KKRRIITTIIKK AAMM FFUUNNKKTTIIOONNAALLIISSMMUUSS

Im Besonderen: Die Kritik von Hilary Whitehall Putnam

Schriftliche Arbeit zum Referat „Kritik am Funktionalismus“ im Rahmen des Forschungsseminars „Neuere psychologische Fachliteratur“ von Herrn Dr. Karl Leidlmair an der Leopold-Franzens-Universität im Sommersemester 2007

Eingereicht von: Hellweger Barbara Huter Maria Kink Martin Kritik am Funktionalismus Seite 2 von 21

INHALTSVERZEICHNIS

1. Biographie...... 3

2. Funktionalismus...... 4 2.1 Einleitung: Was ist Funktionalismus?...... 4 2.2 Arten des Funktionalismus...... 5 2.2.1 Machine State Functionalism ()...... 5 2.2.2 Psycho-Functionalism (Jerry Fodor)...... 6 2.2.2.1 Die Eigenart des Psychofunktionalismus...... 6 2.2.3 Analytic Functionalism...... 7 2.3 Berühmte Gedankenexperimente und die Kritik am Funktionalismus...... 7 2.3.1 The ()...... 7 2.3.2 The China Brain ()...... 8 2.3.3 Inverted Spectrum/Qualia (Ned Block)...... 8 2.3.4 Twin Earth (Hilary Putnam)...... 9 2.3.5 Meaning-Holism (Ned Block, Jerry Fodor)...... 9

3. „Repräsentation und Realität“...... 10 3.1 Einleitung...... 10 3.2 Bedeutung und Mentalismus...... 10 3.2.1 Intentionalität...... 10 3.2.2 Fodor und Chomsky...... 12

4. Argumente gegen den Mentalismus...... 15 4.1 Problem der Angeborenheit...... 15 4.2 Bedeutungsholismus...... 15 4.3 Der Bedeutungsbegriff ist zum Teil normativ...... 16 4.4 Die Begriffe hängen von der physischen und sozialen Umwelt ab...... 16 4.4.1 Gleiche Wörter mit Unterschiedlicher Bedeutung – Unterschiedliche Wörter mit der gleichen Bedeutung...... 17 4.4.2 Sprachliche Arbeitsteilung...... 17 4.4.3 Exkurs: Enger und weiter Inhalt...... 17 4.4.4 Beitrag der Umwelt...... 18

5. Äquivalente Zustände...... 19

6. Interner Realismus...... 20

7. Literatur...... 21 Kritik am Funktionalismus Seite 3 von 21

1. BIOGRAPHIE

Hilary Whitehall Putnam wurde am 31. Juli 1926 in Chicago, Illinois als Sohn von Samuel und Riva Putnam geboren. Bis 1943 lebte die Familie in Frankreich, doch wanderte dann in die Vereinigten Staaten aus, wo sie sich in Philadelphia niederließ. Putnam studierte Philosophie und Mathematik an der University of Pennsylvania in Philadelphia und beendete diese Studien mit dem Bachelor-Abschluss. Daraufhin verbrachte er eine kurze Zeit in Harvard und promovierte schließlich 1951 bei Hans Reichenbach an der UCLA (University of California in Los Angeles). Seine Dissertation zur Erlangung des Doktortitels in Philosophie trug den Titel: „The Meaning of the Concept of Probability in Application to Finite Sequences". Anschließend lehrte er für kurze Zeit am MIT, an der Northwestern und in Princeton und kehrte 1965 mit seiner Frau Ruth Anna wieder an die Harvard-University zurück. Dort nahm er eine Stelle als Philosophie Professor an, und auch seine Frau begann Philosophie am MIT zu unterrichten. Putnam war ein sehr beliebter Professor an der Harvard-University und engagierte sich auch in politischen Angelegenheiten. Dementsprechend übte er in den späten 60er und 70er Jahren heftige Kritik an den US-amerikanischen militärischen Aktivitäten in Vietnam und setzte sich auch für Bürgerrechtsbewegungen ein. An der Harvard-University half er auch bei der Organisation von Studentenprotesten und hielt Kurse über den Marxismus ab. Daher verwundert es auch nicht, dass er 1968 der Progressive Labor Party (PLP) beitrat, welche eine marxistisch-leninistische Organisation war. Aus diesem Grunde versuchte die Leitung der Harvard-University Putnam zu zensieren, was ihr jedoch nicht gelang. Allerdings kehrte Putnam auch schon 1972 dieser Organisation den Rücken zu, und gab sogar 1997 zu, dass sein damaliger Beitritt ein Fehler gewesen sei. Auch wenn er sich hier gegen sein früheres radikales politisches Engagement stellt, gibt es doch einige Themen, welchen er sich Zeit seines Lebens verpflichtet gefühlt hat. Dies betrifft vor allem auch seine Überzeugung, dass Akademiker eine soziale und ethische Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft haben. So veröffentlichte er im Laufe der Zeit einige Artikel zu diesem Thema, wie beispielsweise "How Not to Solve Ethical Problems" (1983) and "Education for Democracy" (1993). Seine größte Leidenschaft gilt aber dennoch der Philosophie, vor allem der Philosophie des Geistes. Ausgehend von dem Leib-Seele-Problem entwickelte er in den späten 60er Jahren eine Position, welche heutzutage als Funktionalismus bekannt geworden ist. Damit nicht genug, entwickelte er auch eine Sprach- philosophie, eine Philosophie der Mathematik und schlussendlich auch eine Philosophie der Philosophie. Bei vielen dieser Arbeiten lehnte er sich an bekannte Philosophen wie W. V. Quine, Hans Reichenbach, Alan Turing, Immanuel Kant, Nelson Goodman, Charles Peirce, William James und Ludwig Wittgenstein an. Aber auch seine Arbeiten hatten einen entscheidenden Einfluss auf andere Wissenschaftler wie beispielsweise: Jerry Fodor, Ned Block, Joseph LeDoux, Tyler Burge, David Marr, , David Lewis und Donald Davidson. Abschließend ist noch zu sagen, dass Putnam wohl als einer der interessantesten Philosophen des 20. Jahrhundert gilt, da seine Arbeiten in vielen verschiedenen Themenbereichen angesiedelt sind. Bemerkenswerter ist aber vielleicht noch seine Eigenschaft, seine Positionen in zentralen Fragen immer wieder zu hinterfragen und sie dementsprechend auch immer wieder zu ändern. Am deutlichsten sieht man Kritik am Funktionalismus Seite 4 von 21 diese Tatsache wohl darin, dass er zwar als Gründer des Funktionalismus aber auch als dessen heftigster Kritiker gesehen werden kann. Dieser Umstand, dass Putnam in vielen philosophischen Problemen oft seinen Standpunkt ändert, wird ihm auch von anderen Philosophen als Charakterschwäche vorgehalten. Dazu Putnam: „Wenn ich guter Laune bin, erwidere ich darauf, es könnte sein, dass ich meine Meinung deshalb so oft ändere, weil ich Fehler mache, während andere Philosophen ihre Meinung nicht ändern, weil sie eben keine Fehler machen.“ Kritik am Funktionalismus Seite 5 von 21

