest, dass um diese Zeit kein Flugzeug Kultur« der Veranstalter. Organisiert beth Maisel, kam der Chor nach und aus Russland registriert war. Ich fragte wurde diese Veranstaltung wieder wie ­übersetzte den Text der orthodoxen deshalb noch einmal genau nach, und 2008 von Peter Werpup. Beim späteren ­Liturgiegesänge ins Deutsche. Mit ih- erfuhr dann, dass die Ankunft zwar um Konzert in Paderborn in der Franzis- rem Besuch und ihrem Gesang erfreu- 12.50 Uhr, allerdings auf dem kleinen kanerkirche war auch der letzte Platz ten die Chormitglieder auch noch die Flugplatz Weeze am Niederrhein – besetzt. In einer örtlichen Zeitung hieß Bewohner in den Seniorenheimen St. und nicht in Düsseldorf – sein werde. es: »Russische Lieder so klar und rein Elisabeth in Rheda und Kursana in Gü- wie der Baikalsee. »Rossika« vermochte tersloh. Das Konzert in Alverdissen sollte um nicht nur durch die ausgewogene Beset- 17.00 Uhr beginnen, und natürlich zung der geschulten Stimmen sowie die Zieht man das Resümee aus der Zu- musste der Chor mindestens eine halbe absolute klangliche Balance zu über- sammenarbeit mit dem »Rossika-Chor«, Stunde vorher zur Probe vor Ort sein. zeugen.« In Bielefeld-Senne gab es auf so kann man feststellen: Wer so lange Von der frühest möglichen Abfahrt in Einladung des »Kulturkreises Senne« Zeit so viel für einander tut, der fühlt Weeze bis zur notwendigen Ankunft in ein Konzert mit Szenen aus verschiede- sich eng mit einander verbunden. Eine Alverdissen blieben also höchstens drei nen Opern. Ein großer Erfolg war die Persönlichkeit wie die in Russland aber Stunden. Es musste für die 14 Perso- Veranstaltung in Gütersloh, bei der der auch in anderen Ländern hochgeschätz- nen also ganz kurzfristig eine schnelle Gütersloher Männerchor unter Lei- te Musikwissenschaftlerin Dr. Valentina Fahrt von Weeze nach Alverdissen or- tung seines Dirigenten Markus Koch Kopylova als Freundin und den inter- ganisiert werden. Weil es ein Bus bei mitwirkte. Thema des Programms national hoch angesehenen »Rossika- der vorgeschriebenen Geschwindig- war: »O wie schön ist deine Welt«. Chor« als Partner zu haben, stärkt die keitsbegrenzung wahrscheinlich nicht Die Liebfrauenkirche war voll besetzt. eigene Position und ist damit für das hätte schaffen können, bestellte ich bei Das Konzert in Herzebrock hatte der Forum eine äußerst wertvolle Bezie- einem Taxiunternehmen in Weeze tele- »Ökumenische Arbeitskreis Kirchen- hung geworden. fonisch die Beförderung in Taxis. Die musik« in der Pfarrkirche St. Christi-

24 schen »Freunde« aus und hob die vielen Gemeinsamkeiten von Deutschen und Chor »Harmonie« Russen hervor. Seitdem ist die Forum- Reisegruppe jedes Jahr zu Gast in der der St. Petersburger Elias- Elias-Kirchengemeinde. Im Gegenzug kam fünf Monate nach Gemeinde dieser ersten St. Petersburger Begeg- nung Margarita Krassowa mit drei Sängerinnen und drei Sängern auf Einladung des Forums nach Gütersloh. Im Juni 2004 kamen unter Leitung von Dr. Valentina Kopylova drei Sängerin- Gleich am ersten Tag seines Aufenthalts nen und fünf Sänger, die in St. Petersburg eigene Chöre dirigieren, zu einem sang das Ensemble in einem Gottes- Konzert in die voll besetzte Gütersloher Matthäuskirche. In der Presse war an- dienst in der Kapelle des St. Elisabeth schließend zu lesen: »Selten hat ein Chor wohl ergreifender die Zuhörer in der Hospitals. Unter den zahlreichen Besu- Matthäuskirche berührt.« Das Konzert verdiente ohne Einschränkung das chern waren viele Teilnehmer der St. Pe- ­Attribut »Spitze«. tersburg-Reise. In der Liebfrauenkirche gestalteten die russischen Gäste einen Sonntagsgottesdienst mit. Konzerte gab Kurz vor der Rückfahrt bot ein Mit- den vom Ersten Priester der Gemeinde, es in der Evangelischen Kirche in Issel- glied des Ensembles Franz Kiesl an: Vater Alexander, und von Margarita horst und in der Gütersloher Pankrati- »Wenn Sie das nächste Mal mit einer Krassova begrüßt. Im Kirchenraum uskirche. Außerdem erfreute der Chor Reisegruppe in St. Petersburg sind, waren – entgegen der orthodoxen Re- die Bewohner im Städtischen Alten- dann besuchen Sie doch unsere Kir- gel – Bänke aufgestellt, damit die Gäste heim und im Hermann-Geibel-Haus in chengemeinde. Unser Chor gibt dann bequem Platz nehmen konnten. Die Gütersloh sowie im Altenheim St. Anna ein Konzert für Sie und Ihre Mitrei- Sängerinnen und Sänger – allesamt in Verl mit seinem Gesang. senden«. Es blieb gerade noch Zeit, auf Absolventen des St. Petersburger Kon- ein Stück Papier den Namen und die servatoriums – trugen eindrucksvolle Im folgenden Jahr folgten sechs Sänger Telefonnummer zu schreiben. Es war Gesänge aus der orthodoxen Liturgie des Chors »Die Harmonie«, der von Margarita Krassova, Chorleiterin in vor, die die deutschen Gäste restlos be- Margarita Krassova dirigiert wird und der Elias-Kirchengemeinde. Forum- geisterten. Auf den Bänken, die zuvor aus Mitgliedern des Elias-Kirchenchors Reiseleiterin Irina Prokharova nahm vom Gemeindehaus in die Kathedrale besteht, der Einladung des Forums. vor der St. Petersburg-Reise im April getragen worden waren und nun dort- Konzerte gab es in der Gütersloher Matt- 2005 Kontakt mit ihr auf, um den Ter- hin zurückkamen, saßen die Deutschen häuskirche, in der Marienkirche in Verl- min für einen Besuch zu verabreden. dann bei einem reichhaltigen Menü Kaunitz und in der Herz-Jesu-Kirche Irina und Margarita verstanden sich und einem umfangreichen Angebot an in Bielefeld-Brackwede. Ferner sang der von Anfang an prächtig. Und es klapp- Getränken. Nach einem gemeinsamen Chor wieder im Altenheim St. Anna in te. 51 Reiseteilnehmer fuhren in zwei »Vater unser« drückte Vater Alexander Verl und bei den Senioren im Güterslo- Bussen zur Elias-Kathedrale und wur- seine Freude über den Besuch der deut- her Hermann-Geibel-Haus und begleite- te in der Bruder-Konrad-Kirche und in der Kapelle des Elisabeth-Hospitals die Gottesdienste mit seinem Gesang.

Drei Sänger, drei Sängerinnen und der 14-jährige Sebastian, Sohn von Mar- garita Krassova, besuchten Deutschland 2007 zu Konzerten unter anderem in der Gütersloher Liebfrauenkirche und in »St. Ägidius« in Wiedenbrück, aber auch im St. Anna-Altenheim in Verl sowie im Städtischen Altenheim in Gütersloh. In Paderborn sangen die Petersburger im russisch-orthodoxen Sonntagsgottesdienst und nachmittags wirkten sie noch beim Festival »Som- mermusik der Chöre« im »Museum Ost­husschule« in Bielefeld-Senne mit, das vom »Kulturkreis Senne« veranstal- tet wurde.

Zuletzt war Margarita Krassova mit Konzert in der Elias-Kathedrale mit Chor und Volksinstrumentenensemble zwei Sängern und zwei Sängerinnen

25 2009 zu einem Konzert in der Matt- Chor »Harmonie« gibt in der Liebrauenkirche ein Konzert häuskirche in Gütersloh. Es stand überwiegend Operettenmusik auf dem Programm mit hervorragendem Ge- sang und schauspielerischen Einlagen. Eugenja Stammen moderierte das Kon- zert auf besonders sympathische Art. Die zahlreichen Besucher waren wieder einmal begeistert.

Die Sängerinnen und Sänger haben die feste Absicht, bald wieder mit ihrer be- liebten Dirigentin nach Deutschland zu kommen.

Margarita Krassova verfügt über die be- sten Kontakte zum Büro des St. Peters- burger Metropoliten. Beim Besuch der Forum-Gruppe im April 2011 vermit- telte sie Franz Kiesl die Teilnahme an einem Empfang des Metropoliten am Ostermontag für die Priester und ihre Helfer, an dem auch die Gouverneurin des Leningrader Gebiets teilnahm.

Die Beziehung zum Forum ist für ­Margarita Herzenssache – und um- gekehrt schätzt Franz Kiesl die in sich ruhende, tief gläubige Margarita, die vor ihren Konzerten abseits von den Chormitgliedern ihr Gebet spricht. Ihr  ­vertrauter Berater ist Vater Alexander, den sie stets zu Rate zieht, bevor sie eine schwierige Entscheidung zu tref- fen hat. Nach dem Konzert in der Elias-Kathedrale werdendie deutschen Gäste bewirtet

26 Der Kinderchor begeistert sein Publikum mit Volksliedern

Der TV- & Radio-Kinderchor

is auf die seit 1991 bestehenden Beziehungen zur St. Petersburger Mu- vals einen zusätzlichen Zwischenhalt für sikwissenschaftlerin Olga Minkina hatte das Forum 1994 nur wenige ein Konzert in Gütersloh zur Aufbesse- B ständige Verbindungen zu russischen Künstlern. Dann erfuhr das Fo- rung der Reisekasse. Das Forum vermit- rum-Vorstandsmitglied Otto Walger, dass Alfred Kaschub, der Geschäftsführer telte dem Chor 2008 ein Konzert in der des »Haller Kreisblatts«; mit einem St. Petersburger Kinderchor zusammen­ Heilig-Geist-Kirche in Bad Oeynhausen arbeitete. Der Chor kam jedes Jahr auf Einladung des Haller Kreisblatts im und ein Gemeinschaftskonzert mit dem späten Herbst zu Konzerten nach Deutschland. Herr Kaschub organisierte für Männergesangverein »Lyra« in Oelde- den Chor ­Auftritte in vielen Städten des Bundesgebiets und besonders in Orten Lette. 2009 gastierte der Chor in der unserer Region. Franz Kiesl, Otto Walger und Eckard Jacobsen vom Forum-­ Kirche in Bielefeld-Ummeln, und 2010 Vorstand suchten ihn in Halle auf und ließen sich ausführlich über diese Verbin- gelang es dem Forum, Konzerte in Rhei- dung ­informieren. ne, Rheine-Elten, Bochum, Düsseldorf und Ratingen zu vermitteln.

Im Sommer 1994 besuchte der TV- & Forums zusammen mit der Güterslo- Radio-Kinderchor unter Leitung der her Chorgemeinschaft »Buchfinken- Dirigentin Irina Zaitseva dirigiert das Publi- Dirigenten Stanislav Gribkow senior Werkmeister« in der Kirche »Zum kum in der Kirche »Zum Guten Hirten« und Igor Gribkow junior Gütersloh Guten Hirten« auf, wo sie zu einem Konzert, bei dem es auch zur auch 2002 wieder Partner ersten Begegnung mit Irina Prokhoro- der St. Petersburger war. va kam, die 2001 Reiseleiterin für die Seit 2003 kommt nun FORUM-Reisegruppen in St. Peters- der Kinderchor jedes Jahr burg wurde und noch immer ist. Ende November oder An- fang Dezember in die Kir- 2001 begann dann die intensivere che »Zum Guten Hirten« Zusammenarbeit mit dem St. Peters- zu einem Konzert unter burger Kinderchor. Das Forum organi- der Regie des Forums. Im sierte im Oktober Konzerte in Röding- August 2006 und im Mai hausen und in Löhne. In Gütersloh trat 2007 machte der Chor auf der Kinderchor nach Vermittlung des der Heimreise von Festi-

27 Glückwunsch zum 20-jährigen Bestehen des Forums mit den Unterschriften der Sängerinnen und Sänger

Inzwischen hat der TV- & Radio- Kinderchor in Gütersloh eine große und treue Fangemeinde. Von Irina Prokharova ist bekannt, dass sie den jungen Sängerinnen und Sängern im Alter zwischen 10 und 18 Jahren vor den Konzerten erklärt, die Gütersloher Konzertbesucher seien anspruchsvoll und erwarte hochklassigen Gesang. In den vergangenen Jahren war die große Kirche »Zum Guten Hirten« bei jedem Konzert fast bis auf den letzten Platz besetzt. Die Stimmung ist immer ge- kennzeichnet durch herzliche Fröh- lichkeit, die sich von den jungen Sän- gerinnen und Sängern auf die Zuhörer überträgt, insbesondere durch das aus- giebige Volksliederprogramm.

Die rund vierzig Kinder und Jugend- lichen wohnen zum großen Teil immer bei den gleichen Familien. Die Begrü- ßung bei der Ankunft ist entsprechend Zaitseva und Irina Prokharova die Ver- rigen Bestehen des Vereins, eine Geste, herzlich und beim Abschied fl ießen Trä- anstalter für ihre Konzerte im Bundes- die Franz Kiesl Tränen in die Augen nen – nicht nur bei den jungen Leuten. gebiet jetzt eigenständig. Das Forum trieb. Nach dem Tode von Alfred Kaschub hilft dabei nach Kräften. Wie herzlich Die Kirche »Zum Guten Hirten« war wird der Chor seit 2009 vom Forum die Beziehung der jungen Sängerinnen am 4. Dezember 2011 bis auf den letz- direkt zu Reisen nach Deutschland und Sänger zum Forum ist, zeigte ihre ten Platz besetzt. Das Publikum war eingeladen. Da über die vielen Jahre Glückwunschadresse mit allen ihren begeistert und dankte dem Kinderchor zahlreiche Kontakte aufgebaut wurden, Unterschriften anlässlich der Jubilä- und seinem Leiter Professor Stanislaw suchen die künstlerische Leiterin Irina umsfeier in St. Petersburg zum 20-jäh- Gribkow mit stehenden Ovationen.

28 Und so war es auch, wie dem Bericht der »Neuen Westfälischen« zu entneh- Dr. Elena Borisovets men war. aus St. Petersburg Das fünfte Russische Weihnachtskon- zert gab es 2011 wie immer in der Matt- häuskirche. Die Geigerin Ekaterina war wieder dabei. ie Beziehung zu Elena Borisovets geht zurück auf den Sommer 2005. Franz Kiesl lernte die Pianistin und Sängerin bei einem Konzert ken- Elena Borisovets, inzwischen ­Doktor Dnen, das sie auf Einladung von Frau Dr. Birgit Osterwald in der Aula der Musikwissenschaften, leitet ne- der Volkshochschule in Gütersloh gestaltete. Elena hielt sich 2004 und 2005 zu ben ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit einem Gaststudium an der Hochschule für Kirchenmusik in Herford auf. Zuvor in ihrer Heimatstadt auch ein En- hatte sie bereits das St. Petersburger Rimskij-Korsakov-Konservatorium erfolg- semble mit Instrumentalisten, Ge- reich absolviert. sangssolisten und Chorsängerinnen und -sängern, das die Liebe zur rus- sischen, wie auch zur westlichen Mu- Einmal brauchte Franz Kiesl dringend virtuos«, war in der Kritik einer Tages- siktradition verbindet. Alle Mitglieder­ Partituren für ein »Kulinarisches Kon- zeitung zu lesen. Nach dem Konzert des Ensembles mit dem ­Namen zert« auf Schloss Möhler mit der Mos- trafen sich die Konzertbesucher zu »Musica Noema« sind Ab­solventen kauerin Fira Isaewa, die mit ihrer Schü- einem fröhlichen Beisammensein mit oder Studenten des angesehenen lerin, der 11-jährigen Pianistin Nastja der sympathischen Künstlerin. Auch Sankt Petersburger Rimski-Korsakov- Nesterova, zu Gast beim Ehepaar Hei- 2008 und 2009 fand das Orgelkonzert Konservatoriums. Die insgesamt 24 jun- nemann in Herzebrock war. Fira zum »Russischen Weihnachtsfest« wie- gen Künstlerinnen und Künstler gaben­ Isaewa, eine geborene Tatarin, wollte der statt. im September 2008 ihr erstes Konzert bei dieser Veranstaltung russische und in Gütersloh in der Matthäuskirche. tatarische Romanzen vortragen. Das 4. »Russischen Weihnachtskon- Das zweite Konzert folgte im September zert« 2010 brachte noch eine Steige- 2010 im kleinen Saal der Stadthalle. Wie sollte man kurzfristig an diese spe- rung. Es wirkten neben Elena die Gei- ziellen Noten kommen? Franz Kiesl gerin Ekaterina Granzhan, ebenfalls Elena Borisovets wird seit vielen Jahren fragte per E-Mail bei Elena an, ob sie aus St. Petersburg, und die Sopranistin von den Teilnehmern der St. Peters- behilflich sein könne. Elena antworte- Lena Ljamkina aus Rostov am Don burg-Reisen in ihrer Heimatstadt zum te umgehend, dass sie die Noten nicht mit. Franz Kiesl hatte die Sängerin auf Besuch des Marinskij-Theaters eingela- bei sich in Deutschland habe, aber sie der Südrussland-Reise im Mai 2009 den. Alle machen gern der bescheiden könne sie aus St. Petersburg an die kennen gelernt. Er war sicher: Elena auftretenden, sympathischen Künstle- Adresse des Forums übermitteln lassen. aus St. Petersburg und Lena aus Rostov rin diese Freude. Zur Zeit hält sie sich Und tatsächlich kam das umfangrei- am Don sind sich im Wesen und in zu einem Ergänzungsstudium an der che Notenmaterial als E-Mail-Anhang ihrer beruflichen Tätigkeit so ähnlich, Musikhochschule Köln auf, wo sie ihr bei Franz Kiesl an. Er holte Elena in dass sie zueinander passen und sich bereits exzellentes Orgelspiel zur Mei- Herford ab, denn sie hatte auch die mögen werden. sterschaft vervollkommnen will. Begleitung der Sängerin Fira Isaewa am Flügel bei dieser Veranstaltung, die 250 Besucher zählte, übernommen. »Eine Dr. Elena Borisovets dirigiert ihren Chor »Musica Noema« in der Matthäuskirche in Gütersloh solche Hilfe in der Not verbindet und verpflichtet zur Dankbarkeit«, meint Franz Kiesl.

2007 spielte Elena Borisovets ihr Lieb- lingsinstrument, die Orgel, zum ersten Mal in Gütersloh bei einem Konzert in der Matthäuskirche, und zwar am 7. Januar, dem Tag des orthodoxen Weih- nachtsfestes. Elena brachte mit kurzen Geschichten den Zuhörern nahe, wie in Russland Weihnachten gefeiert wird und spielte Werke unter anderem von Dietrich Buxtehude, Johann Sebastian Bach und Johannes Brahms. »Nach brausendem Applaus in der voll besetz- ten Kirche beeindruckte die begnadete Musikerin auch mit ihrer Zugabe der »Latinies« von Jean Alain nicht weniger

29 30 Chor »Anima« und die Familie Smirnov

achdem der aus sechs Sän- gern bestehende St. Peters- Nburger Männerchor »Credo« sich aufgelöst hatte, suchte das Fo- rum nach einem gleichwertigen Er- satz. »Credo« war von 1998 bis 2004 jährlich zu Konzerten in der Region. Die Leiterin des »Russischen Hau- ses« in Saarbrücken, Dr. Natalia Me- lowa, mit der das Forum seit 2005 in Der Chor sang in der Liebfrauenkirche Kontakt stand, machte Franz Kiesl vor zahlreichem Publikum in einer E-Mail im April 2006 auf den hohen künstlerischen Standard Weitere Konzerte in Gütersloh folgten des St. Petersburger Chors »Anima« in 2008, 2010 und 2011. ­Dmitrij wird aufmerksam. »Anima« wurde zum bei seinen Konzerten am Flügel beglei- nächstmöglichen Termin im März tet von seiner Mutter Olga. Vater Vic- 2007 für ein Konzert in Gütersloh tor moderiert. Zur Familie Smirnov in der Matthäuskirche engagiert. Es gibt es eine wahrhaft freundschaftliche fand am 18. März 2007 statt. Danach Beziehung. Wenn die Drei zu Konzer- trat der Chor noch in den Jahren 2008, 2009, 2010 und 2011 bei uns Dmitrij mit Mutter Olga und Vater Viktor beim Konzert in der Matthäuskirche auf, insgesamt also bereits fünfmal.

Seit der Gründung ist der Tenor Victor Smirnow, da- ten nach Gütersloh kommen, ist mals noch Student, Leiter auch die Tochter mit dabei, und und Arrangeur der inzwischen die ganze Familie wohnt – inzwi- renommierten Gruppe. Im schen schon traditionell – beim Umfeld des Konzerts im März Ehepaar Leewe im Marienfeld. 2007 brachte Victor Smirnov Als Franz Kiesl auf der Suche seinen damals 13-jährigen nach Räumlichkeiten für die Sohn Dmitrij ins Gespräch, der »20-Jahresfeier des Forums in Geige spiele und im nächsten St. Petersburg« war, sagte Vic- Jahr gern zu einem Konzert nach tor: »Das nehme ich in die Gütersloh kommen würde. So- Hand«. Er mietete den groß- fort erhielt er die Zusage des Fo- fürstlichen Michail-Michai­ rums. Dmitrij hatte dann im Mai lowitsch-Palast, suchte das 2008 als 14-Jähriger seinen mit Catering-Unternehmen und Spannung erwarteten Auftritt in besorgte die Getränke. der Matthäuskirche. In seinem Le- benslauf hieß es: »Er ist 1994 in St. Was er organisiert hat, war Petersburg geboren, studiert ­Geige in einfach großartig. Als Franz der berühmtesten Musikschule des Kiesl ihm seinen herzlichen Rimski-Korsakov-Konservatoriums Dank aussprach, erwiderte bei Professorin E. Saitseva. Kon- Victor lächelnd: »Du tust zerttätigkeiten gibt es für ihn schon ja auch sehr viel für mich.« seit 2002 u. a. mit den Petersburger Sohn Dmitrij trat an die- Philharmonikern. Im April 2007 sem Jubiläumsabend auf spielte er in der Carnegie Hall in New und spielte zwei Stücke York.« Die hohen Erwartungen an auf seiner Violine. sein Konzert, die seine Vita geweckt hatten, wurden noch weit übertroffen.

31 Bürgermeisterin Maria Unger mit den Tanzen- semble »Edelweiß« auf der Bühne vor einem Petersburger Kinderballett »Edelweiß« zahlreichen Publikum

ass das Forum in St. Petersburg auch schon vor 2006 nicht ganz unbe- hellauf begeisterte. »Tolle Leistung!« kannt war, lässt sich daraus schließen, dass Irina Polikarpova, Leiterin »Sehr gut, dass es so etwas in Gütersloh Ddes St. Petersburger Kinderballetts, Irina Prokharova, die Reiseleiterin gibt!«, waren repräsentative Stimmen für die Forum-Gruppen in St. Petersburg, darum bat, beim nächsten Aufenthalt aus dem Publikum. »Kalinka« wurde mit Franz Kiesl ein Gespräch zu arrangieren. Dazu kam es im April 2006. von den Zuhörern natürlich mit rhyth- mischem Klatschen begleitet.

Alles, was Franz Kiesl über das 1994 erlebte das Publikum auf zwei verschie- Die Gäste aus Sankt Petersburg hinter- gegründete »Kindershowballett Edel- denen Bühnen jeweils dreimal ein ab- ließen überall, wo sie Deutschen begeg- weiß« erfahren hatte, weckte sein In- wechslungsreiches Programm mit Tanz neten, einen hervorragenden Eindruck. teresse an Auftritten in Gütersloh. Die und Gesang. Durch die informative Angetan von den jungen Künstlern Veranstaltungen im Juli 2006 bestätig- Moderation erfuhren die zahlreichen waren besonders die Mitarbeiter der ten den hohen Standard des Ensembles. Zuschauer, dass die jungen Künstler Verpflegungsstation. Sie lobten die Höf- Damals traten die 37 Kinder mit Tanz Mitglieder einer Sankt Petersburger lichkeit und Aufmerksamkeit der Kin- und Gesang in ihren farbenprächti- Ballettschule sind, die von ihrer Leite- der. Die Kontakte zu einander waren so gen Kostümen auf der Freilichtbühne rin Irina Polikarpova gegründet wurde. eng und herzlich, dass beim Abschied- Mohnspark im Rahmen des »Güterslo- nehmen sogar Tränen flossen. Die rus- her Sommer« auf. Aber nur weniger als Alle Gütersloher Tageszeitungen be- sischen Gäste waren mit der gesamten eine halbe Stunde durften sich die Zu- richteten über die Auftritte. Beispiel- Betreuung sehr zufrieden und beson- schauer an den gekonnt vorgetragenen weise brachte das »Westfalen-Blatt« in ders angetan von der Herzlichkeit der Choreografien erfreuen, da platzte ein seiner überregionalen Ausgabe auf der Deutschen. Unwetter in die Veranstaltung. Nach- Titelseite ein großformatiges Foto mit dem der Regen sich verzogen hatte, folgendem Text: »In märchenhaften Ko- Franz Kiesl sagte dazu: »Ich bin glück- wurde die Bühne von dem »Regensee« stümen aus glänzendem Gold, Grün und lich, die 35 Kinder mit ihren Begleiterin- befreit und das Programm fortgesetzt. Rot haben Kinder und Jugendliche des nen nach Gütersloh eingeladen zu haben, Am folgenden Sonntag wurde in der Edelweiß-Balletts aus Sankt Petersburg denn so hatte das aus ganz Nordrhein- Aula des Städtischen Gymnasiums ein die Besucher des Landesturnfestes in Gü- Westfalen angereisten Publikum die Mög- weiteres Programm geboten, das alle tersloh verzaubert. …« lichkeit, russischen Künstlern zu begegnen Besucher wegen der gebotenen Perfek- und deren Können zu erleben.« tion überraschte und begeisterte. Den Höhepunkt bildete am Sams- Es entstand der Wunsch und die Hoff- tag die »langenachtderkunst«, die in Die Mitglieder des Kinderballetts nung beim Veranstalter wie auch bei Gütersloh einmal im Jahr veranstal- »Edelweiß« waren gute Botschafter ihrer den St. Petersburgern, dass sich bald tet wird. Eröffnet wurde dieser Pro- Stadt und ihres Landes. Sie werden aber wieder eine Gelegenheit zu einem Auf- grammteil auf der großen Bühne am auch gute Botschafter Deutschlands in tritt in Gütersloh ergäbe. Und schon Berliner Platz durch Bürgermeisterin ihrer Heimat sein. Das zeigt der Brief, während des Aufenthalts der Forum- Maria Unger, vor deren Begrüßungsre- den Natalia Bolshakova, eine der beglei- Reisegruppe im April 2007 konnte mit de das Kinderballett 20 Minuten lang tenden Pädagoginnen, nach ihrer Rück- Natalia Sawkina über die Teilnahme eine Vorstellung seines Könnens gab. kehr an Franz Kiesl schrieb und den wir des Kinderballetts am 1. Rheinisch- Umrahmt vom »Edelweiß«-Ensemble in Auszügen zitieren möchten: Westfälischen Landesturnfest im Mai in seinen prächtigen Kostümen be- 2008 in Gütersloh gesprochen werden. grüßte sie in ihrer Rede die Gäste aus Unsere Bekanntschaft mit Gütersloh be- Sankt Petersburg und wies dabei auf gann vor zwei Jahren, im Juli 2006, als Tatsächlich stellte das Ballett dann die engen Kontakte mit dem Forum das Kinderballett »Edelweiß« nach der mit seinen tänzerischen Darbietungen Russische Kultur hin. Dann folgte ein liebenswürdigen Einladung des Vorsit- beim Turnfest eine viel beachtete At- eineinhalbstündiges Ballettprogramm, zenden des Forums Russische Kultur traktion dar. An jedem der drei Tage das die mehr als tausend Zuschauer Gütersloh, Herrn Franz Kiesl, diese

32 kleine und schöne Stadt besucht hat. … Wir waren Herrn Kiesl für die Einla- dung sowie den Leiterinnen der »Ballett- schule Neumann«, Margret Neumann und Gabi Neumann, für den gastfreund- lichen Empfang unserer Pädagoginnen und die Unterstützung in der Organi- sation unseres Konzertauftritts aufrich- tig dankbar. Und als wir den Vorschlag bekommen haben, die Stadt Gütersloh mit dem Konzertprogramm im Mai 2008 zu besuchen, waren unsere jungen Künstler ganz begeistert und glücklich! ... Die Stadt hat uns mit einem schönen sonnigen Wetter und freundlichen Lä- cheln der Bürger empfangen. Drei glück- liche Tage, voll von Eindrücken und positiven Emotionen, sind so schnell vergangen wie der Wind! Konzertauf- tritte, neue Bekanntschaften, Stadt- rundgänge – dieser Erlebnisstrudel hat uns fast schwindelig gemacht. … Am 30. Juli 2006 gab es in der Aula des Städtischen Gymnasiums viel Applaus des zahlreichen Publikums. Die Kinder traten mit großem Vergnügen auf, obwohl sie sehr stark aufgeregt waren. Besonders ehren- und verantwortungsvoll weiß« dankt vom ganzen Herzen dem Das Kollektiv des Kinderballettes »Edel- war für uns der Abschlussauftritt am Vorsitzenden des Forums Russische Kultur, weiß« ist unermesslich stolz und ist 24. Mai. Frau Bürgermeisterin Maria Herrn Franz Kiesl, für die Aufforderung, glücklich, dass es Teilnehmer eines sol- Unger hat vor dem Konzertbeginn eine am »Landesturnfest« teilzunehmen. … chen bedeutenden historischen Ereig- feierliche Rede gehalten. Eine große Zu- nisses, des »1. Rheinisch-Westfälischen schauermenge, über tausend Menschen, Wir sind Herrn Rehpöhler sowie auch Landesturnfestes« wurde! ­Wunderschöne hatte sich auf dem Platz vor der Bühne ganz besonders der Dolmetscherin Frau Aufenthaltstage im gastfreundlichen versammelt. Sie begrüßten uns mit Ap- Olga Meier, die ständig bei uns blieben Deutschl­and werden in unseren Herzen plaus. … und uns bei der Lösung aller entstehen- für lange Zeit in Erinnerung bleiben! Es ist so angenehm, ­glückliche Augen den Fragen halfen, sehr dankbar. Alle und lächelnde Gesichter der Menschen unsere Bitten und Wünsche fanden bei Die Beziehung zu »Edelweiß« besteht zu sehen! Unsere freie Zeit haben wir ihnen Verständnis und Hilfsbereitschaft. fort. Irina Polikarpova, Natalia Bols- auch sehr interessant verbracht. Wir ... Besonders danken wir auch den Bür- hakova und Natalia Savkina nahmen besuchten die Konzertauftritte ande- gern und den Gästen der Stadt Gütersloh als Gäste an der Jubiläumsfeier des rer Kulturgruppen, spazierten durch für ihren warmen und aufrichtigen Ap- Forums im April 2011 im Großfürst­ leise und gemütliche Strassen der Stadt, plaus, mit dem sie unsere Konzertauf- lichen Michail-Michailowitsch-Palast wir atmeten das Aroma der blühenden tritte begrüßt und unterstützt haben! in St. Petersburg teil. Rosen. ... Eine große und angenehme Überraschung war für uns die Mög- Der Auftritt beim Landesturnfest im Mai 2008 war eine Attraktion. lichkeit, das Schwimmbad »Welle« zu besuchen, in dem wir einen riesigen Schub an Munterkeit und an ausge- zeichneter Stimmung bekommen haben. Wir möchten das hohe Organisationsni- veau aller Maßnahmen im Zusammen- hang mit dem Fest würdigen: die beque- me Unterbringung der Bühnenplätze, die durchdachten Umkleideräume, die gute Versorgung mit Musikanlagen und Lautsprechern, die genaue Einhaltung der Auftrittspläne, die ausgezeichnete Unterbringung und Verpflegung der Teil- nehmer . … Es war für uns ein bisschen traurig, die lieb gewonnene Stadt und die wunderba- ren Menschen, die mit uns an allen die- sen Tagen zusammen waren, zu verlassen. Das Kollektiv des Kinderballetts »Edel-

33 Interclub Moskau

Valerij Voinow kam 2003 ins Hotel Kosmos und stellte sich Franz Kiesl als Vorsitzender des Vereins »Interclub Dr. Moskau« vor. Durch Margarita Epifanowa bei der Stiftung »Neue Namen« hatte er vom Moskau-Besuch einer Forum-Gruppe erfahren. Der Verein nannte sich auch »Freunde Bayerns«, weil er eine sehr enge Beziehung zu einem Verein in Denkendorf unterhielt. Dr. Voinow sprach sehr gut Deutsch, weil, wie er erzählte, Stalin die Studenten seines Alters (Jahrgang 1935) die deutsche Sprache lernen ließ, damit sie nach der Eroberung Deutschlands dort eingesetzt werden könnten. Er war ein überzeugter Verfechter der russisch-deutschen Beziehungen und organisierte viele Besuche von Vete- ranen, aber auch von jungen Menschen in Deutschland. Besonders in Erinnerung geblieben war ihm ein Treffen deutscher und russischer Gebirgsjäger an der Stelle, wo sie sich als Feinde im Einsatz gegenüber gestanden hatten.

Seit 2003 besteht ein E-Mail-Kontakt zwischen Kiesl und Dr. Voinow. Im Juni 2005 waren die 27 Reiseteilneh- mer des Forums im Domizil des »In- terclubs Moskau« zu Gast und wurden zu einem Konzert, einer Ausstellung und zu zweistündigen Gesprächen bei reichlichen Speisen und Getränken eingeladen. Sie waren beeindruckt von der Perfektion der noch jugendlichen Musiker, die von der Stiftung »Neue Namen« gefördert wurden. In der Aus- stellung wurden Werke von Malern, einer Fotografin, einer Floristin, einer Glasfenster-Gestalterin sowie eines Meisters für Holzbearbeitung – aus- nahmslos Mitglieder des Interclubs – präsentiert. ​

Das Ehepaar Heinemann aus Herze- brock war von dem Vortrag einer zwölf- Franz Kiesl besuchte den Interclub mit der Reisegruppe zum ersten Mal im Juni 2005. jährigen Pianistin so begeistert, dass es Dr. Valerij Voinow (links) überreichte ein Geschenk. sie und ihre Lehrerin für vier Wochen zu sich nach Deutschland einlud. (Nä- heres im Kapitel Dr. Elena Borisovets, St. Petersburg) Durch die Beziehung zu Dr. Voinow lernte Franz Kiesl auch an- Fünf Kinder aus Moskau ehrten mit ihren Begleitern die Toten auf dem Friedhof in Stukenbrock-Senne dere Moskauer Künstler kennen, so zum Beispiel die Maler Sergeij Borisow und seine Schwester. Sergeij war an der Aus- malung der großen neu errichteten Chri- sti-Erlöser-Kirche in Moskau beteiligt.

Auch 2006 und 2007 organisierte Dr. Voinow für die Forum-Reise­ gruppen einen abwechslungsreichen Abend mit Musik und interessanten, nicht alltäglichen Informationen in den Räumen seiner Organisation.

Der »Interclub Moskau« veranstaltete 2006 einen Gesangswettbewerb mit deutschen Liedern in einer Moskauer Schule. Die 13 Jahre alten Preisträ- ger, drei Sängerinnen und zwei Sänger wurden auf Wunsch von Dr. Voinow mit einer Reise nach Deutschland be-

34 Gespräch im Rathaus: Kulturdezernet Andreas Kimpel mit den Gästen aus Moskau und ihren Gastgebern. lohnt. Das Forum lud ihn, die fünf jungen musikalischen Talente, die auch Deutsch als Fremdsprache lern- ten, zwei Pädagoginnen, die Pianistin Fira Isaewa, die als zweite Vorsitzende des »Interclubs Moskau« fungiert, und Nastia Nesterova 2007 für eine Woche nach Gütersloh ein.

Fira Isaewa und Nastia Nesterova wa- ren, wie schon an anderer Stelle be- richtet, bereits im Sommer 2005 in Herzebrock gewesen. Die Gruppe war in sieben Gastfamilien unterge- bracht, wurde vom Kulturdezernenten der Stadt Gütersloh, Andreas Kimpel, empfangen, lernte das Evanglisch Stif- tische Gymnasium kennen, gab ein Konzert in der Aula der Volkshoch- schule und besuchte den sowjetischen Soldatenfriedhof Stukenbrock-Senne. Im Auftrage der Veteranen des Zweiten Weltkriegs legte Dr. Voinow gemein- sam mit der Jugendgruppe und den Lehrerinnen ein Blumengebinde am Obelisken und rote Nelken auf den Grabsteinen nieder.

Vor dem Abfl ug vom Flughafen Köln- Bonn erkundeten die russischen Gäste noch auf einem Spaziergang die Dom- stadt und besuchten das Schokoladen- museum. Für die Kinder war es der er- ste Aufenthalt in Deutschland.

Nach dem Tod von Dr. Voinow in 2009 ist die Kontinuität der guten Be- ziehung über seine Nachfolgerin Nata- lia Yankovskaya gesichert.

35 Moskauer Bajan-Virtuosen Bonakow und Sokolow

m April 2005 kamen Professor Wladimir Bonakow und sein Meisterschüler Großen Beifall bekam die Akkordeo- Iwan Sokolow zu ihrem ersten Konzert nach Gütersloh in die Matthäuskir- nistin Nastja Skindzerava. Sie schätzt Iche. Das Programm repräsentierte »einen musikalischen Streifzug durch die die Arbeit des Forums und freut sich, Länder Europas«. Das war ein guter Start für die inzwischen sechsjährige Bezie- wenn sie bei einer Veranstaltung mit- hung. Von den Eintrittsgeldern gingen damals jeweils 50 Cent an die »Altenhilfe wirken kann. Nastja zeichnet sich durch Moskau« Mit den beiden Musikern hat sich bald eine richtige Freundschaft ent- gewonnene Preise bei Wettbewerben wickelt. Wenn die Reisegruppen des Forums in Moskau sind und Iwan Sokolow in Deutschland, Italien, Portugal, den sich gerade in seiner Heimatstadt aufhält, findet sich immer die Gelegenheit zu USA sowie in Russland, Belarus, der einer Begegnung. Die vom Forum geschaffenen Freundschaften führen oft auch Ukraine und Moldawien aus. zu weiteren Beziehungen. Nach dem Abschluss des Minsker Mu- siklyzeums wechselte sie an die dortige Ein Beispiel: Im März 2011 war der obwohl ihm eine große Pianistenkar- staatliche Musikakademie der Republik 22-jährige Bajanspieler Iosif Purits mit riere vorausgesagt wurde. In Moskau Belarus. Ab 2003 setzte sie in Moskau fünf jungen Musikerinnen, die alle von vertiefte er seine Studien in den Fä- ihre Studien fort, die sie an der Gnes- der Spivakov-Stiftung gefördert wer- chern Bajan, Komposition und Päd- sin-Musikakademie abschloss. In den den, zu Konzerten in Gütersloh. Franz agogik und nahm daneben schon er- Jahren 2006 bis 2009 unterrichtete sie Kiesl erwähnte, dass er in Moskau ei- folgreich an internationalen Wettbe- dann selbst an der Moskauer Skrjabin- nen Professor für Bajan kenne, nämlich werben teil. Konzertreisen führten Musikschule. Sie bereitete mehrere Wladimir Bonakow. Iosif sagte darauf: ihn durch die gesamte Sowjetunion, Konzertprogramme vor und nahm zwei »Das war mein Lehrer«. Und er erzähl- nach Indien, Deutschland und in die Solo-CDs auf. te, dass sich Bonakow und sein Vater Schweiz. In diese Zeit fallen auch die während des Studiums ein Zimmer ge- Anfänge der Kompositionstätigkeit für teilt hätten. sein Lieblingsinstrument.

Bereits mit 6 Jahren begann Bonakow Prof. Bonakow verfolgt konsequent mit dem Akkordeonspiel. Er absolvier- sein künstlerisches Ziel, die gesamte te die Musikhochschule in Tallinn in Palette der Musik vom Barock bis zur den Fächern Bajan und Klavier und Moderne für das Bajan umzugestalten, entschied sich letztlich für das Bajan, um das Instrument »akademisch«, das heißt zu einem Konzertinstrument zu machen. Dazu musste er die klassi- sche Musik in seinen Transkriptionen faktisch neu aufbereiten. In den 70er Professor Wladimir Bonakow und Iwan Sokolow Jahren erfüllte sich Prof. Bonakow mit konzertieren in der Matthäuskirche der Gründung der ersten akademische Bajanschule Russlands einen Lebens­ traum.

Beim sechsten Konzert der Moskau- Seit 2009 lebt Nastja in Deutschland er Bajan-Virtuosen im April 2011 und studiert zurzeit an der Musikhoch- herrschte in der Matthäuskirche »Rus- schule in Hannover bei Frau Prof. Mo- sische Atmosphäre pur«. Der Chor ser. Ihre aktuelle Zusammenarbeit mit »Russkaja Duscha« des Gütersloher dem Theater Bielefeld führte zu den Vereins »Wasilissa.« eröffnete die Ver- Kontakten mit dem Forum Russische anstaltung. Die 30 Sängerinnen und Kultur und dem deutsch-russischen Sänger in folkloristischer Kostümen Verein »Wasilissa« in Gütersloh. trugen unter Leitung von Irina ­Hörner russische Volkslieder vor. Dieser Auf- Es war für die beiden Moskauer Bajan- tritt brachte zusätzliche »russische Virtuosen und für Nastja Skindzerava ­Atmosphäre«. Das abwechslungsrei- sichtlich eine Freude, sich bei diesem che Programm begeisterte die 200 Be- Konzert kennengelernt zu haben. Nastja Skindzerava erntete mit ihrem Akkor- sucher von der ersten bis zur letzten deonspiel Applaus mit stehenden Ovationen. Minute.

36 Darbietungen, Kostüme und Bühnenbild lassen IVUSHKA den Besucher Tradition und Kunst erleben

m Dezember 2008 besuchte Franz Kiesl mit Beiratsmitglied Heinz Pastel lage tanzten Kinder im Alter ab 6 Jahren eine Aufführung des Ensembles »IVUSHKA« in Bad Meinberg. Sie wollten russische Volkstänze. Manche Besucher Iwissen, ob das Forum etwas versäume, wenn die russischen Künstler nicht fragten sich wegen der hohen Qualität in Gütersloh auftreten würden. Beide waren begeistert vom Gesang, vom Tanz, der Vorträge, ob das wohl schon Be- von der Akrobatik, von den Kostümen und vom Bühnenbild. Noch am gleichen standteil des Programms sei. Aber diese Abend war der Vorsatz gefasst, Veranstaltungen von »IVUSHKA« mit ins Pro- Darbietungen hatten mit IVUSHKA gramm des Forums aufzunehmen. Um dieses Vorhaben auf eine breite Basis zu noch nichts zu tun. Franz Kiesl hatte stellen, sollte es ein Gemeinschaftsprojekt mit der Stadthalle werden. die Idee, den Konzertbesuchern einen Einblick in das Kulturprogramm des Vereins »Wasilissa«, dem Verein der Russlanddeutschen im Kreis Gütersloh, zu geben. Das Vorprogramm hielt die Keine Regel ohne Ausnahme: Wenn es pathie entgegen bringt. Die Künstler Besucher so gefesselt, dass viele erst auch grundsätzlich die Regel des Fo- sollten anschließend sagen: »In Gü- beim dritten Klingelzeichen ihre Plätze rums ist, erst eine Beziehung zu schaf- tersloh hat es uns am besten gefallen. einnahmen. fen und dann die Veranstaltung zu or- Da haben wir gemerkt, besonders will- ganisieren, wurde hier eine Ausnahme kommen zu sein.« In seiner Begrüßung sagte Franz Kiesl: gemacht. Aber fest stand auch, es soll »Jede Kultur hat ihre Heimat. Wer die für »IVUSHKA« in Gütersloh mehr Es gab ein Vorprogramm: Die Besu- vielfältige russische Kultur erleben und geben als anderswo. Zunächst sollte es cher der Musikrevue staunten nicht genießen möchte, der muss sie nach sicher sein, dass das Ensemble vor vol- schlecht, als sie im Foyer einen in hier holen oder zu ihr reisen. Unser Fo- lem Haus auftreten konnte. und dann russischer Folkloretracht gekleideten rum macht beides.« Er berichtete dem sollten die Künstler und ihr Chef auch 27-köpfigen gemischten Chor sahen, Publikum von seinem Gespräch mit Di- spüren, dass das Publikum ihnen Sym- der russische Volkslieder sang. Als Ein- rektor Dr. Alexander Popovitschev, dem

37 Gründer und Leiter von IVUSHKA Der Chor des Vereins »Wasilissa« fesselte die Besucher der Musikrevue »IVUSHKA« aus der 300.000 Einwohner zählenden Stadt Tambow. Auf die Frage an Dr. Popovitschev, ob die russische Kultur von der »russischen Seele« komme oder gibt es Lehrstühle für Instrumentalmu- Zur Musikhochschule gehören hand- die sprichwörtliche »russische Seele« sik, Gesang und Tanz. werkliche Betriebe, in denen die Ko- von der russischen Kultur geprägt wor- stüme nach Originalvorlagen gefertigt den sei, war seine Antwort einfacher Alexander Popovitschev gründete vor werden. Für die Tournee im Dezem- als erwartet, denn er sagte. »Das eine fast vierzig Jahren mit zahlreichen ber 2010 brachte das Ensemble allein kommt vom andern.« Absolventen und Dozenten der Mu- über 300 Trachten und Uniformen mit. sikhochschule das Ensemble »IVUSH- Auch der prächtige Kopfschmuck und Das 40-köpfige Ensemble »IVUSH- KA«. Motivation dazu waren die die traditionellen Tanzschuhe werden in KA« war 2009 und 2010 im großen gemeinsame Freude am Musizieren, eigenen Werkstätten gefertigt, genau so Saal der Stadthalle zu Gast, und zum Singen und Tanzen und ihr Traditi- wie die Kulissen und übrigen Dekora- dritten Mal trat es am 8. Dezember onsbewusstsein. Unentwegt wurde an tionen. 2011 auf. Franz Kiesl begrüßte Prof. der Perfektion gearbeitet. Das Ergeb- Dr. Alexander Popovitschev schon nis sind ständig überarbeitete Revue- Anders als anderswo sind in Gütersloh beim zweiten Mal wie einen Freund Programme, die den Besuchern immer auch die Eintrittspreise für die Re- mit einer Umarmung aus Freude über wieder Neues bieten. vue; sie liegen zwischen 13 und 19 €. das Wiedersehen und drückte damit Franz Kiesl dazu: »Bei der Kalkulation seine Anerkennung über dessen große Hätte sich 1972 jemand in Deutsch- der Eintrittspreise legt der Veranstalter Leistung aus. land vorstellen können, dass in jener eine geschätzte Besucherzahl zugrunde. Zeit sich in der Sowjetunion ein En- Ist sie niedrig, muss der Preis hoch an- 1972 wurde Alexander Popovitschev semble zum Musizieren, Singen und gesetzt werden. Ist sie hoch, kann der aus Lipzek künstlerischer Leiter der Tanzen und zur Erhaltung der Tradi­ Preis niedrig sein. Wir waren von An- Musikhochschule der Stadt Tambow, tion hätte gründen können? Auf der fang an sicher, mit einer großen Zahl die den Namen des großen Kompo- Mitgliederversammlung des Forums von Besuchern rechnen zu können und nisten Sergej Rachmaninov trägt. In im Mai 2011 wurde beschlossen, bei haben auch so kalkuliert – und unsere Tambow hatte Sergej Rachmaninov der Veranstaltung im Dezember 2011 Rechnung ging auf, denn wir hatten eine Sommerresidenz und war dort Alexander Popovitschev zum Ehren- jedes Mal mehr als 800 Besucher im auch kreativ tätig. An der Akademie mitglied des Forums zu ernennen. Saal.«

38 Deutsch-Klub in Ufa

ine hoch interessante Beziehung begann im April 2005 mit einer Mail von Dr. Olga Kopaneva aus Ufa. Sie schrieb, dass sie auf das Forum über die EInternetseite des Vereins gestoßen sei, und stellte das »Deutsch-Cafe« in Ufa vor, in dem deutschsprachige Studentinnen und Studenten zusammen mit ihren Deutschlehrerinnen wirken. Franz Kiesls erste Frage an Frau Kopaneva war: »Wo liegt denn Ufa«? Schon ein paar Stunden später bekam er eine sechs- Die erste Begegnung: Dr. Olga Kopaneva und seitige Information über Baschkortostan und seine Hauptstadt Ufa am Fuße Franz Kiesl in der Russischen Botschaft des Urals. Franz Kiesl war natürlich erfreut, einen neuen Kontakt gefunden zu haben und seine Russlandkenntnisse erweitern zu können. Mitte Mai kam von Olga Kopaneva die Nachricht, dass dem Projekt »Deutsch-Cafe« im Juni in Berlin der Förderpreis des Deutsch-Russischen Forums in Höhe von 2.500 €, gestiftet von der Robert-Bosch-Stiftung, verliehen werde. Zu diesem feierlichen fel, dem Initiator der dortigen Bücher- Anlass trafen sich Franz Kiesl und Olga Kopaneva in der Russischen Botschaft börse, zusammengestellt worden war. zum ersten Mal. Natürlich hatte Dr. Olga Kopaneva Gelegenheit, in einer Vortragsveran- Franz Kiesl nahm für das Forum eine Sprachseminaren nach Deutschland. staltung mit visueller Unterstützung Ehrenurkunde in Empfang, mit der Aus Kostengründen nehmen dabei die im Konferenzraum der Stadthalle vor das Wirken des Vereins gewürdigt wur- jungen Russen sogar tagelange Eisen- mehr als sechzig Besuchern über De- de. Für ihn war klar, dass Olga Kopane- bahnfahrten auf sich. tails aus ihrer Heimat zu berichten. In va im Anschluss an die Preisverleihung dieser Informationsveranstaltung gab nach Gütersloh kommen müsse. Sie Es gibt darüber hinaus in Ufa recht Franz Kiesl bekannt, dass das Forum in hielt vor 30 Teilnehmern einen Vor- viele Menschen, die Beziehungen nach Gütersloh eine Veranstaltungsreihe »Be- trag in der Volkshochschule, in dem Deutschland haben und Deutschland gegnungen mit der russischen Literatur« sie über die Gründung des »Deutsch- besuchen, wenn es die Zeit und der beginne werde. Olga Kopaneva über- Klubs«, dessen 1. Vorsitzende sie von Geldbeutel erlauben. reichte Franz Kiesl eine Urkunde des Anfang an ist, berichtete. Der Verein »Deutsch-Klubs«, in der es heißt, dass fördert die Festigung der Kultur-, Wis- Eine Reisegruppe des Forums war im es den Vorstand sehr freue, in der Stadt senschafts- und Wirtschaftsbeziehun- Juni 2006 zu Besuch in Ufa. Darüber Gütersloh und Umgebung Menschen gen. Er motiviert Jugendliche zum ist im Kapitel »Reisen« mehr zu le- zu wissen, die sich mit Themen Russ­ Erlernen der deutschen Sprache, zum sen. Seit diesem Besuch bestand der lands beschäftigen, ein abwechslungs- Kennenlernen der deutschen Tradi- Wunsch, eine Einladung nach Gü- reiches Programm gestalten und viele tionen und des Kulturlebens, um die tersloh zu bekommen, immer wieder Kontakte nach Russland vermitteln. historisch gewachsenen Verbindungen Thema bei den Treffen des »Deutsch- In einem Brief spricht Olga Kopaneva zwischen Deutschland und Russland Klubs«. Im März 2007 wurde das im Namen des Vorstands ihre Aner- zu festigen. Im »Deutsch-Klub« wer- Programm für den Aufenthalt einer kennung für die bisherigen Erfolge des den die typisch deutschen Feste so Gruppe konkret geplant, und neun Forums aus und verbindet damit den gefeiert wie in Deutschland – so zum Mitglieder kamen auf Einladung des Wunsch, dass sich die Kontakte in näch- Beispiel Ostern, Weihnachten und das Forums im Juni 2007 nach Gütersloh. ster Zeit so erfreulich weiter entwickeln Münchner Oktoberfest. Sie wurden in deutschen Gastgeber­ werden. familien herzlich aufgenommen und Am Vortag hatte Olga Heckenkemper erlebten so sehr intensiv auch das All- Zu den Höhepunkten des Besichti- aus Gütersloh bei Franz Kiesl ange- tagsleben der deutschen Menschen. gungsprogramms gehörte für die Gä- rufen, weil sie Olga Kopaneva treffen »Von Tag zu Tag mehr entbrannte in ste aus Ufa der Besuch bei Miele. Die wollte. Sie hat nicht nur den gleichen unseren Herzen das Feuerchen der Geschichte der Entwicklung eines über Vornamen, sie ist auch in Ufa geboren. ­Liebe und Freundschaft zum gast- Generationen hinweg von zwei Un- Die beiden Damen verbrachten dann freundlichen, kulturreichen und geistig ternehmerfamilien persönlich geführ- einen ganzen Tag miteinander. verwandten deutschen Volk«, schrieb ten Betriebes werde bei den nächsten eine der jungen Teilnehmerinnen. Treffen des »Deutsch-Clubs« in Ufa Die Arbeit des »Deutsch-Klubs« führt mehrfach ein Thema sein. Die Studen- in der Tat dazu, das Interesse gerade Die Gäste lernten durch kundige tinnen Alisa Kutlucharina und Oksana junger Menschen an Deutschland zu ­Führungen Gütersloh, Wiedenbrück, Tzyganova waren von der Firma Miele fördern. In privater Initiative organi- ­Bielefeld und Oerlinghausen kennen. so beeindruckt, dass beide recht spon- siert zum Beispiel ein Dozentenehepaar In Oerlinghausen gab es ein umfang­ tan sagten: »Wenn Miele mal in Ufa ein seit einigen Jahren in den Sommerferi- reiches Begegnungsprogramm, das Verkaufsbüro eröffnet, dann bewerben en Gruppenreisen für Studierende zu vom Forummitglied Wilfried Holzap- wir uns.«

39 Wilfried Holzapfel, Initiator der Bü- cherbörse in Oerlinghausen, schickt seitdem Bücher nach Ufa. Irina Sle- sareva, Dozentin an der Fakultät für deutsche Sprache der Pädagogischen Hochschule, ist ihm für die Erweite- rung ihrer Bibliothek sehr dankbar.

Bereits im April 2006 hatte Olga Ko- paneva an Franz Kiesl geschrieben, dass die Studentin Alexandra Filonova, da- mals 16 Jahre alt, Einladungen zu Se- minaren in zwei verschiedenen Städten in Deutschland habe. Zwischen diesen beiden Veranstaltungen lägen zwei Wochen, für die sie um die Möglich- keit einer Einladung durch das Forum und der Unterbringung Alexandras bei Gastgebern nachfragen möchte. Sie er- hielt die Einladung und fand als Gast- geber das Ehepaar Leewe in Marienfeld. Gast und Gastgeber verstanden sich so Anastasia Belejewa, Alexander Kopanev, Dr. Olga Kopaneva, Dr. Anna Kopaneva, Tatjana Belajewa, prächtig, dass weitere Besuche folgten. Alisa Kutlucharina und Oksana Tzyganova (von links) vor dem Miele-Oldtimer. Nach Abschluss ihres Studiums in Ufa Nicht auf dem Foto: Deutschlehrerinnen Kadrija Sadykova und Rima Bajazitova war Alexandra bereits als Lehrerin in ihrer Heimatstadt tätig. Sie hatte aber matstadt nach Gütersloh. Beide be- Der Informationsaustausch zwischen den Wunsch, in Deutschland ihr Stu- richteten in einem Konferenzraum dem »Deutsch-Club« und dem Forum dium fortzusetzen. Dieser Wunsch ließ der Stadthalle über die Entwicklung ist sehr intensiv. Es besteht die Hoff- sich 2009 zuerst in Essen und dann in der Republik Baschkortostan. Für die nung, dass es gelingen wird, noch ein- Bielefeld realisieren. Wieder war sie Jugendlichen war auch dieses Mal der mal eine ausreichende Zahl von Teilneh- beim Ehepaar Leewe zu Gast. Besuch im Miele-Museum ein interes- mern für eine Reise nach Ufa zu finden. santer Programmpunkt. Während ei- Bei dem großen Engagement von Olga Dr. Olga Kopaneva war Ende März ner fachkundigen Führung lernten die Kopaneva und ihrer von Deutschland 2010 zum dritten Mal in Gütersloh. Studentinnen auch die Geschichte und begeisterten Mitstreiter gäbe es sicher Außer ihrer Schwester, die Ärztin ist, die jüngste Entwicklung der Stadt Gü- ein interessantes Programm und große kamen 15 Studentinnen ihrer Hei- tersloh kennen. Freude über den Besuch.

Taganrog und Rostov am Don

er Süden Russlands war für das Forum bis Anfang September 2007 ein »weißer Fleck auf der Landkarte«. Aber dann ergaben sich Beziehungen, Ddie nicht planbar gewesen wären. Es war einfach das große Glück, Na- talie Petrovskaya aus Taganrog als eine sehr kompetente Partnerin zu »finden«.

Natalie schreibt dazu: »Wie geschieht neues Internetportal »regionen.ru« es manchmal in unserem Leben? Wir aufzubauen. So wurde ich Mitglied ziehen an einem Faden und das Schick- der Gemeinschaft »Hallo, Deutsch- sal entwickelt unerwartet etwas Wich- land!«. Gleichzeitig fand ich zufällig tiges für uns: Eines Tages fand ich im im Internet die Informationen über die Internet eine interessante Information Existenz und die Aktivitäten des Fo- der Deutschen Botschaft. Es war ein rums Russische Kultur Gütersloh. Ein Natalie Petrovskaya Aufruf an alle ehemaligen deutschen bisschen aufgeregt las ich die Berichte Stipendiaten, die an verschiedenen über die Konzerte, die Mitglieder des men« aus Moskau. Besonders beein- deutsch-russischen Projekten teilge- Forums organisierten, und über die druckt haben mich die warmen Worte nommen hatten, dabei zu helfen, ein Zusammenarbeit mit den »Neuen Na- von Franz Kiesl, dem 1. Vorsitzenden

40 Auch der weltbekannte Geraldikfor- scher Lakier stammte aus Taganrog. Es gäbe über die Deutschen in der Stadt noch viel zu erzählen.

Wie es häufig unsere Gewohnheit ist: Um jemandem eine erstaunliche Ge- schichte zu erzählen und sein Interesse zu wecken, beginnt man mit den Wor- ten »Wissen Sie schon?«. Ich probiere es auch einmal: Liebe Freunde, wissen Sie schon, dass • der russische Zar Peter I . (der Große) zunächst im Jahre 1698 Taganrog zur Hauptstadt Russlands machen wollte, bevor St. Petersburg gegründet ­wurde? Hauptstraße in Taganrog • der russische Zar Alexander I., der Sieger über Napoleon, in Taganrog eine Sommerresidenz hatte und dort des Forums, über die Brücke zwischen Ohne einen Auftrag zu haben, habe ich starb? den Herzen unserer beiden Völker auf mich entschlossen, alles dafür zu tun, • der weltberühmte Schriftsteller Anton den Pfeilern der Kultur. Dieses Bild hat was ich kann. Meine ersten Besuche Tschechov in Taganrog geboren wur- mich tief in der Seele bewegt. galten der Redaktion von Radio Tagan- de und hier noch sein Geburtshaus, rog und unserer ältesten Musikschule. das Gymnasium, in dem er studierte, Während meines Aufenthalts in Dann folgten Gespräche mit Bankiers das Theater, das er besuchte, und die Deutschland im Sommer 2007 be- und anderen Geschäftsleuten, Journa- Häuser der Helden seiner Geschichte suchte ich mit meinen Freunden in listen, Studenten und Museumsmitar- zu besichtigen sind? Gütersloh die Musikschule Ligensa, beitern, alle waren nahe Freunde und • die schönsten Frauen Russlands in von der ich auf der Internetseite er- Bekannte. Ohne Ausnahme sind sie be- Taganrog leben? Das ist von allen an- fahren hatte, und hinterließ dort als reit, mich zu unterstützen, das konnte erkannt.« meine Anerkennung für die Arbeit des ich ihren Gesichtern ansehen, und sie Forums eine CD mit meinen Liedern tun es bereits. Dieser Brief offenbarte überzeugend für Herrn Kiesl. Ich hatte einen großen das Wesen der Verfasserin, und Franz Wunsch, und wenn man einen großen Deutsche spielten eine wichtige Rolle Kiesl zweifelte keinen Augenblick dar- Wunsch hat, muss man immer recht- Das spricht dafür, dass bei uns in Russ­ an, dass sich mit Natalie Petrovskaya zeitig »Danke« sagen. Und es passierte land die Deutschen geschätzt werden eine erfolgreiche Beziehung aufbauen noch etwas Besonderes: Auf unserer als gute Nachbarn oder sogar als nahe ließe – zum Vorteil vieler Menschen im Fahrt zur Musikschule flog eine Taube Freunde. Wie kann man das erklären? Süden Russlands und in Deutschland. plötzlich eine Weile vor uns her, und Taganrog ist dafür ein besonderes Bei- Und genau so kam es auch. da wusste ich, »du bist auf dem rich- spiel in der russischen Geschichte. In tigen Weg zum Forum«. Nach einiger früheren Zeiten besaß die Stadt den Damit Menschen in der Region Gü- Zeit bekam ich einen Dankesbrief von größten Hafen, und in der Region Tan- tersloh etwas über Natalie Petrovskaya Herrn Kiesl. ganrog entwickelten sich 96 deutsche direkt erfahren konnten, von ihrer Lie- Ansiedlungen. In der Folgezeit haben be zu den Deutschen und ihrem Inter- Das kam völlig unerwartet für mich, Deutsche eine wichtige Rolle in der esse an ihnen, von ihrer Gesinnung und und ich war angenehm überrascht. Aus Stadt gespielt. Zum Beispiel wurden im ihrem Können, lud das Forum sie nach dem Inhalt des Briefes konnte ich eine 19. Jahrhundert viele bedeutende Ge- Gütersloh ein. Sie erlebte Weihnachten echte Herzlichkeit und einen tiefen bäude von den deutschen Architekten und Silvester in Deutschland, und es Sinn für Kultur entnehmen. Stackenschneider und Schechtel errich- gab mit ihr eine Veranstaltung, in der tet. Noch heute erinnert eine der Tag- sie viel Interessantes über ihre Heimat Dieses Gefühl von Freundlichkeit er- anroger Biersorten, Baziner genannt, berichtete und als Sängerin russische weckte Vertrauen in mir. So schrieb ich an die deutschen Brüder Oskar und Romanzen und Lieder sang. Franz Herrn Kiesl zurück und beschrieb ihm Hermann Baziner, die hier im 19. Jahr- Kiesl wollte auf diese Weise Menschen unsere alte und berühmte Stadt Tagan- hundert mehrere Werke besaßen. für Taganrog interessieren, denn es war rog, die häufig als eine Perle der Kultur sein Plan, für Mai 2009 eine Gruppen- Russlands bezeichnet wird. Natürlich Gut bekannt ist auch der Name Kamp­ reise nach Taganrog zu organisieren. Er erwähnte ich auch, wie schön es wäre, hausen. Er war in den Jahren 1805 ahnte, dass es ein erlebnisreiches Pro- etwas Neues und noch Unbekann- bis 1809 Bürgermeister der Stadt gramm geben werde. Im Kapital »Rei- tes aus Russland zu berichten, um bei und später Minister in der russischen sen« wird über diese bemerkenswerte den Mitgliedern des Forums Interesse ­Regierung. Viele Verwandte der be- Reise ausführlich berichtet. zu wecken, einmal unsere historische rühmten Märchenschriftsteller Gebrü- Zur Zeit des Aufenthalts von Natalie Stadt kennenzulernen. der Grimm haben in Taganrog gelebt. gab es im Gütersloher Veerhoffhaus eine

41 Franz Kiesl hatte Lena Ljamkina ken- Franz Kiesl vermittelte einen Kontakt nen gelernt, die beim Besuch als Über- zur Malschule »ARTige Kinder« in setzerin tätig gewesen war. Er erfuhr, Gütersloh und deren Leiterin Swetla- dass sie Kinderchöre leitet, als Chor- na Samsonowa. Swetlana Sergeewa aus mitglied orthodoxe Liturgie singt und Taganrog kam dann im Sommer 2010 als Sopranistin über ein großes Reper- nach Gütersloh. toire verfügt. Mit den Worten: »Ich kenne eine Elena in St. Petersburg, die Die beiden Swetlanas besuchten nicht sowohl beruflich als auch in ihrem We- nur Köln, Dresden und weitere sehens- sen zu Ihnen passt. Diese Elena sollten werte Städte, sondern sie malten auch Sie kennen lernen«, lud er sie nach Gü- interessante Motive in der näheren Um- tersloh ein. Die beiden jungen Damen gebung von Gütersloh. Danach gab es Natalie Petrovskaya und Nikolaus Prinz zu Bentheim-Tecklenburg beim Besuch der Ausstel- gaben im Januar 2010 zum orthodo- eine Ausstellung mit Bildern dieser bei- lung im Veerhoffhaus xen Weihnachtsfest in der Gütersloher den Künstlerinnen, die viel Zuspruch Matthäuskirche ein Konzert und begei- fand.Und aufgrund der Erlebnisse der sterten zusammen mit der St. Peters- Reisegruppe wählte Franz Kiesl für die Präsentation der Werke von ­Nikolaus burger Geigerin Ekaterina Grandjean Mitwirkung an der Gütersloher »Euro- Prinz zu Bentheim-Tecklenburg, die der mehr als 150 Konzertbesucher. päische Kulturwoche RUSSLAND« im Gast aus Taganrog, vom Prinzen zu Ben- Oktober 2010 die Künstler aus Tagan- theim geführt, besuchte. Eine weitere »Zusammenführung« rog, Rostov am Don und Samarskoje. gab es durch die Taganrog-Reise: Die Aus der erlebnisreichen Gruppenreise Gruppe hielt sich einen Vormittag lang Darüber wird berichtet im Kapitel im Mai 2009 entwickelten sich weitere in der Malschule auf, die von Swetlana »Russische Kulturwochen«. Beziehungen. Sergeewa geleitet wird.

Pianist Pervez Mody

ervez Mody wurde für den 6. Mai 2009 zu einem Konzert des Forums eingeladen, weil ihm sein guter Ruf vorauseilte. Mody stammt aus Bom- Pbay, aber besonders geprägt hat ihn sein siebenjähriger Aufenthalt in Russland und das Studium als Stipendiat des weltberühmten Tschaikowskij- Konservatoriums bei seiner Lehrerin Fyodorova. Auf seine Moskauer Zeit blickt Pervez Mody mit Dankbarkeit zurück, da er in der dortigen hochklassi- gen Ausbildung intensiv mit der ganzen Breite der europäischen Musikkultur vertraut gemacht wurde.

Seine Lehrerin in Moskau prophe- ­nationalen und internationalen Wett- Pervez Mody ist in Gütersloh ein gern gesehener zeite ihm »eine leuchtende Zukunft« bewerben. Gast und beurteilte seine Interpretationen als »künstlerisch eingehend und tem- Matthias Gans schrieb in der »Neu- sieren, das im Mai 2011 stattfand. Aus peramentvoll«. Daneben bescheinigte en Westfälischen« nach dem ersten Modys Moskauer Studienzeit stammt sie ihm eine »anziehende Bühnenprä- Konzert: »Zwei Meister und ihre Vor- seine intensive Hinwendung zu dem senz«. Sein nachfolgendes Studium an bilder – Musik verbindet Nationen« russischen Komponisten Alexander der Hochschule für Musik in Karlsruhe hatte der sympathisch-uneitle Künst- Skrjabin (1872–1915), dessen Werke schloss er mit höchsten Auszeichnun- ler sein sinnfällig zusammengestelltes einerseits wegen ihrer unkonventionell gen und dem Diplom »Master of Fine Programm überschrieben. »Lyrischen freien Gestaltung nur schwer zu deuten Arts« ab. Zahlreiche Einladungen zu Stücken« des Norwegers Edvard Grieg sind, andererseits aber dem Interpre- Solo- und Orchesterkonzerten in Euro- wurden Werke des Amerikaners Ed- ten einen weiten gestalterischen Raum pa, Asien und Südamerika folgten nach ward McDowell gegenübergestellt, der bieten, was den musikalischen Inten- Abschluss seiner Studien. Zusammen Pole Frederic Chopin traf auf den Rus- tionen Modys entgegenkommt. Es mit Isabell Steinbach, Violine, grün- sen Alexander Skrjabin«. überraschte daher nicht, dass Skrjabin dete er 2002 das erfolgreiche »Duo das Programm des zweiten Konzerts Appassionata« und war zeitweise Lehr- Der Erfolg des ersten Konzerts mit bestimmte. Neben den Sonaten Nr. 2 beauftragter an der Musikhochschule Pervez Mody in Gütersloh war denn op. 19 und Nr. 7 op. 64 kamen Etü- Karlsruhe. Eine Reihe seiner dorti- auch der Anlass, zur Freude der Musik- den aus op. 42 und die Preludien op.17 gen Schüler sind bereits Preisträger in freunde ein zweites Konzert zu organi- zum Vortrag.

42 Abgerundet wurde das Konzert durch Nr. 1 op. 23 und von Franz Liszt Con- Gütersloh Werke von Schubert, Schu- Werke zweier Komponisten, die – wie solation Nr.3 und den Mephisto Wal- mann und Liszt. Für die Teilnehmer an Skrjabin selbst – exzellente Klaviervir- zer Nr. 1 ausgewählt. der Eröffnungsveranstaltung war diese tuosen waren und Vorbildcharakter für halbe Stunde am Flügel eine freudige sein musikalisches Schaffen hatten. Pervez Mody hat Franz Kiesl einen Überraschung. Mody nahm für seinen Wunsch erfüllt. Er präsentierte im musikalischen Beitrag kein Hono- Mody hat dazu von Frederic Chopin Namen des Forums bei der Eröffnung rar, denn es sollte – wie er sagte – ein die Mazurken op. 74 und die Ballade der »Europa-Woche« im Kreishaus »Freundschaftsdienst« sein.

