Der Weg nach oben Michel Gadal1 in TB 3-2004

Hohes Niveau im Anfängertraining Jeder Trainer träumt davon, den nächsten Weltmeister zu finden und redet von den Weltklasse-Spielern und deren Technik. Wirft man jedoch einen Blick in das tagtägliche Training in der Vereine und redet man mit den Trainern, sagen die meisten, dass die Spitzen-Techniken nur für die Top-Spieler geeignet sind. Anfänger sollten doch erst einmal die Grundtechniken lernen, sich dann erst viel später an den Techniken der Top-Leute versuchen. Ich habe da eine etwas andere Meinung.

Die Prinzipien, die den Techniken der Top-Athleten zugrunde liegen, sollten unseren jungen Spielern so früh wie möglich beigebracht werden. Tischtennis ist ein Spiel, das weniger Kraft erfordert, sondern Geschicklichkeit. Diese Geschicklichkeit kann von jungen Spielern sehr schnell gelernt werden. Daher ist es mein wichtigstes Anliegen, die wahren Prinzipien dieser Geschicklichkeit und damit der Tischtennis-Technik zu identifizieren, um sie den jungen Spielern frühzeitig beizubringen und ihnen damit die Möglichkeit zu geben, auf diesen Prinzipien basierend ihre eigene Technik zu entwickeln.

In diesem kleinen Artikel geht es mir nicht darum, eine Reihenfolge der Eigenschaften zu erstellen, sondern die wesentlichen Qualitäten vorzustellen, die meiner Meinung nach Voraussetzung sind, um überhaupt eine Chance zu haben, an die Spitze zu kommen.

Ballgefühl

1 1979- 1985 Technischer Berater für Languedoc-Roussillon 1985- 1987 Französischer Nationaltrainer 1988- 1992 Französischer Nationaltrainer 1993-2001 Kanadischer Nationaltrainer Seit 2001 Französischer Sportdirektor

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Ich beginne mit Ballgefühl: in unserem Sport brauchen wir eine sehr gute Hand, um ein gutes Ballgefühl im Treffpunkt zu haben. Dies ist entscheidend für die Kontrolle über Platzierung, Rotation und Tempo. Sehr häufig versuchen Trainer, ihren Schützlingen von Anfang an einen kompletten Schlag beizubringen. Die Konzentration liegt dabei meist auf einer schwierigen Kombination von biomechanischen Komponenten. Wir dürfen jedoch nicht vergessen, dass ein Anfänger in unserem Sport eigentlich keine Kraft braucht. Daher können wir uns auf die Hand - die wichtigste Komponente - konzentrieren. Zusätzlich zum Training am Tisch empfehle ich daher zahlreiche Übungen für den Umgang mit und das Gefühl für den Ball.

Schlagrhythmus Der zweite Punkt betrifft den Rhythmus der Schläge. Im Tischtennis, wie in den meisten anderen Rückschlagsportarten, ist der Schlagrhythmus entscheidend für die Qualität der Technik. Es ist hierbei entscheidend, während dem Schlag eine Geschwindigkeitssteigerung zu erzielen. Man kann sagen, dass die allermeisten Schläge vom Langsamen hin zum Schnellen gemacht werden. Die maximale Geschwindigkeit wird dabei im Treffpunkt Schläger/Ball erreicht. Das ist einer der häufigsten Fehler bei Anfängern. Sehr häufig schlagen sie genau umgekehrt, sind schnell am Anfang und bremsen dann am Balltreffpunkt ab.

Spannungsniveau Eng verknüpft mit den beiden ersten Punkten ist die Suche nach dem richtigen Spannungsniveau. Man kann kein Tischtennis spielen, wenn man zu angespannt ist. Die meisten Anfänger sind dies und es ist sehr wichtig, ihnen von Anfang an dabei zu helfen, beim Spielen entspannt genug zu sein. Ist man zu sehr angespannt, kann man kein Tempo machen und hat auch kein gutes Ballgefühl - zwei entscheidende Punkte im Tischtennis. Hier ist der Trainer besonders wichtig, denn er muss den Spielern über die Übungen hinaus durch Rückmeldung helfen, das richtige Gefühl zu finden. Hier empfehle ich ein besonderes Augenmerk auf die Schlägerhaltung des Spielers zu richten, speziell auf die Kraft, mit der der Griff umfasst wird. Auch hier sollte man nicht zu fest sein, denn sonst fehlt das Gefühl und die Hand kann nicht gut eingesetzt werden.

Anpassungsfähigkeit Egal bei welchem Schlag - stehen diese drei Punkte im Zentrum der Ausbildung, werden sich die Techni- ken der Spieler verbessern. Wenn dazu noch die Anpassungsfähigkeit kommt, ist man sehr dicht an den Fähigkeiten, welche die Qualitäten der Top-Spieler ausmachen. Anpassungsfähigkeit ist ohne Zweifel die zentrale Eigenschaft für einen Tischtennisspieler. Das Spiel bringt immer neue Situationen hervor; ein 2

Spieler, der nicht gewöhnt ist, sich ständig anzupassen, wird schnell in Schwierigkeiten geraten. Es ist daher sehr wichtig, während des Trainings o häufig die Partner zu wechseln, o die gleichen Übungen in unterschiedlichen Geschwindigkeit zu spielen, o mit unterschiedlichem Spin und o mit verschiedenen Platzierungen.

Als Coach muss man die Anpassungsfähigkeit seiner Spieler schulen, andernfalls hat man viele Trainingsweltmeister, die jedoch im Wettkampf nicht bestehen. Das Ziel eines Trainers muss es sein, seine Spieler so auszubilden, dass sie eine hohe technische Qualität in ihren Schlägen haben. Das heißt, dass sie ihre Schläge in unterschiedlichen Situationen beherrschen müssen, sie sollten aktiv wie passiv spielen können. Offensichtlich jedoch ist die Technik nur ein Teil des Spiels, aber auf keinen Fall der Wichtigste. Der Gegner Das Wichtigste in unserem Sport ist der Gegner. Zwei sich gegenüberstehende Spieler sind das Wesen des Tischtennis, und dieser Gedanke sollte fast von Anfang an ins Training einfließen. Um eine Chance zu haben, das Spiel zu gewinnen, müssen wir unseren Spielern beibringen, mit dem Gegner umzugehen. Die Konzentration muss auf ihm liegen und darin, sein Spiel zu verstehen. Die Technik ist Nebensache. Man kann sagen, man muss seine Technik sehr gut beherrschen, um sie vergessen zu können. Die Technik ist ein Werkzeug, das je nach Taktik zur Anwendung kommt.

Zusammengefasst würde ich folgende Prinzipien als Ratschläge für die tägliche Arbeit geben, um möglichst dicht an der Realität zu trainieren: o Respektiere das Spiel! (spiele die gleichen Schläge im Training wie im Wettkampf) o Arbeite häufig in unregelmäßigen Situationen o Wechsle häufig den Rhythmus o Vermeide es, die einfachste Platzierung für den Gegner zu spielen o Spiele JEDEN Ball! o Bleibe ständig in Bewegung o Arbeite in offenen Situationen

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Highway To Excellence G. Straub2 in: TTL 3-2011 Zum zweiten Mal binnen Jahresfrist wurde das französische Konzept zum Nachwuchsleistungssport von einer hochrangigen Persönlichkeit außerhalb Frankreichs der Öffentlichkeit vorgestellt. Nachdem im vergangenen November bei der dritten Europäischen Trainertagung in Österreich mit Jean-Claude Decret einer der hauptamtlichen Trainer des Nationalen Instituts für Sport und Körpererziehung (INSEP) referierte (wir berichteten in der TTL 1.11), war es im Rahmen der Tischtennisweltmeisterschaft 2011 Michel Gadal, der Stellung zur französischen Methode nahm.

Der technische Direktor der Federation Franqaise de Tennis de Table (FFTT) sprach am 14. Mai auf einer Weiterbildungsveranstaltung, die von der Vereinigung holländischer Tischtennistrainer (VVTT) in Zusammenarbeit mit dem nationalen Tischtennisverband der Niederlande (NTTB) veranstaltet wurde. Gadal, dessen Name mit dem von Jean-Philippe Gatien, dem Weltmeister im Herreneinzel 1993, eng verbunden ist, führte als Trainer Letzteren nicht nur aus der Schüler- in die Weltklasse, sondern verfügt daneben über reichhaltige Auslandserfahrung. Nach Aufenthalten in Kanada und England ist er seit Anfang des vergangenen Jahrzehnts wieder für Frankreich am Start. Mit Antritt seiner neuen Stelle um die Jahrtausendwende setzte er sich das Ziel, in seinem Heimatland ein Ausbildungssystem zu schaffen, das es jungen Spieler ermöglicht, in absehbarer Zeit China Paroli zu bieten. Als Zeitraum für die Entwicklung eines solchen Systems veranschlagte er die Jahre 2002 bis 2012. Sein besonderes Augenmerk scheint auf den Olympischen Spielen 2016 zu liegen. Aus den ursprünglich acht Trainingszentren mit jeweils 40 Spielern entwickelte sich die heute bestehende schlanke und optimierte Infrastruktur: In drei dezentralen Stützpunkten trainieren jeweils bis zu zehn junge Sportler und im INSEP in Paris zählt der Stamm an Spielern aktuell 25 Akteure. Wie schon Jean-Claude Decret in Schwechat so nahm auch Michel Gadal bei seinem Vortrag „The Road To High Level“ Bezug auf das jährlich durchgeführte Programm zur Talentidentifikation, die Arbeitsweise der vier nationalen Leistungszentren sowie die Rolle der Vereine (vgl. TTL 1.11).

Gadal offenbarte darüber hinaus einige wichtige Details seiner Trainings- und Ausbildungsphilosophie. So plädierte er dafür, Tischtennistraining stärker von der Hand und noch konsequenter vom Wettkampf her zu denken. Im Hinblick auf beide „Pole" kann China als Vorbild dienen. Während man sich im Westen in punkto Anfängermethodik häufig den Kopf darüber zerbricht, in welcher Reihenfolge die Kinder mit Schlagtechniken vertraut gemacht werden, stehe im Reich der Mitte, so Gadal, beim Umgang mit Beginnern zunächst der Schläger-Hand-Komplex im Mittelpunkt - und hier neben dem Handgelenk auch und vor allem die Frage, welche funktionalen Möglichkeiten in den Fingern der Schlaghand stecken. Gemeint sind hiermit maßgeblich die o Positionierung der Finger auf dem Schläger und o die Art und Weise, wie Finger Druck auf das Schlägerblatt ausüben können.

Etwas anschaulicher, aber auch drastischer wurde es hinsichtlich einer Akzentuierung des Wettkampfgedankens im Training. Gadal sprach sich gegen eine allzu strenge Trennung von Wettkampf und Training aus. Er machte deutlich, dass Trainingseinheiten häufig behandelt würden wie Hausaufgaben, die mehr halbherzig denn leidenschaftlich absolviert würden. Er schlug vor, innerhalb des Trainings Platz zu schaffen für mehr und härtere Wettkämpfe. Matches könnten durchaus am Anfang der Einheit stehen und auch (Geld-)Preise wären so abwegig nicht, um auf Seiten der Kids das Bedürfnis, gewinnen zu wollen, zu schüren. Zur Identifikation von Talenten riet er, darauf zu achten, wie Spieler

2 Gunter Straub, Jahrgang 1966, Diplom-Soziologe, wohnhaft in Speyer. Beruflich tätig für das Bistum Speyer als Dekanats- Jugendreferent. Trainer-C-Lizenz. Ehrenamtliche Erfahrung als Übungsleiter, Vereins-Pressewart und Bezirksschülenvart. Als Spieler u.a. aktiv in der Oberliga und während eines Studienaufenthalts auch in der US-amerikanischen Turnierlandschaft. Hat als Journalist ein Auge auf die Schnittstelle zwischen Sportwissenschaft und Trainingspraxis. 4

abseits des Tisches über ihren Sport sprechen und welches Erinnerungsvermögen sie im Hinblick auf vergangene Wettkämpfe an den Tag legen.

Der Erfolgscoach gewährte auch interessante Einblicke in die französischen Trainingszentren. So machte er deutlich, dass die hauptamtlichen Trainer durch ein relativ großes Kontingent an Teilzeittrainern unterstützt werden: Die Regierung kommt gegenwärtig für die Finanzierung von 37 Übungsleitern auf. Gadal kann für seine Maßnahmen zusätzlich auf ein Budget von 1,6 Millionen Euro zurückgreifen. Geld ist darüber hinaus eine feste Größe im Leben der jungen Spieler, denn um im INSEP trainieren zu dürfen, müssen die Athleten - egal ob Nachwuchsakteur oder Profi - eine beträchtliche Gebühr bezahlen. Profis kommen für mindestens die Hälfte der anfallenden Trainingskosten auf - Nachwuchskönner zahlen 30 Prozent. Die Pädagogik dahinter ist nur allzu offensichtlich: Die Spieler sollen innerhalb der Trainingsma- schinerie nicht irgendwie „mitschwimmen", sondern umfassend zum Hauptverantwortlichen der eigenen Tischtenniskarriere werden; dazu sollen sie auch in finanzieller Hinsicht einiges investieren.

Vor dem Hintergrund dieses Leistungsdenkens verwundert es schließlich nicht, dass Gadal strikt zwischen zwei Spielerkategorien unterscheidet: o zwischen Spielern nämlich, in die man als Verband investiert, weil sie Potenzial beziehungsweise Leistungsbereitschaft mitbringen, o und in Sportler, die im Prinzip nur „mitlaufen" - in die man also keine über die Maßen große Investitionen tätigt.

Ein Gedanke, der nicht nur in Frankreich gedacht werden dürfte, der aber in Frankreich womöglich offen ausgesprochen wird.

Literatur: Straub, G. (2011). Never Take A Watch To The Hall. Europäische Trainertagung in Schwechat. Tischtennislehre, 26 (1), 6-9.

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dts 7/1198 Zehn Tips von JO - Tischtennis-Genie Jan-Ove Waldner verrät, wie man die Nummer 1 wird.3

ENTWICKLE EINE KOMPLETTE TECHNIK Um große Titel gewinnen zu können, muss man das Spiel so beherrschen, dass man gegen jeden Spielstil bestehen kann. Das erreicht man am ehesten, wenn man regelmäßig trainiert und sich Gegner mit ver- schiedenen Spielstilen aussucht. Die drei wichtigsten Stile, auf die mm normalerweise trifft, sind Topspin-Spieler (viel Spin), Angriffspieler (hohes Tempo) und Abwehrspieler (viel Unterschnitt). Wichtig ist es auch, gegen Linkshänder zu spielen. Wie man vielleicht weiß, trainieren sowohl Links- als auch Rechtshänder zu 85 Prozent gegen Rechtshänder. Auch in den Wettkämpfen gibt es zu 85 Prozent Rechtshänder. Erfolgreiches Spiel gegen beide Typen verlangt eine gutentwickelte Technik und sehr gute Körperbeherrschung. Ich hatte den Vorteil, dass ich sehr oft mit Linkshändern trainieren konnte, zum Beispiel mit und in meinem Heimat-Klub Sparvägen. Während meiner Zeit in der Nationalmannschaft gab es immer viele Linkshänder, außer Appelgren und Thorsell noch , , , Thomas v. Scheele und Peter Nilsson.

ENTWICKLE SCHLAGKRÄFTIGE WAFFEN Tischtennis ist ein anstrengender Sport, der viel Stress mit sich bringt. Oft muss man jeden Turnier-Tag viele Matches spielen. Deshalb ist es wichtig, dass man mit wenig Aufwand und schnell punktet. Ich konnte mich dabei immer auf meine variablen Aufschläge verlassen und habe mit ihnen oft direkt Punkte erzielt. Ich habe aber auch hart daran gearbeitet, meinen Aufschlägen variable Schläge mit Vorhand folgen zu lassen. Man sollte genau überlegen, welche punktbringenden Waffen man selbst besitzt. Vergiss nicht, diese immer weiter auszubauen.

ENTWICKLE EINE ENTSPANNTE TECHNIK Tischtennis ist ein sehr trainingsintensiver Sport. Deshalb sollte man darauf achten, dass man die ganze Zeit entspannt spielt. Damit erhöht man seine Chancen, dass man auch unter Druck cool bleibt. Gleich- zeitig vermindert man das Risiko körperlicher Abnutzung. Ich selbst konnte langwierige Schäden vermeiden. Dies ist ein Grund dafür, dass ich mich so viele Jahre an der Weltspitze halten konnte.

SPIELE VIEL IN JUNGEN JAHREN Tischtennis ist ein feinmotorischer Sport, und alles, was man sich bis zum 13. Lebensjahr an Technik bei- bringen kann, ist ungeheuer wichtig. Ich empfehle, in jungen Jahren so viel wie möglich zu trainieren und Wettkämpfe zu spielen. Die Voraussetzung dafür ist natürlich, dass man Tischtennis für die interessanteste Beschäftigung überhaupt hält. Gebrauche Deine Phantasie, und traue Dich, immer wieder neue Schläge anzubringen, selbst im Wettkampf. Probiere vielleicht auch einmal mitten im Satz eine neue Taktik aus. Versuche, ein 20:20 im entscheidenden Satz als eine Herausforderung zu betrachten, die Dir die größten Gewinnchancen einräumt. Vielleicht hast du dir ja einen effektiven Aufschlag aufgehoben oder kannst mit einem neuen Rückschlag überraschen. Denke immer daran, dass Deine Tischtennislaufbahn lange dauern wird. Es werden neue Ballwechsel kommen, neue Herausforderungen, selbst wenn es manchmal hart ist, wenn man gerade verloren hat.

3 Wir veröffentlichen diese Tips, erschienen in Jan-Ove Waldner - Geheimnisse eines Genies, Völklingen 1998 6

LERNE PERFEKTES SPIEL AUS DREI DISTANZEN Es gibt viele Spieler, die das Spiel nur aus einer oder zwei Distanzen heraus beherrschen. Ich empfehle Dir, das Spiel bewusst aus allen drei Distanzen heraus zu trainieren wenn der Ball auf einer Seite aufgesprungen ist. Distanz 1 – auf dem Weg nach oben: Du spielst den Ball, wenn er sich nach dem Aufsprung auf seinem Weg nach oben befindet, d. h. bevor der Ball den höchsten Punkt seiner Flugbahn erreicht hat. Diese Distanz erfordert eine kurze und schnell Schlagtechnik mit kurzem Ausholen vor dem Ballkontakt.

Distanz 2 – auf dem höchsten Punkt: Du spielst den Ball auf seinem höchsten Punkt nach dem Aufsprung. Diese Distanz erfordert eine sehr entspannte Technik, ermöglicht aber eine Vielzahl m Spielvarianten. Distanz 3 - auf dem Weg nach unten: Du spielst den Ball, wenn er sich nach dem Aufsprung wieder auf dem Weg nach unten befindet. Diese Distanz erfordert eine Schlagtechnik, bei der Du vor dem Ballkontakt viel mit dem Unterarm arbeiten musst.

SIEH DIR GUTE SPIELER AN Schau soviel Tischtennis wie möglich. Benutze Videoaufnahmen, von Dir selbst und von Weltklassespie- lern. Ich selbst kann mich daran erinnern, das ich den Ungarn Tibor Klampar ganz genau studiert habe. Sein Handgelenkeinsatz und sein Ballkontakt waren etwas ganz Besonderes. Indem ich verschiedene chinesische Spieler studierte, erkannte ich die Möglichkeiten, die darin liegen, effektive Aufschläge zu entwickeln. Ahme vielleicht auch verschiedene Spieler nach, damit Du leichter die Vor- und Nachteile verschiedener Spielstile, verschiedener Schlägerhaltungen, Bewegungsmuster und so weiter nachvollziehen kannst. In der schwedischen Nationalmannschaft hatten wir immer wieder viel Spaß beim Nachahmen ver- schiedener Spieler. Erik Lindh zum Beispiel ist ungeheuer geschickt darin, viele unserer Gegner nachzu- machen.

ANALYSIERE DEINE GEGNER Erst, wenn Du zum ersten Mal auf Deinen Gegner triffst, kannst Du Dir eine eigene Meinung darüber bilden, ob zum Beispiel sein (oder ihr) Vorhand-Topspin wirklich so gut ist, wie es von der Tribüne aus- sieht. Lass Dir deshalb von Deinen Freunden helfen. Diskutiert über Details, die Euch bei Euren unter- schiedlichen Gegnern wichtig erscheinen. Denk daran, dass man im Tischtennis auf sehr viele Arten ge- winnen kann. Je besser Du vorbereitest bist, desto besser stehen Deine Chancen, zu gewinnen. Vielleicht denkst Du manchmal, dass der Zeitabstand zwischen den einzelnen Schlägen zu kurz ist, um zu agieren. Aber der beste Spieler ist fast immer der, der durch sein Spiel Zeit gewinnen kann.

SPIELE S0, WIE DU DENKST Mentale Stärke ist ein weites Feld und vielleicht am schwierigsten zu trainieren. Ich habe mir eine Denk- und Spielweise angewöhnt, die zu mir passt. Ich glaube, es ist wichtig, dabei von sich selbst auszugehen. Diese mentale Stärke baut auf Erfahrungen und bewusstem Wissen auf. Hör Dir einfach mal an, was Leute zu sagen haben, denen Du vertraust. Aber denk immer dran, dass es letztendlich auf Dich selbst ankommt. Als ich jünger war, habe ich mir immer die erfolgreichen Schweden angesehen, den Tennisspieler Bjöm Borg etwa oder den Slalomfahrer Ingmar Stenmark. Ihre ruhige Art hat mir immer imponiert. Im Laufe der Jahre habe ich zwar meine Niederlagen analysiert, mich dann aber beeilt, sie schnell wieder zu vergessen. Meine Siege aber trage ich in mir; dort stärken sie mein Selbstvertrauen.

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ZEIGE RESPEKT VOR DEINEN GEGNERN Tischtennismatches sind oft schnell entschieden, und man verliert leicht dadurch, dass man den Gegner unterschätzt. Es ist wichtig, auch Niederlagen zu akzeptieren und zu zeigen, dass Du Deinen Gegenspieler respektierst. Ich selbst habe immer versucht, mich zu beherrschen, egal wie es für mich lief.

DENKE WEITSICHTIG Abschließend möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass es viel Zeit braucht, um ein guter Spieler zu werden, und dass es immer neue Details gibt, die man lernen muss. Versuche, weitsichtig zu denken; versuche, Dich nicht zu sehr auf Resultate zu versteifen, wenn du noch jünger bist. Willst Du dabei sein, wenn die Besten miteinander fighten, musst Du bereit sein, den harten Weg zu gehen. Du musst begreifen, dass Du viel und hart trainieren musst. Am Tisch und mit Deinem Körper. Vergiss nicht das spielerische Moment in einem Ballwechsel. Oft kommt man dabei auf neue Sachen, die man dann später im Match einsetzen kann.

Viel Glück.