2. FUNKTIONALISMUS

2.1 Einleitung: Was ist Funktionalismus?

Definition: „Funktionalismus ist jene Anschauung bei der geistige Zustände funktionale Zustände sind, wo ein funktionaler Zustand hinsichtlich seiner Eingaben, Ausgaben, und anderer funktionaler Zustände definierbar ist.“ (http://www.iwp.uni-linz.ac.at/lxe/agora/Funktionalismus.html) Funktionalismus ist die Philosophie des Geistes die besagt, dass ein mentaler Zustand eines bestimmten Typs nicht von seiner inneren Beschaffenheit, sondern vielmehr von seiner Funktion oder Rolle in einem System, von dem er ein Teil ist, abhängt. Präziser ausgedrückt besagen funktionalistische Theorien, dass die Identität eines mentalen Zustandes von seiner kausalen Beziehung zu sensorischer Information, Verhalten und anderen mentalen Zuständen abhängt. Eine volle Ausformulierung erhielt diese These in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts. Ein einfaches Beispiel für solch eine funktionalistische Theorie wäre die Charakterisierung des mentalen Zustandes des Schmerzes. So könnte Schmerz der Zustand sein, der durch eine körperliche Verletzung erzeugt wird und in weiterer Folge den Glauben erzeugt, dass etwas mit dem eigenen Körper nicht in Ordnung ist. Dies wiederum könnte zu dem Bedürfnis führen, diesen Zustand beenden zu wollen, Angst vermitteln und letztendlich, sofern kein Bedürfnis vorhanden ist dies zu unterdrücken, z.B. das Verhalten des Winselns auslösen. Angenommen es existiert eine beim Menschen charakteristische neuronale Aktivität, die die oben genannten funktionellen Konditionen erfüllt (z.B. C-Faser Stimulierung – assoziiert mit Schmerzwahrnehmung), so können Menschen den mentalen Zustand des Schmerzes haben indem die angeführten funktionalen Zustände durch C-Faser Stimulierung angeregt werden. Der springende Punkt der Theorie ist jedoch, dass viele verschiedene Spezies mit unterschiedlichen organischen bzw. anorganischen Anordnungen (Tiere, hypothe- tische Androiden, Computer) die funktionalen Voraussetzungen erfüllen könnten und somit auch den mentalen Zustand des Schmerzes erleben könnten. Funktionalisten behaupten also, dass mentale Zustände von verschiedenen Arten mit unterschied- lichen Eigenschaften realisiert werden können solange nur die richtigen funktionalen Zusammenhänge von ihnen verwirklicht werden können („Multiple Realization“). Des Weiteren wird im Funktionalismus die Möglichkeit hervorgehoben, dass mentale Zustände auch durch andere mentale Zustände bedingt werden können und nicht nur durch physikalischen Input. “…, then it’s logically possible for non-physical states to play relevant roles, and thus realize mental states, in some systems as well.” (http://plato.stanford.edu/entries/functionalism/) „Der Funktionalismus ist von (Hilary) Putnam als Gegenvorschlag zu der so genannten klassischen Identitätstheorie des Geistes entworfen worden. Wobei der Funktionalismus im Bereich der Identitätstheorien bleibt; es wird nur etwas anderes als in den klassischen identifiziert.“ (http://edoc.hu-berlin.de/magister/goldstrass-thomas-2002-11-08/HTML/chapter2.html#chapter2) Die Identitätstheorie besagt, dass mentale Zustände mit physikalisch neuronalen Zuständen des menschlichen Gehirns identisch seien. Diese Sichtweise schränkte Kritik am Funktionalismus Seite 6 von 21 die Wissenschaft jedoch entscheidend ein da sie postuliert, dass nur Geschöpfe mit einer anatomisch gleichen Konstruktionsweise (gleiches Gehirn) wie wir dazu in der Lage seien mentale Zustände zu erzeugen bzw. zu haben. Der Funktionalismus mit seinem Prinzip der multiplen Realisierbarkeit schafft hier ein logischeres Bild. So könnten beispielsweise intelligente „Marsmenschen“ oder Computer mit einer anderen anatomischen Struktur als der unseren auch mentale Zustände verwirklichen, indem sie die gleichen Funktionen erfüllen. Zwar würden hier diese mentalen Zustände immer noch mit der Aktivität der Anatomie identisch sein (Identitätstheorie), jedoch wäre es unabhängig von der Zusammensetzung des eben erwähnten anatomischen Substrates selbst. Was zählt ist somit die Software und diese kann auf verschiedenartiger Hardware realisiert werden. Im Laufe der Zeit entwickelten sich verschiede funktionalistische Ansätze mit unterschiedlichen Wurzeln. So ist der so genannte „Machine-State-Functionalism“, welcher mit dem Namen Hilary Putnam verbunden ist, eine Weiterentwicklung der Ansichten von A. M. Turing. Auf der anderen Seite können funktionalistische Theorien auch als konsequente Kritik und Weiterentwicklungen des Behaviorismus angesehen werden. Es erschien viel versprechend sowohl die mentalen Zustände wie Glauben, Bedürfnisse, etc. und die beobachtbaren Input- und Output-Variablen gemeinsam zu betrachten um so ein ganzheitlicheres Bild des Verhaltens eines Organismus zu erhalten. Im folgenden Abschnitt werden wir etwas detaillierter auf die verschiedenen Grundspielarten des Funktionalismus eingehen.

2.2 Arten des Funktionalismus

In diesem Abschnitt beschäftigen wir uns mit vier Arten von Funktionalismus, die durchaus nicht strikt voneinander getrennt werden können, da sie sich in einigen Gebieten überlappen.