Meisterpianist Vadim Palmov

uf den Meisterpianisten Vadim Palmov wurden wir von unserem Mitglied Scarlatti, Beethoven. Die Vorliebe für Arthur Böpple aus Herford aufmerksam gemacht, der schon seit einigen die Romantiker Chopin, Schubert, AJahren Beziehungen zu Palmov hat und in anderen Städten Konzerte Liszt und Schumann übernahm Palmov für ihn organisierte. Wenn Franz Kiesl erfährt, dass ein Russe, von dem hohe von seinem Lehrer Nathan Perelman, Qualität zu erwarten ist, in Gütersloh ein Konzert geben möchte, dann ist sein der in Russland vor allem aufgrund sei- ­Interesse geweckt. So war es auch mit der Empfehlung von Herrn Böpple. ner außergewöhnlichen Interpretation der romantischen Musik berühmt ist.

Vadim Palmov zählt zu den renom- Schostakowitsch-Schüler Vadim Biber- In seinem Repertoire ist eine große An- mierten Pianisten Russlands und gilt gan. Seit Jahren spielt er auch mit sei- zahl von selten gespielten Musikwer- als herausragender Interpret und Ken- nem Sohn Igor Palmov in einem Duo, ken des 20. Jahrhunderts: Konzerte für ner romantischer Musik. Er studierte das 2001 Preisträger bei dem »Wolf- Klavier und Orchester von Schönberg, bei Nathan Perelman in St. Petersburg gang Jacobi Internationalen Wettbe- Martinu, Blacher, Villa-Lobos und und ist seither sowohl durch zahlreiche werb« in München wurde. Als Solist Mossolow, das Konzert von Strawinsky Auftritte in den Ländern der ehema- konzertierte Palmov mit führenden für Klavier, Blasinstrumente, Posaunen ligen Sowjetunion als auch im west- Sinfonieorchestern Russlands. und 3 Kontrabässe, die Sonate von Sal- lichen Ausland bekannt geworden. manow für Klavier und Streichinstru- Legendär sind seine Auftritte im Duo Seine künstlerischen Interessen sind mente. Sein umfangreiches, sich stän- mit dem russischen Komponisten und mannigfaltig: Bach, Mozart, Haydn, dig erneuerndes Repertoire ermöglicht

43 ihm, dutzende Solokonzerte in einer Sinfonische Orchester der Ekaterinbur- Vom Konzert mit Vadim Palmov im Spielsaison in Europa und Russland zu ger Philharmonie. Mai 2010 sprach das Publikum noch geben sowie mit renommierten Orche- lange. Die positiven Erinnerungen stern zu spielen; darunter sind das Sin- Palmov betätigte sich auch als Organi- waren der Anlass, den Pianisten für ei- fonische Orchester der St. Petersburger sator und künstlerischer Direktor von nen erneuten Auftritt am 11. Oktober Philharmonie und das Staatliche Sin- diversen Festspielen in Russland. Seit 2011 zu engagieren. Der Bericht in den fonische Orchester St. Petersburgs un- 2005 ist Vadim Palmov Artdirector des Tageszeitungen gibt die Begeisterung ter Leitung von Ravil Martynow (mit Anton Rubinstein Festival in St. Pe- des Publikums wider. diesem wurden von Vadim Palmov alle tersburg und seit 2007 unter anderem Klavierkonzerte von Beethoven in der Dozent an der Musikhochschule Karls- Saison 1997-1998 gespielt) und das ruhe.

44 Cellist Mark Varshavskij und Cellistin Christine Lacoste

ikolaus Prinz zu Bentheim-Tecklenburg machte das Forum Russische Kultur auf die beiden Cellisten, mit denen er seit vielen Jahren eng be- Nfreundet ist, aufmerksam. Im ersten Konzert eines freien Veranstalters, das im März 2010 in der Studio-Bühne des neuen Theaters stattfand, waren die 150 Plätze restlos ausverkauft.

Cello-Duette gehören nicht zuletzt des- häusern, sowie Meisterkurse in Wien, wegen zu den selten gespielten Werken an der Menuhin Musikakademie und der Kammermusik, weil die Interpreta- der Ecole Normale in Paris. Als vielsei- tion ein äußerst sensibles Zusammen- tiger Musiker betätigt er sich auch als spiel und hohe Musikalität verlangt. Dirigent, sowie als Begleiter am Kla- Christine Lacoste und Mark Varshavs- vier. Er ist Jurymitglied von Wettbe- ky ließen dieses in hervorragender Wei- werben der ARD in München und von se erkennen. Das Duo wurde ergänzt V. Bucchi in Rom. durch die Pianistin Irina Gorgadze. Konzertpianistin Irina Gorgadze begleitete das Christine Lacoste ist in Basel aufge- Cellisten-Duo. Daraus wurde ein Freundschaft. Im ersten Teil des Konzerts kamen wachsen. Sie erwarb nach dem Lehrdi- Werke von Michail Glinka, Robert plom in Basel an der Accademia de San- Schumann und Sergej Prokofiev zum ta Cecilia in Rom das Solistendiplom Vortrag. Nach der Pause standen Kom- und studierte weitere Jahre bei André positionen von Carl Maria von We- Navarra an der Hochschule für Musik rium berufen. Sie ist Preisträgerin meh- ber, Franz Schubert, Igor Strawinsky, und Darstellende Kunst in Wien. Es rerer Wettbewerbe und Teilnehmerin Alexander Skrjabin, Nicolai Rimski- folgten Engagements in Orchestern in verschiedener Meisterkurse. Als Kam- Korsakov und Peter Tschaikowsky auf Rom, als Cellosolistin in Florenz und mermusikerin trat sie mit vielen bedeu- dem Programm. Christine Lacoste ver- Verona. Sie spielte als Solistin und in tenden Musikern auf. mittelte in ihrer Moderation den Besu- verschiedenen Formationen bei inter- chern Wissenswertes über die Kompo- nationalen Festivals, unter anderem in Das Konzert der drei Künstler in Gü- nisten und die vorgetragenen Werke. Wien, Salzburg, Paris, Mailand, Lon- tersloh war auch das Ergebnis eines don, St. Petersburg, Riga, Bratislava fruchtbaren Zusammenwirkens mit Mark Varshavsky erhielt seine Ausbil- und in Australien. Christine Lacoste dem Fürstenhaus, mit dem Ehepaar dung am Konservatorium in Moskau. spielt gern zeitgenössische Musik. Eini- Vdovkin und der dem Forum bereits Auf den zahlreichen Tourneen in seiner ge ihr gewidmete Kompositionen trug gut bekannten Pianistin Irine Gorgad- Heimat erfuhr er hohe Anerkennung sie als Erstaufführungen vor. Mehrere ze, die die beiden Cellisten hervorra- durch das Publikum, die Kritik und ihrer Konzerte wurden von Rundfunk gend ergänzte. von Komponisten, darunter Dmitrij und Fernsehen aufgezeichnet. Wichtig Schostakowitsch. Nach seiner Emigra- ist ihr auch die pädagogische Tätigkeit. Die Künstler wohnten in Herzebrock tion folgten Konzerte in europäischen im fürstlichen Anwesen, sie hielten ihre Städten, unter anderem in Rom und Irine Gorgadze, geboren in Georgien, Proben ab im Haus des Ehepaars Vdov- Paris, zusammen mit Y. Menuhin, M. lebt seit 2001 in Deutschland und ar- kin, das Mitglied des Forums ist, und Gendron, J. Demus. Er nahm an wich- beitet als Korrepetitorin, Konzertpiani- spielten – im wahrsten Sinne des Wor- tigen Festivals teil, insbesondere in stin und Musiklehrerin. Im Anschluss tes – gut zusammen. Die Pianistin Irine Wien, Mailand und Gstaad, am Carin- an ihr Studium am Staatlichen Sara- Gorgadze hatte sich vor dem Konzert thischen Sommer und am Festival de djishvill Konservatorium Tiflis absol- zweimal in Basel zu Proben aufgehal- Paris. Erwähnenswert sind außerdem vierte sie erfolgreich ein Aufbaustudi- ten. Über jede der Begegnungen freu- Schallplatten- und Radioaufnahmen um und wurde nach dessen Abschluss ten sich die drei, die inzwischen Freun- bei fast allen europäischen Rundfunk- sofort als Dozentin an das Konservato- de geworden waren.

45

Besuche in Susdal

ieses Th ema steht in unmit- telbarem Zusammenhang mit Dden Beziehungen des Forums zur Stiftung »Neue Namen« in Mos- kau. Ihm soll aber ein besonderes Kapitel gewidmet werden, weil es die Bedeutung der Meisterkurse während der Sommerschulen in Susdal für die Breite und die Qualität der Aktivitä- ten der Stiftung off enbart. Eine Ansicht der Stadt Susdal Die erste Einladung der Stiftung »Neue Namen« an das Forum Russi- sche Kultur nach Susdal vom 16. bis 22. Juli 2001 wurde für Franz Kiesl merferien gibt es zweimal zweiwöchige Efi mat, der Gouverneur des Wladimir- eines seiner größten Erlebnisse. Vor Meisterkurse für Musiker, Maler und Bezirks, Nikolaj W. Winogradow, die der Abfahrt in die 230 km südöstlich Dichter. Die Teilnahme an der Eröff - stellvertretende Stadtdirektorin Susdals, von Moskau gelegene Stadt, die zum nungsveranstaltung vermittelte einen Alla S. Zaikowa, der Direktor der Sus- »Goldenen Ring« gehört, besuchte Eindruck von der Bedeutung und daler Musikschule, Eugen J. Andrejew, er die Neurochirurgische Burdenko- Wertschätzung der Stiftung. Die fei- der stellvertretende Vorsitzende der Klinik in Moskau, um eine Spende erliche Eröff nung fand im Konzertsaal Russischen Kulturstiftung, Konstantin über 1.000 US-$ zu überbringen. des Touristikzentrums statt. Präsiden- P. Worobjow, die Gattin des japanischen tin Iwetta N. Woronowa begrüßte Botschafters in Moskau und der Vor- Eigentlicher Anlass für den Besuch war zunächst die offi ziellen Gäste. Es wa- sitzende des Forums Russische Kultur die »9. Sommerschule« der Stiftung ren der Generaldirektor des »Touri- Gütersloh e. V. Die Präsidentin Wo- »Neue Namen«. Während der Som- stikkomplexes Susdal«, Wladimir J. ronowa bezog in ihre Begrüßung auch alle Pä dagogen, die jugendlichen Teil- nehmer und die Vertreter der TV- und Print medien ein.

Susdal – Stadt des Goldenen Rings Die Meisterkurse der »Neuen Namen« sind in Russland ein angesehenes natio- Als »heiligen Ort« bezeichnen die Russen Susdal. Mit 12.000 Einwohnern hat nales Kulturereignis, zu dem Journali- Susdal eher das Format eines Dorfes. Es ist die Geschichte, die den Ort zum sten, Fotografen und Kameraleute von »Goldenen Ring«, also zu der Reihe der ersten Städte Russlands, die sich an zwölf Mediengesellschaften angereist dem bedeutenden Handelsweg nordwestlich von Moskau bis zur Wolga er- waren. Tatjana A. Gaidamowitsch, Pro- strecken, hinzu fügte. fessorin am Moskauer Konservatorium, 1024 erstmals urkundlich erwähnt, entwickelte sich die Stadt rasch zu einem eröff nete die Sommerschule im 1967 bedeutenden politischen und wirtschaftlichen, später auch geistlichen Zen- erbauten Touristikzentrum, das über trum. So entfi elen 1573 auf 400 Gehöfte allein 49 Kirchen. Obwohl Susdal 500 Zimmer verfügt und jährlich von im 16. Jahrhundert durch Plünderungen, Flammen und die Pest mehrmals mehr als 500 000 Gästen besucht wird. fast völlig zerstört wurde, bauten seine Bewohner den Ort immer wieder neu und prächtig auf. Nachdem Stalin zehn Kirchen schleifen ließ, zieren noch 30 Kirchen und 15 Klosteranlagen den beschaulichen Ort, der mittlerweile zum Weltkulturerbe zählt. Susdal ist ein einziges Freilichtmuseum. Die Holzhäuser aus dem 18. Jahr- hundert, die Katharina II. nach europäischem Vorbild in ausgewählten Orten errichten ließ, dürfen in ihrer Substanz nicht verändert werden, Neubauten haben strengen Kriterien zu genügen. Geschichtsbewusst geben sich die Susda- ler, mittlerweile überwiegend Rentner, auch hinsichtlich der kommunistischen Diktatur. Die breiteste Straße im Ort ist immer noch die Leninstraße, die am Lenin-Platz mit einem überlebensgroßen Lenindenkmal vorbeiführt. Matthias Gans Auf der Plakette des Flügels ist zu lesen, dass das Forum Mitstifter ist.

47 Tatjana A. Gaidamowitsch gilt mit ih- Nach dem Konzert fand ein Gespräch ren 83 Jahren als Mutter der Sommer- zwischen dem stellvertretenden Vorsit- schule. Sie gab den jungen Menschen zenden der Russischen Kulturstiftung, den Rat, Respekt vor ihren Pädagogen Konstantin P. Worobjow, und Franz zu haben, weil sich dadurch die eigene Kiesl statt. Worobjow arbeitet seit 1991 Persönlichkeit gut entwickeln werde. in der 1989 von Michail Gorbatschow gegründeten Kulturstiftung, die direkt Vor dem Konzert sprachen die offizi- dem jeweiligen Präsidenten unterstellt ellen Gäste vor den 400 Zuhörern ihre ist. Nach seiner eigenen Darstellung Grußworte. Franz Kiesl berichtete von schätzt er die Arbeit des Forums, da der überaus großen Wertschätzung, ihm der gegenseitige Kulturaustausch die die »Neuen Namen« in Gütersloh besonders am Herzen liegt. Er ist be- genössen. Die Konzerte im Oktober strebt, dass die Russen mehr als bisher 1998, im November 1999 und im von der deutschen Kultur erfahren, September 2000 seien eine gelungene und sagte die Unterstützung der Rus- Präsentation des großen Könnens der sischen Kulturstiftung für den Fall zu, von der Stiftung geförderten jungen dass das Forum den Besuch deutscher Künstler gewesen. Im 2. Halbjahr 2001 kultureller Gruppen in Russland orga- kamen zur Feier des 10-jährigen Beste- nisierte. hens des Forums insgesamt 44 russi- sche Künstlerinnen und Künstler und Am dritten Tag der Sommerschule ihre Begleitung nach Gütersloh und fand vor jugendlichen Zuhörern und lebten dort zwischen 4 und 6 Tagen in Gästen eine Konferenz der Päda­ deutschen Familien. Konstantin P. Wo- gogen statt, die von Tatjana A. Gai- Pädagogen und Schülerinnen nach getaner Arbeit robjow, stellvertretender Vorsitzender damowitsch in ihrer Funktion als vor dem Touristikzentrum in Susdal. Zweiter von rechts: Professor Eduard Gratsch, der Russischen Kulturstiftung, nahm Professorin des Moskauer Staatlichen der 1995 und 1996 in Gütersloh war. diese Information zum Anlass für ein Konservatoriums geleitet wurde. Die Erste von links: Nina Luminadze war mit den ausführliches Gespräch, über das in Teilnehmer dieser Gesprächsrunde »Neuen Namen« im September 2000 in Gütersloh. einem der nächsten Absätze berichtet berichteten über Besonderheiten ihrer wird. Laufbahn, über ihre Erfahrungen und über die Perspektiven für die Zukunft, Konzertflügel gestiftet die sie sehen oder schaffen wollen. Es Besonders beachtet wurde am Eröff- war ein Austausch wertvoller Informa- Bei den Besuchen einiger der Meister- nungsabend die Übergabe eines Flü- tionen zwischen wichtigen Persönlich- kurse, die in der Musikschule neben gels an die »Neuen Namen«. Finanziert keiten des russischen Kulturlebens, dem Susdaler Kreml stattfanden, erfuhr wurde er aus Spenden der Besucher die für die künftige Arbeit der Stiftung Franz Kiesl von einem der Professoren: eines von Frau Tamba, der Gattin des »Neue Namen« nützliche Anregungen »Die Besten sind die Fleißigsten«, und japanischen Botschafters, in der japani- gegeben haben. So sagte etwa Profes- er fügte hinzu: »Ich habe einen 12-Jäh- schen Botschaft in Moskau organisier- sor Kruglov: »Die Beziehung zwischen rigen, der schon morgens um 5 Uhr auf ten Konzerts und einer Spende des Fo- den Pädagogen und ihren Schülern ist dem Piano zu spielen beginnt und jeden rums Russische Kultur aus Gütersloh. in der Sommerschule ganz anders als Tag mindestens 9 Stunden spielt«. Die Eine Plakette am Flügel trägt den Text: in sonstigen Schulen oder Konservato- Temperatur von über 32 Grad Cel­sius »Gestiftet von der japanischen Bot- rien, weil jeder von uns ein Fan seiner minderte die Kondition der jungen schaft in der Russischen Föderation Arbeit ist« und ergänzte: »Talente zie- Leute nicht. und vom Forum Russische Kultur Gü- hen Talente an.« Alle Mahlzeiten wer- tersloh (Deutschland)«. Für das japa- den gemeinsam in einem Speisesaal Iwetta N. Woronowa eröffnete einen Tag nisch/deutsche Geschenk gab es reich- eingenommen, in dem die Atmosphä- vor Franz Kiesls Abreise ein Solistenkon- lich Applaus. Es war an diesem Abend re einer harmonischen Großfamilie zert der Pädagogen im Konzertsaal des das am meisten bespielte Instrument. herrscht. Touristikzentrums. Sie erwähnte aus- führlich die Zusammenarbeit mit dem Das Konzert bot insgesamt ein ab- Zwei Tage später stellte Iwetta N. Wo- Forum Russische Kultur und berichtete wechslungsreiches Programm. Zwei ronowa ihren Plan für die 10. Sommer- von den Besuchen bei Bürgermeiste- volkstümliche Ensembles spielten, san- schule im Jahr 2002 zur Diskussion mit rin Maria Unger, von den fürsorglichen gen und tanzten und sorgten mit ihren den Pädagogen vor. Unter dem Motto: Gastgebern und von den gut besuchten Auftritten für eine lebhafte Stimmung. »Neue Namen Russlands – Mein Rus- Konzerten. »Wer einmal in Gütersloh Klassische Musik stand ebenso auf dem sland – Mein Traum« sollte das Jubilä- war, der möchte wieder nach Gütersloh«, Programm wie Volkstümliches, das umsjahr neue Höhepunkte bringen. So sagte Iwetta N. Woronowa. Franz Kiesl das Volksinstrumenten-Ensemble un- sollten die Werke der jungen Dichter in bedankte sich und versprach, seinen ter Leitung von Professor Vjatcheslaw einem Buch erscheinen. Mit den Bil- Besuch voller Eindrücke in Susdal zu Kruglow darbot. Sechs Mädchen und dern der jungen Maler werde ein Kata- wiederholen. Dass das schon im darauf Jungen trugen ihre selbstverfassten Ge- log herausgebracht. folgenden Jahr sein würde, war damals dichte vor. noch nicht abzusehen.

48 Bei diesem Solistenkonzert traten zwölf Professoren auf. Sie spielten Werke rus- sischer und europäischer Komponisten, fünf von ihnen spielten das »deutsch- japanische« Piano, zwei spielten Cello und je einmal wurde mit Geige, Klari- nette, Bajan, Domra und Balalaika mu- siziert und mit dem Gesang einer­ Pro- fessorin. Ein Konzert mit ­einer solchen Besetzung zählt gewiss zu den ganz sel- tenen musikalischen Er­lebnissen.

Bei der Abschlussfeier im rustikalen Restaurant »Traktir« neben einem noch heute bewohnten Kloster am Rande der Stadt, waren alle Pädagogen voll des Lobes über die Arbeit von Iwetta N. Woronowa. »Wir bewundern Sie, liebe Frau Iwetta Nikolajewna Woro- nowa, nicht nur, sondern wir verehren Sie«, sagte eine der Pädagoginnen unter mächtigem Applaus aller Teilnehmer, Die Deutschen nach ihrer Ankunft in unmittelbarer Nähe des Kongresszentrums zu denen zahlreiche Professoren füh- render Lehreinrichtungen gehörten. Iwetta Woronowa verteilte aber auch ihrerseits viel Lob an jeden einzelnen Meisterkurse in Susdal für elf Kinder Pädagogen. Der erste Teil der Sommer- und Jugendliche schule wurde von allen fünfzig Päd- agogen und Organisatoren als großer Zur Feier des 10-jährigen Jubiläums Nun ging es darum, Kinder und Ju- Erfolg gefeiert. Jeder schien der Freund des Forums am 2. September 2001 gendliche aus dem Kreis Gütersloh zu jedes anderen zu sein. Auf die Frage überbrachte die Präsidentin der Stif- finden, die sich für die Meisterkurse in einer der Pädagoginnen an Franz Kiel, tung »Neue Namen«, Iwetta N. Wo- Susdal interessierten. Nach der Veröf- was denn das Motiv für sein Engage- ronowa, ein Präsent von großem Wert fentlichung des Vorhabens in den Tages- ment zugunsten der Russen sei, gab er – materiell wie ideell: Elf Kindern und zeitungen meldeten sich 25 interessierte die Antwort: »Es ist mein Wunsch, dass Jugendlichen wurde die Möglichkeit junge Musikerinnen und Musiker. Das sich sehr viele Russen und Deutsche geboten, 6 Tage lang in Susdal an Mei- Forum organisierte einen Wettbewerb, kennenlernen, dass sie sich sehr gut sterkursen unter der Anleitung von der im Evangelisch Stiftischen Gymna- verstehen und dass über allen Begeg- namhaften Professoren teilzunehmen. sium durchgeführt wurde. Die fünf Ju- nungen die Wertschätzung des anderen roren waren bekannte Musikpädagogen steht.« Unterkunft, Verpflegung und Kurse der Region. Die »Auserwählten« waren: kosteten die Teilnehmer zwar nichts, Diana Beking, 12 Jahre (Klavier), Nils Kiesl traf in Susdal sechs Pädagogen, aber wie sollten die Flugkosten Düs- Corßen, 15 Jahre (Posaune), Wibke die schon einmal in Gütersloh ge­- seldorf – Moskau – Düsseldorf und die Corßen, 19 Jahre (Violine), Rosemarie wesen waren: Iwan Mosgowenko, Pro- Kosten für den Bus Moskau – Susdal – Hirschberg, 11 Jahre (Violine), Anna fessor für Blasmusik, Vjatcheslaw Moskau finanziert werden? Das Forum Katrin Hirschberg, 12 Jahre (Querflö- Kruglov, Professor des volkstümlichen jedenfalls hatte finanzielle Mittel in te), Fabian Huster, 13 Jahre (Trompete), Ensembles, Professor Eduard Gratsch Höhe von mehr als 10.000 DM nicht Elena Kuhnen, 13 Jahre (Oboe), Fre- und seine Gattin Valentina Vasilenko zur Verfügung. derike Möller, 19 Jahre (Klavier), Karo- und die Pianistinnen Tamara Ogeno- lina Trojok, 17 Jahre (Klavier), Friederi- sowa und Nina Lomjnadze. An einem Franz Kiesl trug Frau Dr. Karin Zin- ke Beckmann, 14 Jahre (Violine) und Abend luden Professor Kruglov und kann mit einem Brief die Schirmherr- Julia Panzilius, 16 Jahre (Klavier). zwei seiner Kollegen Franz Kiesl zum schaft über dieses Projekt an. Wenige Angeln auf ein Boot im nahe gelegenen Tage später rief Frau Dr. Zinkann Franz Das Reiseprogramm sah so aus: Flug am Fluss ein. Alle schwärmten davon, wie Kiesl an und lud ihn zu einem Gespräch Samstag, 13. Juli 2002, ab Düsseldorf groß der Fisch sein würde, den sie an ein. Dabei teilte sie mit, dass sie und ihr über München nach Moskau mit der der Angel haben werden. Mann beschlossen hätten, den Susdal- Weiterfahrt per Bus nach Susdal. Für Besuch mit 10.000 DM aus der »Kurt- die jungen Menschen bedeutete das ei- Für alle war das Ergebnis gleich: Nichts. Christian-Zinkann-Stiftung für Musik« nen anstrengenden 16-Stunden-Tag. An zu fördern, und dass sie die Schirmherr- den folgenden sechs Tagen nahmen die schaft übernähme. Franz Kiesl fiel na- deutschen Kinder und Jugend­lichen an  türlich »ein Stein vom Herzen«. den Meisterkursen teil. Der Unterricht war nicht nur für die deutschen Gäste

49 interessant, sondern auch für ihre Päd- agogen. Jeder der jungen Deutschen empfand für seine »Lehrerin« oder sei- nen »Lehrer« Zuneigung, was die Freu- de am Unterricht und den Lernerfolg sichtlich und hörbar förderte.

Mit den deutschen Schülern reisten Franz Kiesl und Michael Moch vom Vorstand des Forums, das Ehepaar Manfred und Christa Ligensa sowie als russisch sprechende Begleiter, Dr. Fai- na Krawerskaja und Burkhard Hoelt- zenbein, deren Reise vom »Deutschen Musikrat« gefördert wurde. An drei Tagen nahm auch Schirmherrin Dr. Karin Zinkann an den wichtigsten Veranstaltungen der Sommerschule teil. Matthias Gans hielt in seinen Be- Für die Kinder im Waisenhaus war der Besuch der deutschen Gäste ein großes Erlebnis richten für die Tageszeitungen »Neue Westfälische« und »Die Glocke« seine Erlebnisse und Erfahrungen fest. ständlich, und sie verbindet Menschen der Atmosphäre dieses Ortes fasziniert. Die so unmittelbar wie keine andere Kunst. vielen Klöster und Kirchen sind Zeugen ei- Am 15. Juli fand in der Bischofs-Kathe- Und noch etwas anderes: Wer sich schon ner Vergangenheit, die mehr kannte als die drale in Susdal eine Diskussion mit 45 in jungen Jahren mit Musik beschäftigt, Beschäftigung mit dem Alltäglichen. Und Pädagogen und Vertretern aus Politik lernt den Umgang mit der Welt des Ab- die vielen Kriegskatastrophen, die in frü- und Kultur am »Runden Tisch« statt, strakten. Dies ist eine Lebensschule son- heren Jahrhunderten Susdal immer wieder die im russischen Fernsehen übertra- dergleichen. Studien haben ergeben, dass heimgesucht haben, sind auch ein in unsere gen wurde. Unter den Teilnehmern war in Schulen, in denen schon von Anfang Zeit hineinragendes Mahnmal, dass wir auch der Kulturminister des Gebiets an Musik vermittelt wird, auch die späte- endlich beginnen müssen, uns in Europa Chanty Mansijsk, Alexander Konev. ren Fächer in Lesen, Schreiben, Rechnen zuerst einmal als europäische Brüder mit Aus dieser Begegnung entwickelten deutlich besser sind, aber auch der soziale einer gemeinsamen Kultur zu fühlen und sich später viele gemeinsame Projekte. Umgang miteinander in solchen Schulen erst dann als Nationen. Dazu müssen wir Dr. Karin Zinkann sagte bei dieser Ver- gewinnt. Es werden eben das Herz und uns kennenlernen. Dieser Ort könnte nicht anstaltung in ihrem Beitrag: die Seele aufgeschlossen. besser gewählt sein, und die Musik könnte keinen besseren Rahmen darstellen. »Heute, hier bei der Eröffnung der Som- Ein Schritt in eine bessere Welt merakademie für Musik in Susdal zu Die Musik ist die Sprache der Seele und Nun bleibt mir noch, unseren Gastgebern sein, bedeutet für mich persönlich viel! des Herzens, und nur mit dem Herzen für ihre großzügige Gastfreundschaft und War doch Musik immer ein wichtiges finden wir den Weg in eine bessere Welt. allen, die an dieser Akademie teilneh- Element in meinem Leben, und junge Vor 1000 Jahren, also zu der Zeit noch men, den Initiatoren und den Dozenten Menschen zu fördern war stets ein großes vor der Trennung zwischen Ost- und zu danken. Den glücklichen Stipendiaten Anliegen für mich. Westkirche, lebte in Frankreich ein da- wünsche ich unvergessliche, lehrreiche und Warum ist die Musik etwas so Wichtiges? mals sehr berühmter Mönch und Klo- interessante Tage«. Sie ist, wie ein bekannter Mann schon sterbruder. Er hieß Bernhard von Clair- vor mehreren 100 Jahren gesagt hat, veaux und schrieb, dass man das Paradies Die deutschen Gäste besuchten am 16. die wahre, allgemeine Menschensprache. nicht mit den Füßen, sondern nur mit Juli ein Waisenhaus mit 34 drei- bis Sie ist ohne Sprachbarrieren direkt ver- dem Herzen betreten könne. Musik ist sechsjährigen Kindern. Sie verteilten als ein Schritt auf dem Weg zu einer besseren Geschenke Spiele, Puppen und Luftbal- Welt. Auch wenn sie nie ein Paradies sein lons. Die Freude war so groß, dass auf wird, so hilft uns die Musik näher zu die- beiden Seiten Tränen flossen. Matthias sem Ziel zu kommen. Gans schreibt dazu: »Es war sicherlich eine der anrührendsten Begegnungen Wo könnte eine solche Sommerakademie dieser einwöchigen Russland-Reise, der für Musik eine bessere Heimstätte ha- Besuch in einem Susdaler Waisenhaus ben als gerade hier in Susdal? Nirgends für Kinder mit geistiger Behinderung. wird das Bewusstsein alter Kulturtraditi- Die Leiterin, selbst in einem Heim für on stärker gefördert als gerade hier: Eine Waisen aufgewachsen, führt durch das kleine Stadt mit einer großen Geschichte, materiell bescheiden, aber liebevoll aus- die geprägt wurde durch viel Kultur, aber gestattete Haus. Es sind solche Erfah- Dr. Karin Zinkann sprach vor den Teilnehmern auch durch viel Leid. Als ich vor 30 Jah- rungen, die eine Reise erst wertvoll und der Pressekonferenz ren zum ersten Mal hier war, war ich von erinnerungswürdig machen«.

50 51 Unter den Konzerten, die die deut- schen Gäste erlebten, wird sicher der Auftritt des Kammerorchesters aus dem mongolischen Ulan Bator lange in Erinnerung bleiben. Die Reise aus der Heimat der Musiker bis Susdal dauer- te mit dem Zug fünf Tage und Nächte. Besonders beeindruckend war, dass ab- wechselnd die jungen Musiker bis hin zum Allerjüngsten das Dirigieren über- nahmen. Das fand den größten Beifall.

Die beiden Forum-Vorstandsmitglie- der Kiesl und Moch begegneten einem früheren guten Bekannten, dem Diri- genten Wladimir Beglezow, der 2000 mit dem St. Petersburger Knabenchor der Glinka-Chorschule in Gütersloh war. Er dirigierte in Susdal ein Orche- ster aus Surgut mit einem außerge- wöhnlichen Musikstück. Die Freude Franz Kiesl beim »Runden Tisch«. Neben ihm Margarita Epifanowa, Auslandsexpertin der Stiftung über diese Begegnung war auf beiden »Neue Namen« Seiten groß. Dritter Besuch in Susdal Die Stipendiaten und ihre Begleiter unternahmen am vorletzten Tag ihres Im Juli 2007 war Franz Kiesl zum drit- Besuch in Gütersloh im Oktober 2006 Aufenthalts einen Ausflug in die Ge- ten Mal zur »Sommerschule« der »Neu- anlässlich des 15jährigen Bestehens des bietshauptstadt Wladimir mit ihren en Namen« nach Susdal eingeladen, an Vereins gewonnen hatte. In seinem Vor- vielen Sehenswürdigkeiten. Am 19. Juli der dieses Mal 600 talentierte Kinder trag wies Franz Kiesl darauf hin, dass fanden vormittags noch »Meisterkurse« und Jugendliche teilnahmen. Franz das Forum seit zehn Jahren mit den statt, aber nach dem Mittagessen ging Kiesl war neben einem Vertreter der »Neuen Namen« eng zusammenarbei- der Bus Richtung Moskau. Die Gruppe UNESCO der einzige Teilnehmer au- te. Die »Neuen Namen aus Moskau« wohnte in einem Park mit Ententeich ßerhalb der GUS-Staaten am »Runden seien in der Region Gütersloh so etwas im »Prophylaktischen Sanatorium für Tisch«, der vor der Eröffnungsveran- wie ein Markenname. Dafür hätten die den Präsidentenapparat«. staltung am 11. Juli stattfand. jungen Musiker bei ihren alljährlichen Besuchen mit vier bis fünf Konzerten in Am 20. Juli gab es unter sachkundi- Nach der Begrüßung durch den 2. Prä- Gütersloh und der Umgebung gesorgt. ger Führung eine Stadtrundfahrt mit sidenten der Stiftung, den im In- und Wörtlich fügte er hinzu: »Hier in Sus- Kreml-Besichtigung einschließlich ei- Ausland hoch geschätzten Pianisten dal trifft sich das wertvollste Potenzial, nes Besuchs im »Rüstkammer-Muse- Denis Matsuev, übernahm Tatjana nämlich junge Menschen, die motiviert um«, sowie den Besuch der Stiftung Wassiljewa von der Moskauer Regie- sind, ihr Talent zu entwickeln, mit pro- »Neue Namen« unweit des »Arbat«. rung die Moderation. Sie kündigte den filierten Meistern, die hoch motiviert Beitrag von Franz Kiesl über das er- sind, die Talente der Jugend zu fördern. Am 16. November 2002 fand dann in folgreiche Wirken des Forums mit ih- Und dieser Prozess bereitet Schülern Gütersloh im großen Saal der Stadthal- ren Eindrücken an, die sie bei ihrem und Pädagogen dazu noch große Freu- le ein Konzert statt, in dem die elf deut- schen Susdal-Musikerinnen und -Mu- siker zusammen mit fünfzehn jungen russischen Künstlern auftraten, von de- nen sieben »Volkinstrumentalisten« aus Chanty Mansijsk kamen. Sie wurden von ihrem Kulturminister Alexander Konev begleitet, den die deutsche Sus- dal-Delegation im Juli 2002 kennen gelernt hatte. Ohne den Besuch in Sus- dal hätte sich die spätere Beziehung zu der sibirischen Stadt wohl kaum erge- ben.

Im Foyer des Kultur- Das Konzert war eine Benefizveranstal- zentrums wird auf tung zugunsten der neurochirurgischen die »Sommerschule Burdenko-Kinderklinik in Moskau. 2007« hingewiesen.

52 de.« Er bezeichnete die Kultur Rus- tionalphilharmonie am 30. Oktober slands als einen »wertvollen Schatz«, 2007 zu einem Konzert in Gütersloh der durch das Wirken des Forums auftrat, hatte eine schriftliche Gruß- vielen Deutschen durch Konzerte in adresse übersandt. Deutschland und Reisen nach Russ- Franz Kiesl nahm vor den Konzertbe- l­­­and vermittelt werde. suchern die Gelegenheit wahr, seine Anerkennung für die Leistungen der Professor Toncha stellte in seinem Bei- Stiftung mit dem Dank für die Unter- trag fest: »Durch Revolution, Bürger- stützung der Aktivitäten des Forums krieg und Weltkrieg sind Werte ver- Russische Kultur und die Schaffung nichtet und Persönlichkeiten verloren vielfältiger Kontakte zu verbinden. worden«. Er forderte seine Kollegen auf, den talentierten Nachwuchs auch Im ersten Teil des Konzerts traten an aus diesem Grunde nach Kräften zu der »Sommerschule« beteiligte Profes- fördern. Zum Abbau von Spannungen soren als Solisten auf. Danach spielte innerhalb der GUS-Staaten, so Profes- das »Orchester von Wladimir« – der sor Bondurjanskij, sei die Erziehung zu Stolz der Region – unterstützt von So- Toleranz ein wichtiger Aspekt für die listen der »Neuen Namen« das Konzert Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Nr. 3 von Rachmaninov. Dabei über- Liza Dorogova malt das Bild mit der Kathedrale, Der durch seine Besuche in Gütersloh zeugte Denis Matsuev am Flügel das das sie später dem Ehepaar Kiesl schenkt. bekannte Kulturminister des Autono- Publikum und seinen früheren Lehrer men Gebietes Chanty Mansijsk, Alex- Professor Dorenskij vom Moskauer neidenswert. Die Jugend braucht im- ander Konev, nannte die Pflege der Konservatorium. mer einen Lehrer«. Kultur eine Garantie für Stabilität. Sein großes Anliegen sei deshalb, nationa- Begegnung mit Liza Franz Kiesl fragte Liza am darauf fol- les Kulturleben zu erhalten und weiter Nach dem Konzert kam ein Mäd- genden Tag. »Möchtest Du mal nach zu entwickeln sowie Gelegenheiten zu chen zu Franz Kiesl und bat ihn um Deutschland kommen?« Ihre Antwort schaffen, die Kulturen anderer Natio- ein Autogramm. »Ich gebe dir meine klang ganz selbstverständlich. »Natür- nen kennen zu lernen. Dazu passe das Visitenkarte, dann hast du meinen lich!« Er fand die idealen Gastgeber in Motto der »Sommerschule 2007«, de- Namen und die Adresse« sagte er und Langenberg. Und über ihren Aufent- ren Bedeutung durch ein starkes Inter- fragte nach der E-Mail-Adresse des halt schrieb sie später: »Und wie mein esse von Presse, Rundfunk und Fernse- Mädchens. Er bekam die Adresse und Gastgeber hier sagte, habe ich in Herrn hen unterstrichen werde: »Die kreative erfuhr, dass es auch eine eigene Home- Kiesl meinen Lehrer, meinen Mentor Schule nutzt Methoden zur Entdec- page hatte. Er fragte weiter: »Wie alt gefunden. Denn ein richtiger Lehrer zu kung der begabten Persönlichkeit bist du und wo hast du so gut Deutsch sein, bedeutet ja nicht nur, jemandem und zur Toleranzerziehung«. Weitere gelernt.« Die Antwort war. »Ich bin 14 ein Schulfach beizubringen, sondern Vertreter des öffentlichen Lebens und Jahre alt und habe mir selbst Deutsch er hat ja auch die Fähigkeit, ein Zau- Pädagogen hoben die einzigartige Stel- beigebracht«. Beim Spaziergang am berer zu sein, der seinem Schüler etwas lung der Stiftung »Neue Namen« her- nächsten Tag sah Kiesl das Mädchen sehnlichst Gewünschtes ermöglicht. vor. Denis Matsuev, selbst einer der 35 malend vor einer Kathedrale. Aus der Ohne das Forum und seinen Leiter wäre Teilnehmer der ersten »Sommerschule« Unterhaltung ergab sich, dass sie Liza Deutschland für mich nicht das Win- im Jahre 1993, schätzte, dass etwa 90% hieß und aus Wolgograd kam. termärchen geworden, von dem ich so der zurzeit weltbekannten russischen unentwegt träumte. Ich werde nicht Künstler durch die Stiftung gefördert Liza erzählte später über die Begeg- einfach »Dankeschön« sagen, denn, was worden seien. nung: »Es war einmal… Also, in der ich erlebt habe, kann man nicht mit ei- Sommerschule der »Neuen Namen« nem gegenseitigen »Danke – Bitte« erle- Zum Eröffnungskonzert im großen in Susdal gab es regelmäßig Konzerte. digen. Jemandem danken kann man für Saal des Kulturkomplexes begrüßte Nach dem Eröffnungskonzert hörte ich eine rechtzeitig geöffnete Tür, für einen Tatjana Avdjunina in Vertretung der einen Deutschen beredt sprechen, und, Blumenstrauß zum Geburtstag. Hier erkrankten Stiftungspräsidentin Iwetta wie es für mich üblich ist, konnte ich sage ich auf Russisch: »Spasibo i niskii Woronowa mehr als 800 Gäste. Prof. nicht ruhig sitzen bleiben und sprach Wam poklon!« Man kann es so über- Nina Makarova, die schon an der Or- ihn ohne Hemmungen an. Dadurch setzen: »Gott rette Dich und eine tiefe ganisation der ersten »Sommerschu- bekam ich die Möglichkeit, Herrn und Verbeugung.« le« beteiligt war, und Denis Matsuev Frau Kiesl in ihrem Hotelzimmer zu würdigten im Rahmen der zahlrei- besuchen und ihnen das Bild von einer Seitdem war Liza noch zweimal in ihren chen Grußworte von Persönlichkei- Kathedrale zu schenken. Ich bekam Weihnachtsferien zu Gast in Deutsch- ten aus Kultur, Politik und Wirtschaft ihre Kontaktdaten, und es ging los. Es land, und nach dem Erwerb der Hoch- die unermüdliche Arbeit von Iwetta gibt einen Spruch, auf den ich stehe: schulreife in ihrer Heimat geht sie nun Woronowa, deren Engagement einen »Wenn der Schüler bereit ist, wird der seit September 2010 in Oerlinghausen wesentlichen Anteil an der erreichten Lehrer nicht auf sich warten lassen.« aufs Gymnasium, um nach dem Abitur in Bedeutung der Stiftung hat. Vladimir Ich weiß nicht, wer es gesagt hat, aber Deutschland zu studieren. Darüber wird Spivakov, der mit der Russischen Na- wer es auch war, seine Weisheit ist be- ausführlicher an anderer Stelle berichtet.

53 Franz Kiesl und seine Frau entschieden sich beim Besuch der Sommerschule 2007, einen Tag früher als gebucht von Moskau nach Düsseldorf zurückzufl iegen. Auf »Gut Glück« fuhr das Ehepaar in Begleitung von Margarita Epifanowa von der Stiftung »Neue Namen« von Susdal nach Moskau zum Flughafen. Doch die Umbuchung war nicht möglich. Also war eine Übernachtung in Moskau nötig. Mit diesem Umstand hatten Kiesls schon gerechnet und in Susdal über das mögliche Problem gesprochen.

Das Ehepaar Majewskij arbeitete während der »Sommerschule« für die Stiftung in Susdal.Viktor und Nadeshda Ma- jewskij machten das Angebot: »Wenn ihr nicht wegkommen könnt, dann könnt ihr ja in unserer Wohnung übernachten und am nächsten Morgen fl iegen. Wir geben Euch den Wohnungsschlüssel mit.« Kiesls konnten also beruhigt vom Flughafen wieder in die Innenstadt fahren und Majeswkis Wohnung aufsuchen. Der Fahrer schloss die erste Tür auf und versuchte es auch an der zweiten, allerdings vergeblich, denn es fand sich kein passender Schlüssel. Was nun??

Der Fahrer rief Viktor Majewskij in Susdal an. Und die spannende Frage war jetzt: Wie lässt sich das Problem lösen? Viktor sagte kurz entschlossen: »Natalia fährt nach Moskau und bringt den richtigen Schlüssel.« »Und was machen wir jetzt«, fragten sich Kiesls und Margarita Epifanowa? Margaritas Idee war: »Wir gehen ins nahe gelegene Café und sagen Nadeshda, wo wir sind«. Franz Kiesl sagt in Erinnerung an die Wartezeit. »Das waren meine schönsten Stunden in Mos- kau, weil ich sie ganz entspannt genießen konnte.« Es war ein sehr geschmackvoll eingerichtetes Café mit einem großen Angebot auf der Speise- und Getränkekarte. Im Überschwang guter Gefühle führte das zu der Frage. »Was würde wohl Stalin sagen, wenn er das sehen würde?«

Nadeshda kam nach 6 Stunden Fahrt an, denn im Innenstadtverkehr ging es nachmittags nur langsam voran. Ihr fi el noch ein: »Wir haben ja nichts zu essen im Kühlschrank«. Sie ging dann im nahe gelegenen Lebensmittelgeschäft ein- kaufen und erklärte in ihrer Wohnung, wie was zu handhaben sei. Dann fuhr sie wieder zurück nach Susdal. Wahr- scheinlich ging es auf der Rückfahrt etwas schneller, vielleicht dauerte es nur vier Stunden. Dann hätte der verwechselte Schlüssel nur 10 Stunden Fahrzeit verursacht.

Hätte ein Deutscher seinem Bekannten oder Freund, der von ihm zwischen 4 und 6 Stunden Fahrtzeit entfernt ist, den gleichen Dienst erwiesen oder hätte er ihm vielleicht einen guten Tipp für ein Hotel gegeben?

Besuche des sowjetischen Soldatenfriedhofs Stukenbrock-Senne

nfang Mai 1941 wurde – etwa 30 Kilometer von Gütersloh entfernt – Seit 1967 gibt es den Arbeitskreis »Blu- in Stukenbrock-Senne damit begonnen, ein Lager zu bauen. Über den men für Stukenbrock«, ein Zusammen- AZweck erfuhr die Bevölkerung nichts Genaues. Am 22. Juni 1941 begann schluss von Personen unterschiedlicher der Krieg gegen die Sowjetunion. Schon am 7. Juli erreichten mehr als 7000 ge- politischer und weltanschaulicher Rich- fangene sowjetische Soldaten in Waggons der Reichsbahn den Bahnhof Hövel- tungen, der sich die Aufgabe gestellt hat, hof. Von dort hatten sie den Weg ins Lager zu Fuß zurückzulegen und mussten diesen Friedhof und seine Geschichte das Lager bei Wind und Wetter ohne ein Dach über dem Kopf selbst aufbauen. bekannt zu machen und zu erhalten, ihn zu einer würdigen Gedenkstätte zu ge- stalten und Kontakte zu den Überleben- Unweit des Lagers, in dem sich heute mit einem roten Stern, der von Über- den zu pfl egen. Dieser Arbeitskreis lädt eine Dokumentationsstätte befi ndet, lebenden des Lagers gestaltet wurde. dort jährlich am ersten Septemberwo- liegt neben dem Friedhof Stukenbrock- Die Inschriften weisen auf das Leben chenende zu Mahn- und Gedenkveran- Senne an der Lippstädter Straße der und Sterben ihrer Kameraden hin. staltungen ein. Es ist ihm zu verdanken, Sowjetische Soldatenfriedhof. Er ist Die Pfl ege dieses Friedhofs liegt in der dass die Leiden der Menschen im »Sta- einer der größten in Deutschland, auf Verantwortung des Landes Nordrhein- lag 326« nicht vergessen wurden. dem etwa 65.000 elend zu Tode ge- Westfalen, das die Aufgabe an die Be- kommene sowjetische Kriegsgefangene zirksregierung in Detmold delegiert Der Lehrer Lutz Grönert aus Hövel- in 36 Massengräbern und 788 Einzel- hat. Die Bezirksregierung wiederum hof wendete sich im Mai 2009 mit der grabstätten ihre letzte Ruhe gefunden lässt die Pfl ege und Instandhaltungs- Information an den Vorsitzenden des haben.. Jedes der Massengräber hat arbeiten durch die Stadt Schloß Holte- Forums Russische Kultur, dass seine eine Länge von 112 m. Vor jedem der Stukenbrock ausführen. Interventionen bei der Stadt Schloß Massengräber steht ein Gedenkstein Holte-Stukenbrock und bei der Bezirks-

54 Yury Dudnik (links) und stellvertretender Kultur- minister Valerij Gelas (rechts) legten mit Franz Kiesl Blumen zu Ehren der Toten nieder. regierung bezüglich der in der letzten Zeit grob vernachlässigten Pfl ege kei- nerlei Erfolge gebracht hätten. Auch die Bemühungen von Werner Höner, dem ehemaligen Vorsitzenden des Ar- beitskreises »Blumen für Stukenbrock«, führten zu keiner Verbesserung der unbefriedigenden Situation. Die In- schriften in den Steinen waren restlos verwittert und bemoost und führten so die Vernachlässigung der Pfl ege jedem Besucher sofort vor Augen.

Der Friedhof war 1989 in einen ein- wandfreien Zustand versetzt worden, als ihn auf Einladung von »Blumen für ständigen Bemühungen berichtete, die- ge, der Bezirksregierung, des Amtes für Stukenbrock« Raissa Gorbatschowa, se Mahn- und Gedenkstätte für künftige Denkmalschutz sowie der Stadt Schloss Hannelore Kohl und Christina Rau be- Generationen zu erhalten. Holte-Stukenbrock, dem Arbeitskreis suchten. Also war klar: Wenn es hohen »Blumen für Stukenbrock« und der Besuch auf dem Friedhof gibt, dann Botschafter Kotenev legte in Anwesen- Dokumentationsstätte des »Stalag 326« werden die Verantwortlichen aktiv. heit von Verteidigungsattaché Oberst teilnahmen. Ziel dieser Begehung war, Oleg J. Avrinskij und seinem Stellver- Vorschläge zur Rettung und Erhaltung Diese Hoff nung hatte auch Franz treter Oberst Alexander Laptev aus der der 36 Stelen vor den Massengräbern zu Kiesl, als er dem Botschafter der Rus- Botschaft in Berlin am Obelisken einen diskutieren. sischen Föderation, Vladimir Kotenev, Kranz nieder. Franz Kiesl stellte eine vorschlug, bei seinem am 23. Juni Blumenschale hinzu, auf deren Schlei- Der Besuch des Botschafters war kein 2009 geplanten Besuch in Gütersloh fe zu lesen war: »Die Erinnerung bleibt Einzelfall. Das Forum organisiert für und Bielefeld auch den in der Nähe lebendig.«Lutz Grönert, der durch sei- seine Gäste häufi g den Besuch des liegenden sowjetischen Friedhof zu nen Hinweis den Besuch des Botschaf- Friedhofs. Den Anfang machte 1999 besuchen. Diese Botschaft verbreitete ters auf dem Friedhof ausgelöst hatte, der Glinka-Knabenchor aus St. Peters- Franz Kiesl gezielt in alle Richtungen, drückte seine Dankbarkeit dafür aus, burg. Sehr beeindruckt war die Grup- damit entweder vor dem Botschafter- dass sich Herr Kiesl und Herr Höner pe von Kindern und Jugendlichen mit Besuch etwas geschähe oder damit der um den Zustand der Gedenkstätte ge- ihren Lehrerinnen, die mit dem Präsi- Botschafter die Vernachlässigung der kümmert hätten. denten des »Interclubs Moskau«, Vale- Pfl ege zu sehen bekäme. rij Voinow, im Mai 2007 den Friedhof Wenige Tage nach dem Besuch des Bot- besuchte, um den Veteranen in Moskau Botschafter Kotenev wurde am Eingang schafters fand auf dem Friedhof eine gebeten hatten. In seiner Heimatstadt des Friedhofs von Werner Höner be- »Ortsbesichtigung« statt, an der Ver- war Voinow, der inzwischen leider ver- grüßt, der ihm über die Geschichte des treter der Landesregierung NRW, des storben ist, sehr engagiert für den Kreis Lagers und des Friedhofs sowie über die Volksbundes der Kriegsgräberfürsor- der Veteranen.

55 Besonders in Erinnerung geblieben ist der Besuch der Grab- stätten durch 34 Kinder, Jugendliche und Erwachsene aus Rostov am Don, Taganrog und Samarskoje im Oktober 2010. Natalie Petrovskaja schrieb dazu: »Wir haben die vielen, vie- len Gräber besucht. Auf Schritt und Tritt spürte man die Ehr- furcht vor den Menschen, die Opfer eines unmenschlichen Krieges geworden waren. Wir hörten die Erklärungen, standen neben dem Denkmal der gestorbenen Soldaten, als unser De- legationsleiter Valerij Gelas, stellvertretender Kulturminister des Rostover Gebiets, und Yury Dudnik, zusammen mit Franz Kiesl ein Blumengebiete am Denkmal niedergelegt haben. Die Kinder standen schweigend dabei. An den Bäumen haben wir viele weiße Blätter mit Zetteln gesehen mit Gebeten für Frie- Fünf Kinder aus Moskau ehrten mit den erwachsenen Begleitern die Toten auf den, für Glück …ganz gewöhnliche Wünsche der Menschen.« dem Friedhof in Stukenbrock-Senne

Der sowjetischen Soldaten zu gedenken, die während ihrer Wer russische Menschen persönlich kennen gelernt hat, dem Kriegsgefangenschaft in unserer Region zu Tode kamen, ist fällt das Mitgefühl für das große Leid der Betroff enen nicht eine Verpfl ichtung für einen jeden mitfühlenden Menschen. schwer.

VERGANGENE PARTNERSCHAFTEN

Auf den folgenden Seiten berichten wir über die Projekte mit belarusssischen und russischen Partnern in früheren Jahren. Die Zusammenarbeit ging aus ganz verschiedenen Gründen zu Ende. Wir möchten diese Verbindungen aber deshalb nicht unerwähnt lassen, weil sie wesentliche Bausteine für die Ent- wicklung des kulturellen und gesellschaftlichen Wirkens unseres Vereins darstellen.

Ensemble der Staatlichen Gesellschaftlichen Ballettakademie und Jugendkammerorchester des Musiklyzeums Minsk

ünf Jahre nach Vereinsgründung und im dritten Jahr des neuen Vorstands lettakademie, eine Persönlichkeit, die fand die bis dahin größte Veranstaltung des Forums statt. Es waren Bene- Gleiches wollte. Swetlana Krassowskaja Ffi zkonzerte am 26. September 1996 um 14.30 Uhr und um 20.00 Uhr im sandte Franz Kiesl einen Videofi lm mit großen Saal der Stadthalle. Jede Vorstellung, die junge Künstler aus der bela- Aufnahmen der Ensembles der Ballett- russischen Hauptstadt Minsk gaben und für die Botschafter Pjotr ljajew die akademie und machte den Vorschlag, Schirmherrschaft übernommen hatte, war bis auf den letzten Platz ausverkauft. Studenten dieser Akademie und das Orchester des Musiklyzeums nach Gü- tersloh einzuladen. Mitwirkende waren neben den 35 jun- geben, der solch ein Projekt zu planen gen Musikerinnen und Musikern des versucht hätte. In diesem Fall war es der Innerhalb des damaligen Forum-Vor- Musiklyzeums sieben Tänzerinnen und Geist von Swetlana Krassowskaja, der stands gab es zwei Bedenkenträger. Tänzer der Ballettakademie, die von eine weitere Beziehung mit Gütersloh Natürlich gehörte Mut zu der Entschei- sechs Erwachsenen begleitet wurden. schaff en wollte. Sie war beseelt vom dung, eine solche Veranstaltung ins Streben, in Gütersloh weitere Kon- Programm zu nehmen. Es galt nun, das »Der Geist entwickelt etwas, von dem takte zu schaff en und die Kultur ihres Projekt »anzureichern« mit Th emen, die der Verstand anschließend etwas er- Landes in einem größeren Ausmaß zu den Menschen in Gütersloh und Um- fährt«, sagte Franz Kiesl. In dem jun- bieten. Sie fand in Ludmilla Korobki- gebung gefallen und daher ihr Interesse gen Verein hätte es damals niemand ge- na, der Direktorin der Staatlichen Bal- wecken konnten. Es entwickelte sich der

56 Plan, aus der Nachmittags- und Abend- vorstellung am 26. September 1996 eine Benefi zveranstaltung zu machen, bei der vom Eintrittspreis 5,00 DM gespendet werden sollten an drei Organisationen. Das waren: Gütersloher Kinderhilfe Tschernobyl, Kinderhilfe Tschernobyl Mastholte (Rietberg) und das vom Gü- tersloher Ehepaar Hermann und Mar- gret Amm geförderte Bildungszentrum »Nadeshda«

Franz Kiesl und seine Frau besuch- ten im Juni 1996 in der Stadt Minsk Swetlana Krassowskaja, das Ehepaar Gruschewoj, das sich sehr für die »Kin- derhilfen Tschernobyl« in Deutschland einsetzte und manches Problem mit der belarussischen Regierung löste, den Direktor Wladimir Kusmenko des Mu- siklyzeums, die Direktorin Ludmilla Korobkina der Staatlichen Ballettaka- demie und den künstlerischen Leiter des berühmten Minsker Bolschoij-Bal- letts, Valentin Yelizariev.

57 Zeitungsbericht »WB« vom 24. 9. 1996 »Die Sprache des Herzens dankt Gütersloh

Für Kiesl war es die erste Reise in eine fende. Arcady Berin, der das Konzert nobyl Mastholte« eine Bäckerei und Stadt der ehemaligen Sowjetunion. Es des »Moscow Symphony Orchestra« eine Metzgerei eingerichtet hatte. Im gab viele nicht erwartete Sehenswür- am 2. November 2009 in der Güterslo- Jägerhaus dieser Kolchose gibt es ein Er- digkeiten und Erlebnisse. Dazu zähl- her Stadthalle dirigierte, erinnerte sich holungs- und Unterrichtszentrum, das te, dass Minsk eine Metro hat, dass es beim Pressegespräch am 9. September von den jeweils 24 erholungsbedürfti- so breite Straßen, solch repräsentative 2009 noch an die Begegnung im Juni gen Kindern genutzt wird. Hotels und besonders Prachtbauten für 1996 in Minsk. kulturelle Veranstaltungen gibt. Kiesl Kiesls Besuch in Weißrussland hatte sah auch zum ersten Mal in seinem Benefi zkonzerte dienen zwei Wirkungen: Erstens war er jetzt Leben eine russisch-orthodoxe Kathe- guten Zwecken informiert, wie groß das Interesse der drale. Von der prachtvollen Innenaus- Das Ehepaar Kiesl besuchte auf die- Minsker Organisatoren am Gelingen stattung war er überrascht. Das Ehe- ser Reise die Familie Krutschenkow in der Veranstaltung im September 1996 in paar Kiesl wohnte in der Staatlichen Kritschew, der Stadt, aus der die Kin- Gütersloh war und zweitens, wofür der Ballettakademie und konnte sich einen der zu Besuchen in Gütersloh von der Benefi zbetrag verwendet werden sollte. Eindruck von der Dimension dieses »Gütersloher Kinderhilfe Tschernobyl« Instituts verschaff en. Zum Frühstück alljährlich eingeladen wurden. Sohn Um Weißrussland in der Öff entlich- trafen sich Swetlana Krassowskaja und Alexander war bei der ersten Gruppe keit zum Th ema zu machen und dabei das Ehepaar Kiesl mit Direktorin Ko- im Jahr 1991 in Gütersloh. Kiesl korre- auch auf die Benefi zveranstaltungen robkina in deren Arbeitszimmer. Lud- spondiert seitdem mit Nadja und Sergej hinzuweisen, gab es am Montag, 23. milla Korobkina lud Swetlana und das Krutschenkow. Das Ehepaar Kiesl be- September 1996, eine Vortragsveran- Ehepaar Kiesl zum Abendessen zu sich suchte auch das von den Güterslohern staltung zum Th ema »Rahmenbedin- nach Hause ein, bei dem auch Herr Ko- Hermann und Margret Amm unter- gungen für die Wirtschaft in Belarus« robkin dabei war. Ludmilla Korobkina stützte Erholungs- und Bildungszen- mit Botschaftsrat Wladimir Skwor- kochte und kredenzte als Hauptgericht trum »Nadeshda«, das etwa 80 Kilome- zow und mit Ministerialdirigent der einen gebackenen Fisch mit Zucchini- ter von der Hauptstadt Minsk entfernt NRW-Landesregierung Hilmar Schaps. Reibekuchen. Mit Suppe, Hauptge- liegt. Fast alle Einrichtungsgegenstände richt und Nachspeise kann man dieses dieses Zentrums wurden von Firmen Die Werbung für die beiden Konzer- Menü als Festessen bezeichnen. Kiesl aus dem Kreis Gütersloh gespendet. te mit Tanzeinlagen am 26. September traf während seines Aufenthalts in Auch die Kolchose »Kolos« wurde be- schaff te es, großes Interesse auch in ei- Minsk viele Künstler und Kulturschaf- sucht, auf der die »Kinderhilfe Tscher- nem weiten Umkreis zu wecken. Im

58 Das Musiklyzeum in Minsk Mit dem Besuch des Jugendkammer- orchesters des Musiklyzeums Minsk am 23. April 1991 begann eine jahrelange Zusammenarbeit mit dieser musika- lischen Bildungsstätte, an der sowohl das Forum als auch Direktor Wladimir Kusmenko interessiert waren. Das Mu- siklyzeum hat auch einen Knabenchor und ein Bläserorchester.

Der Knabenchor, der vom Dirigenten Wladimir Gloushakov geleitet wurde, war vom 5. bis 10. Dezember 1996 in Gütersloh. Das Forum organisierte für die 39 Sänger, die von fünf Erwachse- nen begleitet wurden, Konzerte in Gü- tersloh, Gütersloh-Friedrichsdorf und Rietberg-Mastholte. Der Chor sang in drei Gottesdiensten evangelischer und katholischer Kirchengemeinden. Von den Einnahmen erhielt das »Hilfswerk Kinderkrankenhaus Minsk«, dessen Vorsitzender Minister a. D. Dr. Herbert Schnorr ist, 1.500 DM.

Foyer der Stadthalle zeigten die drei humanitären Organisationen in einer Ausstellung ihr Wirken. Die Informa- tion über die Hilfe, die geleistet wurde, beeindruckte die Besucher. Die Men- schen interessierten sich für gute Taten.

Der zahlreiche Besuch war natürlich auch dem Programm zu verdanken. Vom Jugendorchester wusste man in Gütersloh aufgrund der vorangegange- nen Konzerte, dass es eine Spitzenlei- stung wird. Viele der jungen Künstler waren in der Vergangenheit wegen ih- rer herausragenden Musikalität aufge- fallen, und man wollte sie ganz einfach wiedersehen, um ihre Entwicklung zu verfolgen. Natürlich hatte auch das Ballett eine Zugkraft.

Am 26. September 1996 war diese kul- turelle und humanitäre Veranstaltung des Forums das Stadtgespräch.

Die drei Organisationen Gütersloher Kinderhilfe Tschernobyl, Kinderhilfe Tschernobyl Mastholte und das Ehe- paar Amm für das Projekt Nadeshda erhielten je 2.500 DM.

59 Im September 1997 machte der Kna- benchor auf der Heimreise einen Zwi- schenstopp in Gütersloh und gab in der Pankratiuskirche ein Konzert.

Von den Kollekten ging ein Viertel an den Verein »Hilfswerk Kinderkran- kenhaus Minsk«, das waren 500 DM.

Das Blasorchester und das Zimbel- Ensemble »Alybka« des Musiklyze- ums unter Leitung von Lev Muranov, »Volkspreisträger Russlands« und Pro- fessor an der weißrussischen Musik- akademie, kam vom 4. bis 10. März 1998 nach Gütersloh, um in Gü- tersloh am 9. März und in drei nahe gelegenen Städten Konzerte zu geben. Das Blasorchester zählte 20 Musike- rinnen und Musiker und zum Zimbel- Ensemble gehörten 8 Schülerinnen im Kostüme, Akrobatik und Musik des Ensembles »Bliskavitsa« begeisterten das Publikum Alter von 11 bis 13 Jahren. Von jeder Eintrittskarte erhielt das »Hilfswerk Kinderkrankenhaus Minsk« 5 DM als Spende. und Gesang, Ballett und Artistik zu ben der Sparkasse auch die »Gütersloher Das Jugendkammerorchester war in bieten. Als »Spitzenklasse« und »Folk- Kinderhilfe Tschernobyl« engagiert und den folgenden Jahren mehrmals zu Be- lore in Perfektion« wurde die Auffüh- erfolgreich leitet. Von der Benefizsum- such in Gütersloh. rung des Ensembles in der Gütersloher me über 2.750 DM erhielten die »Kin- Presse gewertet. Gast war Wladimir derhilfen Tschernobyl« in Gütersloh 2001 feierte die »Gütersloher Kinder- Skworzow, amtierender Botschafter und Mastholte und das Ehepaar Amm hilfe Tschernobyl« ihr zehnjähriges der Republik Belarus in Bonn. Er be- für das Projekt »Nadeshda« je 550 Mark Jubiläum. Zum Auftakt der Abend- dankte sich in seiner Ansprache bei und 1.100 Mark gingen an den Verein veranstaltung spielte natürlich das den Konzertbesuchern für die Hilfen, »Hilfswerk Kinderkrankenhaus Minsk«. »Jugendkammerorchester« aus Minsk die seinen Landsleuten in vielfältiger unter Leitung ihres Dirigenten Wladi- Weise gegeben werden. Mit Applaus Leider ist der Kontakt zu Irina Kono- mir Perlin. Es war wieder ein Konzert begrüßt wurden Bürgermeisterin Ma- waltschik, der Leiterin des Ensembles der Superlative. Nach diesem Besuch ria Unger und Dieter Winkler, der ne- »Bliskavitsa« abgebrochen. brachen die Beziehungen zum Musi- klyzeum wegen der Erkrankung seines Direktors Wladimir Kusmenko ab. Kusmenko ist vor drei Jahren gestor- ben. Die Erinnerung an ihn werden in Credo-Chor aus St. Petersburg jedem, der ihn kannte – und das sind in Gütersloh sehr viele Menschen – Sänger, die später Mitglieder des »Cre- Das Chormitglied Alexander Andrianov lebendig bleiben. do-Chors« waren, kamen schon im unterrichtete an der »Glinka-Chorschu- Mai 1991 nach Gütersloh. Als »Credo- le«. Beim Besuch im Frühjahr 1999 Chor« trat das Ensemble unter Leitung sagte er Franz Kiesl, dass der Knaben- Bliskavitsa von Boris Wassiliev zum ersten Mal bei chor der Glinka-Chorschule sicher ger- einem Konzert im Januar 1996 auf. ne nach Gütersloh kommen möchte. Am 16. Mai 1995 präsentierte das Dieser Hinweis veranlasste Franz Kiesl, Folklore-Ensemble »Bliskavitsa« im Am 17. Februar 1998 traten die sechs Kontakt mit Direktor Sergej Dzevanov- großen Saal der Stadthalle zum ersten Sänger in der Matthäuskirche in Gü- skj aufzunehmen, der zu einem erfolg- Mal seine Glanzleistungen tänzeri- tersloh, in der Kirche St. Friedrich in reichen Ergebnis führte. schen Könnens. Die Begeisterung über Gütersloh-Friedrichsdorf und in der diese Veranstaltung verlangte förmlich Kirche St. Marien in Verl-Kaunitz zum Der »Credo-Chor« löste sich durch eine Wiederholung. Am 17. Novem- zweiten Mal auf. Seit dieser Zeit war neue, anderweitige Engagements eini- ber 1997 um 14.30 Uhr und 20.00 das Vokalensemble alljährlich in Gü- ger Sänger auf. Das letzte Konzert in Uhr traten die 16 Tänzerinnen und tersloh. Es hatte sich eine große Fan- Gütersloh konnte das Ensemble am 13. Tänzer und die 9 Musikerinnen und gemeinde erobert. »Credo« gab auch Oktober 2004 geben. Musiker in Gütersloh auf, um dem Konzerte in Bad Oeynhausen und in Publikum zum zweiten Mal Musik­ anderen Städten der Region.

60 dieser Reise nahm er auch an einem Pressestimmen aus Gütersloh: Wettbewerb in Limburg-Lindenholz »Was diesen Kammerchor positiv aus der Vielzahl ähnlicher Klangkörper heraus- teil. Konzerte gab er in Bielefeld, Pa- hebt, ist sein kultiviertes Stimmpotential, das in überzeugender Kongruenz zu den derborn, Verl-Kaunitz, Bad Oeynhau- expressiven Inhalten der Werke steht.... Vielmehr verbanden sich Ausdruck und sen und am 14. Mai in der Gütersloher stimmliches Vermögen zu einer Einheit, deren innerstes Anliegen die Vermittlung Martin-Luther-Kirche. Da an diesem von Inhalten geistlicher wie weltlicher Provenienz war. Beides gelang gleicherma- Tag Muttertag war, gingen zwanzig Pro- ßen anrührend wie animierend.... Dabei konnte man nicht nur als Kollektiv glän- zent der Eintrittsgelder an das Mütter- zend bestehen. Überwältigend waren auch die solistischen Beiträge.... So kann man genesungswerk e. V. Dieses Konzert war dem Chor nur eine bezwingende Meisterschaft attestieren, die vom Publikum mit auch ein Beitrag des Forums zum Jubi- stehenden Ovationen gefeiert wurde.« läum »175 Jahre Stadt Gütersloh«. NEUE WESTFÄLISCHE, 12. Januar 1996 Durch die Spende des Glinka-Knaben- chors zugunsten des deutschen Sol- »Statt kosakischen Brachialgesanges boten die sechs Sänger Vokalartistik vom feinsten.... datenfriedhofs in Solobugow wurde der In dieser Qualität genoß man mit dem größten Vergnügen selbst die totgeglaubten Chor vom verantwortlichen Volksbund ›Kosakenschlager‹ wieder und meinte die ›Wolgaschlepper‹ mit ihrer schweren Last Deutsche Kriegsgräberfürsorge einge- sich langsam nähern und wieder entfernen zu hören und lauschte dem unwider- laden, den Gottesdienst in der Petri- stehlichen Klang der ›Abendglocken‹.« Kirche zur Einweihung des Friedhofs am 8. September 2000 um 18.00 Uhr NEUE WESTFÄLISCHE, 20. Februar 1998 musikalisch zu gestalten.