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M. Schäfer in: dts 6/1998 GEHEIMNISSE EINES TT-GENIES Erstmals gesehen habe ich ihn an einem April-Tag des Jahres 1982 in der großen Budapester Sporthalle neben dem Nepstadion. Ein kleiner, leichtgewichtiger Junge, gerade 16 Jahre alt, schickte sich an, Europas Tischtennis-Thron auch bei den Herren zu besteigen. Im Halbfinale bereitete er seinem Vorbild Tibor Klampar ein Waterloo, demütigte den Ungarn fast, der später zur Siegerehrung denn auch in einem schwarzen Anzug erschien; und im Endspiel führte er gegen seinen schwedischen Landsmann, Klubkameraden und Freund Mikael Appelgren schon 2:0 nach Sätzen. Der damalige Herren- Bundestrainer urteilte in einem Text, den der dts mit der Zeile„... und der Kronprinz heißt Jan-Ove" überschrieb: „Ich habe noch keinen Spieler erlebt, der in solch jungen Jahren schon derart komplett ist. Er wird einmal in der Lage sein, gegen alle zu gewinnen."

Inzwischen, eineinhalb Jahrzehnte später, ist längst dokumentiert, wozu der wohl beste Spieler aller Zeiten alles fähig war. Als Einziger hat er alle fiinf großen Turniere, die Olympischen Spiele, die Welt- und die Europameisterschaft, den World Cup und das Europe Top 12, zu seinen Gunsten entschieden. Seine Erfolgsbilanz bei diesen fiinf Veranstaltungen seit 1982 ist imponierend: 78 Prozent aller von Waldner bestrittenen Spiele hat er gewonnen; und nimmt man nur die Einzel bei den drei Erstgenannten, so sind es sogar 83 Prozent. Noch immer gehört er zu den Top 3 der ITTF-Rangliste, und sein Nachfolger auf der Spitzenposition, , sagt über ihn: „Waldner ist der Größte. Es ist unmöglich, besser zu sein als er." In all diesen Jahren habe ich janne Waldner oft erlebt, habe ihn bewun- dert, manches Gespräch geführt und viele Portraits gelesen - ihm wirklich nahe gekommen bin ich erst in diesen Tagen, in denen ich Jens Fellkes großartige (und empfehlenswerte) Biographie Geheimnisse eines 7TGenies nicht mehr aus der Hand legen wollte. Schade nur, dass das durch eine Vielzahl von interessanten Fotos und einer einmaligen Matchographie aller wichtigen Spiele Waldners, erstellt von Per Häll- ström, bereicherte Buch schlecht übersetzt ist und offensichtlich nicht lektoriert wurde. Auf 270 Seiten wird der Leser eingeführt in die Welt jenes Mannes, der mit drei schon Schach spielen konnte, ein Faible für Fußball hatte, mathematisch sehr begabt war, immer eine spannende Herausforderung suchte, bloß nicht der Schlechteste sein wollte - und vom Maskottchen (bei Sparvägars GoIF) zum Meister der Meister wurde.

Das Buch gibt Einblick in alle Lebensbereiche, beschreibt anschaulich, zitiert aus Gesprächen (v. J. Fellke) mit J.-O., mit dessen Freunden aus dem Tischtennis und anderen Sportarten (wie dem einstigen Tennis- Heroen Björn Borg), Waldners Familie, Konkurrenten, Trainern und geschäftlichen Beratern, bewertet sachlich die einmalige Leistung jenes Mannes, der „frühzeitig gelernt hat, die Maske der Unberührtheit aufzustülpen, die er selbst nach Niederlagen nicht ablegt. Ein Signal für den Gegner, das der gerade gewonnene Punkt oder Satz, das gewonnene Spiel als eine Ausnahme zu gelten hat. Denn ich, Waldner, bin nach wie vor der Bessere von uns beiden."

Jens Fellke weiter: „Persönlich glaube ich, das Waldners Genialität im Wesentlichen darauf beruht, das er o fortgeschrittenes analytisches Denken o mit einer visuellen Lernmethode und o einem enormen Vertrauen in die eigene Intuition kombiniert. Ein Vertrauen, das sich aus den reichhaltigen Erfahrungen nährt, die er sich mit allen Sinnen erobert hat. Was mit dem Kopf kontrolliert werden kann, soll das Gefühl nicht belasten; den Rest wird sein Körper ganz allein in Ordnung bringen."

Verständlich also, dass Jan-Ove sagt: Wir lernen nicht aus unseren Misserfolgen, sondern nur aus unse- ren Erfolgen. Eine positive Einstellung zum Gewinnen befiehlt dem Gehirn, Lösungen zu finden, um noch mehr gute Schläge im nächsten Match folgen zu lassen - ein Verlierer kann seine Fehler nur wie- derholen" - und sich deshalb keine Videoaufzeichnung eines Spieles anschaut, das er nicht gewonnen hat. 9

Waldner („Mein Charakter? Positiv, eigensinnig, fröhlich") beantwortet dreimal 21 Fragen: vom Glauben an Gott über seine Vorlieben, die besten Matches und das Verrückteste, was er getan hat, sein Traumdate, die Narbe auf der linken Wange, was er von der Bewertung Mozart des Tischtennis hält, von deutschem Bier und deutschen Frauen, bis hin zur Wahl der Beläge und der Zukunft. Zudem gibt er zehn Tips, wie man die Nummer 1 werden kann (s.o.: dts 7/1198)

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dts 9/1999

WERNER SCHLAG ER Mann ohne Ziele mit Erfolg Mit dem Gewinn der Bronzemedaille etablierte sich der Österreicher in der Weltelite. Seine größte Stärke: Variabilität Werner Schlagers Reaktion war kurz und bündig, als er erfuhr, das er soeben Österreichs erste WM- Medaille nach 44 Jahren gesichert hatte. Der 27jährige war sich gar nicht bewußt, das er im Viertelfinale gegen den Kroaten einen historischen Sieg gelandet hatte, den ihm kaum jemand zugetraut hatte.

Mental stark auch nach dem Aus im Doppel Die Ernüchterung nach dem verspielten Edelmetall im Doppel, als Schlager zusammen mit Karl Jindrak im Viertelfinale gegen die Titelverteidiger und auch neuen Weltmeister Liu Guoliang und Kong Linghui sechs Matchbälle vergeben hatte, schien zu groß, um wenige Stunden später erneut zu einem Kraftakt fähig zu sein. Schließlich führte Primorac mit 2:1 Sätzen, ehe der Österreicher eine seiner unnach- ahmlichen Aufholjagden startete und ein verloren geglaubtes Match aus dem Feuer riß. „Im Doppel haben wir geführt, im Einzel habe ich zurückgelegen - deshalb war es einfacher", analysierte Schlager vor verdutzten Journalisten.

Immer locker und sehr selbstbewußt Selbstbewußtsein ist eines der Erfolgsgeheimnisse des 27jährigen, der sich „nie bestimmte Ziele" steckt. Deshalb verwunderte es nicht mehr, das Schlager die vernichtende Bilanz von Jan-Ove Waldner gegen Liu Guoliang ebenfalls nicht bekannt war. „Ich glaube, Waldi ist es egal, gegen wen er im Finale spielt", sagte der Österreicher, obwohl der Schwede zuvor in sechs Partien noch nie gegen den Chinesen ge- wonnen hatte. „Es wäre sein größter Fehler, wenn er mich unterschätzt", ließ Schlager noch über Liu Guoliang verlauten, ehe er sich zum Duschen zurückzog. Einen solch flexiblen Spieler unterschätzt kein Gegner dieser Welt. Wie kaum Zweiter kann der Mann vom SVS Niederösterreich seine Taktik je nach Spielweise seines Kontrahenten ändern.

Schlager ist immer für eine Überraschung gut „Variabel zu spielen, ist im modernen Tischtennis das wichtigste", lautet denn auch Schlagers messer- scharfe Analyse nach dem verlorenen Halbfinale gegen den zweifachen Olympiasieger und späteren Weltmeister Liu Guoliang, den er eben hierfür ausdrücklich lobte: „Er spielt viel variantenreicher als beispielsweise Ma Lin." Er selbst habe den dritten Satz gegen Liu Guoliang „nur deshalb gewonnen, weil ich völlig anders aufgeschlagen habe als zuvor und ein Service gespielt habe, das ich im ganzen Tunier noch nie gezeigt hatte". Der eigentliche Grund für seine Niederlage war für Schlager jedoch ein anderer. Nach der klaren 2:0 - Führung von Waldner gegen Ma Lin habe er zu lange auf seinen Einsatz gegen Liu warten müssen, beklagte der Österreicher und bewies der Tischtennis-Welt einmal mehr, wie simpel die schnellste Rückschlagsportart sein kann, wenn man nur die richtigen Erklärungen parat hat…

Er gehört wirklich unter die Top Ten der Welt

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Diese Mischung aus positiver Naivität und unbändigem Selbstbewußtsein hat Schlager nicht nur eine historische Bronzemedaille gewinneu lassen; nach der WM zählt zum ersten Mal zu den Top Ten der Weltrangliste.

Werner Schlager - ein Mann ohne Ziele, der schon sehr viel erreicht hat. Rene Adler

Butterfly NEWS - 03 2008 Weltmeister Werner Schlager: Techniktraining Im Jahre 2003 wurde Werner Schlager in Paris sensationell Weltmeister im Herren-Einzel. Diesen Titel hatten ihm nicht alle Experten zugetraut. Denn der Aufstieg des Österreichers an die Weltspitze war nicht einfach. Aber mit Mut, Kraft und Ausdauer hat der Rechtshänder den steinigen Weg nach oben geschafft. Werner Schlager lebt und lebte Tischtennis wie kaum ein Zweiter. Seine professionelle Einstellung zum Sport ist beispielhaft. Für Butterfly ist der 34-Jährige ein sehr wichtiger Berater in Sachen Produktentwicklung. In seinem im vergangenen Jahr erschienenen Buch „Matchball – Träume&Triumphe“ beschreibt er seine Karriere, seine Erfolge und Enttäuschungen, seine Ansichten über den Tischtennissport und seine ganz persönlichen, durchaus philosophischen Gedanken zum Leben. Ein äußerst lesenswertes Buch, nicht nur für Tischtennisspieler. In der neuen Butterfly News-Serie „Tipps&Tricks vom Weltmeister“ beantwortet er viele Fragen zu allen Bereichen von Wettkampf und Training: Technik, Taktik, Psyche, Kondition, Trainingsgestaltung, Wettkampf, Karriere, Spielentwicklung und –kultur, material, Regeln, Trainer. Praxis pur. Viel Spaß dabei wünschen Ihnen, liebe Leser, Werner Schlager und das Butterfly News-Team. Sollten Sie zu einem Thema weitere Fragen haben, mailen Sie uns diese zu.

In den vergangenen zehn Interviews bist du auf die verschiedenen Schlagtechniken im Tischtennis eingegangen und hast den Lesern viele Tipps und Hilfen gegeben. Heute wollen wir einmal generell auf den Begriff Technik eingehen und natürlich auch auf das Training von Technik. Was ist eigentlich Technik für dich im Tischtennis und wie wichtig ist das technische Können für das erfolgreiche Spiel? Eine effiziente Technik zu spielen ist sehr wichtig, denn der Erfolg hängt direkt davon ab. Je effizienter meine Schlag- oder Beintechniken sind, desto sparsamer gehe ich mit meinen körperlichen Ressourcen um. Je mehr Techniken ich beherrsche, desto besser bin ich auf Bälle des Gegners vorbereitet.

Für den Anfänger ist das Erlernen der verschiedenen Schlagtechniken natürlich zunächst von größter Bedeutung um überhaupt spielfähig zu werden. Wie hast du die Grundschlagtechniken erlernt und welche Rolle hat dabei dein Vater als dein erster Trainer gespielt? Die Grundschlagtechniken lernt man relativ schnell durch viel Training. Die entscheidende Frage für meinen Erfolg jedoch war: Welche Grundschlagtechniken sind die „Richtigen“? Mein Vater hatte die Gabe zu erkennen, dass der Tischtennissport gerade eine Entwicklung durchmacht. Von langen Bewegungen weit weg vom Tisch zu kurzen Bewegungen am Tisch. Mein erfolgreiches, explosives Spiel am Tisch habe ich seiner Weitsicht zu verdanken.

Apropos Trainer, wie wichtig ist eigentlich ein guter Trainer für das Techniktraining in den ersten Jahren oder kann man sich Tischtennis-Techniken auch selbst beibringen? Sich Tischtennis auf Weltklasseniveau selbst beizubringen ist theoretisch vielleicht sogar möglich. Praktisch würde man jedoch zu viel Zeit und Energie in gedankliche „Sackgassen“ stecken, dadurch wahrscheinlich schnell die Motivation verlieren und aufgeben. Um sich technisch zu verbessern, muss man Probleme erkennen bzw. definieren und nach Problemlösungen suchen. Wobei das Definieren ja noch einfach geht: z.B.: „Spiele Ball von Position A nach Position B“. Das Finden einer passenden Lösung ohne Erfahrungswerte schon schwieriger, das Erkennen von (auch zukünftigen) Problemen jedoch das Schwierigste. Danach kommt das Zeitintensivste: Das Übertragen und Anpassen der Problemlösung auf sich selbst. Bei einem guten, erfahrenen Trainer kann man sich gleich auf das Wesentliche konzentrieren, nämlich das Übertragen von Schlag-, Bein- und im besten Falle auch Mentaltechniken auf sich selbst. Diese Grundtechniken bilden die Basis für alles später 12

Lernbare und sind deshalb extrem wichtig. Auch weil ein Umlernen nach einigen Jahren so gut wie unmöglich ist.

Kannst du dich noch erinnern, welche Schlagtechniken du sehr schnell erlernen konntest und mit welchen du Schwierigkeiten hattest.? Anfangs war das Vorhandspielen für mich einfacher als das Rückhandspielen. Später änderte sich das, weil ich bei der Optimierung der Gewichtsverlagerung meiner Vorhandtechnik Probleme hatte. Diese Optimierung ist immer noch nicht abgeschlossen.

Wann hast du mit „many-balls-Training“ begonnen und warum ist diese Trainingsmethode gerade auch fürs Techniktraining unverzichtbar? Mein Vater setzte von Anfang an die „Ballkiste“ ein. Der Vorteil liegt in der Effizienz des Trainings, da man in relativ kurzer Zeit viele Schlagwiederholungen hat. Man kann intensiver an Problemen arbeiten.

Was hältst du von den so genannten Kontrollübungen mit Zählen, also 15 mal Vorhand- Topspin auf Block ohne Fehler, Hin- und Rückschlag werden gezählt? Kontrollübungen sind eine gute Möglichkeit neben der Technik auch die mentale Belastbarkeit zu testen. Wer kennt die Situation nicht: Knapp vor dem Ziel liegen die Nerven blank und man macht einen Fehler. Als Jugendlicher war ich ein nicht besonders sicherer Spieler. Deshalb mochte ich solche Zielvorgaben wie „20x Vorhandtopspin“ gar nicht.

Derjenige, der eine Technik erlernt, hat immer auch eine Zieltechnik vor Augen. Sei es, dass er sie sich bei besseren Spielern abgeschaut hat oder sie ihm der Trainer erklärt hat. Wo hast du dir deine Zieltechniken hergeholt bzw. bei wem hast du sie dir abgeschaut? Natürlich von Weltklassespielern! Besonders bei der Frage der Aufschlagtechnik. Warum sich die Mühe machen und das Rad neu erfinden, wenn es schon so viele erfolgreiche „Räder“ gibt? Das Anpassen dieser persönlich abgestimmten Techniken erfordert sowieso Schweiß genug. An mancher Technik scheitert man sogar. Dadurch sollte man sich aber nicht entmutigen lassen. Es gibt meiner Erfahrung nach kein Problem, dass man nicht lösen kann. Nur zu wenig Zeit…

Im gehobenen Leistungsbereich bzw. im Profibereich ist der Einsatz der Videokamera als Korrekturhilfe häufig zu beobachten. Spieler können ihre eigenen Fehler erkennen, um sie dann zu verbessern. Wie wichtig war für dich videobegleitetes Techniktraining? Hast du ganz konkrete Erfahrungen damit gemacht? Leider waren zu meiner Jugendzeit Videokameras nicht bezahlbar. Vielleicht habe ich deshalb den Wert einer Videoanalyse erst spät erkannt. Heute bin ich für dieses Hilfsmittel sehr dankbar und setze es intensiv ein.

Auch das Training mit dem Roboter wird im Technikbereich immer wieder als effektiv beschrieben. Hast du mit dem Roboter trainiert und wie waren deine Erfahrungen damit? Ähnlich der „Ballkiste“ ist der Roboter eine gute Möglichkeit intensiv an der Technik zu feilen. Erst in meinen Jugendjahren konnte sich mein Vater dieses Hilfsmittel leisten. Wir setzten es regelmäßig ein. Auch weil man allein trainieren konnte.

Du spielst jetzt 30 Jahre Tischtennis, davon die Hälfte auf allerhöchstem Niveau. Jeder Profispieler, mit dem ich gesprochen habe, sagt, er könne noch an der ein oder anderen Technik feilen, sie optimieren. Woran feilst du im Augenblick, welche Schlagtechnik(en) kannst du noch verbessern? Derzeit arbeite ich an einem Distanzproblem. Auch ich optimiere andauernd. Man muss sich auch ständig an Trends (wie neue Aufschlagvarianten) anpassen. Ich habe oft das Gefühl, dass ich mich automatisch irgendwo verschlechtere, wenn ich eine Zeit lang an einem Problem intensiver arbeite. Solange ich mich insgesamt verbessere, geht das wohl in Ordnung.

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Tischtennis ist eine sehr individuelle Sportart, gerade weil die verschiedenen Schlagtechniken von jedem Spieler ein wenig anders ausgeführt werden. Auch im Spitzenbereich sieht man sehr große Unterschiede, z.B. die einen ziehen Topspin mit sehr großen Bewegungen, die anderen mit sehr kurzen. So gibt es Spieler, die „wie im Lehrbuch“ spielen und andere, die einen sehr eigenwilligen Technikstil haben. Zu welcher Kategorie würdest du dich zählen (wenn’s geht mit konkreten Beispielen) Ich zähle mich selbst zu den Spielern mit eigenwilliger Technik. Ich denke, dass es keine „Lehrbuchspieler“ im Topbereich geben kann. Weil zu einem überwiegenden Teil die Individualität die Stärke oder Schwäche definiert.

Welche Topspieler sind technisch „lehrbuchhaft“ perfekt? Keine. „Lehrbuchspieler“ haben für mich keine Individuellen Stärken und Schwächen und deswegen gibt es meiner Meinung nach keine Topspieler nach Lehrbuch. Es gibt jedoch Spieler, die näher am Lehrbuch sind als andere. Pauschal könnte man sagen: Asiaten sind näher am Lehrbuch als Europäer.

Welche sind die größten Individualisten oder Abweichler? Jeder Weltklassespieler ist durch seinen Individualismus zu solchem geworden. Jeder hat seine individuelle „Spezialwaffe“. Timo Bolls Topspin (fast nur aus dem Unterarm) ist so eine Spezialwaffe. Sehr effektiv, aber auch nicht für jedermann spielbar.

Eine Grundsatzfrage beim Techniktraining ist die Frage, wann beginnt Technik fehlerhaft zu sein und wann ist sie noch individueller Stil. Besonders deutlich wird dies an der Schlägerhaltung, wenn ich z.B. an Kreanga, Chila, Eloi, aber auch bei Aufschlagannahme (Zeigefinger mitten auf der Rückhand-Seite) denke. Wann würdest du, wenn du Trainer wärst, eingreifen und korrigieren? Wenn ich erkenne, dass es jetzt oder in der späteren Entwicklung von Nachteil wäre. Dann würde ich eingreifen.

Was sollte das Leitprinzip für einen Trainer bei Technikkorrekturen seines Spielers sein? Prinzipiell sollte alles, was zu nachhaltigem Erfolg führt, erlaubt sein.

Du hast ja als erster Profi im vergangenen Herbst über einen längeren Zeitraum ohne Frischkleben gespielt. Welche Erfahrungen hast du dabei gemacht? Warum hast du den Versuch dann wieder eingestellt? Meine Technik ist zu komplex, um sie als Ganzes kurzfristig grundlegend ändern zu können. Leider habe ich die Komplexität unterschätzt. Ich habe daraus viel über mein Spiel gelernt.

Wird sich das Tischtennisspiel in technischer Hinsicht nach den Olympischen Spielen in Peking aufgrund des Frischklebeverbots grundsätzlich ändern? Wenn ja in welche Richtung? Der Spieler wird körperlich mehr gefordert sein. Die Schlagvarianten werden sich verringern. Ich befürchte, dass die Attraktivität des Sports insgesamt darunter leiden könnte. Im Jahr 2010 werden wir es genauer wissen.

Gibt es Spieler, die dann im Vorteil sind? Einige Experten behaupten z.B., das Abwehrspiel hätte dann wieder bessere Karten. Möglicherweise gibt es dann wirklich bessere Chancen für Abwehrspieler. Prinzipiell sind vor allem Spieler mit weniger Variantenreichtum bei Anpassungen bevorteilt.

Könntest du bitte die Aussage eines renommierten Trainers kommentieren: „Mit perfekter Technik allein gewinnst du kein Spiel“. Mit Sicherheit ein Hinweis auf die Wichtigkeit der mentalen Verfassung eines Spielers. Liegen die Nerven blank, dann kann man keine noch so perfekte Technik umsetzen  Techniktraining ist für mich ...alltäglich Brot. 14

 Technisch „saubere“ Spieler...sind leichter zu durchschauen.  Techniktraining mit 35 Jahren...macht immer noch Spaß!  Mit dem Frischklebeverbot wird die Technik...wichtiger denn je!  Ein guter Trainer korrigiert Technikfehler ...wie „am laufenden Band“!  Technische Perfektion ...ist keine Voraussetzung um Weltmeister zu werden.

Kreativität siegt - Wer variabel spielt, macht seinem Gegner die größten Probleme. dts 9/1999 Ob Werner Schlager, Jan-Ove Waldner, Liu Guoliang oder Ma Lin: Im Halbfinale dieser WM standen ausnahmslos komplette Spieler, die nicht nur besonders viele Schlag- und auch Aufschlagtechniken beherrschen, sondern auch taktisch gut zu reagieren wissen. Auch Wang Nan, die neue Weltmeisterin, zeichnet die Fähigkeit aus, Topspins ganz unterschiedlicher Länge und Tempi, mit mehr oder weniger Spin ziehen zu können. Gewiß: Das Händchen eines Jan-Ove Waldner oder das Schlagrepertoire eines Werner Schlager besitzen nur wenige, doch jeder kann von diesem Trend lernen.