2.2.1 Machine State Functionalism (Hilary Putnam 1960, 1967)

Nach Putnam kann jedes Lebewesen mit einem Geist als eine Art Turing Maschine betrachtet werden (ein idealisierter endlicher Automat). Seine Operationen können umfassend mit einer endlichen Anzahl von Instruktionen beschrieben werden (Programm). Somit gilt: Befindet sich eine Maschine (oder ein Lebewesen) im Zustand S(i) und erhält darauf den Input I(j), so wechselt die Maschine in den Zustand S(k) und produziert den Output O(l). Diese Funktion gilt für eine endliche Anzahl von Inputs, Zuständen und Outputs und kann somit, theoretisch, die gesamte Bandbreite unseres Verhaltens und unserer Zustände erklären. Beispiel: Befindet sich ein Individuum in einem Zustand (Æ Ruhe) und es folgt ein Input (Æ Verletzung), so wechselt das Individuum in einen anderen Zustand (Æ Schmerz) was wiederum einen Output (Æ „AUA“ rufen) hervorbringt. Diese Denkweise spiegelt die Funktionsweise der Syntax eines Programms wieder. Kritik am Funktionalismus Seite 7 von 21

Seine Funktion im Systemkomplex definiert hier den mentalen Zustand und es ist belanglos auf welche Art und Weise, oder durch welche Materie, diese Beziehung hergestellt wird (multiple Realisierbarkeit). Die etwas moderneren Ansätze gehen jedoch nicht von simplen kausalen Zusammenhängen aus – beschreiben den Geist also nicht als einfaches „Wenn- Dann-System“. Sie fassen vielmehr ein probabilistisches Modell dieser Funktionen ins Auge. In Worten ausgedrückt bedeutet dies, dass auf Input A eben nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auch ein Wechsel zu Zustand B erfolgt. In diesem Zusammenhang muss angeführt werden, dass sich die beschriebenen mentalen Zustände auch gegenseitig beeinflussen können. Wird also „glauben, dass es regnen wird“ als mentaler Zustand angesehen, so bedingt dies nicht zwangsläufig, dass man einen Regenschirm in die Hand nimmt wenn man das Haus verlässt. Befindet man sich jedoch einerseits in dem Zustand „glauben, dass es regnen wird“ und parallel dazu in einem anderen Zustand „trocken bleiben wollen“, so führt dies eher zu einem Output („Schirm nehmen“, „Regenmantel anziehen“ oder gar „im Haus bleiben“).

2.2.2 Psycho-Functionalism (assoziiert mit Jerry Fodor)

Der Psychofunktionalismus basiert prinzipiell gesehen auf der Ablehnung der behavioristischen Theorien in der Psychologie und ihrem Dogma, dass alle Eigenschaften des Geistes auf simple Verhaltensdispositionen reduziert werden können. Es werden hier den verschiedenen mentalen Zuständen bestimmte Funktionen zugeschrieben, die letztendlich deren Existenz begründen bzw. rechtfertigen. Es werden somit kausale, sinnstiftende Funktionen der mentalen Zustände herangezogen, die menschliches Verhalten auf Basis einer kognitiv- psychologischen Theorie erklären. Es wird somit in die „Black Box“ des Behavior- ismus, im Sinne von intervenierenden Variablen (mentale Zustände), hineingesehen. Zur Veranschaulichung: In der Biologie ist alles eine Niere was die Aufgabe erfüllt das Blut zu filtern und von Schadstoffen zu befreien während alles als Herz gilt, was Blut durch unseren Körper pumpt (auch hier wieder multiple Realisierbarkeit). In der Psychologie kann alles als Schmerz betrachtet werden, was seine Funktion erfüllt (egal auf welche Weise). Die Funktion des Schmerzes kann darin gesehen werden, dass z.B. ein Verhalten hervorgerufen wird, welches einen unangenehmen Zustand beenden kann.

2.2.2.1 Die Eigenart des Psychofunktionalismus

Das Postulat des Psychofunktionalismus besagt, dass nur die mentalen Zustände auch tatsächlich solche sind, die eine Funktion im Rahmen einer wissenschaftlichen Erklärung von Verhalten erfüllen. So können mentale Zustände die in unserem Alltagsverständnis vorkommen, durch hypothetische mentale Zustandskonstrukte aus der experimentellen Wissenschaft etwa ergänzt werden. Andersherum negieren Funktionalisten jedoch die Existenz solcher, durch „Common Sense“ definierten mentalen Zustände, für die es keine wissenschaftlichen Beweise und keine kognitiv- psychologische Relevanz gibt. Funktionalisten können z.B. zwischen dem Zustand der „Depression“ (Wissenschaft) und dem der „Traurigkeit“ (Alltagspsychologie) unterscheiden obwohl es unter Kritik am Funktionalismus Seite 8 von 21

Umständen schwierig sein kann, die verschiedenen Ursachen und Folgen dieser Zustände mit alltagspsychologischem Verständnis (oder auch ) zu differenzieren. Kritisiert wird dieser Standpunkt vor allem dadurch, dass selbst die komplexesten kognitiv-psychologischen Theoriegebilde auf alltagspsychologischen Überlegungen fußen und somit keine befriedigenden Erklärungen für unser mentales Erleben bereitstellen.

2.2.3 Analytic Functionalism

Eine dritte Form des Funktionalismus („analytic functionalism“) beschäftigt sich im Allgemeinen mit der Bedeutung theoretischer Begriffe/Elemente. Die Basisidee dieser Art von Funktionalismus besteht darin, dass theoretische Begriffe/Elemente implizit durch ihre Anwendung in den Theorien in denen sie vorkommen definiert sind. Im Falle umgangssprachlicher Begriffe wie „Bedürfnis“ oder „Hunger“ bedeutet dies, dass diese ihre Bedeutung durch unsere alltagspsychologischen Theorien, in die sie eingebettet sind, erhalten. Man kann diese unsere Begriffe wie folgt analysieren: Mentaler Zustand M ist der Zustand, der durch P verursacht wird und zu O führt. Beispiel: Sitzt man sich auf einen Nagel führt dies zu Schmerz und veranlasst einen dazu laut „Aua“ zu rufen. Diese Art funktionaler Definitionen im Sinne kausaler Rollen werden als analytisches und a priori (von der Erfahrung unabhängiges) Wissen über die mentalen Zustände die sie beschreiben, angesehen. Der grundlegende Unterschied zwischen analytischem Funktionalismus und Psychofunktionalismus besteht nun darin, dass Letzterer die Wichtigkeit des Labors und die Wichtigkeit von Experimenten um a posteriori die wahren mentalen Zustände zu erkennen und deren funktionelle Rolle zu erklären, betont. Analytischer Funktionalismus hingegen besagt, dass diese Identifikation nicht a posteriori hergestellt werden muss sondern, dass sie bereits a priori vorausgesetzt ist.