Ab 2001 wurde die Beziehung zum St. Petersburger TV- & Radio-Kinderchor wieder intensiver, sodass die Fortset- Knabenchor der Glinka-Chorschule zung der Zusammenarbeit mit dem Glinka-Knabenchor nicht sinnvoll ge- aus St. Petersburg wesen wäre. Orchester »Serenade« Im Kapitel »Reisen« wird der Beginn November Landrat Sven-Georg Ade- der Zusammenarbeit mit der »Glinka- nauer. Irina Stepanova, die Deutsch aus Eriwan Chorschule« erwähnt. sprechende Begleiterin, sagte dem Das Kammerorchester »Serenade« Landrat, dass sie sich noch sehr genau aus Eriwan, das vom 1971 geborenen 40 Sänger kamen vom 10. bis 20. an seinen Großvater Konrad Adenauer Eduard Topchian 1991 mit Absolven- November 1999 nach Gütersloh. Sie erinnern kann und es als großes Erleb- ten des Konservatoriums und der Mu- gaben Konzerte in Löhne, Herford, nis empfi ndet, mit seinem Enkel spre- sikhochschule Eriwan gegründet wurde, Verl, Bad Lippspringe und Bücke burg. chen zu können. gab am 9. Februar 1999 sein erstes Kon- In Gütersloh gestalteten sie mit ihren zert in Gütersloh. Topchian spricht ein Liedern den Gottesdienst am Sonntag, Der Knabenchor konnte am Dienstag, sehr gutes Deutsch, sodass ihm schon 14. November, in der Liebfrauenkirche 16. November, um 19.00 Uhr im »Ho- beim ersten Konzert in der Liebfrauen- und gaben um 17.00 Uhr ein Konzert hen Dom« zu Köln ein Konzert geben. kirche eine besondere Aufgabe aufgetra- in der Kirche »Zum Guten Hirten«. Es waren 500 Besucher gekommen. Es gen werden konnte. Franz Kiesl bat dar- Das Gotteshaus war bis auf den letz- war der erste russische Chor, der im um, dass das Orchester »Großer Gott, ten Platz besetzt. Bundestagsmitglied Dom sang. Domkapellmeister Met- wir loben dich« spielt. Die Musikerin- Hubert Deittert begrüßte die Gäste ternich war für Franz Kiesl der Korre- nen und Musiker probten den ganzen aus St. Petersburg vor dem Konzert. spondenzpartner. Vormittag, nachdem die Organistin Da an diesem Tag der »Volkstrauertag« Barbara Pawelczyk die Noten besorgt war, spendete der Chor ein Viertel der Am Samstag, 13. November, besuchte hatte. Am Abend wurde dieses Lied als Eintrittsgelder für den deutschen Sol- der Knabenchor zusammen mit Schü- Zugabe im sehr gut besuchten Konzert datenfriedhof »Solobugowka«, der in lern einer Gymnasialklasse aus Verl den gespielt und vom sichtlich bewegten der Nähe von St. Petersburg liegt und Friedhof in Stukenbrock-Senne. Wer- Publikum mitgesungen. am 8. September 2000 eingeweiht wur- ner Höner führte über den Friedhof 2000 feierte Gütersloh das »175-jährige de. Der Chor war zu Gast im Evange- und erklärte die Geschichte. Die russi- Stadtjubiläum« Es war Kiesl’s Idee, der lisch Stiftischen Gymnasium. Vor sei- schen Jugendlichen waren von diesem Stadt zu diesem Anlass eine »Hymne nem Chor und den Schülerinnen und Besuch sehr beeindruckt und sehr viele an Gütersloh« zu schenken. Forum- Schülern sagte Dirigent Wladimir Be- äußerten den Wunsch, bei der nächsten Beiratsmitglied Heinz Pastel verfasste gletzow: »Wir Russen und Deutschen Gelegenheit wieder zu diesem Friedhof den Text mit dem Titel »Gütersloh, du sind mehr als Freunde, wir sind uns so zu kommen. Stadt im Grünen«. Wer sollte die Me- nahe wie Geschwister«. lodie komponieren? Auf diese Frage Im Mai 2000 hat das Forum den Glin- fand Kiesl schnell die Antwort: Eduard Der Chor besuchte am Montag, 15. ka-Knabenchor wieder eingeladen. Auf Topchian aus Eriwan. Er faxte seinen

61 Das Kammerorchester »Serenade« gab von 1999 bis 2005 jährlich ein Konzert in Gütersloh

Wunsch an Eduard und hoff te auf eine hatten fast alle Stamm-Gastge- Zusage. Und tatsächlich, wie erwartet, ber, die sich immer aufs Neue kam die gute Nachricht, dass er die auf ihren Besuch freuten. Am Musik dazu komponiert. Die Noten 24. Oktober 2005 gab »Serena- kamen im November 1999, der »Chor de« zum letzten Mal ein Kon- Manfred Ligensa« studierte den Ge- zert. Damals kam schon an die sang ein. Das Orchester »Serenade« Öff entlichkeit, dass Topchian probte unter seinem Chefdirigenten eine herausragende Position in und künstlerischen Leiter Eduard Top- den USA in Aussicht hat. Nie- chian die Musik und beim Konzert am mand vom Forum wusste aber, 4. Februar gab es vor dem großartigen dass es das letzte Konzert in Programm im kleinen Saal der Stadt- Gütersloh sein wird. halle in Anwesenheit von Bürgermei- Die Hymne sterin Maria Unger die Urauff ührung an Gütersloh der »Hymne an Gütersloh«, von der 300 CD’s hergestellt wurden, die von der Gütersloher Sparkasse gesponsert wurden. Maestro Eduard Gratsch und sein Orchester MOSKAVJA Der »Bund Westfälische Heimatklänge e. V.« hat die »Hymne an Gütersloh« Anfang 1995 hätte noch niemand dar- 1995 stellte Franz Kiesl das geplante unter der Nr. 219 im Westfälischen an gedacht, dass unser Forum einmal Programm vor. Professor Dr. Jefi m Sal- Musik-Archiv registriert. ein Konzert mit dem weit über die ganik sagte, dass er einen ganz großen Grenzen Russlands hinaus berühm- in Russland sehr angesehenen Musiker Eduard Topchian kam mit seinem ten Professor Eduard Gratsch (Geige) kenne, den er vor Jahren beim Warten Kammerorchester von 1999 bis 2005 und seiner Gattin Valentina Vasilenko am Flughafen kennengelernt habe, und jedes Jahr nach Gütersloh. Die Mitglie- (Piano) veranstalten könnte. Es kam dass das Forum einen Künstler dieses der des 25- bis 30-köpfi gen Ensembles so: Auf der Mitgliederversammlung Ranges noch nie habe auftreten lassen.

62 Valentina Vasilenko ist in Korea gebo- ren, absolvierte ihr Klavierstudium am Konservatorium von Leningrad –jetzt St. Petersburg- und legte dort ihr Staats- examen ab. Valentina Vasilenko ist eine brillante Pianistin und hat viele interna- tionale Wettbewerbe gewonnen. Auf dem Programm am 27. Oktober 1995 standen Werke von Alfred G. Schnittke, Sergej S. Prokofi ev, Johannes Brahms, Fritz Kreisler, Georg Gershwin. Über Professor Jefi m Salganik erfuhr Franz Kiesl Ende des Jahres 1996, dass Professor Eduard Gratsch mit seinem Solisten- und Kammerorchester MOS- KAVJA des Tschaikowskij-Konserva- toriums im Mai 1997 nach Gütersloh Professor Eduard Gratsch dirigiert das Kammerorchester »Moskavja« kommen möchte, um mehrere Kon- zerte zu geben. Zu der Zeit war in der Öff entlichkeit viel von der Hilfe für das Am Sonntag, der der Mitgliederver- Abram Jampolski und David Oistrach. Kinderkrankenhaus Perm die Rede, für sammlung folgte, rief Kiesl Professor Er verkörpert als Interpret und Virtu- das sich WDR-Intendant Fritz Pleitgen Salganik an und sagte, dass er jenen ose Ruhm und Glanz der russischen einsetzte. Deshalb war es naheliegend, großen Musiker einladen würde, wenn Violinschule und ist Preisträger meh- aus den Auftritten dieses Orchesters er am 27. Oktober 1995 in Gütersloh rerer renommierter Violinwettbewerbe Benefi zkonzerte zugunsten des Kinder- ein Konzert geben könne. Ein paar u. a. in Paris, Moskau und Budapest. krankenhauses Perm zu organisieren. Stunden später sagte Professor Salganik Seine Konzerttätigkeit führte ihn durch Kiesl wandte sich an das Bundestags- Kiesl telefonisch den Besuch von Pro- viele Länder Europas und auch nach mitglied Kathrin Fuchs mit der Bitte, fessor Gratsch und seiner Gattin Valen- Mexiko und China. Franz Kiesl traf dem WDR-Intendanten Pleitgen diese tina Vasilenko zu. Prof. Gratsch zweimal in der Sommer- Absicht mitzuteilen. Fritz Pleitgen freu- schule der »Neuen Namen« in Susdal, te sich darüber und übernahm für die Professor Gratsch war Meisterschüler wo er Meisterkurse gab. Konzerte die Schirmherrschaft. Die 16 der weltberühmten Geigenprofessoren Musikerinnen und Musiker waren vom 8. bis 18. Mai zu Gast in Gütersloher

63 Familien. Das Forum organisierte Mu- slakow war Gast dieser Veranstaltung. Der Abschied fiel allen schwer. sikveranstaltungen mit dem Orchester Er sagte unter anderem: »Mit Kultur MOSKAVJA in Gescher, in Löhne und kann man Politik machen, aber es ist Ein Nachhall in der Presse: Constanze in der Hochschule für Musik Detmold. schwer, mit Politik Kultur zu machen.« Natosovic, Kultur-Journalistin der Neu- Am 12. Mai gab es einen Empfang bei WDR-Intendant sagte zu dieser Veran- en Westfälischen schrieb in der Rubrik Bürgermeisterin Maria Unger, von dem staltung: »Helfen und Genießen – das »Die Sterne der letzten Spielzeit« im der WDR-Bielefeld TV-Aufnahmen Motto dieses Konzertes- ist eine solch Juni 1997: »Eine Glanzleistung an gei- machte. kultivierte Formel, die von Gütersloh gerischem Können bot Eduard Gratsch’s ausgehen sollte in viele Regionen.« Orchester in der Stadthalle. Die jungen In Gütersloh gab es am 15. Mai nach- Musikerinnen und Musiker, alle Stu- mittags und abends je ein Konzert. Bei WDR 3 berichtete an jenem Abend im denten des Tschaikowskij-Konservato- beiden Aufführungen war der Beifall gesamten Sendegebiet zweimal über die riums Moskau, und vor allem die fünf enthusiastisch. Stark applaudierten die Veranstaltung und das WDR-Studio Solistinnen bewiesen auf ihren Instru- Besucher den Darbietungen der Solis­ Bielefeld brachte schon am 14. Mai menten Temperament und Perfektion tinnen, die Preisträgerinnen internatio- eine Sendung über das Orchester und und verbanden das Ganze noch mit ei- naler Wettbewerbe sind und durch ihr die Verwendung des Benefizanteils. nem guten Zweck, denn der Erlös des musikalisches Gespür, Präzision und Das Forum konnte an die »Die Kinder (Wohltätigkeits-)Konzerts ging an das Gestaltungsreife glänzten. von Perm e. V.« für das Kinderkranken- Kinderkrankenhaus Perm. Das Benefizkonzert in Anwesenheit haus 6.300 Mark aus den Benefizbeträ- von WDR-Intendant Fritz Pleitgen gen der Konzerte in Gütersloh als Spen- Durch die Zusammenarbeit mit der und des WDR-Chefredakteurs Harald de überweisen. Stiftung »Neue Namen« in Moskau Brand in Gütersloh fand am Freitag, Gäste und Gastgeber erlebten an 13 ab 1998 hat das Forum bei Professor 16. Mai, im vollbesetzten kleinen Saal Tagen wunderbare gemeinsame Zeiten. Gratsch nach Konzerten in den Folge- statt. Botschaftsrat Alexander Mas- Am Tag der Trennung gab es Tränen. jahren nicht mehr nachgefragt.

Gesangs- und Tanzensemble »Miras« aus Sainsk/Tatarstan

urch die Verbindungen von Franz Kiesl, dem Vorsitzenden des Forums friedliche Zusammenleben von Tata- Russische Kultur, zu der Kulturministerin von Tatarstan, Silija Walejewa, ren und Russen, von Muslimen und Dkam auf Einladung des Forums im März 2008 das Gesangs- und Tanzen- Christen lebendig ist, zu bewahren. Sie sembles »Miras« aus der 300 km von Kasan entfernten Stadt Sainsk nach Gü- bemüht sich dabei insbesondere in der tersloh, um als Botschafter Tatarstans tatarische Kultur in Deutschland zu prä- dörflichen Umgebung von Sainsk, das sentieren. Das Ensemble kam nicht aus einem kulturellen Zentrum, sondern aus vom Aussterben bedrohte Musikgut zu einer ländlichen Kleinstadt. retten und in moderner Ausdrucksform neu zu gestalten. Aus diesen Dörfern kommt ein Teil der Jungen und Mäd- chen des Ensembles. Sie waren bei dem Besuch durch ihre bescheidene und zu- Zwanzig Kinder und Jugendliche im Preisgekrönte Solisten sind der Solosän- rückhaltende Art gegenüber den selbst- Alter von 8 bis 20 Jahren, denen die ger Aidir Suleymanov, der die Prämie bewussteren und westlich gekleideten Empfehlung einer langen Liste von ge- des Präsidenten der Russischen Födera- Stadtkindern zu erkennen. Zum Teil wonnenen Wettbewerben und Preisen tion und des Präsidenten von Tatarstan nehmen sie und ihre Eltern bis zu 30 vorausging, haben am Mittwoch, 12. erhielt, und die Solosängerin Guluza, km weite Fahrten in Kauf, um an den März 2008, um 19.00 Uhr im großen die als Auszeichnung die Goldmedaille Übungsstunden teilzunehmen. Das ist Saal und am Donnerstag, 13. März im »Vokalwettbewerb des Weltfestivals umso bemerkenswerter, als sie über- 2008, im kleinen Saal der Gütersloher der Kinderkunst« erhielt. wiegend aus bescheidenen Verhältnis- Stadthalle Konzerte gegeben. Von ihren sen stammen. Allerdings verschafft die vielen Auszeichnungen seien hier nur Die im Jahre 1999 von Alfija Waliulli- Mitgliedschaft bei MIRAS ein nicht zu erwähnt: Preis des Festivals Jugend-. na gegründete Gruppe MIRAS, die sie unterschätzendes Prestige, denn inzwi- Kinder- und Familienkollektive Russ­ auch heute noch leitet, umfasst rund schen haben es einige Gesangssolisten lands »Spoloch 2005«, zweimaliger Preis 70 Mitglieder, von denen 20 im Alter zu ansehnlichen Erfolgen gebracht und des internationalen »Festivals der Turk- zwischen 8 und 16 Jahren die Gele- damit der gesamten Gruppe zu beson- völker (Yalova/Türkei) und der Preis des genheit zu der Reise nach Deutschland derem Glanz verholfen. Es gab also gute »Frühlingswettbewerbs der Kinderkol- bekamen. Die engagierte Musikpäd- Gründe, MIRAS für die Reise nach lektive Russlands«. agogin hat sich die Aufgabe gestellt, Deutschland, die von der Zeitung »Re- alte tatarische Volkskunst, in der das publik Tatarstan« und einigen einheimi-

64 »MIRAS« aus Sainsk in der Republik Tatarstan präsentierte Foklore der Tataren

schen Firmen finanziell gefördert wur- die das zweite Konzert hervorragend mo- Bei den Tataren ist die Musik ein be- de, auszuwählen. derierte und damit den deutschen Kin- sonderes Ausdrucksmittel der Gefühle. dern das Verständnis der Darbietungen Die Lieder und Tänze in den Konzerten Die Gruppe erhielt durch die Einla- deutlich erleichterte. Schließlich muss hatten in bunter Reihenfolge Freund- dung nach Gütersloh zusätzlich die die wichtige Unterstützung des MIRAS- schaften, Liebe zu den Eltern und Liebe Gelegenheit, während eines fünftägi- Besuchs durch Erika und Manfred Ham- zur Heimat zum Inhalt. Herausragen- gen Aufenthalts in Berlin bei Konzer- brink erwähnt werden. Sie waren nicht de Solistin war Guluza Kashapova. Im ten in der Russischen Botschaft, im nur freundliche Gastgeber, sondern ihr letzten Jahr erhielt sie für ihre Gesangs- Russischen Haus und vor der Berliner Internet-Anschluss stellte auch die stän- leistung, speziell für ihre Interpretation Tatarengemeinde ihr Können unter dige Brücke zur Redaktion der »Republik des Liedes »Nachtigall«, die Auszeich- Beweis zu stellen. In Gütersloh standen Tatarstan« dar. Sie selbst wirkten bei den nung »Goldene Stimme«. Es ist kaum dann zwei Konzerte in der Stadthalle Konzerten tatkräftig in der Tontechnik möglich, alle Höhepunkte aus dem ab- auf dem Programm. Wie in Berlin war und der Maske mit. Es ist also nicht über- wechslungsreichen Programm hervor- auch hier das Publikum von den Dar- trieben, von einer beispielhaften Gemein- zuheben. Die Vorträge wechselten zwi- bietungen begeistert, wobei besonders schaftsleistung zu sprechen. schen melancholischen und schnellen, beim zweiten Konzert vor rund 200 Das alles diente natürlich dem Gelin- unterhaltsamen Melodien, die durch Grundschülern der Funke sehr schnell gen der Darbietungen in den beiden dazu hervorragend passende Tänze un- übersprang und keines der Kinder sich Konzerten. Zunächst fiel in der Gestal- terstützt wurden. Die Übersetzung der der Wirkung der mitreißenden Ge- tung der Kostüme der Einfluss der un- Texte beim zweiten Konzert erleichter- sänge und Tänze entziehen konnte, sie terschiedlichen Religionen in Tatarstan ten den Kindern das Verständnis der wirkten bei den Tänzen einfach mit. auf. Darin spiegelte sich auch die un- Darbietungen. Das erwachsene wie das terschiedliche Zusammensetzung des junge Publikum zeigten jedenfalls ohne Bericht im Westfalen-Blatt Ensembles wider. Während die Chri- Zurückhaltung ihre Begeisterung, und vom 14. März 2008 sten an weiten Kostümen aus leichten, nicht nur die Schüler beteiligten sich Besondere Erwähnung verdient die Betei- fließenden, einfarbigen Stoffen und am Ende spontan an den Tänzen. ligung der befreundeten Russland-Deut- zwiebelturmartigen Hüten zu erkennen schen an der Betreuung der Gruppe durch waren, trugen die Muslime bunte, blu- In der Zeitung »Republik Tatarstan« ihre wertvolle Übersetzertätigkeit, die mige Stoffe mit reichen Applikationen wurde darüber berichtet. von den Gästen außerordentlich geschätzt und eher spitze und lange Hüte, die an wurde. Ein Extra-Lob gilt Olga Gomer, Minarette erinnerten.

65 66 Unsere Kooperationspartner

Der Verein »Wasilissa«

iele Jahre fragten sich die Vorstandsmitglieder des Forums, warum denn die Deutschen aus Russland und die Russen, die jetzt in Gütersloh leben, Vdie Veranstaltungen des Vereins mit russischen Künstlern nicht besu- chen. Eines Sonntagmorgens machte eine Bekannte, die ein paar Häuser weiter wohnt, Franz Kiesl darauf aufmerksam, dass in ihrem Nachbarhaus ein junger Russlanddeutscher mit seiner Familie wohnt. Noch am gleichen Vormittag rief Franz Kiesl Herrn Artur Kromm an und lud ihn zu einem Gespräch ein. Und das war der Anfang eines Kontakts, der zu einer sehr aktiven Kooperation des Forums mit den Russlanddeutschen führte, die Anfang 2006 einen Verein mit dem Namen »Wasilissa« gründeten. Wasilissa ist eine russische Folklorefigur, die für Klugheit, Glück, Schönheit und Weisheit steht, ehrgeizig ist und gerne Men- schen hilft, die der Hilfe bedürfen. Franz Kiesl ist Gründungsmitglied, weil ihm sehr viel an einem guten und lebendigen Verhältnis zwischen den schon immer hier ansässigen Deutschen und den in den letzten beiden Jahrzehnten zugewan- Artur Kromm derten Russlanddeutschen und Russen liegt.

»Wasilissa« ist ein aktiver Verein, der in- zwischen 117 Mitglieder hat und ihnen Ein Teil der Seele ist in Russland geblieben ein breites Angebot an kulturellen und Artur Kromm vom Verein »Wasilissa« erzählt seine Lebensgeschichte gesellschaftlichen Veranstaltungen bie- tet. Das Motto des Vereins, das bei je- der Gelegenheit präsentiert wird, ist das Darf ich mich vorstellen – ich heiße Ar- »Meine Eltern, meine Großeltern und Goethe-Zitat: »Es ist nicht genug, es zu tur Kromm. Geboren in Kasachstan, in meine Urgroßeltern sind Deutsche. wissen, man muss es auch anwenden! der Stadt Taldy-Kurgan, im Dorf »Sar- Dann bin ich auch ein Deutscher. Aber Es ist nicht genug, es zu wollen, man ja kommunisma«. 7 Jahre nach meiner ich lebe in Russland und meine Heimat muss es auch tun!« Geburt zog unsere ganze Familie (unsere ist Russland«. Anders konnte ich damals Eltern und wir Kinder – sieben Brüder) die Frage nicht beantworten. Das Forum bindet in einige seiner Ver- in die Stadt Engels im Saratow Gebiet anstaltungen den Auftritt des Wasilis- um, also an die »Mutter-Wolga«. Dort Erst jetzt weiß ich, dass nicht nur ich, sa-Chores »Russkaja Duscha« ein, der habe ich die Mittelschule und gleichzei- sondern viele von unseren Landsleuten über 30 Mitglieder hat und in russi- tig eine Musikschule mit dem Fachin- das Wort Russland mit dem Wort Hei- scher Tracht russische Volkslieder singt. strument Akkordeon abgeschlossen. mat verbinden. Für einige ist ihre Hei- Das Ensemble trat beispielsweise im mat Kasachstan, Usbekistan, Kirgistan, Dezember 2009 und 2011 in der Gü- Sehr häufig bin ich in Wettbewerbskon- Weißrussland oder Ukraine und so wei- tersloher Stadthalle im Vorprogramm zerten aufgetreten, bei denen ich öfters ter. Aber in der heutigen Gesellschaft zur Musikrevue »IVUSHKA« auf. Die unter den Besten war. Aber dies war für im 21. Jahrhundert kann man als Ge- Qualität hatte hohes Niveau, sodass mich nicht so wichtig. Das wichtigste burtsland, also als die Heimat, einfach die Besucher glaubten, dieser Auf- war und ist für mich – die Anerken- bloß die Erde nennen. Und es ist gleich- tritt gehöre bereits zur Veranstaltung nung der Zuhörer zu gewinnen. Meine gültig, wo man wohnt, man wird sich »IVUSHKA«. Mitschüler haben mich sehr oft gefragt: immer wieder daran erinnern, wo man »Artur, du bist doch geboren in Kasach- seinen ersten Schritt gemacht hat, wo Artur Kromm stellt in seinem nachfol- stan – und das ist für uns klar; du lebst man halt seine Kindheit und die Jugend genden Bericht gerade auch die Pflege und besuchst die Schule in Russland – verbracht hat. Und immer wieder wird russischen Brauchtums in sehr persön- das ist für uns auch klar, aber du sagst, dieses mit dem Wort Heimat in Verbin- liche Weise in einen größeren Zusam- dass du ein Deutscher bist. Wie kann dung gebracht. menhang. das sein?« Meine Antwort war einfach:

67 Was Freizeit ist, habe ich nicht gewusst, Familienfesten meiner zahlreichen Ver- Unterstützung meiner Verwandtschaft weil wir eine große Familie waren mit wandten und Bekannten. mein eigenes Geschäft, einen Laden, in eigenem Haus und großem Garten. Mit meinem musikalischen Werk bzw. dem russische Bücher, CD´s und DVD’s Dazu kamen Wirtschaft, Schule, Mu- meinen Liedern hat alles ganz einfach angeboten werden. »Horizont« in der sikschule, Vorbereitung für die Hoch- und transparent angefangen. Kahlertstraße 204 ist mittlerweile nicht schule für Kultur... Das alles hat mir Einmal waren Leonid Jekel und seine nur unter Migranten aus Russland, son- für den Einstieg in mein neues Er- Frau Maria bei meiner Schwiegermut- dern auch unter Einheimischen durch wachsenenleben sehr geholfen.Da ich ter Katharina Schild in Gütersloh zu den Vorverkauf von Eintrittskarten für musikalisch begabt war, einen strengen Besuch. Meine Frau und ich waren die zahlreichen Konzerten des Forums Charakter und Ausdauer hatte, habe auch dort. Nach dem Kaffeeklatsch Russische Kultur bekannt und beliebt ich nur gute, nette und freundliche haben Leonid und ich über die Musik geworden. Menschen angezogen. diskutiert. Dieses Thema war uns bei- den nah und vertraut. Plötzlich hatte Über all die Jahre habe ich meine Lie- Dann kam das Studium an der Hoch- Leonid eine Idee, die ich anfangs total be zur Musik nicht verloren. Ein Teil schule für Kultur und Kunst in der verrückt fand, nämlich aus seinen ge- meiner Lieder wurde am Abend des Stadt Samara (Kujbyschew), wo ich als schriebenen Texten Lieder zu machen. 1. November 2008 präsentiert. Es war Dirigent das Volksinstrumentenorche- Er hatte bereits viele fertige Liedertexte der Tag, an dem unser interkultureller ster geleitet habe. Anschließend war ich und bot mir an, dazu Musik zu kompo- deutsch-russischer Verein »Wasilissa« als künstlerischer Leiter in verschiede- nieren. Ich habe aber sofort nein gesagt e.V. sein 2-jähriges Jubiläum feierte. nen Kulturzentren tätig. und mich dabei darauf zurückgezogen, dass ich bloß ein Dirigent und Akkor- Der Kern dieser poetisch-musikalischen Erst danach kam für mich das entschei- deonspieler wäre. Leonid bestand aber Arbeit waren die Erinnerungen an das dende Jahr 1994 – die Übersiedlung darauf, dass ich es trotzdem versuchen Geburtsland, an die unbeschwerte »bar- nach Deutschland... sollte. Wahrscheinlich war er sofort fest füßige« Kindheit in dem Heimatdorf davon überzeugt, dass ich es schaffen am großen Fluss, an die Jugendzeit Die Probleme der Spätaussiedler würde. voller Träume… Einer dieser Träume – Obwohl ich Spätaussiedler war, konn- Beim Abschied sagte er: » Artur, ich einmal im Land meiner Vorfahren an- te ich nur ein bisschen Deutsch. Es hat lasse dir ein paar Texte hier. Wenn du zukommen – ist für mich in Erfüllung angefangen wie bei allen anderen Fami- Zeit finden solltest, versuche es einfach. gegangen. Doch wir (ich, Leonid Jekel lien: Schlechtes Deutsch, dadurch eine Und wenn nicht, dann nicht.« Ich habe – der Mensch, dessen Gedichte mich in- ungewisse Perspektive und keine Idee, mich also entschieden… spiriert haben, daraus Melodien zu ma- was wir hier machen sollten. Genau chen - und Frau Katharina Kucharenko, wie viele meiner Landsleute musste ich Zurzeit singe ich im Gütersloher Män- die die Texte einiger unserer Lieder ins mir erst die deutsche Sprache aneignen nerchor MGV »Harmonie« und in Deutsche übersetzt hat) sagen in unse- und einen praktischen Beruf erlernen. dem vor kurzem gegründeten Chor des ren Liedern zu uns selbst und zu unse- Während ich in den ersten Jahren in ei- Vereins »Wasilissa«, außerdem schreibe ren Landsleuten: »Du darfst Russland ner Möbelfabrik arbeitete, war ich am ich weiter selbst Musik. nicht vergessen, ...da blieb ein Teil dei- Wochenende mit meinem Schifferkla- ner Seele... Behalte das Land in deinem vier unterwegs und sorgte für gute Un- Vor sieben Jahren wagte ich den Weg in Herzen!« terhaltung bei Hochzeiten und anderen die Selbständigkeit und eröffnete mit

Die »Deutsch-Russische Gesellschaft Paderborn e. V.«

»Im Sommer 2007«, erinnert sich Die Satzung der »Deutsch-Russischen In die Veranstaltungen der Paderborner Franz Kiesl, »rief mich ein Herr an, der Gesellschaft Paderborn« beschreibt den Gesellschaft sind die Russlanddeut- sich mit Kaiser Franz-Josef vorstellte«. Zweck des Vereins so: »Die Deutsch- schen mit ihrem Verein »Lernwerkstatt Ja, der Name stimmt. Es war Prof. Dr. Russischen Beziehungen in Paderborn Monolith e. V.« besonders einbezogen. Dr. Franz-Josef Kaiser, Präsident der und in der Region sind zu beleben und ´«Deutsch-Russischen Gesellschaft Pa- zu pflegen. Das gilt insbesondere für Am 30. Oktober 2007 besuchte eine derborn e. V.«, der über eine mögliche die geistig-kulturellen Verbindungen Gruppe der Paderborner Deutsch- Zusammenarbeit sprechen wollte. Das zwischen Deutschland und Russland Russischen Gesellschaft das Konzert war natürlich ein erfreuliches Angebot. sowie die politische, wirtschaftliche der Russischen Nationalphilharmonie Franz Kiesl besuchte Prof. Kaiser in und wissenschaftliche Kooperation. unter Leitung von Wladimir Spivakov seiner Paderborner Wohnung zu einer Die Integration der Russland-Deut- in Gütersloh. Die Paderborner nahmen ersten gegenseitigen Information. Zum schen in das gesellschaftlich-politische auch am anschließenden Empfang teil, einen waren die Funktionen von Prof. Leben in Deutschland und Europa ist Gelegenheit zu einem ersten kennen- Kaiser sehr interessant und zum ande- zu fördern«. lernen. Dabei wurde verabredet, dass ren die Arbeit seines Vereins. der Kammerchor »Rossika« der St. Pe-

68 tersburger Philharmonie bei seinem wissenschaftlichen Zusammenarbeit Weitere Begegnungen zwischen den geplanten Besuch im November 2008 und Förderung der wirtschaftlichen Mitgliedern der Paderborner Deutsch- in der Franziskaner Kirche ein Kon- und gesellschaftlichen Entwicklung, Russischen Gesellschaft und des Gü- zert geben sollte. Diese Veranstaltung sowohl der Russischen Föderation als tersloher Forums, die für die Arbeit wurde ein voller Erfolg, so dass das auch der beteiligten Länder der EU. des jeweiligen Vereins Impulse geben, Ensemble eingeladen wurde, im Jahre wird es in der nächsten Zeit sehr häufi g 2010 an gleicher Stelle wieder aufzutre- geben. ten. Danach besuchten die Paderbor- ner noch mehrere Veranstaltungen des Forums in Gütersloh.

Gemeinsam trafen sich die Mitglie- der der Paderborner Gesellschaft und des Gütersloher Forums am 6. Juni 2009 auf Schloss Bökerhof des Freiherrn von Haxthausen, am 26. August 2010 im Husaren-Museum und in der Schlossbrauerei in Rhe- der, sowie am 16. Juli 2011 auf Schloss Willebadessen des Ehepaa- res Freiherr Diethard und Freifrau Alexandra von Wrede. An jedem der drei besuchten Plätze gab es ei- nen Bezug zu Russland über den die Gastgeber ausgiebig berichteten. Es blieb nach den Besichtigungen ge- nügend Zeit, beim gemeinsamen Mittagessen Gedanken auszutau- schen und die Möglichkeiten und Erfahrungen als Mitglied im jewei- ligen Verein zu berichten.

Besonders interessant am Kontakt zu Franz-Josef Kaiser sind sein vielfältiges Wirken in Russland und seine weit reichenden Bezie- hungen dorthin. Er ist Prof. em. Dr. Dr. hc. der Fakultät für Wirt- schaftswissenschaften der Univer- sität Paderborn und Mitglied der Russischen Akademie der Natur- wissenschaften (RAN), Sektion Ökonomie und Soziologie. Seit über 20 Jahren ist er in der Russi- schen Föderation an Universitä- ten und Lehrerfortbildungsinsti- tuten tätig. Auch nach seiner Emeritierung arbeitet er im Rahmen von TEMPUS- Tacis- Projekten der EU mit Kollegin- nen und Kollegen an Universitä- ten und Hochschulen u. a. in St. Petersburg, Moskau, Wilikij- und Nischnij-Nowgorod, Tomsk, Kasan, Vo ronesh, Abakan, Ir- kutsk und Ulan-Ude zusam- men.

Tempus-Projekte sind Koope- rationsvorhaben zwischen Russ- land und einzelnen Ländern der EU zur Förderung der

69 Das Forum baut auf alten Traditionen auf

Wenn ich während meiner bisherigen 39 Gruppen-Reisen des Forums von den Reiseleiterinnen immer wieder hörte, wie »eng die Beziehungen der Russen zu den Deutschen in der Vergangenheit waren und wie sehr die Russen die Deutschen schon immer geschätzt und sich von ihnen Rat und Unterstützung geholt haben, dann wünsche ich mir, es möge wieder zu einer solch intensiven geistigen Beziehung der beiden Völker kommen. Deshalb freue ich mich über alles, was über frühere Verbindungen auf den verschiedensten Gebieten zur Kenntnis gebracht wird,« sagt Franz Kiesl. Im Folgenden einige Bei- spiele.

Russische und deutsche Beziehungen in der Literatur Von Liza Dorogova

ie Wechselbeziehungen zwi-­ schaft erscheinen mir aber besonders schen russischer und deut- berichtenswert. Dscher Literatur sind jahrhun- dertlang – hieß ein wissenschaftli- Marina Zwetajewa und ­Rainer cher Beitrag des großen Kenners Maria Rilke Liza Dorogova aus Wolgograd unserer beiden Kulturen Lew Kope- lew. Da hat er recht. Denn die erste Diese Freundschaft, die nur ein Jahr Verbindung knüpfte sich schon im dauern sollte, war trotz großer Ent- kommt. In diesem Gedicht nennt er sie zwölften Jahrhundert. Da haben rus- fernungen von hoher Intensität und eine »weibliche Blume« und sagt »Wel- sische und deutsche Sänger von ein- unheimlicher Poesie geprägt. Im Jahr len, Marina, wir Meer! Tiefen, Marina, ander gehört, so die Wissenschaftler 1926 entspann sich zwischen dem wir Himmel«. Erstaunlich ist, wie ähn- anhand der Quellen »Igorlied« und fünfzigjährigen Rainer Maria Rilke lich diese Worte Marinas Worten sind. »Annolied« (1105). und der vierunddreißigjährigen Mari- »Mein Name – Marina, …ich bin wie na Zwetajewa, die als größte russische der Schaum«. Schon in der ersten Zeit Dichterin gilt, eine »allen Entfernun- ihres Briefwechsels verspürt Marina Jeder historische Zeitpunkt hat seine gen spottende« Verbindung. Wie ein Zwetajewa eine innige Vertrautheit. besonderen literarischen Begegnungen kurzer Sommer des Nordens war ihre »Rainer Maria Rilke! Darf ich Sie so und Freundschaften zwischen Russen Freundschaft, die den schon im Ster- nennen? Sie, die verkörperte Dichtung, und Deutschen. Paul Fleming schrieb ben liegenden Rilke zu hervorragenden müssen doch wissen, dass Ihr Name al- Gedichte über das bäuerliche russische dichterischen Schöpfungen inspirierte. lein – ein Gedicht ist… O Rainer…«, Volksleben, Herder übersetzte russische Groß war der Einfluss dieses deutsch- schreibt sie ihm am 9. Mai 1926. Viele Lieder. Schiller inspirierte jeden aufge- sprachigen Dichters, der selbst Gedich- Briefe werden in diesem Jahr gewech- klärten russischen jungen Mann, er war te in Russisch verfasste, welche auf die selt. Alle Briefe von Rainer Maria Rilke ein Dichtergott für viele junge russi- Entwicklung von Zwetajewas Idealen und seiner russischen Freundin zeugen sche Literaten. Für Thomas Mann und durch sie auch auf ihre jüngeren davon, dass ihre Freundschaft voller hatte die »heilige russische Literatur« Zeitgenossen wirkten. Im Mai 1926 wechselseitiger Verehrung ist. Diese eine besondere Bedeutung. Es gibt un- knüpfte sich die Freundschaft zwischen Verbundenheit, die im »Mai der Ver- zählige Beispiele für die fruchtbaren den beiden literarischen Größen und lobten und Verliebten«, so Zwetajewa, Wechselwirkungen, die unsere Kultu- schon einen Monat später widmete beginnt und einer Liebe so ähnlich ist, ren aufeinander ausübten. Zwei Bei- Rilke der jungen Frau eine Elegie, in bewährt sich bis zu Rilkes Tod um die spiele der russisch-deutschen Freund- dem der Name »Marina« achtmal vor- Neujahrszeit 1926.

70 Heinrich Heine und Fjodor Trotz solcher Zwischenfälle verbrach- knüpften Kontakte miteinander, halfen Iwanowitsch Tjutschew ten der damals schon renommierte einander in Zeiten schwerer Not. Die Heine und der junge Diplomat Tjut- meisten Beispiele stammen aus der Zeit Einige Zeit lang nannte der »letzte schew in München viel Zeit miteinan- vor der Sowjetunion. Romantiker« Heinrich Heine den jun- der. Ausgerechnet Fjodor Iwanowitsch Aber zwei glänzende Beispiele russisch- gen Fjodor Tjutschev, der damals in hat Heines Werk dem russischen Pu- deutscher Freundschaft hat auch die München seinem Beruf als Diplomat blikum in russischer Übersetzung vor- zweite Hälfte des zwanzigsten Jahr- nachging, »seinen liebsten Freund«. gestellt. Später gingen die Wege der hunderts zu bieten: Heinrich Böll und Viel Freude hatten diese zwei Dichter- beiden großen Dichter auseinander, Alexander Solschenizyn sowie Heinrich sterne aus Russland und Deutschland aber nichtsdestoweniger groß blieb die Böll und Lew Kopelew. Lew Kopelew mit- und aneinander. Die menschliche fast mysteriöse Ähnlichkeit in ihrem gehörte zu den engsten Freunden des und literarische Ähnlichkeit zwischen Schicksal. Für beide spielten Frauen Nobelpreisträgers Böll. Zusammen Heine und Tjutschew ist so erstaunlich eine besondere Rolle. Heines Charis- konnten die beiden Literaten vielen groß, dass sie sogar zum Hindernis für ma und Tjutschews Charme eroberten Menschen helfen. Kopelew verfasste die ihre Freundschaft werden konnte und viele Frauen. Beide litten danach unter Vorschlagslisten, welche Literaten in die zum Teil auch wurde. Zum Beispiel schweren Gewissensbissen und schrie- internationale Schriftstellervereinigung schwärmten die Dichterfreunde für ben traurige Gedichte. Beide, Tjut- PEN (d.h. poets-essayists-novelists) auf- dasselbe Mädchen, Klothilda Botmer. schew und Heine, liebten ihre Heimat genommen werden sollten, um sie vor Tjutschew widmete ihr ein in Russland mit einer bitteren Liebe. Tjutschew ist Lagerhaft, Psychiatrie oder Verbannung sehr bekanntes Gedicht: »Oh Jung- vor allem berühmt als der Autor der zu schützen. Und Alexander Solscheni- frau, liebe nicht den Dichter«. In die- Worte »An Russland muss man einfach zyn verbrachte sogar einige Zeit nach sem kleinen dichterischen Meisterwerk glauben«. Zahlreiche Gedichte Heines seiner Ausbürgerung aus der UdSSR bei warnt er die junge Dame vor keinem dienen als Beispiel für seinen besonde- der Familie Böll. Viele andere Beispiele anderen als Heinrich Heine höchst ren, leidenden Patriotismus. von freundschaftlichen Verbindungen persönlich. Interessant ist, dass Heines könnte uns die gemeinsame Vergangen- Werk auch ein Gedicht mit sehr ähnli- Diese und viele andere literarische Be- heit enthüllen. Wollen wir hoffen, dass chem Inhalt enthält: gegnungen und Verbindungen spielten uns auch die Zukunft mit so prächtigen »Kind! Es wäre dein Verderben immer eine Rolle für die Stränge, die Beispielen von Zusammenarbeit und Und ich geb mir selber Mühe, deutsche und russische Literaturtradi- vor allem von Zusammensein, von dem Dass dein liebes Herz in Liebe tion mit einander verbanden… Russi- »nie verstummenden Wechselgesang« in Nimmermehr für mich erglühe ». sche und deutsche Literaten schöpften der Literatur sowie im Leben erfreuen voneinander Ideen aus ihren Werken, wird. Beziehungen der Deutschen und Russen im Bereich der Musik Von Professor Piotr Oczkowski, Hochschule für Musik, Detmold

ir geben Auszüge aus dem Vortrag wieder, den Professor Piotr Oczkow- Berlin auf, wo er seine Kontrapunk­t- ski am 10. November 2009 in der Aula des Carl-Miele-Berufskolleg studien bei Siegfried Dehn an Werken Whielt, in dem er in überzeugender Weise die vielfältigen Kontakte zwi- von J. S. Bach wieder aufnahm. Also schen deutschen und russischen Komponisten und die Einflüsse auf ihr Wirken haben wir hier eine erste, sehr bedeu- beleuchtet. tende Beziehung zwischen Deutschen und Russen in der Musik. Allerdings hat er sich bei seinen deutschen Leh- »Die russische klassische Musik tritt Wie später Tschaikowskij schrieb, ist rern und Vorbildern die nötige Technik mit der Person von Michail Glinka dieses Werk die Urzelle, aus der sich angeeignet, seine musikalischen Ideen (1804 –1857) Anfang des 19. Jahr- das symphonische Repertoire der nach- zu realisieren. hunderts in Erscheinung. Glinka gilt folgenden Komponisten bilden sollte. als Vater der russischen Musik und Wer waren aber die Lehrer von Glinka? In den 20 er Jahren des 19. Jahrhun- wird auch als Wegbereiter für die Na- Er war mit Felix Mendelssohn Barthol- derts werden zunehmend Werke deut- tionalmusik Russlands angesehen. Zu dy befreundet und hat mehrere Reisen scher Komponisten in Sankt Petersburg seinen bedeutendsten Werken zählen nach Berlin gemacht, wo er ausgedehn- und Moskau aufgeführt, unter anderem die Opern »Iwan Sussanin« 1836 und te Musikstudien bei Siegfried Dehn Beethovens Symphonien. In den ersten »Russlan und Ludmila« 1842. Für die absolvierte. Nach weiteren Reisen in 40 Jahren des 19. Jahrhunderts gastie- Symphonische Musik ist sein kurzes Polen und Frankreich brach er im ren bedeutende Künstler in Russland, Werk »Kamarinskaja« von Bedeutung. Mai 1856 zu seiner letzten Reise nach wie z. B. Franz Liszt, Clara und Robert

71 er die russische Musik entscheidend Westen hatte und daher die meisten Be- beeinflussen sollte. Problematisch an ziehungen zu Deutschen pflegte. Er ist seiner Lehrtätigkeit war vor allem der auch in meinen Augen der »deutscheste Verzicht auf technische Übungen und Komponist« aller russischen Komponi- Musiktheorie. Er glaubte ohnehin, dass sten. Damit meine ich seinen formalen technische Übungen der Inspiration Aufbau der Stücke, sowie den Umgang hinderlich seien und die Musik »ver- mit dem musikalischen Material. Auch westlichen« würden. Tschaikowskij, hatte einen deutschen Lehrer, den nach Russland ausgewan- Auch Mussorgsky lernte als Jugend- derten Pianisten, Rudolf Kündinger. licher die Klaviermusik von Liszt und Beethoven zu spielen. Diese Zeit muss Bei Tschaikowskij möchte ich drei wei- sehr prägend gewesen sein. Sein Lehrer tere bedeutende Beziehungen mit deut- war wiederum ein deutscher Pianist: schen Zeitgenossen erwähnen: Professor Piotr Oczkowski im Carl-Miele- Adolph von Henselt. Dieser stand in Als Tschaikowskij seinem Freund und Berufskolleg unmittelbarer Verbindung zu Robert Mentor, Nikolaj Rubinstein sein erstes Schumann und Franz Liszt. Über Cui Klavierkonzert vorspielte, zeigte dieser lernte Mussorgsky Balakirew kennen. keine Regung, und am Ende schlug er Schumann. Der Boden für die Weiter- Von ihm erhielt er ersten formalen Un- Tschaikowsky vor, das Stück vollständig entwicklung wird bereitet. Nach Glin- terricht in Musiklehre, der im Wesent- umzuarbeiten. Es sei nicht tauglich und kas Tod entsteht das »Mächtige Häuf- lichen auf den großen Werken Ludwig völlig unspielbar. Tschaikowskij änder- lein« oder die »Gruppe der Fünf«. Dazu van Beethovens, Franz Schuberts und te nicht eine Note, schnürte die Parti- gehören, Alexander Borodin (1833 Robert Schumanns gründete. Mus- tur zum Paket und schickte dieses dem –1887), Cesar Cui (1834 –1918), Mili sorgsky ist eine ebenso elementare deutschen Dirigenten und Pianisten Balakirev (1837 –1910), Modest Mus- musikalische wie dramatische Bega- Hans von Bülow. Dieser hatte gegen das sorgsky (1839 –1881) und Nikolai bung. Staunenswert ist die Spannweite Werk nichts einzuwenden und saß bei Rimski-Korsakov (1844 –1908). Diese dieser Musik, die von der naiven Kin- dessen Uraufführung 1875 in Boston Komponisten schlossen sich 1862 in derweise bis zu wildester Leidenschaft, selbst am Klavier. Die Resonanz des Sankt Petersburg zusammen. Ihr Ziel vom derbsten Humor bis zu keusche- Publikums war überwältigend. Später war die Förderung einer nationalrussi- ster Verinnerlichung, vom Dämoni- änderte auch Rubinstein seine negative schen Musik in der Nachfolge Michail schen bis zu himmlischer Verklärung Meinung. Glinkas. Alle außer Balakirev waren reicht und für alles den natürlichsten, eher Amateure und hatten nicht Musik treffendsten Ausdruck findet. Viele sei- Auch erwähnen möchte ich hier die studiert. Es ist umso erstaunlicher, mit ner Werke wurden von dem bekannte- sonderbare Beziehung zwischen Tschai- welcher Urgewalt diese Komponisten, sten Vertreter dieser Gruppe der Fünf kowsky und Brahms. Sie lernten sich ganz besonders Mussorgsky, eine neue vollendet, nämlich von Nikolai Rim- persönlich 1888 in Leipzig kennen, wo Tonsprache entwickelt haben und Wer- ski Korsakov. Auch er steht u. a. unter Tschaikowsky öfters zu Gast war. Beide ke geschaffen haben, die aus den Kon- dem Einfluss onv Franz Liszt. In seiner hielten nicht sehr viel von der Musik zertprogrammen der ganzen Welt bis Musik spiegelt sich der Einfluss der des anderen. Deshalb ist erwähnens- heute nicht weg zu denken sind. neudeutschen Schule von Liszt und wert, dass am 12. März 1889, bei einem Wagner wieder, verbunden mit der zweiten Treffen der beiden Komponi- Auch hier möchte ich von Beziehungen Mannigfaltigkeit des russischen Erbes. sten in Brahms zugab, dass mit deutschen Zeitgenossen sprechen. Bestes Beispiel dafür ist seine sympho- ihm Tschaikowskys 5. Symphonie »mit So z. B. verdankt Alexander Borodin nische Dichtung »Scheherazade«. Ausnahme des Finales« gut gefiel! Wor- seinem Freund und Mentor Franz Liszt auf Tschaikowskij gestand, dass er die sein Bekanntwerden als Komponist in Tschaikowskij – der »deutsche« Brahmschen Werke, die er kannte nicht Westeuropa. Franz Liszt stellte 1880 Komponist sehr gern hatte…! in Baden-Baden Alexander Borodins Als letzten Komponisten möchte ich Erste Sinfonie vor, die begeistert aufge- Piotr Tschaikowskij erwähnen, der Auch zu Wagner gibt es eine besonde- nommen wurde. eine Sonderrolle spielt. Die Gruppe re Beziehung: Die Erstaufführung von der Fünf setzte sich von anderen russi- »Der Ring der Nibelungen« in Bayreuth Mili Balakirev wurde durch seinen schen Komponisten ab, die sich stärker rief höchstes Missfallen bei Tschaikows- deutsche Lehrer Karl Eisrich entschei- an westeuropäischen Vorbildern orien- kij hervor. Dennoch hat Tschaikowskij dend geprägt. Auch Einflüsse von Franz tierten. Zu diesem anderen Kreis von die Instrumentierung von Wagner für Liszt sind in seiner Musik bemerkbar. Komponisten gehört als bekanntester seine späteren Symphonien übernom- Später konnte Balakirev durch seine Vertreter eben Tschaikowskij. men…! Seine Oper »Evgenij Onegin« Eigenschaft als Leitfigur des »Mächti- 1879 kann man als gelungenes »lyri- gen Häufleins« seine Ideale an andere Tschaikowsky ist der russische Kom- sches« Gegenstück zum Musikdrama Komponisten weitergeben, mit denen ponist, der die meisten Kontakte zum des »Ring« betrachten.

72 Der Beitrag von August von Haxthausen zur Bauernbefreiung in Russland Von Elmar Freiherr von Haxthausen, Schlossherr von Schloss Bökerhof bei Brakel

ie Verbindung zu Russland hat in meiner Familie eine lange Tradition. Es begann in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts Dmit meinem Onkel August von Haxthausen, dem Bruder mei- nes Ur-Ur-Großvaters. August wurde als Jüngster von 15 Geschwistern 1792 im Bökerhof geboren, einem Haus, welches sich seit dem 15 ten Zeichnung des Herrn von Haxthausen Jahrhundert bis heute im Familienbesitz befindet.

Nach Studien an der Bergakademie von in der Folge in weiteren europäischen und sie über die Erkenntnisse und Be- Clausthal und in Göttingen nahm er Zeitungen und wurde sogar in der obachtungen seiner Reise in Kenntnis ab Herbst 1813 an den Befreiungskrie- »Times« kommentiert. zu setzen. gen teil. Im Laufe dieser Feldzüge kam er wohl zum ersten Mal in Kontakt mit Der Artikel erregte europaweit Aufse- Zurück in Westfalen ging er daran, Offizieren der russischen Verbündeten. hen und war mit ‚A.v.H’ gezeichnet, seine Reiseeindrücke aufzuarbeiten, Nach dem Ende der Napoleonischen so dass man zunächst Alexander von zunächst in den »Studien über die in- Kriege kehrte er nach Göttingen zum Humboldt als Autor vermutete. Nach- neren Zustände, das Volksleben und Studium zurück, musste aber 1818 dem sich die wahre Identität des Autors insbesondere die ländlichen Einrich- ohne Examen nach Hause zurückkeh- herausgestellt hatte, wurde August in tungen Russlands« und dann in »Trans- ren, um sich um die Verwaltung der der Folge vom Zarenhof beauftragt, kaukasia, Andeutungen über das Fa- Familiengüter zu kümmern. Russland zu bereisen und auch dort milien- und Gemeindeleben und die Grundlagenforschung im Zusammen- sozialen Verhältnisse einiger Völker Er begann hier bald mit agrarhistori- hang mit einer in Aussicht genomme- zwischen dem Schwarzen und Kaspi- schen Studien über das Paderborner nen Bauernbefreiung zu betreiben. schen Meer«. und Corveyer Land. Diese Arbeiten Nachdem er die Erlaubnis für diese erregten sogar in Berlin Aufmerk- ­Tätigkeit in ausländischen Diensten August machte aus seiner Zuneigung samkeit, so dass August in der Folge vom preußischen König Friedrich Wil- und Bewunderung für Russland nie berufen wurde, im Rahmen der Stein- helm III. erhalten hatte, machte er sich einen Hehl und entwarf in den beiden Hardenberg’schen Reformen mit dem im Frühjahr 1843 auf den Weg nach Büchern ein durchaus wohlwollendes Ziel der Bauernbefreiung in Preußen Russland. Auf Befehl des Zaren erhielt und verständnisvolles Bild des Landes. tätig zu werden. Allerdings stießen sei- er ein Gehalt; Übersetzer und Beglei- Am 19. Februar 1861 erließ Alexan- ne Forschungen und Anregungen bei ter wurden ihm zur Verfügung gestellt, der II. das lang ersehnte kaiserliche der preußischen Bürokratie bald auf und so durchquerte August Russland Manifest über die Bauernbefreiung in Widerspruch, und so fand seine Tätig- von Nord nach Süd und gelangte auf Russland – und man kann sagen, dass keit im preußischen Staatsdienst bereits seiner beschwerlichen Reise bis in das August von Haxthausen mit seinen im Jahre 1842 ein Ende. Im selben Jahr Gebiet des heutigen Tschetschenien Untersuchungen und Forschungen ei- 1842 kommentierte er in der Augsbur- (Transkaukasien). nen nicht unbeträchtlichen Beitrag zu ger Allgemeinen Zeitung sehr anerken- dieser Entwicklung geleistet hat. nend einen Ukas des Zaren Nikolaus I., Nach seiner Rückkehr hatte er im Win- in dem es um die Reformierung der ter 1843/44 in Moskau und St. Peters- Er hat fast 20 Jahre lang zusammen landwirtschaftlichen Verhältnisse in burg Gelegenheit, die gesamte intellek- mit der Großfürstin Jelena Pawlow- Russland ging. Dieser Artikel erschien tuelle Elite des Landes kennenzulernen na (Schwägerin des Zaren, gebore-

73 ne Herzogin von Württemberg) und ihrer Hofdame Editha von Rahden aktiv an den vorbereitenden Beratun- gen teilgenommen und die Ergeb- nisse in einem dritten Werk über die »Agrarverfassung Russlands in der Gesetzgebung von 1801« festgehalten.

Nicht zu vergessen sind auch Augusts Bemühungen um eine Aussöhnung der römisch-katholischen und der russisch- orthodoxen Kirche. Bemühungen, die er bis in sein Alter, als er sich nach Th ienhausen zurückgezogen hatte, mit Engagement und unter Ausnützung seiner zahlreichen Kontakte mit Russ- land weiter betrieb.

Der Westfale August von Haxthausen hat sich immer als Freund Russlands verstanden; das gegenseitige Verständ- nis und die Freundschaft zwischen Russland und Deutschland zu fördern, war ohne Zweifel ein großes Ziel seines Lebens.

Abschließend kann ich noch anmer- ken, dass die Verbindung zwischen meiner Familie und Russland auch heute noch lebendig ist: Mein älterer Sohn, Caspar Moritz lebt und arbeitet nun schon seit längerer Zeit in Mos- kau.

Deutsche Spuren des russischen »Zuckerkönigs«

en meisten Menschen in schon Assoziationen an Russland? Als Sohn eines 1812 aus Th üringen Deutschland ist die Villa Allenfalls beim Gut Böckel werden so nach Russland ausgewanderten Bäcker- DHammerschmidt in Bonn, manchem die »Russischen Sommer« gesellen, begann Leopold Koenig 1837 immer noch Nebensitz des Bundes- einfallen, eine Idee des heutigen Ei- eine Lehre bei dem Rohr-Zuckerfabri- präsidenten, ein Begriff . Mancher gentümers, Dr. Ernst W. Leff ers. Und kanten Karl Papmel in St. Petersburg kennt sicher auch das schräg gegen- doch verbindet alle drei architektoni- und wechselte nach dem Tod des Chefs überliegende Museum Koenig. Und schen Sehenswürdigkeiten ein Name, 1842 in die Fabrik von P. I. Ponomarew. bei vielen Menschen aus unserer Re- der des russischen »Zuckerkönigs« Vier Jahre später heiratete er die älteste gion ist das Gut Böckel gut bekannt. Leopold Koenig, denn zu allen drei Tochter seines verstorbenen Lehrherrn. Aber wer hat bei dieser Aufzählung Objekten hat er eine enge Beziehung. 1852 kaufte er seine erste eigene Fabrik,

74 veräußerte sie nach zwei Jahren mit anzukaufen. Am 17. Dezember 1903 1976 übernahm ihr Großneffe, Halvor Gewinn und pachtete die Fabrik sei- starb Leopold Koenig und hinterließ Joegensen, als Erbe den Besitz von Böc- nes früheren Chefs. Ende der 1850er ein riesiges Vermögen. kel und veräußerte diesen 1991 an Dr. Jahre verlegte Koenig seine Raffinerie Ernst W. Leffers. auf die andere Newaseite und machte An die großen Zeiten des Zuckerhan- mit der Aufnahme der Verarbeitung dels erinnern die heute noch in St. Pe- Dr. Leffers hat im Jahr 2000 den »Russi- von Zucker­rüben den entscheidenden tersburg und der Ukraine erhaltenen schen Sommer auf Gut Böckel« ins Le- Schritt zum Aufbau seines Zuckerim- Fabrikgebäude und die Herrenhäuser, ben gerufen, eine große Veranstaltungs- periums. Wenige Jahre später war er ebenso die heutzutage weltweit be- reihe in dem für solche Veranstaltungen in ganz Russland ohne Konkurrenz: kannte Familienresidenz in Bonn und hergerichteten ehemaligen Kuhstall des Leopold Koenig war der sacharni ko- das Museum Alexander Koenig, ein Anwesens. Auf die Frage warum »Rus- rol (Zuckerkönig), eine Position, die er Naturkundemuseum mit Forschungs- sischer Sommer«, antwortet Dr. Leffers: mit einer kurzen Unterbrechung viele institut, das heute der Universität an- »Unsere Familie erinnerte sich an die Jahre unangefochten behielt. gegliedert ist und dessen Vorgängerbau langjährige Besitzerin, die ihre in St. ein Geschenk Leopold Koenigs an sei- Petersburg begründeten Wurzeln nie Leopold Koenig führte, wie viele Un- nen naturkundlich interessierten Sohn verleugnet hat. Der ›Russische Sommer‹ ternehmer der Gründerzeit, seine Fir- Alexander war. sollte eine Hommage an Leopold Koe- ma als Patriarch mit sozialer Verant- nig sein, einen Mann, der von ganzem wortung: Er sorgte für den Bau von Das Gut Böckel bei Rödinghausen im Herzen sich als Deutscher, aber eben Arbeiterwohnungen, für Kantinenes- Kreis Herford erwarb der »Zuckerkö- auch als russischer Bürger fühlte.« Nicht sen und medizinische Betreuung. Das nig« für seinen Sohn Carl. Seine Enke- ohne Stolz erwähnt er, dass der Bot- Unternehmen wurde als typischer Fa- lin Hertha kam dort im Jahr 1884 zur schafter der Russischen Föderation in milienbetrieb von Leopold selbst, sei- Welt. Sie verbrachte ihre Kindheit auf Berlin seit mehreren Jahren die Schirm- nen Brüdern und weiteren Verwandten Gut Böckel, ließ sich später als Kran- herrschaft über den »Russischen Som- geführt. Die Häuser der Familie lagen kenpflegerin ausbilden und bot auf mer« übernommen hat. in Katharinenhof, in der Nähe des Za- dem Gut im ersten Weltkrieg Verwun- renpalastes und der Fabrik, sowie auf deten Unterkunft und Verpflegung. Leopold Koenig liefert in zweifacher der Wiborger Seite von St. Petersburg. Früh schon entdeckte sie ihr schrift- Hinsicht ein hervorragendes Zeugnis Koenig unternahm Bade- und Feri- stellerisches, ja dichterisches Talent, für die deutsch-russischen Beziehungen enreisen, die ihn auch an den Rhein schrieb eine Reihe von Romanen und in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhun- führten. Hier erwarb er durch Kauf- zahlreiche Gedichte. Hertha Koenig derts. Einerseits zeigt er ein typisches vertrag vom 31. Dezember 1867 eine zog sich dann nach München zurück, Beispiel für wertvolle ökonomische Bei- am Rheinufer gelegene Villa mit herr- und ihre Wohnung entwickelte sich träge, die Unternehmer mit deutschen lichem Blick auf das Siebengebirge, be- in der Folgezeit zu einem »literarischen Wurzeln in Russland geleistet haben. sagte Villa Hammerschmidt. Seit dieser Salon«, in dem sich bedeutende Persön- Andererseits darf nicht übersehen wer- Zeit führte Koenig sein Unternehmen lichkeiten , wie Carl Jacob Burkhard, den, welche längerfristigen Auswirkun- von Bonn aus. Er reiste aber mehrmals Oskar-Maria Graf, Theodor Heuss, gen sein Schaffen auf Forschung und im Jahr in die russische Hauptstadt, da- die Sängerin Augusta Hartmann und Kultur nicht nur in Deutschland, son- mals bekanntlich noch St. Petersburg. viele andere, so auch Rainer Maria dern auch im Kulturaustausch mit Rus- Das Geschäft lief so gut, dass er sich Rilke regelmäßig versammelten. Nach sland hatte – bis zum heutigen Tage. entschloss, Grundbesitz in der Ukraine dem Tode von Hertha Koenig im Jahr

Gut Böckel in Rödinghausen

75 Russische Literatur gestern und heute

ie Literatur steht bei den Russen hoch im Kurs. Schriftsteller sind in Russ­land angesehene Persönlichkeiten, auch die zeitgenössischen Auto- D ren, die zahlreich vertreten sind. Deshalb war auch die Beteiligung an dem vom Forum initiierten Wettbewerb im Jahre 2009, über den weiter unten berichtet wird, außerordentlich stark.

»Ich beobachte bei unseren FORUM- Faden durch die Jahrhunderte der russi- Reisen, dass viele Russen jede freie Zeit schen Literatur ziehen, wie z.B. die Frage zum Lesen nutzen. Wenn ein Busfah- nach der menschlichen Würde, nach den rer, der die Reiseteilnehmer an ihr Ziel Abgründen der menschlichen Seele und gebracht hat, den Motor abgestellt hat, dem Umgang mit dem Bösen, die das greift er in der nächsten Minute zu sei- Innerste der unterschiedlichsten Charak- nem Buch. Erst wenn die Gäste nach tere offen legen und stets ihre Verbunden- den Besichtigungen wieder in den Bus heit mit Gott und eine tiefe Gläubigkeit zurückkehren, legt er das Buch beiseite. erkennen lassen. Die russische Literatur Das ist die Regel – fast ohne Ausnah- thematisiert somit Allgemeingültiges, Exi- me. Oder: In der Metro lesen die mei- stenzielles und sehr Tiefgründiges, sie gibt sten Fahrgäste in einem Buch und nur dem Leser Antworten auf eigene Fragen, selten in einer Tageszeitung.« bestätigt verlässliche Werteorientierung und zeigt Franz Kiesl das allgemeine Interesse der Lebens- respektiveWeltstrukturen auf. Russen an der Literatur. Literatur ist den Russen als moralische Dr. Birgit Osterwald, Rückversicherung zuverlässiger als die Das Forum beschäftigt sich seit 2007 Leiterin der Volkshochschule Gütersloh Wirklichkeit, die für sie nicht das Eigent- verstärkt mit dem Bereich »Russische liche sein kann. So ist es auch bezeich- Literatur«. Frau Dr. Birgit Osterwald, nend, dass die russische Literatur immer Leiterin der Gütersloher Volkshoch- Im Laufe meiner Gymnasialzeit entwic- wieder an das Christentum heranreicht, schule und Mitglied des Forums seit kelte sich eine besondere Faszination für um in das Alltagsleben den Glanz des seiner Gründung, hat durch Lesungen die russische Literatur, und es entstand Glaubens, des wahrhaft Absoluten herein- und Vortragsveranstaltungen den Wert mein Wunsch, die russische Sprache zuholen. Wie selbstverständlich erhält das russischer Literatur anschaulich ver- zu erlernen, um die Literatur und die Unbedingte, das Letzte eine fundamenta- mittelt. Seit 2010 bearbeitet Beirats- Menschen Russlands besser ergründen zu le Bedeutung in der russischen Literatur. mitglied Dr. Ulrich Engelen die Spar- können. So entschied ich mich für das Daher lässt sich begreifen, warum die te »Literatur« sehr engagiert, wie die Studium der Slawistik (Schwerpunkt Literatur oftmals gleichsam eine liturgi- nachfolgenden Berichte zeigen. Ostslawistik), Germanistik und Philo- sche Aufgabe - als Dienst am Ganzen - in sophie. Die intensive Beschäftigung mit Russland übernommen hat und der No- Doch zuerst macht Dr. Birgit Oster- russischer Literatur, Kultur, Geschichte belpreisträger J. Brodskij darauf hinweist, wald in einem Interview grundsätzliche und russischem Geistesleben sowie vie- dass Literatur keineswegs nur ein Neben- Aussagen über die einzigartige Stellung le Aufenthalte in Russland habe ich als produkt der menschlichen Entwicklung der russischen Literatur: große Bereicherung erlebt, da sie mir stets ist. sinnhafte und überzeugende Antworten Frau Dr. Osterwald, Sie sind uns als en- auf grundlegende Fragen zur persönli- Diese innere und äußere Größe der russi- gagierte Slawistin bekannt. Können Sie chen Welt- und Lebenssicht gegeben hat schen Literatur korrespondiert mit einer kurz schildern, worauf Ihre Zuneigung – und auch jetzt noch gibt«. typischen Erzählweise: Russische Literatur zu den slawischen Sprachen beruht erzählt bis zum heutigen Tag mit Hinga- und wie Sie sich mit ihnen vertraut ge- Wie schätzen Sie die Bedeutung der be, Poesie und Kunst. macht haben? Literatur im Rahmen der russischen Kultur ein? Die Erhabenheit und Erzählkunst sind »Bücher, Literatur und Theater haben unverwechselbar in der Weltliteratur und mich von früher Kindheit an begeistert, »Der Literatur kommt in Russland so- zeichnen die russische Literatur als beson- so dass die umfangreiche Bibliothek mei- wohl im Vergleich zu anderen Ländern deren Kulturträger Russlands aus. Diese nes Elternhauses stets eine magische An- als auch im Rahmen der eigenen Kultur Unverwechselbarkeit impliziert zudem ziehungskraft auf mich ausübte. Lesen, eine ganz herausragende Bedeutung zu. ein weiteres Phänomen der russischen Li- aber auch die Gespräche über Bücher Es sind mehrere Komponenten, die diese teratur: Der Dichter wurde und wird ver- hatten einen hohen Stellenwert in unserer hohe Wertschätzung ausmachen: Themen ehrt und geachtet wie kaum eine andere Familie. und Fragen, die sich gleichsam als roter Persönlichkeit des öffentlichen Lebens. Die

76 einmalige Wertschätzung gründet sich Lew Kopelew, dieses ewig währende dich- te lässt sich feststellen, dass sich die neue einerseits auf seine Leidensbereitschaft terische Wort wurde von den russischen Schriftstellergeneration nach einer Phase und sein Engagement für Wahrhaftigkeit Menschen ungeachtet des strengen Publi- des Experimentierens in Freiheit von poli- – durch alle Jahrhunderte waren Schrift- kationsverbotes intensiv gelesen und mit tischen und ästhetischen Zwängen wieder steller Verfolgungen, Zensur, Lagerhaft ganzer Seele aufgenommen. Neben dieser auf die klassische Tugend der russischen und damit einhergehenden Demüti- offiziell geächteten, aber originären und Literatur besinnt: das Erzählen. Moder- gungen durch die jeweiligen Machtha- vom russischen Volk geliebten Literatur, ne Literatur meint in Russland einerseits ber ausgesetzt – und andererseits auf die die 70 Jahre gleichsam als Geheimwaffe die lebendige Präsenz a l l e r großen rus- Fähigkeit, dem Leser Maßstäbe, Verhal- im Umlauf war, existierte zudem eine po- sischen Werke sowie die Verehrung ihrer tensmöglichkeiten und Glaubensinhal- litisch unverfängliche Literatur, die sich Dichter und andererseits die Kontinuität te zu vermitteln in einer Welt, die allzu neutralen und zeitlosen Themen widme- der von mir eben im Einzelnen skizzierten oft Entbehrung und Elend bedeutet. Vor te, aber nicht minder kunstvoll war. Es thematischen, emotionalen, erzählerischen diesem Hintergrund hat der bekannte seien hier stellvertretend für viele nur die und rezeptionellen - eben traditionellen – Gegenwartsautor Tschingis Aitmatow für Namen Valentin Rasputin, Konstantin Charakteristika«. die Legitimation eines Schriftstellers ge- Paustowskij oder Jurij Trifonow erwähnt. fordert, das menschliche Leben nicht nur Somit hat die russische Literatur wäh- Mit welchen gestalterischen Mitteln zu durchdenken, sondern auch mit sei- rend der langen Ära der Sowjetunion stets wollen Sie das Interesse an der russi- ner von Schmerz, Empörung und Liebe ihre herausragende Bedeutung behalten schen Literatur bei Ihren Zuhörern durchdrungenen Seele – eben einer russi- und niemals den Anschluss oder gar ihre wecken und den Zugang zu ihren spezi- schen Seele – zu durchleiden. Wurzeln verloren. Leider wird seitens des fischen Inhalten vermitteln? Westens die sowjetische Zeitspanne allzu So ist mit dem Bild des Dichters in Russ­ oft – in Unkenntnis – literarisch als rein »Wie meine bisherigen Ausführungen zei- land von jeher eine erhabene Vorstellung politisch ideologisch kategorisiert. gen, hat die russische Literatur aufgrund verbunden, denn es ist die russische Li- Mit dem mutigen Reformkurs von Gor- ihrer außergewöhnlichen und geradezu teratur, die Vorbilder für Moral und batschow wurde die verbotene, umfang- einzigartigen Charakteristika die Fähig- Glauben bereithält, ohne sie wäre auch reiche Literatur erstmals offiziell im Land keit, die Menschen, die bereit sind, sich Eu­ropa arm«. publiziert ( so hat es beispielsweise über mit dieser Kultur auseinanderzusetzen, 30 Jahre gedauert, bis der bereits welt- auch unmittelbar zu erreichen. Sie ver- Hat die moderne russische Literatur bekannte Roman »Doktor Schiwago« fügt über eine besondere Strahlkraft, der nach der Periode der »Gleichschaltung« des Nobelpreisträgers Boris Pasternak in sich die Leser oder Zuhörer ähnlich wie während der Sowjetzeit zu ihrer tradi- Russland erscheinen durfte ) und aktiv bei Konzertveranstaltungen mit russi- tionellen Bedeutung zurückgefunden? in die literarische Gegenwart integriert, scher Musik kaum entziehen können. So wie auch die verunglimpften und emi- bedarf es sicherlich keiner ausgefallenen »Diese Frage muss sehr differenziert be- grierten Schriftsteller nun als wichtige gestalterischen Mittel, um Literaturinter- antwortet werden, denn es ist wichtig Kultur­träger des Landes Anerkennung esse zu wecken. Voraussetzung wird sein, zu wissen, dass die russische Literatur fanden. Damit wurde auch öffentlich dass Moderation, ReferentIn oder AutorIn während der Sowjetzeit keineswegs nur dokumentiert, dass Russland trotz seiner Kenntnis über die Spezifika russischer Li- der ideologischen Norm folgte und somit rigiden und einengenden Strukturen in teratur besitzen, dann werden sie in jedem eine Periode des Stillstandes der eben aus- der Sowjetzeit große Weltliteratur hervor- Fall auch die notwendige Begeisterung in geführten großartigen und typisch russi- gebracht hat. sich tragen, um die Größe dieser Dichtung schen Dichtkunst eingetreten wäre. vermitteln zu können«. In Bezug auf die folgende zeitgenössische Natürlich gibt es eine umfangreiche Li- Literatur der neunziger Jahre bis heu- teratur, die das von der Partei angeord- nete Strukturprinzip des »Sozialistischen Realismus« einhält, doch die eigentliche russische Literatur lebte stets weiter trotz Der Wettbewerb »Leichter Atem« aller Zwangsmaßnahmen und Schika- nen, mit denen die Intellektuellen zum Nach diesen grundsätzlichen Ausfüh- Dänemark, Russland und der Ukraine Schweigen gebracht werden sollten – wa- rungen über die russische Literatur lebende russisch schreibende Dichter ren sie aufgrund ihres hohen Ansehens im wenden wir uns einem Projekt zu, mit und Schriftsteller teil. Sie reichten bis Volk bei den politischen Machthabern dem das Forum Neuland betrat. Ende 2009 Gedichte, Kurzgeschichten in besonderem Maße gefürchtet. Lite- und andere Prosatexte unterschiedlich- rarisches Schaffen fand im Russland des 2009 organisierte das Vereinsmitglied ster Form und verschiedenartigsten 20. Jahrhunderts zu wesentlichen Teilen Gennady Dick aus Oerlinghausen Inhalts an den von Gennady Dick gelei- im Untergrund, im Verborgenen oder in für das Forum einen Literaturwett- teten »Bund der Literaten, Dichter und der Emigration statt. Diese aus Leid und bewerb unter dem Titel »Leichter Übersetzer« (»Switok«) ein. Gewissen hervorgegangene Literatur, ich Atem«. Anlass war der 140. Geburtstag nenne hier insbesondere die Namen Anna des russischen Schriftstellers Iwan Bun- Ihre Werke wurden zwischen Januar Achmatowa, Ossip Mandelstam, Boris in (1870–1953), Literatur-Nobelpreis- und März 2010 von einer unabhängi- Pasternak, Marina Zwetajewa, Joseph träger 1933. An dem Wettbewerb nah- gen Jury studiert und bewertet, der un- Brodskij, Alexander Solschenizyn oder men 468 überwiegend in Deutschland, ter der Leitung von Alexander Barsukov,

77 Swetlana Felde (Koordinatorin), Vla- dimir Avzen (zuständig für die Poesie), Tatjana Eisner (zuständig für Prosa), Larissa Uljanenko (zuständig für Prosa) und Gennady (Heinrich) Dick ange- hörten.