Wir baten Werner Schlager, für die dts einige Tips zu formulieren, die auf dem Weg zum Erfolg helfen können. Hier sind seine Ratschläge: 1. Gerade am Anfang der Spielwicklung gilt es, die Kreativität und den Spaß zu fördern. Ich habe zum Beispiel sehr oft Übungen daheim gespielt, wo nach dem Aufschlag alles frei war. Die Sicherheit im Spiel habe ich erst in den letzten Jahren bekommen. Man sollte also auf entspr. Freiraum bei Übungen achten. 2. Versuche von guten Spielern durch Beobachtung zu lernen, aber denk´ daran: Man muss / kann nicht deren Schläge 1:1 kopieren. Mein Vater hat mir früher Aufnahmen von Spielern wie Klampar und Jonyer gezeigt und gesagt: „Schau, wie der die Füße stehen hat. Sieh, wie der das Gewicht verlagert.“ Man kann versuchen, Elemente vom Spiel der anderen ins eigene Spiel einfließen zu lassen, aber ganz genau kann man eine Bewegung nie kopieren. 3. Taktisch muss man möglichst variabel agieren. Natürlich gibt es Gegner, die auch 3x nacheinander auf den gleichen Schlag mit einem Fehler reagieren, aber gegen die meisten macht es Sinn, bspw. bei Rückschlag möglichst viele verschiedene Platzierungen zu spielen, um den Gegner im Ungewissen zu lassen. RN

Training von kreativen Fähigkeiten im Tischtennis Sönke GEIL4 - TB 03-06 Einleitung Das Training von kreativen Fähigkeiten stellt eine besondere Form von Taktiktraining da. Von daher gelten die theoretischen Grundlagen des TAKTIK-Trainings auch für das Training von kreativen

4 Über 25 Jahre Profitrainer - Seit über 10 Jahren Landestrainer in Baden – Württemberg. Ab 1982 Bundesligatrainer bei TSV Kronshagen, ATSV Saarbrücken, SSV Reutlingen, TSV Sontheim und TTC Frickenhausen 15

Fähigkeiten. Nach Roth (1995) geht es einfach darum, dass ein Spieler "kluges planmäßiges Vorgehen" erlernt, um eine bestimmte Absicht zu verwirklichen. . Hierbei muss er zwischen WAS - Entscheidungen (Technikauswahl) und WIE - Entscheidungen (bestimmte Variation der Grundtechnik) unterscheiden. . Es muss zwischen der Erfolgswahrscheinlichkeit (wie wahrscheinlich ist es, dass das "klappt") und dem Nutzen / Wert (wie hoch ist der Nutzen, wenn es "klappt") abgewogen werden. Ein(e) TT- Spieler(in) muss schnell und zielsicher die Erfolgswahrscheinlichkeit (Ball auf dem Tisch) und die Nutzenwerte (Punktgewinn, Vorbereitung zum Punktgewinn) der bestehenden Handlungsmög- lichkeiten vorhersehen können, er/sie muss wissen, welche Technik(en)/ Technikvarianten in welchen Spielsituationen zu welchen Effekten führen. . Hierbei sind Fehler, wie unrealistische Einschätzung der eigenen Fähigkeiten, Fehldeutungen der Spielsituation, falsche Spielauffassungen oder eine Unterschätzung der Spielsituation zu vermeiden.

Training von Kreativität und Spielintelligenz Nach Roth (1995) wird zwischen Spielintelligenz und spielerischer Kreativität unterschieden. . Spielintelligenz zeichnet sich durch konvergentes taktisches Denken aus, was bedeutet, dass die eine richtige Lösung für eine gegebene Spielsituation gesucht wird. . Mit dem Begriff der spielerischen Kreativität wird ein divergentes taktisches Denken in Ver- bindung gebracht. Dies heißt, dass viele Lösungsideen entwickelt werden, die gleichzeitig ungewöhnlich, überraschend und angemessen sind. Auch wenn die Wortschöpfungen "Spiel" und "spielerisch" bei diesen Definitionen dominant sind, geht es im Leistungsbereich darum, wirklich effektiv zu trainieren, keinesfalls nur einfach "rumzuspielen". Die Frage ist nur "Wie"?

Oft glauben wir, dass unsere Handlungen intuitiv erfolgen oder vom Instinkt geleitet werden. Dies ist aber nicht (immer) richtig. Um sinnvolle Lösungsmöglichkeiten in einem Tischtennismatch zu finden, müssen wir das Spiel kennen, müssen Erfahrungen sammeln. Wir müssen das Tischtennisspiel studieren!

Bei dem Training von Kreativität geht es nicht darum, „Traumbälle“ zu produzieren, sondern erfolgreiche Lösungen für (un)bestimmte Spielsituationen zu finden. Bei dem Training von KREATIVITÄT und SPIELINTELLIGENZ geht es nicht darum, "Traumbälle" zu produzieren, sondern erfolgreiche Lösungen für (un)bestimmte Spielsituationen zu finden. Damit diese erfolgreich sind, müssen sie oft ungewöhnlich, überraschend ("der Ball muss auf den Tisch") und angemessen (punktbringend oder punktvorbereitend, einen Nachteil ausgleichend) sein.

Für das Training ist es ganz wichtig, dass eine gute Trainingsstimmung herrscht. Dies ist zwar immer von Vorteil, aber hier ist sie zwingend nötig, da eine sehr gute Konzentration auch im psychischen Sinne wichtig ist. Die genannten Trainingsformen sollten nicht im stark ermüdeten Zustand durchgeführt werden. Natürlich spielen wir Wettkämpfe und Wettkampfformen (auch im Training) des Öfteren im ermüdeten Zustand, da es hier aber um Lernen/Entwickeln geht, sollte höchstes Aufmerksamkeitsniveau möglich sein.

Schlussbemerkungen Abschließend ist zu sagen, dass es natürlich nicht darum geht, welche Kreativitätsmodelle wofür stehen oder darum in der Praxis abzugrenzen, was Kreativitätstraining und was Training von Spielintelligenz ist. Es geht viel- 16

mehr darum, dass schon im Anfängerbereich Kreativität zu schulen ist. Man muss nicht erst irgendwelche Techniken beherrschen sondern auch Kreativität für den Technikerwerb benutzen. Letztlich geht es um Taktik und Strategien im Spiel. Umso mehr Lösungsmöglichkeiten uns für eine Spielsituation zur Verfügung stehen, desto besser für unser Spiel. Für unseren Erfolg im Spiel. Ja, im Spiel!

Tischtennis ist ein Spiel und das soll es auch bleiben! Eine Übungsform, die sich u. a. beim Einschätzen der eigenen Fähigkeiten / Abwägen der o. g. Erfolgswahrscheinlichkeit (Risikodosierung) besonders bewährt hat, ist das so genannte PROGNOSETRAINING. Dieses hat nicht nur mit dem Schulen von Kreativität zu tun, sondern dient neben der Anspruchsniveauschulung auch zur Simulation von Wettkampfsituationen, insbesondere des psychischen Aspekts, hier: „Wettkampfstress“... Der Trainer und/oder sein Athlet entwickeln eine Übung, die seinen Spielsituationen in Teilbereichen sehr nahe kommt (es muss nicht mit Aufschlag sein). Der Athlet gibt dann eine Prognose ab, wie viele Punkte er z. Bsp. bei 10 Versuchen macht. Es ist völlig unerheblich, ob die Aufgabe leicht oder schwer ist, der Athlet spürt immer eine große Anforderung durch seine Prognose.

PROGNOSETRAINING 1. Festlegen der Anforderung 2. Definitives Leistungsziel 3. Durchführung der Anforderung 4. Ist-Soll- Vergleich 5. Analyse des Handlungsausganges 6. Eventuell Revision des Zieles

Durch diese Übung wird eine sehr hohe Konzentration auf das Wesentliche erreicht und wir kommen der Wettkampfsituation (vor allem psychisch) sehr nahe, was ja immer schwierig zu erreichen ist. Banal ausgedrückt werden dabei vor allem "schlechte" und "falsche" Gedanken aus den Köpfen der Sportlerinnen "verjagt".

Individueller Stil oder technischer Fehler? – Der Technikkanal

Frank Fürste – TB 1/2013 Im Zusammenhang mit der Fehlererkennung und – korrektur stellen sich immer wieder die Fragen, was korrigiere ich, was kann ich stehen lassen? Was ist ein technischer Fehler, was nur der individuelle Stil des Spielers?

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Ein Modell, welches zur Veranschaulichung des Problems dienen soll, ist der sogemamnte „Technikkanal". Ausgangspunkt für die Fehlerkorrektur ist die Idealtechnik. Sie verläuft grafisch gesehen genau in der Mitte des Technikkanals. Die beiden Seiten des Technikkanals grenzen den Bereich einer Schlagtechnik ein, der noch nicht mit Fehlern behaftet ist (siehe Abb. 2 und 3). Der Technikkanal wird durch die gedachten Kurven 1 und 2 begrenzt (vgl. Abb. 2 und 3). In der Mitte verläuft unsere Idealtechnik (3). Innerhalb des Kanals verlaufen zwei gestrichelte Kurven (5 und 6), welche Abweichungen von der Idealtechnik bzw. den individuellen Stil darstellen. Kurve 5 entspricht eher dem Verlauf bzw. Stil von Timo Boll beim VHT, Kurve 6 dem VHT-Stil von oder Jan Ove Waldner. Bei T. Boll ist der Vorhand-Topspin auf Unterschnitt im Verlauf eher konvex (nach außen) gekrümmt und endet vor dem Kopf, bei Kreanga und Waldner ist der Verlauf eher konkav (nach innen) und endet neben der Stirn. Alle Spieler treffen aber den Ball im Balltreffpunkt optimal.

Kurve 4 zeigt einen fehlerhaften Schlagverlauf, denn die Kurve verlässt an mehreren Stellen den Technikkanal. Der Fehler stellt eine Abweichung von der Idealtechnik dar, der korrigiert werden muss (z. B. beim VH-Topspin schwingt der Schläger hinter dem Kopf aus). An der Grafik kann man erkennen, dass die Kurve den Technikkanal verlässt. Der Schlag enthält z.B. Ausweichbewegungen, ganze Bewegungsteile können fehlen, vor allem solche, die sich negativ auf Dynamik, Präzision und Rotation des Schlages auswirken. Im schlimmsten Fall führt die wiederholte Ausführung dieser fehlerhaften Technik, wie z. B. beim Ausschwingen hinter dem Kopf, zu gesundheitlichen Schäden (Beschwerden im Lendenwirbelsäulenbereich)!

Um festzustellen, wie stabil eine Technik ist, kann man sogenannte Stresstests spielen lassen. Deutliche Tempoverschärfung der Übung, kombiniert unregelmäßige Übungen, Hinzunahme von kleiner oder großer Beinarbeit sowie Platzierungsvariabilität und Platzierungsgenauigkeit sind dazu die entsprechenden Variablen. Ein wichtiger Punkt ist dabei die Feststellung der Rückführbewegung sowie der Endposition, um den nächsten Schlag optimal spielen zu können. LITERATUR: Fürste, F. / Friedrich, W.: Tischtennis – verstehen, lernen, spielen. Per Email über [email protected] erhältlich (DIN-A-4, 196 S., 24,80€)

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DIFFERENZIELLES TRAINING IM TISCHTENNIS W. SCHÖLLHORN5 / M. KOEPSEL6 – TB 04-05

Einleitung Im Sport sind viele Beispiele brillanter Techniker bekannt. Die brasilianische Fußballkultur läßt den unbedarften deutschen Fußball-Arbeiter vor Neid erblassen. Im Tischtennis ist der herausragende "Ballzauberer" sicherlich Jan Ove Waldner. Der vorliegende Artikel beschreibt ein Trainingskonzept, welches versucht, diese technische Flexibilität gezielt zu fördern. Eine kurze Bestandsaufnahme: Schaut man sich die übliche Trainingspraxis in Schulen, Vereinen etc. an, so stellt man fest, dass ihr zumeist programmorientierte Lernmodelle zu Grunde liegen. Hierbei werden zen- tralnervöse Repräsentationen von Bewegungen als motorische Programme aufgefasst. In der Konsequenz wird daraus für das motorische Lernen abgeleitet, dass versucht wird, ein vorher definiertes Ideal durch möglichst häufige Wiederholung der Zielbewegung einzuschleifen (GROSSER & NEUMAIER 1982). Dabei soll das so vermeintlich eingeprägte Programm auch unter veränderten Randbedingungen zu demselben Resultat führen. Berücksicht man, dass selbst Spitzenathleten nicht in der Lage sind Bewegungen exakt zu reproduzieren (vgl. HATZE 1986, SCHÖLLHORN 1999), scheint der Versuch Bewegungen zu lernen, indem die "richtige" Bewegung möglichst oft wiederholt wird, zumindest fragwürdig. Über die Individualität der menschlichen Bewegung schreibt SCHÖLLHORN (2000, S. 189): "Die gleiche Merkmalsausprägung an einem Gelenk kann bei zwei Personen schon am benachbarten Gelenk unterschiedliche Wechselwirkungen auslösen, innerhalb einer Person scheinen diese jedoch eine gewisse Konstanz aufzuweisen". Dies geht soweit, dass sogar tagesabhängige Bewegungsmuster identifiziert werden können (SCHÖLLHORN 1999), oder emotions- (MANGOLD 2002; KOKENGE 2004) bzw. ermüdungsabhängige (JÄGER / ALICHMANN & SCHÖLLHORN 2003) Bewegungsmuster.

Konsequenzen für das Verständnis von Training Sind Bewegungsabweichungen jedoch unvermeidbar und zeichnen sich gute Athleten dadurch aus, Ab- weichungen besser kompensieren zu können (vgl. MUNZERT 1996, SCHÖLLHORN 2003), stellt sich die Frage,  inwiefern der Weg zum Erfolg nur über hohe Wiederholungszahlen führt,  oder inwiefern dem Umfang der Bewegungsstreuung im Trainingsprozess eine dominante Rolle zukommt. Biologische Adaptionsprozesse werden durch Differenzen initialisiert (Störung der Homöostase). Es ist also nicht abwegig, einen Großteil des Informationsgehalts von zwei Übungen in deren Differenz zu vermuten. Beispiele liefert auch die räumliche Wahrnehmung, die erst aufgrund der Differenz der Sinneseindrücke von rechtem und lin- kem Ohr bzw. Auge zustande kommt. Auch Kanten lassen sich nicht erkennen, werden die Flächen derart ausgeleuchtet, dass kein Helligkeitsunterschied mehr existiert. Dies geht sogar so weit, dass die visuelle Wahrnehmung nach wenigen Sekunden zusammenbricht, wenn durch entsprechende Maßnahmen die Netzhaut relativ zur Umwelt ruhig gestellt wird (vgl. KLEINE- HORST 1992, JOOS / ROTTING & VELICHKOVSKY 2003).

Eine Möglichkeit den Athleten, auf ständig neue Bewegungsausführungen vorzubereiten, ohne diese aber exakt trainieren zu können, bieten die Modelle der Inter- und Extrapolation.  Bei der Interpolation wird von zwei bekannten Zuständen (Bewegungen) auf einen dritten, neuen geschlossen, der zwischen den beiden bekannten liegt.  Bei der Extrapolation wird auf einen Zustand geschlossen, der außerhalb der bekannten liegt.

5 Von 1980 bis 1997 trainierte er Leichathleten nationaler und internationaler Spitzenklasse (EM- und WMTeilnehmer). Seit 1997 ist er Universitätsprofessor. Seit 2000 Lehrstuhl und Professur des Arbeitsbereiches Trainings- und Bewegungswissenschaft an der Westfälischen WilhelmsUniversität Münster. 6 Lehramt Mathematik und Sport der Sek. II/I an der WWU Münster. Seit 2001 Honorartrainer des WTTV 19

Während zur Extrapolation noch wenig experimentelle Erkenntnisse vorliegen, ist der Mechanismus der Interpolation recht gut erforscht und findet auch erfolgreiche Anwendung auf dem Gebiet der künstlichen neuronalen Netze (MIGLINO / LUND & NOLFI 1995). Beim Interpolationslernen werden gewissermaßen die Streugrenzen des möglichen Lösungsraumes der Bewe- gung abgetastet. Dadurch steht dem Athleten ein größerer Bereich zur Interpolation zur Verfügung, was die Chance erhöht eine individuell optimale Bewegung zu finden. Neben dem Vorteil, dem Athleten auf diese Weise zu einem großen Erfahrungsschatz in relativ kurzer Zeit zu verhelfen, ist durch die ständig neuen Bewegungsaufgaben gewährleistet, dass der Athlet fortlaufend neuen Trainingsreizen ausgesetzt wird und so Lernplateaus vermieden werden können. Dieser Aspekt macht das Differenzielle Training insbesondere für den Hochleistungssport interessant.

Fraglos wurden und werden mit der klassischen Trainingsmethodik große Erfolge erzielt. Da jedoch keine Bewegung wie die vorhergehende ist, trainiert man durch die Vorübungen bei den methodischen Übungsreihen und die hohen Wiederholungszahlen zwangsläufig auch mit einer gewissen Variationsbreite, in der der Athlet mehr oder weniger zufällig auch sein eigenes Optimum findet. So wäre es denkbar,  dass die schnellen Lernfortschritte bei Anfängern darin begründet sind, dass diese noch wesentlich weiter von ihrem individuellen Optimum entfernt sind als der Könner und dadurch auf natürliche Art und Weise zu einer viel höheren Streubreite in ihren Bewegungen kommen.  Vielleicht muss also nur ein entsprechendes Lernangebot in Form von entsprechend großen Differenzen vorliegen. Während beim Anfänger die natürlichen Fluktuationen ausreichend erscheinen, müssen demnach beim Fortgeschrittenen jedoch neue Reize in Form von erweiterten Fluktuationen durch den Trainer erschlossen werden.

Veränderte Rolle des Trainers Nach dem Verständnis des Differenziellen Trainings ist der Trainer nicht mehr ein externes Kontroll- oder Steuerungsinstrument für eine enge Zieltechnik, sondern fungiert als Katalysator bzw. Initiator für Selbstorga- nisationsprozesse beim Athleten. Das Differenzielle Training ist also keineswegs ein modernes Versuch- und Irrtumlernen, welches den Trainer überflüssig macht und keinen Regeln folgt. Vielmehr ist es die Aufgabe des Trainers, zu bestimmen, wo die Grenzen des Lösungsraumes verlaufen und sich entsprechend eine Vielzahl möglicher Bewegungsausführungen zu überlegen. Soll beispielsweise der Vorhand Topspin im Tischtennis erlernt werden, wäre Fahrradfahren mit großer Wahrscheinlichkeit außerhalb des Lösungsraumes… Auch bedeutet Differenzielles Training nicht das aus- schließliche Trainieren von Fehlern. So ist das klassische Einschleifen als echte Teilmenge des Differenziellen Trainings zu betrachten, da nach maximaler Variation die Wiederholung wieder eine Variation der Variation darstellt. Als angenehmer Nebeneffekt eröffnet das Verlassen eingetretener Methodikwege die Möglichkeit, neue Techniken zu entdecken wie etwa die Skating-Technik beim Skilanglauf, den V-Stil beim Skisprung oder den Fosbury Flop beim Hochsprung.

Konsequenzen für die Trainingspraxis im Tischtennis Im Folgenden soll eine mögliche Systematik erstellt werden, auf welchen Ebenen Variationen bzw. Störungen erzeugt werden können um den potentiellen Lösungsraum einer Bewegung auszuloten. In einer ersten groben Unterscheidung lassen sich zwei Bereiche identifizieren. Der eine ist, externe Störungen zu erzeugen. Dies kann durch Veränderung der äußeren Rahmenbedingungen geschehen, wie z. B.:  unterschiedliche Bälle (große, kleine, kaputte, mit Unwucht durch Klebertropfen etc.)  Tischvariationen (Grabentisch, Tische schräg stellen um alle drei Achsen, Markierungen auf dem Tisch etc.)  Schlägervariationen (unterschiedliche Hölzer und Beläge, veränderte Gewichtsbalance durch Zusatzge- wichte etc.)  Umweltbedingungen (schwaches Licht, Gegenlicht, Ventilatoren, Matten auf dem Boden etc.)

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 Variation der passiven Kräfte (Trägheitskräfte) durch Zusatzgewichte, Einschränkung der möglichen Bewegungen oder Ausführung von Zusatzbewegungen.

Eine weitere Möglichkeit besteht darin, bewusst interne Störungen oder "Bewegungsschwankungen" auszu- führen. Diese lassen sich theoretisch an nahezu allen Gelenken in den folgenden Ebenen erzeugen:  Geometrie (Gelenkwinkel)  Geschwindigkeit (Winkelgeschwindigkeit)  Beschleunigung (Winkelbeschleunigung).  Rhythmus (zeitliche Struktur)

Alle vier Bereiche sind jedoch aufgrund ihrer physikalischen Abhängigkeit nicht klar (disjunkt) voneinander zu trennen. So führt eine Veränderung der Geometrie zwangsläufig zu einer Anpassung der Geschwindigkeit und des Timings. Auch verändern sich die auftretenden passiven Kräfte, die wiederum unmittelbaren Einfluss auf die aufzuwendende Muskelkraft haben. VON HUMBOLDTS bekanntes Zitat - ''Alles ist Wechselwirkung" - erfährt hier also Bestätigung und nimmt den Trainer in die Pflicht,  das hochkomplexe Wechselspiel von Ursache und Wirkung der menschlichen Bewegung für das Training nutzbar zu machen,  indem er dem Athleten die Möglichkeit bietet, selbstorganisierend sein sich ständig änderndes individuelles Optimum zu finden.

Zusammenfassung

Eine veränderte Sichtweise von Fehlern und Idealtechniken, sowie ein differenzierteres Kausalitätsverständnis stellen althergebrachte Trainingsmethoden in Frage. Ein Ansatz, der diese Erkenntnisse integriert, stellt das Differenzielle Training dar. Bisherige Untersuchungen in verschiedenen Sportarten (Kugelstoßen, BECKMANN 2003; Handball, WAGNER, MÜLLER & BRUNNER 2004; Fußball, SECHELMANN TROCKEL & WESTERS 2002; Volleyball, RÖMER 2003; Basketball, SCHÖNHERR, 2002; Tennis, HUMPERT 2005) deuten mindestens auf eine Gleichwertigkeit des Differenziellen Trainings zu den klassischen Methoden hin. o Was hierbei auffällt, ist die größere Stabilität gelernter Bewegungsmuster nach Abschluss der Trainingsintervention. Während die Leistungen der traditionellen Probandengruppen nach kurzer Zeit wieder auf das Ausgangsniveau zurückfallen, zeigen die differenziell trainierten Probanden auch nach der Trainingsintervention weitere Leistungssteigerungen.

Vor diesem Hintergrund wird auch die technische Überlegenheit südamerikanischer Straßenfußballer oder eines Tischtennisindividualisten wie J.O. Waldner verständlich. Kommt doch ein unebener Untergrund (Strand etc.), unterschiedliche "Bälle" (Dosen etc.) einer enormen Variation gleich, die es zu beherrschen gilt. Gleiches gilt für die gelegentlichen 'Experimentier'-Einheiten eines Waldner, der hierbei jedoch die Grenzen des machbaren auslotet, neue Schläge erfindet und ganz nebenbei "Ballgefühl trainiert".

Einen anderen Weg, diese große Variationsbreite zu erreichen beschreiten die Chinesen. Durch ihre großen Trainingsumfänge und die vielen verschiedenen Gegner erreichen sie aufgrund der unvermeidbaren Schwankungen sozusagen zufällig eine ähnliche Variationsbreite, jedoch bei wesentlich höherem zeitlichen Aufwand. Da in dem vergleichbar bevölkerungsarmen Deutschland ein derartiges Training wohl in absehbarer Zeit nicht realisierbar scheint, stellt das Differenzielle Training zumindest eine nachdenkenswerte Alternative dar, die erfolgsversprechende Aussicht auf eine Lösung des Zeit- und Gegnerproblems vieler Athleten bietet.