2.3 Berühmte Gedankenexperimente und die Kritik am Funktionalismus

2.3.1 The Chinese Room (John Searle)

Searles Argument richtet sich direkt gegen die Aussage, dass der Geist als ein Funktionsrepertoire bezeichnet werden kann. In seinem Gedankenexperiment ist es möglich intelligentes Verhalten auf der Basis von Funktionen zu simulieren, ohne, dass man jedoch gleich von mentalen, bewussten oder gar verstandenen Zuständen sprechen kann. Stellen wir uns einen Mann vor, dessen Muttersprache Englisch ist. Stellen wir uns nun vor, dass dieser Mensch in einem abgeschirmten Raum sitzt, in dem sich chinesische Zeichen und ein „Regelbuch“ befinden, welches die Zeichen vorgibt, die man als Antwort auf einen bestimmten chinesischen Zeicheninput verwenden kann. Dem Raum in dem der Mann sitzt werden nun Fragen von tatsächlichen Chinesen gestellt, die sich außerhalb befinden. Dem Mann wird aufgetragen das „Regelbuch“ zu verwenden und so auf den chinesischen Input zu antworten. Kritik am Funktionalismus Seite 9 von 21

Wenn der Mann das „Regelbuch“ richtig anwendet, dann scheint es so als würde der Raum Chinesisch sprechen. Laut Searle ist es jedoch absurd zu behaupten, dass der Mann in der Box Chinesisch könne nur weil er die richtigen syntaktischen Funktionen (Input Æ Rechen, Algorithmus Æ Output) ausführt. Dieses Experiment soll verdeutlichen, dass Systeme die allein auf Basis syntaktischer Operationen agieren (Funktionen erfüllen), niemals semantische Bezüge (Bedeutung) herstellen können.

2.3.2 The China Brain (Ned Block)

Auch dieses Gedankenexperiment wurde verwendet um Kritik am Funktionalismus auszuüben. Das Argument hier richtet sich gegen die multiple Realisierbarkeit des Funktionalismus, die ja möglich ist, da nur Funktionen erfüllt werden müssen. Nehmen wir einmal an die gesamte chinesische Bevölkerung würde herangezogen werden um ein menschliches Gehirn zu simulieren. Nehmen wir weiters an, dass jeder der 1 Milliarden Chinesen als ein Neuron agiert und mittels Zweiwegradio mit anderen Chinesen (Neuronen) in kommunikativer Verbindung steht. Nun gehen wir noch davon aus, dass die mentalen Zustände Chinas via Satelliten angezeigt würden, die von ganz China aus sichtbar sind. Das Chinagehirn wäre somit über Funk mit einem Körper verbunden, welcher für sensorischen Input sorgt und Output in Form von Verhalten erzeugt. Das Chinagehirn würde somit über alle Elemente verfügen, die vom Funktionalismus als maßgebend für Bewusstsein erachtet werden. Würde diese Anordnung korrekt umgesetzt, so müsste die Nation China also (laut Funktionalismus) ein Bewusstsein haben. Block bezeichnet diese Möglichkeit jedoch als absurd. Das Experiment zeigt somit, dass etwas funktionell äquivalent zu unserem menschlichen Gehirn sein kann, ohne, dass sich jedoch so etwas wie Bewusstsein entwickelt. Dieses Argument gegen die Tauglichkeit vom Funktionalismus wurde auch als „absent Qualia Argument“ (Wahrnehmung der Wahrnehmung) bezeichnet, da hier ein System zwar analog dem des Menschen agiert jedoch kein bewusstes Erleben hervorbringt.

2.3.3 Inverted Spectrum/Qualia (Ned Block)

In diesem Gedankenexperiment stellen wir uns einen Menschen mit dem Namen Jane vor. Jane wurde mit einer Dysfunktion geboren die dazu führt, dass sie das Farbspektrum in umgekehrter Weise wahrnimmt. Sie sieht z.B. Gelb statt Rot und Grün an Stelle von Blau. Nehmen wir jetzt an, dass wir und Jane ein Schild mit blauer Farbe betrachten. Wir würden das Schild als blaufarbig sehen während Jane es als grünfarbig wahrnehmen würde. Würde man uns nun fragen welche Farbe das Schild hat, so würden wir beide mit Blau antworten. Tatsächlich müsste man davon ausgehen, dass all unsere funktionellen Beziehungen zu Farbe identisch sind. Hier wird demonstriert, dass zwei Menschen zwar funktionell identisch sein können aber dennoch verschiedene mentale Zustände/Repräsentationen aufweisen können. Weiters müsste man auch davon ausgehen, dass Semantik/Bedeutung wohl auch durch unsere Sozialisation vermittelt wird und nicht nur durch die Funktion von Input, mentalen Zuständen und Output.

Kritik am Funktionalismus Seite 10 von 21

2.3.4 Twin Earth (Hilary Putnam)

Dieses Gedankenexperiment wird später ausführlich bearbeitet.

2.3.5 Meaning-Holism (Ned Block, Jerry Fodor)

Ein anderer kritischer Ansatz wird als das „Damn“ (Verdammt)/„Darn“ (Verflixt) Problem bezeichnet und richtet sich gegen den radikalen semantischen Holismus, der im Funktionalismus verborgen liegt. Schlägt man sich mit einem Hammer auf den Finger so kann man beispielsweise „Verflixt“ oder „Verdammt“ rufen und der Unterschied dieser Ausrufe kann für uns mental bedeutsam sein. Funktionalisten behaupten, dass unsere Outputs in Beziehung zu unseren mentalen Zuständen (evtl. sogar allen) stehen. Erfahren nun zwei verschiedene Menschen den gleichen Input (Schmerz) äußern aber verschiede Outputs (damn/darn), so muss man davon ausgehen, dass diese Zwei wenig bis gar keine Gemeinsamkeiten in ihren mentalen Zuständen aufweisen. Dies widerspricht allerdings unserem Hausverstand, der uns sehr wohl sagt, dass zwei Menschen, die sich mit einem Hammer auf den Finger schlagen, mit Sicherheit denselben mentalen Zustand haben werden. Es kommt hierbei sicherlich nicht darauf an ob sie den gleichen Schmerzensausruf tätigen. Kritik am Funktionalismus Seite 11 von 21