Während der »Europäischen Kultur- woche RUSSLAND« 2010 trafen sich an den Nachmittagen und Abenden des 8. und 9. Oktober die Mitglieder der Jury und die meisten der preisge- krönten Autoren in den Räumen der mit Bildern und Skulpturen von Il- gar Schejdaev und Jakob Rogalski de- korierten Stadtbibliothek, die deren Leiterin, Frau Imwinkelried, freundli- cherweise zur Verfügung gestellt hatte. Anwesend waren außerdem der Kul- turminister des Rostover Gebiets, Vale- ry Gelas, der mit seinem Dank für die Dr. Ulrich Engelen, Alexander Barsukov, Katharina Kucharenko und Gennady Dick in der Stadtbibliothek Einladung seine Komplimente für die Werke der Autoren und die gesamte Veranstaltung aussprach, und der Be- rater des Vizegouverneurs des Rostover die Gelegenheit, sich im Rahmen der Margarita Bortsova (in Russland lebend) Gebiets, Yury Dudnik. russischen Kulturwoche in Gütersloh erhielt den Spezial-Literaturpreis des persönlich zu begegnen, miteinander »Forum Russische Kultur Gütersloh« Zusammen mit vielen russischen und zu diskutieren und ihre zum Teil sehr deutschen Gästen hörten sie Ausschnit- disparaten Erfahrungen in Russland Alexander Vasilenko (in Deutschland le- te aus den ausgezeichneten Texten in und Deutschland miteinander auszu- bend) erhielt den Literatur-Sonderpreis russischer und deutscher Sprache, mu- tauschen. Als besonders wertvoll wurde des Vereins »Wasilissa« Gütersloh sikalisch umrahmt vom virtuosen Ak- empfunden, dass durch Gennady Dick kordeon-Spiel der in Hannover studie- aus der Sammlung der 21 besten Wett- Mit diesen Veranstaltungen konnte im renden Anastasiya Shkindzerava und bewerbsbeiträge, ergänzt durch einige Rahmen der russischen Kulturwoche in von russischen Liedern, vorgetragen Beiträge von Mitgliedern der Jury, ein Gütersloh allen Interessierten ein Ein- vom Chor des Vereins Wasilissa. Buch erstellt werden konnte, welches blick in die Inhalte und die Qualität ge- Nach der Begrüßung durch Dr. Ul- unter dem Titel »Freier Atmen« zu- genwärtiger russischer Lyrik- und Prosa- rich Engelen vom Forum übernahmen sammen mit einer eigens gefertigten dichtung gewährt und ein Gefühl dafür der »Switok«-Vorsitzende, Gennady Sieger- und Anerkennungsurkunde als vermittelt werden, wie russische Men- Dick, und Katharina Kucharenko, die Belobigung für besonders Engagierte schen heute ihre Lebenslage, ihre Emp- überdies – neben Helene Abrams - die verteilt wurde und im Übrigen käuflich findungen und Erfahrungen in ihrer wichtigsten Texte ins Deutsche über- erworben werden konnte. alten und neuen Heimat einschätzen, tragen hatte, die Moderation. reflektieren und literarisch verarbeiten. Als Preisträger im Bereich Lyrik Die Lesungen spiegelten das sehr wurden ausgezeichnet: unterschiedliche Temperament der 1. Preis Alexander Shapiro Stimmen der Juroren Autoren wider und ergaben einen le- (in Dänemark lebend) bendigen Eindruck des Schaffens der Larissa Uljanenko, Journalistin, Au- Schriftsteller aller Altersstufen aus den 2. Preis Henry Schmerkin torin von Erzählungen, Stellvertreten- verschiedenen Erfahrungs- und Erleb- (in Deutschland lebend) de Redakteurin des Almanachs »Pil- nisbereichen, verständlicherweise vor- ger«, Jurymitglied im Bereich Prosa. wiegend in Russland. Namentlich die 3. Preis Eugene Komarova (Lyakhovets- »Der Bunin – Wettbewerb für Literatur lyrischen Beiträge sowie Reflexionen ky) (in Deutschland lebend) unterscheidet sich von anderen durch sei- zum Sinn des Lebens nahmen die Zu- ne demokratischen Teilnahmeregeln, weil hörer gefangen und bewirkten zum Teil Svitlana Kuralekh (in der Ukraine le- man für die Teilnahme keine Empfehlun- starke Emotionen. bend) erhielt den Sonderpreis des gen von renommierten Verlagen gefordert »Bundes der Literaten, Dichter und hat, wie es sonst üblich ist. Jedes Werk, je- Alle Beteiligten am Wettbewerb unter- Übersetzer«. der Beitrag sowohl junger Autoren als auch strichen in ihren Reaktionen das hohe bekannter Schriftsteller wurde skrupellos sprachliche und intellektuelle Niveau Im Bereich Prosa: begutachtet und nach mehreren Kriterien und zeigten sich gegenüber den Orga- 1. Preis Wladimir Eisner beurteilt. Das Teilnehmerniveau war be- nisatoren ausgesprochen dankbar für (in Deutschland lebend) wundernswert hoch. Die Sieger waren von

78 kordeonistin Anastasia Shkindzereva und durch die russischen Lieder in der Inter- pretation des Chores »Wasilissa«.«

Forum fördert Überset- zung von Swetlana Sawizkajas »Geheimnis der russischen Seele«

Diese Veranstaltung fand die Aner- kennung von Swetlana Sawizkaja, Präsidentin der literarischen Gesell- schaften Russlands in Moskau, die in Ihrem Brief vom 26. Januar 2011 schreibt:

Valerij Gelas, Kulturminister des Rostover Gebiets, Katharina Kucharenko und Dr. Ulrich Engelen Sehr geehrter Herr Kiesl, sehr geehrte Damen und Herren, mit großer Freude darf ich Ihnen mit- teilen, dass das Forum Russische Kultur anderen Teilnehmern nur durch Zehntel wundervollem seelischem Komfort, vom Gütersloh mit einer hohen Auszeichnung der Punkte getrennt. Der Wettbewerbsti- Eindruck, unter Seelenverwandten zu Russlands gewürdigt worden ist. Am 20. tel bestimmte die Themen, nicht aber die sein, nicht mehr empfunden. Vor kurzem Januar hat der Rat der literarischen Gesell- Genreform, wodurch eine erfrischende aber empfand ich diesen unvergleich- schaften Russlands beschlossen, das Forum Vielfalt entstand. Nicht zufällig wurde lichen Zustand. Das war in Gütersloh Russische Kultur Gütersloh für fruchtbare die Phantasiegeschichte Alexander Was- während der Preisverleihung im Litera- Arbeit zur Stärkung der Freundschaft zwi- silenkos mit dem speziellen Preis des Ver- turwettbewerb »Leichter Atem«, als wir schen Russland und Deutschland, sowie eins »Wasilissa« ausgezeichnet.« – die Veranstalter, Jurymitglieder und für die Vermittlung der Russischen Kultur Preisträger – nach monatelanger Arbeit mit dem Titel »Goldener Träger der na- Swetlana Felde, Journalistin, Autorin endlich zusammentrafen. Größtenteils tionalen literarischen Auszeichnung – der von drei Bänden, Koordinatorin des waren wir miteinander nur vom Hören- Goldenen Feder Russlands« zu würdigen Wettbewerbes. sagen bekannt, aber, es möge eigenartig und für diese Arbeit eine Statue aus Kus- »Die Lebendigkeit der französischen, Fe- erscheinen, wir kannten uns doch unser nezovskogo Porzellan auszuhändigen. stigkeit der deutschen, Zärtlichkeit der ganzes Leben, da wir auf ähnlichen We- italienischen und Kürze/Treffsicherheit gen zu diesem Treffen gepilgert waren. Es wurde als besonders wertvoll emp- der griechischen und lateinischen Spra- funden, dass das Forum bei der Organi- chen sind bekannt. Ich spreche heute aber Vladimir Awzen – Autor einiger Poe- sation eines internationalen literarischen von der russischen Sprache. Über Bunin, sie- und Prosabände, Redakteur des Wettbewerbs in russischer Sprache mit- der für mich, besonders heute, nicht ein literarischen Almanachs »Familie«, gewirkt und bei der Auflage der Bücher Idol, sondern eine seelische Grundlage ist, Jurymitglied im Bereich Poesie. die russischen Autoren finanziell unter- eine literarische Festung im Kampf gegen »Meiner Meinung nach ist es den Veran- stützt hat. das Barbarische in der Kultur, für den staltern mit dem unermüdlichen Genna- Erhalt der russischen Sprache als Fun- dy Dick an der Spitze gelungen, an diesen Es bestätigte sich wieder, dass große Ta- dament dieser Kultur. Unsere Schicksale drei Tagen ein richtiges Literaturfest auf ten auch große Spuren hinterlassen und haben uns in verschiedene Länder ver- die Beine zu stellen. Es war beeindruc- zu wertvollen Kontakten führen, denen schlagen. Wir haben die Landessprache kend sowohl für das russische als auch für Nutzen bringende Beziehungen folgen erlernt, Arbeit aufgenommen, uns dem das deutsche Publikum, weil viele Beiträ- können, denn nach dem Brief von Swet- Lebensstil angepasst und an die Tradi- ge aus dem Wettbewerb, die vorgetragen lana Sawizkaja entwickelte sich ein wei- tionen gewöhnt. Wir denken aber in der wurden, im Vorfeld übersetzt worden teres sehr interessantes Projekt. Freizeit weiterhin auf Russisch. Gerade waren. So konnten auch Meinungen und aus diesem Grund war der Wettbewerb Komplimente in beiden Sprachen ausge- Gennady Dick, selbst Schriftsteller, ein Fest der russischen Sprache. tauscht werden, (einen besonderen Dank wusste um die Bedeutung von Swetlana  den Übersetzerinnen Katharina Kucha- Sawizkaja, die in der russischen Kultur- Tatjana Eisner, Journalistin, Autorin renko und Helene Abrams!). szene eine feste, mit vielen Preisen aus- eines Erzählbandes, Jurymitglied im Nicht als Unterbrechung, sondern har- gezeichnete Größe ist, auch dank ihrer Bereich Prosa. monisch eingeflochten in die Atmosphäre vielfältigen Begabungen. Sie schreibt Seit langem, wahrscheinlich seit meiner des Literaturfestivals empfanden wir die nicht nur, sie malt, sie singt und fand Studentenzeit habe ich das Gefühl von musikalische Untermalung durch die Ak- auch noch die Zeit, in vier Ländern 15

79 Märchenmuseen zu gründen. Zudem Autorin. Sie ist eine vielseitige Per- hob sie 2004 den in 52 Ländern aus- sönlichkeit, so dass man sich erstaunt getragenen Wettbewerb »Russlands fragt, wie viel an Künstlerin, Schrift- goldene Feder« für Schriftsteller aus der stellerin und Malerin in einem einzi- Taufe. gen Menschen vereint sein kann. Sie ist Mutter vieler Kinder. Ihre Familie lebt Gennady Dick hatte das Ziel, Texte in einer erstaunlichen Harmonie. Die von Swetlana Sawizkaja ins Deutsche Kinder sind bereits aus dem Haus und zu übersetzen und drucken zu lassen. haben ihr Studium erfolgreich beendet. Das Forum sicherte ihm die finanzielle Swetlana Sawitzkajas Leben scheint ge- Unterstützung zu, denn dadurch konn- ordnet und gelungen zu sein, sie könn- te ermöglicht werden, den Geist der te jetzt die Hände in den Schoß legen, jetzigen Schriftsteller-Generation deut- Enkelkinder behüten und hätscheln, schen Lesern zu vermitteln. Die Texte die Gemütlichkeit pflegen, in die Kir- sind inzwischen in einem Taschen- che gehen und für den Weltfrieden be- buch mit dem Titel »Das Geheim- ten. Was bewegt diese Frau aber zum nis der russischen Seele« erschienen. Schreiben auch nach dreißig Jahren Beim Übersetzen wirkten Katharina glücklicher Ehe? Was will sie uns ver- Kucharenko, Helene Abrams und Vla- mitteln? Was ist es, was in ihrer Sicht dimir Eisner mit. Die Bearbeitun- noch nicht gesagt worden ist? gen der Übersetzungen übernahm Swetlana Sawizkaja überreicht Franz Kiesl in der Stadtbibliothek die Urkunde »Goldene Feder Dr. Ulrich Engelen, Germanist und Swetlana Sawitzkaja ist eine vielseitige Russlands« ehemaliger Direktor des Evangelisch- Künstlerin, eine Schriftstellerin mit der Stiftischen Gymnasiums in Gütersloh. ausgeprägten Neigung zu märchen- haften Motiven, eine Bardin, reich an Eine große Frau Russlands Liedern, mit der Fülle an Bildern, eine Zur Präsentation des Buches lud das Journalistin mit vielschichtigen Themen Forum Swetlana Sawizkaja nach Gü- und eine aktive Museumsgründerin. knüpftes Netz äußerst präsentabler an- tersloh ein. Es wurde im Mai 2011 in sehnlicher Märchenmuseen. Sie ist in Anwesenheit der Autorin in der Stadt- Der Bulgare Bisser Kirov nennt sie ihrem Freundeskreis bekannt als treue bibliothek der Öffentlichkeit vorge- eine »große Frau Russlands«, der be- und geschätzte Freundin. Als engagier- stellt. kannteste Vertreter des Roma-Volkes te Literatin gehört sie zu den Gründern in Russland, der Künstler Nikolai des Russischen Literaturpreises »Rus- Vladimir Eisner schreibt unter ande- Slitschenko: »Meisterin der russischen slands Goldene Feder«, unter dessen rem im Vorwort unter dem Titel »Das Prosa«. Graf Peter Scheremetjev in Pa- Schirmherrschaft die besten Autoren Geheimnis der russischen Seele«: ris findet in ihr »einen Unikatschatz der der Welt, Meister und Magister, versam- Vielleicht gibt es ja gar kein Geheim- russischen Kultur« und der Botschafter melt sind. nis. Vielleicht ist das mit der russischen Serbiens in Moskau, Elica Kuryak, be- Seele nur eine Einbildung, und man zeichnet sie als eine »Frau von Welt«. Schöpferisch und der russischen Sprache kann Russland gerade mit dem Verstand »Sie wird von Kindern geliebt, Schmet- in außerordentlicher Weise mächtig besser begreifen. Aber Russland an- terlinge lassen sich auf ihrer Hand nie- strebt Swetlana Sawizkaja zur vollkom- nehmen und lieben wie eine Gnade ..? der« so schreibt die bekannte Schrift- menen Beherrschung der internationa- Wie Gottes Gnade, die immer da ist, stellerin Margarita Schanto. len und interreligiösen Gleichnis-Spra- wenn man nur die Hand nach ihr aus- che der Vergangenheit und Gegenwart, streckt ….Ist das möglich? Die Vielfalt ihres Genres und ihre breit indem sie Parabeln schreibt. Dabei Es ist möglich. gefächerte schöpferische Tätigkeit set- wirken diese Werke im kleinen Format zen einen enormen Fleiß voraus. Als zeitlos und sagen mehr aus als Romane. Was bezweckt dieses hier vorliegende Ergebnis entsteht bei ihrer Vielseitig- Sie wirken eher wie Gedichte in Prosa, Buch? Es will eine neue Wertschätzung keit eine Kunst, die entgegen denk- komprimiert wie ein Philosophienerv. vermitteln, ein breites Bewusstsein barer Befürchtungen den hohen An- Sie belehren nicht wie die Fabeln mit anbahnen. Eine Offenbarung verkün- spruch von wirklicher Qualität nicht einer lästigen, einer oberlehrerhaften den, ja eine Liebe. Doch was heißt hier einbüßt. Als Privatperson führt Frau Moral. Sie sind stark dank des höchsten ­Liebe? Sawizkaja ein liebevoll geordnetes Fa- Geistes des Gewissens. Ihn erkennt man Swetlana Sawizkaja ist eine ungewöhn- milienleben und einen vorbildlichen zwischen den Zeilen. Im Buch. Aber liche und nicht einfach zu erfassende Haushalt. Sie pflegt ein von ihr ge- auch draußen im richtigen Leben.

80 Gütersloh in der Martin-Luther-Kirche, Die Orthodoxie – ein Grundstein dann in Bad Oeynhausen, in Dresden, im Russischen Haus in Berlin, später der russischen Gesellschaft noch einmal im Kreishaus in Gütersloh und zuletzt während der »Europäischen enn es in der Satzung des Forums heißt: Es ist der Zweck des Forums, Kulturwoche RUSSLAND« im Okto- im Sinne der Völkerverständigung und des tieferen gegenseitigen Ver- ber 2010 in der Gütersloher Evangeli- Wstehens den kulturellen Austausch und die persönliche Begegnung umskirche. Zu Beginn der Ausstellun- zwischen Russen und Deutschen zu fördern und die russische Kunst, Kultur und gen in Gütersloh 2003, in Dresden und Geisteshaltung in ihrer Vielfalt den Menschen in der hiesigen Region nahe zu im Russischen Haus in Berlin war Nor- bringen, dann gehört auch das Thema »Spiritualität« dazu. bert Kuchinke anwesend.

Die Ausstellung »Missa Mystica« er- Jedes Mal, wenn sich eine Reisegruppe öffnete am 7. Oktober 2010 Dr. Ul- des Forums in Russland aufhält – ganz rich Engelen, Mitglied des Beirats des gleich in welcher Stadt – besucht sie ei- Forums, mit einem Beitrag über die nen russisch-orthodoxen Gottesdienst. wechselvolle Geschichte der russisch-or- Alle Teilnehmer sind regelmäßig nicht thodoxen Kirche: Im Jahre 988 empfing nur beeindruckt von der prunkvollen der Großfürst Wladimir I. die Taufe Ausstattung der Kirchen, sondern auch und veranlasste seine Untertanen, sich von den Zeremonien, der Liturgie und zum Christentum zu bekennen. Die er- dem Chorgesang. Noch eindrucks- sten Metropoliten kamen aus Griechen- voller ist die spürbare Gläubigkeit der land und Bulgarien. Sie bauten ihr Zen- Gottesdienstbesucher, darunter auffäl- trum in Kiew auf, vom 14. Jahrhundert lig viele Jugendliche und Kinder. an war Moskau der Sitz der »Wahren Gläubigen« der Orthodoxen. Seit Jahren gibt es in St. Petersburg die Begegnung mit Vater Alexander, dem In der Mitte des 15. Jahrhunderts, Priester der Elias-Kirchengemeinde, nach dem Fall Konstantinopels, das und in Moskau seit 2010 mit Vater über Jahrhunderte Zentrum der grie- Arcady, dem Priester der Tichwinskaja- chischen Orthodoxie war, trennte sich Kirchengemeinde, und dem Oberprie- der russische Zweig von der byzanti- ster Sergeij Kisseljev der »Orthodoxen nischen Mutterkirche. 1590 bestätigte Schule der Künste der Dreifaltigkeits- die Ostkirche die Errichtung des neuen gemeinde«. Franz Kiesls Satz bei Begeg- Patriarchats in Moskau. Damit wurde nungen der Reiseteilnehmer mit Pries­ zugleich Kiew als geistliches Zentrum, tern der russisch-orthodoxen Kirche üben, als der einer Mehrheit mit einer das es über Jahrhunderte gewesen war, ist stets: »Dass wir alle Christen sind, schwächer ausgeprägten Gläubigkeit abgelöst. verbindet uns in besonderer Weise mit- bei uns. einander.« 1721 bildete Zar Peter der Große das In seinem Bildband »Missa Mystica russische Patriarchat um und unterzog In Russland mag der Anteil derjenigen, – Kunst und Spiritualität Russlands« es weitgehend weltlicher Kontrolle. die getauft und daher Christen sind, berichtet Norbert Kuchinke, der schon Die Folge war eine immer stärkere Sä- infolge der Sowjetzeit vielleicht knapp ab 1973 als Journalist für namhafte kularisierung und Veräußerlichung der unter oder knapp über 50 Prozent lie- deutsche Publikationen in der UdSSR Kirche und ihre Verquickung mit dem gen, aber die Gläubigkeit derjenigen, tätig war, unter anderem auch über die russischen Establishment. Als Spreche- die Christen sind, ist sehr, sehr tief. Die Gläubigkeit des Volkes. Das Forum rin der Armen und Unterdrückten, des tiefe Gläubigkeit einer knappen Mehr- ließ von 32 Fotos Bilder für eine Aus- einfachen Volkes, fiel sie weitgehend heit oder einer knappen Minderheit stellung anfertigen. Diese Dokumen- aus. Sie stärkte ihre Macht und ihren in Russland ist aber in der Lage, mehr tation war erstmalig zu sehen während Einfluss, schwächte sich allerdings an Einfluss auf die Gesellschaft auszu- der Russischen Kulturwoche 2003 in entscheidender Stelle.

Bilder in der Ausstellung »Missa Mystica« in der Evangeliumskirche

81 ten, um nicht erneut unterdrückt zu Die russisch-orthodoxe Kirche geht be- Nach der ersten russischen Revolu- werden. In der Folge wurden russische wusst eigene, deutlich und entschieden tion im Jahre 1905 entstanden in der Gemeinden, auch solche im Exil, stark ausgeprägte Wege. Zu ihnen gehört die russisch-orthodoxen Kirche zugleich von Kommunisten durchsetzt. Gleich- Heiligsprechung des letzten Zaren und mit der starken Kritik am Zaren weit- wohl fand in diesen Jahren eine wach- seiner Familie, die unter Lenin getötet reichende Reformbestrebungen. 1917 sende Zahl von Menschen über die worden waren, eine für uns Deutsche wurde das ursprüngliche Patriarchat orthodoxe Kirche wieder den Weg zum schwer nachvollziehbare Vorstellung. wieder eingeführt und 1918 die Tren- Christentum. Eine Reihe von Exilge- Wir bewundern die Frömmigkeit, nung von Kirche und Staat in Russland meinden spaltete sich als russisch-or- Intensität und Bildhaftigkeit sowie vollzogen. Dies führte freilich dazu, thodoxe Auslandskirche ab. Nach zahl- Entschiedenheit der russischen Ortho- dass die im Eigentlichen erstarkte Kir- reichen Versöhnungsversuchen wurde doxie, die durchaus ihren eigenen Cha- che zunehmend der Verfolgung ausge- die Spaltung der russisch-orthodoxen rakter zeigt und verbreitet. Das tut sie setzt wurde. Kirche 2007 in der Moskauer Christi- auch im Verhältnis zu anderen christ- Erlöser-Kathedrale im Beisein von lichen Kirchen, so gegenüber der evan- Unter Lenin und im System der So- Russ­lands Präsident Wladimir Putin gelischen Kirche in Deutschland, nicht wjetunion, vor allem dann unter Stalin offiziell für beendet erklärt. zuletzt wegen der Rolle von Männern gab es massive Christenverfolgungen, und Frauen in der Kirche. Massenhinrichtungen und Deporta- Seit dem Niedergang der Sowjetunion tionen in den Gulag, wenn man sich erlebt die russisch-orthodoxe Kirche Außerhalb Russlands ist die russische entschieden zur russischen Orthodoxie eine beachtliche Renaissance. Heute Orthodoxie in Österreich, vor allem in bekannte. 1936 gab es weniger als ein hat sie weltweit wieder etwa 100 Mil- Wien, aber auch in Deutschland aktiv Dutzend Kirchen mit regelmäßigem lionen Mitglieder und hat mit dem vertreten. Ein Zentrum befindet sich Gottesdienst. Erst nach dem Zweiten Wiederaufbau und dem Neubau meh- heute in Berlin, in dessen Umgebung Weltkrieg wurde die orthodoxe Kir- rerer großer Kathedralen begonnen. auch die meisten Gläubigen zu finden che eingeschränkt wieder geduldet, sie Hierzu gehört zum Beispiel die Kali- sind. Der Berliner Diözese steht Erzbi- musste sich aber sehr taktisch verhal- ningrader Christ-Erlöser-Kathedrale. schof Feofan (Galinski) vor.

Zur Rolle der Ikonen als Träger der orthodoxen Spiritualität

Im Anschluss an die Eröffnung der der Evangeliumskirche ausgestellten seiner eigenen Spiritualität, so dass das Ikonenausstellung in der Evange- Ikonen-Reproduktionen. Sie seien kei- entstehende Werk sich im spezifischen liumskirche anlässlich der »Russischen neswegs in erster Linie als Kunstwerke Kern von jedem anderen Kunstwerk Kulturwoche« im Oktober 2010 durch zu interpretieren, sondern als Ausdruck unterscheide und sogar zu einem Ge- Beiratsmitglied Dr. Ulrich Engelen intensiver Verehrung Gottes, der Got- genstand der Anbetung werde, welcher ergriff der aus Münster angereiste rus- tesmutter und ihres Kindes sowie be- der gläubigen Seele eine Erweiterung sisch-orthodoxe Priester Dubrovnin deutender Heiliger, ja deren Geist sei in und Vertiefung ihrer selbst ermögliche. das Wort, um das Auditorium die be- den verehrten Ikonen gleichsam anwe- In analoger Weise sei auch der ortho- sondere Spiritualität und Frömmigkeit send. doxe Gottesdienst zu verstehen, in dem der orthodoxen Christen spüren zu las- durch die Intensität des Gebets und des sen. Er betonte die tiefe Verwurzelung Dies freilich setze voraus, dass die Iko- Gesangs, durch reichen Weihrauchge- des Glaubens in der russischen Seele, nen aus einer frommen Überzeugung brauch und spezielle rituelle Handlun- nicht nur des einfachen Volkes, welche – fernab von heute oftmals zu beob- gen sich eine andere Welt, ja ein Kos- auch Perioden der Feindseligkeit und achtenden wirtschaftlich-touristischen mos eröffne, der weit über der profanen Verfolgung – zuletzt unter dem kom- Erwägungen - gestaltet worden seien. und uns täglich begegnenden Welt ste- munistischen Regime – überdauert Vor seinem Schaffen vertiefe sich der he. Diese spirituelle Welt sei allerdings habe. Die russisch-orthodoxe Kirche rechte Ikonenmaler intensiv in das reli- nur durch die Intensität der Hinwen- nimmt nach seinen Ausführungen den giöse Denken und Fühlen, er versuche, dung zu Gott und zu seinem Wort, und strengen Bezug auf die Bibel und die sich in Demut dem Wesen und den nur mit Inbrunst zu verspüren. Eine geschichtliche Überlieferung besonders Taten der von ihm gestalteten Figuren ganz zentrale Bedeutung habe in diesem ernst. zu nähern, und schaffe seine Werke aus Zusammenhang das »Vater Unser«, das einem tief empfundenen Gefühl der die Seele in Demut von uns weg hin zu So sei auch die spezifische Bedeutung Dankbarkeit gegenüber seinem Schöp- Gott und zu seinem Willen lenke: Ge- der Ikonenverehrung und die Erstel- fer, der Gottesmutter und Heiligen. Im rade dadurch dürfe sich der Mensch, lung immer neuer Ikonen zu begreifen. Akt des künstlerisch religiösen Schaf- dürfe sich die Seele in ihm aufgehoben Damit schlug er den Bogen zu den in fens belebe er Leinwand oder Holz mit fühlen.

82 widergespiegelt wurde. Besonders auf- fällig waren die Anwesenheit vieler jun- ger Familien mit ihren Kindern jeden Alters und die Teilnahme aller ortho- doxen Gläubigen an der Kommunion. Zum Teil hatten sie eine Anreise von bis zu 60 Kilometern auf sich genommen.

Wesentlich zur feierlichen Stimmung trugen die Gesänge des Rossika-Chors aus St. Petersburg bei. Erst in der Nacht zuvor hatte Dr. Valentina Kopylova, die Leiterin des Chors, die Gesänge zur Liturgie zusammengestellt, ein über- zeugender Beweis für die Kompetenz und das außerordentlich hohe Niveau der Gruppe. Neben dem Erlebnis der liturgischen Wechselgesänge zwischen Nach dem Gottesdienst: Erzbischof Feofan, rechts Priester Illin, links Bürgermeisterin Maria Unger den Priestern und dem Chor kamen die Besucher zu einem hochklassigen Mu- sikgenuss. Orthodoxe Gottesdienste in Gütersloh Erzbischof Feofan stellte seine Predigt In der Gütersloher Martin-Luther- dem Erzbischof in ihrer Mitte, un- unter das Motto: Jeder Gläubige ist für Kirche gab es dreimal einen russisch- ter ihnen Erzpriester Sergeij Illin aus sein Handeln, das er vor seinem Ge- orthodoxen Gottesdienst. Zum ersten unserer Region und der Referent von wissen und vor Gott vertreten muss, Mal während der »Europäischen Kul- Bischof Longin in Düsseldorf, Niko- eigenverantwortlich. Er traf damit ein turwoche RUSSLAND« im November lai Ton, breitete sich eine Atmosphäre alle christlichen Glaubensrichtungen in 2003 mit Erzbischof Marx aus Mün- von Glanz und frommer Konzentrati- gleicher Weise betreffendes Thema. chen und zuletzt zur gleichnamigen on aus, die während der gesamten zwei Aktionswoche im Oktober 2010. Stunden des Gottesdienstes anhielt. Bürgermeisterin Unger, die an dem Den dazwischen liegenden zweiten Wenn auch viele der symbolträchti- Gottesdienst teilgenommen hatte, gab russisch-orthodoxen Gottesdienst gen Zeremonien für die einheimischen anschließend einen Empfang zu Ehren zelebrierte am 9. November 2008 Besucher nicht verständlich waren, so von Erzbischof Feofan im »Haus der Seine Eminenz Erzbischof Feofan, strahlten sie doch jederzeit Würde und Begegnung«. Als Vertreter der evange- Oberhaupt der Berliner Diözese und tiefe Gläubigkeit aus, die von den or- lischen Kirche nahm der Hausherr der Deutschlands der russisch-orthodoxen thodoxen Teilnehmern eindrucksvoll Martin-Luther-Kirche, Pfarrer Andreas Kirche des Moskauer Patriarchats. Dazu hatte das Forum Russische Kul- tur eingeladen. Insgesamt etwas mehr als 300 erwartungsvolle Teilnehmer füllten das Gotteshaus, von denen etwa ein Drittel der russisch-orthodoxen Glaubensgemeinschaft angehörte. Zu dem guten Besuch trugen sicherlich zwei Vorankündigungen bei: Die Lei- tung der Feier durch Seine Eminenz Erzbischof Feofan und die musika- lische Begleitung der Liturgie durch den Rossika-Chor aus St. Petersburg, in dessen künstlerischem Zentrum die russische Kirchenmusik steht.

Die wenigen unerlässlichen sakralen Merkmale, die auf die Besonderheiten des orthodoxen Ritus in der evange- lisch-schlichten Martin-Luther-Kirche hinwiesen, ließen die überwältigende Pracht russischer Gotteshäuser zwar kaum erahnen. Aber bereits mit dem feierlichen Einzug der am Gottesdienst beteiligten Priester und Diakone mit Erzbischof Feofan trägt sich in das »Goldene Buch der Stadt Gütersloh« ein.

83 Walczak-Detert, teil, bei dem sich die folg. Darin zeige sich die verbindende wieder voll entfalten könne. Viele Ka- Bürgermeisterin für seine Gastfreund- Wirkung des christlichen Glaubens. thedralen, Kirchen und Klöster seien schaft bedankte. Die katholische Kir- Einen besonderen Dank sprach die in den letzten Jahren saniert oder neu che wurde durch Dechant Klaus Fussy Bürgermeisterin dem Rossika-Chor aufgebaut worden. von der Johann-Baptist-Gemeinde in und seiner Leiterin für die musikalische Bielefeld repräsentiert. Begleitung der kirchlichen Feier, aber Franz Kiesl richtete in einem kurzen Frau Unger bedankte sich bei Erzbi- auch für die wiederholten Auftritte in Beitrag seinen Dank an alle, die dieses, schof Feofan für seinen Besuch und Gütersloh und der Umgebung aus. Ab- auch für das Forum wichtige Ereignis den »inspirierenden Gottesdienst«. Ihr schließend lud sie Erzbischof Feofan mitgestaltet hatten, besonders an Erz- Dank galt darüber hinaus Franz Kiesl. ein, sich ins Goldene Buch der Stadt bischof Feofan und Bürgermeisterin Seine Initiative habe die Einladung erst Gütersloh einzutragen. Unger, die mit dem Empfang weitere ermöglicht. Wenn eben möglich, stehe Gespräche und Begegnungen ermög- auf jedem Programm seiner Gruppen- In seiner Erwiderung drückte der Erz- licht habe. Die große Resonanz, die die reisen nach Russland der Besuch eines bischof noch einmal seinen Dank für Einladung zu dem Gottesdienst gefun- Gottesdienstes, der erfahrungsgemäß die Einladung aus und erinnerte dar- den hatte, war für das Forum eine wei- einen tiefen Eindruck bei den Teil- an, dass sich nunmehr seit 20 Jahren, tere Bestätigung dafür, dass der Verein nehmern hinterlasse. Deshalb sei es nachdem die Einschränkungen der inzwischen ein wichtiger Bestandteil verdienstvoll, wenn er den Menschen religiösen Betätigungen durch Michail des kulturellen Lebens der Stadt ist. in der Region ein solches Erlebnis ver- Gorbatschow aufgehoben worden sei- mittle, wie gesehen, mit großem Er- en, das christliche Leben in Russland

Deutsch-russische Beziehungen auf religiösem Gebiet

Auch in der Religion gibt es Beispiele für historische deutsch-russische Be- ziehungen. So ist es sicher interessant, dass der Vorgänger des jetzigen Patriar- chen, der Patriarch Alexej II., deutsche Vorfahren hatte. Sein Urgroßvater Graf Friedrich Alexander von Ridiger, der 1783 in Kurland geboren wurde, war russischer General im Krieg gegen Na- poleon. In der »Bildergalerie des Jahres 1812« im Winterpalast ist sein Portrait unter dem russischen Namen Fjodor Wassiljewitsch Ridiger im Original zu sehen. In der Uckermark entsteht ein orthodoxes Kloster Aber es gibt auch einen aktuellen Be- zug: Von Norbert Kuchinke, dem Au- tor des Bildbands »Missa Mystica«, erfuhr Franz Kiesl schon vor einigen Jahren, dass in Götschendorf in der Uckermark ein russisch-orthodoxes Kloster entstehen sollte. Bis 1992 dien- te das vier Hektar große Anwesen noch als Hotelkomplex, dann kamen keine Gäste mehr. Die notwendige Sanie- Erzbischof Feofan mit Prior Daniil den rung der Gebäude schreitet voran. 1,5 feierlichen Gottesdienst. Bei der Ein- Millionen Euro sind schon investiert. weihungsfeier waren auch die Eltern Anfang Mai 2011 wurde die Klosteran- von Angela Merkel dabei. Merkels Va- lage, für deren Aus- und Aufbau noch ter, der einstige Pfarrer Horst Kasner, 2,5 Millionen Euro benötigt werden, beurteilte vor der Kamera eines russi- durch Erzbischof Feofan von der Ber- schen Fernsehsenders das Kloster als ei- liner Diözese eingeweiht. In einem im- nen wichtigen Schritt zur Versöhnung provisierten Kirchenraum zelebrierte zwischen Russland und Deutschland.

84 Die kulturelle Koexistenz Russlands und Deutschlands ist notwendig

ie kulturellen Verbindungen zwischen den Russen und den Deutschen haben eine tausendjährige Geschichte. Die ersten uns bekannten Ver- Dsuche der Aufnahme der gegenseitigen Verbindungen wurden noch am Ende des ersten Jahrtausends unserer Zeitrechnung unternommen, als katholi- sche Missionare Russland besucht haben. Sie versuchten, die Russen zu ihrem Glauben zu neigen. Russische Fürsten haben aber sowohl den katholischen Glauben als auch die muslimische Religion abgelehnt. Sie haben die byzantini- sche orthodoxe Konfession, gleichzeitig auch die Schrift und andere Attribute der Kultur übernommen. Professor Abdulkhan Achtamsjan Co-Vorsitzender der Liga für Russisch-Deutsche Freundschaft, Moskau Doch die Kultur der Völker wird nicht deutschen Volkes. Das alles berechtigt auf die Religion zurückgeführt. Die mich, an der Konzeption der Einheit religiösen Unterschiede sind sogar der weltumfassenden Kultur, der welt- manchmal ein Hindernis für die kul- umfassenden Zivilisation festzuhalten. turelle Zusammenarbeit der Völker. Gerade in diesem Sinn verstehe ich Die kulturellen Verbindungen Russ­- Die Grundlage der Kultur bildet die auch die Ziele und das Wirken des »Fo- l­ands mit den deutschen Ländern haben Produktion der materiellen Werte, die rums Russische Kultur Gütersloh«. sich von der Zeit der Regierung Peters Arbeit der Menschen, das heißt die I. an entwickelt. Damals bekam ein zweckmäßige Tätigkeit, die die Versor- Die kulturellen Kontakte werden si- Vorort in Moskau den Namen Deutsch gung des Lebens der Leute zum Ziel cher gewährleistet, wenn die norma- =Лефортовская сл ода=. Die hat, das heißt die Führung der Wirt- len guten Beziehungen zwischen den Hauptstadt Russlands, die nach dem schaft. Nur auf dieser Grundlage ist die Staaten eingerichtet sind. Die ersten Willen des Kaisers auf Kosten von rie- geistige Kultur eben möglich. Die Ent- diplomatischen Kontakte, und dabei sigen Opfern an den Ufern des Flusses wicklung der Sprache und der Schrift, die kulturellen Verbindungen zwischen Neva errichtet wurde, hat die deutsche die Ansammlung der Kenntnisse, die den russischen und deutschen Ländern Bezeichnung Sankt Petersburg bekom- Entwicklung der Literatur, die Bil- waren noch im Mittelalter. Die große men. Unter Mitwirkung des deutschen dung und die Aufklärung, endlich, die russische Botschaft war zu jener Zeit Wissenschaftlers Gottfried Wilhelm künstlerische Kultur, die Kunst hängen in Regensburg – in der Hauptstadt Leibniz wurde die russische Akademie von der Wirtschaft ab. Als wichtige des Reiches. Das hat seine Reflexion in der Wissenschaften gegründet, deren Faktoren der Entwicklung der Kultur der erhalten gebliebenen Gravur eines erste Präsidenten deutsche Gelehrte wa- dienen der internationale Umgang, die deutschen Meisters bekommen. Nach ren. Zu einem Symbol der freundlichen internationalen kulturellen Verbindun- der Legende wurde gerade in Regens- Beziehungen zwischen den herrschen- gen, die Wechselwirkung der Kulturen. burg eine der ersten Steinbrücken in den Häusern wurde das Bernstein-Zim- Europa gebaut. Offenbar wurde seit mer in einem Palast bei St. Petersburg, Als Historiker interessiere ich mich für jener Zeit die Brücke als ein Symbol das vom preußischen König dem Zaren die kulturellen Traditionen verschiede- der Verbindung nicht nur zwischen im Jahr 1716 geschenkt wurde. ner Völker, besonders der Völker Eu- zwei Ufern bezeichnet, sondern auch ropas. Von meiner Kindheit an, von zwischen den Völkern. Die Flüsse und Im 18. Jahrhundert haben die kulturel- meiner Mutter, ist mir die tatarische Berge waren öfters natürliche Grenzen len Verbindungen zwischen Russland Sprache bekannt, sowie Sitten und Ge- zwischen Völkern. So verstehe ich die und Deutschland eine breite Entwick- bräuche meines Volkes, das zum Osten Bezeichnung des »Forums Russische lung bekommen. Das ist geschehen Europas und gleichzeitig zur muslimi- Kultur« als eine Brücke zwischen den nicht nur dank der dynastischen Ver- schen Welt und Kultur gehört. Nach Deutschen und Russen. In der Tat sind bindungen, sondern auch dank der meiner Ausbildung in der Schule und die Kulturen der beiden Länder durch wissenschaftlichen und kulturellen Zu- an der Hochschule, sowie der Tätigkeit viele Brücken verbunden. Die fried- sammenarbeit der intelligenten Schich- im Laufe von sechs Jahrzehnten, dabei liche Koexistenz der Völker verläuft ten der Gesellschaft beider Länder. Es 50 Jahre als Dozent und Universitäts- zum großen Bedauern nicht immer sei notiert, dass der berühmte russische professor, sind mir die Werte der gro- ungehindert. Riesigen Schaden für die Wissenschaftler Michael Lomonossov ßen russischen Kultur besonders nah. Kultur der Völker fügten Kriege zu. in den Jahren 1736-1739 an der Uni- Das sind Kulturwerte, die keinesfalls Zum Beispiel der Dreißigjährige Krieg versität in Marburg studierte, wovon auf die orthodoxen Dogmen zurück- im 17. Jahrhundert, der mit dem West- auch heute noch die Gedenkplatte an geführt werden. Schließlich sind mir fälischen Frieden beendet wurde und dem Gebäude der Universität zeugt. die Werte der europäischen Kultur im der die Entvölkerung und Spaltung der Dabei wird daran erinnert, dass im Jah- weiten Sinne des Wortes bekannt, be- deutschen Länder auf drei Jahrhunder- re 1755 Lomonossow die Universität in sonders die Kultur und Sprache des te bestimmt hat. Moskau gegründet hat.

85 Der Siebenjährige Krieg in Europa, in Schwester des Zaren, Maria Pavlovna, wörter, besonders in der Technik ge- dem Russland auf der Seite Sachsens die Goethe-Gedenkstätte in Jena er- braucht wie Spindel und Zange, Stange gegen Preussen angetreten war, hat die öffnet. Die historische Legende teilt und Kronzirkel und andere mehr. Als kulturellen Verbindungen zwischen darüber mit, dass der große deutsche Ausdruck der Hochachtung der Rus- den beiden Ländern unterbrochen. Der Dichter Goethe wie eine Stafette seine sen vor den deutschen Meistern und Tod der Kaiserin Elisabeth hat Preussen Feder dem russischen Dichter Alexan- ihrer Erfindungsgabe wurden seinerzeit vor der Schande der Niederlage geret- der Puschkin als Geschenk überreicht scherzhaft Sprichwörter geprägt, wie tet, was später seine Reflexion in der hätte. Freundliche Beziehungen be- »Der Mond ist in Hamburg gefertigt« Geschichtsschreibung der zwei Länder standen zwischen dem Kanzler und oder auch »Der Deutsche hat den Affen bekommen hat. Mehr als hundert Jah- Fürsten Gortschakov und dem Kanzler erfunden«. re danach haben sich die Beziehungen und Fürsten von Bismarck. Viele Jah- zwischen den Ländern erfolgreich ent- re lebte in Deutschland der russische Eine Schicksalsgemeinschaft wickelt. Doch haben Napoleons Kriege Diplomat und Dichter F. Tjutchev, der Das 20. Jahrhundert – das Jahrhundert wieder die normale Entwicklung unter- die bekannten Zeilen geprägt hatte: der Kriege und der Revolutionen – hat brochen. Im Jahre 1806 hatte Napo- »Russland ergründet kein Verstand...« uns viele Zerstörungen und viel Un- leon das Heilige Römische Reich der In Russland waren Werke der deut- glück gebracht. Doch kennt man auch deutschen Nation abgeschafft. Preus- schen Philosophen verbreitet, und in helle Seiten in der Geschichte unserer sen war gezwungen, den demütigenden Deutschland waren die Namen der rus- zwei Länder. In den Jahren nach dem er- Tilsiter Frieden 1807 zu unterschrei- sischen Schriftsteller gut bekannt: I.S. sten Weltkrieg, als sich beide Länder in ben und dann an dem Feldzug Napole- Turgenev, F. Dostojevski, L.N Tolstoi. einer sehr schweren Situation befanden, ons gegen Russland teilzunehmen, was Der gegenseitige Einfluss der Literatu- haben sie Wege zur Zusammenarbeit den Interessen der deutschen Nation ren und der Kulturen war ein wichtiger gefunden. Im Vorort der italienischen keinesfalls entsprach. Das erkannten Faktor des gegenseitigen Verständnisses Stadt Genua, Rapallo, wurde ein gleich- viele Vertreter Deutschlands gut, dar- zwischen den Ländern. Viele Russen berechtigter Vertrag abgeschlossen, der unter solche Persönlichkeiten wie der lebten und studierten in Deutschland. beiden Ländern die Möglichkeit gab, General Karl von Clausewitz und der Sie haben von der deutschen Kultur sich aus der internationalen Isolierung Freiherr vom Stein, die auf der Seite und Literatur gelernt. So z. B. Paster- zu befreien. In meinen Forschungsarbei- Russlands Stellung bezogen. nak, K. Fedin und andere Schriftsteller. ten über die Rapallo-Politik aufgrund der russischen und deutschen Archive Tauroggen – ein Schlüsselerlebnis Die Erinnerung an die Tatsachen der ist es gelungen zu beweisen, dass die Be- Tauroggen ist ein Begriff, der bei der Geschichte ist heute notwendig, um ziehungen der Zusammenarbeit nicht neuen Generation wenig bekannt ist, der neuen Generation unserer Lands- nur der geopolitischen Lage unserer in Russland, wie auch in Deutschland. leute die Wahrheit zu vermitteln: die Länder, sondern auch der Übereinstim- Gerade im Ort Tauroggen in der Nähe friedlichen beiderseitig vorteilhaften mung der lebenswichtigen Interessen von Tilsit wurde vom russischen Gene- Beziehungen zwischen unseren Völ- der Völker entsprechen. Die Interessen ral Dibich und dem deutschen Gene- kern entsprechen den Interessen un- sind nicht nur durch eine Schicksalsge- ral Jork von Wartenburg im Laufe der serer Länder. Politische Konflikte, das meinschaft vorbestimmt. Ein wichtiger Vertreibung Napoleons im Dezember heißt der Kampf um das Dominieren Faktor der guten Beziehungen im Laufe 1812 das Abkommen unterzeichnet, und um die Macht, umso mehr die der Jahrhunderte bleibt das gegenseitige das nicht nur den Anfang des Befrei- Militärzusammenstöße, bringen nur Verständnis und die Wechselwirkung ungskrieges gegen Napoleon, sondern nicht wieder gutzumachenden Schaden der Personen der Wissenschaft und der auch den Auftakt einer Periode der für die lebenswichtigen Interessen der Kultur. In diesem Sinn hat die Tätigkeit friedlichen Zusammenarbeit zwischen Kultur, insbesondere für die kulturelle des Forums in Gütersloh eine unschätz- unseren beiden Ländern bedeutete, die Zusammenarbeit unter den Völkern. bare Bedeutung für das gegenseitige hundert Jahre dauerte bis zu dem Er- Verständnis und das Vertrauen zwischen sten Weltkrieg. Deutsche Spuren den Völkern unserer Länder - zwischen in der russischen Sprache den Völkern Russlands und Deutsch- Im 19. Jahrhundert haben die kulturel- Der gegenseitige Einfluss der Kulturen lands. Unter diesem Zeichen sind Gäste len Verbindungen zwischen den zwei hat ihre Reflexion in der russischen aus Deutschland in Russland herzlich Ländern eine erfolgreiche Entwicklung und deutschen Sprache. In der deut- willkommen. genommen: Im Baltikum, innerhalb schen Sprache sind nicht nur Begrif- des Russischen Imperiums, wurde im fe, wie Potemkinsche Dörfer, sondern Professor Abdulkhan Achtamsjan Jahre 1813 eines der ersten Friedrich- auch solche wie Sputnik bekannt. In Co-Vorsitzender der Liga für Russisch Schiller-Denkmäler errichtet. Dann der russischen Sprache werden wie Deutsche Freundschaft , Moskau im Jahre 1821 wurde im Auftrag der selbstverständlich Begriffe und Fach-

86 Besuche in der Russischen Botschaft sprächsgruppen, zu denen sich zeitweise der Botschafter und seine überaus char- und im Russischen Generalkonsulat mante Gattin gesellten. Der Bekannt- heitsgrad des Forums Russische Kultur erwies sich immerhin als so groß, dass beide die Forum-Gruppe zu einem Ge- inladungen zu Darbietungen russischer Kultur in die Russische Botschaft in spräch aufsuchten, sich zu einem Grup- Berlin oder in das Russische Generalkonsulat in Bonn-Bad Godesberg wer- penbild bereit fanden und Franz Kiesl Eden gern angenommen. Zu den Gästen gehören sehr häufig als Vertreter des die Gelegenheit gaben, die aktuellsten Forums Russische Kultur Franz Kiesl und eine oder mehrere Begleitpersonen. Auf Informationen über den Verein zu über- Vermittlung des Forums konnten auch Musikerinnen und Musiker der Stiftung reichen. »Neue Namen« aus Moskau bei Konzerten sowohl in der Botschaft, als auch im Generalkonsulat auftreten. Es gab aber noch eine Reihe anderer interessanter Gespräche, unter denen sich der mit Herrn Prof. Abdulhan A. Achtamsjan geführte Gedankenaus- tausch herauszuheben lohnt. Er lehrt Das Konzert der »Neuen Namen« am Bei dem anschließenden Empfang, der an der Moskauer MGIMO-Universität, 2. November 2007 in der Botschaft in den vom Stil der russischen Nach- die unter anderem russische Diploma- »Unter den Linden« besuchten neun kriegsarchitektur geprägten Repräsen- ten ausbildet. Auch Botschafter Kotenev Mitglieder des Forums. Nach der ein- tationssälen stattfand, wurden die Gä- gehörte zu seinen Schülern. Der vielfach drucksvollen Eingangshalle mit ihren ste von einem reichlichen Buffet mit ausgezeichnete Wissenschaftler verfügt großzügigen Treppenaufgängen, in einer Auswahl russischer Spezialitäten über so viele außergewöhnliche Titel der dunkles Holz den Ton angibt, be- überrascht. Das galt auch für die Ge- und Ehrentitel, dass selbst deutschkun- traten die Besucher den großen, eher tränke, bei denen natürlich auch der dige Russen bei der Übersetzung seiner schlichten Festsaal, der jeder Stadt in russische Wodka nicht fehlte. Visitenkarte ins Stocken gerieten. Zum Deutschland zur Ehre gereichen wür- Abschluss eines intensiven Gesprächs de. Botschafter Kotenev begrüßte die Einige Prominente, deren Gesichter über die Entwicklung des deutsch-rus- rund 200 Gäste in seiner bekannt ver- zumindest vom Fernsehen her bekannt sischen Verhältnisses am »runden Tisch« bindlichen Art, bevor die Interpreten waren, erregten kaum Aufsehen. Auf- des Forums erklärte er sich bereit, einen des Konzerts – wie so oft junge Musi- fälliger waren die vielen kleinen Ge- Artikel für den Forum-Report zu schrei- ker der »Neuen Namen« – die Bühne betraten. Im Generalkonsulat in Bonn-Bad Godesberg: Heinz Pastel, General­konsul Jewgenij Schmagin, Franz Kiesl und Thomas Fischer Geboten wurde eine abwechslungsrei- che Mischung aus klassischer Instru- mental- und Opernmusik, sowie Volks- musik, wie es in Konzerten der »Neuen Namen« nicht ungewöhnlich ist. Alle Vorträge wurden mit herzlichem Bei- fall bedacht. Elena Nefedowa am Kla- vier hatte als die am meisten beschäftig- te Künstlerin daran den größten Anteil. Aber auch die charmante Sopranistin Anna Krajnikowa und ihr Duettpart- ner, der Bass Aleksei Yakimov, über- zeugten die Zuhörer, besonders mit einer Passage aus der Gershwin-Oper »Porgy und Bess«. Unbedingt erwähnt werden müssen aber auch Alexander Lopatin mit seiner glänzenden Bajan- Vorstellung, sowie das Streichquartett Anastasia Tschaplinskaja und Ekaterina Kulikova (Geige), Swetlana Schkarowa (Bratsche) und Irina Marapulina (Cel- lo), die mit viel Schwung die »Pizzicato Polka« von Johann Strauss darboten. Alle aufgetretenen Instrumentalisten verabschiedeten sich gemeinsam mit ei- nem Tango von A. Piazzola. Die beiden Gesangssolisten vervollständigten das bunte Schlussbild mit einer eleganten Tanzeinlage. 87 ben, was man in Anbetracht der Stel- lung von Prof. Achtamsjan durchaus als Auszeichnung für den Verein anse- hen kann.

Er schrieb einen interessanten Beitrag mit dem Titel »Die kulturelle Koexi- stenz Russlands und Deutschlands ist notwendig«, der in dieser FEST- SCHRIFT abgedruckt ist. Auf Einla- dung von Prof. Achtamsjan besuchte die Moskau-Reisegruppe 2008 die MGIMO-Universität..

Am 10. November 2010 lud General- konsul Jewgenij Schmagin zur Feier von drei Anlässen in das Generalkon- sulat in Bonn-Bad Godesberg ein: Vor 235 Jahren, also bereits im Jahre 1775, Ein interessantes Gespräch in der Russischen Botschaft mit Prof. Achtamsjan (rechts) führten Franz Kiesl, kam der erste russische Konsul nach Hans-Josef Leewe und Heinz Schaefer (von links) Bonn. Dann, vor 55 Jahren wurden die diplomatischen Beziehungen zwischen der Sowjetunion und der Bundesrepu- blik Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg wieder aufgenommen. Die Russische Botschaft nahm ihren Sitz zunächst in Rolandseck, um dann in Bad Godesberg das Anwesen zu bezie- hen, das in den Jahren 1949 und 1950 als Amtssitz des ersten Bundespräsiden- ten, Prof. Theodor Heuss, gedient hatte und heute das Generalkonsulat beher- bergt. Und schließlich wurde vor 20 Jahren, also unmittelbar nach der Wie- dervereinigung, das umgebaute und erweiterte Dienst- und Wohngebäude der Botschaft vor deren Umzug nach Berlin in Betrieb genommen.

Wegen des besonderen Ereignisses nah- men neben Franz Kiesl drei weitere Mitglieder des Forums teil. Botschafter Wladimir Grinin (Mitte) mit Thomas Fischer und Franz Kiesl bei einem Empfang Generalkonsul Jewgenij Schmagin be- in der Russischen Botschaft in Berlin grüßte die etwa 250 Gäste und ließ in seiner anschließenden Ansprache die Mit seiner Anwesenheit bei der Fei- ließ, bot ausreichend Gelegenheit, in Geschichte seines Konsulats in lebendi- er dokumentierte der Botschafter der lockerer Atmosphäre alte Kontakte zu ger Weise Revue passieren, wobei er auf Russischen Föderation in Deutschland, pflegen und neue zu knüpfen. Auffällig die besondere Bedeutung Bonns als Di- Wladimir Grinin, seine besondere war die Anwesenheit zahlreicher Vertre- plomatenstandort am Rhein am Ende Wertschätzung des neuen Generalkon- ter der russisch-orthodoxen Kirche, zu des 18. Jahrhunderts vor der Zeit der suls, die er auch in seiner Begrüßung der Generalkonsul Jewgenij Schmagin französischen Besetzung hinwies. Nach der Gäste zum Ausdruck brachte. bereits in den 80er Jahren, als das noch einigen Umwegen über Frankfurt am alles andere als Karriere fördernd war, Main und Elberfeld kehrte das Konsu- Vorab hatte ein Violin- und Klaviertrio enge Kontakte unterhielt. lat schließlich nach Bonn zurück. Eine in einer konzertanten Ouvertüre drei sehenswerte Ausstellung »235 Jahre Werke von Schostakowitsch, Tschai- Die Stimmung während der Veranstal- konsularische Präsenz in Bonn« mit kowskij und Brahms vorgestellt, die tung empfanden die Gäste in angeneh- Bildern und Dokumenten aus dem mit lebhaftem Beifall bedacht wurden. mer Weise als Spiegelbild der seiner- Archiv des Russischen Außenministeri- zeitigen positiven Entwicklung in den ums illustrierte den Besuchern die Aus- Der abschließende Empfang, bei dem deutsch-russischen Beziehungen, die es, führungen des Generalkonsuls. das reichhaltige, typisch russische Buf- darin waren sich alle einig, als weiter zu fet keine kulinarischen Wünsche offen fördern gilt.

88 Die deutsche Wirtschaft schätzt die Kultur als Begleiter in Russland

err Prof. Mangold hat nach 10jähriger Tätigkeit seine Position an der Spitze des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft an den Metro-Chef HEckhard Cordes übergeben. Das Forum hatte kurz vor diesem Zeitpunkt Gelegenheit, Herrn Prof. Mangold in einem Interview einige grundsätzliche Fra- gen zu den deutsch-russischen Beziehungen aus der Sicht der deutschen Wirt- schaft zu stellen. Dabei machte er auch interessante Aussagen über die Bedeu- tung der kulturellen Beziehungen zwischen den beiden Ländern.

Professor Dr. Mangold, Sehr geehrter Herr Prof. Mangold, bengebiet des Ost-Ausschusses. Die Ori- Sie leiten seit 10 Jahren den Ost-Aus- entierung geht also weiterhin nach Osten, schuss der Deutschen Wirtschaft, eine wenngleich China inzwischen nicht mehr Institution, die sich seit 1952, also zu unserem Aufgabengebiet gehört. Das bereits zur Zeit des »Kalten Krieges«, würde den Rahmen sprengen. Unternehmen von einem Investitions- für die Förderung der wirtschaftlichen standort überzeugt sind, dann bleiben Sie Beziehungen zwischen Deutschland ihm auch in der Krise treu. Auf ihr Wort und Osteuropa einsetzt. Dass dabei das In der Zeit Ihres Vorsitzes hat sich das ist Verlass. Diese Verlässlichkeit unterschei- Verhältnis zu Russland von Anfang an Volumen von Handel und Dienstlei- det uns von anderen Ländern, wie uns im Mittelpunkt stand und auch heute stungen zwischen Deutschland und russische Geschäftspartner immer wieder noch steht, versteht sich schon allein Russland verfünffacht. Was waren die bestätigen. Diese Verlässlichkeit gilt auch aufgrund des überragenden Potenzials treibenden Kräfte für diese Entwick- für die Qualität der Produkte Made in des Landes. Außerdem darf man nicht lung? , die einen hervorragenden Ruf vergessen, dass ein Teil der anfangs ein- genießen. Und drittens liegt die beson- bezogenen Staaten – und nicht gerade Mangold: Sieht man sich die genauen dere Stärke der deutschen Wirtschaft in die unbedeutendsten – inzwischen der wirtschaftlichen Voraussetzungen an, so ihrer breiten Ausrichtung: Wir können EU angehören. Deshalb zu Beginn die gibt es zwischen Deutschland und Rus- eben nicht nur hochwertige Autos lie- vielleicht formal klingende Frage: sland gegenseitige Abhängigkeiten. Uns fern, sondern sind genauso Weltspitze bei fehlen die Rohstoffe wie Öl und Gas, die Landmaschinen, in der Medizintechnik, Entspricht der Name »Ost-Ausschuss es in Russland im Überfluss gibt. Umge- bei chemischen Erzeugnissen, in der Ent- der Deutschen Wirtschaft« noch dem kehrt ist eine Modernisierung in Russland wicklung von Infrastrukturprojekten, im Focus der Aufgaben, die sich der Orga- ohne deutsche Technik, ohne deutsche Handel oder bei energieeffizienten Tech- nisation heute stellen? Maschinen und Anlagen, ohne deutsches nologien. Diese breite Aufstellung haben Know-how undenkbar. Wir haben es in wir unserem innovativen Mittelstand zu Mangold: Als der Name 1952 gewählt den vergangenen zehn Jahren verstanden, verdanken. wurde, hatte man insbesondere die So- aus diesen wechselseitigen Abhängigkei- wjetunion, die Warschauer-Pakt-Staaten ten eine Win-Win-Situation zu machen. Allgemein wird die Abhängigkeit der und sogar China im Blick. Es ging also Geholfen haben dabei fraglos die engen russischen Wirtschaft von ihren Roh- darum, Brücken über den Eisernen Vor- kulturellen und persönlichen Beziehun- stoffexporten bemängelt, weil diese be- hang hinweg in Länder mit sozialisti- gen zwischen Deutschen und Russen. Es sonders starken konjunkturellen Men- schem Wirtschaftssystem zu schlagen. Der herrscht ein hohes Maß an gegenseitigem gen- und Preisschwankungen ausgesetzt Ost-Ausschuss konnte hier freier agieren, Vertrauen. sind und wenig zur inländischen Wert- als es Politiker damals konnten, und schöpfung beitragen. Dazu zwei Fragen: trug so seinen Teil zum späteren Wan- del durch Annäherung bei. Mit dem Deutschland ist trotz harten Wett- Fall der Mauer und dem EU-Beitritt bewerbs wichtigster Handelspartner Sehen Sie konkrete Fortschritte für die vieler osteuropäischer Staaten hat sich Russ­lands. Worin sehen Sie die beson- Behebung dieser Problematik? das Aufgabenprofil gewandelt, es ist viel deren Stärken der deutschen Wirtschaft komplexer geworden. In Osteuropa und in den Beziehungen zu Russland? Mangold: Zunächst einmal ist der Roh- auf dem Balkan sind viele neue Staaten stoffreichtum Russlands ja nichts Schlech- entstanden, die alle individuell betrachtet Mangold: Ich will hier drei Punkte nen- tes. Und die russische Regierung hat werden müssen, wenn man wirtschaftlich nen: Die deutsche Wirtschaft zeichnet vorausschauend einen Teil der hohen Ein- erfolgreich sein will. Heute zählen neben sich zum einen durch ein hohes Maß an nahmen der vergangenen zehn Jahre in den EU-Ländern Bulgarien und Rumä- Verlässlichkeit aus. Wir haben das sowohl einem Fonds angespart und so für schlech- nien 20 weitere Staaten in Südosteuropa, in der Krise 1998, als auch in der aktu- te Zeiten vorgesorgt. Diese Mittel müssen Osteuropa und Zentralasien zum Aufga- ellen Situation gesehen: Wenn deutsche jetzt in die Modernisierung der Wirtschaft

89 gelenkt werden. Da hätte man in den ver- Aus Ihren Berichten geht eben- Einem Thema widmen sich der Ost- gangenen Jahren mehr tun müssen, etwa falls hervor, dass sich die Tätigkeit Ausschuss und unser Forum Russische für die Privatisierung von Staatsbetrie- des Ausschusses tendenziell mehr Kultur in ähnlicher Weise, nämlich ben und den Aufbau eines innovativen von rein wirtschaftlichen auf stärker der Förderung des Austauschs junger Mittelstands und die Verlängerung der ­gesellschaftspolitische Problematiken Menschen zwischen Deutschland und Wertschöpfungsketten im Land. Unver- verlagern, wie z.B. Ausgestaltung der Russland zum Abbau von Vorurteilen kennbar ist jetzt das Bemühen der Regie- Rechtsordnung und der die Wirtschaft und zum Aufbau persönlicher Kontak- rung, Versäumtes nachzuholen. Moderni- begleitenden Verwaltung. Welche Per- te. Dabei ist das Interesse junger Russen sierung ist in Russland quasi das Wort des spektiven ergeben sich daraus? an Verbindungen nach Deutschland Jahres, und mit der Grundsteinlegung ei- nach unseren Erfahrungen größer als nes Innovationsclusters nahe Moskau hat Mangold: Wir sehen uns in erster Linie das umgekehrte Interesse von jungen man ein erstes Ausrufungszeichen gesetzt, als Wirtschaftsdiplomaten, die deutschen Deutschen. Sehen Sie praktische Mög- dem weitere folgen müssen. Unternehmen wichtige Türen öffnen. lichkeiten, dieses Ungleichgewicht zu Wir arbeiten auf optimale Rahmenbe- korrigieren? dingungen für deutsche Investoren in Ist die deutsche Wirtschaft mit ihrem Osteuropa hin. Dazu gehören Fragen der Mangold: Junge Leute orientieren sich hohen technischen Standard nicht prä- Rechtssicherheit, Zollfragen, Zertifizie- natürlich oftmals an praktischen Be- destiniert, dabei eine hervorragende rungsverfahren, transparente Ausschrei- rufs- und Karrierechancen. Je stärker sich Rolle zu spielen? bungsverfahren, der Abbau von Bürokra- Russland – mit deutscher Hilfe - moder- tie, vereinfachte Visa-Vorschriften und nisiert, desto attraktiver wird das Land Mangold: Sie haben völlig recht. Die ähnliches. In diesem Kontext engagieren auch für deutsche Berufseinsteiger. Dass Modernisierungspartnerschaft, die Rus- wir uns auch gesellschaftlich, etwa in der man in Moskau oder St. Petersburg gut sland- und die EU auf dem Gipfel in Stiftung Deutsch-Russischer Jugendaus- verdienen und attraktiv leben kann, dass Rostow gerade besprochen haben, ist ur- tausch, mit einem großen Stipendien- es dort attraktive Universitäten gibt, hat sprünglich eine deutsche Initiative. Wir programm für junge Manager aus dem sich herumgesprochen. In der Fläche hat können hier in den vergangenen zehn ­Westbalkan oder mit den Deutsch-Rus- Russland aber weiterhin Nachholbedarf. Jahren auf eine stolze Zahl von gemein- sischen Gesprächen Baden-Baden. Indem Hilfreich wäre zudem eine engere Ver- samen Projekten zurückblicken, ange- wir junge Deutsche und Osteuropäer zu- zahnung mit europäischen Institutionen fangen vom Aufbau eines VW-Werkes in sammenbringen, bauen wir Netzwerke im Bildungsbereich. Einen großen Schub Kaluga, über die Lieferung von Hochge- auf, die uns auch wirtschaftlich weiter würde sicherlich die Abschaffung der Visa- schwindigkeitszügen durch Siemens bis bringen. Regelung geben. hin zur Modernisierung der russischen Landwirtschaft und der russischen Ze- mentindustrie durch deutsche Mittel- Wie schätzen Sie die Konsequenzen der Die Aktivitäten unseres Forums kon- ständler. Jetzt, da sich der Modernisie- immer stärker werdenden Einbindung zentrieren sich auf den kulturellen Aus- rungsprozess in Russland beschleunigt, Deutschlands in Regelungen der EU tausch. Für uns wäre es sehr interessant dürfen wir uns auf diesen Lorbeeren aber auf die direkten wirtschaftlichen Be- zu erfahren, wie Sie den Wert des Aus- nicht ausruhen. ziehungen zwischen Deutschland und baus der kulturellen deutsch-russischen Russland ein? Beziehungen unabhängig vom Auf und Sie betonen in Ihren Tätigkeitsberich- Ab der wirtschaftlichen und politischen ten die besondere Unterstützung mit- Mangold: Die EU kann den deutsch- Entwicklungen einschätzen. telständischer deutscher Unternehmen russischen Wirtschaftsbeziehungen Rü­ beim Aufbau von wirtschaftlichen Be- ckenwind geben, indem sie ein neues Mangold: Der Wert gesellschaftlicher In- ziehungen. Treffen diese Firmen über- Partnerschafts- und Kooperationsabkom- itiativen wie des Forums Russischer Kul- haupt auf eine ausreichende Anzahl men und eine Freihandelszone mit Russ­ tur Gütersloh kann gar nicht hoch genug entsprechender Partner in Russland? land auf den Weg bringt. Hier haben wir eingeschätzt werden. Fernab vom politi- in den vergangenen Jahren leider wenige schen Tagesgeschäft und so manchem Un- Mangold: Sie spielen damit auf das Fortschritte gesehen. Deutschland sollte wetter bilden sie das Rückgrat der deutsch- Fehlen eines russischen Mittelstandes an. weiterhin seine Rolle als Anwalt Russ­ russischen Beziehungen. Sieht man sich Tatsächlich ist hier in Russland noch eine lands innerhalb der EU ausfüllen; viel- die schwierige Geschichte beider Länder große Aufbauarbeit zu leisten. Die hohe leicht noch etwas stärker als in den ver- im 20. Jahrhundert an, ist der Grad der Zahl von aktiven deutschen Mittelständ- gangenen Jahren, damit wir auch hier Freundschaft, der bis heute erreicht wur- lern in Russland, die Zahl liegt bei etwa mehr Bewegung sehen. Um gegen Groß- de, eine wunderbare Erfolgsgeschichte, von 6.000, zeigt aber, dass es möglich ist, mächte wie China, Indien und die USA der andere europäische Nationen lernen Geschäfte zu machen. Der gute Kontakt auf Dauer bestehen zu können, ist eine können. zu Regierung und Verwaltung ist in Russ­ engere Kooperation von EU und Russ­ land für eigene Vorhaben natürlich be- land praktisch zwingend erforderlich. sonders wichtig. Genau hier setzt ja auch die Tätigkeit des Ost-Ausschusses an.