Beim differenziellen Training wird der Spieler ins "Bewegungs-Chaos" gestürzt. Durch die erzeugte Instabilität wird er angehalten, neue und effektivere Bewegungen zu finden. 21

Auf dem Weg zur Meisterschaft werden demnach  keine Übungen nach klassischem Verständnis, im Sinne von Wiederholen und Einschleifen trainiert,  sondern verschiedenste Bewegungsausführungen, die dem Spieler ermöglichen sollen, in einem größeren Bereich auf neue Bewegungsanforderungen interpolieren zu können.  Werden ausschließlich die oben genannten Bewegungen trainiert (eingeschliffen), käme dies einer klas- sischen Trainingsmethodik in neuem Gewand gleich. Somit sind die vorgestellten Bewegungsausführungen nur als Beispiele aufzufassen, die den Leser anregen sollen, eigene zu ent- wickeln.

Um als Trainer entsprechende Bewegungsaufgaben zu kreieren, empfiehlt sich, die Bewegungen seiner Schützlinge im Geiste, besser noch trocken, nachzuahmen. Häufig merkt man dann ziemlich schnell, welcher Aspekt einer Bewegung einem "unangenehm" ist und wie man dieses Bewegungsdetail vielleicht gerne geändert hätte. Im nächsten Schritt kann man sich nun überlegen, welche Zusatzbewegungen oder Arrangements dieser Änderung entgegenkommen.

Bei Fortgeschrittenen Spielern werden die Bewegungen, wie angedeutet, immer globaler gestört, da Abweichungen vom biomechanischen Optimum immer schwerer feststellbar sind und es auch zunehmend wichtiger wird, die Schläge aus der Bewegung und nicht einzeln zu spielen. Nach jedem Schlag mit dem Schläger irgendwohin zu zeigen wäre eine Möglichkeit, trotz unterschiedlicher Schlagansätze zu einer stabilen Schlagebene zu kommen. Dies ließe sich auch mit klassischen `Übungen` kombinieren.

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Dirk Huber - Trainerbrief 3.2012 1 www.vdtt.de Tischtennis - Sport für Anarchisten

Es gibt seit Jahrzehnten verschiedene Modelle des Tischtennis-Lernens für Anfänger, Kinder und Jugendliche. Für diese Modelle sind in der Regel Analysen des Spitzensports die Basis. Diese Analysen haben neben wenigen wissenschaftlichen Erkenntnissen aber auch individuelle Interpretationen dieses Spitzen-TT zur Grundlage. Wir kennen bzw. kannten: Konter-Modell, Topspin-Modell, in welche im Laufe der Zeit Begriffe wie VH-Orientierung, VH-RH-Gleichgewichtung, RH-Orientierung beim Damen-TT Verkürzung der Bewegungen, Spin-Orientierung beim Passivspiel, Bewertung der Athletik usw. eine Entwicklung der Sportart vorgeben sollten.

Grundlegende, revolutionäre Änderungen in der TT-Ausbildung, völlig neuartige methodische, technische, taktische Ideen hatten Seltenheitswert. Im Grunde war das Tischtennis-Lernen immer eine Kopie des Lernens oder ein Kopieren der besten TT-Spieler der Welt - eine durchaus legitime Maßnahme. Damit aber - mit der Erstellung der Kopie - beraubt man sich der Möglichkeit, besser als das Original zu werden. Die Geschichte des TT zeigt aber auch, dass mit neuen, kreativen Ideen auch die vermeintlich besten Spieler der Welt überrascht werden können, selbst von Spielern aus kleinen TT-Nationen, zum Beispiel: . 1975 wird der Ungar Istvan Jonyer Weltmeister im Herren-Einzel. Maßnahmen: Rückhandtopspin; Vor- hand- und Rückhand-Flip. . 1979 wird die Herrenmannschaft Ungarns Weltmeister gegen die chinesischen Favoriten mit eben diesen Maßnahmen und dem neuartigen Spiel Klampars: aggressive, schnelle Schupfbälle als Rückschlag und Ge- gentopspin und Spinblocks über dem Tisch. . 1987 begannen die schwedischen Herren ihre etwa 10 Jahre dauernde Vorherrschaft. Maßnahmen: Präzi- se Platzierungen in Bezug auf Breite und Länge des Tisches und in Bezug auf die Position des Gegners; sicheres Passivspiel; große Variabilität in Aufschlag- und Rückschlagspiel.

Derzeit spielen die chinesischen Herren in Bezug auf Spin, Platzierungen, Aufschlag- und Rückschlagspiel und variable Distanz zum Tisch schwedisches Herrentischtennis vergangener Jahre, mit allerdings erheblich verbes- serter Athletik, dadurch in viel höherer Geschwindigkeit, aber mit ebenso großer Variabilität und Präzision. Aber es kamen auch technische Erweiterungen des Spiels, z.B. Penholder mit Einsatz der RH-Schlägerseite in das Repertoire einiger Spieler.

Dieser Qualität am nächsten kommen die deutschen Spieler, die jeder für sich sehr individuell und variabel spielen, von denen jeder mindestens über eine, eher über mehrere effektive Waffen im Spiel verfügt, und die auf Grund ihrer unterschiedlichen Techniken und Strategien von ihren Gegnern vielfältige Gegenmaßnahmen in technischer und taktischer Hinsicht erfordern - in Stichworten und ohne Anspruch auf Vollständigkeit:

o BOLL: Platzierungen; Winkel; Rotation o OVTCHAROV: RH-Aufschläge, RH-Topspin o BAUM: Früher Balltreffpunkt; Tempo mit VH und RH o SÜSS: Unberechenbare Platzierungen und Schlagtechniken o STEGER: VH-Topspin und besonders RH-Topspin aus Halbdistanz

In diesen sehr unterschiedlich ausgeprägten Spielsystemen und -strategien, basierend auf variablen Techniken manifestiert sich eine individuelle technisch/taktische Ausbildung und auf diese aufbauend eine vorbildliche wei- tere Förderung dieser Athleten in allen Phasen ihrer Entwicklung.

Alle beschriebenen Beobachtungen und Erkenntnisse haben die Trainer im WTTV motiviert, die Sportart Tisch- tennis komplett von Grunde auf neu zu überdenken, ihr Anforderungsprofil möglicherweise neu zu definieren und darauf basierend die Methodik des Anfängertrainings bis hin zum Training mit Nachwuchs-Leistungssportlern zu modifizieren. 23

Motorik im Tischtennis . folgt keinen durch Regeln festgelegten Bewegungsmustern; alle Bewegungen sind frei . Abgesehen vom Einhalten der Regeln und der ungeschriebenen Regeln des fair play herrscht sportliche Anarchie . TT ist Kunst statt Handwerk, aber hohes künstlerisches Niveau ist nur mit viel Arbeit erreichbar! . Ziel ist nur der Punktgewinn und der Sieg . Motorik ist mithin nur Mittel zum Zweck

Aber: Das Erreichen der sportlichen Zielsetzungen - den Ball über das Netz in die Spielhälfte des Gegners spielen - erfordern Flugkurven des Balles, die nur mit Bewegungen erreicht werden, welche die notwendigen Gesetze der Physik berücksichtigen: beispielsweise Magnus-Effekt zur Steuerung der Ballflugbahn, Rotation vs. Nicht-Rotation usw.

Allein entscheidend über die Flugkurve des Balles ist die Bewegung bzw. Nicht-Bewegung des Schlägers in Richtung, Geschwindigkeit, Treffpunkt im Moment des Balltreffpunktes (ca. 1/500 sec).

Hier den gewünschten Effekt zu erzielen, erfordert spezifische Bewegungsmuster = Schlagtechniken, die idealerweise beschrieben werden können, die größere tolerierbare Freiheitsgrade besitzen, als von uns Trainern gemeinhin zugestanden werden. In diesem Sinne hat eine präzise, Situations-angemessene Technik im Tischtennis unbestritten eine elementare Bedeutung.

Aber: Legen wir die Fesseln ab!

Taktische Ziele im Tischtennis . Die eigenen Vorteile suchen, eigene Absichten durchsetzen vs. die Pläne des Gegners durchkreuzen, dem Gegnerschaden . TT wird als höchst unkooperative Sportart definiert und anerkannt . Es gibt nur Sieg oder Niederlage; den Sieg mit allen Mitteln im Rahmen der Regeln und des Fairplay suchen . Lernen, das Verlieren zu hassen, aber aus dem unvermeidbaren Verlieren zu lernen

Tischtennis stellt sich so als Zweikampfsportart dar, in welcher es wie beim Boxen, Judo, Ringen usw. nur Ge- winnen oder Verlieren gibt.

Im Vergleich zu einigen Zielsetzungen im Boxen gibt es viele Übereinstimmungen mit dem Tischtennis: . Aus sicherer Deckung die Kampfstrategie aufbauen . Schwächen des Gegners erkennen und sofort kompromisslos ausnutzen . Gegner an-und ausknocken . Eigene Schwächen verschleiern . Nicht auf die Deckung schlagen (auf den Schläger spielen) . Deckung nach unten ziehen, um oben angreifen zu können (vgl.: Ellbogen verfolgen) . Deckung auseinander ziehen, um in der Mitte angreifen zu können Deckung auf eine Seite ziehen, um auf der anderen Seite angreifen zu können (außen-außen platzieren) 24

. Beinarbeit . Gleichgewichtsvermögen . Reaktionsfähigkeit, Antizipation . Wahrnehmungsfähigkeit

Aus diesen Erkenntnissen ergibt sich die Forderung, dass die „basics" des Tischtennis anders definiert werden müssen: Basics sind nicht die motorischen Fertigkeiten, sondern die taktischen Zielsetzungen der Sportart und die sportartspezifischen mentalen Fähigkeiten: . Kampfgeist . Beharrlichkeit . Unbedingter Siegeswillen . Erkennen und Ausnutzen gegnerischer Schwachpunkte . Durchsetzungsvermögen . und die sensomotorischen Grundlagen, also die Sinnesrückmeldungen, welche die Bewegung steuern und kontrollieren: Wahrnehmungsfähigkeit – Reaktionsfähigkeit - Antizipationsfähigkeit.

Ein Blick auf nicht in Vereinen organisierte Tischtennis spielende Kinder zeigt, dass in der Regel mit diesen basics gespielt wird. Tischtennis-Techniken im herkömmlichen Sinne sind unbekannt, es wird experimentiert, verworfen, verändert; aber es wird immer Wettkampf gespielt und sei es Rundlauf auf dem Pausenhof mit Ausscheiden (Wettkampf!) und Ermittlung des Siegers im Finale. Betrachten wir nun das übliche Training von Anfängergruppen in vielen Vereinen, erkennen wir, dass genau diese basics nicht (mehr) berücksichtigt werden, sondern dass in aller Regel höchst-kooperative Übungen gespielt werden, in denen die Hauptzielsetzung darin besteht, den Ball möglichst lange im Spiel zu halten, vorgegebene Bewegungen möglichst genau nach Anweisung des Trainers zu wiederholen, Fehler zu vermeiden. In den schon sehr früh begonnenen Wettkämpfen in Mannschaften oder RL-Turnieren selbst auf unterster Wett- kampfebene müssen genau diese Sportler dann absolut unkooperativ spielen, was sie aber nicht in diesem Training gelernt haben, und sie sich in diesem Sinne weiterhin auf ihre Pausenhof-Erfahrungen besinnen müssen! Dieses Missverhältnis zwischen Anforderungen und Erlernen der Sportart möchten die Trainer im WTTV durch entsprechende Zielstellungen im Tischtennistraining, im Wettkampfverhalten und in der Methodik der Anfängerschulung zu minimieren versuchen.

Lehren wir also, dass die jungen Sportler: . Den Sinn der Sportart erkennen, den Zweikampf als wichtigste Grundlage allen Lernens akzeptieren . Den Wettkampfcharakter der Sportart jederzeit erleben . Wissen, dass im Tischtennis die Gedankenschnelligkeit der Handlungsschnelligkeit immer voraus gehen muss . Die Wahrnehmung immer auf höchstem Niveau mit geschult wird; denn: Mehr sehen gibt mehr Chancen; schneller sehen und erkennen macht weniger Hast und ermöglicht, bei Bedarf die geplante Bewegung zu modifizieren; Schnelle Reaktion erlaubt ruhigere Bewegungen . Ihren Gegner immer zu überraschen versuchen . Nichts ausschließen, weder motorisch noch taktisch, denn es sind keine Bewegungsmuster vorgegeben (Turnen), keine Zielfelder limitiert (Schach; vgl. SAMSONOV : "TT = Schach im 100m-Tempo") . Ihre Ideen ausprobieren und erst nach eingehenden Tests ins Programmm aufnehmen oder verwerfen. Das gilt genauso für die Trainer . Intuition, Übersicht, Präzision verbessern

Grundsätzlich wollen wir „das Pferd von vorne aufzäumen“; d.h., Tischtennis beginnt mit dem AUFSCHLAG ! Eröffnung, Nachsetzen, Vollstrecken versus Verteidigung und Übergang in Offensive oder bei Defensivspielern: Mit Verteidigung Fehler des Gegners erzwingen bzw. einfache, berechenbare Bälle des Gegners bekommen und zum Gegenangriff nutzen. 1. Nutze grundsätzlich die erste Chance! 25

2. Alle Schlagtechniken werden in Zusammenhang mit Beinarbeit gelehrt und trainiert: Alle bekannten Beinarbeitstechniken, wie . „Umlaufen" vorwärts/seitlich neben den Tisch; parallel zum Tisch eher nur wenig öffnen, sonst Balltreffpunkt zu weit hinten . Qualität der Bewegung (vgl. MUHAMMAD ALI: „Schweben wie ein Schmetterling - stechen wie eine Biene")

Wichtigste Tischtennis-Technik ist die . Schlägerhaltung (Neutralgriff ); Mit dieser Griffhaltung wird das zweiachsige Handgelenk in seinen Bewegungsmöglichkeiten am wenigsten eingeschränkt . Schläger in Neutralposition (Alle Schläge - außer Aufschlag - beginnen und enden in Neutralposition - >In Neutralposition wird der ankommende Ball erwartet; je besser die Antizipationsleistung, desto eher kann die Ausgangsposition für den nächsten Schlag an Stelle der Neutralposition eingenommen werden)

Schläge/Schlagtechniken; allgemeine technische Grundsätze . Früher Balltreffpunkt . Zeitdruck für Gegner erhöhen . Winkelgewinne . Spin-Zuwachs (Katapult-Effekt des Belags nutzen; vgl. Tennis: McEnroe, „Schläger als Trampolin“) . VH-RH-Techniken mit Griffwechsel. Für die entsprechenden Schlagtechniken die besser geeig- neten Abwandlungen des Neutralgriffs: VH-Griff oder RH-Griff nach Möglichkeit einsetzen. Vor- aussetzung: Wahrnehmungsfähigkeit auf hohem Niveau! • Winkelgewinne • Seitenschnittzuwachs . Schlagtempo langsam; Bewegung und Timing präzise! Tempo kommt von selbst ! . Niemals nachteilige Nebenbewegungen automatisieren . Fehlerkorrektur nicht nur durch Verändern der Motorik, sondern durch Neu-Erlernen anderer Be- wegungen! . Technik lernen nicht nur auf Grund räumlicher Bewegungsanweisungen, sondern auch auf Grund des zeitlichen Ablaufes der Bewegung (Beispiel VHT: Wo befindet sich der Schläger, wenn der ankommende Ball auf dem Tisch aufspringt? Steht der Schläger? Ist er in Bewegung? Nach vorne? Nach hinten? FÜHLE das! . Lass dem Lernen Freiraum; vgl.: ein Baby lernt das Krabbeln, dann das Aufstehen, dann das Laufen - alles ohne Bewegungsanweisungen!

Frühzeitig Schlagverbindungen an Stelle Wiederholung einzelner Schläge!

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Erläuterungen zum Methodik-Modell - Warum diese Reihenfolge?

1. Wichtigste Technik - Schlägerhaltung - an den Beginn! 2. Spielfähigkeit, Wettkampfgedanken von Beginn an fördern 3. Technik-lernen soll frühestmöglich Wettkämpfe ermöglichen

Nach der Schulung der Schlägerhaltung und des frühen Balltreffpunktes wird folgende methodische Reihenfolge vermittelt: VHT - Flugkurve gebogen, damit das Netz überwunden wird und kurz, damit der Ball nicht über den Tisch hinaus fliegt / Standard in Eröffnung und Ballwechsel; möglich gegen jeden ankommenden Ball / VHT verhindert RH-Griff! LA - „passt" zum VHT / Möglichkeit, Wettkampfregelgerecht zu eröffnen VH-Block/RH-Block - „passt" zu LA und VHT; Übungen sind möglich KA - Taktisch: VHT verhindern! Wettkampfgedanke! VH-Schupf/RH-Schupf - Nur gegen KA RHT - RH-Spiel gleich berechtigen VHK/VHS; RHK/RHS - Konter als Vorübung zum Schuss / Variationsmöglichkeit zur Temposteigerung / Übernehmen der Offensive im Blockspiel (zentral vs. tangential) VH-Abwehr/RH-Abwehr - Komplettierung des Spiels / Erweiterung motorischer Fähigkeiten (Ballgefühl!) / Motivationaler Aspekt Wie ist das methodisch zu realisieren? Entspr. Trainer, Sparringspartner, Zuspieler sind erforderlich. Training muss in Kleingruppen durchgeführt werden

Zentraler Gedanke für alle Trainingsmaßnahmen: „handle table-tennis with intelligence“

Anforderungen an die TRAINER Gib das Beste für den Sportler! Sei trendsetter, sei kreativ! Trainiere (auch) gegen den Trend! Arbeite mit dem Team! Übernimm Verantwortung für deine Arbeit! Sei immer bereit zu lernen - von jedem! Schau über den Tellerrand; lerne von anderen Sportarten! Beobachte die Entwicklung des Sportlers! Beobachte dein Verhalten! Keine coolen Sprüche! Irgendeine Idee ist besser als keine Idee! Führen dich deine Ideen in eine Sackgasse - mach kehrt! Mach deine Arbeit so, dass du darauf stolz sein kannst! Protokolliere deine Trainingsmaßnahmen und Vergleiche deine Erwartungen mit dem Resultat! Unterstütze die Motivation des Sportlers!

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Übungen zur Verbesserung variabler motorischer Qualitäten im Sinne des DIFFERENTIELLEN TRAININGS7 . Variation der Zielbewegungen im weiteren Umkreis des Bewegungsideals; Bewegungsfehler werden bewusst in den Trainingsprozess mit einbezogen, weil exakte Bewegungswiederholungen nicht möglich -und nicht erwünscht -sind. Es wird davon ausgegangen, dass Bewegungen ständigen Schwankungen unterliegen und höchst-individuell sind. . Beim traditionellen Bewegungs-Lernen soll das vorgegebene Bewegungsziel durch hohe Wiederholungszahlen und ständigen Soll-Ist-Vergleich an das Ideal herangeführt werden. Die angestrebte Zieltechnik ändert sich jedoch ständig (Wachstum, Material, Regeln, Ausgangsbedingungen . . . ) . „Fehler" wird durch „Schwankung" ersetzt; diese Schwankungen werden gezielt im Trainingsprozess eingesetzt. . Im Trainingsprozess werden gezielt unterschiedliche Anforderungen (Differenzen) durch ständige Veränderung der Bewegungsaufgaben und der Umweltbedingungen gestellt. Dadurch wird der Körper gezwungen, sich ständig neuen Situationen anzupassen, wobei das zentrale Nervensystem zu verstärkten Reaktionen gefordert wird. . In diese Richtung gehen zwar unregelmäßige TT-Übungen, wobei aber auch hier die Wiederholung eines idealen motorischen Bewegungsziels angestrebt wird. Je höher diese Qualität ist, desto weniger wird dann wieder differentiell trainiert.

Beispiele: 1. Den Körperschwerpunkt im Schlag absenken 2. Wie mit einem Pinsel spielen 3. Während des Ballwechsels Wellenbewegungen (alle Richtungen) in der Hüfte 4. Vor einem VHT den Schlagfuß auf der Ferse nach außen/innen rotieren 5. Vor einem VHT den Gegenschlagfuß auf dem Ballen nach außen/innen rotieren 6. Beim Schlag mit der freien Hand schnipsen 7. Nach dem Schlag kurz „einfrieren" 8. Beinarbeit wie eine Maus 9. In der Neutralposition ist die Schlägerspitze unter dem Kinn 10. Beim Schlag mit dem Gegenarm nach unten boxen 11. Beim Schlag Aufwärtshaken mit dem Gegenarm 12. Beinarbeit wie ein Känguru 13. Schnelle Ausholbewegung - langsame Schlagbewegung und umgekehrt - dann im Wechsel!

7 Im Sinne des „Differentiellen Trainings“ kann alles variiert werden, was nicht im offensichtlichen Widerspruch zur Lösung der Bewegungsaufgabe steht (Muster in: Trainerbrief 3.2012, S. 26). 28

Zur Bedeutung des situativen Trainings - Bewußte Gegnerbeobachtung während eines Ballwechsels (und die Dinge, die darauf aufbauen)

Gunter STRAUB – TTL 2-08 Mit das Schönste am Sport ist, dass es dort Erfahrungen gibt, die alle Athleten miteinander teilen - und zwar ungeachtet irgendeines bestimmten Leistungsniveaus. -

Auch im Tischtennis gibt es solche Erfahrungen - zum Beispiel die, eine Saison (bzw. eine Vorrunde) lang in einem Paarkreuz spielen zu müssen, das definitiv EINE Nummer zu groß für einen ist. Als mir Selbiges vor Jahren zum ersten Mal widerfuhr, hatte ich auf den sonntäglichen Heimfahrten nach dem Spiel immer viel Zeit, um über die Ursachen und Umstände meiner Niederlagen nachzudenken. Wiederholt gelang es mir bei den Spielen einfach nicht, ins Schwitzen zu geraten. Ich hätte sooo gerne geschwitzt, aber die Jungs auf der anderen Seite spielten mich (nicht immer, aber) oft so an, dass ich überhaupt nicht zu meinem Rhythmus fand. Überflüssig zu erwähnen: Meine Gegner machten meistens auch nicht den Eindruck, als würden sie schwitzen. Irgendwann stand für mich dann fest, dass ein Spieler, der besser ist als ich, in der Regel nicht nur über die besseren Schläge verfügt, sondern auch mehr "sieht" als ich...

Ein wenig Licht in mein Dunkel brachte neulich die Doktorarbeit von Manfred Muster. Seine Arbeit "Zur Bedeutung des situativen Trainings im Hochleistungstischtennis" (1999) fußt nämlich auf systematischen Spielbeobachtungen. Das Gründungsmitglied des VDTT beschreibt in diesem Buch recht ausführlich die Ausbildung von Spielbeobachtern. Und dabei wird tatsächlich deutlich, dass Akteure unterschiedlicher Leistungsstufen Spielsituationen und auch einzelne Schläge vielfach ganz verschieden wahrnehmen.

Konkret: Hochleistungssportler z.B. beurteilen die Qualität eines gespielten Balles prinzipiell differenzierter als Verbandsligaspieler. Die Erstgenannten haben einen deutlich schärferen Blick dafür,

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ob sich hinter einer Aktion im Hinblick auf den weiteren Verlauf des Ballwechsels ein Vorteil oder aber ein Nachteil auftut. Diese mangelnde Übereinstimmung betrifft maßgeblich die ersten drei Ballkontakte eines Schlagabtausches.