3. REPRÄSENTATION UND REALITÄT

3.1 Einleitung

In seinem Werk „Repräsentation und Realität“ zeigt Putnam auf, dass die Computerauffassung des Bewusstseins, die kalkülmäßige Auffassung des Geistes, also der Funktionalismus, den er zuvor vertreten hatte, nicht in der Lage sind, die zentrale Frage, die Philosophen beantworten möchten, zu beantworten, nämlich: „Was ist das Wesen der mentalen Zustände?“ Die Computerauffassung ihrerseits richtete sich gegen die Vorstellung der Identitätstheorie, wonach mentale und neuronale Zustände identisch seien, also die Hardware das Wesen des Bewusstseins ausmache. Putnam hielt dem entgegen, dass Wesen den gleichen mentalen Zustand haben können, obwohl sie ganz verschiedene neuronale Zustände haben. Dies ist vergleichbar mit Computern mit verschiedener Hardware, auf denen dieselbe Software laufen kann. Die Programme sind also multipel realisierbar. Mentale Zustände sollten daher die Software des Gehirns darstellen. Nach dem funktionalistischem Modell sind psychische Zustände („glauben dass“, „wünschen dass“, „überlegen dass“ usw.) kalkülmäßige Zustände des Gehirns. In „Repräsentation und Realität“ vertritt Putnam nun die neue These, wonach nicht nur die Gleichsetzung von mentalen Zuständen mit physisch-chemischen (neurona- len) Zuständen, sondern auch eine Gleichsetzung mit funktionalen kalkülmäßigen Zuständen verfehlt sei. Bedeutungen sind nicht im Kopf.

3.2 Bedeutung und Mentalisums

3.2.1 Intentionalität

Da der Funktionalismus im Grunde versucht eine Erklärung für Intentionalität zu liefern, geht auch Hilary Putnam in seinem Buch „Repräsentation und Realität“ zuallererst näher auf diesen Begriff ein. Obwohl man das Wort „intentionality“ häufig in verschiedensten Zusammenhängen finden kann, wird selten näher auf dessen Bedeutung eingegangen. Nach Putnam hat Intentionalität aber nicht nur eine einzige Bedeutung sondern steht für einen ganzen Komplex von Themen und Problemen. Insbesondere die folgenden vier Themen sieht er als die häufigsten Beispiele für „Intentionalität“: 1. Wörter, Sätze und sonstige „Repräsentationen“ haben Bedeutung. 2. Repräsentationen können sich auf ein tatsächlich existierendes Ding bzw. auf einige von mehreren tatsächlich existierenden Dingen beziehen (d.h. auf sie zutreffen). 3. Repräsentationen können von etwas, was nicht existiert handeln. 4. Einem Bewusstseinszustand kann ein „Sachverhalt“ als Objekt entsprechen, so z.B. wenn man sagt: „Sie glaubt, dass er zuverlässig ist“, „Er hofft, dass sein Chef abserviert wird“, „Sie fürchtet, dass es in diesem Haus nicht zu essen gibt“. (Putnam, 1991, S.20) Als die Computerrevolution ihren Anfang nahm, ging man davon aus, dass Computermodelle Erklärungen für diese verschiedenen Phänomene von Intention- Kritik am Funktionalismus Seite 12 von 21 alität liefern könnten. Da es aber nicht möglich war diese verschiedenen Beispiele für „intentionality“ reduktionistisch zu erklären, gingen manche Autoren so weit zu behaupten, dass Intentionalität ohnehin nur ein Merkmal der Volkspsychologie sei. Putnam erläutert diesen Standpunkt folgendermaßen: „Sollte es unmöglich sein, eine erstklassige wissenschaftliche Erklärung der intentionalen Fakten und Phänomene zu geben, so liege das nicht daran, dass der wissenschaftliche Reduktionismus nicht das richtige Verfahren für die Metaphysik wäre, sonder daran, dass es hier gar nichts gebe, was sich auf etwas anderes zurückführen ließe.“ (Putnam, 1991, S.22) Putnam wendet sich somit in seinem Buch gegen die Vertreter dieser Auffassung, dass Intentionalität weder auf etwas anderes zurückführbar sei noch verschwinden werde, welche auf des Öfteren als „Bretanos These“ oder „positive These“ bezeichnet wird. Einfach gesagt geht es also darum, dass Intentionalität als ein Urphänomen angesehen wird, durch welches erste eine Beziehung zwischen Denken und Ding und Bewusstsein und Außenwelt hergestellt wird. Dieser Behauptung setzt Putnam das antike philosophische Problem des Einen und Vielen entgegen. Darunter versteht man die Problematik, dass viele verschiedene Erscheinungen immer etwas Gemeinsames haben müssen, wenn man diese unter einem einzigen Begriff zusammenfassen möchte. Überträgt man nun dies auf Bretanos These, so folgt daraus, dass Intentionalität ein einziges Phänomen ist, das dementsprechend auch undefinierbar sein muss. Beispiel: Als Beispiel für dieses doch komplexe Argument zieht Putnam die Farbe „Rot“ heran und verdeutlich, dass zwar allen roten Dingen etwas gemeinsam sein muss aber dieses Gemeinsame wissenschaftlich nicht so leicht expliziert werden kann. Man könnte natürlich davon ausgehen, dass allen roten Gegenständen eine gewisse Disposition bestimmte Wellenlängen des Lichtes auszustrahlen und zu absorbieren gemeinsam ist. Falls man jedoch nach Eigenschaften sucht, welche eben nichtdispositional (oder strukturell) sind, kann man keine wissenschaftlich beschreib- bare Gemeinsamkeit roter Dinge finden. In diesem Sinne sieht Putnam auch das Problem der Intentionalität und versucht in seinem Buch zu zeigen, dass es kein Merkmal gibt, welches allen intentionalen Phänomenen gemeinsam ist. Putnam möchte als mit dieser These bestreiten, „dass es ein wissenschaftlich beschreibbares „Wesen“ gibt, das allen Fällen von Bezugnahme überhaupt bzw. allen Fällen von Bedeutung überhaupt oder allen Fällen von Intentionalität überhaupt zukommt.“ (Putnam, 1991, S.26) Somit kann auch behauptet werden, dass allen anfangs erwähnten Beispielen von Intentionalität keine Eigenschaft gemeinsam ist, aber sie trotzdem alle unter intentionale Phänomene subsumiert werden können.