90 Utionnsere werden Veranstaltungen

»Russische« Kulturwochen Mit diesen »RUSSISCHEN KULTUR­- TAGEN GÜTERSLOH« wurde ein s ist ein besonderes Anliegen des Forums, durch die Vielfalt des angebote- Fundament für das künftige Wirken des nen Programms mit Beiträgen über die Russen, ihr Land und ihre Kultur Vereins geschaffen. Die Wirkung in der Eden Kreis der Interessierten ständig zu vergrößern. Die Menschen sollen Öffentlichkeit bekam einen Schub. Das neugierig werden auf Russland. Es ist dem Forum in den vergangenen Jahren zeigte sich auch darin, dass das Projekt wohl immer stärker gelungen, in Gütersloh und in der Umgebung »Russland« mit den Beiträgen von 19 Personen fi- zum Gesprächsthema zu machen. Das ist aber kein Grund, mit dem bisher Er- nanziert werden konnte. Für diese Ver- reichten zufrieden zu sein. Veranstaltungen mit dem Ziel, Interesse an den Rus- anstaltungsreihe des Forums gab es in sen und Russland zu wecken, Begegnungen zwischen Deutschen und Russen zu der Presse so viele Berichte wie nie zuvor vermitteln und Informationen zu verschaffen, stellen sich als kontinuierliche und auch später nicht. Aufgaben dar. Als besonders effektiv haben sich dazu Veranstaltungsblöcke in Form von »Russischen Kulturwochen« herausgestellt. Im Jahr 2003 gestaltete das Forum ge- meinsam mit der Stadt Gütersloh die »Russische Kulturwoche« vom 9. bis 16. November. Der Plan für dieses Veran- Die erste »Kulturwoche Russland« gab direkte Verbindungen zwischen den kul- staltungsprojekt entstand beim Besuch es 1991 im Mai. Aus St. Petersburg turellen Einrichtungen und Kulturschaf- von Leonid P. Romankow, Vorsitzender kamen auf Initiative des Organisten fenden unserer beiden Länder intensiv für Kultur und Wissenschaft im Stadt- Andreas Liebig viele Künstler nach erweitern und vertiefen. Es besteht kein parlament St. Petersburg, in einem Ge- Gütersloh. Es gab Konzerte, Lesungen, Zweifel, dass auch Russische Kulturtage spräch mit Bürgermeisterin Maria Un- Puppenspiele und eine Kunstausstel- in Gütersloh einen guten Beitrag zur Völ- ger im September 2001. lung. Zum ersten Mal war »Russisches« kerverständigung leisten. in der Stadt zu erleben. Um die Bürger in Gütersloh auf die Ganz herzlich wünsche ich den Organi- »Russische Kulturwoche« einzustim- Die zweite »Kulturwoche« organisierte satoren dieser Veranstaltungsreihe und men, stellte Franz Kiesl einen Kontakt das am 8. November 1991 gegründete den beteiligten Künstlern aus Russland zwischen der Sparkasse Gütersloh und Forum vom 1. bis 8. März 1992. sowie allen Gästen viel Erfolg und persön- dem ehemaligen deutschen Botschafter liches Wohlergeben. in Moskau, Dr. Ernst-Jörg von Studnitz Die nächsten »RUSSISCHEN her, der dann am 11. März 2003 zu ei- KULTURTAGE GÜTERSLOH« Es gab Gitarrenmusik und Russische nem sehr interessanten Vortrag über fanden vom 8. bis 18. September 1994 Küche – Russische Kammermusik aus Russen und Russland nach Gütersloh statt. Alexander N. Bykadorow, Kultur­ zwei Jahrhunderten – eine Gemälde- kam, der wesentlich zum Interesse an attaché der Botschaft der Russischen ausstellung – ein Jazz-Konzert – Rus- dem Thema »Russland« beitrug. Föderation, schrieb in seinem Gruß- sische Lyrik und russische Musik – ein wort: Es ist sehr erfreulich, dass Gütersloh Balalaika-Konzert, ein weiteres Konzert Während dieser »Russischen Kulturwo- nun zu einem weiteren Veranstaltungsort mit Tanz und Gesang – einen Kla- che« waren 44 russische Gäste in Fami- für russische Kultur in Deutschland ge- vierabend – ein Chor-Konzert – eine lien in Gütersloh und den benachbarten worden ist. Unser aufrichtiger Dank gilt Lesung aus Märchen – und ein Kon- Kommunen untergebracht. Sie gehör- dem Forum Russische Kultur Gütersloh zert mit dem St. Petersburger TV- & ten zur Delegation von jungen Musi- e. V., ein faszinierendes und vielfältiges Radio-Kinderchor, über den im Kapitel kern der Stiftung »NEUE NAMEN« Programm aus Russland dem deutschen »Unsere Beziehungen« mehr berich- aus Moskau und Chanty Mansijsk und Publikum zu präsentieren. tet wird. Das in Gütersloh ansässige zum »Rossika-Chor« aus St. Petersburg, Die Sprache der russischen Kunst bedarf russische Ehepaar Rachel und Prof. der durch die Vermittlung des Forums keiner Übersetzung. Deshalb ist sie für Dr. Jefim Salganik schrieb einen Auf- noch in sechs verschiedenen Kirchen Millionen und aber Millionen Menschen satz unter dem Leitgedanken »Kultur in der Region Konzerte geben konnte. der Welt verständlich und zugänglich. vereint Menschen und weckt in ihnen Höhepunkt für den Chor war die mu- Seit langem existierende freundschaftliche das Beste«, in dessen letzten Absatz es sikalische Gestaltung eines russisch- Beziehungen zwischen Deutschland und heißt: »Viel Böses ist zwischen unseren orthodoxen Gottesdienstes mit den be- Russland auf kulturellem Gebiet brin- Völkern geschehen. Jetzt ist die Zeit eindruckenden liturgischen Gesängen gen insbesondere in den letzten Jahren gekommen, neue Wege zu gehen – ge- in der Gütersloher Martin-Luther-Kir- fruchtbare Ergebnisse. Nicht zuletzt ist meinsam, miteinander. Der Samen, che. Zelebriert wurde der Gottesdienst es dadurch zustande gekommen, dass sich den das FORUM sät, wird aufgehen«. von Erzbischof Dr. Marx aus München.

91 Damit sich viele Menschen schon im Vorfeld über die zahlreichen und in- teressanten Veranstaltungen informie- ren konnten, erarbeitete es zu diesem Zweck eine 24-seitige Broschüre, in der die Details der achtzehn Veranstaltun- gen beschrieben wurden.

Einen anspruchsvollen Programmteil bot die Delegation aus Rostov am Don, Taganrog und Samarskoje. Studen- tinnen und Studenten der Staatlichen Süduniversität und des Rachmaninow- Konservatoriums, sowie des Kunstkol- legs in Rostov am Don traten unter Lei- tung ihres Regisseurs Mikhail Balanov und seiner Frau Elena auf. Hinzu ka- men vier Mädchen und drei Jungen aus der Kunstschule des »kulturbewussten« Dorfs Samarskoje in der Nähe von Ro- stov am Don, die klassische und Volks- tänze sowie folkloristischen Gesang bei- trugen. Sie bestritten den Besuch von vier Grundschulen, die Untermalung des »Russischen Abends«, eine Auffüh- rung in der Aula des Städtischen Gym- Anna Likhacheva nasiums und das Konzert im Großen zählt zu den zehn weltbesten Saal der Stadthalle. Diese hervorragend Gitarristinnen zusammengestellte und vorbereitete Ga- lavorstellung mit Instrumentalmusik, Tanz und Gesang muss zweifellos zu Das Ensemble der »Neue Namen« bot des vom Russischen Generalkonsulat den Höhepunkten der Kulturwoche ge- den musikalischen Rahmen bei der in Bonn, Kulturminister Alexander zählt werden. Sie gab den Künstlern im Eröffnung der Kulturwoche in der Konev des autonomen Bezirks Chan- Alter von 11 bis 23 Jahren Gelegenheit, Sparkasse und einer Ausstellung in der ty Mansijsk und Staatssekretär a. D. ihr ganzes, bereits professionelles Kön- Volksbank sowie bei der Podiumsver- Prof. Heinz Ruhnau. Unter den Gästen nen zu präsentieren. anstaltung »Focus Russland« der Fir- waren außerdem Elfie Wörner, Witwe ma arvato AG (BERTELSMANN) im des früheren NATO-Generalsekretärs, Mit schwungvollen Tänzen in heimatli- Parkhotel. Darüber hinaus gab es Kon- Marianne Birthler von der so genann- chen Trachten wussten die Samarskojer zerte im Elisabeth-Hospital, im Städ- ten »Gauck-Behörde«, Annegret Main- Anastasia Chub (12), Anastasia Pelli- tischen Gymnasium, im Evangelisch zer, 1. Vorsitzende des Fördervereins nen (12), Andrey Galagan (14), Evgeny Stiftischen Gymnasium und im Städ- »Katharina II.« in Zerbst und Anatoli Makarenko (14) und Daria Nesterenko tischen Altenheim. Unter den Musik- Blinow vom Russischen Haus für Wis- (12) die Herzen der Zuschauer zu ge- veranstaltungen war das Konzert der senschaft und Kultur in Berlin. winnen. Anastasia Chub bot zusätzlich »Neuen Namen« zusammen mit deut- gekonnt eine Solovorstellung mit einer schen Preisträgern des Wettbewerbs Das Erste Programm des russischen Szene aus Tschaikowskys »Schwanen- »Jugend musiziert« in der Stadthalle ein Zentralfernsehens berichtete über die see«. Die 11-jährige Yana Shpagina sang besonderer Höhepunkt. Das Ensemble »Russische Kulturwoche« in Gütersloh, in ihrem prächtigen Kostüm das Lied spielte als »Deutsch-russisches Streich- denn das mitgereiste Team Alexander »Grüße aus der Heimat«. Anmutig wie orchester« unter Leitung des Dirigen- Kazakevich und Vasilij Sergeev hielt eine Elfe kam Anna Likhacheva (17) in ten Malte Steinsiek. eine Woche lang das Geschehen in Bild einem bodenlangen weißen Kleid daher und Ton fest. und bot den Zuhörern eine ganz beson- Am 13. November trafen sich rund dere musikalische Delikatesse. Die jun- 260 Besucher, darunter 44 russische Die »Europäische Kulturwoche RUSS– ge Frau gehört nämlich nach Meinung Gäste, zu einem »Deutsch-Russischen LAND«, die von der Stadt Gütersloh von Experten zu den zehn weltbesten Abend« im kleinen Saal der Stadthalle initiiert wurde, gab es danach vom 3. Gitarristinnen. Seit frühester Kindheit mit Grußworten, Musik und einem bis 10. Oktober 2010. Das Forum sah wird sie von ihrem Vater Yury Likha- Festmenü. Grußworte sprachen unter darin eine weitere Gelegenheit, den chev, Lehrer am Rostover Kunstkolleg, anderem Bürgermeisterin Maria Un- Bürgern in Gütersloh und der Region unterrichtet. Auch in Gütersloh war er ger Botschaftsrat Wladimir Najadenow die russische Kultur von ihrer schön- ihr Begleiter. von der Russischen Botschaft in Ber- sten Seite nahezubringen. lin, Generalkonsul Dr. Georgi Gero-

92 Eigens aus Italien eingeflogen wor- aus dem Süden Russlands, sowie der den war Opernsängerin Alexandra Delegation aus der Partnerstadt Rshew, Koretskaya (23), die am staatlichen die auf Einladung der Stadt nach Gü- Rachmaninow-Konservatorium in Ro- tersloh gekommen war, bei den Kon- stov studiert und nun in Italien ihre takten mit ihren überwiegend neuen Gesangskarriere begonnen hat. Viel Gesprächspartnern zugute. Auch der Applaus erhielten der Meisterakkor- stellvertretende Generalkonsul aus deonspieler Vitaly Khituska (21), die Bonn-Bad Godesberg, Mikhail Koro- Volkstänzerin Maria Tolpinskaya (19) lew, war mit seiner Gattin angereist. und die Jazzsängerin Shushanna Ara- kelova, die durch ihren kraftvollen Ge- Neben den etwa zweihundert deut- sang das brillant swingende Jazztrio mit schen Gästen, an erster Stelle Frau Mikhail Balanov, Fedor Stepanov und Bürgermeisterin Maria Unger, waren Dmitry Poteichuk erst voll zur Geltung immerhin insgesamt sechzig russische brachte. Alle ernteten für ihre Beiträge Gäste anwesend. stürmischen Applaus. Nach der Begrüßung durch Franz Kiesl Stellvertretender Generalkonsul Mikhail Korolew Auch die Kritiken in den Tageszeitun- sprach Bürgermeisterin Maria Unger spricht über die Beziehungen des Forums. gen konnte sich sehen lassen: »In der ihre Grußworte, in denen Sie beson- Tat ist das Talent der 11 bis 23 Jahre ders auf die Partnerschaft mit Rshew alten Artisten sehr bemerkenswert. Al- einging und das Wirken des Forums Das Team von Olaf Sieweke im Restau- lesamt sind sie in verschiedensten Dis- Russische Kultur hervorhob. In einem rant Sinfonie hatte sich ein überraschend ziplinen Preisträger des Internationalen längeren und interessanten Redebei- vielseitiges Buffet mit typisch russischen Musikwettbewerbs von Rostov. So war trag brachte der stellvertretender Ge- Speisen, von der Suppe über kalte Vor- an diesem Abend Volkstanz und Bal- neralkonsul Mikhail Korolew seine speisen und warme Hauptgerichte bis zu lett, Volkslied und Opernarie auf ho- Anerkennung für das Wirken und die den Desserts, einfallen lassen. Die Prä- hem Niveau zu erleben.« Entwicklung des Forums Russische sentation und der gesamte Service pas- Kultur zum Ausdruck, das er seit fast sten zur Qualität und Originalität des Der vom Forum geplante Russische zehn Jahren seiner Tätigkeit in Bonn- Angebots, eine runde Leistung. Abend am zweiten Tag der »Europä- Bad Godesberg verfolgen konnte. Da- ischen Kulturwoche - RUSSLAND« er- bei stellte er die vielen und intensiven Für die Gäste aus Russland, die mit wies sich ebenfalls als ein Glanzpunkt, Beziehungen des Gütersloher Vereins Kostproben aus ihrem Programm mit denn für die ungefähr 260 Teilnehmer nach Russland in den Mittelpunkt. Va- Tanz, Gesang und Musik einen Vorge- im kleinen Saal der Stadthalle war das lery Gelas, Kulturminister des Gebiets schmack auf ihren großen Auftritt am Zusammentreffen mit inzwischen vie- Rostov am Don, überbrachte die Grü- folgenden Abend boten, gab es herz- len Bekannten unter den Mitgliedern ße seines Gouverneurs und berichtete lichen Beifall. Wohl alle Anwesenden des Vereins ein nachhaltiges Erlebnis. über die Arbeit der Kultureinrichtun- hätten der jungen Jazzgruppe, die mit Die familiäre Atmosphäre kam auch gen im Rostover Gebiet. ihren gekonnten Improvisationen bis den vom Forum eingeladenen Gästen zum Schluss des Abends die Stimmung auf dem Höhepunkt hielt, gern noch länger zugehört. Natalie Pe- trovskaya, Mitglied des Forums aus Taganrog, die stark in die Vorberei- tungsarbeiten involviert war, bedankte sich für die freundliche Aufnah- me und hob die Bedeu- tung der Freundschaft zwischen Deutschen und Russen hervor.



Die Delegation aus dem Süden Russlands genießt den »Russischen Abend«

93 Die Kulturwoche – mit dem russischen Herzen gesehen Ganz unvergessliche Ereignisse waren die Konzerte in den vier Schulen. Es war Natalie Petrovskaya, die wesentlichen Anteil am Zustandekommen des Besuchs der einfach unbeschreiblich! Die Kinder in Delegation aus Südrussland zur »Europäischen Kulturwoche – RUSSLAND« hat- aller Welt verstehen einander viel besser te, das Ehepaar Balanov, das die Gruppe der jungen Künstler zusammengestellt und als die Erwachsenen, das stimmt offen- geleitet hat, sowie Galina Agureewa, die als Leiterin des HR – Clubs für Südrus- bar. Die Künstler und die Zuschauer sland zur Delegation gehörte, haben einige Monaten nach ihrem Besuch ihre Ein- fühlten sich während Konzerts nicht drücke und Reflexionen in zum Teil emotionaler Herzlichkeit niedergeschrieben. getrennt, es herrschte vielmehr ein Ge- fühl der Gemeinsamkeit. Der Geist und die Stimmung waren so aufrichtig und Natalie Petrovskaya: Weiter an der Brücke bauen freundlich, dass danach ein seltener Seelenzustand eintrat. Mit besonde- »Der Idee unserer deutschen Kolle- Beim »Russischen Abend« herrschte rem Vergnügen lernten die deutschen gen, im Oktober 2010 eine Russische eine besondere Atmosphäre im Saal. Kinder einige russische Worte. Zum Woche in Gütersloh zu organisieren, Die Teilnehmer probierten russisches Beispiel »Spasibo!« (Danke!) kennen schlossen sich nicht nur die Stadtver- Essen und genossen die Kunst der Gä- jetzt in Gütersloh hunderte Kinder. waltung Gütersloh, sondern auch die ste aus dem Rostovgebiet. Während des Die Reihe der Kinder, die Autogramme Partnerstadt Rshew und die Gebiets- Abends kamen bekannte Teilnehmer von den jungen Künstlern aus Russland verwaltung Rostov am Don an, wo von der ersten Reise nach Rostov am wollten, war nahezu unendlich…Als im Mai 2009 eine Reisegruppe des Don und Taganrog zu mir, aber auch wir uns schon beeilten, um zum näch- Forums Russische Kultur einen herz- unbekannte Menschen, für die ich Mo- sten Auftritt aufzubrechen, bat unsere lichen Empfang erlebt hatte. Und das tive für Theaterstücke aus russischen Sängerin Maria scherzhaft: »Warten Sie Wichtigste: Diese Idee wurde vielen Opern ausgesucht hatte, und unser auf mich! Geben sie mir bitte die Gele- Menschen in beiden Ländern zu einer Bücherzauberer, Wilfried Holzapfel, genheit, mich das erste Mal in meinem Herzensangelegenheit. Die Energie des der uns so viele deutsche Bücher für Leben als Star zu fühlen:« Vorsitzenden des Forums, Franz Kiesl, unsere Hochschule geschickt hatte. Es die freundliche Mitarbeit der Mitglie- war so angenehm, einander wieder zu Die Treffen in den Schulen sind eine der des Forums, der Enthusiasmus der sehen, zu umarmen, kurz zu sprechen wunderbare Idee, die es unbedingt wei- russischen Kollegen – das alles waren und sich mit einander zu freuen… ter zu entwickeln gilt. Alles im Leben wichtige Voraussetzungen für den spä- beginnt in der Kindheit… teren Erfolg. Am Saaleingang haben wir ehemalige Ganz besondere Gefühle hinterließen Landsleute aus Russland kennen ge- unsere Gastgeber bei uns. Meine Gast- Michail und Elena Balanov, Leiter der lernt, die jetzt in Deutschland leben. geberfamilie – Familie Dr. Bönig – ist Kunstgruppe der Kinder und Jugend Sie stellten Fragen nach aktuellen Er- schon fast mit mir verwandt. Lieber aus Rostov am Don, haben zusammen eignissen in Russland... Natürlich Günter und liebe Natalie, danke sehr mit den Lehrern der Kunstschule aus bleibt die Sehnsucht nach der Jugend- für Ihre Fürsorge! dem Dorf Samarskoje mit Begeisterung zeit, nach alten Freunden bei allen ein vielseitiges Konzertprogramm vor- Menschen bis an Lebensende erhalten. Ich habe während dieser Reise die Fami- bereitet. Die Kinder machten gern und Ich finde diese Kontakte sehr wichtig. lien Engelen, Hambrink, und Schnülle neugierig mit, denn für die meisten war Es gibt keine »ehemaligen Unsrigen«, neu kennen gelernt, wundervolle Men- es ihr erster Auftritt im Ausland. Jeder es gibt nur Leute, die aus einem und schen. Galina Agureewa, Leiterin des wollte seine Heimat würdig vertreten. denselben Land stammen und das ver- HR-Clubs in Südrussland, und Galina eint in erster Linie. Jeder wählt seinen Krupnitskaya, Leiterin des Stadtmuse- Zusammen mit ihrer Kollegin Swetlana Weg, seinen Ort zum Leben. ums in Taganrog erinnern sich ebenfalls Samsonowa aus Gütersloh hat die Ma- begeistert an ihre lieben Gastgeber. Und lerin Swetlana Sergeewa aus Taganrog wir bleiben weiter alle in enger Verbin- mit fünf ihrer jungen Schüler in den Interessantes dung, sowie mit den alten Freunden, Räumen der Volksbank eine interessante Wochenprogramm den Familien Kiesl und Pastel. Einen Ausstellung der Kinderkunst vorgestellt. besonderen Dank möchte ich auch Frau Die Eröffnung der Woche in der Spar- Das weitere Programm der Woche war Gunda Kiesl sagen, deren mitfühlen- kasse war für uns mit viel »Lampenfie- sehr abwechslungsreich, viele Veran- de Fürsorge für unsere Kinder und für ber« verbunden, weil es ein Anfang staltungen, Konzerte, Treffen, Ausstel- die anderen Teilnehmer wir ständig war, weil es unser erster Eindruck auf lung der Kinderbilder, insgesamt mehr spürten. die Gesellschaft in Gütersloh war. Auch als zehn große Ereignisse. Etwas ganz unsere Künstler empfanden eine große Besonderes für uns war der Empfang Was empfinden wir fast drei Monate Verantwortung. Was für ein Sprichwort bei der Bürgermeisterin Maria Unger später? Herzliche Gefühle und Zunei- passt dazu? »Sie werden keine zweite in einem historischen Haus der Stadt. gung zu unseren deutschen Kollegen, Chance haben, den ersten Eindruck zu Sie begrüßte unsere Delegation herz- die einer gute Sache zum Leben verhol- machen«… Das war uns allen bewusst. lich bei herrlichem Sonnenschein im fen haben. Sie verdienen hohe Achtung Aber die Reaktionen der Anwesenden Garten des repräsentativen Gebäudes .Ich und meine Kollegen haben das zeigten uns, dass unsere Bedenken um- und es war einfach, menschlich und Gefühl, unser Leben ohne diese Verbin- sonst waren. warm. dung nicht mehr vorstellen zu können.

94 Das sind nicht bloß Emotionen, das ist der Brücke zwischen unseren Ländern zu anderen. Manchmal ist das ein sehr tiefe Überzeugung aus menschlicher baut, das versucht mit seinen Aktivi- langer Weg, aber dem, der über diese Sympathie zu einander. täten Vorurteile und Misstrauen zu Brücke gegangen ist, ist ein Gefühl des Gott sei Dank, gibt es einen Verein überwinden. Was bedeutet diese Brüc- Glücks bekannt…« »Forum Russische Kultur Gütersloh«, ke für jeden einzelnen? Sie bedeutet im ein Team, das schon seit 20 Jahren an Grunde den Weg von einem Herzen

Lesungen und Vorträge

as Forum hat in den letzten Jahren Lesungen zu ganz unterschiedlichen Themen veranstaltet. Sie sollten interessante Informationen vermitteln Doder die Möglichkeit bieten, unbekannte Literatur kennenzulernen. Die anschließenden Diskussionen sind ein wertvoller Teil solcher Veranstal- tungen, weil sie an verschiedenartige Betrachtungs- und Beurteilungsweisen ­heranführen.

Herausragend war die Lesung von Dr. lich anzusehen. Allerdings machte sie Franz Kiesl dankt Dr. Gabriele Krone-Schmalz Gabriele Krone-Schmalz aus ihrem auch klar, dass sich Verständnis und für ihren Besuch in Gütersloh Buch »Was passiert in Russland«, die Kritik nicht gegenseitig ausschließen, am 19. Oktober 2007 in der Aula des so lange Kritik nicht nur auf Vorurtei- Städtischen Gymnasiums stattfand. len, Ressentiments und persönlichen Moderator war Stefan Brams, Leiter Animositäten basiert. Fundierte Kritik der Lokalredaktion Gütersloh der Neu- setze vielmehr die Kenntnis eines dicht en Westfälischen. geknüpften Netzes gut recherchierten Informationen voraus. Im FORUM Report 2008 ist zu lesen: In der gut besetzten Aula des Städti- Insofern kann man ihr Buch als eine Und dann passierte in Russland etwas, schen Gymnasiums in Gütersloh nahm hervorragende Quelle für substantielle das Dr. Krone-Schmalz nicht wissen die bekannte und allseits anerkannte Kritik ansehen. Sie konfrontierte ihre konnte! Expertin für die politische und gesell- Zuhörer mit einer Vielzahl konkreter schaftliche Entwicklung in Russland Beispiele, die die bisherige Beurteilung Franz Kiesl schenkte Margarita Epifa- die Gelegenheit wahr, den interessier- der Verhältnisse in Russland unter dem nowa, Mitarbeiterin der Moskauer Stif- ten Zuhörern ein lebendiges Bild zu neuen Blickwinkel in vielen Fällen tung »Neue Namen«, dieses Buch. Sie vermitteln, das geeignet war, viele der durchaus in Frage stellen muss. Dabei las es und war begeistert, dass eine deut- in den Medien verbreiteten Urteile scheute sie sich insbesondere nicht, in sche Journalistin mit solch detaillierten über das Land und seine Menschen zu unserem westlichen Denken fest ge- Kenntnissen und Schlussfolgerungen überdenken. fügte Muster zu relativieren. Sie hilft über ihr Land schreibt. Sie gab das Buch damit dem »mündigen Bürger«, seine an Tamara Meshocha weiter, die früher Aus ihrer heutigen Position der freien eigenen Entscheidungen zu treffen und im Außenministerium arbeitete und Journalistin, die keinerlei fremde Inter- sich dann kompetent einzumischen, auch in der Russischen Botschaft in essen zu berücksichtigen hat, warb sie wenn wieder einmal wohlfeile Vorur- Bonn Bad Godesberg tätig war. Einige um Verständnis für eine Gesellschaft, teile gepflegt werden. Wochen später teilte Margarita Epi- deren schwierigen Umgestaltungspro- fanowa Franz Kiesl mit: »Tamara und zess sie hautnah miterlebt hat und im- Ihr selbst gelang es jedenfalls, in der ich übersetzen das Buch ins Russische. mer noch miterlebt. Dabei nimmt sie sich an die Lesung anschließenden Dis- Unsere Landsleute sollen lesen können, in Kauf, dass sie sich von vielen »Zaun- kussion einige kritische Einwände zu was eine deutsche Journalistin über uns gästen« des Geschehens in Russland ihren Ausführungen sachlich und sou- und unser Land schreibt.« Er erfuhr den Vorwurf gefallen lassen muss, Kri- verän zu parieren. Die Zuhörer dank- auch, dass Dr. Krone-Schmalz noch tikwürdiges unter den Teppich zu keh- ten ihr mit anerkennendem Beifall. nichts von diesem Vorhaben wusste. ren oder zu beschönigen. Zu Recht wies Deshalb informierte er die Autorin über sie darauf hin, dass man ein Verhalten Das Forum ließ 100 Bücher »Was pas- den Plan. Sie war mit der Übersetzung nicht akzeptieren muss, wenn man ihm siert in Russland?« vorab signieren. An einverstanden und freute sich darüber. Verständnis entgegen bringt. Vielmehr die etwa 300 Besucher konnten noch Das Buch wurde in russischer Sprache ist das aus ihrer Sicht der Ausdruck am gleichen Abend 92 Exemplare zur gedruckt und von Dr. Krone-Schmalz von Respekt und des Verzichts darauf, Freude der Autorin und des Veranstal- in Moskau der Presse vorgestellt. eigene Maßstäbe als allgemein verbind- ters verkauft werden.

95 Am 28. Oktober 2009 gab es wieder »Deutsch-russische Beziehungen aus ge der Sängerin und Gitarristin Maria eine Lesung mit Dr. Gabriele Krone- historischer Sicht« Kalmykova. Schmalz, wiederum in der Aula des Städ- Cornelius Ochmann, Osteuropa- Stefan Gohlke, Schauspieler am Biele- tischen Gymnasiums, die ebenfalls sehr Experte der Bertelsmann Stiftung, am felder Theater, las am 27. Oktober 2008 gut besucht war. Sie las aus ihrem kurz 16. Februar 2009 zum Thema: »Die aus den Werken Tucholskys und Heinz zuvor erschienen Buch »Privatsache«. Zukunft der Beziehungen der Europä- Pastel, Beiratsmitglied des Forums, trug Moderiert wurde diese Veranstaltung ischen Union und Russland« am 8. Dezember 2008 Passagen aus wieder von Stefan Brams, der inzwischen dem Buch »Deutsche Prinzessinnen in die Zentralredaktion »Kultur und Medi- Dreimal kam die Schriftstellerin Tatja- Russland – bis zum Zarenthron« vor en« der Neuen Westfälischen leitet. na Kuschtewskaja zu Lesungen in die Aula der Volkshochschule. Von den Vortragsveranstaltungen in Weitere Lesungen oder Vorträge gab es Am 14. Mai 2007 las sie aus ihrem früheren Jahren seien zwei genannt: unter anderem mit: Buch »Spaziergänge auf russischen Botschaftsrat Dr. Alexander Golowin Prof. Vladimir Kantor am 19. No- Friedhöfen«, am 11. Juni 2007 aus am 16. November 1995 zum Thema: vember 2007 zum Thema: »Willkür »Meine sibirische Flickendecke« und »Russland will kein Fremdkörper im oder Freiheit« »Sibirienreise« und am 27. April 2009 gemeinsamen Europa sein« und Bot- Dr. phil. Sven C. Singhofen am 7. Au- aus »Der Baikal«. schaftsrat Alexander Masslakow am gust 2008 zum Thema: »Russland vor 20. November 1997 zum Thema: »Der dem Machtwechsel« Es waren unterhaltsame Veranstaltun- erfolgreiche Kulturaustausch dank pri- Dr. Prof. phil Christiane Bimberg gen, bei denen viel »Atmosphäre« ver- vater Initiativen«. am 8. September 2008 zum Thema: mittelt wurde – auch durch die Beiträ-

maligen Bundespräsidenten Richard »Russland gestern – heute – morgen« von Weizsäcker vom 3. Oktober 1990, also noch vor dem Zusammenbruch der ein wichtiger Partner Deutschlands UdSSR: »Die Sowjet-Union bedarf auf ihrem unvergleichlich schwierigen Weg Vortrag von Generalkonsul Jewgenij Schmagin beim Forum einer engen europäischen Zusammenar- ­Russische Kultur beit. Die Sowjet-Union will die alte Di- stanz zu Europa überwinden. Und wir alle wissen, dass die zukünftige Stabili- tät in Europa von einem maßgeblichen Beitrag Moskaus abhängt.« m 6. Oktober 2011 kam Jewgenij Schmagin, Generalkonsul der Russi- schen Föderation in Bonn-Bad Godesberg, einer Einladung des Forum Deutschland sei seit Jahrhunderten mit ARussische Kultur Gütersloh zu einer Vortragsveranstaltung mit dem Russland verbunden, politisch, wirt- Thema »Russland gestern – heute – morgen« in der Gütersloher Stadthalle vor schaftlich und kulturell. Diese Bezie- 170 interessierten Zuhörern nach. hungen seien im 20. und 21. Jahrhun- dert besonders geprägt und beeinflusst worden durch die Oktober-Revolution, Umrahmt wurde die Veranstaltung zung der Entwicklung besserer Bezie- die Ära Lenin und Stalin, den 2. Welt- durch den Chor »Ruskaja Duscha« hungen zwischen den Menschen beider krieg, den Kalten Krieg, den Zusam- des Gütersloher Vereins »Wasilissa« in Völker schaffen möchte. Dazu sei es menbruch der UdSSR, aber auch durch folkloristischer Tracht mit zwei Liedern notwendig, das Wissen um die Realitä- die Wiedervereinigung und Persönlich- in russischer und einem in deutscher ten in Russland zu vermitteln. Nur so keiten wie Gorbatschow, Jelzin, Putin Sprache zu Beginn und durch Nataliya könne Vertrauen entstehen. Den Ge- und Medwedew. Deutschland sei ein Yakubovich (Flöte) und Larissa Hei- neralkonsul selbst und seine Gedanken wichtiger Handelspartner Russlands debrecht (Klavier) zum Abschluss, die im Vortrag sowie in der Diskussion mit und verfolge gespannt Russlands Weg zwei Stücke des deutschstämmigen rus- ihm kennen zu lernen, werde sicher zur nach Europa und mit Interesse auf der sischen Komponisten Reinhold Gliere Vertrauensbildung beitragen. Basis gegenseitigen Vertrauens die poli- vortrugen. tische Entwicklung dort, insbesondere Prof. Dr. Helmut Steiner, der in den die Bemühungen auf dem Gebiet der Franz Kiesl begrüßte den Referenten letzten Jahren circa 70mal die ehema- Rechtssicherheit. Insofern sei es nicht und den als Moderator gewonnenen lige UdSSR und die Russische Födera- verwunderlich, dass bei uns reger Anteil Prof. Dr. Helmut Steiner, Geschäfts- tion besucht und dabei viele Gastvor- an der DUMA-Wahl und der Wahl des führer der Westfälisch-Lippischen lesungen an russischen, mongolischen Präsidenten im nächsten Jahr genom- Universitätsgesellschaft, und betonte, und usbekischen Hochschulen gehal- men werde. Wünschenswert wäre nach dass das Forum mit seinem Wirken ein ten hat, eröffnete seine Moderation seiner Meinung, dass sich die Groß- »pro-russisches Klima« zur Unterstüt- mit einem Zitat aus der Rede des ehe- macht Russland noch stärker der globa-

96 gesprengt, zum Beispiel auch die mäch- tige Christi-Erlöser-Kirche in Moskau, an deren Stelle ein großes Schwimm- bad entstand. Diplomaten hätten ihre Existenz verloren, wenn sie ihre Kinder hätten taufen lassen. Schmagins Bemer- kung dazu: Das ließ man die Großmut- ter machen.

Er brachte die Zeit der Demonstratio- nen in Deutschland gegen die Aufrü- stung in Erinnerung. Besonders die Demonstrationen vor der sowjetischen und der amerikanischen Botschaft in Bonn seien von der Diplomatie in Mos- kau sehr genau beobachtet worden und hätten durchaus auch einen gewissen Einfluss auf die Politik gehabt.

Breiten Raum nahm in den Ausführun- Generalkonsul Jewgenij Schmagin gen das Ende der UdSSR vor rund 20 Jahren ein. Damals herrschten Hunger, Not und große Unsicherheit darüber, wie es weitergehen sollte im Land und len Verantwortung bei der Lösung von Ausführungen über russische Schrift- im Leben eines jeden einzelnen Men- Krisen bewusst werde. steller und ihre Werke den Geist, der schen. Zitat: »Es fehlte uns selbst im im alten Russland spürbar war und Außenministerium fast an allem, sogar Aus der Vita des Referenten erwähnte unter dessen Einfluss die russischen an Papier.« Zu großen Ungerechtigkei- Prof. Steiner: Jewgenij Schmagin, ge- Menschen auch heute noch stünden. ten habe die anschließende »Privatisie- boren 1949 in der Stadt Ostaschkov, Er zeigte auf, dass die Öffnung zum rungsphase« unter Boris Jelzin geführt. absolvierte die Fakultät für Internatio- Westen im 18. Jahrhundert mit Peter Bisheriges Volkseigentum sei verschenkt nale Wirtschaftsbeziehungen in Mos- I. begann und sich unter Katharina der worden an jene, die in der Wirtschaft kau, arbeitete im Zentralapparat des Großen intensiv weiterentwickelte. Sei tätig waren und eine entsprechende Po- Außenministeriums und in Auslands- das gesellschaftliche Leben in Russland sition hatten. Zum Beispiel habe den vertretungen in West-Berlin, der Bun- um 1800 sehr stark vom französischen drei Verkäuferinnen in einem Lebens- desrepublik Deutschland, Österreich, Einfluss geprägt gewesen, so habe sich mittelgeschäft von heute auf morgen sowie in der Staatsduma der Russischen das um 1900 zugunsten Deutschlands der Laden gehört. Eine der Verkäufe- Föderation. Er war Stellvertretender verschoben. rinnen kaufte den Kolleginnen deren Direktor des Departments für Perso- Anteil für wenig Geld ab und besaß den nalfragen, kulturelle Beziehungen und Die ominöse Zahl »37« Laden damit dann allein. Heute ist sie UNESCO-Angelegenheiten, Leiter Nach der Darstellung der Zeit des eine reiche Frau. der Berliner Außenstelle der Russi- Bürgerkriegs und der Revolution über- schen Föderation und Botschafter in raschte Jewgenij Schmagin das Audito- Erst unter der Führung Putins ging es Kirgisien. Jewgenij Schmagin steht im rium mit der Frage, ob jemand wisse, mit der wirtschaftlichen Entwicklung diplomatischen Rang eines Außeror- was die Zahl 37 in Russland bedeute, in der Folgezeit aufwärts. Die Lebens- dentlichen und Bevollmächtigten Bot- und leitete damit zur Stalin-Ära über. verhältnisse verbesserten sich deutlich. schafters. Er schilderte in beeindruckender Weise Schmagin wies allerdings darauf hin, die grausamen Ereignisse im Zusam- dass sich parallel dazu auch Korrupti- Nach der einleitenden Bemerkung, menhang mit den politischen Säube- on und kriminelle Drogenszenen breit dass auf dem Grundstück des jetzigen rungen des Jahre 1937, in deren Verlauf machten, die noch immer einen nicht Generalkonsulats in Bonn-Bad Godes- unzählige Menschen hingerichtet wur- zu unterschätzenden schädlichen Ein- berg der erste Präsident der Bundesre- den oder in Gefängnissen und Strafla- fluss auf die Verhältnisse in Russland publik Deutschland, Theodor Heuss, gern zum Teil für immer verschwan- ausüben. Die Lösung dieser schwierigen vor dem Umzug in die Villa Hammer- den. In ständiger Angst, ein Opfer der Probleme bleibt noch eine vordringliche schmidt seinen Amtssitz hatte, berich- Willkürmaßnahmen zu werden, lebten Aufgabe für die russische Regierung. tete der Generalkonsul dann zunächst damals besonders alle, die ein Amt im über das Kulturleben seiner Geburts- Staatsapparat innehatten. Unter den Der Generalkonsul hob die wirtschaft- stadt Ostaschkow, die etwa 200 km Opfern seien auch die Frauen einiger liche Zusammenarbeit Russlands mit von St. Petersburg entfernt liegt, circa Weggefährten gewesen, von denen kei- Deutschland hervor. Bis 2010 war 30 000 Einwohner zählt und im Zwei- ner wagte, sich zu widersetzen. Deutschland für Russland Handelspart- ten Weltkrieg völlig zerstört wurde. Religion war streng verboten. Viele ner Nummer 1. Inzwischen habe aller- Anschließend vermittelte er mit seinen Kirchen wurden auf Anordnung Stalins dings China diesen Platz eingenommen.

97 In der anschließenden Diskussion Dieses Bedürfnis werde sich in einer Rund 70 Gäste ließen beim abschlie- wurden vorwiegend Fragen über die demokratischen Wiederwahl bestäti- ßenden Abendessen mit Generalkonsul Position Wladimir Putins behandelt. gen. Neben der besorgniserregenden Schmagin und bei lebhaftem Gedan- Nach Ansicht Schmagins genießt Pu- Kluft zwischen Armen und (Super-) kenaustausch über die zuvor vermittel- tin großes Vertrauen in der russischen Reichen wurde auch das Verhältnis ten Informationen die Veranstaltung Bevölkerung. Russland brauche einen des zusammenwachsenden Europas zu angemessen ausklingen. »starken Mann«. Russland beleuchtet.

Ausstellungen

ie Bildende Kunst, besonders die Malerei, ist ein bedeuten- Dder Bestandteil der russischen Kultur. Aus Mangel an geeigneten Räumlichkeiten kommt dieses Ge- biet in Gütersloh zu kurz – leider. Das Forum hat Busfahrten zu gro- ßen Ausstellungen mit Werken aus der Moskauer Tretjakow-Galerie in Bonn und Bildern von »Monet, Ma- tisse und Co.« organisiert. Allerdings hat es auch einige Aktivitäten gege- ben, russische Bildende Künstler in Gütersloh zu präsentieren.

Nadia Buchwald, Franz Kiesl, Kunsthistorikerin Christiane Hoffmann und Markus Fissenewert vom Autohaus Hentze bei der Ausstelllungseröfffnung Während der Russischen Kulturtage Detlef Jentsch zugunsten des Vereins am 12. Oktober 2008. vom 8. bis 12. September 1994 konn- »Hilfe für die Kinderklinik Minsk e. V.«. te die in Kirowgrad im Ural geborene Ingrid Schaar aus Münster stellte zwei Maksjutina Ljubov Alekseevna ihre Reproduktionen zur Verfügung. Der Arbeiten im Druck- und Verlagshaus Erlös wurde an den Verein überwiesen, wald gezeigt. Der Wunsch, Bilder dieser Flöttmann ausstellen. Maksjutina hat dessen Vorsitzender der NRW-Innenmi- Künstlerin in Deutschland zu präsen- nicht nur neue Techniken entwickelt, nister a. D. Dr. Herbert Schnoor war. tieren, war bei Franz Kiesl schon 2005 die den Betrachter rätseln lassen, wie entstanden, als er die Malerin und ihren ihre oft recht großformatigen Werke Am 23. Mai 2005 wurde die Ausstel- Bruder Sergej in deren Moskauer Atelier entstanden sind. Ihre sensiblen und lung »Deutsche in St. Petersburg« in besuchte. Der 1977 in Moskau gebore- doch kraftvollen Bilder, die man auf der Volkshochschule Gütersloh eröff- nen Malerin wurde das Talent offensicht- den ersten Blick so einfach erfassen net, die bis zum 18. Juni geöffnet war. lich in die Wiege gelegt. Ihr Vater, selbst zu können glaubt, wollen keine Sinn- Die Objekte wurden vom Deutsch- anerkannter Künstler Russ­lands und Do- fragen beantworten, sie stellen im Ge- Russischen Kulturinstitut Dresden zur zent an der ältesten Moskauer Kunstaka- genteil Fragen an den Betrachter – das Verfügung gestellt. Die Einführung demie, dem berühmten Surikov-Institut, macht sie so faszinierend. sprach Dr. Olga Großmann, 2. Vor- erkannte schon früh die gestalterischen sitzende des Dresdner Vereins. VHS- Fähigkeiten seiner Tochter und seines 1997 wurden vom 22. bis 26. Oktober Leiterin Dr. Birgit Osterwald stellte Sohnes Sergej. Beide absolvierten erfolg- in der Ausstellung »Malerei, Grafik und fest: »Es ist ein unglaublich spannendes reich ihr Studium am Surikov-Institut. Skulpturen« Werke des Malers Kamil Thema, wie weit sich Kulturen ver- Kamal und des Bildhauers Vladimir schmelzen lassen und sich gegenseitig Bei Veranstaltungen in der Gütersloher Slabowitschikow aus Minsk vorgestellt. befruchten.« Stadthalle stellt Swetlana Samsonowa Barbara Möllers, Kunsthistorikerin aus seit 2008 im Foyer einen Teil ihrer Bil- Rietberg, führte in die Ausstellung ein. Im Autohaus Hentze wurden vom 12. der aus. Die Künstlerin aus Russland Die beiden Künstler spendeten je eines Oktober bis 15. November 2008 Wer- führt in Gütersloh eine Malschule, die ihrer Werke zur Versteigerung durch ke der Moskauer Malerin Nadia Buch- sich »ARTige Kinder« nennt. Seit 2009

98 hat sie eine intensive Beziehung zu ih- rer Kollegin Swetlana Sergeewa, die in Taganrog die Malschule »Die Erschei- nung« leitet.

Zur letzten »Europäischen Kulturwo- che RUSSLAND« wurden Swetlana Sergeewa und fünf ihrer Schüler vom Forum nach Gütersloh eingeladen. In den Räumen der Volksbank waren un- ter dem Motto »Gemeinsam Malen« 65 Werke der jungen Künstler zu se- hen – zwei Drittel von den Gästen aus Taganrog und ein Drittel von den Gü- tersloher »ARTigen Kindern«.

Die Landschaften und Stillleben, Mär- chen und Mythen, Menschen- und Tierdarstellungen, ausgearbeitet in verschiedenen Techniken und Farben, zeigten, mit wie viel Freude und Lie- be die Kinder an die Aufgabe heran- gegangen waren. Die jungen Künstler besuchten Grundschulen in Gütersloh, dann den Schülern präsentierten und Zahlreiche Besucher waren Gast bei der Eröffnung Bielefeld und Wiedenbrück und mal- den Schulen anschließend zur Erinne- der Ausstellung in der Volksbank Gütersloh durch Vorstandsprecher Thomas Sterthoff ten dort einige Stunden Bilder, die sie rung an den Besuch schenkten.

Unsere Jubiläen

as Forum feierte sein zehnjähriges Bestehen im April 2001 während der ersten St. Petersburg-Reise im Speisesaal des Großfürstlichen Wladimir- DPalastes. Darüber wird auch im Kapitel »Unsere Reisen« berichtet. Die Feier in Gütersloh fand vom 1. bis Wissenschaft und Kultur«, Berlin, war 5. September 2001 statt. In der Kirche vertreten durch Hans-Joachim Hebes. »Zum Guten Hirten« gab es am 1. Sep- Frau Woronowa überraschte das Fo- tember eine Andacht mit anschließen- rum mit einer Einladung für elf Kinder dem Orgelkonzert von Prof. Dr. Olga und Jugendliche zum Besuch der Mei- Der langjährige deutsche Botschafter in Moskau Minkina. Die Stiftung »Neue Namen« sterkurse während der »Sommerschule« S. E. Dr. Ernst-Jörg von Studnitz würdigte das aus Moskau war mit Präsidentin Iwetta in Susdal im Juli 2002 aus. Das war na- Wirken des Forums Woronowa, Galina Avdeeva und Di- türlich ein großartiges Präsent! rektor Victor Majewski vertreten. Au- ßerdem waren Leonid P. Romankow, Leonid Romankow und Oleg Tscher- Der 15. Geburtstag des Forums führ- Vorsitzender für Kultur, Bildung und nischev hielten am 3. September einen te am 22. Oktober 2006 im Foyer der Wissenschaft im Stadtparlament von Vortrag zu aktuellen Themen in der Sparkasse eine illustre deutsch-russische St. Petersburg und Oleg Tschernischev, Aula der Volkshochschule, der eine Gesellschaft zusammen. Mehr als 200 Vorsitzender des Komitees »Progressi- große Zuhörerschaft fand. Persönlichkeiten aus Politik und Wirt- ve Entwicklung der Ökonomie«, aus schaft, Sponsoren, Gastgeber und Mit- Moskau angereist. Zum eigentlichen Konzerte gab es am 3. September um glieder nahmen an diesem zweistündi- Festakt mit anschließendem Emp- 15.00 Uhr im kleinen Saal und am 4. gen Festakt teil. Als Gäste aus Russland fang hatte am Sonntag, 2. September September um 20.00 Uhr im großen konnte Franz Kiesl eine Delegation der die Sparkasse Gütersloh in ihr Foyer Saal der Stadthalle, letzteres unter der Moskauer Stiftung »Neue Namen«, die eingeladen. Festredner waren Bürger- Schirmherrschaft des Kultusministers auch das musikalische Programm gestal- meisterin Maria Unger, Iwetta Woro- von Nordrhein-Westfalen, Dr. Mi- tete, willkommen heißen. nowa, Professor Olga Minkina und chael Vesper. Im Eintrittspreis für die- Martin Hoffmann, Geschäftsführender se Konzerte war ein Benefizbetrag für Sparkassendirektor Hans-Hermann Vorstand des Deutsch-Russischen Fo- die »Burdenko-Kinderneurochirurgie, Kirschner begrüßte die Gäste und na- rums, Berlin. Das »Russische Haus für Moskau« enthalten. mentlich die Gastredner Dr. Ernst-Jörg

99 Der Einladung zur Feier des fünfzehnjährigen Bestehens in der Sparkasse Gütersloh folgen mehr als 200 Besucher – Franz Kiesl, Ehepaar von Studnitz, Ehepaar Korolew und Landrat Sven-Georg Adenauer (v.l.)

von Studnitz, früherer deutscher Bot- haben. Gleich bei diesem Besuch ent- hatten, das Wirken des Vereins zu würdi- schafter in Moskau, Michail Korolew, standen viele Freundschaften. Diese In- gen. Er hob dabei die Wertschätzung der stellv. Generalkonsul der Russischen itiative führte noch im selben Jahr zur Präsidentin der Stiftung »Neue ­Namen« Förderation in Bonn-Bad Godesberg, Gründung des Vereins, der zu Beginn hervor und sagte wörtlich: »Ohne die Iwetta N. Woronowa, Gründerin und 30 Mitglieder zählte. Kooperation mit Ihrer Stiftung hätte die Präsidentin der Stiftung »Neue Namen« Arbeit unseres Vereins nie die Qualität in Moskau, Tatjana Wassilijewa, stellver- Franz Kiesl dankte besonders den Per- erreichen können, die er durch Ihre Un- tretende Bürgermeisterin und Präsiden- sönlichkeiten, die sich bereit erklärt terstützung gewonnen hat.« tin der Stadt Moskau, Alexander Konev, Kultur- und Wissenschaftsminister des Autonomen Gebiets Chanty Mansijsk, Elmar Brok, Mitglied des Europa-Par- laments, Landrat Sven-Georg Adenauer und Bürgermeisterin Maria Unger.

Dass so viele hochkarätige Gäste die Einladung gerne angenommen haben, kann als Würdigung der erfolg- reichen Arbeit zur Völkerverständi- gung und zum Kulturaustausch ange- sehen werden.

Hans-Hermann Kirschner, der Vorsit- zender der Gütersloher »Kinderhilfe Tschernobyl« gewesen war, erinner- te an die große Freude über das Ende des Eisernen Vorhangs und daran, dass 1991 Gütersloher Bürger erste Kon- takte nach St. Petersburg geknüpft und Maler, Musiker, Sänger und Pup- Anlässlich der Feier des 20-jährigen Bestehens im Michail-Michailowitsch-Palast in St. Petersburg gab es penspieler nach Gütersloh eingeladen festlich gedeckte Tische.

100 In einem Grußwort des damaligen tausch. Dabei standen die Gastredner seteilnehmer erfahren konnten, was die Botschafters der Russischen Födera- im Mittelpunkt des Interesses. Zurück russischen Gäste mit dem Forum ver- tion, Vladimir Kotenev, das der stell- blieb insgesamt der Eindruck, dass bindet. vertretende Generalkonsul verlas, hieß der Rahmen der Feier den Vorstellun- es: »Es hat unzählige Begegnungen seit gen des Forums in jeder Hinsicht ent- Das musikalische Programm an diesem 1991 gegeben, das Forum hat für viele sprach. Abend bestritten der 16-jährige Geiger russische Künstler die herausragenden Dmitrij Smirnov, Dr. Elena Borisovets Auftritte auf deutschem Boden ermög- Die Feierlichkeiten zum 20-jährigen (Klavier und Gesang) sowie Ekaterina licht. Wir wissen hoch zu schätzen, Bestehens des Forums begannen in St. Grandjean (Geige), alle drei sind durch dass das Forum die Neugier auf die Petersburg am 29. April 2011 mit den ihre Auftritte in Gütersloh bekannte Menschen in Russland und ihre Kultur 81 Teilnehmern der St. Petersburg- Künstler. in der deutschen Gesellschaft weckt.« Reise und 32 Petersburger Freunden Dr. Ernst-Jörg von Studnitz erklärte im Großfürstlichen Michail-Michailo- Es gab ein festliches Menü mit einer zu Franz Kiesl gewandt: »Sie vollziehen witsch-Palast am Ufer der Newa. Die großen Auswahl an Speisen und Ge- hier eine lebendige Bürgergesellschaft. russischen Gäste saßen an den 12 Ti- tränken, das alle Teilnehmer begeister- Sie streben nach dem höchsten erreich- schen verteilt unter den Deutschen. te. Der Service war perfekt. An diese baren Ziel, den Kulturaustausch, der Das schaffte bessere Möglichkeiten, »Petersburger Jubiläumsfeier« werden völlig selbstlos und daher von größtem sich kennenzulernen. sich alle, die dabei waren, noch lange Wert ist.« erinnern. Auf Seite 105 wird über die Franz Kiesl begrüßte die seit langem St. Petersburg-Reise berichtet. Während Der anschließende Empfang bot Gele- befreundeten russischen Künstler an dieses Aufenthalts wurde das 20-jährige genheit zu einem regen Gedankenaus- jedem der Tische, sodass auch alle Rei- Jubiläum gefeiert.

Hohe Anerkennung für 20 Jahre ­ Kulturarbeit des Forums

as FORUM hatte allen Grund, sein zwanzigjähriges Bestehen am Donnerstag, 10. November 2011, im großen Saal der Stadthalle mit 250 Gästen in einem festlichen Rahmen mit einem dem Anlass angemessenen Programm zu fei- Dern. Denn nachdem es in den ersten Jahren nach der Gründung alles andere als klar war, in welchem Tempo und in welche Richtung sich das Forum Russische Kultur entwickeln sollte, erkannte Franz Kiesl, der den Verein seit nunmehr 18 Jahren als 1. Vorsitzender führt, die Chancen, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit für die Aktivitäten des Vereins durch regelmäßige Konzerte erstklassiger russischer Künstler zu wecken.

Und als Ergebnis zeigte allmählich das bereits von den »Gründervätern« des Forums formulierte Motto »Menschen begegnen – Kultur erleben« sichtbare Erfolge. Welche Wertschätzung dem Verein inzwischen entgegen gebracht wird, ist in den Grußworten von Bür- germeisterin Maria Unger, vom Ge- neralkonsul Jewgenij Schmagin und vom 1. Vorsitzenden des Deutsch-Rus- sischen Forums und Botschafter a. D. Dr. Ernst-Jörg von Studnitz am Anfang dieser Festschrift auf den Seiten 5 bis 8 nachzulesen. Heute steht das Anliegen, dass sich möglichst viele Menschen aus Deutschland und Russland begegnen sollen, deutlich an erster Stelle, und das lässt sich gerade mit kulturellen Ver- anstaltungen besonders gut erreichen. Dafür bietet diese Festschrift viele Bei- spiele. 100 Zuhörer jungen Künstlern aus Irina Scheit, Vorstandsmitglied des Vereins »Wasi- Das gilt auch für das Konzert am Vor- Russland begeistert Beifall spendeten. lissa«, überbrachte Grußworte und übergab Franz Kiesl eine Urkunde – im HintergrundModerator tag der Jubiläumsfeier in der Güterslo- Sie gehörten zur Delegation der Stif- Heinz Pastel her Matthäuskirche, in dem mehr als tung »Neuen Namen« aus Moskau. Mit

101 Friedrich Springorum, Gründer des Forums, bringt Raysa Gabdrakhimova (links) und Dr. Olga Kopaneva (rechts) vom Deutsch-Klub in Ufa stellten sich zu die ersten Begegnungen in Erinnerung einem Erinnerungsfoto mit Franz Kiesl und dem Ehepaar Korolew aus Bonn-Bad Godesberg

ihrer Präsidentin Iwetta Woronowa an Dazu sagte Franz Kiesl. »Ich auch Projekten auch ein wenig Abenteuer- der Spitze, die die Stiftung vor 22 Jah- nicht«. Er wies auf die vielen glückli- lust dabei gewesen sei. Das galt auch für ren gründete, begleitet von ­Margarita chen Umstände hin, die in den Anfän- die erste Russische Kulturwoche, deren Epifanowa, Auslandsexpertin der Stif- gen des Vereins die Entwicklung be- Programmheft er über die Zeit gerettet tung, waren sie eigens zum Jubiläum günstigten, vergaß aber auch nicht, auf hat. Franz Kiesl gab er mit großer An- angereist. Nicht ohne triftigen Grund, das besondere Engagement von Fried- erkennung für den erreichten Standard denn für das Forum sind die »Neuen rich Springorum hinzuweisen, der auch des Forums mit auf den Weg, »die Schu- Namen« seit 1998 ein starker Partner, der Initiator der Vereinsgründung war. he für seine Nachfolger nicht zu groß zu der gerade in der ersten Zeit der Be- Mit gewissem Stolz wies er noch auf die machen«. ziehung durch viele Anregungen und derzeit erreichte Zahl von 322 Mitglie- Kontakte eine hervorragende Unter- dern hin, die er mit einem attraktiven Im nachfolgenden ersten Teil des Kon- stützung geboten hat.. Programm zu steigern gedenkt. zerts, das von der Delegation der »Neu- en Namen« gestaltet wurde, spielte der Als Gäste der Jubiläumsfeier konnte Im Anschluss daran berichtete Fried- zwölfjährige Daniel Charitanov am Franz Kiesl in seiner Begrüßung unter rich Springorum, für zwei Jahre der Flügel Werke von Franz Liszt und Peter anderem vorstellen: Den stellvertreten- »Vorsitzende der ersten Stunde« des Tschaikowskij mit einer Perfektion, die den Bürgermeister Matthias Trepper, Vereins, aus jener Zeit und erinnerte den Zuhörern höchste Bewunderung den stellvertretenden Generalkonsul sich rückblickend, dass bei den ersten abverlangte. Michail Korolew, die 1. Vorsitzende des Deutsch-Klubs in Ufa, Dr. Olga Ko- paneva, Dr. Karin Zinkann, Prof. Dr. Franz-Josef Kaiser vom Partnerverein Deutsch-Russische Gesellschaft Pader- born und Irina Scheit vom Güterslo- her Verein »Wasilissa«. Mitglieder von »Wasilissa« sind Russlanddeutsche und andere russisch sprechende Migranten.

In seiner kurzen Ansprache zitierte Franz Kiesl einen Dialog, der auch im Kapitel »Vereinsgründung« dieser Festschrift festgehalten ist: »Ich hätte nie gedacht, dass das Forum Russi- sche Kultur eine solche Entwicklung nimmt« schrieb 2007 ein Gütersloher Unternehmer.

Pianist Daniel Charitanov übertraf die kühnsten Erwartungen

102 Das Geigenensemble »Konzertino« bot ein stimmungsvolles Programm

Dann folgten die Grußworte: Zu- langjährigen und aktiven Wirken die treterin Raysa Gabdrakhimova zogen nächst würdigte Iwetta Woronowa die deutsch-russische Partnerschaft un- die Bilanz einer engen Freundschaft, Arbeit des FORUM und besonders die terstützt und gefördert hat.« Er sagte die vor sechs Jahren begann. Damals Zusammenarbeit mit ihrer Stiftung weiter: »Geboren wurde der Verein vor schrieb Olga Kopaneva an Franz Kiesl »Neue Namen«. Sie berichtete über die 20 Jahren, als in den Wirren tief grei- Förderung der Talentierten aus ganz fender politischer und wirtschaftlicher Russland in den Bereichen Musik, Ma- Umwälzungen in der ehemaligen So- lerei und Dichtung. wjetunion, den beiden Teilen Deutsch- lands und ganz Europa, der Verein Matthias Trepper, stellvertretender vieles zu bewältigen und zu meistern Bürgermeister der Stadt Gütersloh, hatte. Es galt in erster Linie, Vorurteile hob in seinem Grußwort den »er- abzubauen, ideologische Hindernisse folgreichen Brückenbau zwischen auszuräumen und Stein für Stein zu be- zwei Kulturen und die Förderung der ginnen, das Fundament eines deutsch- Die 20-jährige Pianistin Karina Mnatsakanova freundschaftlichen und guten nachbar- russischen Miteinanders zu gestalten. spielte als Solistin Werke von Frédéric Chopin und schaftlichen Beziehungen zwischen den Nicht alle Anfänge dieser Art waren zu begleitete das Geigenquintett Menschen aus beiden Ländern« hervor. jener Zeit erfolgreich. Mal scheiterten Er würdigte die engagierte Teilnahme sie an Finanzen, mal an mangelnder des Forums an den »Russischen Kul- Unterstützung seitens der Politik oder turwochen« in den Jahren 2003 und Wirtschaft, mal war es die Inkompe- eine Mail, in der sie über die Arbeit 2010, mit denen allen Bürgerinnen tenz der Beteiligten oder auch ein viel ihres Vereins berichtete. Ein paar Wo- und Bürgern jeweils eine Woche lang zu kurzer Atem für die Umsetzung ei- chen später trafen sich Olga Kopaneva die vielfältige russische Kunst und Kul- ner solch großen Aufgabe. Vor diesem und Franz Kiesl in der Russischen Bot- tur und andere prägende Elemente aus Hintergrund kann das FORUM voller schaft in Berlin, weil dem Deutsch- dem Leben in diesem großen Land nä- Genugtuung auf seine Erfolgsgeschich- Klub in Ufa vom Deutsch-Russischen her gebracht wurden. te zurückblicken.« Forum e. V., Berlin, ein Preis für sein vorbildliches Wirken zur Pflege der Michail Korolew, stellvertretender Ge- Dr. Olga Kopaneva aus Ufa (Basch- deutsch-russischen Beziehungen verlie- neralkonsul aus Bonn-Bad Godesberg, kortostan), 1. Vorsitzende des dorti- hen wurde. Franz Kiesl erhielt damals dankte dem FORUM, »das mit seinem gen Deutsch-Klubs, und ihre Stellver- eine Ehren­urkunde für die Arbeit des

103 Gütersloh« erfolge am 25. November durch Landrat Sven-Georg Adenauer.

Anschließend konnte Heinz Pastel zum »Russischen Buffet« laden. Die Vielfalt der Speisen, die auch zum großen Teil »typisch russisch« waren, fand hinsicht- lich Auswahl und Qualität das uneinge- schränkte Lob der Gäste.

Im zweiten Teil des Konzerts der »Neu- en Namen« trat das Geigenquintett »Konzertino« zusammen mit der Pia- nistin Marina Mnatsakanova auf. Die sechs charmanten jungen Damen ka- men mit ihrem Programm bekann- ter Stücke unter anderem von Johann Strauß und Antonin Dvorak ebenfalls beim Publikum hervorragend an. Franz Kiesl zündet vor Beginn des Konzerts die Kerze des »Familienfeuers« an – von links: Margarita Epifanowa, Präsidentin Iwetta Woronowa und Direktor Viktor Majewski Als Überraschung bot der Bassist Heinz- Josef Antpöhler aus Delbrück abschlie- ßend Lieder in deutscher und russischer FORUMS. Olga Kopaneva wies in ih- Heinz Pastel, Mitglied des FORUM- Sprache. Über diesen Gesang, dessen rem Grußwort darauf hin, dass vielen Beirats, der den ganzen Abend durch Texte auch sie verstanden und kannten, Menschen in Ufa ermöglicht wurde, das Programm führte und eine Lauda- waren die Gäste aus Russland sichtlich durch die Einladungen des FORUM tio auf Franz Kiesl hielt, betonte darin, erfreut. Deutschland zu besuchen und viele dass dieser in seinem Leben 19 Ehren- Kontakte zu knüpfen. In einem über- ämter inne hatte. Er verkündete, dass Insgesamt reihte sich die Jubiläums­ reichten Dankschreiben heißt es: »Die der »geistige Vater« und »unermüdliche feier erfreulich gut in die ­Kette der Zusammenarbeit mit dem FORUM Motor« des Vereins im Rahmen des FORUM-Veranstaltungen ein, an die stand von Anfang an unter einem gu- »Europäischen Jahres der Freiwilligen- sich die Teilnehmer gern erinnern ­wer- ten Stern, weil wir gemeinsame Inter- tätigkeit« für das besondere Engage- den. essen hatten«. ment zur Förderung des Austausches und Dialogs zwischen Russland und Die DVD mit den Aufnahmen der Juu- Irina Scheit, Vorstandsmitglied des Deutschland für eine Auszeichnung biläumsfeier am 10. November 2011 ist Vereins »Wasilissa«: »Zu den wichtig- erfolgreich nominiert worden ist. Die beim FORUM zu erhalten zum Sonder- sten unserer Erfolge zählt das Vertrauen Übergabe der Urkunde des »Europe preis von zehn Euro. des FORUM RUSSISCHE KULTUR Direct Informationszentrums Kreis und die Freundschaft mit dem Verein. Eine besondere Ehre für »Wasilissa« ist die Tatsache, dass Herr Kiesl seit der Stellvertretender Generalkonsul Michail Korolew Dr. Olga Kopaneva war aus Ufa angereist, um das Vereinsgründung Mitglied ist, und er spricht das Grußwort »Jubiläum« mitzufeiern uns mit Rat und Tat unterstützt. Heu- te Abend haben wir viel über die Völ- kerverständigung, Brücken zwischen Deutschen und Russen, über die un- glaublich vielen Veranstaltungen ge- hört, die das FORUM in Bewegung brachte. Es gibt aber noch etwas, wo- mit die Gründer und Aktivisten des FORUM vielleicht gar nicht gerechnet haben. Wir, die in Gütersloh lebenden Russlanddeutschen und andere rus- sisch sprachige Migranten bekommen jährlich schöne Geschenke vom FO- RUM – die Begegnungen mit der Kul- tur unserer Heimat. Wir kommen zu den Veranstaltungen, um etwas zu erle- ben, das uns vertraut ist, was wir sonst vermissen würden, was uns ein kleines Stück der Heimat zurückgibt.«

104 105 Völkerfreundschaft mit Hilfe der Musik

Dr. Peter Zinkann Musik verbindet junge Menschen über alle Grenzen

iele Menschen klagen über die Erscheinungen unserer Zeit. Ich glaube al- lerdings, dass es immer so war und dass das in der menschlichen Natur liegt. Wer seinen Blick ein bisschen weiter schweifen lässt und Europa in Dr. Karin Zinkann, Margarita Epifanowa, Iwetta V Woronowa, die Gattin des Botschafters Dr. Walter seiner Geschichte über tausend oder mehr Jahre betrachtet, muss zugeben, dass Jürgen Schmid und zwei Preisträger nach der Europa in den letzten Jahrzehnten seine glücklichste Zeit überhaupt erlebt hat. Preisverleihung. Seit der Mitte des vergangenen Jahrhunderts hat es, mit Ausnahme von Ausein- andersetzungen beim Auseinanderbrechen Jugoslawiens, keine Kriege mehr ge- geben. Ein Zustand, der früher fast undenkbar war. Ohne Pass, ohne vorherige werb war in der Zeit vom 21. März bis Beantragung eines Visums und ohne Geldwechselschwierigkeiten können wir 3. April 2005 in der Musikschule Num- in fast alle Länder Europas frei reisen, und die Zusammengehörigkeit Europas mer 10, der Beethoven-Musikschule, wurde nie so stark empfunden wie heute. gelaufen, die von Direktor Alexander A. A. Palizyn geleitet wird.

An diesem Projekt waren das »Komi- In Europa kennen wir keine Feinde tausch auch bei Jugendlichen schon seit tee für Kultur der Stadt Moskau«, die mehr, aber als Freunde uns gegensei- einem halben Jahrhundert möglich ist, Deutsche Botschaft in Moskau, die tig kennen zu lernen, das ist etwas, was ist der Austausch deutscher und russi- Stiftung »NEUE NAMEN« und das noch stärker gefördert werden muss. scher Jugend erst seit zwei Jahrzehnten FORUM RUSSISCHE KULTUR Vor allem unsere Jugend, die ja die Zu- möglich. GÜTERSLOH e. V. aktiv beteiligt. kunft Europas ist, muss sich gegenseitig Jeder Bewerber musste eine Beethoven- kennen lernen. Nur so kann Europa Umso mehr freut es uns, wie lebendig Sonate vortragen. Das Interesse an die- auch emotional zusammenwachsen er heute ist. Dass gerade in Gütersloh, sem Wettbewerb war sehr groß. Die und in der ungeheuren Vielfalt euro- einer Stadt, in der immer die Musik die Jury wurde vom Professor des Moskauer päischer Traditionen doch die Einheit wichtigste aller Künste war, heute eine Konservatoriums, Herrn A. B. Dijew, erkennen. so enge Beziehung durch das Forum geleitet. Russische Kultur besteht, kann uns mit Nichts ist besser geeignet, dieses Ziel zu besonderer Freude erfüllen. Das Ehepaar Dr. Peter und Dr. Karin erreichen, als gemeinsam zu musizie- Zinkann war nach Moskau gekommen, ren, denn bei keiner anderen gemein- Verleihung des um jedem der vier Preisträger die »Dr. samen kulturellen Tätigkeit spielen »Dr. Zinkann-Preises« in der Zinkann-Prämie« zu überreichen. An- Sprachschranken eine weniger bedeu- wesend beim Konzert und der Preis- tende Rolle. Gemeinsam zu musizie- Beethoven-Musikschule in verleihung war auch der deutsche Bot- ren schlägt leichter Brücken als alles Moskau schafter, Dr. Walter Jürgen Schmid, andere, und gemeinsames Musizieren mit seiner Gattin. Ehrengast Dr. Peter macht über alle kulturellen Unterschie- Ein lebendiges Zeichen kultureller Zu- Zinkann beschrieb seine Eindrücke wie de hinaus doch die gemeinsamen Wur- sammenarbeit gerade mit jungen Men- folgt: »Es war wunderschön. Der Vor- zeln deutlich. Natürlich zeigt die Ge- schen, wie in diesem Bericht angeregt trag der Sonaten hat mich tief beein- schichte auch, dass es in verschiedenen wird, war der vom Ehepaar Dr. Peter druckt. Das Schaffen des Komponisten Ländern auch andere Musiktraditionen und Dr. Karin Zinkann gefördert Wett- Ludwig van Beethoven bestimmt den gibt. Italienische, französische, deut- bewerb »Beethovens Tage in Moskau«. Anfang der Periode der romantischen sche, russische Musik hatte jeweils zu Am 17. Dezember 2005, dem 235. Musik des 19. Jahrhunderts in Europa. ihrer Zeit ihre eigene Note. Aber sie ha- Geburtstag von Ludwig van Beetho- Damals war Europa musikalisch einig. ben sich immer gegenseitig befruchtet, ven, fanden das Schlusskonzert und Die Tatsache, dass seine Werke von und das Gemeinsame war immer stär- der Festakt der Verleihung der Prämi- jungen Musikern hier auf solch hohem ker als das Trennende. Wer Noten lesen en an die Preisträger des Wettbewerbs Niveau gespielt werden, bedeutet, dass kann, kann sie in jedem Land lesen. im Rachmaninow-Saal des Moskauer wir mit Russland auch im selben Kul- Während in Westeuropa der freie Aus- Konservatoriums statt. Der Wettbe- turraum leben.«

106 Völkerfreundschaft mit Hilfe der Musik

Die Musikschule »Ludwig van Beet­ hoven« wurde 1937 als »Musikschule Nr. 10« gegründet. Sie ist eine der 132 Musikschulen in den 10 Moskau- er Bezirken, von denen jeder zwischen 12 und 13 Musikschulen verfügt. Fi- nanziert wird die Schule vom Kultur- komitee des Bezirks – es ist der ZEN- TRAL-Bezirk – der Stadt Moskau. Private Musikschulen gibt es in Mos- kau nicht, wohl aber Privatschulen, an denen auch das Fach Musik unterrich- tet wird.