Die Spielbeobachter analysierten im Rahmen von zwei großen Untersuchungen am Videomonitor insgesamt 4312 Ballkontakte. Diese stammten aus 10 hochkarätigen Einzelbegegnungen der Welt- meisterschaften 1985, 1987 und 1989. Die an diesen Begegnungen beteiligten Akteure kamen aus China und Europa, sie waren allesamt Rechtshänder und von ihrer Spielanlage her offensiv ausgerichtet. Zwei der Athleten spielten Penholder, die anderen vier Shakehand. Muster wies seine Beobachter an, nicht nur die Technik, mit der ein Ball gespielt wird, zu protokollieren, sondern auch auf weitere Details ein Auge zu haben. So wurde jeweils die Tischzone, auf der der Ball nach dem Schlägerkontakt aufsprang, notiert (Platzierung) und - ganz wichtig - die "Wertigkeit", also Qualität bzw. Effizienz, eines Schlages per Zahlen-Code festgehalten. So konnte das Geschehen am Tisch richtiggehend gemessen und berechnet werden.

Musters Dissertation ist schwerpunktmäßig ein Buch über die TAKTIK AUF TOPNIVEAU. Der Verfasser lokalisiert dort oben zwei zentrale Fähigkeiten, die die sehr guten von den (nur) guten Spielern unterscheidet. Mit der Feststellung "Der wichtigste Ballkontakt im Tischtennis ist der Rückschlag" (S. 254) bringt er die erste Fähigkeit auf den Punkt (vgl. auch Sialino 1988, S. 128). Das Frappierende dabei ist die außerordentliche Trennschärfe dieser Fertigkeit: Musters Zahlen untermauern die Vermutung, dass die Qualität des Rückschlag-Spiels tatsächlich einen Einfluss darauf hat, ob jemand ins WM-Endspiel einzieht (= "sehr guter Spieler") oder aber im Viertel- bzw. Halbfinale scheitert (= "guter Spieler").

Man bedenke die hiermit einhergehenden Implikationen: Ein Nachwuchsspieler, der kommende Woche von seinem Trainer in die Ecke geschickt wird, um Aufschläge zu üben, könnte unter Berufung auf Muster (oder doch vielleicht besser: unter Berufung auf Guni) seinen Coach bitten, die Gesamtzeit für das Training der Aufschläge zu halbieren, um noch genügend Zeit zu haben, die noch wichtigeren Rückschläge üben zu können. Okay, okay, vor dem Hintergrund, dass Muster das Aufschlag-Rückschlag- Training als die bedeutsamste Trainingsform in der Weltspitze proklamiert (S. 257), könnte man die Trainingszeit für diese Elemente auch einfach verdoppeln....

Im Dunstkreis des Rückschlags tun sich bei dem ehemaligen bayrischen Landestrainer ein paar Nebenschauplätze auf. Er weist beispielsweise auf die außerordentliche Bedeutsamkeit der ersten drei Ballkontakte insgesamt hin. Zugegeben: Diese Erkenntnis geisterte auch schon vor Musters Dissertation in der einen oder anderen Form durch die TT-Literatur. Aber erneut sind es die Zahlen, die dieses State- ment anschaulich illustrieren: Rund 54% aller Fehler bzw. Punkte passierten im Rahmen der Hauptuntersuchung während der ersten drei Ballkontakte ODER hatten von der Art und Weise ihres Zustandekommens zumindest ihren "Ursprung" in dieser frühen Phase des Ballwechsels (S. 256 f.).

In den Mittelpunkt rückt damit auch der Eröffnungstopspin auf Schupf. Musters Studie zeigt eindrucksvoll, dass im Vergleich mit den "offenen" Techniken (auf Block/ Konter/ Top) die Effizienz der Eröffnungshandlungen (auf Schupf) durchweg noch zu wünschen übrig lässt. Das bringt mich auf den Gedanken, dass auf dem langen Weg zur Weltklasse irgendwann mal Schluss zu sein scheint mit der Maxime "Hauptsache, ICH eröffne (wenn-auch-mehr-schlecht-als-recht-und-dann-wird-schon-alles- gut)!"

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Ähnlich interessant ist die Erkenntnis, dass nicht dem Flip, sondern dem Schupfball innerhalb der ersten drei Ballkontakte quantitativ eine Hauptrolle zukommt. Ein triftiger Grund, die Überwindung der Rückwärtsrotation häufiger (um nicht zu sagen systematisch/er) ins Systemtraining einzubauen.

Verlassen wir damit die Besonderheiten der Eröffnungsphase eines Ballwechsels und wenden wir uns der zweiten Fähigkeit zu, die die sehr guten von den (nur) guten Spielern unterscheidet: Sehr gute TT- Spieler finden auf "gegnerische Patt-Schläge" deutlich effizientere Antworten als Spieler, die (nur) gut sind. Unter einem "Patt" versteht der Verfasser in Anlehnung an den Schachsport einen Schlag, der dem betreffenden Spieler weder einen Vorteil noch einen Nachteil beschert. Einen gegnerischen Patt-Schlag effizient verarbeiten, bedeutet nun freilich nicht, dass der Weltklassespieler automatisch immer dann sein Risiko erhöht, wenn der Gegner ihm einen mittelprächtigen Ball (Patt) präsentiert. Im Gegenteil: Muster findet heraus, dass absolute Weltklassespieler einzelnen "Patt"-Schlägen ihres Gegners (nicht immer, aber) besonders häufig mit einer Tendenz zum risikolosen Spiel begegnen.  Dieses Spielen auf Sicherheit erreicht der Spieler durch bestimmte Platzierungen: Der Akteur hält sein Gegenüber verstärkt auf der Rückhand bzw. reagiert eher "nicht öffnend" (spielt also den Ball in die Richtung, aus der der Ball kam).

Was uns der Autor mit seiner Arbeit unterm Strich damit sagen will, ist: Die Klasse eines Akteurs zeigt sich vor allem im Angesicht eines gegnerischen Patts - und zwar dann, wenn trotz der Tendenz zum Ballhalten der Spieler die Entscheidung getroffen hat, das Patt mit einem gefährlichen Ball aufzulösen.

Auch beim Studium der Ball-Platzierungen im Hochleistungs-Tischtennis stößt Muster auf interessante Zusammenhänge: Der gebürtige Bayer entdeckt, dass mehr als 50% aller Schlagkombinationen (hin und zurück) entweder über die RH-Diagonale ablaufen oder aber über die RH-Diagonale hin mit anschließender Öffnung parallel zurück.  Und: Gute Schläge des Gegners (die diesem einen Vorteil einbringen) werden vergleichsweise häufig nicht auf Sicherheit und damit in die Rückhand des Gegners, sondern in dessen Vorhand zurückgespielt.

Manfred Muster kann hinsichtlich der Gründe für ein solch riskantes Vorgehen nur Vermutungen ins Feld führen. Er kann aber mit seiner Methode die Effizienz dieses Platzierungsverhaltens auf den Prüfstand stellen und kommt zu dem Ergebnis, dass Cracks unter Druck mit einem Rückspiel in die geg- nerische RH womöglich besser beraten wären. Natürlich bleibt da die Frage, ob diese Erkenntnisse im "Hochgeschwindigkeits-Schach" des anbrechenden dritten Jahrtausends immer noch Gültigkeit besit- zen... 31

Und schließlich wartet der A-Lizenz-Trainer noch mit einem richtigen "Knaller" auf - nämlich: "Nicht- lehrbuchmäßige" Schläge und Spezialplatzierungen sind im Weltklassezirkus der 80er weit mehr als ein Randphänomen oder Zufallsprodukt. Mindestens bei jedem 3. Ballkontakt (ohne Aufschläge) sieht sich ein Spieler mit ihnen konfrontiert - entweder als Ausführender oder aber als Betroffener (S. 269). Nicht- lehrbuchmäßige Schläge und Spezialplatzierungen sind darüber hinaus - das zeigen die Auswertungen - auch äußerst effizient.

Mit NICHT-LEHRBUCHMÄßIGEN SCHLÄGEN meint Muster Dinge wie . RH-Sideblock, . VH-Sideschupf oder . RH-Heber.

Das Wort "SPEZIALPLATZIERUNG" steht für

 das "Spiel in die weite VH bzw. weite RH",

 das "Anspiel auf den Ellbogen" und

 das "Spiel gegen die Laufrichtung bzw. Bewegung des Gegners".

Die letztgenannte Form einer Spezialplatzierung habe ich überhaupt noch nie als Trainingsgegenstand in irgendeiner Halle sehen können.

Alles in allem weist Musters "Knaller" auf die Möglichkeit bzw. Notwendigkeit hin, die bewusste Gegnerbeobachtung während eines Ballwechsels (und die Dinge, die darauf aufbauen) früher oder später ins Training einzubauen.

Wer glaubt, Musters Dissertation sei maßgeblich ein Buch über Taktik, liegt prinzipiell richtig (bzw. hat meine Eingangsworte noch gut im Gedächtnis). Musters Doktorarbeit ist allerdings auch ein Buch über die "Psychologie eines Ballwechsels". Dazu mehr in der nächsten TTL Ausgabe.

Literaturhinweise: - MUSTER, Manfred: Zur Bedeutung des "situativen Trainings" im Hochleistungstischtennis - empirische Untersuchung zur Identifikation von "Spielsituationen". Aachen: Shaker 1999 - SIALINO, Achim: Systematische Spielerbeobachtung im Leistungstischtennis. Eine Untersuchung zum Aufschlagverhalten im Herrenwettbewerb beim europäischen Ranglistenturnier in Basel 1987. Unveröffentlichte Diplomarbeit an der DSHS Köln 1988

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Die Pychologie des Ballwechsels - oder: II G. STRAUB – TTL 03-08

Ihr erinnert euch: Die Doktorarbeit von Manfred Muster ist maßgeblich ein Buch über die Taktik im Hochleistungstischtennis - aber eben nicht nur. Musters Schriftstück ist meines Erachtens auch - das ha- be ich bereits in der letzten TTL-Ausgabe zum Besten gegeben - ein Buch über die "Psychologie des Ballwechsels". Der Sportwissenschaftler gibt - zumindest ganz vorsichtig - einen Einblick in das Gefühls- leben von Weltklassespielern - und zwar WÄHREND eines Ballwechsels. Ein Gefühlsleben, das sich manchmal gar nicht so sehr vom Seelenleben der Normalverbraucher abzuheben scheint.

Muster findet statistische Hinweise, denen zufolge Weltklassespieler sich durch die Güte eigener bzw. gegnerischer Aktionen (guter oder schlechter Schlag) im Hinblick auf den weiteren Verlauf des Ball- wechsels beeindrucken oder auch motivieren lassen. Mehr noch: Diese Gefühle orientieren sich Musters Daten zufolge daran, wie glücklich oder unglücklich der Einstieg in eine Situation abgelaufen ist. Gedanken wie "Das-ging-gerade-nochmal-gut-eben!" sind - da der Gegner einen Vorteil offensichtlich nicht nutzen konnte - im Hinblick auf den weiteren Verlauf des Ballwechsels leistungsfördernder als Gedanken wie "Da-hab-ich-eben-eine-Chance-nicht-vollgenutzt!" - obwohl beide Situationen auf denselben (mittelprächtigen) Ball des Gegners hinauslaufen.

In ähnlicher Manier lässt sich feststellen, dass die Erfolgsquote von Spielern, die "relativ unverschuldet" (durch einen guten Ball des Gegners) unter Druck geraten sind, besser aussieht, als die Quote von Spielern, die sich den gegnerischen Druck durch einen schwachen Ball selbst eingebrockt haben. Druck ist - durch die psychologische Brille betrachtet - wohl nicht gleich Druck.

Muster schließt mit der Vermutung, dass internationale Topleute einer Art "Wahrnehmungsverzerrung" unterliegen, indem "eigene oder gegnerische Einzelaktionen, die als "Schwäche" interpretiert werden müssen, (...) als bedeutsamer wahrgenommen werden, als eigene oder gegnerische Einzelaktionen, die als "Stärke" zu interpretieren sind" (S. 245). Zukünftigen Diplomanden sei vielleicht ans Herz gelegt, dass es gerade an dieser Stelle noch Forschungsbedarf gibt.

Dann war da noch ein Schlüsselwort, das mir gleich mehrmals auffiel - nämlich das Wort "Geduld". Ein Wort, das einen Sachverhalt bezeichnet, der in den Lehrbüchern vielleicht eher unter die Begriffe "Konzentrationsausdauer" (Baumann, 2004) oder "Konzentration in der Zeit" (Eberspächer, 2004) fällt. Zumindest zwei Untersuchungsergebnisse weisen eindeutig darauf hin, dass während eines Ballwechsels Geduld von nöten ist. Dass geduldiges Kämpfen beispielsweise auch dann Sinn machen kann, wenn man innerhalb eines Ballwechsels mit dem Rücken zur Wand steht, versteht sich irgendwie von selbst. Muster schafft es mit seiner Methode jedoch, dies zu messen: Im Rahmen der Hauptuntersuchung konnten sich nämlich in über 50% der Fälle Spieler, die momentan in der schwächeren Position waren,  innerhalb des Ballwechsels aus diesem Nachteil befreien und noch auf Augenhöhe mit dem Gegner herankämpfen. Darüber hinaus gab es kleinere und größere statistische Anzeichen dafür,  dass Fehler des Öfteren passieren, weil ein Akteur ungeduldig wird. Auch das ist einleuchtend und jetzt durch Muster statistisch belegt.

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Aber der langjährige TT-Trainer wartet in diesem Punkt nicht nur mit Statistiken auf, sondenn wird hier noch konkreter. Er plädiert nämlich dafür, die GEDULD in zweierlei Form am Tisch zu trainieren:  Einmal durch das Training längerer Ballhalte-Situationen (Ihr erinnert euch: Patt-Patt) und dann noch durch ein  Training von längeren "Vorentscheidungs-Situationen", die ebenfalls recht häufig im Tischtennis- Wettkampf vorkommen. Vorentscheidungs-Situationen sind Sequenzen in einem Ballwechsel, bei denen der eine Spieler deutlich Oberwasser hat und der Andere sich im Hintertreffen befindet (Vorteil-Nachteil).

Und damit stehen wir praktisch mitten in der Trainingshalle: Methodisch betrachtet schlägt Manfred Muster - wie der Titel seiner Doktorarbeit schon andeutet - eine Klinge für das so genannte "SITUATIONSTRAINING" im Tischtennis. Hierunter versteht man eine besondere Form des Systemtrai- nings, bei der ein Spieler im Rahmen einer bestimmten Spielsituation den für sich bestmöglichen Lösungsweg finden soll.  Der Ballwechsel folgt zu Beginn einer abgesprochenen Route und steuert - ähnlich einer Bahnlinie - auf eine Art "Weiche" zu.  Der Akteur soll an diesem Punkt entscheiden, welche Platzierungsalternative er anwendet. Die Entscheidung orientiert sich dabei an der Qualität des Balles, den ihm der Gegner am Knotenpunkt präsentiert.

Einem Spieler wird somit zugemutet, zu einem bestimmten Moment (blitzschnell) abzuwägen, ob er sich eben gerade in einer vorteilhaften oder nachteiligen oder aber etwa ausgeglichen Situation befindet. . Im einfachsten Fall heißt das: Ist der gegnerische Schlag gut gelungen, wählt der davon betroffene Spieler ("in Bedrängnis") eine bestimmte zuvor festgelegte Alternative A. . Stellt der Schlag den Spieler dagegen vor keine allzu großen Probleme, so wählt dieser Alternative B und versucht damit die relative Schwäche, die sein Gegner in dieser Situation gerade gezeigt hat, auszunutzen.

Eine situativ orientierte Übung  beginnt mit einer wettkampfadäquaten Einleitung (Aufschlag/Rückschlag) und  endet im freien Spiel.

Musters Untersuchung des Hochleistungstischtennis hat ein paar interessante Hinweise über besonders erfolgversprechende Platzierungsentscheidungen hervorgebracht: Je nachdem, ob der Gegner einen eher schlechten, mittelprächtigen oder guten Ball spielt, bieten sich den Daten zufolge als Antwort ganz bestimmte Platzierungen an (S. 275 f.). Allerdings besteht auch bzw. gerade in diesem Punkt weiterer Forschungsbedarf. Dennoch scheint es bis auf Weiteres Sinn zu machen, dieses Wissen ins Situationstraining einzubauen.

Das SITUATIONSTRAINING weist durchaus Gemeinsamkeiten auf mit den taktischen Alternativübungen (Leiss u.a., 1998) und den unregelmäßigen Systemübungen. Es ist aber dennoch eine Trainingsform mit einer ganz eigenen Zielsetzung - und die besteht darin, die Selbstbestimmtheit eines Spielers zu schulen.  Muster wehrt sich nämlich mehrfach gegen das "Negativ"-Bild, ein TT-Spieler sei im Wesentlichen ein "Roboter", der tendenziell mit dem Rücken zur Wand steht und eigent- lich nur das reflexartig abspult, was im Training eingeschliffen wurde.

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 SEINEM "Spieler-Bild" zufolge ist der Akteur am Tisch prinzipiell nicht überfordert. Im Ge- genteil: Der TT-Spieler hat einen kreativen Freiraum, er entscheidet selbst und rudert - um den alten Pfadfinderspruch zu bemühen - sein eigenes Kanu.

Dies hört sich an wie ein Streitthema für Philosophen, aber Fakt ist: Muster kann sein "Positiv"-Bild vom TT-Spieler durchaus mit entsprechenden Zahlen untermauern. In ähnlicher Manier macht der Doktor der Philosophie deutlich, dass das moderne Hochleistungstischtennis (der 80er Jahre) durchzogen ist von einer hoch offensiven, aber nicht unverhältnismäßig aggressiven Spielphilosophie.

Spannend ist darüber hinaus Musters Beitrag zum Thema "Erfahrungsantizipation". Dieses Wissen darüber, wo der vom Gegner geschlagene Ball auf der eigenen Tischhälfte wahrscheinlich aufkommen wird, ohne dabei die Augen gebrauchen zu müssen, ist in vieler Munde. Muster liefert die Prozentzahlen hierzu. Ein kleines Beispiel: Ein Aufschläger, der die Kugel in die kurze Rückhand seines Gegners platziert, kann mit einer Wahrscheinlichkeit von 66% davon ausgehen, dass der Gegner ihm den Ball diagonal in die Rückhand zurückspielen wird. Der Aufschläger ist allerdings gut beraten, die Augen dennoch aufzulassen, denn der Rückschlag könnte entweder kurz in die Rückhand kommen (25%) oder lang dorthin (41%) oder aber doch in die Vorhand. Mit seiner Methode kann der Sportwissenschaftler - wie bereits angeklungen - auch Aussagen darüber machen, wie effektiv oder ineffektiv bestimmte Platzierungsentscheidungen sind. Deswegen rät er dem Aufschläger zum Beispiel, den Service nicht allzu häufig kurz in die Tischmitte des Rückschlägers zu setzen, da dieser gerade hierauf erfahrungsgemäß die allerbesten Antworten zu spielen weiß.

Zum Schluss noch die gute Nachricht für alle Praktiker, die nach oben wollen und deswegen das Hochleistungstischtennis der 80er (u.a. mit Waldner & Persson) als Inspirationsquelle nutzen möchten: Muster setzt die Ergebnisse seiner Studie in konkrete Trainingsempfehlungen um. Die Quintessenz aus insgesamt 351 Forschungs-Hypothesen findet sich - praxisbezogen aufbereitet - gegen Ende des Buches auf 10 kompakten Seiten wieder.

LITERATURHINWEISE: Muster, M. (1999). Zur Bedeutung des "situativen Trainings" im Hochleistungstischtennis - empirische Untersuchung zur Identifikation von "Spielsituationen". Aachen: Shaker. Baumann, S. (2004). Psychologie im Tischtennis. Erfolgreich spielen - Erfolgreich coachen. DTTB Lehrplanreihe. Würzburg: Schimmel. Eberspächer, H. (2004). Mentales Training. Ein Handbuch für Trainer und Sportler. München: Copress. Leiss, J., Thews, H., Ostermann, M., & Kamps, K. (1998). 1000 + 1 Übung für das Tischtennis-Training, dazu: Konditions- und Aufwärmprogramme (7. Aufl.). Springe: Schaper.

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Gunter Straub, Georg Imhof8 & Oliver Weber9 in: TTL 3-2012 Alles ist wichtig - doch was ist neu? - Seminar Weltstandanalyse im Rahmen des DTTB-Fortbildungskongresses 2012 -

Einen großen Fortbildungskongress bot der Deutsche Tischtennis-Bund zu Beginn der WM-Woche Ende März in Dortmund an. Mit den neun Seminarveranstaltungen, die über drei Tage verteilt waren, sollten als Zielgruppe A- und B-Lizenztrainer angesprochen werden, die ihren Ubungsleiterschein verlängern wollten. Für eines der Seminare hatten sich erstmals Georg Imhof und Oliver Weber als Referentenduo zusammengetan. Imhof, der Jungen-Bundestrainer, und Weber, als Interface des DTTB an der Schnittstelle von Wissenschaft, Trainingspraxis und Lehre aktiv, wollten einen Überblick geben über Standards, die derzeit von den weltbesten Spielern im Männerbereich gesetzt werden. Standards im Hinblick auf die Technik und Taktik, Standards aber auch im Hinblick auf die Trainingspraxis. Und so bestand am Ende des dreistündigen Seminars kein Zweifel daran, dass an sämtlichen - legal zur Verfügung stehenden - Stellschrauben gedreht werden muss, um Weltklasse zu werden und zu bleiben.

Die abschließende Liste an Zielen, die es anzustreben gilt, las sich dementsprechend imposant. Gefor- dert werden:  Höhere Präzision  Höheres Tempo  Höheres Risiko  Größere Variabilität  Früherer Balltreffpunkt  Siegermentalität

Die Videos Die Vorbilder in Sachen Präzision, Tempo, Balltreffpunkt & Co. kommen, wie nicht anders zu erwarten, aus China, und so verwunderte es nicht, dass die beiden Referenten durchgängig den Vergleich mit den Sportlern aus dem Reich der Mitte suchten. Ein Video zu Beginn des Seminars vom Finale der Austrian Open 2011 verdeutlichte, dass Spieler, die sich den gleichen Standards unterwerfen nicht zwingend dasselbe Spiel haben müssen. In dem angesprochenen Endspiel standen sich Ma Long und Zhang Jike gegenüber. Ma mit der druckvolleren Vorhand - Zhang mit dem vergleichsweise filigraneren System, der auch etwas mehr Tempowechsel in sein Spiel integriert. Für Imhof verkörpern Ma und Zhang, die zum Zeitpunkt des Seminars die Plätze 1 und 2 in der Weltrangliste einnahmen, den Typus des beidseitigen, kompletten und damit auch variablen Angriffsspielers. Augenfällig in dem gezeigten Finale waren die hohe Ballsicherheit der beiden Chinesen sowie deren Stärke beim „Übernehmen", das heißt dem offensiven Reagieren auf einen gegnerischen (Eröffnungs-) Spin.