3.2.2 Fodor und Chomsky

In seinem Buch „Repräsentation und Realität“ wendet sich Putnam gegen den generellen Ansatz der Philosophen und Kognitionswissenschaftler, welche sich mit Fragen der Bedeutung beschäftigen und geht hier insbesondere auf den Ansatz von Fodor und Chomsky ein. Chomskys Theorie geht einfach gesagt davon aus, dass es eine Grammatik gibt, welche dem Geist sozusagen angeboren ist. Er nennt dies auch eine Universalgrammatik, welche in der Grundstruktur des Geistes selbst zu finden sei und nicht auf ähnlichen Umweltbedingungen der Menschen gründe. Ein Kritik am Funktionalismus Seite 13 von 21 weiterer wichtiger Punkt in der Theorie von Chomsky ist die Einteilung des Geistes in verschiedene automatisch funktionierender Module wie etwa das Sprachorgan, für welches die angeborene sprachliche Struktur ganz entscheidend sei. Somit sind die Schlüsselgedanken von Chomsky: • „die Idee der Sprachuniversalien • die Hypothese der Angeborenheit • und der neuere Gedanke der Modularität.“ (Putnam, 1991, S.28) (Unter dem Gedanken der Modularität versteht man die Hypothese, dass der Geist aus einer Ansammlung zusammenwirkender spezialisierter Subsysteme zusam- mengesetzt sei.) Daraus lässt sich nun folgern, dass eine Theorie der semantischen Ebene von Chomsky postuliert, dass es im Gehirn semantische Repräsentationen gibt, welche angeboren und universal sind und sich auch all unsere Begriffe aus solchen semantischen Repräsentationen zusammensetzen. Das heißt also, es wird von einer Sprache des Geistes ausgegangen, einer „lingua mentis“: Der Geist denkt auf mentalesisch, verschlüsselt die Gedanken in der natürlichen Sprache und übermittelt diese durch Sprechen weiter - der Hörer nimmt die Worte auf, und sein Geist übersetzt diese wiederum in das Mentalesische. Somit sind nach Chomsky Bedeu- tungen im Kopf. Diese Theorie von Chomsky, (als auch von Fodor, welcher sie weiterentwickelt hat), wird auch in der Linguistik als linguistischer Mentalismus bezeichnet. Vor allem gegen diese Theorie aber auch gegen den Hang Chomskys und Fodors zum Mentalismus wendet sich Putnam in seinem Buch. Jedoch steht für Putnam nicht die Kritik an der Theorie der angeborenen semantischen Repräsentationen im Vordergrund, sondern vor allem die dahinterliegende Einstellung aus diesen Theorien weit mehr zu erlangen als eine bloße Erklärung zum Erwerb der Syntax. Putnam bezeichnet dies als geistiges Sehnen, welches er vor allem auf zwei Punkte zurückführt: „Das eine Faktum ist die Widerstandsfähigkeit des ältesten Musters der Erklärung unserer geistigen Funktionen, nämlich der Erklärung mit Hilfe der Begriffe des Glaubens (oder der Überzeugung) und des Wünschen. Die Wogen des Behaviorismus mochten noch so hoch schlagen, wir haben nie aufgehört, unser eigenes Verhalten und das der anderen durch Überzeugungen und Wünsche zu erklären.“ (Putnam, 1991, S.30) „Das andere Faktum ist die zunehmende Tendenz, sich das Gehirn wie einen Computer und unsere psychischen Zustände entsprechend dem Software-Aspekt des Computers vorzustellen. In der auf einem derartigen Ansatz basierenden Forschung wird häufig vorausgesetzt, der Computer habe eine eingebaute (und daher „angeborene“) formalisierte Sprache, die er sowohl als Repräsentations- medium wie auch als Medium des Rechnens verwenden kann.“ (Putnam, 1991, S.30) Vor allem hinter dieser zweiten Aussage, sieht Putnam eine antibehavioristische Einstellung zum Menschen und zur Wissenschaft die darauf gründet, die Überzeugung/Wunschpsychologie durch die Computerpsychologie zu verwissen- schaftlichen. Putnam hat sich früher auch selbst diesem allzumenschliche Verlangen hingegeben und unter der Bezeichnung Funktionalismus versucht, diese Wunsch- Kritik am Funktionalismus Seite 14 von 21 psychologie mit der Computerpsychologie zu vereinen. Dementsprechend postulierte er, dass Wünsche und Überzeugungen als „funktionale Zustände“ des Gehirns zu sehen sind. Hier muss auch betont werden, dass solch eine Theorie auch den Mentalismus in seiner neuesten Form darstellt. Obwohl der Mentalismus einen Begriff aus der Sprachwissenschaft darstellt, kann er auch auf diese Thematik übertragen werden. In diesem Zusammenhang bedeutet er also nicht nur eine spezielle Sprachbetrachtung, welche Sprechakte als Ergebnis angeborener geistiger Fähigkeiten erfasst, sondern auch, dass Überzeugungen den kalkülmäßigen (computationalen) Zuständen im Gehirn entsprechen. „Der Mentalismus ist lediglich die jüngste Gestalt einer allgemeinen Tendenz der Geistesgeschichte, nämlich der Tendenz sich die Begriffe als wissenschaftlich beschreibbare psychisch reale Entitäten im Geist oder Gehirn vorzustellen“ (Putnam, 1991, S.32) Kritik am Funktionalismus Seite 15 von 21

4. ARGUMENTE GEGEN DEN MENTALISMUS

4.1 Problem der Angeborenheit

Putnam hat verschiedene Argumente gegen eine angeborene Sprache geliefert. Z.B. sei Sprache nicht unabhängig von der allgemeinen Intelligenz, sowie es Chomsky behauptet hatte, denn dumme Menschen würden eine Sprache schwieriger erlernen. Außerdem könne man, solange es keine präzisen und ausgebauten Lerntheorien gibt, nicht behaupten, dass die allgemeine Lernfähigkeit die Spracherlernung nicht erklären könne. In “Repräsentation und Realität” meint Putnam, dass die Evolution, wäre die Sprache angeboren, sämtliche Möglichkeiten der Entwicklung voraussehen hätte müssen. Sie hätte uns mit einem Vorrat an angeborenen Begriffen ausstatten müssen, der auch Begriffe wie z.B. Vergaser, Quantenpotential, Bürokrat, etc. beinhaltet. Wären die Begriffe tatsächlich angeboren, müsste die Denksprache diese Begriffe enthalten, auch wenn sie in der natürlichen Sprache – wie z.B. in der Sprache von primitiven Völkern – nicht vorkommen. Somit sieht Putnam es als ausgeschlossen an, dass die Begriffe angeboren sind.