Die Direktion gab die Zahl der Schüler mit 101 an, die der Musikpädagogen Zur Vorbereitung des Wettbewerbs des »Dr. Zinkann-Preises« trafen sich in der Beethoven-Musikschule mit 83. Insgesamt hat die Musikschule, Margarita Epifanowa, Marina Vorononina, Direktor Alexander A. Palzin, Franz Kiesl und Iwetta Woronowa. einschließlich der im administrativen Bereich Tätigen, etwa 100 Mitarbeiter. Unterrichtet wird in instrumentaler Zusammenarbeit zwischen der Kreis- Musik und Gesang, sowie in Musikli- teratur. Mancher Schüler lernt mehrere musikschule und den »Neuen Namen« Instrumente gleichzeitig oder nach- einander. Seit einiger Zeit wird auch das Fach »Musikalisches Computer­ programm« unterrichtet. In die »Vor- as Forum sieht es als eine seiner wichtigsten Aufgaben an, Kindern und schule« werden schon Kinder ab 3 Jah- Jugendlichen in unserer Region Kontakte mit jungen russischen Musik- ren aufgenommen. Dtalenten zu ermöglichen. Das Kennenlernen soll den Wunsch nach wei- teren Begegnungen wecken in der Hoffnung, dass sich anschließend Erwachsene Seit 1996 gibt es Wettbewerbe für Teil- anregen lassen, neue Gelegenheiten zum Miteinander zu schaffen. Über den Be- nehmer zwischen 6 und 18 Jahren. Für such junger russischer Musiker in Grundschulen wird an anderer Stelle berich- den beschriebenen Wettbewerb melde- tet. Im November 2009 kam auf Initiative des Forums eine erfreulich intensive ten sich 1000 Bewerber, aus denen 100 Beziehung zwischen der Musikschule für den Kreis Gütersloh und der Stiftung als Wettbewerbsteilnehmer ausgewählt »Neue Namen« zustande, die im November zu einer »Musikalischen Soiree« in wurden. Die Jury ist mit namhaften der Aula des Carl-Miele-Berufskollegs und dem Konzert eines »Deutsch-russi- Pädagogen besetzt; der Jury-Vorsitzen- schen Orchesters« im Großen Saal der Stadthalle führte de des damaligen Wettbewerbs ist jetzt Rektor des Konservatoriums. Zur »Musikalischen Soiree« konn- abwechselnd vor. Eckard Vincke, Mu- Und noch etwas Interessantes: ten außer der Schirmherrin Frau Dr. sikpädagoge an der Musikschule des Franz Kiesl fragte bei einer Begegnung Karin Zinkann der stellvertretenden Kreises, erreichte durch seine Modera- im Juni 2005 die stellvertretende Di- Generalkonsul Mikhail Korolew mit tion auf unterhaltsame Weise, dass die rektorin, Frau Marina Voronina, die Gattin, die stellvertretende Landrätin Interpreten und Besucher viel Interes- auch Klavierunterricht erteilt, ob die Ulrike Boden und Bürgermeisterin santes über das Musik- und Alltagsleben Schüler in den dreimonatigen Som- Maria Unger sowie der 1. Vorsitzende der Mitwirkenden erfuhren. Professor merferien vielleicht »Hausaufgaben« der Musikschule des Kreises Gütersloh, Piotr Oczkowski von der Hochschule bekämen. »Ja, Hausaufgaben gibt es, Jochen Dreier als Ehrengäste begrüßt für Musik in Detmold ergänzte die Mu- aber ich selbst gebe meinen Schülern werden. sikdarbietungen mit einen Vortrag über nicht zu viele Hausaufgaben mit, denn die Beziehungen der Russen und Deut- die sind in 2 Monaten zu erlernen,« Junge Musikerinnen und Musiker der schen im Bereich der Musik, der an an- war die Antwort. – Die Schüler müssen Kreismusikschule und von der Stiftung derer Stelle in Auszügen wiedergegeben ein Stück lernen, das sie am 1. Schul- »Neue Namen« in Moskau geförderte wird. tag, dem 1. September, in einem Kon- junge Russinnen und Russen stellten zert auswendig vortragen. sich mit ihren musikalischen Beiträgen 

107 Schirmherrin Dr. Karin Zinkann hob in einer kurzen Ansprache hervor, dass Kinder möglichst schon in sehr frü- hem Alter an die Musik herangeführt werden sollten. Mikhail Korolew über- brachte die Grüße des Generalkon- suls Fedor Khorokhordin. Er nutzte die Gelegenheit, die Aufgaben seines Generalkonsulats als »Dienstleistungs- betrieb« zu beschreiben. Die stell- vertretende Landrätin Ulrike Boden drückte in ihren Ausführungen ihre Bewunderung für die russischen Musi- ker aus und erinnerte an Begegnungen zwischen Russen und Deutschen, die Franz Kiesl bereits 1991 organisierte hatte. Bürgermeisterin Maria Unger, die durch ihre Besuche in der Part- nerstadt Rshew bereits »russische Luft Das Trio der »Neuen Namen« Geige: Tatiana Erofeeva, Cello Wladimir Kalinin, Klavier: Alexander Schirokov geschnuppert und russisches Flair emp- funden« hatte, betonte, dass die »Neu- en Namen« sie jedes Jahr von neuem begeisterten. Sie freue sich, die jungen Menschen bei ihren jährlichen Besu- chen regelmäßig für ein paar Stunden im Gütersloher Rathaus zu Gast zu ha- ben.

Jeder der Jugendlichen berichtete aus seinem privaten Leben, von seinen Hobbys und seiner Ausbildung. Niki- ta Korovin, ein zehnjähriger Pianist, erklärte auf Fragen, dass er zwar täg- lich zwei bis drei Stunden am Klavier übe, aber auch mit seinen Freunden viel Fußball spiele. Die »Hirtenflöti- sten« aus Wladimir, alle im Erwachse- nenalter, informierten über den hohen Die Gütersloher Philharmoniker dirigiert Michael Corßen, Leiter der Kreismusikschule Stellenwert, den die Pflege der Volks- musik und des Volkstanzes in ihrer Heimatstadt hat. Professorin Tamara Oganesowa, die die russische Delegati- Jugendlichen leben. Auf die Frage an vorgestellt wurden, war Nikita Korovin on begleitete, erläuterte zu ihrem Trio die 25 jungen deutschen Musikerin- noch gar nicht geboren. Für das zehnjäh- mit Geige, Cello und Klavier, dass sich nen und Musiker, »wer von ihnen denn rige pianistische Junggenie aus dem sibiri- die drei jungen Musiker erst vor weni- schon in Russland war«, antworteten schen Surgut, das am Sonntag mit seinem gen Monaten aus eigenem Antrieb zu- alle übereinstimmend: »Noch nie«. außergewöhnlich souveränen Klavierspiel sammengefunden hätten. Die Qualität begeisterte, ist eine Konzertreise nach ihrer Interpretationen beruhte darauf, Die Frage von Franz Kiesl an sich selbst Deutschland wohl außergewöhnlich. Aber dass sie hervorragend miteinander har- und alle anderen: »Wer oder was könnte nicht außerhalb jeglichen Vorstellungsver- monierten. mithelfen, dass sich mehr junge Deut- mögens wie vor zwanzig Jahren. Mit dem sche für Besuche in Russland interessie- zwölften Konzert von »Neuen Namen« in Auch die deutschen Musikerinnen ren«, blieb leider unbeantwortet. der Stadthalle ist also etwas wie Norma- und Musiker von den »Gütersloher lität eingekehrt. Geblieben ist eines: Das Philharmonikern« und vom Folklore- »Neue Namen bringen neues Spielver- Staunen über die herausragenden Fähig- Ensemble »MusAik« beantworteten die gnügen«, wählte Matthias Gans in den keiten der Teilnehmer. Doch daraus ist Fragen des Moderators Eckard Vinc- Tageszeitungen »Neue Westfälische« mehr als »nur« die Präsentation russischer ke und gaben damit Einblicke in ihr und »Die Glocke« als Überschrift für Hochbegabungen geworden, nämlich ganz persönliches Leben, aber auch in das Konzert im Großen Saal der Stadt- durch die Teilnahme von zwei Ensembles das ihrer Ensembles. Es war für die Be- halle: »Als die Talente der Moskauer der Kreismusikschule eine Möglichkeit sucher recht aufschlussreich, die unter- Kulturstiftung »Neue Namen« auf Ein- zum Austausch, eine Begegnung auf Au- schiedlichen »Welten« zu vergleichen, ladung des Forums Russische Kultur vor genhöhe. in denen die russischen und deutschen elf Jahren zum ersten Mal in Gütersloh

108 So eröffnete das von Schulleiter Michael tisten Michail Mehring und des Piani- bestach durch einen­ kammermusikalisch Corßen dirigierte Streicheresemble »Lo- sten Dmitrij Schischkin bei Saint-Saens differenzierten Ensembleklang. Am Ende cofoco«, das aus Stimmführern der »Gü- »Tarantella« entspricht nicht mehr dem fanden sich alle, Russen und Deutsche, in tersloher Philharmoniker« besteht, nicht Klischee fremdbestimmter Hochleistungs- Brahms 5. Ungarischem Tanz zusammen.­ nur mit einer klangschön und präzise musiker, sondern zeigte selbstbewusste Musik kennt halt keine Grenzen. ausgearbeiteten Bühnenmusik Purcells Persönlichkeiten. »Abdelazer«, sondern war in Tschai- Wiederholungen solcher Veranstaltungen kowskijs »Nocturne« auch sensibler Be- Volksmusik hat in Russland einen ho- zu organisieren, wäre die lohnende Auf- gleiter des mitreißenden Cellovirtuosen hen Stellenwert. Das Ensemble »Hirten- gabe der Leiter von Musikschulen und Wldimir Kalinin (16). Gemeinsam mit flöten« aus Wladimir beherrscht seine ähnlicher Bildungseinrichtungen. Denn Geigerin Tatiana Erofeeva (16) und mitreißende Musik in Perfektion. Da die Atmosphäre, bei diesen Begegnungen dem Pianisten Alexander Schirikov (17) schnarren fröhlich die Bläser, jubilieren junger Menschen aus zwei verschiedenen demonstrierte das Trio neben höchster die Bajane und rocken die Balalaikas mit Ländern, aber mit gleichen Interessen ist instrumentaler Meisterschaft auch reifes einer Energie, dass das Publikum in ent- spürbar voller Harmonie, und die Wir- kammermusikalisches Verständnis. Und zückte Bravo-Rufe ausbricht. Die Kreis- kung ist sicher nachhaltig«. auch das leidenschaftliche Musizieren der musikschule steuerte mit ihrem jungen Flötistin Juliana Padalko, des Klarinet- Ensemble ­»MusAik« Folklore dazu – und

Grundschulen sammeln Erfahrung in Kultur und Völkerfreundschaft

ine von Franz Kiesl’s Devisen ist: »Es gibt Dinge, die gelingen, und es gibt Dinge, die sind etwas zum Lernen«. So war das auch im November 2005 Emit dem Projekt »Begegnungen und Musik für Grundschüler«. Nachdem in den vorangegangenen Jahren die Musikerinnen und Musiker, die von der Stif- tung »Neue Namen« gefördert werden, bei ihren Konzertaufenthalten in Gym- Die Schüler und Rektorin Irene Albers bedanken nasien aufgetreten waren, hatte sich das Forum für 2005 vorgenommen, Grund- sich mit einem Bild für das Konzert schülern Musik zu bieten und sie Begegnungen mit den jungen Talenten aus Moskau und anderen russischen Städten erleben zu lassen. Erstmals wurde für die Schülerinnen und Schüler der Grundschule Gütersloh-Nordhorn ein Kon- staltung teil. Er sprach zu den Kindern zert im kleinen Saal der Stadthalle geplant. Dazu waren alle Schülerinnen und über die Schönheit der Musik und den Schüler mit ihren Eltern oder Großeltern eingeladen. Das Konzertprogramm Sinn des Musizierens und Singens für und die Qualität der Interpretation waren sehr gut. Aber das Projekt an sich war die Menschen, gleichgültig wo ihre Hei- »ein Ding zum Lernen«, denn die Zahl der Besucher war alles andere als zufrie- mat ist. An der Atmosphäre in der Halle denstellend. Es kamen nur die Eltern oder Großeltern mit ihren Kindern oder war zu spüren, dass seine motivierenden Enkelkindern, die ohnehin an Musik interessiert waren. Worte auf fruchtbarem Boden gefallen waren.

Nach dieser Erfahrung bringt das Fo- Besuchern im Alter zwischen 14 und Von der ersten Sekunde an lauschten rum seit 2006 die jungen Musikerin- 22 Jahren stellen wollten. »Seit wann die Kinder andächtig den Klängen von nen und Musikern zu den Kindern in spielst du schon?« – »Wie viel kostet Klavier, Geige, Cello, Klarinette so- die Grundschulen, ab dem Jahr 2007 dein Instrument?« – »Wie lange übst wie den Volksinstrumenten Balalaika, in jeweils drei von ihnen. Hier ist ein du am Tag?« – »Hast du Geschwister?« Bajan und Domra. Gefeierter Star des Bericht über den ersten Besuch in der – »Wo wohnst du?« waren die häufig- Konzerts war der 14jährige Maxim To- Grundschule Gütersloh-Nordhorn: sten Fragen. Es entwickelte sich eine kajew, der mit seinem temperament- Nach dem Konzert in der Stadthalle besondere Neugierde für Sibirien, denn vollen Spiel auf dem Bajan lautstarke im vorigen Jahr kamen am 24. Ok- ein Volksmusik-Ensemble kam aus Zugaberufe herausforderte. Durch das tober 2006 junge Musikerinnen und Chanty Mansijsk, einer Stadt im Nord- Programm führte Michael Moch, der Musiker der »Neuen Namen« auf Ein- westen Sibiriens. Die russischen Gäste 2. Vorsitzende des Forums. ladung der Rektorin Irene Albers und stellten anschließend ihre Instrumente des Kollegiums als Gäste in die Europa- einzeln vor, erklärten und spielten sie. Aus der Sicht von Irene Albers war es Grundschule Gütersloh-Nordhorn. zu allererst ein musikalischer Hochge- Die Schülerinnen und Schüler waren Danach kamen die Schülerinnen und nuss, russische Meisterschüler hören zu auf diesen Besuch gut vorbereitet. Die Schüler in der Sporthalle zu einem können. »Musik spielt in unserer Schule meisten von ihnen hatten sich viele Konzert der Extraklasse zusammen. Dr. eine wichtige Rolle, viele Schülerinnen Fragen notiert, die sie den russischen Peter Zinkann nahm an dieser Veran- und Schüler erhalten hier selbst In-

109 ihre Arbeit brennen und etwas ganz Be- sonderes leisten. Und das motiviert sie, selber künstlerisch tätig zu werden.«

Dank der Förderung durch die Familie- Osthushenrich-Stiftung zu Gunsten der deutschen Schüler konnte der Besuch der »Neuen Namen« um einen Tag ver- längert werden. Dadurch war es dem Forum Russische Kultur möglich, für die musikalische Delegation aus Russland Auftritte in Grundschulen in Gütersloh- Nordhorn, in Bielefeld-Windflöte und auch noch einmal in der Andreasschule in Rheda zu organisieren.

Wir sind Frau Friederike Sprang, Grundschullehrerin an der Andreas- schule in Rheda-Wiedenbrück, sehr dankbar, dass sie uns aus ihrer Sicht die Bedeutung solcher Zusammentreffen für das Verständnis der Kinder und für ihren Unterricht dargestellt hat. Die Grundschule Gütersloh-Nordhorn war die erste Schule, in der die »Neuen Namen« aufgetreten sind. »Schon vor einem Jahr hatten wir an der Andreasschule die besondere Gelegenheit, strumentalunterricht. Sie nehmen die Schüler an ihnen und an ihren Dar- dass die jungen Musiker des Wettbewerbs besonderen Leistungen der russischen bietungen, und die deutschen Schüler »Neue Namen« unsere Schule besuchten. Musiker nicht als selbstverständlich lernten die jungen russischen Künstler Bei diesem ersten Besuch hinterließ das hin. Die jungen Zuhörer können die ganz persönlich kennen und begeister- Konzert viele Spuren. Fähigkeiten, Talente und den Fleiß der ten sich an der russischen Musik, ob sie Gäste gut einschätzen«, war ihr Resü- nun klassisch oder folkloristisch daher Am Donnerstag, den 12. 11. 2009 war es mee. kam. soweit! Mit viel Vorfreude wurden dies- mal bereits Großeltern, Eltern und Tan- Als die Mütter ihre Kinder von der Dr. Ute Welscher vom »Programm ten, die gut Russisch schreiben ­können, Schule abholten, sagte ein Mädchen Musikalische Förderung« der Bertels- von unseren Kindern eingespannt, um »Mama, das war der schönste Tag mei- mann Stiftung schreibt zu diesem The- unseren Gästen Plakate zur Begrüßung nes Lebens« und ein anderes Mädchen ma: »Ich denke, dass es wichtig ist, zu schreiben, die die Kinder dann weiter sagte »Mama, das war so schön, dass Kinder so früh wie möglich mit Künst- ausmalten. ich vor Freude hätte weinen können«. lern zusammen zu bringen, denn die Kinder merken ja sehr wohl, dass sie es Die Mädchen aus Samarskoje führten in der Über ein Konzert in der Andreas- mit echten Profis zu tun haben, die für Andreasschule ihre Tänze vor Grundschule in Rheda schreibt die Lehrerin Friederike Sprang zu der überwältigenden Stimmung und dem pädagogischen Wert solcher Veranstal- tungen:

«Schon immer ist es ein besonderes An- liegen des Forums gewesen, Schüler aus den Grundschulen in unserer Region bekannt zu machen mit den von den »Neuen Namen« entsandten jungen Musikern aus Russland. Die eindrucks- vollen Erfahrungen der letzten Besuche bestätigten sich auch im vorigen Jahr: Für beide Seiten, also sowohl für die Jugendlichen der »Neuen Namen« als auch die deutschen Schüler waren die Treffen wieder reich an wertvollen Er- lebnissen. Die jungen russischen Musi- ker erlebten das Interesse der deutschen

110 Im sechsten Jahr der Besuche junger russischer Künstler in Grundschulen kamen im Oktober 2010 Kinder und Jugendliche aus den Städten Rostov am Don und Taganrog und dem Dorf Sa- marskoje jeweils für einen ganzen Vor- mittag in die Grundschulen Gütersloh- Nordhorn, Windflöte in Bielefeld, Andreasschule in Rheda und in die Ka- pellenschule in Gütersloh-Avenwedde. Die beeindruckenden Erfahrungen der letzten Besuche bestätigten sich: Sowohl für die jungen Künstler aus dem Süden Russlands, als auch für die deutschen Schüler waren die Treffen wieder reich an wertvollen Erfahrungen.

Im März 2011 waren vier Musikerin- nen und ein Bajan-Spieler, die von der Die Musiker der »Neuen Namen« waren wieder Gast in der Andreasschule in Rheda angesehenen Moskauer »Vladimir-Spi- vakov-Stiftung« gefördert werden, auf Einladung des Forums nach Gütersloh Schon bald nachdem alle Musiker von in dieser Musik die Seele des russischen gekommen. Sie hatten Auftritte in der ihren Gastfamilien in die Andreasschule Volkes sprach. Viele unserer Kinder haben Bahnhofsschule in Bielefeld-Senne, in gebracht worden waren, stieg die Span- Verwandte mit russischer Abstammung, - in der Grundschule in Gütersloh-Issel- nung, weil die jungen Talente sich am diese Kinder hörten mit noch ganz ande- horst und setzten damit die Tradition Flügel einspielten und auch viele andere ren Ohren zu. der »Neuen Namen« fort, und zwar mit Instrumente aus dem Musikraum durch dem gleichen Erfolg die Schule klangen. Um 10.00 Uhr be- Nach dem Konzert sammelten die Kinder gann unser Schulkonzert mit einer lie- Autogramme und nahmen über diesen Franz Kiesl freut sich jedes Mal von bevollen Begrüßung, in der feierlich das Weg Kontakt zu den jungen Künstlern neuem, dass die Schulleitungen den gemeinsame Feuer entzündet wurde, ein auf. Endlich konnten russisch sprechende Schülern zwischen sechs und zehn Jah- Ritual, das für die Kinder besonders ein- Kinder ihren Klassenkameraden einmal ren die Gelegenheit eröffnen, russische drucksvoll war. zeigen, wie sich ihre Sprache anhört und Kinder und Jugendliche kennen zu ler- was ihre Sprache ihnen bedeutet. Wir nen und deren künstlerisches Können Zu Beginn des Vortrages wurden den jun- Musiklehrer können selbst mit den besten zu erfahren. gen Zuhörern nach und nach die Instru- Bemühungen niemals mit einer CD das mente und auch die jungen Talente selber erreichen, was so ein Konzert bietet und Besonders wichtig ist nach seiner Mei- mit ihren Namen und auch mit ihren in den Kindern bewirkt. Schon vor dem nung, dass an den Aufführungen in den Hobbys vorgestellt. Für die Kinder war Konzert hatte es einen deutsch-russischen Schulen alle Kinder teilnehmen, also es schön zu hören, dass auch die Musiker Kontakt gegeben, aber viele Kinder mus- auch jene, deren Familien dem kultu- gerne Fußball spielen..... sten feststellen, dass es schwierig ist, flie- rellen Leben eher fern stehen. Außerdem ßend russisch zu sprechen und so half als haben bei Kindern, die die jungen Russen Hier hatten die Kinder die erste Gele- Dolmetscherin Frau Epifanowa. persönlich kennen gelernt haben, Vorur- genheit, Kostproben von den Künstlern teile erst gar keine Chance. Über die Jah- auf ihren Instrumenten zu bekommen. Wenn eine Musiklehrerin am Ende eines re gerechnet haben inzwischen mehr als Selbst Kindern, die sonst nicht so gut still solchen Konzertes auf diesen Besuch zu- 2000 Grundschulkinder diese wertvollen sitzen können, war sofort klar, dass et- rückblickt, wie die Musik alle Sprach- Erfahrungen machen können. was ganz Besonderes zu hören war. Die barrieren überwunden hat und die Be- klassischen Stücke des nun folgenden geisterung für die Musik ein neues Feuer Wenn man dazu noch die Begeiste- Konzerts der »Neuen Namen« wurden entzündet hat, dann ist sie sehr dankbar rungsfähigkeit der Grundschüler und mit Begeisterung verfolgt und beklatscht. für die gute Deutsch-Russische Freund- die Reaktion der russischen Gäste Der Höhepunkt des Konzertes aber war, schaft!« ­darauf erlebt, gibt es nur einen Ent- genau wie im Jahr davor, das folkloristi- schluss: Diese Veranstaltungen müssen sche Ensemble. Die Kinder spürten, dass Tradition werden.

111

112 11. bis 18. Februar 2005 nach Moskau. Im Vordergrund standen Gespräche im »Junge Sinfoniker« »Musiklyzeum Frederic Chopin« mit Direktorin Marietta Tschaldranjan und dem Dirigenten Wladimr Ryshajew. Dabei wurden bereits Einzelheiten, wie Kapitel »Unsere Reisen« wird darüber berichtet, dass Fritz Th oben, der in Unterbringung, Verpfl egung, Proben- IM Chanty Mansijsk den hervorragenden Wettbewerb der »Neuen Namen« räume, Programm und Konzertauftrit- erlebt hatte, dem 1. Vorsitzenden der »Jungen Sinfoniker Ostwestfalen«, Profes- te, für den Besuch von 21 »Jungen Sin- sor Dr. Ulrich Junge, vom großartigen Können der jungen russischen Musiker fonikern« in Moskau besprochen. erzählen konnte. Die deutsche Gruppe erlebte in Mos- kau bei diesem Besuch im Februar Wintertage mit sehr viel Schnee, aber Professor Dr. Junge lud Franz Kiesl An- die perfekt aufeinander abgestimmte auch eine sehr interessante Zeit. Ne- fang März 2004 zu einem Gespräch Instrumentalsprache. Unsicherheit und ben einer Stadtrundfahrt gab es einen ein, an dem auch der 2. Vorsitzende Aufregung scheinen Fremdwörter für Besuch im Kreml und in dessen Schatz- der »Jungen Sinfoniker«, Ulrich Dra- die begabten Künstler zu sein. Sowohl kammer, eine Ballettauff ührung im bek, und Dr. Harry Wieland teilnah- Solist Alexander Scheikin bei Chopins Bolschoi-Th eater, ein Jazzkonzert in men. Die Schilderungen Fritz Th obens Klavierkonzert e-moll, op 11 als auch der Tschaikowskij-Konzerthalle und ein weckten das Interesse an einem Ge- der 19-jährige Violonist Lew Jomdin Konzert im großen Saal des Musikhau- meinschaftsprojekt mit den jungen rus- mit Pablo Sarasates Zigeunerweisen ses. Sie besuchte die Tretjakow-Galerie, sischen Musikern. Franz Kiesl sicherte op 20 oder der erst zehn Jahre junge das Puschkin-Museum und die frühere den Herren zu, mit der Unterstützung Klarinettist Mikhail Mering, der Rims - Zarenresidenz Kolomenskoje. An einen der Präsidentin der Stiftung »Neue Na- ki-Korsakows »Hummelfl ug« spielte, »Abend mit Denis Matsuev« schloss men«, Iwetta Woronowa, den Weg zu überzeugten durch Professionalität und sich ein Empfang an, der Gelegenheit gemeinsamen Konzerten zu ebnen. Das individuellen Charakter. Da lief man- zu Begegnungen mit Persönlichkeiten Interesse auf beiden Seiten war so groß, chem Zuhörer eine Gänsehaus über aus Kultur und Politik bot. In der Stif- dass die allererste Möglichkeit genutzt den Rücken, weil die jungen Musiker tung »Neue Namen« gab es ein Treff en wurde, deutsche und russische Musiker alle berechtigten Erwartungen an Qua- mit Tatjana Wassilljewa, einer Reprä- für einen gemeinsamen Auftritt zusam- lität übertrafen…« sentantin der Moskauer Regierung. menzuführen. Wichtig war die Zusammenkunft mit Die »Jungen Sinfoniker« sollten im einer Mitarbeiterin der Organisation, Ein Besuch der »Neuen Namen« war Oktober 2005 zunächst in Moskau die für das russische Programm auf der für November 2004 geplant. Die Füh- Konzerte geben und die Musiker aus Hannover-Messe zuständig war. Mit rung der »Jungen Sinfoniker« fand Moskau im Jahr 2006 nach Bielefeld ihr wurde der Auftritt eines Ensembles als Ort des Konzerts die repräsenta- kommen. Solch ein Projekt musste der Moskauer »Neuen Namen« und der tiven Ausstellungsräume der Merce- gut vorbereitet werden. Deshalb rei- »Jungen Sinfoniker« während des Be- des-Benz-Niederlassung in Bielefeld. sten Professor Dr. Junge und Dirigent suchs von Kanzler Schröder und Präsi- Ulrich Drabek und Dirigent Steff en Leißner in Begleitung von Franz Kiesl dent Putin im Russischen Pavillon be- Leißner stellten das Programm für die und einigen Freunden des Forums vom sprochen. Moskauer »Neuen Namen« und die ostwestfälischen »Jungen Sinfoniker« zusammen. Geprobt wurde zunächst getrennt in Moskau und Bielefeld und am 20. November gemeinsam unter Leitung des Dirigenten Steff en Leißner auf der Sparrenburg. Über das Konzert am 21. 11. 2004 ist in der Bielefelder Ausgabe der »Neuen Westfälischen« zu lesen: » Mit Stücken wie »Es scheint der Mond« von Wassily Adreev oder »Das große Tor« von Kiew« aus Mus- sorgskijs »Bilder einer Ausstellung« verwöhnten die jungen Musiker die zahlreichen Zuhörer. Außergewöhnlich war – trotz weniger Übungsstunden –

Dirigent Wladimir Ryshajew und Dirigent Steffen Leißner wurden mit ihrem deutsch-russischen Orchester mit viel Applaus bedacht.

113 114 Am 4. Oktober 2005 flogen 21 »Junge Drei Tage lang probten die jungen deutschen und russischen Musiker im »Haus Neuland« Sinfoniker« mit Professor Dr. Ulrich Junge, Ulrich Drabek und Steffen Leiß- ner nach Moskau. Eine Reisegruppe des Forums mit 18 Teilnehmern war mich begann ein reger »Austausch«. Jeder Gütersloh kommen und mit den »Jungen zu gleicher Zeit dort und erlebte die Musiker hat zu Komponisten, besonders Sinfoniker« ein neues Programm erarbei- Konzerte dieses »Russisch-Deutschen aus seiner Heimat, einen anderen Bezug. ten. Die Konzerte sollen am 4. Oktober Orchesters«. Die erste Veranstaltung Zwei Dirigenten mit sehr unterschiedli- 2007 in der Stadthalle Gütersloh und am fand für Veteranen in einem Gebäu- cher Probenarbeit, das war auch gut für 6. Oktober in der Bielefelder Oetkerhalle de der Moskauer Regierung statt. Im die Jugendlichen. So wurde intensiv drei stattfinden.« Musikhaus gab es nach dem zweiten Tage geprobt; die »harte Arbeit« wurde Konzert einen Empfang, an dem neben aber durch kleine humorvolle »Intermez- 27 Musikerinnen und Musiker der den deutschen Gästen der deutsche zi« immer wieder aufgelockert. Da im- »Frederic Chopin-Musikschule« kamen Botschafter Dr. Walter Jürgen Schmid mer ein Russe und ein Deutscher neben- schließlich am 1. Oktober 2007 nach und Tatjana Wassilljewa als Vertreterin einander an einem Pult spielten, konnte Bielefeld. Es war aber eine Reise mit der Moskauer Regierung teilnahmen. jeder den anderen unmittelbar »erleben« Hindernissen – sogar mit großen Hin- Interviews mit Iwetta Woronowa, der und sich auch einiges von ihm »abguc- dernissen. Die Veranstalter brauchten Präsidentin der Stiftung »Neue Na- ken«. Die beiden Konzerte waren dann starke Nerven und viel Vertrauen, denn men«, mit Professor Dr. Junge, mit eine Belohnung für die erfolgreiche, harte die Flugtickets sollten von einem Unter- Franz Kiesl und mit dem Dirigenten Arbeit. nehmen des Bezirks, in dem die Schule Steffen Leißner über das Zusammen- liegt, gesponsert werden. Das war die wirken der Deutschen und der Russen Nach dem zweiten Konzert luden wir die Hoffnung. wurden über den Rundfunk ausge- russischen Jugendlichen zu einer Party in strahlt. unserem Quartier ein. Alle waren vom Der Reisetermin rückte immer näher, ersten Miteinander begeistert und spon- aber das Geld kam nicht. Es gab einen Dirigent Steffen Leißner schreibt über tan wurde ein Gegenbesuch vereinbart. kleinen Betrag, den die Musikschule dieses gemeinsame Konzert: »Für mei- 34 Jugendliche der Moskauer Chopin- hätte einbringen können, aber er reichte nen »Kollegen« Wladimir Ryshajew und Musikschule sollten nach Bielefeld und für den Ticketkauf nicht, denn die Flü-

115 Franz Kiesl bedankt sich nach dem Konzert am 4. Oktober 2007 im großen Saal der Stadthalle bei den Dirigenten Wladimir Ryshajew ge wurden immer teurer, je näher der Auf dem Programm standen an- und Steffen Leißner Reisetermin kam. Fliegen war nicht spruchsvolle Werke von Mozart, Lalo, mehr möglich, und auch für die Zug- Tschaikowskij, Mendelssohn-Barthol- fahrt stiegen die Kosten mit dem Zeit- dy, Dukas, Lebedjew und Glinka. ablauf. Die Zusage der »Jungen Sinfo- Wenn es auch schwer fällt, neben der niker« und des Forums, einen Teil der überzeugenden Gesamtleistung des Reisekosten zu übernehmen, ermög- Orchesters einzelne Solisten hervorzu- lichte dann den Kauf von Zugtickets, heben, so muss doch der erst 18jährige Inzwischen ist eine erhebliche Zeitspan- allerdings mit Geld, das den Orchester- Pianist Anton Igubnov erwähnt wer- ne vergangen, in der es zu keinem weite- mitgliedern ein netter Mensch geliehen den, der mit viel Gefühl für den Cha- ren Zusammentreffen dieser Art gekom- hatte. Der erwartete nach der Rück- rakter des Eingangssatzes im 1. Klavier- men ist. Das liegt sicherlich weder am kehr aus Deutschland die Rückzahlung konzert von Tschaikowskij zum Star Interesse der jungen Musiker noch ihrer aus den Beträgen, die die »Jungen Sin- des Abends wurde. Lehrer und Dirigenten, die ihr Können fonikern« und das Forum beizusteuern mit Begeisterung unter Beweis gestellt versprochen hatten. Kaum dahinter zurück blieben der und die gemeinsamen Auftritte sichtlich 14-jährige Fjodor Besnossikow beim genossen haben. Aber natürlich ist es Da keine 27 Plätze in einem Zug mehr Violinkonzert von Mendelssohn- ein aufwändiges und kompliziertes Pro- frei waren, musste das Orchester in Bartholdy und die deutschen Solisten jekt, zwei relativ große Gruppen aus den zwei Gruppen anreisen. Eine Gruppe Michael Trull (Horn) und Ben-Niklas zwei Ländern so zusammenzuführen. kam morgens um 4 Uhr und die ande- Gottowik (Bass-Posaune). Beide Di- re am Nachmittag des gleichen Tages rigenten, so unterschiedlich sich auch Nach den beiden erfolgreichen Versu- in Bielefeld an. Und dann gingen die ihre Führung von Orchester und Soli- chen bleiben aber der Wunsch und die Proben im Bielefelder »Haus Neuland« sten darstellte – der eine behutsam und Hoffnung, dass sich Initiatoren finden, los. An drei Tagen intensiver Arbeit zurückhaltend, der andere dynamisch die solch wichtige Gemeinschaftsveran- verlangten die beiden Dirigenten dem und gestenreich –, waren mit den Lei- staltungen erneut organisieren. immerhin gut 60 Mitwirkende zählen- stungen ihrer Schützlinge ebenfalls voll den Ensemble viel ab. Bei den Konzer- zufrieden.Für die Gäste aus Russland ten in der Gütersloher Stadthalle am 4. gab es einen Empfang im Bielefelder Oktober und in der Oetkerhalle am 6. Rathaus und einen Ausflug zu den Se- Oktober wurde das Orchester mit herz- henswürdigkeiten in Ostwestfalen. Ein lichem Beifall belohnt. Brückenschlag war wieder einmal gut gelungen.

116 Unsere Reisen

Die Gruppenreisen des Forums waren ein wesentliches Element für die dyna- dern auch aus weit entfernten Gegen- mische Entwicklung des Forums. Das Jahr 2001 hatten wir mit 64 Mitgliedern den, zum Beispiel aus Passau, aus Re- begonnen, zum Jahresende waren es 78. Bis September 2011 stieg ihre Zahl auf gensburg, aus Langenau, aus Frankfurt 319. Allein von den Teilnehmern der St. Petersburg-Reise 2011 traten 28 in den am Main, aus Pasewalk, aus Bremen, DVerein neu ein. um nur einige Beispiele zu nennen. Gruppenreisen nach Russland durchzu- führen, war uns bis zum April 2000 nie Franz Kiesl, der jede Reise begleitet, vielen Beziehungen zu russischen in den Sinn gekommen. Wie kam es zu sagt dazu: »Die Menschen, die mit Freunden sind das Motiv für mein dieser Entscheidung? uns nach Russland fliegen, lernen Engagement.« Russen und Russland aus eigener Herr Gabriel, Kulturdezernent des Anschauung kennen. Sie können Seit der ersten Reise im April 2001 Kreises Herford, lud im Sommer 1999 sich durch ihre Erlebnisse eine eige- nach St. Petersburg waren wir zwölfmal die Leiter von Chören aus der Region ne Meinung bilden und sind nicht dort, vierzehnmal in Moskau, viermal und Vertreter von Organisationen, die auf die Veröffentlichung beliebiger in Kasan, fünfmal in Irkutsk, einmal in Verbindungen zu Russland hatten, zu Informationsfragmente in den Medi- Chanty Mansijsk, einmal in Ufa und sich ein, weil er und Christoph Ogawa- en angewiesen. Und über mich selbst zweimal in Taganrog. Durch diese 39 Müller aus Enger nach einem Besuch in kann ich sagen, dass diese Besuche Gruppenreisen, an denen mehr als 800 St. Petersburg gerne für russische Chöre in Russland mit ihren ungezählten Personen teilgenommen haben – eini- von dort Konzerte im hiesigen Raum Begegnungen das Rückgrat meiner ge davon bereits mehrmals –, sind viele organisieren lassen wollten. Dabei sollte Meinung und die Basis meines Wis- Kontakte entstanden. Die Teilnehmer Musik von Johann Sebastian Bach auf sens sind. Die daraus entstandenen kamen nicht nur aus der Region, son- dem Programm stehen. Die Teilnehmer

117 an diesem Gespräch hatten ein gro- den Besuch der Kantorei der Abding- kommen. Ich schämte mich, weil ich ßes Repertoire an Bedenken. Deshalb hofkirche in St. Petersburg Weichen auf Grund meines Unwissens geglaubt blieben die Organisatoren dieser Ver- für ein interessantes Programm stellen hatte, wir hätten mehr zu bieten als eine anstaltung erfolglos. Kirchenmusikdi- würden. Auf der Rückreise von einem Stadt in Russland.« Er war rundum be- rektorin Adelheid van der Kooi-Wolf, Auftritt in Ockenheim im Sommer des geistert – von den Sehenswürdigkeiten Leiterin der Kantorei der Abdinghof- Jahres legte der Glinka-Chor in Gü- und den Erlebnissen. Er drückt das so kirche in Paderborn, meinte: »Die Rus- tersloh eine kurze Pause ein, um mit aus: »Ich stand morgens im Foyer des sen wollen nur zu uns kommen. Daran, Frau van der Koii-Wolf ein Gespräch Hotels St. Petersburg und dachte mir dass wir auch mal Russland besuchen über den Aufenthalt in St. Petersburg »Es reicht doch nicht, dass ich weiß, wie möchten, denken die gar nicht.« Kul- zu führen. Es wurde ein Reisetermin herrlich diese Stadt ist. Nächstes Jahr turdezernent Gabriel reagierte auf diese festgelegt und der Ablauf mit Irina Ste- werde ich selbst eine Reise nach St. Pe- Feststellung mit dem Satz: »Herr Kiesl, panova besprochen. Adelheid van der tersburg organisieren.« das wäre doch etwas für Sie.« Koii-Wolff sagte dann zu Franz Kiesl. Kiesls Antwort war zunächst: »Diese »Fliegen Sie doch mit!«. Nach einer Und so kam es auch: Die erste Reise Aufgabe ist zu groß.«. Doch ein paar ganz kurzen Bedenkzeit sagte er zu. des Forums nach St. Petersburg wurde Sekunden später sagte er: »Das nehme geplant und vom 15. bis 22. April 2001 ich in die Hand.« Franz Kiesl und seine Frau erlebten also durchgeführt. Am Anfang stand der St. Petersburg zum ersten Mal als Rei- Entschluss, aber welche Schritte bis zum Er war später einige Wochen dabei, für seteilnehmer der Paderborner Gruppe. Reiseantritt zu gehen sein würden, das November 1999 den St. Petersburger Die Eindrücke der Stadt überwältigten war nicht klar. Doch es klappte alles. Zur »Knabenchor der Glinka-Chorschu- ihn. Damals sagte er dazu: »Ich war der Teilnahme meldeten sich 74 Personen. le« einzuladen. Er vertraute darauf, Meinung, dass die jungen Sängerinnen dass Direktor Sergej Dzevanovskij und und Sänger aus St. Petersburg immer Jedes Ziel unserer Forum-Reisen nach die stellvertretende Direktorin und sehr überrascht sein würden, was sie Russland hat seine eigene Geschichte. Deutschlehrerin, Irina Stepanova, für bei uns in Deutschland zu sehen be-

St. Petersburg

ei unseren Besuchen dort ist von Anfang an Irina Prokharova unsere Rei- seleiterin gewesen. Irina ist bei allen Reiseteilnehmern äußerst beliebt, und Franz Kiesl lobt ihre Zuverlässigkeit, denn sie koordiniert das Pro- grammB und schafft immer neue Beziehungen. Wenn wegen der Größe der Teil- nehmerzahl zwei Gruppen gebildet werden müssen, wird sie von Natalia Nowi- kowa unterstützt.

Wie kam Franz Kiesl zu Irina Prok- Franz Kiesl ist fest davon überzeugt, harova? Irina war 1994 zum ers- dass die hervorragend gelungenen und ten Mal in Gütersloh, denn sie be- deshalb so erfolgreichen St. Petersburg- Professorin Olga Minkina war die Initiatorin treut den ­angesehenen St. Peters­ Reisen maßgeblich Irina zu verdanken für die Begegnungen burger TV- & Radio-Kinderchor auf sind. seinen Reisen im deutschsprachigen Raum. Der Kinderchor gab im Win- Während dieser ersten St. Petersburg- ter 2000 unter anderem ein Konzert Reise 2001 wurde das »10-jährige Be- in Werther, das Franz Kiesl besuchte. stehen« des Forums gefeiert. Denn aus Er informierte den ihm gut bekann- den Reihen der Organisatoren des Be- ten Herrn Alfred Kaschub vom Haller suchs der St. Petersburger Künstler, die Kreisblatt darüber, dass er 2001 eine 1991 angeführt von Professorin Olga Reise nach St. Petersburg plane. Herr Minkina nach Gütersloh kamen, ent- Kaschub gab ihm den Hinweis, dass wickelte sich später das FORUM. Irina Prokharova auch in ihrer Hei- Auch für das erste Programm der FO- matstadt als Reiseleiterin tätig sei. RUM-Gruppe in St. Petersburg fühlte Franz Kiesl: »Ich hängte mich an ihren sich Professorin Minkina zuständig und Rockzipfel, um in der Pause und dann übernahm besonders die Gestaltung der nach dem Konzert mit ihr über meine »10-Jahres-Feier«, für die der Speisesaal Pläne zu sprechen.« Es war danach klar, im Palast des Romanow-Großfürsten Irina Prokharova ist seit der ersten Reise 2001 die dass Irina die Gruppe in St. Petersburg Wladimir den festlichen Rahmen abgab. Reiseleiterin, die die Teilnehmer mit ihrem Wissen führen würde. Der Duma-Abgeordnete Oleg Tscher- jedes Mal sehr beeindruckt.

118 Der Katharinenpalast mit dem legendären Bernsteinzimmer

Im Marinskij-Theater fiel die Entscheidung, Peter- und Paul-Kathedrale: Grabeskirche der Zarenfamilie 2002 auch nach Moskau zu reisen

nischew überbrachte Grüße und Aner- rühmteste Dichterin, Anna Achmatowa, ersten Begegnung mit ihm ist es zu ver- kennung der russischen Volksvertretung, lebte, bei dem Leonid O. Romankow, danken, dass es seit 2002 für die FO- der Industrie- und Handelskammer Vorsitzender für Kultur, Bildung und RUM-Reisegruppen eine Führung im und nicht zuletzt des Präsidenten des Wissenschaft im Parlament der Stadt St. berühmten Marinskij-Palast, dem Sitz Präsidialamtes der Russischen Födera- Petersburg, die deutschen Gäste begrüß- des Stadtparlaments, gibt, der normaler- tion. Es gab einen Empfang im Sche- te und dem Forum Russische Kultur für weise für Touristenführungen nicht zur remetjew-Palast, in dem Russlands be- die 10-jährige Tätigkeit dankte. Dieser Verfügung steht.

119 »Rossika-Chor« der St. Petersburger Philharmo- Regelmäßig gibt es die Stadtrundfahrt, Im Marinskij-Theater wird stets eine nie gibt für die Reiseteilnehmer ein Konzert die Führung in der Peter- und Paul- Ballettaufführung besucht, bei der ne- Festung, der Grabeskirche der Zaren­ ben den exzellenten Tanzdarbietungen familie Romanow, in der Auferste- das aufwändige Bühnenbild und die hungskirche, im Katharinenpalast mit kostbare Ausstattung jeden Besucher Zur Feier des »10-jährigen Bestehens« dem legendären Bernsteinzimmer, in in ihren Bann schlagen. Der Eintritts- in der Gütersloher Sparkasse am zwei- der Zarenresidenz Pawlowsk, in der Ere- preis liegt etwas über fünfzig Euro, aber ten September 2001 kam Leonid Ro- mitage, im Russischen Museum, in der Franz Kiesl sagt zu den Teilnehmern mankow als Gast nach Gütersloh. Isaak-Kathedrale, im Peterhof und in immer: »Wenn wir schon in St. Peters- dem nahe gelegenen kleinen. »Cottage burg sind, dann müssen wir es uns auch Von Anfang an findet die t.S Peters- Palais.« leisten, eine Aufführung im Marinskij- burg-Reise stets in der letzten Woche Theater zu erleben.« des Monats April statt. Das Wetter war bisher immer sehr gut. Es ist um diese Jahreszeit zwar noch kühler als in Deutschland, aber es gab immer Sonnenschein, meistens sehr viel Son- nenschein, so dass die Reiseleiterinnen schon immer sagen: »Wenn die FO- RUM-Gruppe kommt, dann scheint in St. Petersburg die Sonne.« 2004 gab es eine zweite Reise in den Herbstfe- rien, an der überwiegend Lehrerinnen und Lehrer teilnahmen.

Die Forum-Gruppe wurde von Professorin Olga Minkina zu einem Gespräch mit Leonid O. Romankow, Vorsitzender für Kultur im Stadt- parlament der Stadt St. Petersburg eingeladen 120 gorod, eine der ältesten Städte Russ­ lands, die bereits 859 gegründet wurde. Diese Stadt wurde schon früh durch ihre bürgerliche Verfassung bekannt.

Die Überlieferung berichtet, dass im Hochmittelalter das einfache Volk be- reits lesen und schreiben konnte. Das gab es zu dieser Zeit nur noch in Kon- stantinopel. Berühmt war auch die Iko- nen-Malschule. Im Spätmittelalter war Nowgorod der wichtige östliche Brüc- kenkopf der Hanse.

Unterwegs führt ein Abstecher an den Ilmensee und zum Jurij-Kloster, das um das Jahr 1000 gegründete wurde. Das Kloster befindet sich nach umfang- reichen Sanierungsarbeiten wieder in einem sehr guten Zustand und ist das Ziel zahlreicher Pilger.

Eine Schifffahrt gehörte mit einer Ausnahme stets zum Reiseprogramm Am 29. April 2011 wurde das »20- jäh­rige Bestehen des »FORUM«im­ Großfürstlichen Michail-Michailowitsch- Pa­last mit den 81 deutschen Reiseteil- Seit 2001 lädt der Kammerchor »Ros- lich bewegt folgen die deutschen Gä- nehmern und 32 Petersburger Freun- sika« der St. Petersburger Philharmonie ste den vielfältigen Zeremonien und den gefeiert. Das musikalische Pro- jede FORUM-Gruppe zu einem Kon- dem Wechselgesang des Chors und der gramm an diesem Abend gestalteten in zert ein, dem ein gemeinsamer gemüt- Priester und sind beeindruckt von den Gütersloh bereits bekannte Künstler: licher Abschluss mit Essen und Trinken prächtigen Ausstattungen der Kirchen. Der 16-jährige Geiger Dmitrij Smirnov folgt. Aber in dieser fröhlichen Runde und Dr. Elena Borisovets (Klavier und wird nicht nur gegessen und getrunken, Mit einer Ausnahme – die Newa führte Gesang) sowie Ekaterina Grandjean sondern auch viel gesungen. Die Chor- nämlich noch Treibeis - konnte jedes (Geige). Organisiert hatten diese fest- mitglieder sind durch ihre Konzerte Jahr eine Schifffahrt auf den Kanälen liche Veranstaltung, von der Miete der in Gütersloh und in den umliegenden und der Newa durchgeführt werden. Räumlichkeiten bis zum Angebot der Städten den meisten Reiseteilnehmern Jedes Mal ist zu hören: »Aus dieser Per- Speisen und Getränke sowie dem Ser- bereits bekannt. spektive sieht die Stadt ganz anders aus vice und der Tischdekoration, Victor als von der Straße.« Vor zehn Jahren, Smirnov, häufiger Gast in Gütersloh bei der ersten St. Petersburg-Reise des mit dem Vokalensemble »Anima«, und 2005 besuchte die Reisegruppe zum Forums, war noch fast die Hälfte der die Reiseleiterin Irina. ersten Mal die orthodoxe Elias-Kir- Fassaden renovierungsbedürftig, heute chengemeinde. Der Chor »Harmonie« aber sind es nur noch wenige Gebäu- »Solche Begegnungen sind mehr als unter Leitung von Margarita Krasso- de, an denen zurzeit gearbeitet wird. Völkerverständigung«, meint Franz va bietet dabei den Gästen immer ein Alle anderen erstrahlen in ihrem alten Kiesl und ergänzt: »Sie lassen uns emp- Konzert in der Kathedrale, in die ei- Glanz. finden, dass wir uns emotional sehr ver- gens für die deutschen Gäste Bänke ge- wandt sind.« stellt werden, die sonst in orthodoxen Berühmtes Porzellan Gotteshäusern nicht üblich sind. Nach aus St. Petersburg Als Franz Kiesl 2001 zum ersten dem Konzert wird im Gemeindehaus Seit 2004 wird auf jeder Reise die »Kai- Mal das Marinskij-Theater nach einer ein reichhaltiges Angebot an Speisen serliche St. Petersburger Porzellanma- »Schwanensse«-Aufführung noch voller und Getränken serviert. Menge und nufaktur«, früher »Porzellanmanufak- Begeisterung von den Tanzdarbietun- Qualität überraschten jeden Besucher. tur Lomonossow« besucht. Sie wurde gen, der Musik, vom Bühnenbild und Der erste Priester der Gemeinde, Vater 1774 gegründet und war eine der er- von der Ausstattung verließ, spürte er Alexander, ist fast immer dabei. sten Porzellanmanufakturen in Europa. das Bedürfnis, dieses Erlebnis noch ein- Das Künstlerteam ist äußerst kreativ mal zu steigern: »Mir kam die Idee, dass Auf dem Programm jeder Reise steht und überrascht jedes Jahr mit neuen wir das noch größere Balletterlebnis der Besuch eines russisch-orthodoxen Formen und Dekors. auch kennen lernen sollten.« Und da- Gottesdienstes. Es ist der Wunsch von mit war die Entscheidung gefallen, dass Franz Kiesl, dass die Teilnehmer einen Mit drei Ausnahmen gab es bei jeder es im folgenden Jahr auch eine Reise Eindruck von der tiefen Gläubigkeit St. Petersburg-Reise einen Tagesausflug nach Moskau geben würde, um dabei russischer Christen gewinnen. Sicht- in das 180 km entfernte Velikij Now- das Bolschoi-Theater zu besuchen.

121 122 MOSKAU

atürlich war der Wunsch zum Besuch des Bolschoi-Theaters nicht der einzige Grund, sondern nur einer der Impulsgeber für unsere erste NReise in die russische Metropole. Wir hatten 2002 bereits seit vier Jah- ren einen Partner in Moskau: Die Kultur-Stiftung »Neue Namen«, die seit ihrer Gründung schon weit über 10000 junge Talente überwiegend im musikalischen Bereich fördert.

Seit 1998 kommen alljährlich Musike- senden vorher schon Gastgeber der rinnen und Musiker – meistens im Al- »Neuen Namen« in Gütersloh gewe- ter zwischen 12 und 20 Jahren – nach sen waren. Besonders erwähnt werden Gütersloh, um dem erstaunten Publi- muss, dass auch seit 2002 Margarita kum in Konzerten ihre außerordentli- Epifanowa, Auslandsexpertin der Stif- che Begabung zu demonstrieren. Zur tung, für das Forum die »treue Seele« in Forum-Reisegruppe genießt das Konzert in der Gründerin und Präsidentin der Stif- Moskau ist. Sie hat ungezählte Kontak- Stiftung »Neue Namen«. tung »Neue Namen«, Iwetta N. Woro- te zu wichtigen Persönlichkeiten und Vorne rechts Iwetta N. Woronowa, Gründerin und Präsidentin der Stiftung, neben ihr Fira Isaewa, Musik- nowa, hatten wir von Anfang an ausge- Organisationen in Moskau hergestellt. lehrerin und 2. Vorsitzende des »Interclubs Moskau« sprochen herzliche Beziehungen, und viele Musikpädagogen waren in dieser Zu den unvergesslichen Erlebnissen Zeit zu guten Bekannten geworden. der ersten Reise gehört eine von ­Iwetta de dabei aktiv, denn die Damen einer Woronowa organisierte Veranstaltung Folklore-Gruppe hielten die Deutschen Unsere russischen Freunde freuten sich in einem Kulturzentrum, bei der ne- mit schwungvollen Tänzen in Bewe- natürlich über den Besuch der 29 Rei- ben einem typisch russischen Menü gung. Auch ein Konzert in den Räumen seteilnehmer vom 26. Mai bis 2. Juni viel Musik, Gesang und Tanz geboten der Stiftung mit jungen Stipendiaten 2002 besonders, weil viele der Mitrei- wurde. Jeder der Reiseteilnehmer wur- und der anschließende Empfang waren

123

Es war ein freund­licher Empfang durch Sergej Andriankin (links) n der Kunstschule für Aquarellmalerei

Auf der ersten Moskau-Reise in einem Kulturzentrum: Musik, Tanz und Gesang einer Folkloregruppe, die auch die deutschen Gäste in Schwung brachte.

Die Zarenresidenz in Kolomenskoje wird originaltreu wieder aufgebaut.

für die Reiseteilnehmer eine begeis­ gang auf dem Arbat-Boulevard, bei Neben den touristischen Attraktionen ternde Überraschung. Die Stimmung dem viel Historisches lebendig wird. der Stadt, die auch auf dem Programm war einfach großartig. Durch die Dafür sorgt mit großem Geschick anderer Reiseveranstalter zu finden sind, freundschaftlichen Kontakte zu den seit 2004 unsere Reiseleiterin Tatjana bietet das Forum seinen Teilnehmern »Neuen Namen« verfügten wir von An- Grintschak, die mit ihrem fundierten auch in Moskau regelmäßig eine Reihe fang an über eine hervorragende Basis Wissen auf angenehme Art keine Frage von Spezialitäten, die den besonderen in Moskau. unbeantwortet lässt. Charakter seiner Reisen ausmachen. So besuchten wir die Kunstschule für Natürlich besucht man Moskau auch Mit einer Ausnahme wohnten die Aquarellmalerei, die Direktor Sergej wegen seiner touristischen Höhepunk- Reisegruppen bisher durchgängig im Andrijankin leitet, dessen Großvater te. So gehört zum Programm einer je- Hotel Kosmos, das an einer Metro- Deutscher war. Nach seiner Führung in den Moskau-Reise eine gut geführte station gegenüber dem Gelände der deutscher Sprache lud er die Gäste zu Stadtrundfahrt, der Besuch eines Got- Allunions-Ausstellung liegt, wegen sei- einem reichhaltigen Imbiss ein. tesdienstes in der prunkvollen Christi- ner sehenswerten Parkanlagen von den Erlöser-Kirche, die Besichtigung des Gästen in der Freizeit »zur Erholung« Wir waren zu Gast in der Surikov-Aka- Neujungfrauen-Klosters, des Promi- gern besucht. Einmal, und das war ein demie, einer in Russland hoch angesehe- nenten-Friedhofs, des Kreml-Geländes Ausnahmefall, weil das Hotel Kosmos nen Kunsthochschule. Generaldirektor mit seinen Kathedralen, eine ausgiebi- die gewünschten Zimmerreservierun- Viktor Loginov, dem Franz Kiesl zwei- ge Fahrt mit der Metro mit einem Aus- gen nicht bestätigen konnte oder woll- mal in der Sommerschule der »Neuen stieg an den prächtigsten Stationen, der te, wohnten die Reiseteilnehmer in ei- Namen« in Susdal begegnet war, lud die Besuch der weltberühmten Tretjakow- nem »Hotel« der russisch-orthodoxen deutschen Gäste zum Besuch der Majoli- Galerie und die Besichtigung der ehe- Kirche. Eine junge Russin aus unserer ka-Manufaktur Gzel in Maritonowa ein. maligen Zarenresidenz Kolomenskoje, Region hatte uns dieses »Hotel« emp- Während der gleichen Reise wurde die die weitgehend wieder aufgebaut ist, fohlen. Ein Berliner Priester war der Kunstschule für Textilarbeiten besucht, was im Oktober 2010 schon zu besich- Vermittler. Versprochen waren uns die Anna Borschagowskaja leitet. Die tigen war. renovierte Zimmer, aber die Renovie- jüngsten Schülerinnen und Schüler sind rung hatte sich verzögert. »Das war ein zwischen 3 und 6 Jahren alt. Es fehlen im Besichtigungsprogramm großer Reinfall«, bekennt Franz Kiesl, auch nicht der Rote Platz, das legen- der die berechtigte Enttäuschung der Ein herausragendes Ereignis war der däre Kaufhaus GUM und ein Spazier- Teilnehmer ertragen musste. Besuch der MGIMO-Universität, zu

124 dem Professor Abdulkhan Achtams- jan eingeladen hatte. Diese Universi- tät ist die »Diplomatenschmiede«, an der alle russischen Diplomaten, die in Deutschland tätig sind, studiert haben.

Franz Kiesl: »Egal ob ich im General- konsulat in Bonn oder in der Botschaft in Berlin bin: Ich kann jedem Diplo- maten bei passender Gelegenheit sagen, dass ich auch schon auf Einladung von Professor Achtamsjan in der Univer- sität war, an der er studiert hat. Und dann kommt unweigerlich die Aussage: »Das war mein Lehrer.«

Wir besuchten die Moskauer Staatli- che Linguistische Universität, in der die »Fakultät für deutsche Sprache« Nach Gesprächen in der MGIMO-Universität mit Professoren und Schülerinnen wurde das Museum von Professorin Larissa Karpova gelei- besucht mit Prof. Aktamsjan (links) tet wird. Prof. Dr. Rolf Wischnath aus Gütersloh leitete eine Diskussion mit Studentinnen. Alle hoben ihre sehr gute Meinung über die Deutschen und Deutschland hervor. Ein älterer Profes- sor berichtete über die Entwicklung der Universität, unter anderem auch dar- über, dass Stalin am Anfang des Krieges angeordnet hatte, die Universität aus Moskau zu verlagern. Das erfolgte auch, aber nur zu einem ganz geringen Teil. Und der Vollzug wurde auch gemeldet, aber ohne Angaben irgendwelcher Zah- len. Der Nachteil für die »Übriggeblie- benen« in Moskau war, dass es für sie keine finanzielle Förderung mehr gab.

In 2010 konnten wir drei besondere Stationen genießen: Wir besuchten einen orthodoxen Gottesdienst in der Die Forum-Gruppe folgte der Einladung von Priester Arcady ins Refektorium. Priester Arcady, Ralif Nuris- Tichwinskaja-Kathedrale und wurden law, Franz Kiesl, Margarita Epifanowa und im Hintergrund Reiseleiterin Tatjana Grintschak – von links) anschließend von Priester Arcady ins repräsentative Refektorium zu einem Empfang eingeladen. Alle Teilnehmer wurden überrascht von dem reichhalti- gen Angebot an Speisen und Getränken. vielseitigen Förderung der Kunsterzie- hung. Etwa 2000 Schülerinnen und In den orthodoxen Gemeinden gibt Schüler besuchen diese Schule, die eine es ein ausgeprägtes soziales Netz. Wir »Vorbereitungsabteilung« für Kinder waren eingeladen auf das »Gut Sviblo- ab 4 Jahren hat. 176 Lehrerinnen und vo« der russisch-orthodoxen Dreifal- Lehrer geben Unterricht zwischen 18 tigkeitsgemeinde, der die »Orthodoxe und 36 Wochenstunden. Schule der Künste« angegliedert ist. Den Geist, der auf diesem »Gut« und Die Besuche auf »Gut Sviblovo« und in dieser »Gemeinde« herrscht, kann in der »Balakirev-Schule« zeigen, dass man in seiner Besonderheit nicht be- in Russland sehr, sehr viel für die För- schreiben, man muss ihn durch einen derung junger Talente getan wird. »Das Besuch und durch Gespräche erlebt wird«, so ist Franz Kiesl überzeugt, »ei- haben. nen großen Einfluss auf die Entwick- lung der Gesellschaft haben.« Staunen mussten die Besucher auch Diesem fünfjährigem Mädchen gefiel es, bei ihrer über die »Balakirev-Schule« mit ihrer Arbeit fotografiert zu zu werden.

125 Die Schülerinnen und Schüler der »Orthodoxen Schule der Künste« freuten sich über den Besuch der Gäste aus Deutschland.

Zum Standardprogramm gehört ein Konzert in der Stiftung »Neue Na- men« mit anschließendem Empfang, der regelmäßig von allen Teilnehmern als ein Höhepunkt empfunden wird, besonders wegen der harmonischen Beim Konzert in der Stiftung »Neue Namen« spielte das Geigenquintett, das den Jubiläumsabend des Forums am 10. November 2011 gestaltete. Atmosphäre. Die begeisternde Musik der jungen Künstler wirkt noch lange nach. Häufig war Tatjana Wassilijewa ten Strophe. Das war eine große Über- von der Moskauer Regierung als Gast raschung besonders für die, die zuhause bei diesen Konzerten dabei. selbst in einem Chor singen, und zu- geben mussten, dass sie nicht alle Stro- In den ersten Jahren wurden Ballett­ phen auswendig gekannt hätten. aufführungenim Bolschoi-Theater be- sucht und dann später, als die grund- Bei einem anderen Besuch im »Inter- legende Sanierung des Theaters begann, club Moskau« zog die 12-jährige Pia- Die 12-jährige in der »Neuen Bühne«, die in der Nähe nistin Nastja Nesterova einen Reiseteil- Nastja Nesterova des Bolschoi-Theaters liegt und hervor- nehmer so in ihren Bann, dass er sagte: begeisterte mit ihrer Musik am Flügel. ragend ausgestattet ist. In 2010 wurde »Dieses Mädchen lade ich ein«, Was der Reisegruppe die seltene Gelegen- daraus wurde, können die Leser an an- heit geboten, eine Ballettaufführung derer Stelle erfahren. des Bolschoi-Theaters im beeindruc- kenden Kreml-Komplex zu erleben. Man hört und liest vieles über die Ver- in der näheren Umgebung. Heute un- hältnisse im modernen Moskau. Franz ternehmen sie in kleinen Gruppen oder Zur Vorbereitung eines Kontaktes zwi- Kiesl hat ein geändertes Verhalten der auch als Einzelne Fahrten ins Zentrum schen den »Jungen Sinfonikern« aus Reiseteilnehmer im Laufe der Jahre oder an andere Stellen.« Für ihn ist die- Bielefeld und der »Frederic-Chopin- beobachtet: »Bei den ersten Reisen ses Verhalten ein Ausdruck des Gefühls Musikschule« in Moskau, sowie zu ei- blieben die Teilnehmer unter sich, und erhöhter Sicherheit. nem Konzert dort mit den »Jungen Sin- in der Freizeit meistens im Hotel oder fonikern«, gab es zwei spezielle Reisen, über die an anderer Stelle berichtet wird.

Von den durch die jährlichen Besuche in Moskau entwickelten vielfältigen Beziehungen, die von Iwetta Woro- nowa und von Margarita Epifanowa eingefädelt wurden, soll eine beson- ders erwähnt werden, nämlich die zum »Interclub Moskau«, der mehrmals be- sucht wurde. Mit dessen 1. Vorsitzen- den Dr. Valerij Voinov gab es gemein- same Projekte, über die ebenfalls an anderer Stelle berichtet wird. Bei einem Besuch des »Interclubs« sang der Chor »Frühling« unter Leitung von Nadja Truschina mehrere deutsche Volkslie- der – in deutscher Sprache und ohne Der Chor »Frühling« sang deutsche Volkslieder in deutscher Sprache. Notenblatt – von der ersten bis zur letz-

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Chanty Mansijsk

Die Reise war ein Traum!

ussische Kultur in Sibirien erleben in einem Ort am Zusammenfluss ßenkilometer von Moskau entfernten von Ob und Irtysch, der allenfalls Biathlon-E nthusiasten bekannt war? Flughafen in Chanty Mansijsk ein. Und RWie konnte es zu diesem Reiseziel kommen? dort in dem erst vor zwei Jahren eröff- neten modernen Flughafengebäude gab es die erste Überraschung, die die wegen des Zeitunterschiedes von 4 Stunden An den Besuchen der »Neuen Namen« am gleichen Tag nicht zu erreichen ohnehin nicht allzu große Müdigkeit in Gütersloh nahmen ab dem Jahr war, übernachtete die Reisegruppe in sofort verfliegen ließ: In Anwesenheit 2000 auch junge Talente aus Chanty Moskau und konnte sich bei 17 Grad von Kulturminister Alexander Konev, Mansijsk teil, die ihre spezielle Volks- Minus auf einer Stadtrundfahrt am der es sich nicht hatte nehmen lassen, musik auf ihren traditionellen Instru- nächsten Tag schon ein wenig auf den die Gäste aus Gütersloh persönlich zu menten vorstellten. Sie wurden vom russischen Winter einstellen. Am spä- begrüßen, bereiteten junge Damen in Kulturminister der Region, Alexander ten Nachmittag ging es dann in Mos- bunter Landestracht mit Brot und Salz, Konev, und von ihren Pädagogen be- kau zum Flughafen. geeisten Moosbeeren und Nüssen einen gleitet. Im Januar 2004 veranstalteten überaus herzlichen Empfang. die »Neuen Namen« auf Einladung Kurz nach Mitternacht traf die Maschi- des Gouverneurs von Chanty Man- ne der UT-Air auf dem rund 3000 Stra- Begrüßung am Flughafen in Chanty Mansijsk sijsk dort einen »Offenen Wettbewerb zur Förderung junger Talente«, zu dem Kulturminister Konev Franz Kiesl für eine begrenzte Zahl von Besuchern eine Einladung aussprach. Kiesl star- tete im Herbst 2003 seine Aktivitäten, Interessenten zur Teilnahme an dieser Reise zu gewinnen. Wie zu erwarten war, gab es viele Bedenkenträger, die die letzte Januarwoche, mitten im tief- sten Winter, als Termin für eine Reise nach Nordwestsibirien für unpassend hielten. Aber da sich nun mal am Zeit- punkt nichts ändern ließ, sagte Franz Kiesl zu allen Skeptikern: »Wenn schon Sibirien, dann natürlich im Winter!«

Am 23. Januar 2004 ging es mit ­einem Airbus A 310 der Aeroflot ab Düs- seldorf nach Moskau. Weil ein An- schlussflug nach Chanty-Mansijsk

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Objekte im Museum für Handwerkskunst

Konzert im Obergeschoss Das Mineralienmuseum verschafft einen Eindruck über des Gemäldemuseums die vielen verschiedenen Bodenschätze der Region

Eine Polizeieskorte begleitete den Reise- Franz Kiesl hatte in einer Pressekonfe- Namen«, mit seinem genialen Spiel. bus mit Blaulicht an diesem wie an wei- renz Gelegenheit, vor zahlreichen inter- Beim anschließenden großzügigen teren Tagen zum nagelneuen Hotel essierten Journalisten über die Arbeit Empfang gab es viele interessante Ge- »Jugorskaja Dolina«, das für eine Woche des Vereins und den Zweck der Grup- spräche der Deutschen mit den russi- das Domizil der Ostwestfalen wurde. penreise nach Chanty Mansijsk zu be- schen Gastgebern und Teilnehmern. richten. Am gleichen Abend wurde das Margarita Epifanowa aus Moskau und Langsam wurde den deutschen Gästen Finale des Musikwettbewerbs »Neue ein Dolmetscher aus Jekaterinburg stan- klar, warum die Stiftung »Neue Na- Namen« von Iwetta Woronowa im den während des gesamten Aufenthalts men« den »Offenen Wettbewerb« nach »Zentrum der Künste« feierlich eröff- bereit, die Sprachbarrieren zu überbrü- Chanty Mansijsk gelegt hatte. Der net. Die Gäste aus Gütersloh wurden cken. Reichtum der aufstrebenden und an herzlich begrüßt. Im Musikprogramm Erdöl, Gas und Mineralien – aber auch begeisterte besonders der damals Am folgenden Tag führten die Gastge- an jungen Talenten auf vielen Gebieten 29jährige Pianist Denis Matsuev, frü- ber die Gütersloher Reisegruppe nach reichen modernen Stadt – war nicht zu herer Stipendiat der Stiftung »Neue einer Stadtrundfahrt mit Besichtigung übersehen. Die Zukunft der Region sieht Bürgermeister Valeryi Sudeykin aber vor allem in der Förderung der Kinder, sie steht an vorderster Stelle der vielfältigen Entwicklungsaufgaben.