Revue passieren ließ Georg Imhof des Weiteren das WM-Halbfinale 2011 zwischen Zhang Jike und Timo Boll. Herausgestellt wurde die Tatsache, dass Zhang die chinesische Tradition des harten ersten An- griffsballes zu vereinen weiß mit Stärken, die man in früheren Zeiten eher der europäischen

8 Georg Imhof, Jahrgang 1967, Studium zum Diplomtrainer an der Trainerakademie Köln des Deutschen Olympischen Sportbunds. Seit Januar 2009 Jungen-Bundestrainer. Zuvor vielfach als Honorartrainer für den DTTB im Einsatz. Nach vielfältigen Tätigkeiten als Vereins-, Kreis- und Bezirkstrainer von 1996 bis 2001 Honorartrainer in Bayern. Zwischen 2001 und 2004 als Verbandstrainer des Tischtennisverbands Rheinland aktiv. Von 2004 bis 2008 als Verbandstrainer beim Hessischen Tischtennis-Verband tätig. 9 Oliver Weber, Institut für Sportwissenschaft, Technische Universität I Darmstadt, Magdalenenstraße 27, I 64289 Darmstadt, 36

Tischtennisschule zuschrieb. Gemeint ist damit Zhangs Rückhand, der wahrscheinlich weltbesten überhaupt, sowie dessen spielerische Ausdauer, mit der er die allermeisten langen Ballwechsel für sich entscheiden konnte. Für das spielerische Stehvermögen machte Imhof schwerpunktmäßig die überragende Athletik des amtierenden Einzelweltmeisters verantwortlich. Aufgrund seiner außergewöhnlichen Fitness konnte Zhang nicht nur explosiv die Rückhand umlaufen, um mit der Vorhand zu punkten, sondern bei einem lang andauernden Schlagabtausch immer wieder mit dem Körperschwerpunkt korrekt über den Beinen sein. Herausgestellt wurde auch die Tatsache, dass in dem Linksrechts-Duell der Rechtshänder Zhang Jike Vorteile genoss, wenn es nach erfolgtem Umspringen zu einem Topspin-Schlagabtausch über die Rückhand-Vorhand-Diagonale kam. Dieser Vorteil war damit nicht nur das Ergebnis der überragenden Athletik auf Seiten Zhangs, sondern auch die Folge davon, dass nach dem Umspringen eine stärkere Seitwärtsstellung des Körpers („Körperöffnung") vorlag und infolgedessen die Körperdrehung beim Schlagen deutlich explosiver vonstatten gehen konnte. Dagegen besaß Bolls Vorhandtopspin aus der Vorhandhälfte heraus - auch infolge der vergleichsweise reduzierten Körperöffnung - deutlich weniger Druck. Vor dem Hintergrund dieses Mechanismus kann man von einer Regel sprechen, der zufolge ein Vorhandtopspin aus der Rückhand heraus prinzipiell druckvoller ist als ein Vorhandtopspin, der aus der Vorhandhälfte heraus gespielt wird.

Kurzer Arm oder langer Arm - ein technischer Evergreen Im Hinblick auf das Spiel Bolls entwickelte sich eine angeregte Diskussion über die Funktionalität kleiner und großer Schlagbewegungen. Bemängelt wurde, dass Schlagbewegungen mit kurzem Arm in einer Vielzahl der Fälle die Mitschuld daran tragen, dass ein Eröffnungstopspin eher langsam ausfällt und dieser dann von einem chinesischen Gegner hervorragend übernommen, sprich gegengezogen werden kann. Imhof berichtete, dass - wohl genau aus diesem Grund - die Chinesen den deutschen Vor- zeigesportler in neuerer Zeit bevorzugt lang anspielen. Die entsprechende Folgerung für das Training lag auf der Hand: Der erste Angriffsball muss (noch) schneller, flacher und länger werden - sowohl mit der Vorhand als auch mit der Rückhand. Am Rande wurde erwähnt, dass ein halblanger Ball oftmals nicht nur für den Spieler, der unmittelbar daraufhin angreift, schwierig zu spielen ist, sondern auch dem Akteur Probleme bereitet, der zunächst seinen Gegner halblang anspielte und nun diesen Angriffsball retournieren muss. Neu war für den Protokollanten die Information, dass in den Reihen des DTTB bei der Ausbildung von Spielern schon seit geraumer Zeit wieder intensiv an den Aspekten Körpereinsatz und Armzug- inklusive des entsprechenden Abstandes des Ellenbogens zum Körper - gearbeitet wird. Schlagbewegungen mit langem Arm nach chinesischem Muster erfordern allerdings mehr Zeit und damit eine noch bessere Antizipation auf Seiten des Akteurs.

Imhof plädierte vor diesem Hintergrund für noch höhere Trainingsumfänge und ein frühes Einstiegsalter der Kinder in den Tischtennissport. Denn Wahrnehmen, Antizipieren und Entscheiden setzen seines Erachtens viel Erfahrung und damit viele Ballkontakte voraus. Ein Erhöhen des Trainingsvolumens ist für Imhof der Königsweg in Sachen Wahrnehmungs- und Entscheidungstraining; hinzukommen muss darüber hinaus eine Steigerung der Trainingsqualität. Erklärungen des Trainers hinsichtlich des zu erwartenden Balles auf bestimmte Auf- oder Rückschläge dienen dieser Zielsetzung ebenso wie spezielle Übungen, bei denen der Spieler zu einem gegebenen Zeitpunkt zwischen zwei (oder mehr) klar vorgegebenen Handlungsalternativen entscheiden soll.

Haben Chinesen Schwächen? Im Hinblick auf etwaige Schwächen chinesischer Sportler berichtete der Diplomtrainer,

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dass er verschiedentlich aus deren Mund vernommen habe, dass sie sich selbst - im Vergleich mit europäischen Spielern - als mental instabiler wahrnehmen. Eine nennenswerte Schwäche der Chinesen bei der Beantwortung von Angriffsbällen, die sich in erster Linie durch eine starke Rotation auszeichnen, sieht der Jungen-Bundestraine gegenwärtig nicht. Wenn überhaupt, dann zeigt sich nach Imhof nur dann eine kleine Lücke in der chinesischen „Angriffsmauer", wenn chinesische Kontrahenten - im rich- tigen Moment - parallel angespielt werden. Er schätzt auf jeden Fall das Spiel der chinesischen Athleten über die Diagonale als druckvoller beziehungsweise die Reaktion auf die ankommende Diagonale als effizienter ein als deren Spiel über die Parallelen des Tisches. Nach Imhof haben die Spieler aus dem Reich der Mitte den Angriff auf einen diagonalen Ball des Gegners perfekt automatisiert - und dies bereits in der Eröffnungsphase eines Ballwechsels. Häufig ist hier zu sehen, dass Chinesen aus der Rückhandhälfte heraus (unangenehm) halblang oder (überraschend) lang diagonal servieren und mit einem diagonalen Spinball des Gegners rechnen, der ihnen damit quasi „vor die Füße" gespielt wird. Imhof beobachtete wiederholt auch, dass Chinesen ihren Rückschlag kurz in die Rückhand des Aufschlägers spielen und wohl präpariert sind, wenn der Aufschläger den Rückschlag diagonal zurückgibt. Fast alles Banane Als die technische Innovation der letzten Jahre schlechthin bezeichnete der Diplomtrainer den Bananen-Flip. Dieser - von der Genese her ursprünglich dem Tschechen Petr Korbel zugeschriebene - Rückhandschlag habe sich im zurückliegenden Jahrzehnt sehr stark verbreitet und laufe dem Vorhand-Flip aktuell etwas den Rang ab, so Imhof. Denn aufgrund der Konstruktion des Handgelenks kann der Ball mit der Bananen-Technik aus der Tischmitte beziehungsweise aus der Vorhandhälfte heraus sogar noch besser gespielt werden als aus dem Rückhandbereich des Tisches. Auch ist der Bananen-Flip weniger riskant als die oft druckvolleren Vorhand-Flips, die der Athlet alternativ aus der Vorhandhälfte heraus spielen kann. Die Logik des BananenFlips besteht häufig darin, dass mit dieser filigranen Technik der offene Schlagabtausch eröffnet wird. Dabei soll der Gegner zu einem Topspin minderer Qualität verleitet werden, der relativ einfach übernommen werden. Spielt ein Athlet einen Bananen-Flip, kann er zudem mit recht hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass der Ball diagonal zurückkommt, denn eine parallele Antwort auf einen Bananen-Flip setzt ungleich mehr spielerische Kompetenz voraus.

Der Jungen-Bundestrainer stuft im Vergleich der Weltklassespieler untereinander vor allem Zhang Jikes Bananen-Flip als äußerst effektiv ein, verwies beim Seminar in Dortmund aber auch auf den jungen Franzosen Simon Gauzy, der diese Schlagtechnik sogar mit Seitunterschnitt spielen kann. Die zunehmende Popularität des Bananen-Flips führt Imhofs Ansicht nach dazu, dass sich Spieler über dem Tisch häufig sehr stark auf die Mitte und Vorhandseite konzentrieren und mitunter regelrecht überrascht werden, wenn man ihnen einen Ball in die Rückhand schupft. Wie das Video vom Finale der Austrian Open 2011 zeigte, sind selbst chinesische Athleten gegen diesen Mechanismus nicht gefeit, denn sie beantworteten einen solchen Schupfball des Gegners in die eigene Rückhand wiederholt mit einem Gegenschupf. Aufschläge in die weite Rückhand beziehungsweise weite Vorhand des Gegners bezeichnete Imhof als die Waffen gegen den Bananen-Flip schlechthin. Ein Aufschlag in die weite Rückhand reduziert die Qualität eines Bananen-Flips, weil das Handgelenk in diesem Bereich nicht so gut eingesetzt werden kann wie aus Mitte oder Vorhand. Und ein Aufschlag in die weite Vorhand nötigt dem Rückschläger in vielen Fällen einen Vorhand-Flip ab, da ein Bananen-Flip von dort aus den Rückschläger in eine sehr ungünstige Position am Tisch bringen würde.

Vorteile eines Bananen-Flips gegenüber einem normalen Flip • Ein Bananen-Flip aus Mitte oder Vorhand ist weniger riskant, weil im Vergleich mit einem Vorhand-Flip der Akzent auf der Rotation und nicht auf dem Tempo liegt • Ein Bananen-Flip verleitet den Gegner zum einem Eröffnungsspin, der relativ leicht übernommen werden kann • Ein Bananen-Flip resultiert mit hoher Wahrscheinlichkeit in einem diagonalen Antwortschlag • Ein Bananen-Flip lässt sich auch mit Seitunterschnitt spielen

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Der Datensatz Einen methodischen Kontrapunkt setzte Oliver Weber; er brachte keine Videos zum Seminar mit, sondern handfeste Daten. Seit 2008 analysiert der Diplomsportlehrer gemeinsam mit Kollegen Spiele im Weltklassebereich und plant langfristig eine Auszählung von 200 Einzelbegegnungen. Die Erkenntnisse, die Weber bei dem Fort- bildungskongress präsentierte, stützten sich auf 14 Matches, die seit 2007 bei Olympischen Spielen, Weltmeisterschaften, European Top 12-Turnieren sowie dem World Team Cup stattgefunden haben. Von den 13 beteiligten Spielern befanden sich zum Zeitpunkt des Seminars 8 unter den Top 10 der Weltrangliste. Webers systematische Spielbeobachtungen komplettierten in gewisser Weise die Einschätzungen von Georg Imhof. Imhof hat beim Spiel über dem Tisch - wie bereits beschrieben - einen Trend zum Rückhandeinsatz wahrgenommen. Webers Auswertungen deuten nun darauf hin, dass sich das Hochleistungstischtennis im weiteren Verlauf des Ballwechsels überwiegend durch eine vorhandorientierte Spielweise auszeichnet mit einer starken Tendenz zum Umlaufen der Rückhand, inklusive der Absicht, den Ballwechsel mit einem Punktball abzuschließen.

Das Verhältnis von Rückhand- und Vorhandschlägen beträgt bei den 1344 ausgewerteten Ballwechseln fast genau 1:2-.-. Ein weiteres Resultat bestand darin, dass die Ballwechsel im Tischtennis (nach wie vor) recht kurz sind. Weber zählte im Schnitt 4,4 regelgerechte Ballkontakte pro Ballwechsel. Nur 35,4 Prozent aller Ballwechsel umfassen 5 oder mehr regelgerechte Ballkontakte (vgl. Abb. 1). Dies werteten die Referenten einhellig als einen Hinweis dafür, verstärkt - oder vor allem - wettkampfbezogene Übungen zu trainieren beziehungsweise trainieren zu lassen, bei denen der Akzent auf den ersten vier Ballkontakten liegt. Weber meinte, in seinen Daten erste Anzeichen erkennen zu können, denen zufolge die Ballwechsel in besonders bedeutsamen Matches (bei Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften) möglicherweise noch kürzer ausfallen als in anderen internationalen Wettbewerben.

Neues vom Aufschlag Zu den interessantesten Ergebnissen der Auswertung zählte der Befund, dass die Spieler im absoluten Weltklassebereich ein relativ schematisches Aufschlagverhalten an den Tag legen. Serviert wurde in den 14 beobachteten Spielen überwiegend mit der Vorhand aus der Rückhandseite des Tisches heraus. In 56,1 Prozent aller Fälle schlugen die Sportler in die Mitte der gegnerischen Tischhälfte auf - vorzugswei- se kurz oder halblang. Nur vereinzelt gibt es im Weltklassezirkus Akteure, die Rückhandaufschläge zeigen (z.B. Samsonov, Ovtacharov, Persson). Jungen-Bundestrainer Georg Imhof outete sich als ein Fan der Rückhandaufschläge, die aus allen Positionen am Tisch gespielt werden können. Daneben machte er sich für die Idee stark, im Rahmen des Aufschlagspiels Platzierungen anzustreben und Rotationen zu verwenden, die bislang nicht dem Mainstream entsprechen. Dazu gehören  Vorhand- und Rückhandaufschläge kurz in die gegnerische Vorhand,  lange Aufschläge und  Aufschläge mit reinem Unterschnitt.

Hingewiesen wurde in diesem Zusammenhang darauf, dass Aufschläge mit starkem Unterschnitt es dem Gegner schwer machen, den Ball wirklich kurz zurückzulegen. . . Bestätigen konnte Weber die Erkenntnis, dass das Recht, zu Beginn eines Ballwechsels aufschlagen zu dürfen, dem Akteur in den meisten Spielen nur einen geringen Vorteil beschert: Im Schnitt heimste der Aufschläger in 53,80 Prozent der Fälle den Punktgewinn ein. Co-Referent Georg Imhof erinnerte sich daran, dass es bereits vor mehr als 20 Jahren Studien zu dieser Fragestellung gab und die Ergebnisse damals in eine ähnliche Richtung wiesen.

Aufstieg des Flip? Etwas kontroverser ging es im Hinblick auf das Rückschlagspiel zu. Webers Auszählungen bestätigten die bereits früher gemachte Beobachtung, dass im Tischtenniswettkampf Schupfbälle häufiger gespielt werden als Flips. Im Rahmen der Auswertung der 14 Einzelbegegnungen wurder 1041 Schupfbälle und 418 Flippbälle gezählt. Weber und Imhof vertraten allerdings die Auffassung, dass in der jüngerer Vergangenheit der Flip bei internationaler Wettbewerben einen Aufstieg erlebt habe und damit aktuell weitaus häufiger zur Anwendung komme, als dies in früheren Jahren der Fall war. … 39

Vor dem Hintergrund des Rotterdamer Halbfinales zwischen Timo Boll und Zhang Jike äußerte Oliver Weber die Vermutung, Zhang habe Boll vor allem deshalb so häufig mit Flip angespielt, um zu vermeiden, dass der Deutsche seinen Rotationstopspin optimal zur Entfaltung bringen kann.

Kontermodell versus Topspinmodell - ein didaktischer Evergreen Vor dem Hintergrund des Befundes, dass der Topspin die am häufigsten gespielte Schlagtechnik in Webers Untersuchung ist (vgl. Tab. 3), entwickelte sich eine Diskussion um die Vor- und Nachteile des Konter- beziehungsweise Topspinmodells im Rahmen der Tischtennisausbildung von Kindern. Hier bezogen die beiden Referenten durchaus unterschiedliche Positionen. DTTB-Coach Georg Imhof machte sich für das Kontermodell stark und lehnte sich damit an das chinesische Ausbildungssystem an. In China gehe es, so Imhof, maßgeblich darum, dass Übende lernen, den Ball möglichst früh, also in der aufsteigenden Phase der Ballflugkurve, zu treffen. Deswegen werde in China in der Anfängerausbildung ausschließlich beziehungsweise überwiegend gekontert; der Umstieg auf Spin wird erst zu einem späteren Zeitpunkt vorgenommen. Mehrere Seminarteilnehmer, die in China geboren wurden und dort das Tischtennisspiel erlernt haben, bestätigten, dass dieser Umstieg vom Konterball auf den Topspin im Allgemeinen keine großen Probleme bereitet und rasch vollzogen wird. Imhof argumentierte, dass der Konterball es Anfängern wesentlich leichter mache, den Ball früh zu treffen.

Beim Topspin ist die Verlockung, den Ball später zu treffen, größer - oftmals besteht auch die Neigung, den Ball fallen zu lassen, um ihn besser anreißen zu können. Die geringe Körpergröße der Kinder fördere die Aufwärtsbewegung beim Schlagen zusätzlich. Auch bestehe die, Gefahr, dass Kinder eine besondere Schlägerhaltung ausbilden, die das Anreiße des Balles erleichtert. Mit dem Konterball ist es zudem einfacher, so Imhof, im Zuge des Ausbildungsprozesses das Tempo des Balles zu erhöhen. Schließlich dürfe nicht vergessen werden, dass es durchaus Sinn macht, den Ball hier und da pressen (und damit variieren) oder gegen Abwehrspieler wirklich hart schlagen (schießen) zu können. DTTB-Interface Oliver Weber will dagegen im Zeitalter von Kick & Spin, dass das Kontermodell überdacht wird. Er gab zu bedenken, dass man in Deutschland weniger Zeit zur Ausbildung von Kindern aufbringen kann als in China. Er argumentierte, dass - auch wenn in China das Kontermodell favorisiert werde - die Kinder eines bestimmten Alters dort trotzdem immer noch mehr Zeit auf den Topspin verwenden könnten als Kinder in Europa. Weber schwebt dabei nicht unbedingt ein kategorisches Modell vor, bei dem Anfänger mit Topspin auf Topspin beginnen. Seines Erachtens mache es alternativ Sinn, „Mischtechniken" zu forcieren, wie dies seit geraumer Zeit im Hessischen Tischtennis-Verband gemacht wird. Dort existiert die Vorstellung, durchaus mit dem Konterball zu beginnen, aber schon von Anfang an beim Kontern mit Press- und Spipvarianten zu arbeiten. Weber verwies darauf, dass sich in seiner Studie unter den insgesamt 531 gezählten Blockbällen kaum echte Pressbälle identifizieren ließen. Fast ausnahmslos handelte es sich um Spin- blocks.

Von Ost nach West Neben dem Blick nach China stand am Ende des Seminars ein vergleichender Blick in Richtung Frankreich auf dem Programm. Im Hinblick auf das zentralistische System der Nachbarn im Westen hob Georg Imhof vor allem die hohe Zahl an Trainingseinheiten hervor, die die dortigen Nachwuchsspieler am Nationalen Instituts für Sport und Körpererziehung (INSEP) Woche für Woche in Anspruch nehmen können. Nach Imhof gehen diese Athleten in Paris pro Tag lediglich 3 Stunden zur Schule und können dienstags und donnerstags sogar dreimal trainieren, so dass am Ende der Woche insgesamt 12 Trainingseinheiten zu Buche stehen.

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Einen interessanten Brückenschlag vollzog der Jungen-Nationaltrainer zwischen den Ausbildungssystemen in China und Deutschland: Die für das chinesische System typische Einzelbetreuung eines Spielers durch einen eigenen Trainer sieht der DTTB-Coach aktuell auch im Hinblick auf jedes Mitglied der Männernationalmannschaft verwirklicht. Nicht immer ist es - oder war es - ein „Vater-SohnTandem" - immer aber wurde ein Erfolg versprechender Nachwuchsspieler durch eine kompetente und hoch motivierte Trainerpersönlichkeit über einen signifikanten Ausbildungsabschnitt hinweg eng begleitet. Eine solche Persönlichkeit wünschte sich Imhof abschließend für jeden Verein; ideal wäre es, wenn sich in Deutschland in jedem Tischtennisverein solch ein Trainer um eine kleine Gruppe der talentiertesten Kinder kümmern könnte.

KONSEQUENZEN FÜR DIE TRAININGSPRAXIS

Bereich Aufschlag  Platzierungen, v.a. parallel und lang  Rotationen, v.a. Unterschnitt  unterschiedliche Wurfhöhen  unterschiedliche Positionen am Tisch  Rückhandaufschlag  Verbindung mit erstem Ball  Verschleierung / Täuschungsbewegungen

Bereich Rückschlag  Flip  Rückschlag mit Handgelenk steuern - nicht abprallen lassen (mit oder gegen die ankommende Rotation)  früher Balltreffpunkt (Zeitdruck aufbauen auch bei kurzen und langen Schupfbällen)  Verbindung mit erstem Ball  Auswahl: Vorhand oder Rückhand?

Bereich Beinarbeit  Vor-rück-vor-Beinarbeit  Beidbeinigkeit/ Balance (Körperschwerpunkt stets über den Beinen)  schnelles Lösen der Füße vom Boden

Bereich Technik allgemein  kurze Bewegungslängen am/ über dem Tisch  längere Bewegungen tischfern  Einsatz Handgelenk und Unterarm  Timing  Körpereinsatz  Balltreffpunkt  Entwicklung zum Punktgewinn

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Asiatisches und europäisches Damentischtennis - ein Vergleich von Ge Xin'ai / Weltmeisterin DE 1979 - Tischtennis Aktuell 12 - 96

Aufgrund meiner früheren Tätigkeit als Spielerin und nunmehr 16 Jahren als Trainerin in China, Nordkorea und Ägypten glaube ich, einigermaßen genau den Status des Damenwelttischtennis zu kennen. Vor diesem Hintergrund ist die folgende Analyse zu sehen.

Status des Damenwelttischtennis um 10 Mal an Chinesinnen, zweimal an eine Nord- und einmal an eine Südkoreanerin. Während in der gleichen Zeit die europäischen Männer mehrmals Mannschafts-, Einzel- und Doppeltitel gewannen, konnten die Damen über 25 Jahre hinweg nicht einmal ein Finale erreichen, das beste Einzelresultat war ein 3. Platz. Dies ist ein weiterer Beleg für die Überlegenheit des asiatischen Damentischtennis.

In der 4. Ausgabe der Weltrangliste der ITTF von 1996 sind unter den ersten 20 Spielerinnen 16 Asiatinnen vertreten. Davon sind 15 chinesischer Abstammung, obwohl sie z.T. für andere Länder spielen, eine Spielerin kommt aus Südkorea, und nur 4 Europäerinnen sind notiert. Es sind dies auf Nr. 13 Nicole Struse, die deutsche Europameisterin, auf Nr. 15 Bettine Vriesekoop aus den Niederlanden, an 17. Stelle Batorfi (Ungarn) und auf Rang 20 Badescu (Rumänien) - keine befindet sich also unter den ersten 10. Die Europameisterin von 1994 Marie Svensson aus Schweden nimmt sogar nur Position 38 ein. Bei den 43. Weltmeisterschaften waren alte und junge chinesische Spielerinnen im Achtelfinale bis auf die zwei Europäerinnen Batorfi und Struse unter sich; Platz 1 bis 4 machten die Chinesinnen untereinander aus. Die Schlußfolgerung: die Asiatinnen dominieren eindeutig mit den Chinesinnen an der Spitze. Dennoch haben sich die europäischen Spielerinnen im letzten Jahr gut entwickelt, sind aber noch mit wenigen Ausnahmen weit vom Niveau der Asiatinnen entfernt.