4.2 Bedeutungsholismus

Die Bedeutung ist holistisch: Putnam lehnt sich hierbei an die Konzeption von Quine an. Der Bedeutungsholismus steht im Gegensatz zur positivistischen Auffassung, wonach jeder Ausdruck mit Hilfe von einem elementaren Basisvokabular definierbar sei. Dieses Basisvokabular bestehe aus Ausdrücken für Sinnesempfindungen oder Beobachtbares. So nennt Quine das Beispiel eines Feldlinguisten. Dieser wird ausgeschickt, um die Sprache eines bisher noch gänzlich unerforschten Stammes zu ermitteln. Quines Beispiel: Ein Kaninchen hoppelt vorbei und der Eingeborene sagt: „Gavagai”. Die erste Hypothese des Forschers würde demnach lauten, „Gavagai” heißt soviel wie „Kaninchen”, wobei „Kaninchen” als Ein-Wort-Satz verstanden wird im Sinne von „Dort läuft ein Kaninchen” oder „Sieh mal, ein Kaninchen”. Im Folgenden wird die Übersetzungshypothese dann geprüft, indem der Forscher beim Auftauchen des nächsten Kaninchens fragt: „Gavagai?” und die Reaktion des Befragten erwartet. Worte können nur aus dem Kontext heraus verstanden werden, hätte der Eingeborene nur „Gavagai“ gesagt, ohne, dass ein Kaninchen vorbeigekommen wäre, wäre der Forscher nie auf die Idee gekommen um was es sich dabei handeln könnte. Formuliert man den Positivismus nicht als These über die Definierbarkeit von Begriffen, sondern als These über die Wahrheitsbedingungen von Sätzen, bedeutet dies, dass die Bedeutung eines Satzes durch eine Regel angegeben werden kann, die genau bestimmt, in welchen Erfahrungssituationen der Satz behauptbar ist. Eine wissenschaftliche Theorie könne man also testen, indem man die Sätze einzeln überprüft. Dass Sätze nur aus einem System von Sätzen heraus verständlich sind, zeigen folgende Beispiele: 1. Beispiel: Kritik am Funktionalismus Seite 16 von 21

Gegeben seien die folgenden vier Sätze: 1. Alle Vögel können fliegen. 2. Karl ist ein Pinguin. 3. Alle Pinguine sind Vögel. 4. Karl kann nicht fliegen. In den obigen vier Sätzen ist ein Widerspruch enthalten. Nun stellt sich die Frage, welcher/welche der vier Sätze revidiert werden muss/müssen, um den Widerspruch aufzulösen. In jedem Fall lässt sich beobachten, dass man durch geeignete Abänderung jedes einzelnen der vier Sätze die Konsistenz der Gesamtheit der Sätze herstellen kann. Daher gibt es also keinen logischen Grund für die Abänderung gerade eines bestimmten Satzes, um die Widerspruchsfreiheit herzustellen. Nur eine Theorie als Ganzes kann verworfen werden. Jeder einzelne Satz hingegen kann bei geeigneter Anpassung der übrigen Theorie akzeptiert werden. 2. Beispiel: Sagt man in einer formalisierten Sprache „Alle Vögel fliegen“ und fügt hinzu „Strauße sind Vögel“, so lässt sich folgern: „Strauße fliegen.“ Die normale Sprache verhält sich aber nicht so. Sagt man: „Falken fliegen“, will man nicht, dass der Hörer den Schluss zieht, dass auch ein Falke mit gebrochenem Flügel fliegt. Was wir erwarten, hängt von dem ganzen Netz der Überzeugungen ab. Somit ist es auch nicht möglich, einen Begriff zu definieren, sofern „Definition“ etwas ein für allemal Festgelegtes bedeutet.

4.3 Der Bedeutungsbegriff ist zum Teil normativ

Beispiel: Niels Bohr postulierte in einer Theorie von 1900, dass Elektronen den Kern umkreisen wie die Planeten die Sonne, seine Theorie von 1934 besagt allerdings, dass ein Elektron niemals eine Flugbahn hat, dennoch spricht man nachsichtig auch weiterhin von Elektronen. Andere Begriffe allerdings werden nicht beibehalten, wenn man neue Erkenntnisse hat (z.B. spricht niemand von Phlogiston, welches vor Entdeckung des Sauerstoffs den Verbrennungsvorgang erklären sollte). Der Bedeutungsbegriff hat also normativen Charakter. Gleichheit bzw. Verschiedenheit von Bedeutung kann somit allerdings nicht mit kalkülmäßigen Beziehungen zwischen unseren mentalen Repräsentationen zusammenfallen.

4.4 Die Begriffe hängen von der physischen und sozialen Umwelt ab

Wären die mentalen Repräsentationen im Kopf, müssten folgende Voraussetzungen erfüllt sein: 1. Jedes Wort ist mit einer bestimmten mentalen Repräsentation verknüpft: 2. Zwei Wörter sind synonym, d.h. haben dieselbe Bedeutung, wenn sie von Sprechern, die diese Wörter verwenden, mit der gleichen mentalen Repräsen- tation assoziiert werden. 3. Die mentale Repräsentation bestimmt den Bezug des Wortes. Kritik am Funktionalismus Seite 17 von 21

4.4.1 Gleiche Wörter mit Unterschiedlicher Bedeutung – Unterschiedliche Wörter mit der gleichen Bedeutung

Beim „Mentalesischen“ handelt es sich um eine Idealsprache, in der sich verschiedene Zeichen immer auch hinsichtlich ihrer Bedeutung unterscheiden und in der verschiedene Zeichen außerdem verschiedenen Bezug haben, wenn auch nicht unbedingt in der wirklichen Welt, aber zumindest in einer möglichen Welt. (Bei natürlichen Sprachen ist dies nicht möglich: Cat und chat sind unterschiedliche Wörter, beziehen sich aber auf das Gleiche. Das englische Wort „he“ bedeutet er, im Hebräischen bedeutet es aber z.B. sie). Das Wort „Robin“ für Rotkehlchen bezieht sich in England auf eine andere Vogelspezies als in Amerika.

4.4.2 Sprachliche Arbeitsteilung

Unter sprachlicher Arbeitsteilung versteht Putnam die Tatsache, dass z.B. „Gold“ sehr viele Mitglieder einer Sprachgemeinschaft kennen, jedoch sind nur wenige in der Lage aufgrund von chemischen Kenntnissen echtes Gold von Katzengold zu unterscheiden. In der Folge würde dies bedeuten, dass die wahre Bedeutung des Wortes „Gold“ nur einer kleinen Expertengruppe zugänglich wäre. Nach mentalistischer Auffassung ist die Bedeutung aber etwas, das sich im Gehirn eines jeden Sprechers befinden soll. Der Bezug wird also nicht durch Bedingungen in den Gehirnen von Individuen bestimmt, sondern er wird sozial festgelegt. Putnam nennt auch das Beispiel von Ulmen und Buchen: Wie sieht die mentale Repräsentation dieser Bäume bei Putnam (und sicherlich bei vielen Menschen) aus? Putnam weiß ausschließlich, dass es sich um Laubbäume handelt, d.h. die mentale Repräsentation wäre dieselbe mit dem einzigen Unterschied, dass der eine Baum Ulme und der zweite eben Buche heißt. Dazu kommt, dass verschiedene Menschen ja auch unterschiedliche mentale Repräsentationen von Ulmen und Buchen haben können. Die mentale Repräsentation kann also nicht den Bezug des Wortes bestimmen.