Bei 55 000 Einwohnen in 2003 ver- zeichnete die Region 2003 900 Ge- burten, in Gütersloh mit 95 000 Ein- wohnern wurden lediglich 600 Kinder geboren. Es gibt Internatsschulen für »Hochbegabte Kinder des Nordens« in verschiedenen Fachrichtungen, dar- unter ein »Kunstzentrum«, das Austra- gungsort des Wettbewerbs der »Neuen Namen« war, wo 150 Lehrer 750 Schü- ler unterrichten.

Die nächste Überraschung war also perfekt: Nichts war mit der erwarteten einsamen Kleinstadt in der Taiga. Die Gruppe war in einer modernen, wohl- habenden Stadt gelandet, die sich stür- Reiseteilnehmer vor einer der zahlreichen Eisskulpturen misch entwickelt.

129 Nach einem ausgiebigen Waldspaziergang gibt es einen Imbiss

kunstvoller Eisskulpturen in das Bi- sten schlossen diesen stimmungsvollen die Geschichte der Förderung der Bo- athlonzentrum, in dem 2003 die Welt- Abend ab, der nicht zuletzt durch den denschätze von den ersten Ursprüngen meisterschaften ausgetragen worden Charme der Leiterin des Hauses zu ei- an dargestellt. Neben künstlerisch gestal- waren. Bei minus 20 Grad und Son- nem der Höhepunkte der Reise wurde teter Keramik brachten auch bearbeitete nenschein hatten die Gäste Gelegen- »Ich bin lange nicht so elegant ausge- Mineralien, natürlich besonders die Bril- heit zu einer Fahrt auf Motorschlitten gangen, dafür musste ich nach Sibirien lanten, die Besucher zum Staunen. über die Biathlonstrecke. Neben dem reisen«, bekannte eine Teilnehmerin. tollen Erlebnis, mit Tempo 40 im sibi- Ein Spaziergang durch den Winterwald rischen verschneiten Nadelwald einen Am folgenden Tag erhielten die Gü- zu einer Aussichtsplattform mit Blick Hauch von Taiga zu spüren, hinterließ tersloher jede Menge Informationen auf Chanty Mansijsk und die unendlich die Fahrt eine große Hochachtung vor über Erdöl, Erdgas und Mineralien, die weite Winterlandschaft schloss sich an. den Leistungen, die die Strecke den alle zusammen den Reichtum der Re- Der strahlend weiße Schnee knirschte Wintersportlern abverlangt. gion ausmachen. Das zwei Jahre zuvor unter den Stiefeln und bei 21 Grad Mi- eröffnete repräsentative Museum erhielt nus biss die Kälte nach einiger Zeit im Im Museum des sibirischen Malers bei einem Schweizer Architektenwettbe- Gesicht, aber wirklich gefroren hat wohl Wladimir A. Igoschew wurden die werb einen Platz unter den zehn besten niemand, denn die Gruppe war gut aus- Gütersloher am »Abend der deutsch- ausgestellten Entwürfen. In dem groß- gerüstet angereist. Auf dem Rückweg russischen Freundschaft« zu einem zügigen Gebäudekomplex ist nicht nur gab es eine neuerliche Überraschung. Kammerkonzert im Beisein von Iwet- An einem offenen Feuer im Wald gab es ta Woronowa eingeladen. Musik auf heißen Tee und natürlich auch Wodka. Dombra, Balalaika und Xylophon so- Geeistes Brot und Aufschnitt konnten wie Gesang wurden in bekannter her- über dem Feuer gegrillt werden. Die ge- vorragender Qualität dargeboten. Ein hobene Stimmung der Besucher zeigte: Empfang in den stilvollen Räumen des So lässt sich sibirische Kälte ertragen. Obergeschosses mit der musikalischen Begleitung eines exzellenten Jazzpiani- Ein Herzenswunsch vieler Gütersloher, eine Rentierschlittenfahrt zu erleben, konnte nur mit ein wenig Ernüchte- rung erfüllt werden: Statt der erwarte- ten Fahrt durch die einsame Winter- landschaft gab es nur eine große Runde in einem Freilichtmuseum, das einen Einblick in das Leben der sibirischen Ureinwohner gestattete. Der Anteil die- ser ethnischen Minderheit – Chanten, Mansen und Waldnenzen – beträgt nur noch zwei Prozent an der Gesamtbevöl- Nach dem Überspringen des Feuers gibt es das Eine Stärkung nach bestandener Prüfung: kerung. Mit ihnen ist das alte Sibirien »Sibirier-Diplom« Essen und Trinken bei Musik immer weiter auf dem Rückzug.  130 Zurück auf der Aussichtsplattform bot Damit war der Tag aber noch nicht zu Konzert der jungen Wett­bewerbsteilnehmer sich noch einmal ein Blick über die Ende. Am Abend zeigten Ballettschüler erleuchtete Stadt mit glitzernden Eis- im »Zentrum der Künste« Kostproben kristallen in der Luft, bevor bei Musik ihres beachtlichen Könnens mit Aus- und Tanz ein langer Nachmittag in der schnitten aus dem »Nussknacker« von heit bei einem Sprung über das (nicht Natur in bester Stimmung abgeschlos- P. Tschaikowskij. allzu breite) offene Feuer und erhielten sen wurde. dafür die entsprechende Urkunde. Bei »Ich bin ein Sibirier« kann seit dem 28. Gruppentanz mit Harmonikamusik Januar 2004 jedes Mitglied der Reise- und deutschen und russischen Gesän- gruppe von sich behaupten. Bei einem gen erfreuten sich die Neu-Sibirier an Picknick vor unserem Hotel bewiesen Tee, Wodka und leckeren Häppchen. die Ostwestfalen ihre Unerschrocken- Am Nachmittag und Abend hatte die Stiftung »Neue Namen« wieder ins »Zentrum der Künste« eingeladen. Pro- fessor Starkmann aus Moskau demon- strierte zunächst sein großes Können am Flügel und als Begleiter einer her- vorragenden Sopranistin. Ein Raum- wechsel – und im großen Konzertsaal des Hauses musizierten junge Künstler aus Chanty Mansijsk. Insgesamt bedeu- tete das fünf Stunden ausgezeichnetes, abwechslungsreiches Konzert – aber niemand machte den Eindruck, dass es ihm zu viel geworden wäre.

Der Nationalpark Torum Maa war am nächsten Mittag das Ziel der Gruppe. In den dort wieder aufgebauten Original- Blockhäusern konnten sich die Gäste ein Bild vom rauen und schweren Leben Franz Kiesl überreicht Preisträger Urkunde und Geldbetrag. der Chantys machen. Die Lebenserwar-

131 tung war bei den Urvölkern aufgrund der schwierigen Lebensbedingungen recht gering. Beim abendlichen Auto- reifen-Rodeln auf einer anspruchsvol- len Bahn kamen die mutigen Reiseteil- nehmer voll auf ihre Kosten.

Eine besondere Auszeichnung be- deutete es für die deutschen Gäste, von Bürgermeister Valeryi Sudeykin empfangen zu werden. Das Stadtober- Konzert mit den Volksinstrumentalisten, Die Forum-Reisegruppe in fröhlicher Runde haupt stellte heraus, dass vor allem die schon in Gütersloh aufgetreten sind Kinder gefördert und alte Menschen betreut und unterstützt werden müs- sten. Alle anderen hätten durch ihre Arbeit für sich selbst zu sorgen, denn in der Stadt gebe es so gut wie keine tung in Hotel »Ukraina« in Moskau Nach der Rückkehr hatte Franz Kiesl Arbeitslosigkeit. Ein Teil der Reise- erforderlich. Die vorgesehene zweite mit Olga Zaitseva, einer Mitarbeiterin gruppe führte anschließend Gespräche Stadtrundfahrt fi el buchstäblich ins eines Moskauer Reisebüros, wegen eines in der Industrie- und Handelskam- Wasser der plötzlichen Schneeschmelze. Flugtickets noch ein Gespräch zu füh- mer mit Vertretern der einheimischen ren. Er schwärmte dieser Dame von den Wirtschaft. Die anderen Teilnehmer Am nächsten Morgen um 10.55 Uhr Erlebnissen in Chanty Mansijsk vor, die machten einen Einkaufsbummel, bei Moskauer Zeit fl ogen die deutschen dann sagte: »Ostsibirien« ist noch in- dem sie von den zur Betreuung immer Touristen in bester Stimmung mit ei- teressanter. Auf die Frage, welche Stadt anwesenden netten russischen Damen nem schicken neuen Airbus 320-200 denn am interessantesten sei, sagte sie: geführt wurden. Interesse weckten vor der Aerofl ot zurück nach Düsseldorf. »Irkutsk«. Und damit war Irkutsk in die allem die schönen sibirischen Pelze. Reihe der Reiseziele des Forums aufge- Das eine und andere Teil verschwand nommen. auch in den Koff ern der Gütersloher. Wenn sich Sibirien für die Reisegesell- Das Th ermometer zeigte an diesem Tag schaft auch völlig anders als erwartet mit 28 Grad Minus, die tiefste Tempe- dargestellt hat, so haben die vielen au- ratur dieser Woche. Und dabei wurden ßergewöhnlichen Erlebnisse, besonders die Außen arbeiten auf den Neubauten aber die überaus herzliche und groß- fortgesetzt! zügige Gastfreundschaft nicht nur be- geistert, sondern tief beeindruckt und Nach dem Finale des Musikwettbe- auch nachdenklich gemacht, so dass sie werbs überreichte Franz Kiesl den Ge- jedem Teilnehmer sicherlich noch lan- winnern des Wettbewerbs im Namen ge als eine »Traumreise« im Gedächtnis der Gütersloher Gruppe von allen Rei- geblieben ist. seteilnehmern unterschriebene Bücher, den sechs besten zusätzlich einen Geld- betrag in Höhe von je 100 Euro. Unter ihnen waren Alexij Netschaev (Klari- nette), Arslan Saifi (Geige) und Narek Achnasarjan (Cello), die 2003, 2002 und 2001 in Gütersloh zu Gast waren.

Im abschließenden Konzert legten die jungen Künstler noch einmal Zeugnis von der Vielfalt ihrer musikalischen Begabungen ab. Dem großen Finale folgte ein feierlicher Empfang. Dabei kam es zur Begegnung mit dem stell- vertretenden Gouverneur A. E. Gerber, der deutschstämmig ist und seine Un- terstützung für weitere Kontakte anbot.

Die letzte Nacht war für die Reise- gruppe sehr kurz. Um 5 Uhr stand das Frühstück bereit, um 7 Uhr der Bus zur Ein Beweis für Freude an der Kunst: Abfahrt zum Flughafen. Auch auf der Bemalte Schneefi guren Rückreise war wieder eine Übernach-

132 133 Irkutsk und der Baiksalsee

leich nach der Rückkehr von der Chanty-Mansijsk-Reise infor- Auf der ersten Irkutsk-Reise flogen 28 mierte Franz Kiesl Margarita Epifanowa darüber, dass er für Teilnehmer aus Ostwestfalen am 15. 2004 eine Reise nach Irkutsk plane. Sie erzählte das in der Stif- September nach Moskau und machten tung »Neue Namen« in Moskau, und so hat auch Denis Matsuev, im Hotel KOSMOS Zwischenstation. der bekannte Pianist, davon erfahren. Nach einer Stadtrundfahrt mit einem G Bummel im Kaufhaus GUM und einen Besuch in der Stiftung »Neue Namen« flog die Gruppe in Begleitung von Mar- garita Epifanowa am nächsten Tag dann Der in Irkutsk geborene Denis »Festival der Sterne am Baikal«. Was lag weiter nach Ostsibirien, wo sie gut sie- Matsuev hatte schon als 5-jähriger öf- also näher, als die Reise nach Irkutsk für ben Stunden später landete. Swetlana fentliche Auftritte in seiner Heimat- die Zeit des Festivals zu planen? Als De- Charisanowa empfing die Besucher am stadt und wurde später aufgrund seines nis Matsuev davon erfuhr, war seine Re- Talents Stipendiat der Stiftung. 2004 aktion: »Den Aufenthalt der avancierte er zum stellvertretenden Gruppe organisieren wir.« Präsidenten der »Neuen Namen«. Die Wir, das war das »Haus der FORUM-Gruppe hatte er während Künstler« in Irkutsk, das ihres Aufenthalts in Chanty Mansijsk von Direktorin Swetlana kennengelernt. Reiseteilnehmer hatten Charisanova geleitet wurde. ihm damals schon ihre Bewunderung für sein Klavierspiel persönlich ausge-  sprochen.

2004 organisierte Denis Matsuev in Das Gefährt auf unserer Reise seiner Heimatstadt zum ersten Mal das war echt »sibirisch«

134 fanowa ins Deutsche. Zunächst fielen die liebevoll restaurierten Kirchen mit ihren goldglänzenden Kuppeln und die typischen Holzhäuser mit ihrem filigranen Schnitzwerk an den Fassa- den, Fenstern und Türen ins Auge. Bei wunderbarem Spätsommerwetter bot ein Spaziergang am Ufer der Angara Gelegenheit zu den ersten Kontakten mit der Bevölkerung. Auffallend viele Reiseleiterin Ludmilla Minina war herzlich Brautpaare mit ihrer zahlreichen Be- und engagiert gleitung in festlicher Kleidung waren zu sehen. Auf einem Bauernmarkt gab es Obst und Gemüse in großer Aus- Was die Qualität des Programms betrifft, wahl. »Solche großen Möhren und war diese Reise im Jahre 2010 ein deut- Kohlköpfe habe ich noch nie gesehen«, licher Schritt nach vorn. Damit wurde staunten die deutschen Touristen. auch eine neue Struktur für den Aufent- halt in den Folgejahren geschaffen. Im »Haus der Künstler« trugen Solo- sänger mit Klavierbegleitung gefühlvoll Am ersten Tag zeichnete das Fernsehen russische Romanzen vor. Danach gab ein Interview mit einem Teil der Gruppe es eine Pause in der gut ausgestatteten auf, in dem Franz Kiesl unter anderem Kantine des »Hauses der Künstler«. Ei- von seiner 6 Jahre alten Bekanntschaft nen Wodka konnten jetzt fast alle gut mit dem Organisator des Festivals, De- vertragen. Er kostete umgerechnet 20 nis Matsuev, berichtete. Anschließend Cent. Ähnliche Reisen nach Irkutsk startete die Reisegruppe nach List­ folgten 2006 und 2008. Sie wurden wjanka am Ufer des Baikal-Sees zu ei- ebenfalls von Swetlana Charisanowa ner ausgiebigen Schifffahrt. Slawa Ma- organisiert und begleitet. Die Informa- ximov, ein Baikalsee-Forscher, steuerte tionen in russischer Sprache wurden sein Boot am Südufer entlang und legte bei diesen Reisen von jungen Männern nach drei Stunden einen Zwischenstopp übersetzt – manchmal mehr schlecht ein. Seine Frau Elena hatte eine kräftige als recht. Bei diesen beiden Reisen Pausenverpflegung an Bord. Zwei Stun- wohnten die Teilnehmer auch (noch) den später war die Bucht von Kadilnaja in nicht renovierten Zimmern. das nächste Ziel. Hier konnten die Teil- nehmer bei einem Spaziergang auf einer 2008 nahm Franz Kiesl zur Vorberei- weitläufigen Wiesenfläche viele fremd- Flughafen und begleitete sie ins Ho- tung der Reise 2010 Kontakt mit der artige blühende Blumen erforschen. tel »Baikal«, das inzwischen »Irkutsk« Leitung der Agentur »Westland« auf. Aber auch Edelweiß und Enzian, die bei heißt. Die Zimmer waren einfach, Die Gesprächspartnerinnen waren uns nur noch selten im Hochgebirge an- schwach ausgeleuchtet, etwas eng, und anfangs Verena Duderewa und später zutreffen sind, waren darunter. das Bad war schwarz gekachelt und Swetlana Butakowa. Swetlana spricht auch ein wenig gewöhnungsbedürftig. sehr gut Deutsch, hat ein großes Or- Nach dem Frühstück und einem kur- ganisationstalent und Freude an der zen Schlaf folgte eine Stadtrundfahrt. Zusammenarbeit mit dem Forum. Die Planungen klappten wie am Schnür- Als Reiseleiterin fungierte Swetlana chen. Swetlana engagierte die Reise- Charisanowa. Ihre umfassenden In- leiterin Ludmilla Minina, die über ein formationen übersetzte Margarita Epi- enormes Wissen verfügt, einschließlich einer großen Liebe zur Na- tur, wie ihre umfangreichen Kenntnisse auf diesem Ge- biet verraten. Und ab 2010 wohnten die Teilnehmer auch in »renovierten« Zim- mern.

Enzian und Edelweiß auf einer Wiese am Baikalsee (rechts)

Das Angebot an Obst und Gemüse war riesig (links)

135 Am späten Nachmittag legte Slawa Maximov beim Dorf Bolschie Koty an, wo seine Familie ein Ferienhaus besitzt. Bei einem verspäteten Mittagessen gab es Borschtsch, den Fisch Omul, den es nur im Baikalsee gibt, und als Nach- speise leckere Pfannkuchen.

Am nächsten Tag erfuhren die deut- schen Gäste noch mehr über den ge- waltigen See. Ein Sessellift brachte sie auf den Chersky-Hügel, 400 Meter hoch über dem Baikal-See. Aber auch von dort oben war bei Sonnenschein und klarer Sicht nur ein kleiner Teil der scheinbar unendlichen Fläche zu über- blicken. Auf seiner Länge von 636 Ki- lometern misst der See an der breitesten Stelle etwa 80 Kilometer und eine größ- te Tiefe von 1637 Meter. Das Baikal- Tanz und Gesang bei den Burjaten sind bei jedem Besuch ein besonderes Erlebnis Museum in der Nähe hält interessante Exponate bereit, die die Einmaligkeit des Sees demonstrieren. Eine besondere Attraktion, neben den vielen Fischarten und Krebsen, sind die einzigen im Süß- wasser lebenden Robben des Sees.

Vorher machte der Bus auf der Strecke von Listwjanka nach Talzay einen Ab- stecher zur Nikolaus-Kirche, wo ein älterer, hoch angesehener Priester wäh- rend des Besuchs einer größeren Grup- Das Wolkonskj-Museum erzählt die Geschichte Im Baikalmuseum wird das Leben im pe von Kindern die Taufe spendete. mit der das Kulturleben Irkutsks beginnt und am See dokumentiert

136 wurden hingerichtet oder in die Verban- nung nach Sibirien geschickt. Nach Jah- ren härtester Fronarbeit in Bergwerken erhielten die Verbannten das Recht, sich in Irkutsk niederzulassen, zusammen mit ihren Frauen, die ihnen freiwillig gefolgt waren. Unter Führung der Fa- milien Wolkonskij und Trubetskij ent- stand in ihren repräsentativen Häusern eine kulturelle Keimzelle mit Bibliothek sowie mit Musik- und Theaterauffüh- rungen, die in dem Museum liebevoll dargestellt wird.

Mit Spannung erwarten die Teilneh- mer jedes Mal den Besuch bei den Bur- jaten im etwa 65 Kilometer nördlich von Irkutsk gelegenen Ust-Ordinskij, der »Hauptstadt« des Burjatischen Be- Besuch bei Denis Matsuev: Willi Rehpöhler, Franz Kiesl, Dieter Winkler (von links) zirks innerhalb des Irkutsker Gebietes

mit 14 000 Einwohnern. Dort machen noch die Burjaten den überwiegenden Teil der Bevölkerung aus, ein alter ost- sibirischer Volksstamm, der überlieferte schamanische Traditionen pflegt. Wenn auch etwas touristisch aufgepeppt, be- kamen die deutschen Besucher doch ei- nen recht guten Eindruck von den alten Riten und Gebräuchen.

Für die deutschen Gäste bedeuteten die zwei besuchten Konzerte im Rah- men des »Festivals Sterne am Baikal« in der erstklassigen Konzerthalle und eine Aufführung in der Philharmonie unvergessliche kulturelle Höhepunkte. Im Mittelpunkt stand dabei der Pianist Sergej Arfandi, Franz Kiesl, Elena Kurilow, Andrej Salnikow, Intendantin Irina Kasjanowa Denis Matsuev, inzwischen Präsident und Chefdirigent Ilmar Lapinsch der Stiftung »Neue Namen«. Der in vielen Konzertsälen der Welt bekannte Künstler, ein guter Bekannter des Fo- Erstmalig stand die von früheren Grup- ben fanden einige der den Angehöri- rums, schaffte es trotz seines Engage- pen so sehr gewünschte Fahrt mit der gen der verschiedenen Religionen zur ments beim Festival, Franz Kiesl und Baikalbahn auf dem Programm, die auf Verfügung stehenden 20 orthodoxen zwei weitere Reiseteilnehmer persönlich der 84 Kilometer langen Strecke vier- und 2 katholischen Kirchen sowie eine zu begrüßen. zehn Mal für interessante Spaziergän- Moschee und eine Synagoge das Inter- ge und Besichtigungen unterbrochen esse der Gäste. Einen Blick mitten ins In der Konzerthalle der Irkutsker Phil- wurde. An der achtstündigen Fahrt tägliche Leben ermöglicht der Besuch harmonie musizierte das Symphonieor- nahmen insgesamt 400 bis 500 Passa- des Marktes mit seinen viel­fältigen An- chester der jungen Musiker des Irkuts- giere teil, darunter einige Schulklassen. geboten an Ständen im Freien und in ker Gouvernements unter dem Titel einer riesigen Halle. »Das Sternbild des Baikalsees«. Den Bei der obligatorischen Stadtrundfahrt Festivalabschluss bildete das Konzert erhielten die Teilnehmer einen Gesamt- Über das Dekabristenmuseum, ein des Symphonieorchesters der Irkutsker eindruck von der sibirischen Metropo- Museum, das über die Anfänge der Philharmonie, in dem verkündet wur- le, die durch den Angara-Fluss, den kulturellen Entwicklung Ostsibiriens de, dass das »Festival der Sterne« künftig einzigen Abfluss aus dem Baikal-See, informiert, lohnt es sich, besonders zu jährlich stattfindet. in zwei Teile getrennt ist. Der Bahnhof berichten, Im Dezember (russisch de- an der Strecke der legendären Transsi- kabr) 1825 gab es in Sankt Petersburg Am Tag nach dem Abschlusskonzert er- birischen Eisenbahn mit seinem leb- einen Aufstand von Offizieren und hielten die Gäste aus Deutschland in ei- haften Treiben und seiner interessanten Adligen gegen die diktatorische Zaren- nem Konferenzraum des Hotels hohen Architektur ist immer ein besonders herrschaft. Der Aufstand wurde verra- Besuch: Ilmar Lapinsch, Chefdirigent er­giebiges Besichtigungsobjekt. Dane- ten und niedergeschlagen, die Anführer des Irkutsker Symphonie-Orchesters,

137 Denis Matsuev mit dem 6-jährigen Pianisten und Chefdirigent Ilmar Lapinsch auf der Bühne des Musikhauses

der gut Deutsch spricht, Irina Kas­ Auch Leonid Besrodnj, Dirigent des Ort waren die Basis für den Verlauf der janowa, Intendantin der Irkutsker Jugendorchesters, suchte Franz Kiesl Reise im September 2011, dem Jahr, in Philharmonie, Andrej Salnikov, Her- im Hotel auf, um ihm einen detaillier- dem Irkutsk sein 350-jähriges Bestehen ausgeber der Zeitschrift »Irkutskaja Gu- ten Einblick in sein großes und enga- feiert. bernia«, Sergej Arfandi, Vorsitzender giertes Ensemble der jungen Musike- Erwähnt werden muss schließlich noch, der Russisch-Deutschen-Gesellschaft, rinnen und Musiker zu geben. dass sich bereits bei und nach der ersten und Elena Kurilow von der Abteilung Irkutsk-Reise eine Beziehung von her- Auslandsbeziehungen der Stadtverwal- Für die Programmpunkte in Irkutsk ausragender Bedeutung für das Forum tung Irkutsk. Über diese Begegnung eine Rangfolge zu bilden, ist müßig. entwickelte: Bei einem Konzert des schrieb Sergej Arfandi später an Franz Zu unterschiedliche Interessen werden Staatlichen Kammerorchester »Moskau- Kiesl: »Meinerseits kann ich sagen, dass angesprochen, aber das macht gerade er Virtuosen« unter Leitung des sympa- die Begegnung mit Ihrer Gruppe für den Reiz dieser Reise aus. Besondere thischen und charmanten Dirigenten mich ein Erlebnis war. Besonders stark Attraktionen sind zweifellos die Kon- Wladimir Spivakov war Franz Kiesl von hat mich das lebendige Interesse der zerte im Rahmen des »Festivals der der Ausstrahlung dieses Mannes so be- Gruppenteilnehmer für uns und unser Sterne am Baikal«, die Schifffahrt auf geistert, dass er spontan äußerte: »Spi- Leben beeindruckt. Ich wünsche mir, dem Baikalsee, die Fahrt mit der Bai- vakov braucht kein Orchester, Spivakov dass es nach diesem Gespräch zu wei- kalbahn und der Besuch bei den »Bur- braucht auch nicht seine Violine, es teren Schritten in unseren Beziehungen jaten«. Mit Sicherheit hat die Reise im reicht, wenn Spivakov mit seiner Aus- kommen wird.« Jahr 2010 Maßstäbe gesetzt. Die Viel- strahlung auf die Bühne kommt«. Über zahl der neu geknüpften Kontakte und die Beziehung, die sich nach diesem die inzwischen erreichte Qualität der Konzerterlebnis entwickelt hat, wird in organisatorischen Unterstützung vor einem eigenen Kapitel berichtet.

138 Kasan Stadt an der Wolga und Hauptstadt der Republik Tatarstan Die größte Moschee in Europa

uf der Moskau-Reise im Juni 2005 war die Forum-Gruppe zu Gast beim für die Forum-Gruppe sollte vom Prä- dortigen »Interclub«. Dabei spielte die 11-jährige Nastja Nesterova am sidialamt ausgesprochen werden. Damit AFlügel. Hans Heinermann, einer der Mitreisenden, sagte sofort: »Die man dort erfuhr, was sich hinter dem lade ich ein.« Im August des gleichen Jahres kam Nastja mit ihrer Lehrerin Fira Namen »Forum Russische Kultur« ver- Isaewa nach Herzebrock als Gast der Familie Heinermann. Fira Isaewa schenkte birgt, wurde Gudrun Steinacker, Kultu- bei der ersten Begegnung Franz Kiesl einen Bildband von Kasan und sagte voller rattachée in der Deutschen Botschaft in Stolz: »Das ist meine Heimatstadt. Kasan feiert 2005 das 1000-jährige Beste- Moskau, gebeten, in einem Schreiben hen«. nach Kasan das Wirken des Forums zu beschreiben. Das klappte. Sergej Shi- golev, Leiter der Auslandsabteilung im Franz Kiesl sah sich die vielen Fotos hansa nach Kasan. Für dieses neue Ziel Präsidialamt, setzte sich mit Franz Kiesl an und war so begeistert, dass er kurz waren erst einmal strategische Vorbe- in Verbindung, buchte das Hotel, enga- entschlossen sagte: »Da waren wir noch reitungen zu treffen, denn es gab noch gierte die Reiseleiterin und organisierte nicht, aber da müssen wir hin«. Im Juni keine Kontakte. Fira Isaewa hatte aber das Programm. Beim ersten Telefonge- des nächsten Jahres – also 2006 – rei- Tipps parat, die sehr hilfreich waren spräch wunderte sich Franz Kiesl über sten fünfzehn Personen mit der Luft­ und den Weg ebneten. Die Einladung die guten Deutschkenntnisse von Sergej

139 Alla Semjonova und Anna Zahmatova, Franz Kiesl überreicht Kulturministerin Silija Bei vielen Attraktionen herrscht fröhliche Stim- die engagierten Helferinnen Walejewa als Gruß der Bürgermeisterin Maria mung auf dem »Sabantui-Fest« Unger ein Wandbild

Shigolev. Es stellte sich heraus, dass er auf und ziehen mit ihrer Musik, ihren an der mittleren Wolga. Kasan verfügt als russischer Soldat in der DDR statio- Tänzen und sportlichen Darbietungen über einen modernen internationalen niert war und dort eine herausragende viele tausend Gäste an. Flughafen, in 2005 wurde die Metro Funktion innehatte, was er immer wie- eröffnet. Seit 2007 gibt es in der Stadt- der mit seinem Engagement und seiner Zum Programm jeder Kasan-Reise mitte ein 20.000 m² großes Einkaufs- Zuverlässigkeit unter Beweis stellte. gehört ein Besuch in Bulgar, dem zentrum mit einem beachtlichen Wa- Als Reiseleiterin engagierte Shigolev die ­Ursprungsort der Geschichte Tatar- renangebot und vielen gastronomischen Dozentin für Deutsch an der Pädagogi- stans. Dshamil Muchametschin, wis- Betrieben. Kasan unterhält sieben Mu- schen Hochschule, Sarema Zaripova. senschaftlicher Mitarbeiter des Bulga- seen, ein Opernhaus, fünf weitere Thea- Sie ist eine quicklebendige Person, mit rischen Museumsreferats, führte nach ter und eine große Konzerthalle. Unter viel Charme und Witz. Über ihr Wis- einer ausführlichen Einführung in die den 26 Hochschulen der Stadt nimmt sen staunten alle jeden Tag von neuem. Geschichte von Bulgar über das Gelän- die zweitälteste Universität Russlands, Ständig begleitet wurde Sarema von de, in die Mausoleen und ins Histori- die1804 gegründet wurde, einen beson- Anna Zahmatova und Alla Semjonova, sche Museum. Zeugen für die hohe deren Rang ein. die im Ministerium für Jugend, Sport kulturelle Entwicklung des Gebietes und Tourismus arbeiten. Sie waren für sind die den Gästen im Museum prä- Ein historisches Juwel ist der »Weiße die Organisation im Großen und im sentierten Gegenstände, besonders Kreml«, der nach der Eroberung Kasans Detail zuständig. kunstvolle Arbeiten in Pelz und Leder, durch Iwan den Schrecklichen 1552 auf Ton- und Bronze, Werkzeuge, Schlös- den Trümmern des alten Khan-Palastes Ein Höhepunkt der ersten Kasan-Reise ser aus Eisen, sowie Schmuck. Mün- als Festung errichtet wurde. Hinter war der Empfang bei der Kulturmini- zen wurden schon im 10. Jahrhundert einer 1700 Meter langen Mauer er- sterin der Republik Tatarstan, Silija geprägt, die Juwelierkunst entwickelte schließt sich dem Besucher eine Fläche Walejewa. Franz Kiesl hatte mit der ihn sich ab dem 12 Jahrhundert. Den Ab- von 150 000 Quadratmetern, die von begleitenden Delegation Gelegenheit, schluss des Besuchs in Bulgar bildet ein der »Kul-Sharif-Moschee«, der größten der Kulturministerin über das Wirken tatarisches Festmenü in einem roman- muslimischen Kultstätte in Europa, und des Forums und seine Verbindungen tischen Nomadenzelt direkt am Ufer gleich gegenüber der »Maria-Verkündi- nach Russland zu berichten. Und um- der Wolga. gungs-Kathedrale« dominiert wird. Im gekehrt informierte die Ministerin die Jahre 2000 wurde das gesamte Bauen- deutschen Gäste über die vielfältigen Zurück nach Kasan. Die Stadt mit ih- semble in die Liste des Weltkulturerbes Programme im Bereich der Kultur in ren 1,2 Millionen Einwohnern liegt der UNESCO aufgenommen. Auf dem Kasan und Tatarstan. etwa 800 km südöstlich von Moskau Wege zum »Nationalmuseum der Repu-

Es folgten drei weitere Reisen mit fast gleichem Programm. Beim ersten Auf- enthalt wohnte die Gruppe im »Hotel Tatarstan« und bei den Reisen in 2008, 2009 und 2010 im ****-Hotel »Schal- japin«. Die Besuche fanden stets in der ersten Hälfte des Monats Juni statt, weil die Teilnehmer unbedingt das »Sabantui-Fest« erleben müssen, eine kulturelle Veranstaltung ganz besonde- rer Art, das die Tataren an vielen Or- ten im Freien feiern. Bei jedem dieser Die Schifffahrt Feste treten die verschiedenen ethni- auf der Wolga mit abwechslungsreicher schen Volksgruppen in ihren Trachten Uferlandschaft 140 Der Besuch in 2010 erhielt seinen be- sonderen Wert dadurch, dass Mönch Nikolai nicht nur sehr viele historische Details zu berichten wusste, sondern weil er als Chorleiter aus dem umfang- reichen Repertoire einige Beispiele zu bieten hatte.

Er vermittelte Franz Kiesl ein Gespräch mit dem 87jährigen Mönch Sergej Scir- jajew, der seit 1994 im Kloster lebt und dort hohes Ansehen genießt In seinem Berufsleben war er Leiter eines Lehr- stuhls für Raketen-Technik. Er erzählte von seiner Gastprofessur in Magdeburg. Nach dem Zerfall der UdSSR trieb ihn die Frage um, wer denn künftig nach der wieder gewonnenen Freiheit die Aufgabe der Vermittlung der ethischen Die Klosteranlage Raifa im erstklassigen Zustand Grundlagen der Gesellschaft an die nachwachsenden Generationen über- nehmen soll. Er hält das für die vor- nehmste Aufgabe der orthodoxen Kir- che.

In der Stadt wird die Kreuzkirche be- sucht, in der die Ikone der »Mutter Gottes von Kasan« einen Ehrenplatz erhalten hat, nachdem sie erst vor ei- nigen Jahren vom Vatikan an die rus- sisch-orthodoxe Kirche zurückgegeben worden ist. Sie wird von den Gläubigen hoch verehrt und trägt als Dank für ihre Wundertaten wertvollen Schmuck. Der 1579 aus einer Brandstätte in Ka- san unversehrt geborgenen Ikone wird zugesprochen, 1611 dem russischen Heer bei der Befreiung Moskaus von polnischen Invasoren und auch 1812 im Kampf gegen Napoleon helfend zur Im weißen Kreml Seite gestanden zu haben.

blik Tatarstan« passieren die Reiseteil- Ein anderer Besuch gilt dem Kloster nehmer den im 17. Jahrhundert erbau- Raifa, – www.raifa.ru – ebenfalls etwa ten 58 Meter hohen Sjujumbeki-Turm 30 km von Kasan entfernt, dessen – den schiefen Turm von Kasan. Mittelpunkt die Ikone der »Mutter Gottes von Georgien« ist. Das 1613 Für die Schifffahrt auf der Wolga wird von Mönch Filaret gegründete Kloster eigens ein Boot am Flusshafen gechar- wurde 1928 geschlossen und als Straf- tert, einem der größten Binnenhäfen anstalt mit Werkstätten für Jugend- Europas. Sonnenschein und blauer liche genutzt. 1990 konnte mit der Himmel sind jedes Mal fast garantiert. Wiedereinrichtung begonnen werden. Ziel ist das 30 Kilometer entfernte Inzwischen ist die Klosteranlage mit Makarij-Kloster aus dem 17. Jahrhun- vier Kirchen wieder in einem erstklas- dert. Bruder Sergiji berichtete über die sigen Zustand. Das Kloster unterhält Geschichte des Klosters und den Wie- ein Heim mit etwa 30 Kindern und deraufbau, der von Jahr zu Jahr fort- Jugendlichen im Alter von 6 bis 17 Jah- schreitet. Alla und Anna besorgen Ver- ren, Halbwaisen oder von ihren Eltern pflegung und Getränke, die während vernachlässigte Heranwachsende. Franz Kiesl im Gespräch der Fahrt serviert werden. mit dem Mönch Sergej Scirjajew

141 Im »Deutschen Haus«: Besuch in der Universität: Leiterin Alfija Saripova links neben Franz Kiesl Sergej Shigolev, Franz Kiesl und Victor Dietz mit vier Deutschlehrerinnen.

Ein beliebter Programmpunkt ist der in der – wie immer Besuch im »Deutschen Haus« – www. – auch die traum- ndrt.ru –, das Victor Dietz, dessen Vor- haften Bühnenbilder fahren aus Hessen stammen, als Direk- und prächtigen Ko- tor leitet. Sein Credo: »Wir wollen die stüme das Publikum geistlichen und kulturellen Werte pfle- beeindruckten. Star- gen und mehren«. In Russland gibt es solisten sind Ajdar nach seinen Worten noch rund 600.000 Achmetov, ein in der Menschen mit deutschen Wurzeln. In ganzen Welt viel ge- dem Gebäude hat auch die evangelisch- fragter Tänzer, und lutherische Kirche der Heiligen Kathari- Lilia Musovara, eine na ihre Heimat. Das Gebäude wird seit Primaballerina mit einigen Jahren saniert. Die Fortschritte einer herausragenden Technik und be- Professor Muchametschin berichtet ausführlich bei der Sanierung des Gebäudes werden eindruckender Ausstrahlung. über die Geschichte der Mausoleen in Bulgar von Jahr zu Jahr sichtbar. Für die deut- schen Gäste gibt es bei Tee und Gebäck Sarema Zapirova hatte erstmals 2010 begrüßt. Die deutschen Besucher unter- ein Konzert und ein Theaterspiel. Die ihre Studentinnen Ljudmila Mjasni- hielten sich in mehreren Gruppen mit Reiseteilnehmer bedanken sich für diese kova und Anna Romanova eingeladen, den jungen Damen, die die immer wie- freundliche Geste stets mit einer Spen- die Gruppe zeitweise zu begleiten. Bei der gestellte Frage nach ihrem Interesse de. Ständiger Gast bei diesen Treffen ist einem Vormittagsbesuch in der Hoch- an einem Deutschlandbesuch einhellig Sergej Shigolev. schule wurden sie dort von der Leiterin bejahten. des Lehrstuhls für »Deutsche Sprache«, Als ein kultureller Höhepunkt der Alfija Saripova, einem Teil des Kollegi- Kasan-Besuche steht eine Aufführung ums und zehn weiteren Studentinnen Blick in das Opernhaus »Mussa-Dshalil« im prachtvollen Opernhaus »Mussa- Dshalil« auf dem Programm. In einem Ranking des Magazins Forbes in 2009 wurde der Staatsoper Kasan nach den wesentlich höher dotierten Opern- häusern in Moskau und St. Petersburg künstlerisch der 3. Rang in der Russi- schen Föderation zuerkannt. In den letzten Jahren feierte besonders das Ballett in vielen europäischen Län- dern, unter anderem in den Niederlan- den, in Frankreich, Dänemark, Belgi- en, Irland, Portugal und Deutschland große Erfolge. 2010 besuchte die Rei- segruppe die Premiere des Balletts »Die Kameliendame«. Die Glanzleistungen der Tänzer wurden in einer ästheti- schen Gesamtinszenierung präsentiert,

142 Die erste Kasan-Reise in 2006 fand nach einer unvergesslichen Busfahrt eine Fortsetzung in dem etwa 600 km entfernten Ufa, der Hauptstadt der Re- publik Baschkortastans am Fuße des Urals.

143 Ufa Die Stadt am Fuße des Urals und Hauptstadt der Republik Baschkortastan

Der Bus macht unterwegs einen Zwischenstopp Ufa war dem Forum schon vor der Reise bekannt, denn der Verein unterhielt schon Beziehungen zur Präsidentin des »Deutsch-Clubs«, zu Dr. Olga Kopane- va. Wie der Kontakt entstanden ist, lesen Sie im Kapitel »Beziehungen«. Franz Kiesl hat Olga Kopaneva bei einer Begegnung in der Russischen Botschaft in Berlin im Juni 2005 zu einem Besuch nach Gütersloh eingeladen. Sie hielt am 28. Juni in der Volkshochschule vor einem Kreis Interessierter einen Vortrag über Ihre Heimatstadt Ufa, über Baschkortastan und über den »Deutsch-Club«.

Schon direkt nach dieser Veranstaltung hen und die Straßen waren gut. Aber stand fest, dass das Forum irgendwann die Insassen vermissten schon bald Baschkirische Volkstanzgruppe empfängt die deut- auch eine Reise nach Ufa organisieren schmerzlich die fehlende Klimaanlage, schen Gäste an der Grenze Tatarstan - Baschkirien würde, denn das, was zu hören war, denn die Sonne brannte erbarmungslos sollte auch gesehen werden. vom strahlend blauen Himmel. Das Nach und nach entwickelten sich Resümee war: Diese Überlandfahrt war Überlegungen, dass die Ufa-Reise mit für alle eine ganz neue Erfahrung. einer Reise nach Kasan verbunden wer- deutschen Gäste tätig war. Persönliche den könnte. Die Entfernung von etwa An der Grenze von Tatarstan zu Basch- Begegnungen nahmen einen breiten 600 km zwischen den beiden Städten kortostan wurde die Gruppe »zur Be- Raum ein. Einen Abend verbrachten schien überwindbar. lohnung« sehr freundlich von einem die deutschen Gäste, aufgeteilt in vier baschkirischen Volkstanz- und Musik­ Gruppen, in den Familien von Mitglie- Die Gruppe wurde in Kasan mit einem ensemble in Landestracht mit Brot, Salz dern des »Deutsch-Clubs«. Anlässlich in die Jahre gekommenen Mercedes- und Tschak-Tschak, einem süßen mos- der bunten Abschlussfeier eines Ju- Bus abgeholt, der am Abend des Vor- lemischen Pilgergebäck ­empfangen. gendlagers hatte Franz Kiesl unter star- tags in Ufa abgefahren war und am kem Beifall Gelegenheit, die deutschen Vormittag des folgenden Tages zwei Ufa ist eine relativ junge, aufstreben- Besucher den Lehrern, Begleitern und Stunden später als geplant ankam. de Stadt, stark industriell geprägt. Seit Jugendlichen vorzustellen. Am letzten Stauraum für die Koffer gab es nicht, dem 2. Weltkrieg hat sie eine stürmi- Tag hatte Raissa, die 2. Vorsitzende des so dass die Teilnehmer ihr Gepäck sche Entwicklung erlebt. Das Pro- »Deutsch- Clubs«, die alle nur beim im Inneren des Busses unterbringen gramm gestaltete der »Deutsch-Club«; Vornamen nannten, in ihr Haus ein- mussten. Unterwegs gab es zwar eine Reiseleiterin war Dr. Olga Kopane- geladen und freute sich, die deutschen abwechslungsreiche Landschaft zu se- va, die unermüdlich zum Wohl der Gäste bewirten zu können. Anwesend waren auch zwölf Jugendliche, die ent- weder Deutschland bereits aus eigener Anschauung kannten oder im Sommer 2006 kennen lernen wollten, was na- türlich für viel Gesprächsstoff sorgte. Abschließendes Urteil der Gruppe des Forums: »Ufa ist ein deutsches Nest«.

Dieser Eindruck verfestigte sich, als die Gruppe anlässlich der Besichtigung einer Großbrauerei mit türkischen Ei- gentümern und dem Besuch eines Brau- hauses zwei deutsche Braumeister traf, die bereits seit einigen Jahren in Ufa als »Gastarbeiter« tätig sind. Sie berichteten von vielfältigen wirtschaftlichen Kon- takten zwischen Deutschland und der Im Jugendlager wurde ein umfangreiches Kulturprogramm geboten. Region.

144 Raissa freute sich, Gastgeberin sein zu können

Im Haus von Raissa Gabdrakhimov wurden die deutchen Gäste fürstlich bewirtet. Auch Freunde der Gastgeberin waren eingeladen. Es gab lange, anregende Gespräche.

Glück hatte die Gruppe bei einem Aus- Aufführung des Moskauer Kreml- Es gibt seit diesem Besuch vielfältige flug in den 200 km von Ufa entfern- Balletts teilzunehmen. Daneben wur- Beziehungen. In den vergangenen Jah- ten Kurort Krasnoussolks mit seinen den viele interessante orthodoxe und ren waren auf Einladung des Forums Heilquellen am Rande der bewaldeten muslimische Sakralbauten besichtigt. jährlich zehn bis fünfzehn Personen Uralhöhen, denn sie hatten nicht nur Im Zusammenleben von Christen und für einen mehrwöchigen Aufenthalt in Gelegenheit, unter fachkundiger Füh- Muslimen waren Spannungen nicht Deutschland, um ihre Kontakte zu pfle- rung die hochmodernen Erholungs-, erkennbar. Eine Reihe von Gesprächs- gen und auszubauen. Darüber wird an Heil- und Kureinrichtungen zu besich- partnern lebte in gemischt religiösen anderer Stelle berichtet. tigen, in denen über 60 verschiedene Ehen. Anwendungen angeboten werden, son- dern sie wurden vielmehr auch Zeugen Welche Bedeutung die russische Seite einer beeindruckenden orthodoxen dem Kontakt zum Forum Russische Wallfahrt zu einem benachbarten Klo- Kultur Gütersloh beimisst, zeigt der ster mit einer »Heiligen Quelle«. Empfang beim Vorsitzenden des In- ternationalen Kulturkongresses in Ufa, Im Rahmen des Kulturprogramms Sulejmanow Achmet Muchametalee- ergab sich die Möglichkeit, an einer witsch.

Vorsitzender Suleimanow Achmet Muchametalee- witsch informiert über die Republik Baschkortastan und die Stadt Ufa

In herrlicher Landschaft: Die Kuranlage Krasnoussolks

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146 Auch über die Entwicklung der TAGANROG intensiven Zusammenarbeit mit Natalie Petrovskaja vor der ersten Reise nach Tagan- Eine Reise rog wird im Kapitel »Unsere Beziehungen« ausführlich be- in den richtet. Jedenfalls ergab sich Süden aus dieser Zusammenarbeit der beinahe natürliche Wunsch Russlands von Franz Kiesl, die Heimat von Natalie kennen zu lernen. Andererseits wünschte auch sie sich, dass möglichst bald Mit- glieder und Freunde des Forums nach Taganrog kommen würden, denen sie viele Sehenswürdig- keiten und, vor allem, besonde- re Begegnungen bieten konnte. Natalie ist in ihrer Heimatstadt und ebenso in der Gebiets-Haupt- stadt Rostov am Don eine be- kannte Persönlichkeit.

Vor dem ersten Besuch eines Reiseziels dem großen Dichter ihre Referenz mit tauchen während der Planung unzähli- dem Besuch seines Geburtshauses. ge Fragen an die Partner vor Ort auf. Jede Antwort von Natalie kam prompt Für die erste Reise in den Süden Russ- und schaff te auf Anhieb Klarheit. Ihre lands im Mai 2009 kam die Einladung Berufserfahrung war die Voraussetzung für die 24 Teilnehmer von der Stadt- für einen Reiseverlauf, der hundertpro- verwaltung Taganrog. Gleich am ersten zentig klappte. Tag, einem Sonntag, erlebte die Rei- segruppe bei einem Empfang in der Die Stadt mit ihren heute rund Stadtverwaltung einen »ganz großen 300 000 Einwohnern ist eine Grün- Bahnhof« mit Vertretern des Stadtrates, dung Peters des Großen aus dem Jahre der Stadtverwaltung und der Hochschu- 1698. Sie ist damit einige Jahre älter als len der Stadt, die damit das Interesse an St. Petersburg. Die Stadt verdankt ihre dem Besuch aus Deutschland überzeu- Entstehung der Lage am Asowschen gend unter Beweis stellten. Franz Kiesl Meer. Schon bald nach ihrer Grün- und Heinz Pastel, Mitglied des Beirats, dung erreichte sie als Hafenstadt große überbrachten die Grüße der Stadt Gü- Das Geburtshaus Anton Tschechows ist heute ein strategische und wirtschaftliche Be- Museum tersloh. deutung, deren Spuren noch heute im Stadtbild sichtbar sind. Auf einer kurzen Stadtrundfahrt unter Leitung von Historikerin Tatiana Art- Unter den nicht wenigen berühmten juschkina war auch Albert Smirnow Söhnen und Töchtern Taganrogs ragt vom Zollamt ein kompetenter Begleiter, der große Schriftsteller und Drama- der besonders auf historische Gebäude turg Anton P. Tschechow hervor, der mit deutschen Wurzeln hinwies. Unter- von den Bürgern auch heute noch hoch stützt wurde er von Alexej Gudkow vom verehrt wird und dessen Lebensweg Metallurgiewerk bei der Besichtigung an vielen Plätzen in der Stadt nachge- der ältesten Kirche der Stadt, die 1778 zeichnet wird. Im Jahre 2010 wurde errichtet wurde und bezeichnender sein 150. Geburtstag aufwändig gefei- Weise den Namen des heiligen Nicolai, ert. Auch die deutschen Gäste erwiesen Die Depaldo-Treppe mit 199 Stufen führt zum Meer des Schutzpatrons der Seefahrer, trägt.

147 Empfang in der Stadtverwaltung Die Kinder boten ein professionelles Kinder schenken ihren Gästen (hinten) die Bilder Kulturprogramm Chormitglieder ernteten viel Applaus Von den zahlreichen Denkmälern sind segruppe zu übermitteln. Überraschen- besonders die des Gründers, Peter der de Bekanntschaft machte die Forum- Große, und Alexander I. zu erwähnen. Gruppe bei diesem Konzert mit dem sympathischen Leiter des Donkosaken- Bei einem abendlichen Spaziergang ge- Chores, Prof. Victor Gontscharow, aus langten die Besucher über die berühm- Rostov am Don, der es sich später am te Depaldo-Treppe mit ihren 199 Stu- Abreisetag nicht nehmen ließ, persön- fen zum Strand, zum Yachthafen und lich Abschied von den deutschen Gäs­ zu einem großartig angelegten Park, ten zu nehmen. dessen Bäume von den Bürgern in Ei- geninitiative angepflanzt worden sind, Das Kunstmuseum in einem gut erhal- ein Beispiel für intakten Gemeinsinn. tenen Gebäude aus dem Jahre 1898 be- herbergt in seinen komplett renovier- bleiben wird. In lockerer Atmosphäre Auftakt des kulturellen Programms ten Räumen die Gemäldesammlung stand der Dirigent den deutschen Gä- war eine Schauspielaufführung im der Stadt mit Werken aus dem 17. und sten danach zu einem Gespräch zur Drama-Theater. Der repräsentative Bau 18. Jahrhundert. zu der Anton Tsche- Verfügung. Vor dem Konzert erhielt die aus dem Jahre 1866 trägt den Namen chow nicht unwesentlich beigetragen Gruppe im Obergeschoss des Palastes, Tschechows. Wenn auch die deutschen hat. Die von ihm gestifteten Bilder sind in dem das Stadtmuseum untergebracht Besucher in Unkenntnis der russischen mit dem Symbol einer Brille in der für ist, noch einen Einblick in die glanzvolle, Sprache den Texten des Lustspiels mit den Dichter typischen Form gekenn- aber auch wechselvolle Geschichte von dem aktuellen Titel »Der Bankrotteur« zeichnet. Ein wahrscheinlich einmali- Taganrog. Die Leiterin des Museums, nicht folgen konnten, so erfreuten sie ges Erlebnis für die deutschen Besucher Galina Krupnickaya, ist eine bedeutende sich doch an der eindrucksvollen Mi- war die einem Gemälde nachempfun- Trägerin der Kulturarbeit in der Stadt. mik und Körpersprache der Darsteller. dene Tanzszene durch eine Kinder- gruppe mit Zweigen und brennenden Auch während des Besuchs in Rostov Ein Konzert des Chores »Lik« unter Kerzen, die in rührender Weise das Bild am Don hatte die Kultur ihren Raum. Leitung von Alexej Loginow im Al- zum Leben erweckten. Im Kulturpalast »Lenin« boten Kinder feraki-Palast, heute ein Museum und und Jugendliche der örtlichen Kinder- großer Konzertsaal, der 1848 von dem Auch bei einer Ausstellung in der städ- Kunstschule und der Schule des Dorfes deutschstämmigen Architekten Andrej tischen Tschechow-Bibliothek stan- Samarskoje ein brillantes Feuerwerk aus Stackenschneider für den griechischen den Kinder im Mittelpunkt. Swetlana Tanz, Gesang und Ballett unter der Lei- Kaufmann Achilles Alferaki errichtet Sergeewa, Leiterin des Kindermalstu- tung von Michael Balanow und seiner wurde, machte der berühmten russi- dios, stellte die beachtlichen Arbeiten Frau Elena. Die jungen Talente stellten schen Chortradition alle Ehre. Franz ihrer 8- bis 14-jährigen Schüler vor. sich als Sieger eines internationalen TV- Kiesl hatte Gelegenheit, den übrigen Jedem der Reiseteilnehmer schenkten Musikwettbewerbs vor. Auch bei dieser Konzertbesuchern die Grüße der Rei- die Kinder eines ihrer Bilder. In An- Veranstaltung war das Fernsehen vertre- wesenheit des regionalen Fernsehens ten, das Franz Kiesl, Heinz Pastel und Eine große Überraschung für die deutschen überreichte Franz Kiesl Urkunden und Stefan Brams interviewte. Besucher kleine Geschenke an die Sieger des Malwettbewerbs, deren Bilder in der Einen Eindruck von der Musikbegei- Ausstellung präsentiert wurden. sterung der russischen Kinder und Ju- gendlichen verschaffte der Besuch in der Letzter kultureller Höhepunkt in Tag- Rostover Kinder-Jazz-Musikschule, die anrog war ein Konzert des Städtischen 1995 gegründet wurde und heute 480 Sinfonieorchesters unter der sensiblen junge Musiker im Alter von 3 bis 17 Stabführung von Alexander Gure- Jahren ausbildet. Das Schulgeld beträgt witsch, wiederum im Alferaki-Palast, umgerechnet 10 € im Monat, den Rest das den Besuchern in bester Erinnerung trägt die öffentliche Hand. Mit Erstau-

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Die Jazz-Gruppe begeisterte ihr deutsches Publikum

nen und großer Anteilnahme verfolg- ten die Gäste die gekonnten Interpre- tationen der jungen Musikerinnen und Reisegruppe vor der Gebietsverwaltung in Rostov am Don Musiker, die vom freundlichen Enga- gement ihres Leiters Andrej Matschnev folgreichen Absolventen keine Schwie- Die junge Mannschaft, 720 Mitarbeiter unterstützt wurden. rigkeiten haben, eine qualifizierte An- mit einem Durchschnittsalter von 35 stellung zu finden. Für die angebotenen Jahren, war hoch motiviert. Teamarbeit Der Besuch in der Gebietsverwal- Fachrichtungen Management, Jura, wird ganz groß geschrieben. Es besteht tung in Rostov am Don, vergleichbar Staatswissenschaft, Finanz- und Kredit- ein betriebliches Vorschlagswesen mit mit dem Sitz einer Landesregierung wesen, Psychologie, Rechnungswesen, Prämienausschüttungen und ein Be- in Deutschland, war für die Reiseteil- Marketing und Weltwirtschaft besteht triebsrentensystem, das einem aus Al- nehmer ein besonderes Ereignis. Vor offensichtlich erhebliche Nachfrage in tersgründen ausscheidendem Mitarbei- dem imposanten Verwaltungsgebäude der Region. Selbst in einer so »hand- ter neben seiner monatlichen staatlichen wurden die Gäste von Jury Dudnik be- fest« ausgerichteten Lehranstalt wird in Rente von derzeit 4500 Rubeln eine grüßt und in den großen Konferenzsaal Russland die Kultur nicht vernachläs- betriebliche Rente von 2000 Rubeln si- geführt, wo sie vom stellvertretenden sigt. Davon konnten sich die Besucher chert. Das Unternehmen gewährte den Gouverneur des Oblast Rostov, Alex- während eines hochklassigen Studen- 12 besten Studenten der Stadt damals ander Bedrik, sehr herzlich empfangen tenprogramms mit Volkstanz, Gesang ein Stipendium von ebenfalls 2000 Ru- wurden. Der frühere Kinderarzt, der und Ballett überzeugen. beln im Monat. Leonid Matussevitsch seit 20 Jahren in der Verwaltung für erreichte in der Schweiz im Jahr 2008 Kultur und Soziales verantwortlich ist, Die intensive Zusammenarbeit der für sein Unternehmen die Qualifikation berichtete über seine jetzigen Aufgaben Hochschule mit der heimischen Wirt- »Europäischer Qualitätsstandard«. und seine frühere Tätigkeit in einem schaft wurde bei einem Besuch der In- Kinderkrankenhaus. Valeri Yevteyev, dustrie- und Handelskammer am Ort Besonders erwähnt werden muss die so- Abteilungsleiter für Außenbeziehun- betont. Neben drei Flugzeugfabriken ziale Jugendarbeit in der Stadt. In Tag- gen, richtete ebenfalls einen Gruß an sind ein Metallurgiewerk, eine Kessel- anrog gibt es mit dem »Juvenalgericht« die Gäste. fabrik und ein Lederwerk die Hauptar- eine in Russland einmalige Einrichtung. beitgeber. Aber auch eine Vielzahl von Über die übliche Arbeit eines Familien- Franz Kiesl, Natalie Petrovskaya und Klein- und Mittelbetrieben, die rund gerichts hinaus werden dort Eltern ver- der mitgereiste Stefan Brams, Lei- 30% der neuen Arbeitsplätze geschaffen nachlässigter oder gefährdeter Kinder ter der Kulturredaktion der »Neuen haben, stellt inzwischen ein wertvolles beraten, beobachtet und begleitet, bevor Westfälischen« bedankten sich für den Wirtschaftspotenzial dar. Die Arbeits- Sanktionen verhängt werden. Die Gäste freundlichen Empfang. Heinz Pastel losigkeit lag lediglich bei erstaunlichen aus Deutschland konnten sich beim Be- überbrachte die Grüße der Güterslo- 3–4%, obwohl die Weltwirtschaftskrise such eines Heims für 30 vernachlässigte her Bürgermeisterin Maria Unger und erste Auswirkungen zeigte. Interessant Kinder im Alter von 3 bis 17 Jahren ein überreichte den Wappenteller der Stadt. war die Aussage, dass einige Betriebe in konkretes Bild von den Bemühungen der Stadt immer noch auf deutsche und eines Teams von Erziehern, Psycholo- Zurück nach Taganrog. Eine Vorzeige- belgische Gründer zurückgehen. gen, Lehrern und ehrenamtlichen Hel- adresse der Stadt ist die 1993 gegründe- fern um diese Heranwachsenden ma- te private Hochschule für Verwaltungs- Direkten Einblick in die erfolgreiche chen. Wichtigstes Ziel der Einrichtung, management und Ökonomie an der Entwicklung eines neuen Unterneh- so Fjodor Raut, der Leiter des Heims, zurzeit rund 2000 Studenten von 116 mens erhielt die Besuchergruppe bei ist es, als Grundlage für das Leben in der Professoren und Dozenten unterrich- der Firma »Lemax«. Die 1992 von Gemeinschaft Vertrauen bei den Kin- tet werden. Leiter der Hochschule ist Leonid Matussevitsch als Baumaterial- dern aus sozial schwachen Familien zu Rektor Professor Sergey Awakow. Die handel gegründete Firma nahm später schaffen. »Sie müssen sich angenommen an westeuropäischen Standards ausge- selbst die Produktion auf, zunächst von und umsorgt fühlen«. Das Heim stellt richtete Ausbildung ist mit Studienge- hochwertigen Ziegeln, später die Bear- nur eine pädagogische Zwischenstation bühren von 1000 € im Jahr nicht gera- beitung von Blechen und schließlich dar. Nach sechs Monaten kehren die de billig. Es scheint sich aber um eine die Herstellung von Heizkesseln mit ei- Kinder entweder zu ihren Eltern zurück gute Investition zu handeln, da die er- ner Jahreskapazität von 100 000 Stück. oder siedeln in ein Waisenhaus über.

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Betriebsbesichtigung in der Fertigung bei Lemax

In einer fröhlichen und unbeschwer- ten Atmosphäre führten die Kinder Gesänge, Tänze und Sketche vor, ein Ehepaar Balanow bot im Lenin-Kulturpalast ein umfangreiches Kulturprogramm Schwerpunkt der Erziehungsarbeit. mit großartigen Bühnenbildern und Kostümen Zur Förderung der Kreativität wer- den Bastelarbeiten aus verschiedenen Olga« genannt wird. Mit Stolz führte mit jungen Menschen, zeigten. Beein- Werkstoffen angefertigt. Einige Arbei- sie den Gästen ihr traditionelles Holz- druckend war auch das öffentliche In- ten wurden den deutschen Gästen per- haus vor. teresse von Fernsehen, Rundfunk und sönlich als Geschenk überreicht. Echte Presse an dem Besuch aus Deutschland, Freude lösten bei den Kindern die Ge- Auch eine Bootsfahrt auf dem mächti- der der »Zeitung von Taganrog« im- schenke der Besucher aus. Die Reise- gen, fast 1900 km langen Don gehörte merhin eine ganze Seite wert war. So teilnehmer sammelten spontan Geld zum Reiseprogramm. Eine interessante konnte das Forum sicherlich einen Bei- und schenkten der Leitung des Hauses Stunde lang passierte das Boot reprä- trag dazu leisten, die vielen historischen einen Computer mit sämtlichem Zu- sentative Gebäude, Hotels und Dat- Bezüge der Stadt zu Deutschland, die behör. schen an den Ufern. Auf der Rückfahrt sich in den Wurzeln vieler Menschen nach Taganrog gab es einen Aufenthalt und Einrichtungen auch heute noch Nicht vorenthalten wurde der Gruppe in der armenischen Siedlung Tschaltyr nachweisen lassen, neu zu beleben. die Olympische Akademie in Tagan- mit einem Restaurant, dessen Betreiber »Das war eine besondere Reise, voller rog und ihr Leiter, der mit zahlrei- die Gelegenheit zu einer Unterhaltung Űberraschungen und Erlebnisse, die chen Ehrentiteln versehene mehrfache in deutscher Sprache nutzte. Auffällig wohl keiner vergessen wird«, gaben Olympiasieger im Gewichtheben Da- viele Häuser in der Siedlung befanden Teilnehmer zum Abschied kund. Diese vid Riegert. Da seine Vorfahren aus sich im Bau. Aussage war auch ein Anreiz, vom 28. Deutschland stammten, konnte er die August bis 3. September 2011 die zwei- Führung durch die Akademie in deut- Mit dem neuen Ziel Taganrog hat das te Reise mit einem ähnlichen Programm scher Sprache begleiten. Forum einen neuen Anziehungspunkt durchzuführen. Die Gruppe wohnte in seinem Reiseprogramm erhalten. wieder in Taganrog im Hotel »Bristol« Wenn sich eine Reisegruppe schon im Durch die vielfältigen persönlichen aus der Zarenzeit, von dessen hochwer- ehemaligen Siedlungsgebiet der Don- Beziehungen von Natalie Petrovskaya tiger Ausstattung alle Reiseteilnehmer kosaken aufhält, gehört ein Besuch wurden den deutschen Gästen nicht überrascht und begeistert waren. in deren ehemaliger Hauptstadt Sta- nur viele Türen, sondern auch die Her- rotscherkassk zum Pflichtprogramm. zen vieler Menschen geöffnet, wie die Die Ikonostase in der Kathedrale In der 1649 gegründeten Stadt gibt zahlreiche Begegnungen, insbesondere in Starotscherkassk ein übersichtlich gestaltetes Museum, das 1970 in den restaurierten Gewöl- ben von Kosakenhäusern eingerichtet worden ist, einen guten Einblick in die Geschichte dieses mit vielen Le- genden verbundenen Volkes. Michail Scholochow, der Autor des berühm- ten Romans »Der stille Don« hat die Einrichtung des Museums maßgeb- lich unterstützt. In der nahe gelegenen Woiskowoj Woskresenskij Kathedrale zieht die einmalig schöne, 18 m hohe Ikonostase die Aufmerksamkeit der Be- sucher auf sich. Zu einem unvergessli- chen Erlebnis wurde dann der Besuch bei Großmutter Olga, die auch wegen ihrer Heilerfähigkeiten die »Heilige

152 Die Ikonostase in der Kathedrale in Starotscherkassk damit ihr großes Interesse an der Begeg- Besuche in russischen Universitäten nung unter Beweis stellten. Franz Kiesl nutzte die Gelegenheit, die Aktivitäten des Forums ausführlich darzustellen. ie Forum-Reisegruppen hatten mehrfach Besuche in Universitäten oder Hochschulen auf ihrem Programm: Zweimal in Moskau, einmal in Ka- Zur Überraschung der deutschen Gäste Dsan und einmal in Taganrog. Dafür gab es zwei spezielle Gründe. Zum rundeten die mit viel Beifall aufgenom- einen sollten die Deutschen Kontakt mit russischen Professoren und vor allem menen Vorführungen von zwei Tanz- den Deutsch lernenden russischen Studenten bekommen, und zum anderen gruppen in prächtigen Trachten das Be- konnten die deutschen Gäste auf diese Weise ihre Anerkennung für das Interesse suchsprogramm ab. an Deutschland und der deutschen Sprache bekunden. Jeder Besuch hinterließ bei den deutschen Gästen ein Gefühl der Verbundenheit. Damit zeigte man, dass in der Univer- sität nicht nur Wissen, sondern auch Kultur vermittelt wird. Die Moderation der charmanten Dozentin am Lehrstuhl für deutsche Sprache und Doktor der Über die Besuche der Hochschulen in Co-Vorsitzender der »Liga für Russisch Geschichte Oxana Orechowa, die das Kasan und Taganrog wird im Kapitel Deutsche Freundschaft«. Gesamtprogramm der Begegnung vor- »Reisen« berichtet. Hier folgen Berich- bereitet und organisiert hatte, löste eine te über die Besuche der Moskauer Uni- Die Reisegruppe wurde von Prof. begeisterte Stimmung sowohl bei den versitäten. Achtamsjan an seiner Wirkungsstät- jungen Künstlern, als auch beim Publi- te begrüßt. Anschließend informierte kum aus. Ergänzend schreibt sie zu den Moskauer Institut für inter- Prof. Sergeij Ewtejew, Leiter der Fa- Tänzern und ihrem Programm: »Das nationale Beziehungen – MGIMO – kultät für Deutsche Sprache, über die Kindertanzensemble für Nationalkultu- Besonders im Gedächtnis geblie- Geschichte und den Aufbau der MGI- ren unter dem Namen DANK entstand ben ist der Besuch in der MGIMO- MO, die 1944 als »Hochschule für in- im Dezember 1999. DANK ist die Ab- Universität (in deutscher Übersetzung: ternationale Beziehungen« gegründet kürzung der russischen Wörter DET- Moskauer Institut für internationa- wurde. Dabei erfuhren die Gäste, dass SKI ANSAMBLE NATIONALNYCH le Beziehungen) am 29. Mai 2008, den 5000 Studenten mehr als 1000 KULTUR. Zufällig ist der Name des der auf Einladung von Abdulkhan Dozenten zur Verfügung stehen. Die- Ensembles identisch mit dem deutschen Achtamsjan, Professor an der Fakul- ses außerordentlich günstige Verhältnis Wort »Dank«. Deshalb empfanden die tät für internationale Beziehungen, von einem Dozenten für fünf Studen- Kinder eine besondere DANKbarkeit erstmals zustande kam. Rund 5000 ten kennzeichnet in besonderer Weise den deutschen Gästen gegenüber, die Studenten bereiten sich in 40 Fakultä- die Ausnahmestellung der Universität. die ersten ausländischen Gäste waren, ten auf ihr Examen vor. Etwa 700 von Im Durchschnitt kommen an den rus- vor denen sie auftraten. Und das ist sehr ihnen haben Deutsch als erste oder sischen Hochschulen 15 Studenten auf symbolisch.« zweite Fremdsprache gewählt. Regel- einen Dozenten. Oxana Orechowa gab darüber hin- mäßige Kontakte werden zu 10 deut- aus einen Überblick über das Ge- schen Hochschulen unterhalten. Unter An den Besuchen in der Bibliothek und samtprogramm des Ensembles. Die den Studierenden, die die Gelegenheit im Universitätsmuseum sowie an den Ensembleleiterin und Choreografin Na- haben, Kenntnisse in insgesamt 50 anschließenden Gesprächen nahmen talia Grigorjewa halte es für ihre Haupt- Sprachen zu erwerben, sind nur weni- zeitweise bis zu 12 Dozenten und 25 aufgabe, den Kindern nicht nur das ge Deutsche, aber rund 70 russische deutsch sprechende Studenten teil, die Tanzen beizubringen, sondern ihnen Studenten der Universität besuchen zur Zeit deutsche Hochschulen. Das ist nicht verwunderlich, wenn man er- fährt, dass etwa 3000 deutsche Unter- nehmen in Russland an Absolventen der MGIMO interessiert sind.