Betrachten wir uns einmal die Statistik der Weltmeisterschaften bei den Damen im Mannschafts- sowie im Einzel- wettbewerb der letzten 25 Jahre von 1971 bis 1995, so gab es in diesem Zeitraum 13 Turniere, die im Teamwettbewerb alle von den Asiatinnen dominiert wurden, einmal von den Japanerinnen, einmal von Südkorea, einmal von einer gemeinsamen Mannschaft aus Süd- und Nordkorea und insgesamt 10 Mal von der chinesischen Damennationalmannschaft. Der Einzeltitel ging auch immer nach Asien, wieder

Asiatischer und europäischer Stil

In der Folge soll versucht werden zu analysieren, wie die oben beschriebene Situation eintreten konnte. l. Der Stil der asiatischen Damen Seit etwa 20 Jahren bewegt sich der Damensport insgesamt in folgende Richtung: aktiveres Spiel, Allroundspiel, viel Variation bei der Technik. Wie unterschiedlich auch das Spielsystem aussehen mag, es basiert auf einer Kombination von Geschwindigkeit und Spin. Die asiatischen Spielerinnen legen mehr Wert auf einen harten Angriffsschlag, am besten vielleicht gezeigt von der zweifachen koreanischen Weltmeisterin Pak Yung Sun Mitte der 70er Jahre als Penholderspielerin, oder den harten Angriff in Verbindung mit Spinschlägen, wie er in den 80er Jahren mit Penholder von der mehrfachen Weltmeisterin Cao Yanhua oder in den 90ern mit Shakehand von Deng Yaping oder Ciao Hong demon- striert wurde und wird.

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Der genannte direkte Angriff verbunden mit Spinschlägen ist heutzutage die meistgespielte Variante im asiatischen Damentischtennis, obwohl man in der Vergangenheit auch großartige Erfolge mit Abwehrspielerinnen hatte, die mit Zwischenschlägen und festen Schüssen zu stören wußten. Ich selbst war eine Vertreterin dieses Systems, wie auch die frühere Weltmeisterin Tong Ling, die noch vielen Tschtennisfreunden bekannt sein dürfte, weil sie in Deutschland gespielt hat. Allerdings gibt es in neuerer Zeit keine Abwehrspielerin, die sich hätte durchsetzen können. ll. Der Stil der europäischen Damen A. Spielerinnen, die mit großem Tempo und gelegentlichem Spin spielen. Sie können in der aktiven Phase sowohl mit Vor- als auch mit Rückhand hart attackieren. Zu nennen seien die Europameisterinnen Vriesekoop aus Holland und die Russin Popova. B. Spinspielerinnen, die sofort nach dem Aufschlag mit Spin anfangen und sich meist so bewegen, das sie mit Vorhand zum Zug kommen. In der aktiven Phase sind sie relativ nahe am Tisch; in die Passivität gedrängt, orientieren sie sich zur Tischmitte, um beidseitig blocken zu können. Europameisterinnen wurden mit diesem System die Bulgarin Guergelcheva und die Ungarin Batorfi, die jedoch wegen Schwächen auf der Rückhandseite die Asiatinnen kaum gefährden konnten. C. Spielerinnen mit hauptsächlich direktem schnellem Angriff. Dieses Spiel, das dem der meisten Asiatinnen am nächsten kommt, stützt sich auf direkten Angriff in unmittelbarer Tischnähe; die Spielerinnen benutzen z.T. auch Noppen-außen-Beläge. Erfolgreich in Europa sind damit die Rumäninnen, aus deren Schule ja auch die Deutsche Olga Nemes stammt. D. Abwehrspielerinnen. Schnittabwehr in Verbindung mit Angriffsschlägen wird erfolgreich von einigen russischen und englischen Spielerinnen eingesetzt.

Die meisten Europäerinnen spielten bisher nach dem System A., mit dem man auch gelegentliche Erfolge gegen die Asiatinnen erzielen konnte wie z.B. bei der Olympiade in Seoul, wo die beiden besten Südkoreanerinnen gegen europäische Spitzenspielerinnen unterlagen. Auch die unter B. aufgeführten Spinspielerinnen sind auf dem Vormarsch, doch ist die Lücke zu der Spitze Asiens so schnell noch nicht zu schließen.

Warum sind die asiatischen Spielerinnen besser? Für die 70er Jahre konnte man sagen, das das System mit direktem schnellem Angriff dem europäischen Spiel mit mehr Spinbällen überlegen war. Aber wie man in letzter Zeit sehen konnte, waren die Herren aus Europa mit beidseitigem Spinangriff äußerst erfolgreich und gewannen mehrere Titel bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen. Da sich die Damen in ihrer Spielweise sehr den Herren angenähert haben, kann es keine Frage des Stils (=Spielsystem) sein, warum sie immer noch generell den Asiatinnen unterlegen sind - es muss dafür andere Gründe geben, die ich nun versuchen möchte zu erläutern:

1. Die unterschiedliche Anwendung von Techniken sorgt für verschiedenartige Ausprägungen des Spiels. Mittlerweile hat das Welttischtennis ein unheimlich hohes Niveau erreicht: die Geschwindigkeit wird immer höher, der Spin stärker und stärker, das variable Spiel nimmt immer mehr zu. Die Niveauunterschiede zwischen den einzelnen Nationen werden immer geringer, und wenn man im Welttischtennis vorne mitspielen will, braucht man ein auf hervorragender Technik aufgebautes SPIELSYSTEM, wobei mir bekannt ist, das die Verantwortlichen für die Damen im chinesischen Team größte Aufmerksamkeit darauf legen, eine hervorragende Technik zu entwickeln, da es für eine Spiele- 43

rin, die mit schnellem hartem Angriff zum Erfolg kommen will, notwendig ist, aktiv und aggressiv, schnell und beweglich zu sein.

Um ein aktives positives Denken zu erreichen, weisen die Trainer die Spielerinnen immer wieder an zu attackieren, bevor dies der Gegner tut. Wenn man den ersten Ball nicht angreifen kann, gibt man ihn einmal kontrolliert zurück, um dann sofort den Angriff zu starten. Wichtig ist es hierbei nicht nur, als erste anzugreifen, sondern auch mit großer Härte anzugreifen und selbst die aktivere Spielerin am Tisch zu sein. Muss eine Entscheidung zwischen Geschwindigkeit oder Spin getroffen werden, geben die Chinesinnen der Geschwindigkeit den Vorzug. Dies, weil sie der Auffassung sind, das sie die Europäerinnen in erster Linie mit ihrem hohen Tempo schlagen können, indem sie o den Ball ganz früh treffen, o Handgelenk- und Fingereinsatz nutzen, o mehr Zeit im Training darauf verwenden, die „kleinen" Punkte zu trainieren, o den Angriff zuerst zu eröffnen, „mit dem dritten Ball" anzufangen.

Andere asiatische Länder folgten dem chinesischen Stil der Technik, manchmal sogar noch aktiver als die Chinesinnen selbst. So erklären sich die Erfolge der Südkoreanerin Hyun Jung Hwa, der Weltmeisterin von 1993, die, wo nur die geringste Chance ist, sofort attackiert und nie abwartet (dabei helfen ihr eine hervorragende Beinarbeit und entsprechende geistige Beweglichkeit) oder auch der Nordkoreanerin Li Bun Hui, deren Rückhand noch härter ist als die der Chinesinnen. Die Nordkoreanerinnen legen noch mehr Wert auf die Beinarbeit, um dadurch noch früher und leichter zum Angriff zu kommen. Zu meiner Zeit als Spielerin und Trainerin in China trainierten die Spieler intensiver ihren Aufschlag und den Angriff nach dem Service. In jeder Trainingseinheit wurde an der Eröffnung des Angriffs nach dem Aufschlag gearbeitet, und es wurden Matches gespielt. Den gleichen Trainingsaufbau hatte man, als ich als Trainerin in Nordkorea arbeitete.

Die augenblicklich besten chinesischen Spielerinnen Deng Yaping und Qiao Hong verfügen über einen außerordentlich guten Aufschlag, weshalb sie immer wieder sofort nach dem Aufschlag zum Schuß oder einem harten gut plazierten Spinball kommen. So zeigen sie sich auch bei engen Spielständen immer wieder überlegen.

Wenn ich mich an meine Zeit als Spielerin erinnere, so hatte ich nie Angst vor dem Service der Europäerinnen oder ihren Spinbällen danach, weil diese nur wenige Aufschläge hatten und diese immer gleich kamen und darüberhinaus ihre Möglichkeiten beim Spinspiel einigermaßen eingeschränkt waren. Die Europäerinnen sind zwischenzeitlich sicherlich um einiges besser geworden, sie setzen ihren Aufschlag und den Angriff danach viel bewußter ein. In den schweren Wettkämpfen kommen sie aber selten zu ihrem starken Eröffnungsspin, weil ihr Aufschlag oft immer noch nicht gut genug ist, um danach mit druckvollem Spin anzufangen. Mir scheint es so, das bei den Europäerinnen im Training in erster Linie Spin und der Rückschlag erarbeitet werden. Dem Üben von Aufschlag und 3. Ball wird möglicherweise etwas zu wenig Zeit gewidmet. Allerdings habe ich keine genauen Kenntnisse über die Trainingspläne und -inhalte der europäischen Spitzenspielerinnen.

Beobachtet man ein Match zwischen europäischen Spitzenspielerinnen, hat man oft das Gefühl, das es auf einem sehr hohen Standard abläuft. Sie sind stark beim Rückschlag, können nahe am Tisch agieren und genau so gut weit weg, sie übernehmen den Gegenangriff, blocken auf einer Seite und antworten mit Spin oder Gegenspin auf der anderen. Dies alles sieht relativ gut aus. Aber wenn sie gegen asiatische Spielerinnen, insbesondere Chinesinnen antreten müssen, gibt es selten diese schönen Ballwechsel, da die Europäerinnen nicht mit dem asiatischen Tempospiel zurechtkommen, und deshalb keine Chance haben, ihre technischen Stärken auszuspielen - und deshalb meist verlieren.

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Bei den Olympischen Spielen in Barcelona sahen viele Spieler und Trainer sich die Begegnung zwischen Deutschland und Rumänien an und fanden das Spiel sehr gut. Der chinesische Trainer Zhang Xie Lin, mit dem ich zusammen saß, meinte, das nach seinem Urteil dies das beste Spiel der Olympiade gewesen sei. Aber zuguterletzt erzielte weder die eine noch die andere Spielerin ein gutes Resultat!

Folglich muss nach meiner Meinung das Training der europäischen Damen  mehr auf Service und Spin nach dem Service,  aktives Spiel auch über dem Tisch ausgerichtet werden, damit die Chance besteht, als erste den Angriff zu eröffnen. Die europäischen Herren bieten dafür das beste Beispiel.

Wir alle wissen, das die chinesischen Herren, so lange sie das Welttischtennis dominierten, ihre Stärken hatten im Spiel über dem Tisch, ihrer Schnelligkeit und ihrer Geschicklichkeit. Infolgedessen hatten sie einen guten Aufschlag und eine genauso gute Aufschlagannahme, einen schnellen Angriff direkt am Tisch und große Flexibilität. All dies verhalf den Chinesen zu einem beträchtlichen Abstand gegenüber den Europäern, obwohl diese auch schon damals über gute Techniken verfügten, die sie aber nicht „an den Mann" bringen konnten.

Mit Beginn der 80er Jahre hatten die Europäer ihre Defizite erkannt und versuchten auf unterschiedliche Art und Weise, ihre Schwachstellen abzubauen. Plötzlich hatte man viele hervorragende Spieler in Europa wie: Waldner, Persson, Grubba, Primorac, Roßkopf, Gatien, Saive, u.a. Über dem Tisch waren sie so gut wie die Chinesen, aber sie waren besser aus der Distanz und konnten beidseitig harte Spinbälle spielen. So konnten die Chinesen ihre Stärke bei den ersten drei Bällen nicht mehr ausspielen, und wenn sie vom Tisch gedrängt wurden, kamen sie in Schwierigkeiten. Dieser Spielweise sollten die Frauen versuchen nachzueifern.

2. Die europäischen Damen sollten sich verstärkt mit den unterschiedlichen Möglichkeiten Tischtennis zu spielen auseinandersetzen.

Bekanntlich gibt es verschiedene Spielweisen und unterschiedliche Spielertypen: schneller Angriff, Spinspiel, Penholder- oder Shakehandhaltung, Rechts- oder Linkshänder. Auch bei gleicher Spielanlage muss jede Spielerin einen eigenen Spielcharakter entwickeln. Hierbei gibt es für die Frauen mehr erfolgversprechende Möglichkeiten als für die Männer.

Beispielsweise seien angeführt die Angriffsspielerinnen mit langen Noppen nach außen wie die Chinesin Chen Zihe oder Chai Po Wa aus Hongkong. Diese Art zu spielen ist bei den Männern schon seit vielen Jahren nicht mehr mit Erfolg gekrönt. Auch bei gleicher Spielweise agieren einige Spielerinnen knallhart mit Noppen, andere überzeugen durch ihre Sicherheit, einige spielen hauptsächlich mit Spin, andere in erster Linie mit Tempo, manche plazieren sehr gut. Wenn man gute Resultate erzielen will, muss man sich die Fähigkeit erarbeiten, mit all diesen Spielweisen umzugehen, d.h. sie entweder selbst zu beherrschen oder zumindest dagegen bestehen zu können. Man muss etwas mehr Allroundveranlagung mitbringen und nicht meinen, mit nur einer Spielweise auskommen zu können.

In dieser Hinsicht sind die Asiatinnen den Europäerinnen weit überlegen. Spezielle Gegebenheiten in China verstärken diese Überlegenheit. In China gibt es eine Unmenge von Tischtennisspielern. Jede Provinz und jede Großstadt haben ein professionelles Team, dem mehr als 20 Spieler angehören, viele

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mit internationaler Erfahrung. Will man aus der Masse dieser beileibe schon sehr guten Spieler und Spielerinnen herausragen, müssen sich sowohl Spieler als auch Trainer Gedanken machen, eine Fähigkeit auszuwählen und zu trainieren, die jemanden einzigartig macht: o es muss etwas sein, was die anderen nicht oder bei weitem nicht so gut beherrschen. Deshalb erscheinen immer wieder neue Nachwuchsspielerinnen und -spieler in der Tischtenniswelt, die über richtiggehende Stärken und spezielle Charakteristiken verfügen. o Nur so erreichen sie die besten Resultate auf chinesischem Niveau und sind prädestiniert, auch eine Überlegenheit auf Weltniveau auszuspielen. Es gibt genügend, die im ersten Jahr ihres Erscheinens auf der Weltbühne auch gleich Weltmeisterinnen geworden sind.

In China repräsentieren die Spielerinnen im Nationalteam viele Spielweisen, weil die chinesische Tischtennispolitik „100 Blumen zum Blühen" verhelfen will. In den chinesischen Nationalteams müssen alle Ausprägungen des Spiels vertreten sein. Was immer es in irgendeiner anderen Nation als erfolgreichen Spielertyp gibt, den haben wir auch. Insbesondere Spielertypen, die man in anderen Ländern nicht antrifft, werden in den chinesischen Nationalkader aufgenommen, aber auch Spieler, die sehr gute ausländische Sportler imitieren.

Gibt es keine passende Spielerin, wird einfach ein dementsprechender männlicher Trainingspartner für das Damenteam genommen. So läßt sich behaupten, das die chinesische Damennationalmannschaft eine kleine Tischtenniswelt für sich ist. Da die besten Spielerinnen im Training mit allen Ausprägungen des Spiels konfrontiert werden und im Umgang damit geschult sind, fürchten die Chinesinnen bei internationalen Wettbewerben keinerlei Spielsystem. Dies kenne ich auch aus meiner Zeit, denn ich hatte anfangs mit Schnittabwehrspielerinnen durchaus meine Probleme. Da es jedoch zu dieser Zeit in der Welt viele gute Spielerinnen mit diesem System gab, musste ich im Training ständig gegen Abwehr ran und hatte Gegnerinnen im Team, die den weltbesten Sportlerinnen aus den anderen Ländern überhaupt nicht oder kaum nachstanden. So war es nicht besonders wunderlich, das ich bei der WM 1979 in Pjöngjang gegen alle gewann und somit den Einzeltitel erringen konnte.

Auch das Damenteam aus Nordkorea wurde auf ähnliche Art und Weise geschult. Als ich bei der WM vier Jahre vor meinem Titelgewinn schon gut spielte, lag es im Interesse von Nordkorea mich zu schlagen. Sie suchten sich einen männlichen Spieler, der sein System verändern und meinen Stil kopieren musste - kein Wunder, das dann die Nordkoreanerin Pak Yong Sun am besten gegen mich zurechtkam und zwei Titel in Folge gewann. Zu meiner Zeit als Trainerin in Nordkorea hatten wir dann auch einen männlichen Trainingspartner, der dafür da war, die chinesischen und südkoreanischen Angreiferinnen, die mit hohem Tempo agierten, zu imitieren, so das für Nordkorea das gleiche gelten kann wie für China, nämlich das man aufgrund der Trainingserfahrungen mit allen europäischen und asiatischen Spielsystemen vertraut ist und daher keinen offensichtlichen Schwachpunkt hat.

Ganz anders sieht dies bei den Europäerinnen aus. Meist treffen sie im Training nur auf ein oder zwei Spielsysteme und sind gegen diese natürlich stark - gegen alle anderen Spielsysteme offenbaren sie aber deutliche Schwächen. Die Folge ist, das die asiatischen Mannschaften, allen voran die Chinesinnen und Koreanerinnen, bei Mannschaftswettbewerben eine größere Auswahl haben, wen sie gegen die starken Europäerinnen aufbieten, und das im Einzel europäische Topspielerinnen es bei optimaler Konzentration zwar schaffen, 2 oder 3 Spitzenspielerinnen zu schlagen, aber nie gegen alle gewinnen können, was aber nun mal nötig ist, will man einen Einzeltitel erringen. Wenn in der Vergangenheit schwedische, ungarische oder russische Abwehrspielerinnen in der Lage waren, gegen asiatische Angreiferinnen zu gewinnen, so stellte man ihnen in der Mannschaft bevorzugt Abwehrspielerinnen mit langen Noppen entgegen und hatte immer das bessere Ende für sich. Betrachtet man die europäische Szene genauer, so kann man feststellen, das immer noch, obwohl dies schon besser geworden ist, viele der guten Europäerinnen Schwächen gegen Abwehr haben, sonst hätten nicht die biederen russischen Abwehrspielerinnen noch vor 2 Jahren den Mannschaftstitel in Europa holen können. Ein gutes Beispiel für die europäischen Defizite bot in Barcelona die Holländerin Vriesekoop, immerhin zweimalige Europameisterin im Einzel, die - mit den europäischen Systemen bestens vertraut - gegen einige gute Spielerinnen vom alten Kontinent gewann, dann aber gegen die Südkoreanerin Hyun Jung Hwa verlor, weil sie nicht wußte, was sie gegen eine Penholderspielerin mit schnellem Angriff machen sollte. Aus dem gleichen Grund verlor Deutschlands Struse bei der WM ein Jahr später nach einem grandiosen Sieg gegen eine Nordkoreanerin relativ deutlich gegen die Chinesin Gao Jun.

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Das gleiche Problem hatten Europas Herren, vor allem die auf dem Kontinent dominierenden Schweden. Vor der WM 1989 in Dortmund hatten sie wenig Möglichkeiten, gegen schnelle asiatische Angreifer mit meist Penholderschlägerhaltung und Noppen nach außen zu trainieren.

Als dann immer mehr chinesische Spieler nach Europa kamen und man auch zum Training nach Asien fahren konnte, war man mit deren Spielweisen vertraut und konnte in der Folge bei den WM mehrfach sowohl den Einzel- als auch den Mannschaftstitel erringen. Daraus scheint man bei der ETTU gelernt zu haben, denn man zieht jetzt auch die besten Damen zu gemeinsamen Trainingscamps zusammen und lädt dazu Chinesinnen ein, die hart mit Penholder angreifen, mit langen Noppen spielen, die Schnittabwehr beherrschen oder Linkshänderinnen sind. Es steht zu erwarten, das, wenn man an diesen Maßnahmen konsequent festhält und sie vielleicht noch ausbaut, die Europäerinnen immer besser mit den asiatischen Systemen zurechtkommen und hoffentlich in absehbarer Zeit ähnlich stark sein werden.

3. Vergleich der im Spiel gezeigten mentalen Qualitäten

Gute mentale Qualitäten kann man meines Erachtens dann bescheinigen, wenn man es schafft, o in wichtigen Spielen klar im Kopf zu sein und o mutig die richtige Taktik wählt, so das man ganz nahe an seinem Limit spielt.

Bei hoher Führung oder hohem Rückstand können alle gut spielen. Die mental starke Spielerin zeigt sich auch darin, o das sie Sieg oder Niederlage schnell verarbeiten kann, und bald darauf wieder in der Lage ist, voll konzentriert ins nächste Match zu gehen.

Mittlerweile ist das Niveau in der Weltspitze des Damentischtennis sehr hoch, die Unterschiede zwischen den Spielerinnen sind nur noch minimal, die Wettkampfergebnisse werden immer enger, so das es zum Gewinnen nicht mehr ausreicht, nur eine gute Technik zu haben, o man darüberhinaus zusätzlich mental absolut fit sein muss, um bei engen Spielständen die Übersicht zu behalten.

Bekanntermaßen schneiden die asiatischen Damen auf Weltebene ständig besser ab als die Europäerinnen. Betrachtet man aber einmal Spielergebnisse aus jüngster Zeit, z.B Tang Fei Ming - Struse bei der letzten WM 19, 16, - 20, - 21, 22, so wurden einige Spiele nur nach ganz hartem Kampf gewonnen – o der eisenharte Wille, die letzten beiden Punkte zu machen, gab den Ausschlag. Genauso gibt es genügend Beispiele, wo asiatische Spielerinnen am Anfang hoffnungslos zurücklagen oder im Entscheidungssatz einen hohen Rückstand hatten (Badescu führte ´93 bei der WM im Halbfinale 18:12 gegen Hyun Hjung Hwa, verlor aber 22:20) und dennoch das Spiel noch drehen konnten, dies nach meiner Auffassung in erster Linie aufgrund der größeren Willenskraft und nicht wegen der besseren Technik.

Eine weitere Beobachtung, die ich gemacht zu haben glaube, ist diejenige, das vielen Europäerinnen einiges an Kampfgeist fehlt, das sie, wenn sie gegen Asiatinnen hinten liegen, leicht dazu neigen zu resignieren und aufzugeben anstatt zurückzufighten, was man von den Männern ganz und gar nicht sagen kann. Zuweilen scheint das Vertrauen in die eigene Leistung nicht vorhanden zu sein, ganz im Gegensatz zu den Asiatinnen wie das Beispiel der chinesischen Damenmannschaft, die nach 20 erfolgreichen Jahren den Mannschaftsweltmeistertitel 1991 an das vereinigte koreanische Team verlor und prompt den Schatten der Niederlage abstreifte und Einzel- sowie Doppeltitel gewann, beweist. 47

Natürlich gibt es einige Gründe, warum vor allem die Chinesen kämpferisch und mental stärker sind. Sie hängen hauptsächlich mit der Erziehung und dem sozialen Umfeld zusammen.