4.4.3 Exkurs: Enger und weiter Inhalt

Jerry Fodor entgegnet auf diese Einwände, dass man unterscheiden müsste zwischen einem engen und einem weiten Inhalt. In „The Language of Thought“ bezeichnete Fodor den engen Inhalt als mentale Repräsentation, später postulierte er, es handle sich bei dem engen Inhalt um eine „Funktion“ vom Kontext zum Bezugsgegenstand, einem Wahrnehmungsprototypen, z.B. denjenigen eines Hundes. Diese Wahrnehmungsprototypen sind weder sprachlich noch bildlich gespeichert, sondern unser Gehirn hat Module, die es uns – unabhängig von der allgemeinen Intelligenz – ermöglichen, Muster zu erkennen. Bezug nehmend auf obiges Beispiel bedeutet dies, dass der enge Inhalt, also das Stereotyp „Laubbaum“, von Ulmen und Buchen derselbe ist. Dasselbe gilt für „Silber“ und „silbriges Material“. Der enge Inhalt – das assoziierte Muster im entsprechenden Sehmodul – ist derselbe. Der Unterschied liegt im umfassenden Inhalt. Allerdings spricht gegen diese These, dass der Wahrnehmungsprototyp bei der Übersetzung nicht erhalten bleibt. Beispielsweise ist der Wahrnehmungsprototyp für Kritik am Funktionalismus Seite 18 von 21

„miu“ für einen thailändischen Dorfbewohner eine Siamkatze, da es dort keine anderen Katzen gibt. Die richtige Übersetzung von „miu“ ist aber „Katze“, und nicht „Siamkatze“.

4.4.4 Beitrag der Umwelt

Putnam veranschaulicht diesen Punkt mit dem Gedankenexperiment der Zwillingserde: Die Leute auf der Zwillingserde haben dieselben Gehirne wie die Menschen auf der Erde, dieselbe Gesellschaftsordnung, alles ist auf der Zwillingserde gleich. Der einzige Unterschied besteht darin, dass die Flüssigkeit, welche auf der Zwillingserde die Rolle des Wassers spielt, nicht H2O, sondern XYZ ist. Es regnet XYZ, man trinkt XYZ, usw. Wenn man sich nun in das Jahr 1750 versetzt, so war noch nicht einmal bekannt, dass Wasser H2O bzw. eben XYZ ist, der Bezug war aber unterschiedlich, da es sich ja um unterschiedliche Flüssigkeiten handelt, die jeweiligen mentalen Repräsentationen waren die Gleichen. Kritik am Funktionalismus Seite 19 von 21

5. ÄQUIVALENTE ZUSTÄNDE

Propositionale Einstellungen sind also abhängig von der sozialen und außermenschlichen Umwelt, d.h. es kann sich um keine funktionalen Zustände im Gehirn handeln. Dass verschiedene „Maschinen = Menschen“ nicht denselben funktionalen Zustand haben wenn sie an dasselbe denken, wurde bereits dargelegt. (So befindet sich ein Thai, der denkt: „Auf der Matte liegt eine miu“ in einem anderen Zustand als wir, wenn wir denken „Auf der Matte liegt eine Katze“). Falls man nun davon ausgeht, es müsse sich nicht um genau denselben Zustand handeln, sondern es gäbe eine Äquivalenzklasse der Zustände (also denken: „Auf der Matte liegt eine Katze, oder auch eine miu“ würde in dieselbe Kategorie fallen), ergäbe sich folgendes: Diese Theorie müsste somit alle möglichen Zustände vereinen: • Auf was bezieht sich der Österreicher, wenn er denkt: „Auf der Matte liegt eine Katze?“ • Auf was bezieht sich der Thai, wenn er denkt: „Es liegt eine miu auf der Matte“? • Worauf bezieht sich der Bewohner vom Mars, von der Venus etc. Weiters fällt natürlich auch sämtliches Expertenwissen darunter, wie über Quantenmechanik, Mathematik, etc. Dies alles, alle möglichen psychischen Zustände eines jeden physikalisch möglichen Organismus, müsste überblickt werden um festzustellen, ob der funktionale Zustand des jeweiligen Sprechers in die jeweilige Äquivalenzklasse fällt oder nicht. Die Äquivalenzrelationen bzw. Äquivalenzklassen würden unendliche Listen darstellen, die ihrerseits ohne zu Hilfenahme einer effektiven Regel aufgestellt worden wären. Kritik am Funktionalismus Seite 20 von 21

6. INTERNER REALISMUS

Putnam schlägt als Alternative den Gedanken des internen Realismus vor, welcher besagt: Eine Situation an sich schreibt nicht vor, wie wir die Wörter gebrauchen sollen. Beispielsweise befinden sich in einem Zimmer diverse Gegenstände wie ein Tisch, ein Stuhl, eine Lampe und ein Buch. Fragt man einen Beobachter, wie viele Gegenstände sich darin befinden, könnte dieser mit „vier“ antworten. Genauso richtig wäre es allerdings, wenn man die einzelnen Seiten des Buches als Gegenstände bezeichnen würde. Dieses Beispiel lässt sich unendlich ausdehnen bis hin zur atomaren Ebene. Wir müssen daher akzeptieren, dass unser Denken sich immer nur innerhalb unserer Sprache und Theorie bewegen kann. Putnam vertritt die These, dass es mehrere zulässige Beschreibungen der Wirklichkeit geben kann, deren Wahrheit in ihrer rationalen Akzeptierbarkeit besteht. „Kurz, wenn der „Funktionalismus“ zuträfe, würde er den Behaviorismus implizieren! Wenn es stimmt, dass das Haben mentaler Zustände nichts weiter ist als das Haben einer bestimmten „funktionalen Ordnung“, dann stimmt es auch, dass das Haben bestimmter mentaler Zustände nichts weiter ist als das Haben bestimmter Verhaltensdispositionen!“ (Putnam, 1991, S. 218) Kritik am Funktionalismus Seite 21 von 21

LITERATURVERZEICHNIS

Putnam, H. (1991). Repräsentation und Realität. Frankfurt: Suhrkamp.

Internetquellen: • http://edoc.hu-berlin.de/magister/goldstrass-thomas-2002-11- 08/HTML/chapter2.html#chapter2 • http://plato.stanford.edu/entries/functionalism/ • http://www.iwp.uni-linz.ac.at/lxe/agora/Funktionalismus.html • http://culturitalia.uibk.ac.at/ • http://www.janivo.de/textsites/davidson.htm • http://www.cse.unsw.edu.au/