Die Universität spielt in der russischen Hochschullandschaft in mehrfacher Hinsicht eine Sonderrolle, unter an- derem, weil an ihr alle deutsch spre- chenden Kandidaten für den diplo- matischen Dienst ausgebildet werden. Auch der damalige Botschafter der Russischen Föderation in Deutsch- land, Wladimir Kotenev, ist Absolvent der MGIMO. Sein Doktorvater, Prof. Achtamsjan, unterhält enge Beziehun- Franz Kiesl berichtete vor Professoren und Studenten über die Arbeit des gen zu Deutschland, zum Beispiel als Forums und seine Beziehungen

154 auch die Liebe zur Kultur verschiede- te den russischen Gastgebern mit, dass ner Völker sowie Verständnis für natio- die Dynamik zwischen Russland und nale Traditionen nahezubringen, also Deutschland immer positiver wird. 45 ein Anliegen, das sie mit dem Forum Prozent der Kosten, die dem Forum für teilt. Alle Kinder respektierten einan- ihre verschiedenen Projekte entstehen, der und vergäßen, dass sie verschiede- werden mit Spenden finanziert. Die nen Nationalitäten angehörten. Mitgliederzahl wächst ständig. Nach Kiesls Meinung ist das ein Symbol da- Die deutschen Besucher waren tief be- für, dass die Brücke zwischen Russen Die Forum-Reisegruppe erlebte beeindruckende eindruckt von den Begegnungen in der und Deutschen immer effektiver funk- Tanzvorführungen mit akrobatischen Einlagen in Universität und von dem großartigen tioniert«. farbenträchtigen Kostümen Empfang mit einem Imbiss. Sprache und Kultur«, für dessen Pro- Auch bei den russischen Gastgebern Moskauer Staatliche Linguistische grammarbeit der DAAD (Deutscher hat der Besuch einen guten Eindruck Universität – MSLU – Akademischer Austauschdienst) in en- hinterlassen. Unmittelbar nach dem ger Kooperation mit den Germanistik- Besuch schrieb Oxana Orechowa an Am 21. Oktober 2009 besuchten die Lehrstühlen zuständig ist. Franz Kiesl: »Von Herzen bedanke ich Teilnehmer der Moskau-Reise die 1930 mich bei Ihnen dafür, dass Sie mit Ih- gegründete Fakultät für deutsche Spra- Im Verlaufe des Forum-Besuchs betei- ren Kolleginnen und Kollegen Zeit che an der Moskauer Staatlichen Lin- ligten sich 30 Studentinnen an einer gefunden haben, unsere Hochschule guistischen Universität (MSLU), an der Diskussion, in der es im Wesentlichen zu besuchen….Informationen über zur Zeit rund 600 Germanistik-Stu- um Fragen im Zusammenhang mit dem Ihre Tätigkeit kann man sich überall in dierende verteilt auf fünf Studienjahre Erscheinungsbild der Deutschen und Print- und Netzmedien ansehen, und eingeschrieben sind. Neben Deutsch Deutschlands bei den jungen Russinnen deshalb war der Besuch von Personen als erster Fremdsprache ist Englisch ging solchen Niveaus ein echtes Erlebnis für obligatorisch. Zu Beginn des Studiums uns. Prof. Achtamsjan und ich grüssen besteht die Möglichkeit zur Wahl zwi- Dieses Zusammentreffen löste bei Franz Sie sehr herzlich und hoffen auf eine schen dem Regelstudium (fünf Jahre) Kiesl und der DAAD-Lektorin Esther Fortsetzung der Zusammenarbeit«. und dem Bachelorstudium (vier Jah- Machhein die Idee aus, den beteiligten re). Für das Regelstudium werden zwei Studentinnen einen Fragebogen mit In der Ausgabe Nr. 10/2008 der Zeit- Spezialisierungen angeboten: »Theorie den folgenden sechs Fragen zu überge- schrift »Ethno« wird berichtet: und Methodik des Unterrichtens frem- ben und sie um schriftliche Beantwor- »Es ist noch nicht so lange her, dass der Sprachen und Kulturen« mit drei tung zu bitten: eine Delegation des Forums Russische Lehrstühlen (Phonetik, Lexikologie Kultur nach Moskau kam. Einer der und Stilistik, Grammatik und Sprach- Sie erlernen die deutsche Sprache. Was schönsten Eindrücke war der Besuch geschichte) und »Theologie« mit zwei hat Sie dazu motiviert? in der MGIMO. Am Runden Tisch Lehrstühlen (Theologie, Linguistik Können Sie in wenigen Sätzen Ihr Bild zwischen Professoren der deutschen und Fachkommunikation im Bereich von Deutschland und den Deutschen Fakultät und den Mitgliedern der Rei- der Theologie). Als zusätzliche Spezia- beschreiben? segruppe des Forums Russische Kultur lisierung kann parallel »Dolmetschen • Wodurch ist Ihr Bild von den Deut- ist eine Diskussion entstanden. Franz und Übersetzen« gewählt werden. schen am stärksten beeinflusst wor- Kiesl, der Vorsitzende des Vereins, teil- Angegliedert ist das 1998 mit Mit- den? teln der Moskauer Staatlichen Lingui- • Gibt es aktuelle positive Beispiele der Bei der Führung im Universitäts-Museum erfuhren stischen Universität, der Deutschen deutsch-russischen Beziehungen? die Reiseteilnehmer sehr viel über die Geschichte Botschaft und des Goethe-Instituts • Haben Sie den Eindruck, dass die Er- der MGIMO-Universität gegründete »Zentrum für deutsche eignisse des 2. Weltkriegs 1941-1945 noch eine Belastung der Beziehungen zu den Deutschen darstellen? • Hat die europäische Integration posi- tive oder negative Aspekte für die Be- ziehungen zu Russland zur Folge?

Zehn Studentinnen kamen dieser Bitte ganz oder zum Teil nach. Die meisten Stellungnahmen kamen zur Frage nach der Motivation zum Erler- nen der deutschen Sprache. Dabei fällt sofort auf, dass die Einflussnahme des Elternhauses oder von guten Lehrern bei allen die auslösende Rolle gespielt hat. Ebenso oft wie die »Schönheit« der deutschen Sprache wird die erwar- . 155 tete Verbesserung der Berufschancen recht, dass man eigentlich nur so ein erwähnt. Nur einmal, bei Ksenia Ma- zutreffendes Bild von Land und Leuten ruschina, wird Deutsch ausdrücklich bekommen kann. Wie bedeutend die als zweckmäßiger angesehen als Eng- Massenmedien für die Meinungsbil- lisch. dung auch bei Studenten sind, bestä- tigen die übrigen Antworten zu dieser Fast ebenso viele Antworten kamen auf Frage. Sie werden als wichtigste Infor- die Frage nach den Auswirkungen des mationsquelle neben dem Studienstoff 2. Weltkriegs. Hier waren die Aussa- genannt. gen eindeutig. Alle Studentinnen äu- ßerten einhellig die Ansicht, dass die Sehr differenziert fallen die Antworten Franz Kiesl begrüßt Professoren und Studentinnen. schlimmen Ereignisse dieses Krieges auf die Frage nach den Konsequenzen Prof. Dr. Rolf Wischnath (links) führt anschließend die Diskussion mit den Studentinnen. keinen negativen Einfluss mehr auf der europäischen Integration auf die Rechts: Margarita Epifanowa und DEED-Lektorin die Beziehungen zwischen Russen und Beziehungen zu Russland aus, worin Esther Machhein Deutschen haben. Alyona Degtyareva sich eine verständliche Unsicherheit bringt es auf den Punkt: »Wir arbeiten ausdrückt. Während Rita Zubrilina mit den Menschen zusammen, nicht eher negative Auswirkungen befürch- mit der Geschichte.« Selbst Oksana tet, verspricht sich Ksenija Maruchina führerschaft zu übernehmen, durch zu- Ladoscha, deren Großmutter eine KZ- vom Lissabon-Vertrag klarere und effi- sätzliche persönliche Erfahrungen auf Haft überlebte, hat keinerlei Vorbehal- zientere Verhältnisse. Wenn Linda Ku- eine festere Grundlage zu stellen. te gegen die jetzige Generation. Viel- drenko hofft, dass jedes Land innerhalb mehr soll die Erinnerung dazu dienen, der europäischen Union sein eigenes die richtigen Folgerungen daraus zu Gesicht behält, so gehen ihre Gedan- Deutsche Literatur an russische Uni- ziehen. Evgenia Schipilova ist der An- ken in ähnliche Richtung wie bei Alyo- versitäten und Hochschulen sicht, dass das eine gemeinsame Aufga- na Degtyareva, die sich wünscht, dass be von Russen und Deutschen ist. Deutschland ein Anwalt Russlands in Wilfried Holzapfel organisierte in Oer- Europa bleibt. linghausen Anfang 2006 eine »Bücher- Etwa gleich viele Antworten gab es auf tauschbörse« in den Räumen des Bon- die Fragen nach dem Bild von Deutsch- Was uns allen zu denken geben muss, hoeffer-Gemeindehauses. Menschen land und den Deutschen und den Ein- ist die Tatsache, dass die wenigsten geben Bücher ab und andere nehmen flüssen, die dieses Bild gestaltet haben. Antworten, nämlich nur drei, auf die sie mit. Das ist ein sehr gut funktionie- Natürlich überrascht es nicht, dass die Frage nach aktuellen Beispielen für po- render »Betrieb«, der seine Anziehungs- Deutschen als strebsam, ordnungslie- sitive Aspekte der deutsch-russischen kraft weit über die Stadtgrenze hinaus bend und korrekt charakterisiert wer- Beziehungen gegeben wurden. Alle drei hat. Wilfried Holzapfel, Mitglied des den. Bemerkenswert ist allerdings der erwähnen den Schüler- und Studenten- Forums, hat seit Dezember 2006 22 mehrfach geäußerte besondere Hin- austausch. Lediglich Ksenija Maruschi- große Pakete mit Büchern an die Uni- weis, dass Deutschland als ein entwic- na nennt auch Beispiele wie den Peters- versitäten und Hochschulen in Ufa, kelter Rechtsstaat angesehen wird, der, burger Dialog, die Ostsee-Pipeline und Kasan und Taganrog gesandt, die in den wie Anna Chalisova erwähnt, seinen verschiedene Treffen, insbesondere von Bibliotheken das Angebot an interessan- Weg zurück gefunden hat. Sie fasst ihr jungen Unternehmern und Parlamen- ter deutscher Literatur erweitern. Die Bild in dem Kompliment zusammen, tariern. Deutsch unterrichtenden Pädagogen dass Deutschland das Land ist, in das sind für diese Lieferungen dankbar, weil man zurückkehren möchte. Kaum er- Mag die Auswertung der Antworten sie so manche zusätzliche Möglichkeit wähnt wird die deutsche Kultur. auch kein repräsentatives Bild ergeben: erhalten, ihren Unterricht mit klassi- Es zeigt jedoch einen deutlichen Hand- scher und moderner Literatur anzu­ Die Hälfte der Studentinnen, die sich lungsbedarf, das durchweg positive Bild reichern. Für russische Deutschpädago- dazu äußern, wodurch ihr Deutsch- der deutsch-russischen Beziehungen gen ist bei ihren Besuchen in unserer landbild besonders geprägt ist, kennen bei den russischen Studentinnen und Region jedenfalls die Oerlinghausener unser Land aus eigener Anschauung. Studenten, die auf dem Wege sind, in »Bücherbörse« ein »Wallfahrtsort« ge- Anna Chalisova bemerkt sicher zu der russischen Gesellschaft Meinungs- worden.

156 Forum InterN

Wie der Verein entstand und geführt wurde

»Ich hätte nicht gedacht, dass das Forum Russische Kultur eine solche Entwicklung nimmt«, schrieb 2007 ein Gütersloher Unternehmer. Franz Kiesl lächelt, wenn ihm dieser Satz der Anerkennung einfällt, und denkt dann: »Ich auch nicht!«

Zu dieser Entwicklung haben sicher Friedrich Springorum, Direktor der zende Helga Rethfeld. Auf der Mit- viele glückliche Umstände beigetragen. Deutschen Bank, leitete das Projekt gliederversammlung am 25. März 1993 Die 1991 vorhandene Begeisterung gemeinsam mit einem sehr engagier- legte Dr. Engelen sein Amt als 1. Vor- über den Fall des Eisernen Vorhangs ten Team, zu dem Helga Rethfeld, sitzender wegen Arbeitsüberlastung nie- und die dadurch möglich gewordenen Otto Walger, Gudrun und Eckhard der. Helga Rethfeld wurde 1. Vorsitzen- Begegnungen mit den Menschen im Jacobsen, Karin und Jan Tönnessen, de und Jan Tönnessen 2. Vorsitzender. Osten Europas waren ein Fundament, Dr. Birgit Osterwald und Pfarrer Hans auf dem aufgebaut werden konnte. Na- Wilhelm Siebold und einige mehr ge- Am 10. November 1993 wurde in der türlich war die Entwicklung in dieser hörten. Es gab viele Sitzungen im Ge- Mitgliederversammlung ein neuer Vor- Dimension auch nur dadurch möglich, meindehaus der Kirche »Zum Guten stand gewählt. Ihm gehörten an: Helga dass die Menschen im Osten und vor- Hirten«. Friedrich Springorum war es, Rethfeld, Franz Kiesl, Eckhard Jacob- nehmlich im großen Russland sich so der darauf drängte, dass ein Verein ge- sen, Jan Tönnessen, Michael Moch sehr für Kontakte mit dem Westen und gründet wurde, damit dieser Kontakt und wiederum Otto Walger. Am 3. besonders mit den Deutschen interes- mit russischen Künstlern dauerhaft Dezember 1993 entschieden sich die sierten. fortgesetzt werden konnte. Vorstandmitglieder für Franz Kiesl als 1. Vorsitzenden und Jan Tönnessen als Es war ein Glücksfall, dass der Gü- Am 8. November 1991 wurde dann seinen Stellvertreter. Otto Walger wurde tersloher Organist Andreas Liebig der Verein beim Amtsgericht Gü- wieder Schatzmeister, Helga Rethfeld Kontakte zu einer Kollegin in St. Pe- tersloh eingetragen, dem die Gründer übernahm die Öffentlichkeitsarbeit, tersburg, zu Professorin Olga Minki- den Namen FORUM RUSSISCHE Eckhard Jacobsen war zuständig für die na, hatte. Und es war ebenso glück- KULTUR GÜTERSLOH gaben. Programmgestaltung und Werbung. lich, dass diese Kollegin, die sehr gut Erster Vorsitzender war Bankdirektor Michael Moch hatte damals noch kein Deutsch spricht, eine große Energie Friedrich Springorum, Helga Rethfeld festes Aufgabengebiet. besitzt und viele Kontakte in ihrer Hei- war Geschäftsführerin, Otto Walger matstadt hat. Sie hat Beziehungen zur hatte die Funktion des Schatzmeisters Am 14. Februar 1996 fand wieder eine gesamten Kulturszene, zu den Medien und Andreas Liebig war für kurze Zeit Mitgliederversammlung mit Vorstands- und zur Politik. Und sie ist ehrgeizig. zweiter Vorsitzender und künstlerischer wahlen statt. Michael Moch wurde­ Es war auch Glück, dass es eine Grup- ­Leiter. 2. Vorsitzender, Jan Tönnessen blieb pe Gütersloher Bürger gab, die das er- aber Vorstandsmitglied. Die Vorstands- ste Zusammentreffen mit russischen Neuer Vorstand ab 1992 mitglieder Helga Rethfeld und Otto Künstlern im Frühjahr 1991 organi- Nachdem Herr Liebig ausgeschieden Walger schieden aus. Die Aufgabe als sierte und ein Programm für die Maler, war und Herr Springorum nach Bel­ Schatzmeister übernahm Valerie Kno- Musiker, Sänger und Puppenspieler gien versetzt wurde, wurde auf der Mit- bloch. Die nächsten Vorstandwahlen zusammenstellte, das die Aufmerksam- gliederversammlung am 13. 10.1992 standen in der Mitgliederversammlung keit der Gütersloher Bevölkerung ein neuer Vorstand gewählt. Gemäß am 22. April 1998 an. Jan Tönnessen fand. Die Künstlergruppe wurde vom der Satzung wählt der Vorstand den 1. und Eckhard Jacobsen stellten sich nicht Russischen Fernsehen begleitet. Über Vorsitzenden und seinen Stellvertreter. zur Wiederwahl. Neu in den Vorstand die Aktionen in Gütersloh wurde da- In der Vorstandssitzung am 2. 11. 1992 gewählt wurden Swetlana Hoeltzen- mals in St. Petersburg sehr ausführlich wählten die Vorstandsmitglieder als bein, in der UdSSR geboren und daher berichtet. Das war natürlich ein gelun- 1. Vorsitzenden Oberstudiendirektor unter anderem für Übersetzerdienste gener Start. Dr. Ulrich Engelen und als 2. Vorsit- eine große Unterstützung, und Karl-

157 Über 10 Jahre sind bis Ende 2011 fol- gende Mitglieder ehrenamtlich für das Forum tätig gewesen:

Franz Kiesl 18 Jahre Vorstand als 1. Vorsitzender

Michael Moch 16 Jahre Vorstand – davon 14 Jahre als 2. Vorsitzender

Swetlana Hoeltzenbein 13 Jahre Vorstand

Vorstand und Beirat seit Mai 2010 – von links nach rechts: Heinz Pastel 11 Jahre Beirat Vorstand: Franz Kiesl, Thomas Fischer, Lutz Hengstmann, Swetlana Hoeltzenbein, Günter Pelzer Beirat: Heinz Pastel, Willi Rehpöhler, Olga Mantovanelli, Manfred Ligensa, Dr. Ulrich Engelen Manfred Ligensa 11 Jahre Beirat

Ingrid Kreutner 10 Jahre Beirat – Heinz Bauer als Schatzmeister. Franz meister Karl-Heinz-Bauer wegen star- bis 2010 Kiesl blieb weiterhin 1. Vorsitzender ker beruflicher Belastung nicht zur und Michael Moch sein Stellvertreter. Wiederwahl. Ansonsten blieb die Be- Große Verdienste hat sich Otto Walger setzung von Vorstand und Beirat un- von 1991 bis 1996 erworben, denn er In der Mitgliederversammlung am 22. verändert. war nicht nur Schatzmeister sondern März 2000 wurden die bisherigen Vor- auch Schriftführer und erledigte den standsmitglieder Franz Kiesl, 1. Vorsit- Auf der Mitgliederversammlung am größten Teil des Schriftverkehrs. zender, Michael Moch, 2. Vorsitzender, 14. April 2008 wurden die bisherigen Swetlana Hoeltzenbein und als Schatz- Vorstands- und Beiratsmitglieder wie- Auch Helga Rethfeld war in den ersten meister Karl-Heinz-Bauer einstimmig dergewählt. Lutz Hengstmann hatte Jahren eine tragende Säule, auf die sich wiedergewählt. Auf Vorschlag des Vor- schon nach dem Ausscheiden von Karl- die Entwicklung des Vereins aufbauen sitzenden wurde zum ersten Mal ein Heinz Bauer ab dem Jahr 2006 die ließ. Beirat gewählt, und zwar: Heinz Pastel, Aufgabe des Schatzmeisters übernom- Manfred Ligensa, Christian Kerke- men. Er wurde auf dieser Versamm- Karl-Heinz Bauer führte die Buchfüh- meier, Burkhard Hoeltzenbein und als lung einstimmig als Schatzmeister des rung per EDV ein, er baute die erste Neu-Mitglied des Forums Inge Kreut- Vorstands gewählt. In den Beirat wurde Homepage des Forums auf und legte ner. zusätzlich Willi Rehpöhler gewählt. verschiedene Dateien, so zum Beispiel die Adressendatei, an. Er schuf mit sei- Adelheid Voigt schlug auf der Mitglie- Die Vorstands- und Beiratswahlen wur- ner Arbeit das Fundament für die jetzi- derversammlung am 13. Februar 2002 den 2010 am 14. April in der Studio- ge Arbeit des Vereins mit der modernen vor, den bisherigen Vorstand und Bei- Bühne des neuen Theaters abgehalten. Datenverarbeitung. Zu würdigen ist die rat wiederzuwählen. Mit Ausnahme der Für den Vorstand kandidierte Michael Arbeit von Michael Moch, der während Betroffenen stimmten alle anwesenden Moch wegen anderer ehrenamtlicher seiner 16-jährigen Vorstandsarbeit und Mitglieder zu, womit die Besetzung berufsbedingter Tätigkeit nicht mehr. auch heute noch dem veröffentlichten von Vorstand und Beirat unverändert Für ihn wurde Thomas Fischer als Programm die professionelle Qualität blieb. Auf Vorschlag wurde Günter Pel- 2. Vorsitzender gewählt. Gerhard Zöll­- gab und gibt. Ingrid Kreutner stellte zer als Schriftführer neu gewählt. ner, 5 Jahre Mitglied des Beirats, ver- Kontakte zu heimischen Chören her, starb im November 2009. Inge Kreut- sodass der St. Petersburger »Rossika- Der Vorstand blieb bei den Vorstand- ner stellte sich nicht mehr zur Beirats- Chor« fünf Gemeinschaftskonzerte mit wahlen am 1. April 2004 in alter Be- wahl, weil ihr Mann schwer erkrankt deutschen Chören geben konnte. setzung. Statt Christian Kerkemeier war. Als neue Beiratsmitglieder wurden wurde Gerhard Zöllner in den Beirat Olga Mantovanelli, eine geborene Rus- Der frühere und jetzt amtierende Vor- gewählt. sin, und Dr. Ulrich Engelen gewählt. stand und Beirat hat durch sein Wirken In der folgenden Mitgliederversamm- die Entwicklung des Forums mitge- lung mit Vorstands- und Beiratswahlen prägt. Dafür gebührt ihm ein sehr herz- am 3. April 2006 stellte sich Schatz- licher Dank.

158 Auszeichnungen für das Forum

m Jahr 2000 würdigte Bundespräsident a. D. Richard von Weizsäcker die Arbeit des Forums Russische Kultur Gütersloh durch die Verleihung der Ehrenmedaille »Förderpreis 2000« des Deutsch-Russischen Forums e. V., Berlin. Der Festakt fand am 11. Dezember in der Russischen Botschaft in IBerlin statt. In der Urkunde heißt es: Wir möchten Ihnen ein Wort des Dankes für Ihre Teilnahme an dem Förderwettbewerb aussprechen. Dank vor allem für die Initiative und Ihr großes ehrenamtliches Engagement, mit dem Sie sich den Menschen in Russland zuwenden. Sie haben durch Ihren Beitrag deutlich ge- macht, wie vielfältig und breit die Hilfen sind, mit denen Bürger unseres Landes für gute Nachbarschaft mit Russland eintreten. Das verdient hohen Respekt und Anerkennung.«

Und in seiner Ansprache machte von wies Botschafter Wladimir Kotenev Franz Kiesl mit der Ehrenurkunde des Deutsch- Weizsäcker die bemerkenswerte Aus- auf die Erfolge der deutsch-russischen Russischen Forums e. V. sage: »Völkerverständigung heißt, dass Zusammenarbeit in Wirtschaft, Poli- sich die Völker verstehen sollen. Ja, die tik und Kultur hin. Sein Credo: »Jede Völker sollen sich verstehen! Und dann persönliche Begegnung mit ihren facet- viel Bürgergesellschaft nötig ist, um eine sollen die Regierenden sehen, wie sie tenreichen Wahrnehmungen lässt die lebenswerte Gesellschaft zu gestalten, damit zu recht kommen.« Sympathie für das andere Volk wach- die von ihren Mitgliedern als human sen«. Deshalb, so sagte er weiter, sei das und gerecht empfunden wird. Dabei Der Förderpreis des Deutsch-Russi- Engagement von Bürgergesellschaften, hob sie ihr persönliches Anliegen mit schen Forums e. V. für das Jahr 2001 das heißt nichtstaatlichen Initiativen, dem folgenden Satz besonders her- wurde dem Forum im Schloss Bellevue auf beiden Seiten ein stabilisierender vor: »Was mir immer sehr am Herzen von Bundespräsident Johannes Rau am Faktor für die weitere Entwicklung der liegt, ist das Image Russlands bei uns 7. März 2002 in Form einer Ehrenur- deutsch-russischen Beziehungen. in Deutschland und die Frage, warum kunde überreicht. dieses Image und die russische Realität Dr. Ernst-Jörg von Studnitz, Vorsitzen- oftmals so weit auseinanderklaffen.« Am 25. Juni 2004 wurden im Russi- der des Deutsch-Russischen Forums schen Haus in Berlin 18 »Goldme- Berlin und früherer deutscher Bot- Dem Anliegen, das Russlandbild der daillen Michail Lomonossow« vom schafter in Moskau, betonte, dass es Deutschen der russischen Wirklich- Präsidenten der »Gesellschaft zur neben den deutsch-russischen Partner- keit anzunähern, widmet sich gerade Entwicklung stabiler Strukturen Rus- schaften in unserem Land bereits viele auch das Forum Russische Kultur in slands«, Professor Viktor Schevtschen- Organisationen in Russland gibt, die Gütersloh. Diesem Ziel dienen neben ko, an deutsche und russische Bürger sich mit Deutschland beschäftigen. der Organisation kultureller Veranstal- verliehen. Zwei davon gingen nach tungen mit russischen Künstlern vor Gütersloh: eine an das Forum und eine Äußerst beeindruckend war auch die Ort auch die Reisen nach Russland, um an Franz Kiesl persönlich. Das Forum Festrede der hervorragenden Russland- durch persönliche Begegnungen Vorur- Russischen Kultur erhielt die Goldme- expertin Dr. Gabriele Krone-Schmalz teile abzubauen und Ansichten zu kor- daille mit Urkunde für seine vorbildli- zu dem Thema, wie viel Staat und wie rigieren. che Organisation der vielen deutsch-  russischen Begegnungen und Franz Kiesl wurde für die Förderung kulturel- ler Beziehungen zwischen Deutschland und Russland ausgezeichnet.

Die achtjährige Zusammenarbeit des Forums mit der Moskauer Stiftung »Neue Namen« wurde vom Deutsch- Russischen Forum in Berlin am 23. Juni 2006 in der Russischen Botschaft Franz Kiesl im in Berlin mit Ehrenurkunden gewür- Gespräch mit digt, die Franz Kiesl im Rahmen eines Dr. Ernst-Jörg von Festaktes für das Forum und auch für Studnitz, Botschaf- ter a. D. und Vor- die Stiftung entgegennahm. Schirm- standsvorsitzender herr war Bundespräsident Horst Köh- des Deutsch-Russi- ler. In seinem Willkommensgruß schen Forums e. V.

159 der jungen Künstler bezahlen zu kön- Ein schwieriges Kapitel – die Finanzen nen. Fritz Thoben war zuversichtlich, dass das erfolgreich sein könnte. Er- gebnis: Seit 2004 kann sich das Forum ls schwierigster Part der Vereinsführung stellten sich die Finanzen dar! darüber freuen, dass Personen, die die Bis zur Übernahme des Vereinsvorsitzes durch Franz Kiesl im November Arbeit des Vereins und seine Wirkung A1993 richteten sich die Veranstaltungen nach den vorhandenen Finanz- schätzen, verstärkt zu Spenden bereit mitteln. Er wollte dafür sorgen, dass den deutschen Bürgern auf alle Fälle etwas sind. geboten würde, durch das sie Interesse und Gefallen an den Projekten des Fo- rums finden sollten. »Hätten wir nur das veranstaltet, was wir uns sicher hätten Hohe Kosten verursachten gerade die leisten können, wären wir wohl kaum wahrgenommen worden«, resümiert er. Veranstaltungen, die von besonderem Wert waren. Das trifft besonders für die Besuche der Delegation der Stiftung »Neue Namen« zu. Diese Ausgaben, »Wir hatten damals unser Konto bei stens auf, aber in der Praxis nicht, weil die die entsprechenden Einnahmen der Deutschen Bank, weil der erste die Besucherzahl häufig unter meinen bei weitem überstiegen, stellten jedoch 1. Vorsitzende der Direktor dieses In- Erwartungen lag«. Um das Defizit in eine »Investition« dar. Ohne die inten- stituts war. Jedes Mal, wenn ich Geld vertretbarem Rahmen zu halten, wurde sive und langjährige Beziehung zu den für die Vorfinanzierung von Veranstal- dann nach manchem Konzert noch um »Neuen Namen« und vor allem zu de- tungen brauchte, musste ein kurzfri- eine »Zugabe des Publikums als Kollek- ren Präsidentin hätte die Entwicklung stiges Darlehen vom Vorstand der Gü- te« gebeten. Aber trotzdem blieben Lö- des Forums längst nicht so erfolgreich tersloher Filiale persönlich genehmigt cher, die Franz Kiesl in manchen Fällen verlaufen können. Also in der Tat eine werden. So etwas stärkt natürlich nicht persönlich auffüllte. langfristig wirkende »Investition«! gerade das Selbstbewusstsein«. Die ersten großen Löcher gab es im Es ist sicher einer Erwähnung wert, dass Bis zur Übernahme des Vereinsvorsitzes Mai 1997 mit dem Solisten- und das Forum zur »Europäischen Kultur- durch Franz Kiesl im November 1993 Kammerorchester MOSKAVJA des woche RUSSLAND« im Oktober 2010 richteten sich die Veranstaltungen Tschaikowskij-Konservatoriums un- 34 Gäste aus dem Süden Russlands für nach den vorhandenen Finanzmitteln. ter der Leitung von Professor Eduard zehn Tage eingeladen hatte, um mit Er wollte dafür sorgen, dass den deut- Gratsch und im Oktober 1998 mit ihnen ein umfangreiches Kulturpro- schen Bürgern auf alle Fälle etwas gebo- dem ersten Besuch der »Neuen Na- gramm zu gestalten. Schon im Novem- ten würde, durch das sie Interesse und men« aus Moskau. Trotz der finanziel- ber 2009 hatte die Stadtverwaltung die Gefallen an den Projekten des Forums len Engpässe gingen die Benefizanteile Zusage des Forums für eine hochkarä- finden sollten. »Hätten wir nur das an den Eintrittsgeldern in der zugesag- tige Beteiligung an der »Kulturwoche« veranstaltet, was wir uns sicher hätten ten Höhe an das Kinderkrankenhaus zusammen mit der Versicherung, dass leisten können, wären wir wohl kaum in Perm, ein Projekt von Fritz Pleitgen, diese Mitwirkung der Stadt keinen Cent wahrgenommen worden«, resümiert er. dem damaligen WDR-Intendanten. Es kosten wird. gab in dieser Zeit wohl auch Spenden Selten, ganz selten, konnten die Kosten von Bürgern, die Interesse am Wirken Die Projekte des Forums, die das Kul- der Veranstaltungen durch Eintritts- des Forums hatten. turleben in der Region Gütersloh berei- gelder gedeckt werden. Es gab damals chern, werden auch von anderen Stellen noch Zuschüsse der Stadt Gütersloh. Neue Finanzquellen erschlossen nicht gefördert, vielmehr ist das, was Die Regel war, dass die Stadt 50 % der Zum 31. 12. 2004 hätte das Minus auf das Forum veranstaltet, den Sponsoren Unterdeckung übernahm. Aber die 50 dem Konto bei der Sparkasse den Kre- zu verdanken – und natürlich auch den Prozent, die das Forum aufzubringen ditrahmen von 8.000 € überschritten, Mitgliedern, die mit ihren Beiträgen ein hatte, mussten auch erst einmal vor- wenn der Vorsitzende dem Verein nicht starkes Fundament der Finanzierung handen sein. Wenn wir zum Beispiel eine gewisse Summe »geliehen« hätte. bilden. 1998 bei 63 Mitgliedern 3.340 DM Dann hatte er eine Idee: Er sprach auf an Beiträgen zur Verfügung hatten, der Rückreise von Chanty Mansijsk Das Forum ist froh über die finanzielle konnte man mit dieser Summe, aus der im Februar 2004 mit Fritz Thoben aus Unabhängigkeit von Institutionen und ja auch andere Posten zu finanzieren Bielefeld, seit Jahren Forum-Mitglied, über die Unterstützung durch private waren, keine großen Sprünge machen. über die schwierige finanzielle Lage, die Personen. Etliche Vereine ähnlicher Art Der Wechsel von der Deutschen Bank sich bei der gegebenen Einnahmestruk- haben ihr Wirken einschränken oder zur Sparkasse eröffnete die Möglich- tur nicht ändern werde, wenn das gar einstellen müssen mit der Begrün- keit von Kontoüberziehungen. Franz hochklassige Programm im bisherigen dung: »Wir bekommen keine Zuschüs- Kiesl erinnert sich: »Wenn eine Veran- Umfang beibehalten werde. Er fragte se mehr«. Die Führung des Forums staltung mit Orchestern oder Chören Fritz Thoben, was dieser davon halten hat früh erkannt, dass gerade auf dem reizte, dann kalkulierte ich Eintritts- würde, wenn vor den großen Veranstal- Gebiet der Kultur private Initiative in preis mal erwartete Besucherzahl und tungen, zum Beispiel mit den »Neue Zukunft immer nötiger wird, wenn ein kürzte die kalkulierte Einnahme um Namen«, bei bestimmten Persönlich- Absinken des Niveaus verhindert wer- die erwarteten Kosten. Theoretisch keiten um Spenden angefragt würde, den soll. ging die Rechnung dann zwar mei- um etwa die Kosten für die Flugtickets

160 Der Druck des FORUM Report und Die Mitglieder sind Fundament der weiteren Informationen sowie das Porto kosten etwa die Hälfte der Mit- und gleichzeitig Säulen des Vereins gliedsbeiträge. Diese Ausgaben sind »Werbekosten«, deren Früchte dem Fo- rum zu weiterem Erfolg verhelfen. ür Franz Kiesl ist der Zuwachs an Mitgliedern die größte Freude, denn mit ihrem Beitritt geben die Menschen zu erkennen, dass sie das Wirken des Das Ziel des Forums ist, vielen Deut- FVereins schätzen und die Förderung der Beziehungen zwischen Deutschen schen Begegnungen mit Russen und und Russen unterstützen. ihrer Kultur zu vermitteln, aber auch, viele Russen wissen zu lassen, wie die Deutschen sind. Denn es gibt nicht nur bei manchem Deutschen Vorurteile ge- Die Angebote des Forums gelten für Unsere Jahresbeiträge sind: gen die Russen, die gibt es bei Russen alle – ob Mitglied oder Nichtmitglied. Einzelmitglieder 32 € auch gegenüber den Deutschen. »Wir Aber jedes Mitglied weiß, dass es dazu Ehe-/Paare 42 € wollen, dass das deutsche Volk das rus- beiträgt, Schüler/Studenten 10 € sische Volk kennen lernt, und das ge- Kooperative Mitglieder 60 € lingt nur über persönliche Begegnun- • unsere kulturellen Veranstaltungen zu ermöglichen, Wie sich die Mitgliederzahl entwickelt hat, zeigt die folgende Übersicht: • die Begegnung von Menschen aus unseren beiden Ländern zu unter- Stand: Mitglieder Netto-Zugang stützen und 1. Januar 1998 63

• die Verständigung der Völker zu för- 1.Januar 2000 64 1 in 2 Jahren dern. 1. Januar 2002 82 22 in 2 Jahren 1. Januar 2004 92 54 Zum 1. Oktober 2011 hatte das Fo- rum 319 Mitglieder. Über die Grö- 1. Januar 2005 146 28 ßenordnung unserer Mitgliederzahl 1. Januar2006 174 34 wundern sich viele Vereine in anderen 1. Januar 2007 208 21 Orten, die ebenfalls Beziehungen nach Russland unterhalten. Ohne Über- 1. Januar 2008 229 14 treibung kann man sagen, dass es in 1. Januar 2009 243 22 Deutschland keinen anderen Verein 1. Januar 2010 265 18 ähnlicher Ausrichtung mit einem ver- gleichbaren Wirkungsspektrum gibt. 1. Januar 2011 283 39 Die Stellung unseres Forums ist somit 1. November 2011 322 gegenwärtig einzigartig in Deutsch- land.

Natürlich gibt es auch Abgänge, die im Mit den Beiträgen kann etwa ein Drit- gen«, betont Franz Kiesl immer wieder jährlichen Durchschnitt bei zwei bis tel unseres Aufwandes fi nanziert wer- und ergänzt, »dass deshalb möglichst drei Prozent liegen. den. Beiträge sind eine stabile Größe viele Gelegenheiten für Begegnungen und deshalb für die Planung des Pro- geschaff en werden müssen. Ich denke, Wie bereits erwähnt, sind unsere An- gramms ein wichtiger Faktor. Im Jahr dass es viele Menschen gibt, die das gebote für alle off en. Es ist aber mehr 2011 werden die Einnahmen aus Bei- wollen und sich ermuntern lassen, ihren als eine schöne Geste, wenn diejeni- trägen die 8.000 Euro knapp über- Teil dazu beizutragen«. gen Mitglieder werden, die Freude an schreiten. unseren Veranstaltungen und Reisen Und deshalb behält die Werbung neuer haben. Wenn in den ersten neun Mo- Unsere Mitglieder erhalten viele Infor- Mitglieder ihren hohen Stellenwert. naten des Jahres 2011 dem Forum 36 mationen per Brief, die Zeit und Por- Personen als neue Mitglieder beigetre- to kosten, aber das ist uns der Service ten sind, dann liegt darin eine besonde- wert. Unsere Broschüre FORUM Re- re Wertschätzung der aktuellen Arbeit port, die wir seit 5 Jahren jährlich her- des Forums. ausbringen, soll eine breite Öff entlich- Das Kapitel »Warum ich Mitglied wur- keit in Deutschland – und zwar nicht de« kann vielleicht manchem Nicht- nur in der Region – und in Russland mitglied die entscheidende Anregung über unsere Arbeit und unsere Bezie- geben. hungen informieren.

161 Herr Klaus Peter Jantos, 33330 Gü- Was mich veranlasst hat, Mitglied tersloh, schreibt am 5. August 2011:

im Forum Russische Kultur zu werden? Schon einige Jahre verfolge ich die Akti- vitäten des »Forum Russische Kultur« in Gütersloh. Im Dezember 2010 kam ich Prof. Dr. Helmut Steiner, 33602 Bie- Sehr geehrter Herr Kiesl, mit Franz Kiesl ins Gespräch und erfuhr lefeld, schreibt am 11. 8. 2011: vom bevorstehenden Gründungsjubiläum ich bin sehr glücklich drüber, dass Sie und vom Wunsch, doch im Jahr 2011 das Seit 17 Jahren bin ich als Hochschulleh- meinen Eintritt in Ihr Forum als eine 300. Mitglied zu gewinnen. Ich bemerkte, rer an vielen Universitäten der ehemali- Freude empfunden haben. dass Herr Kiesl in seinem unermüdlichen gen UdSSR und der heutigen Russischen Einsatz sehr gefordert ist, und bot ihm Föderation tätig. Ich habe Menschen aller Bezüglich Ihrer Frage, wie ich zu Ihrem meine Hilfe und selbstverständlich mei- Schichten der Bevölkerung kennen ge- Verein gekommen bin, gibt es eine ein- nen Beitritt an. So bin ich nun seit An- lernt und viele bleibende Freundschaften fache Erklärung. Mir liegt die russische fang 2011 Mitglied im Forum und versu- geschlossen. Ich war überrascht, wie das Sprache und alles, was mit ihr verbunden che, bei der Vereinsarbeit aktiv zu helfen. geplagte Russland und deren Menschen ist, sehr am Herzen. Ich bin Schüler der an einer Völkerverständigung interessiert 12. Klasse und Russisch ist das Fach, was Ich konnte im ersten Mitgliedsjahr wie- waren. Nicht immer war ich als poli- mir am meisten Spaß macht. Mir ist es der bemerkenswerte Konzerte russischer tisch sehr interessierter Mensch mit der somit vergönnt, in die Traditionen und Künstler erleben und durfte im April mit Entwicklung in diesem Land einverstan- Gepflogenheiten des russischen Volkes ein dem Forum nach St. Petersburg reisen. den. Dennoch haben mich die Menschen bisschen hineinzuschnuppern. Es bereitet Das war sehr eindrucksvoll und macht überzeugt, wie wichtig es ist, nach einem mir immer eine große Freude, neue Er- mich erwartungsfroh auf weitere Reisen gemeinsamen Weg in ein neues, fried- kenntnisse über dieses Land zu erfahren ins weite Russland. Hier in Ostwestfalen liches Europa zu suchen. Dass auch in und von den Menschen zu lernen. So be- sind ja die vom Forum initiierten kultu- Deutschland und hier in Gütersloh ein gab ich mich auf die Suche nach Vereini- rellen Highlights immer wieder ein Sah- Verein existiert, der unter dem Namen gungen bzw. Menschen, denen Russland, nehäubchen im Alltag. »Forum Russische Kultur« eine Brücke seine Sprache sowie seine Kultur ebenso bauen will zwischen deutschen und rus- viel bedeutet wie mir. Außerdem ist es Im Freundes- und Bekanntenkreis erzähle sischen Menschen, war mir leichter nicht eine kleine Leidenschaft von mir, russi- ich von den Erlebnissen und Erfahrungen bekannt. Nachdem ich davon hörte, sche Lieder zu hören. im Forum. Dabei überrascht mit mitunter war es für mich eine Selbstverständlich- die wohl anerzogene Voreingenommenheit keit, mit einer Mitgliedschaft diese Zie- So bin ich vor allem von folgenden Liedern beim Thema »Russland«. Nur Aufklä- le zu unterstützen. Ich finde es toll, dass begeistert: »Прощание Славянки«, rungsarbeit und aktuelle Informationen seit 20 Jahren auf vielfältigste Art mit »Севастопольский вальс«, können die in der Vergangenheit gewach- großem Erfolg versucht wird, Menschen »Приходите в гости к нам«, »На senen Vorbehalte abbauen. Allzu sehr beider Länder zusammenzubringen und Безымянной Высоте«, »ЛЕТЯТ herrschen noch die Erlebnisse im längst Vorurteile abzubauen. Mit interessanten ПЕРЕЛЕТНЫЕ ПТИЦЫ« oder überwundenen Kalten Krieg und die Er- Reisen, einem exzellenten kulturellen wenn Дмитрий Хворостовский fahrungen mit der kommunistischen Ideo- Austausch ist es gelungen, viel für die Völ- die »Гимн Города Москвы« singt, logie vor. Sicher ist die wertvolle Arbeit kerfreundschaft zu tun. Ich bewundere dann bin ich wie in einem Bann gefesselt, des Forums auf der kulturellen Ebene ein das Programm und die Menschen, die das dass in mir eine Sehnsucht nach diesem guter Baustein für ein friedliches Zusam- zustande gebracht haben. Mitten in der Land entstehen lässt, die man kaum be- menleben in Europa. Provinz kommen sich Menschen beider schreiben kann. Deshalb suchte ich in- Länder näher, erleben deren Schicksale tensiv im Internet und landete letztlich Dr. med. Ulrich Buschsieweke, und Sorgen und praktizieren das, was auf der Seite Ihres Forums. Ich habe mir 33611 Bielefeld, schreibt am 29. Juli ansonsten auf inhaltslosen Konferenzen Ihr Video angesehen und las mir die Seite 2011: und schönen Worten nicht erreicht wird. durch. Dabei konnte ich mich mit Ihrem Ich wünsche mir, dass es vor allen Dingen Vorhaben identifizieren. Sehr geehrter Herr Kiesl! gelingt, die nächste Generation mit ein- zubeziehen, denn deren Zukunft hängt Des Weiteren bin ich von Ihrem großen Ihrer Bitte, meine Beweggründe für einen davon ab, ob es gelingt, den Weg nach Ziel, Brücken zwischen Deutschen und Beitritt kurz darzustellen, komme ich Europa zu finden. Russen zu bauen, sehr angetan. Deshalb hiermit gerne nach. entschloss ich mich für eine Mitglied- Durch eine Patientin, die ich schon seit schaft in Ihrem Forum und bin gespannt, vielen Jahren kenne und betreue, hatte ich Tony Chris Müller, 98634 Wasun- was mich alles erwartet. eine Einladung zu einem Kirchenkonzert gen, meldete sich am 2. Juni 2011 des Forums erhalten. Meine Frau und ich über das Internet als Mitglied an Viele liebe Grüße aus Wasungen, waren sehr überrascht über die unglaub- und Franz Kiesl fragte nach, wie er Tony Chris liche Qualität dieses russischen Chores zu dieser Entscheidung gekommen und hatten uns vorgenommen, auch wei- sei. Hier ist eine Antwort vom 3. Juni tere Veranstaltungen zu besuchen und uns 2011: zu informieren. Aber erst als mir ein be-

162 kanntes Ehepaar begeistert von einer Auf den Reisen erlebte ich, dass das Fo- St. Petersburg. Bis heute ist es mein Traum, Reise des Forums nach Kasan berichtete, rum Netzwerke sowohl in Gütersloh und Land und Leute kennen zu lernen, was habe ich die Mitgliedschaft beantragt. in der Region und auch in Russland ge- aber an meiner Flugangst scheitert. Russland wollen wir schon lange besu- knüpft hat und vor allem in St. Petersburg Seit Jahren besuchen wir die Konzerte des chen. Das vielfältige Reiseangebot unter und Moskau über große Erfahrungen an Forums. Immer wieder freuen wir uns offenbar sehr guter Leitung mit persön- den Standorten und in der Organisation über neue und bekannte Gesichter. lichen Kontakten war sicher auch ein verfügt. Grund für diesen Beitritt. Ich war erfreut, dass im Mittelpunkt im- Die Liebe zur russischen Musik, dem Wir werden gerne im nächsten Jahr an mer die Begegnung mit russischen und Land und den Menschen hat uns dazu einer dieser Reisen teilnehmen und haben deutschen Bürgern steht. Vor allem die veranlasst dem Forum beizutreten. uns auch vorgenommen, hier das kul- Begegnungen mit jungen Menschen neh- turelle Angebot – die unterschiedlichen men einen breiten Raum ein – es entste- Wir wünschen und hoffen, so mehr Kon- Konzerte – zu nutzen. hen Freundschaften. takte zu Russland zu bekommen.

Es mag sich so lesen, als wollten wir nur Das Geheimnis der anhaltenden Erfolge Herrn Heinz-Josef Antpöhler, 33129 von den Angeboten profitieren. Wichtiger des Forums sind wohl die aktiven Men- Delbrück, schreibt am 18. 8. 2011 ist uns aber der Aspekt des persönlichen schen, sowohl in Russland, als auch in Kennenlernens von Menschen in Russ­ Deutschland, mit Berufs- und Lebenser- Sehr geehrter Herr Kiesl, land über die Begegnungen mit und fahrung in Wirtschaft, Gesellschaft und durch deren Kultur. Wissenschaft und der Möglichkeit, eigen- das Gesicht, das Sie dem Forum Russische ständig und kreativ zu wirken. Kultur Gütersloh in den letzten Jahren ge- Ich bin nach meinen ersten Erlebnissen geben haben, wurde auch von mir nicht zu der Erkenntnis gekommen, dass eine übersehen. Mitgliedschaft im Forum eine persönliche Lothar Borner, 33334 Gütersloh, Bereicherung darstellt. Deutsch-Russische Freundschaften über schreibt am 25. 8. 2011: den kulturellen Weg, maßgeblich aber über die russische Musik zu vermitteln Im September 2009 las ich in der Tages- Hella Falkowski, 33330 Gütersloh, und zu festigen, sind Ihnen meisterlich zeitung eine Mitteilung des Forums Rus- schreibt: gelungen. sische Kultur über freie Plätze für eine Moskau-Reise. Ich nahm an der Reise im Lieber Herr Kiesl Ich freue mich, dass auch ich in diesem Ju- Oktober 2009 teil. Das war mein erster biläumsjahr Mitglied werden durfte. Besuch in Russland. Meine zweite Fahrt Schon als Kind hat mich Russland, das Weiterhin viel Erfolg, besonders aber auch war dann nach St. Petersburg im April Land der Zwiebeltürme interessiert. Als im Gewinnen neuer, unterstützender Mit- 2011 – da war ich bereits Mitglied. junges Mädchen wollte ich immer nach glieder..

Projekt »Helfen und Genießen« brachte 26000 DM an Spenden ein

n den neunziger Jahren war in großen Teilen der deutschen Gesellschaft die Bereitschaft recht groß, Menschen im westlichen Teil der ehemaligen UdSSR – also im wesentlichen in Weißrussland, in der Ukraine und in Russland – Izu helfen. In vielen Städten gründeten sich Organisationen, die besonders die Menschen in den tschernobyl-geschä- digten Regionen unterstützten. Die Begegnung mit Swetlana Krassowskaja aus Minsk am 20. Dezember 1990, über die an anderer Stelle ausführlich berichtet wird, machte Franz Kiesl deutlich, dass Hilfe aus Deutschland ein Bürgeranliegen werden müsse. Für die Konzerte des Forums wählte der damalige Vorstand des Vereins den zusätzlichen Hinweis »Helfen und Genießen«, um den Benefizcharakter der Veranstaltungen deutlich herauszustellen.

In den Jahren 1995 bis 2001 konnte Die Kinderhilfen Tschernobyl in Gü- war, bekam insgesamt 4.150 Mark. das Forum aus den Einnahmen von tersloh und in Rietberg-Mastholte er- Alles in allem erhielten Vereine, die in zwölf Veranstaltungen 26.910 Mark hielten je 3.050 Mark. Ebenfalls 3.050 Weißrussland wirkten, also 13.300 an Benefizbeiträgen spenden. Mit Mark erhielt das Gütersloher Ehepaar Mark an Spenden. dieser Summe hätte ein Großteil der Amm, das ein großes Projekt namens ­finanziellen eckungslückenD des Ver- »Nadeshda« in der Nähe von Minsk Fritz Pleitgen, WDR-Intendant, berich- eins geschlossen werden können, aber ausstattete. Das »Hilfswerk Kinder- tete in einer Fernsehsendung über das Hilfe zu leisten, hatte eine höhere Prio­ krankenhaus Minsk«, dessen Vorsitzen- Kinderkrankenhaus in Perm. Es wurde rität. der Minister a. D. Dr. Herbert Schnorr das Bild eines Jungen gezeigt. Der Text

163 163 von Fritz Pleitgen »Vielleicht schenkt Avdjunina, Vizepräsidentin der Stif- Insgesamt machten die Spenden einen ihm jemand einen Teddybär zu Weih- tung »Neue Namen«, am 16. Juli 2001 Betrag von über 3.000 Mark aus. Den nachten« löste eine Spendenlawine aus. die Burdenko-Klinik. Oberarzt Leonid zweiten Teil der Spende in Höhe von Das Kinderkrankenhaus in Perm wurde Glasman informierte die Besucher, dass 1.000 € überbrachten Franz Kiesl und Anfang 1997 durch die Fernsehberich- das Institut auf dem Gebiet der Neuro- Beiratsmitglied Heinz Pastel Prof. Sergej te zu einem großen Thema. Das Forum chirurgie Russlands erste Adresse und Gorelyshev im Rahmen der Moskau- wollte als Spender mit dabei sein. Franz in der praktischen und auch wissen- Reise des Vereins im Juni 2003. Prof. Kiesl war sich aber nicht sicher, ob er zu schaftlichen Medizin ein Begriff in der Gorelyshev berichtete, dass sein Exper- Fritz Pleitgen einen direkten Kontakt gesamten Fachwelt sei. Die besonders tenteam mittels Konferenzschaltung aufbauen könnte. Deshalb bat er die schwierigen Fälle in Russland und den mit Ärzten anderer Kinderkranken- damalige Bundestagsabgeordnete Ka- GUS-Staaten würden von den Chirur- häuser in Kontakt stehe und anhand trin Fuchs, Fritz Pleitgen wissen zu las- gen dieses Krankenhauses behandelt. der Diagnosen Therapieempfehlungen sen, dass das Forum eine Benefizveran- Zum Gespräch mit Ärzten und Schwe- gebe, damit möglichst viele Behandlun- staltung organisieren möchte. Das erste stern kam ein kleines Mädchen quick- gen direkt vor Ort durchgeführt werden Konzert mit dem Orchester »Moskow- lebendig hinzu. Ihr entstelltes Gesicht können. ja« unter der Leitung von Prof. Eduard musste mehrfach operiert werden. Das Gratsch brachte eine Spende von 6.300 Mädchen sprach die Mediziner an, Die deutschen Gäste besuchten zusam- Mark ein. Zu diesem Konzert kamen bat um Wasser und erzählte munter men mit Prof. Gorelyshev kleine Patien- WDR-Intendant Fritz Pleitgen und »drauflos«. Es herrschte eine liebevolle ten in ihren Zimmern und ließen sich WDR-Chefredakteur Harald Brand Atmosphäre. über die durchgeführten oder bevorste- nach Gütersloh. Über die Veranstal- henden Operationen berichten. Größ- tung wurde im gesamten Sendegebiet Konzerte als Spendenquelle tenteils sind es Tumore, die entfernt des WDR berichtet. Fritz Pleitgen sag- Franz Kiesl informierte Dr. Leonid werden müssen. Manche der Operatio- te damals: »Helfen und Genießen, das Glasman über eine beabsichtigte Spen- nen dauern bis zu 8 Stunden. Die jun- ist eine solch kultivierte Formel, die de der Besucher eines Konzerts am gen Patienten liegen in Einzelzimmern, von Gütersloh in viele Regionen ausge- 3. September in Gütersloh und über- in denen auch die Mütter für die Dauer hen sollte.« reichte ihm für seine Kinder-Neuro- des Klinikaufenthalts leben. Mit dem chirurgie vorab 1.000 US-$, nach dem Geld aus Gütersloh werden für die Pa- Weitere 2.000 Mark Benefizanteil gab damaligen Kurs über 2.000 Mark. tienten aus Waisenhäusern die kleinen es für das Kinderkrankenhaus Perm Dinge gekauft, die sonst in der Regel noch aus einem späteren Konzert der Beim Nachmittagskonzert mit Musi- von den Eltern mitgebracht werden. Moskauer Stiftung »Neue Namen«. kern der Stiftung »Neue Namen« im September 2001 in Gütersloh wurden Der Verein »Leben mit Behinderung die Eintrittspreise – wie vorgesehen - e. V,«, der in St. Petersburg wirkte, er- mit einem Benefiz-Anteil für das Kran- hielt eine Spende von 580 Mark nach kenhaus versehen. einem Konzert des St. Petersburger TV- & Radio-Kinderchors.

Aus zwei Konzerten des Knabenchors der Glinka-Chorschule St. Petersburg Gunda und Franz Kiesl mit Ärzten und der kleinen Patientin ergaben sich ebenfalls Spenden. Aus dem Auftritt am Volkstrauertag im November 1999 erhielt die »Deutsche Kriegsgräberfürsorge« 1.230 Mark und aus dem Auftritt am Muttertag im Mai 2001 das »Müttergenesungswerk« 500 Mark.

Besonders erwähnt werden soll die Spende des Forums für die Kinder- Neurochirurgie der Burdenko-Klinik in Moskau. Durch den in Gütersloh ansässigen in Russland geborenen Neurologen Prof. Dr. Jefim Salganik hatte Franz Kiesl erfahren, dass in der Kinder-Neurochirurgie der Burdenko- Klinik in Moskau Großartiges geleistet wird.

Zu Beginn einer Reise nach Susdal be- suchte das Ehepaar Kiesl mit Tatjana

164 Gastgeber praktizieren Völkerverständigung besonders intensiv

ie intensivste Form der Völkerverständigung praktizieren unsere Gastgeber. Nur weil das Forum in Gütersloh und in den Nachbarorten Menschen findet, die russische Gäste in ihr Haus aufnehmen, kann der Verein viele seiner Veran- Dstaltungen durchführen. In 2010 waren 102 russische Gäste insgesamt an 528 Tagen in unseren Familien unterge- bracht. Dass aber auch in früheren Jahren die Gastfreundschaft schon groß war, zeigen zum Beispiel die Zahlen des Jahres 2006: Damals sind 172 Gäste bei 56 Gastgebern an insgesamt 671 Tagen »rundum versorgt« worden.

Sprachbarrieren und kulturelle Unter- seine Besucher und wir waren neugie- Im Januar 2004 besuchte das FORUM schiede spielen keine Rolle, man lebt rig, wie diese Menschen, die sich der RUSSISCHE KULTUR mit einer De- einfach miteinander. Das wichtige Ziel Musik und Kultur verschrieben hatten, legation von 40 Personen die russischen des Forums, nämlich Begegnungen zu im persönlichen Umfeld und im per- Freunde zu einem Musikwettbewerb vermitteln, wird dabei in idealer Wei- sönlichen Leben waren. in Chanty- Mansijsk. Dort gab es vie- se realisiert. Die Gäste werden in ihrer le Überraschungen für uns. Mitten im Heimat zu Botschaftern für unser Land Immer ein offenes Haus für Gäste tiefen russischen Winter in Sibirien und die Gastgeber lernen ein Stück rus- Vorausschicken müssen wir, wir waren waren wir in einer modernen Stadt, die sisches Leben hautnah kennen. immer neugierig, wenn wir neue Men- uns erstaunte. Wichtig in diesem Zu- schen kennenlernten, auch dann haben sammenhang zu unserem Thema war Das Ehepaar Dr. Hubert und Barbara wir diese Menschen oftmals in unser der Kontakt mit unseren beiden russi- Gratzla schreibt z. B. unter anderem in Haus eingeladen. schen Dolmetscherinnen. Und wie es ihrem ausführlichen Bericht über den so war, Sie kennen den Ausspruch »Der Besuch junger russischer Gäste: Alles begann mit einem Besuch der eine liebt die Mutter und der andere die Neuen Namen im Jahre 2003. Beglei- Tochter.« So konnten wir sagen, dass »Warum nehmen wir überhaupt Gäste tet wurde die Delegation vom Kultur- meine Frau und ich große Sympathie zu auf? Wir finden es wichtig, Menschen minister Konev aus Chanty-Mansijsk, diesen beiden jungen Russinnen entwic- aus anderen Regionen der Welt und ihre den wir zu Gast hatten. Dieses Zu- kelt haben. In persönlichen Gesprächen Kultur kennen zu lernen, und verstehen sammentreffen wurde zu einem Erleb- haben wir diese jungen Frauen, die unse- unsere Gastfreundschaft als gute Möglich- nis und Abenteuer. Wir sprachen kein re Kinder aber auch unsere Enkel hätten keit, Kontakte zu schaffen und Brücken Wort Russisch, der Minister sprach sein können, nach Gütersloh eingeladen. zu bauen. Außerdem erfahren unsere drei kein Wort Deutsch und kein Englisch. Als wir dann noch die Einladung mit der Kinder, welch wichtige Basis Fremdspra- Außerdem waren wir zunächst ohne Bemerkung ergänzten, dass Paris ganz in chenkenntnisse dafür sind. Aus unseren Dolmetscher. Am Ende war es jedoch der Nähe von Gütersloh liegt, war der ganz überwiegend guten Erfahrungen ein positives Erlebnis und es reifte un- Entschluss von Anna und Yana gefasst, heraus ist es für uns selbstverständlich, ser Entschluss, auch in Zukunft russi- uns zu besuchen. Bei ihrem vierwöchi- dass wir auch beim nächsten Mal wieder sche Gäste aufzunehmen. Dieser Ent- gen Aufenthalt hat die Kommunikation zu den Gasteltern zählen.« schluss wurde auch schon bald weiter aufgrund der fließenden Deutschkennt- in uns gestärkt. nisse hervorragend geklappt. Dafür, dass die Gastgeber die Aufnah- me der russischen Gäste als Bereiche- rung empfinden, spricht in auffälliger Weise, dass es so viele »Wiederholungs- täter« gibt. Ein besonders hervor- stechendes Beispiel dafür ist Familie Hambrink.

Das Motto von Erika und Manfred Hambrink lautet: Um Klischees aufzu- brechen, lohnt es sich, das eigene Haus für die Gäste aus Russland zu öffnen.

In ihrem Bericht beschreiben sie sehr lebendig ihre Motive. »So wurde unsere Bereitschaft für die Aufnahme von Besuchern geweckt! Wir hatten auf einer Reise von St. Pe- tersburg nach Moskau unsere Reise- leiter sehr positiv in Erinnerung. Herr Kiesl suchte in Gütersloh Gastgeber für Manfred Hambrink mit seinen Gästen Lydia und Alexander Konev beim Informationsaustausch

165 Vier Wochen unter einem Dach bedeu- tet, man lernt sich persönlich kennen.

Unsere Gäste haben das Alltagsleben in der Familie erlebt und wir haben über Russland viel erfahren. Wir haben die unterschiedlichen Mentalitäten unserer beiden Völker kennengelernt, aber auch festgestellt, dass wir trotz der riesigen räumlichen Entfernungen in unserem Denken und Fühlen viel- fach übereinstimmten. Seit nunmehr 8 Jahren stehen wir im ständigen E- Mail-Kontakt, aus den jungen Frauen wurden Mütter mit Kindern. Der Ge- dankenaustausch ist immer noch sehr intensiv.

Zweimal Gast in unserer Familie Gastgeberin Erika Hambrink mit den Radfahrerinen Anna und Yana aus dem sibirischen Chanty Mansijsk Alexander Konev, der Kulturminister, besuchte uns noch ein zweites Mal mit seiner Ehefrau. Selbstverständlich war bei vielen unserer Gäste, dass sie Unser Besucher-Ehepaar aus Rostov Die Technik ist wichtig und wurde das tolle Textilangebot im Gütersloher am Don, beschäftigt in der Film-In- bei der Kommunikation oft souverän Einzelhandel intensiv nutzten. Unser dustrie, fotografierte mit Begeisterung beherrscht. Angebot ersetzte auch mal Moskau, als unsere alten Städte. Hier schon einmal wir für ein großes Fest die Bekleidung eine Kostprobe von der Startseite: Da nicht immer der Dolmetscher im in Gütersloh aussuchten. Unsere jun- »Das Forum Russische Kultur Gü- Haus war, haben wir in Telefonkonfe- gen Gäste mit begrenzten finanziellen tersloh renzen unsere Abstimmungen vorge- Möglichkeiten fischten mit absoluter wie Rheda-Wiedenbrück, Rietberg und nommen. Unser PC diente aber auch Sicherheit die Schnäppchen aus dem den alten Kirchplatz in Gütersloh. Sie als Reportageplatz. Eine Gruppe aus Ständer heraus. interessierten sich natürlich auch für Tatarstan hatte die eigene Presse mit- unser Haus und unseren Garten. Die gebracht. Die Veröffentlichungen aus Neugier auf das Umfeld vielen kleinen Häuser, Villen aus der Gütersloh sollten möglichst zeitnah in von Gütersloh und die alten Sicht der Russen, verwunderten. In der Heimat erfolgen. Es ist nicht immer historischen Städte Russland gibt es ja überwiegend große einfach, nach einer Woche mit Repor- Da viele unserer Besucher erstmals in Gebäude-Komplexe. tagen die eingeschlichenen russischen Deutschland waren, wollten sie auch Programmteile zu entfernen. Denn wir von dem täglichen Leben und dem haben schon gestaunt, wie weit in ei- Umfeld etwas sehen. Die Wände bebten nem Land mit großen Entfernungen oder es wurde geübt die Technik zum Informationsaustausch Wir hatten ja auch Musiker zu Besuch, beherrscht wird. und einmal war es der Dirigent einer Jazzgruppe, der in unserem Hause das Klavier bewegte, Wir waren erstaunt, was man mit unserem Instrument al- les machen konnte. Wir haben natür- lich auch von dem enormen Fleiß und dem Engagement der jungen Musiker gehört und dies erlebt. Unsere Freunde hatten einen jungen Pianisten als Gast.

Dieser kam täglich zu uns und machte Fingerübungen für 2 Stunden auf un- serem Klavier. Ganz zaghaft erklärte er und später auch eine Klavierlehrerin, dass zwei Töne auf unserem Klavier nicht ganz korrekt wären. Aus dieser Anregung haben wir einmal offen ei- nen Klavierbauer um sein Urteil ge- Journalistin Gamira Gadelshina aus Sainsk beten, der dann eine Totalüberholung berichtete täglich nach Tatarstan über die Michail Balonov macht in Wiedenbrück Film- Ereignisse in Gütersloh. vornahm. aufnahmen für das Fernsehen in Rostov am Don.

166 Um Termine, die ja bei den Besuchen ren zwischen 14 und 17 Jahre alt, der gleichzeitig mit, dass es bei ihnen etwas intensiv anfallen, klar und eindeutig zu Bajan-Spieler 23 Jahre. Wir merkten, kleiner wäre als bei uns. Wir wurden benennen, haben wir natürlich auch dass die jungen Frauen Teenager im auch oft gefragt, ob uns denn manch- einfachste Verständigungsmittel wie wahrsten Sinne waren, aber am Abend mal nicht die Räume zu groß wären. Zeichnungen und Aufschreibungen auf der Bühne waren sie Künstlerinnen Wir hatten jedoch das Gefühl, dass sie eingesetzt. Die Zeichnungen waren oft von höchster Perfektion, so dass wir sie sich schnell und gut eingelebt haben. sehr einfach, so dass unsere Besucher selber fast nicht wieder erkannten. von Höhlenmalereien sprachen und Jeder Besuch war für uns ein Erlebnis wir viel Spaß bei den Terminabspra- Zum Abschluss noch einmal etwas aus mit positiven Erinnerungen, und wir chen hatten. dem Lebensweg unserer beiden Dol- hoffen auch für unsere Gäste. Wir kön- metscherinnen aus Chanty-Mansijsk nen alle Leser nur auffordern: Machen Anfang des Jahres 2011 waren 5 junge Sie schrieben uns nach ihrer Hochzeit Sie mit beim Austausch der Kulturen Musiker der Spivakov-Stifung bei uns über ihr großes Glück, eine eigene und freuen sie sich auf Ihre Gäste aus in Gütersloh. Die jungen Frauen wa- Wohnung zu haben, teilten uns aber Russland.«

Unsere Homepage

August 2009 haben wir unsere Homepage IM www.forum-russische-kultur.de neu gestaltet. Die Akzeptanz ist so gut, dass wir den Lesern empfeh- len, sich selbst einen Eindruck zu verschaffen und dort die aktuellen Informationen über unser Wirken regel- mäßig abzurufen.

Hier schon einmal eine Kostprobe von der Startseite: »Das Forum Russische Kultur Gü- tersloh stellt sich seit zwanzig Jahren der Aufgabe, unabhängig vom Auf und Ab der Entwicklungen in der großen Politik die traditionell guten dere kulturell einzigartig gestalteten Beziehungen zwischen Deutschland Reisen ein unmittelbares Bild von Land und Russland durch die Festigung der und Leuten zu machen und sich dabei kulturellen Verbindungen zu vertiefen als willkommene Gäste zu fühlen. und zu erweitern. Das ist inzwischen erfolgreich durch ein über die Jahre sy- Neben unseren russischen Partnern Über »Interessante Links« kann direkt stematisch aufgebautes Netzwerk von sind unsere Mitglieder die wesentlichen unter anderem auf die Internetseiten Partnerschaften mit Personen und In- Stützen des Forums. Durch ihr persön- der Deutschen Botschaft in Moskau, stitutionen in beiden Ländern realisiert liches Engagement machen sie vielfach der Russischen Botschaft in Berlin, des worden. Begegnungen zwischen Russen und Generalkonsulats in Bonn, des Russi- Deutschen bei uns erst möglich. schen Hauses in Berlin, des Deutsch- Auf dieser Grundlage wurde die Mög- Russischen Forums, des Petersburger lichkeit eröffnet, talentierten und be- Sie sehen, der Verein hat sich bewusst Dialogs, des Maestro Spivakov und reits etablierten russischen Kulturträ- das Symbol der Brücke als Zusatz zu seiner Stiftung, der Stiftung »Neue Na- gern auf den verschiedensten Gebieten seinem Namen gewählt.« men« zugegriffen werden der Musik, des Tanzes, der Malerei und der Literatur eine Plattform für Unsere Internetseite hält für die Leser Unsere Homepage wird monatlich zwi- ihre Präsentationen in Deutschland zu die folgenden Rubriken bereit: Neu- schen 600- und 800-mal besucht. Auf- schaffen. igkeiten – Veranstaltungsprogramm fallend ist, dass unter den Besuchern – Reiseprogramm – Unsere Partner – zwischen 20 und 30 Prozent aus USA Auf der anderen Seite bietet das Forum Wir über uns – Forum Report – Presse- kommen. Was die Bürger dieses Landes interessierten Deutschen die Gelegen- berichte – Mitglieder, Fundament des an unserer Internetadresse interessiert, heit, sich auf touristisch wie insbeson- Forums - Forum intern. kann nur vermutet werden.

167 Unser Forum-Report

m Silvesterabend 2005 ließ Franz Kiesl bei seiner Rückbesinnung auf das abgelaufenen Jahr die vielen Veranstaltun- gen des Forums und die zahlreichen Veröff entlichungen in der Presse noch einmal Revue passieren, und dabei fi el Aihm ein, dass es bisher keinerlei zusammenhängende Dokumentation über erinnerungswürdige Ereignisse gab, mit der man Interessierte über das Wirken des Vereins umfassend informieren konnte.

übernahm die redaktionelle Bearbei- tung der Texte, sowie die Gliederung der Th emen und den inhaltlichen Auf- bau, und Günter Pohlschmidt sorgte für das gute Erscheinungsbild und die Technik.

Nach regem E-Mail-Verkehr und (nur) drei Redaktionssitzungen stand Anfang 2006 die erste Ausgabe. Die positive Le- serreaktion machte Mut, weitere Ausga- ben ins Auge zu fassen.

Inzwischen ist Anfang 2010 Ausgabe Nr. 5 erschienen. Das eingespielte Re- daktionstrio ist bei 48 Seiten angekom- men und hat die Th emenvielfalt laufend verbreitert. Es gibt wiederkehrende Th emenblöcke wie »Reisen«, »Veran- staltungen« und »Begegnungen«, aber auch Hintergrundinformationen, in denen externe Autoren in Form von In- terviews oder Berichten zu Th emen, die das Forum berühren, zu Wort kommen. Natürlich informiert der Report auch die Mitglieder über Interna des Vereins und enthält eine Vorschau auf bevorste- hende Veranstaltungen und Reisen.

Die Aufl age beträgt etwa 1200 Exem- plare. Regelmäßige Empfänger sind Am Neujahrsmorgen 2006 schrieb er Mitglied Heinz Schaefer, noch relativ in Deutschland neben 80 Vereinen Texte und sammelte Fotos, die er dem neu im Verein, machte Franz Kiesl den die Russische Botschaft und das russi- Grafi ker und Vereinsmitglied Günter Vorschlag, aus der »Chronik« in den sche Generalkonsulat, in Russland alle Pohlschmidt per E-Mail übersandte. Folgejahren eine repräsentativ gestalte- Freunde und Bekannten, von denen die Der staunte nicht schlecht, als er am 2. te Broschüre mit einem erweiterten re- lebhaftesten Reaktionen kommen. Bei Januar die Datenfl ut auf seinem Rech- daktionellen Teil zu machen. Der ging allen Veranstaltungen des Forums liegen ner vorfand. Auf seine telefonische darauf ein, und in einer Dreier-Be- Exemplare zum Mitnehmen aus. Anfrage beim Absender, was er damit sprechung, an der auch Günter Pohl- machen solle, erhielt er die klare Ant- schmidt beteiligt war, wurde schnell Der »Forum-Report« hat sich zu ei- wort: »Eine »Chronik 2005«. Günter Übereinkunft erzielt, dass der Versuch nem wertvollen Medium für die Öf- Pohlschmidt stellte aus dem Material gewagt werden sollte. Die Druckschrift fentlichkeitsarbeit entwickelt, weil er 24 DIN-A5-Seiten zusammen, die in erhielt den Namen »Forum-Report«, nicht nur Vergangenes dokumentiert, 500 Exemplaren gedruckt wurden, von sollte einmal im Jahr im DIN-A4-For- sondern auch die Ideen und Ziele des denen gleich bei der ersten folgenden mat mit einem informativen redaktio- Vereins einem breiteren Publikum in Veranstaltung, einem Vortrag des da- nellen Teil und in einem ansprechen- Deutschland und in Russland zugäng- maligen russischen Botschafters Kote- den Layout reich bebildert erscheinen. lich machen kann. Das Forum verfügt nev, 200 verteilt wurden. Die Arbeitsteilung war unproblema- somit neben seinem Auftritt im Inter- Soweit die Vorgeschichte. tisch: Franz Kiesl lieferte das »Urma- net über eine weitere ansehnliche »Vi- terial« und die Fotos, Heinz Schaefer sitenkarte«.

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