Die chinesischen Sportlerinnen und Sportler sehen eine ganz große Auszeichnung darin, für ihr Land anzutreten, sind daher besonders ehrgeizig und mutig und handeln äußerst verantwortlich. Im Spiel sind sie ganz ruhig und denken nur an ihre Taktik. Wenn man schon während des Wettkampfes damit beschäftigt ist, was danach bei Sieg oder Niederlage an Konsequenzen auf einen zukommt, macht einem das die Hand weich, und man weicht allzu oft von seiner taktischen Marschroute ab. Ein anderer Grund liegt in der Vielzahl guter Spieler/innen in China. Nicht viele haben die Chance international zu spielen, und nur ganz wenige können bei Weltmeisterschaften oder Olympischen Spielen an den Start gehen. Da dies natürlich auch mit einem immensen sozialen Aufstieg verbunden ist, tun die Sportler alles für ihre Chance, müssen sie doch davon ausgehen, das sie bei Niederlagen relativ schnell durch jemand anderes ersetzt werden - das Reservoir ist nun mal unerschöpflich.

Ganz anders sieht dies in Europa aus, wo die meisten Nationen nur eine oder zwei gute Spielerinnen oder Spieler haben, und diese dann selbst bei einer länger anhaltenden Niederlagenserie immer wieder nominiert werden, da der leistungsmäßige Abstand zu den nachfolgenden Akteuren viel zu groß ist. Somit fehlt irgendwo der letzte Anreiz, der Druck sich verbessern, gewinnen zu müssen. Auf die Frauen bezogen müssen die europäischen Länder den Standard unbedingt anheben, um mindestens 4 Spitzenspielerinnen zu haben, so das Konkurrenz da ist, die - wie man sagt - „das Geschäft belebt".

4. Die asiatischen Damen trainieren länger und intensiver als ihre europäische Konkurrenz. Dies gilt für China genau so wie für Korea oder Japan. Mehr als 6 Stunden tägliches Training sind an der Tagesordnung: jeweils mehr als 3 Stunden morgens sowie am Nachmittag. Die Spielerinnen im Natio- nalteam und sogar in den Provinzauswahlen arrangieren oft noch zusätzliches Training für sich außerhalb der offiziellen Trainingszeiten; bei der Vorbereitung auf Weltmeisterschaften zieht man sich immer für lange Zeit in abgeschiedene Trainingscamps zurück, weit weg von Verwandten und Freunden.

Es gibt keine Ablenkung, das Leben in den Camps ist hart und ermüdend, aber die meisten Spielerinnen halten strenge Disziplin und ziehen den Trainingsplan durch. Die besten wie Deng Yaping und Qiao Hong sind absolute Vorbilder, die immer voll konzentriert trainieren und darüberhinaus noch Extraeinheiten absolvieren, kein Wunder, das ihre Techniken am besten entwickelt sind. In diesem Bereich hat Europa einen großen Nachholbedarf, schließlich kann man doch nicht annehmen, das man mit ständig weniger Training den Vorsprung Asiens ernsthaft minimieren kann…

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10 Ein paar Tage Beijing – Reisebericht v. P. Luthardt – TTL 04-2007

Der Eingang der renommierten Shi Cha Hai Sports School, die schon viele Weltmeister und Olym- piasieger hervorgebracht hat, ist imposant, das Gelände sehr groß und über einen Wachtposten zu betreten. Ich habe die Möglichkeit bekommen, bei einem der 10 besten Tischtennistrainer Chinas, Zhen Jiuxiang, ein paar Tage zu hospitieren.

Ich muss mich zunächst bei einem "Officer" anmelden und werde dann in die große Tischtennishalle begleitet und dem Trainer vorgestellt, der allerdings über mein Kommen schon informiert war. Es wird mir mitgeteilt, dass es nicht erlaubt ist, Fotos zu schießen. Ich dürfte aber, wenn Zhen Zeit hat, über diverse Dinge mit ihm diskutieren. Das "Gespräch" läuft also trotz Anwesenheit des Trainers zunächst über den Officer, obwohl auch Zhen Jiuxiang11 englisch sprechen kann.

In der Halle stehen 30 Tische im Abstand von ca. 1,5 bis 2 m. 24 Kinder zwischen 7 und 13 Jahren werden in der Vormittagsgruppe täglich außer Sonntags von 8.30 Uhr bis 11.15 Uhr trainiert. Mit dabei im Training sind neben dem Cheftrainer 1 Co-Trainer sowie 2 Co-Trainerinnen. Von den Kindern spielen 2 mit der Penholder-Griffhaltung, 22 spielen Shakehand. Zhen ist der Überzeugung, dass die Shakehand-Griffhaltung vorteilhafter ist. 2 Linkshänder gehören zur Gruppe. Ein Mädchen der Gruppe ist Defensivspielerin, alle anderen Kinder haben eine offensive Spielanlage. Im Aufwärmprogramm - zugegeben, das haben wir doch erwartet - herrscht schon große Disziplin. Allein die Tatsache, dass die Kinder dabei beim langsamen "Einlaufen" streng hintereinander statt z.T. oder in Horden - wie wir es kennen (so lässt sich ja auch besser "quatschen") - nebeneinander laufen, macht Eindruck. Die ersten gemeinsamen Anfeuerungsrufe (im Chor) werden dabei schon laut. Aber dazu später mehr. Lockerungsübungen der Arme und insbesondere Handgelenke und Fußgelenke werden in das Laufprogramm eingebaut. Tappings am Tisch gehören ebenfalls zum Programm, können aber durchaus auch am Ende des Trai- nings auftauchen.

Zhen selbst kümmert sich intensiv um die jüngsten Spieler, eine Gruppe von acht 7-8jährigen. Diese haben ein Spielniveau, dass sie hierzulande ganz locker in die Endranglisten der Landesverbände bringen würde. Der Schlagansatz ist extrem hoch. Blockvarianten gehören dabei nahezu nicht zum Repertoire der Kleinen. Jeder Topspin wird mit Gegentopspin beantwortet, Rückhand wie Vorhand. Jedes der Kinder

10 (B-Lizenz) ist in Münster als Trainer tätig. Er coacht z. Z. sowohl die Damen-Regionalliga-Mannschaft als auch das Herren-Oberligateam von Borussia Münster sowie im Jugendbereich 10 Teams seines Stadtteilvereins 1. FC Gievenbeck. Er ist Leiter des Kreisstützpunktes Münster und für den WTTV als Lehrreferent in der Trainerausbildung tätig. Neben den aktuellen Publikationen sind von ihm bereits u.a. Themen wie Psychologie im TT-Training sowie spezielle Aufwärmprogramme in verschiedenen Zeitschriften publiziert worden. 11 So sagt die Website der Shi Cha Hai Sports School über ihn: Mr. Zhen Jiuxiang - Being the Top Ten Nation Coach selected through by CTTA (China TableTennis Association) in 2001, he has enga ged in coaching career for 30 years, he was once the national coach of Nepal during 1987 to 1989, and has been invited to coach and exchange in Taiwan, Austria and other countries.

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hat einen excellenten Aufschlag. Später merkte ich, wieso! An diesem Trainingstag wurden in der zweiten Trainingshälfte etwa 10 Balleimer aufgestellt. Je 2 Kinder teilten sich einen Eimer und schlugen von dieser Seite auf, .... 1,5 Stunden lang! Währenddessen wurden sie permanent von allen Trainern beobachtet und konsequent korrigiert.

Auf meine erstaunte Rückfrage meinte Zhen, in Europa würde viel zu wenig Aufschlag trainiert. Originalton Zhen: "Da sagt der Trainer ab und zu, so, jetzt übt mal Aufschlag für 20 Minuten, und geht dann erstmal eine rauchen." Und weiter schüttelt Zhen den Kopf. Neulich habe er eine Gruppe von älteren Jugendlichen aus Europa und Australien zu Besuch gehabt. Alle hätten ganz gute Loops aus der Halbdistanz gespielt, auch durchaus fest. Im Wettkampf gegen seine Kleinen hätten sie allerdings keine Chance gehabt, da sie nicht dazu kamen, diese einzusetzen. Das Spiel wird über den Aufschlag diktiert. Ich weiß, bei einem bestimmten Aufschlag kann ich den Rückschlag in Dosierung und Richtung mit 90%iger Sicherheit auf einer bestimmten Fläche des Tisches erwarten. Für diese 90% trainiere ich. Sollte der Ball doch auf die 0 - 10% fallen, Pech, aber nicht wichtig.

Zhen Jiuxiang spricht viel mit seinen kleinen Athleten. Für Ihn ganz wichtig: Vor der Praxis! Entweder er holt sie ringsum an den Tisch bei Teilgruppen, oder er stellt sich an einem bestimmten Punkt der Halle auf, klatscht, und in weniger als 30 Sekunden stehen 2 Reihen à 12 Kinder vor ihm, wie die Orgelpfeifen nach Größe geordnet, versteht sich. Dann folgt die Ansage prinzipieller Dinge, die alle Kinder gleichermaßen betreffen. Er macht den Eindruck eines umgänglichen Typen, mit einer natürlichen Autorität versehen. Trotzdem gibt es Gelegenheiten, bei denen er sehr verständnisvoll und in beruhigendem Ton auf einzelne Spieler eingeht.

Ich sehe die ganzen Talente, die er um sich versammelt hat und natürlich frage ich ihn, woran er ein Talent ausmacht. Seine überraschende Antwort ist: "Am Kopf! Richtige Entscheidungen treffen zu können ist wichtiger als die richtige Technik anzuwenden. Technik kann man lernen. Spätestens nach einem halben Jahr weiß ich, ob ein Spieler auf Stadtebene, auf Landesebene oder gar nicht erfolgreich sein wird."

Keine Frage, er will in jeder Aktion der Spieler auch wirklich "Action" sehen, egal, ob Aufschlag, Rückschlag oder Eröffnung. Was ihn besonders ärgert ist, wenn Spieler beim Aufschlag senkrecht stehen und nicht schon dort  eine tiefe Grundstellung einnehmen. Und jede Aktion wird  mit viel Handgelenkeinsatz gespielt und ist  schon bei den Kleinsten in der kinematischen Kette nahezu perfekt organisiert.  Dazu kommt die ultraschnelle Beinarbeit, die ich hierzulande noch bei keinem Spieler dieser Alterstufen gesehen habe. Die erlaubt den Spielern erst, auf den "Luxus" von Blocks zu verzichten und gleich den Gegentopspin zu spielen und beliebig zu platzieren. Und das sieht dabei noch nicht mal schwierig aus... Bei allen sieht man übrigens den "Auftaktschritt" vor dem Aufschlag des Gegners.

Am letzten Tag meiner Hospitation läuft ein Turnier: Es empfängt mich - die Spiele laufen schon- ein ohrenbetäubender Lärm aus der Halle. Jeder Spieler feuert sich selbst bei jedem Punkt und vor dem Aufschlag entweder mit einem lauten Ho Ho Ho an, manche hängen noch ein He He an. Und das aus ca. 30 Kehlen ist beeindruckend.

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Nein, einen Psychologen brauchen die nicht. Ich habe in den wenigen Tagen enorm viel gelernt, werde nett verabschiedet und weiß, dass wir hierzulande diesen Grad an Disziplin nie erreichen werden. Bin mir aber auch nicht sicher, ob ich darüber wirklich traurig sein soll,... ein bisschen vielleicht. Ich weiß aber auch, dass wir in Deutschland über viele Dinge in Struktur, Organisation, Ausbildung und Training im Tischtennis - wenn wir den Mut dazu aufbringen - völlig neu nachdenken müssen.

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Ein Bericht vom Lehrgang der deutschen U15 Nationalmannschaft in China: D. STEINLE – TTL 04-05

Im Frühjahr 2005 war ich mit drei anderen Spielern der U15 Nationalmannschaft im Trainingslager in China. Zusammen mit meinen Teamkollegen Robin Malessa, Ricardo Wather, und dem Bundestrainer der Schüler, Klaus Schmittinger, sind wir in die Provinz Szechuan gereist und haben in der Hauptstadt Chengdu mit der dortigen Provinzauswahl trainiert. Chengdu ist übrigens die Heimatstadt des bekannten ehemaligen Trainers des Deutschen Tischtenniszentrums in Heidelberg, "Mr. Li". Er war vor Ort auch unser Betreuer.

Unsere Trainingsgruppe bestand aus 10-14 Spielern. Der Jüngste war 9 Jahre und der Älteste 18 Jahre alt. Eine zweite Trainingsgruppe bestand aus jüngeren und etwas weniger spielstarken Spielern. In unserer Gruppe jedoch waren nur "Profis". Konkret heißt das, dass die Spieler nicht mehr zur Schule gingen, sondern 6 Tage pro Woche 3 Trainingseinheiten pro Tag trainieren können. Nur der Sonntag war für die Spieler frei. Frei bedeutete in den meisten Fällen, dass sie morgens nach Hause gingen, um ihre Familien zu Besuchen, um abends ins Trainingszentrum zurückzukehren. Die Spieler der zweiten Gruppe besuchten unregelmässig die Schule .

Die Trainingseinheiten waren von 9:00-11:30 Uhr, von 15:00 - 18:00 Uhr und von 19:00 - 21:00 Uhr. In den Einheiten waren immer fünf bis sechs Trainer anwesend. Ablauf und Organisation des Trainings waren immer gleich. Die Spieler erschienen ausnahmslos pünktlich zum Training und stellten sich zu Beginn in einer Reihe auf. Einer der Trainer gab die Paarungen bekannt. Danach waren zwei Minuten Aufwärmen angesagt, was für unsere Verhältnisse sehr wenig war. Man hatte das Gefühl, dass sich die Chinesen für den anstehenden, kraftraubenden Tischtennis-Part schonen wollten.

Vormittags wurden zunächst drei Übungen von jeweils 2 x 15 Minuten gespielt. Es waren immer die gleichen Übungen: Ein Spieler hat immer 15 Minuten nur mit der Rückhand geblockt. Die Übungen gingen nicht ins freie Spiel über. Der Ball wurde oft von dem Blocker mit Unterschnitt eingespielt. Nach den drei Übungen war eine kurze Pause. Dann wurde "Many-Ball" gespielt. Das wird mit sehr, sehr viel Bällen gespielt und fast ohne Pause.

Die Übungen waren sehr schwer und immer mit viel Beinarbeit. Manchmal haben die Spieler selbst die Bälle eingeworfen, aber meistens haben die Trainer eingespielt.

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Am Nachmittag gab es drei Beinarbeitübungen (immer die Gleichen) von ebenfalls 2x 15 Minuten. Nach der 10 minütigen Pause wurde Aufschlag-Rückschlag frei in Wettkampfform gespielt. Abgeschlossen wurde die Trainingseinheit mit Kraftübungen wie Liegestütz, Sit-ups, Sprünge und Seilspringen (9 x 300 Sprünge). Manchmal wurden Dauerläufe absolviert.

Die Abendeinheit begann um 19:00 mit einer eigenen Übung. Danach wurde Aufschlagtraining durchgeführt. Zum Abschluß des Trainings wurde von jedem Spieler ein Eimer voll Bälle aufgeschlagen, die der Gegner returnieren musste.

Dieses Programm wurde jeden Tag sechs Tage die Woche durchgezogen. Das Geheimnis der Chinesen scheint wohl  viel Arbeit,  hohe Konzentration und  große Konkurrenz zu sein.

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Sphinx aus der Asche

VDTT-Redakteur Gunter STRAUB mit Hintergrund-Informationen zum Interview mit Jerzy Grycan in TB 04-09

Mitsuru Kohno Der 1946 in der nordjapanischen Stadt Aomori geborene Kohno errang seinen größten Erfolg bei den Weltmeisterschaften 1977 in Birmingham, als er im Finale des Herren-Einzels seinen chinesischen Kontrahenten Guo Yuehua mit 3:1 Sätzen besiegte. Damit krönte er eine Karriere, die bis dahin einen außerordentlichen Verlauf genommen hatte. Denn bereits 10 Jahre zuvor stand er im Einzel-Finale einer Weltmeisterschaft und durchschritt in der Zeit zwischen diesen beiden Endspielen ein wahres Wellental. Aufgrund seines äußeren Erscheinungsbildes (Hornbrille, oft schwarzes Trikot, kaum Minenspiel) wurde der Penholderspieler als die "Schwarze Sphinx von Aomori" bezeichnet.

Arbeitete sich mit Sportpsychologie und Zazen-Meditation aus seiner eigenen Asche hervor: der Japaner Mitsuru Kohno stand zweimal im Finale der Weltmeisterschaften - 1967 und 1977...!

Mitsuru Kohno kam erst mit 13 Jahren zum Tischtennis, zeigte zunächst kein außergewöhnliches Talent für diesen Sport und legte in seinen Jugendjahren auch mal zwei Jahre den Schläger zur Seite. Nach seinem Wiedereinstieg trainierte der Noppen-außen-Spieler dafür umso härter und arbeitete sich schnell an die nationale Spitze heran. Er wurde 1965 Dritter der japanischen Studentenmeisterschaften und erreichte ein Jahr später das Halbfinale der Nationalen Meisterschaft. 1967 stand er im japanischen Nationalteam, das in Stockholm Weltmeister wurde, und mit seiner unbeschwerten und äußerst aggressiven Art zu spielen erreichte er auch im Herren-Einzel das Endspiel. Hier führte er gegen seinen Mannschaftskameraden Nobuhiko Hasegawa bereits 2:1, bekam dann aber Angst vorm Gewinnen und musste das Match schlussendlich mit 2:3 noch aus der Hand geben. Analog gestaltete sich das Bild bei den kontinentalen Meisterschaften: Nach einem zweiten Platz im Einzel 1967 holte sich Kohno im folgenden Jahr den Titel eines Asiatischen Meisters im Herren-Einzel, musste bei seinen Teilnahmen 1970 und 1972 seinen Konkurrenten aber jeweils im Viertelfinale zum Sieg gratulieren.

Die Furcht, es nicht bis ganz nach oben schaffen zu können, verfolgte Kohno über Jahre hinweg. Bei den Welttitelkämpfen 69, 71 und 73 war für ihn infolgedessen jeweils in der 3. Hauptrunde bzw. im Achtelfinale des 54

Einzels Endstation. Dabei wusste er im Mannschaftswettbewerb, der damals bei einer WM in den Tagen vor den Einzel- und Doppelwettbewerben ausgetragen wurde, sehr oft zu überzeugen. So besiegte er im Mannschaftsendspiel der WM 1969 gegen Deutschland als Einziger der drei japanischen Finalteilnehmer den späteren Vize-Weltmeister im Einzel, Eberhard Schöler, und war auch bei der WM 1971 einer der erfolgreichsten Spieler der Mannschaftskämpfe. Im Einzel erlebte der Japaner bei der WM 71 eine denkwürdige Niederlage gegen den Chinesen Xi Enting, gegen den er ohne Satzgewinn unterging.

Nach diesem Debakel begann Kohno sehr intensiv mit einem Sportpsychologen zusammenzuarbeiten. Auch Zen-Meditation war eine Grundsäule seiner Traningsarbeit. Echte Früchte stellten sich auf inter- nationalem Parkett ab 1974 ein - zunächst mit einem 2. Platz im Herren-Einzel der Asienspiele und einem 3. Rang im Einzel bei den Asiatischen Meisterschaften. Der Aufstieg erhielt eine Fortsetzung mit der WM-Bronzemedaille im Einzel 1975, bevor Kohno zwei Jahre später zum ganz großen Schlag ausholen sollte. Es gibt diverse Stimmen, die behaupten, dass Kohnos Finalgegner von 1977, Guo Yuehua, aufgrund der chinesischen Stallregie absichtlich das Match verloren hat, damit in der Wahrnehmung der Weltöffentlichkeit vor allem der l. Platz der chinesischen Herrenmannschaft bei dieser WM im Mittelpunkt stehen sollte.

Dennoch kann Kohnos Sportler-Biografie beispielhaft dafür stehen, wie sehr sich die Integration psycho- logischer Methoden mittel- und langfristig auszahlen kann.

Übrigens wird auch Kohnos Endspielgegner von 1977, Guo, ein Faible für Sportpsychologie und chinesische Körperübungen (Qi Gong) nachgesagt. Guo Yuehua sollte nach Birmingham noch drei weitere Male im Einzel-Finale einer Weltmeisterschaft stehen. Zwei Endspiele davon konnte er siegreich gestalten.

Peaceful Warrior

Keine Frage: an diesem Film scheiden sich die Geister. Kritiker bemängeln fehlenden Tiefgang, nur allzu viele Klischees, ein vorhersehbares Ende und vor allem einen nicht abreißen wollenden Schwall an Weisheiten, die der Zuschauer schon xmal gehört hat, bevor er im Kinosessel Platz nahm. Für seine Anhänger ist der Film dagegen eine äußerst gelungene Umsetzung des Kultbuches "Der Pfad des friedvollen Kriegers" von Esoterikguru Dan Millman, ein beeindruckendes Sportlerdrama, das den Zuschauer lehren will, den Augenblick in seiner ganzen Vielfalt zu schätzen, ohne sich allzu überschüssige Gedanken darüber zu machen, was sein könnte, was war oder sein wird. In der autobiografisch angehauchten Geschichte des ersten Trampolin-Weltmeisters Millman trifft der junge College-Student Dan eines Nachts auf einen wundersamen alten Mann, der in einer Tankstelle arbeitet und aufgrund seiner etwas sonderbaren Sicht der Dinge schnell den Namen "Sokrates" weg hat. Obwohl der junge Dan, ein überaus erfolgreicher Turner an der Elite-Universität Berkeley, auf den ersten Blick alles besitzt, was das Herz - oder vielmehr der Leib - begehrt, wird schnell deutlich, dass auch er auf der Suche ist nach etwas Größerem. Sokrates wird fortan zu Dans Mentor und begleitet diesen auf einem steinigen Weg. Geschickt bewegt sich der Film zwischen Realität und Fiktion; zahlreiche phantastische Visionen zeichnen den Streifen ebenso aus wie die gelungene Besetzung der Hauptrollen mit Scott Mechlowicz als smarten Dan und Nick Nolte als ein in sich ruhender Sokrates. In der Tat: Peaceful Warrior strotzt nur allzu sehr vor bekannten Lebensweisheiten. Aber es würde dem gesprochenen Wort unverhältnismäßig viel Verantwortung aufbürden, wollte man sich allein nur von ihm direkte Erleuchtung erhoffen. Eine besondere Note erhält der Film zudem für all diejenigen, die im Sport tätig sind.

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Der Film wirft mehr als nur einen Lichtstrahl auf die Notwendigkeit eines pädagogisch akzentuierten Trainings: er macht deutlich,  wie wichtig es für junge Menschen ist, dass sie Mentoren haben, Menschen, die ihnen nicht nur technische und taktische Kompetenz in einer sportlichen Disziplin beibringen,  sondern ihnen Beistand sind, wenn es darum geht, tiefer liegende menschliche Fertigkeiten zu entwickeln und persönliche Krisen zu überwinden.

Wohl dem jungen Sportler und der jungen Sportlerin, denen Sokrates und Turn-Coach Garrick in einer einzigen Person vereint begegnen. Und wohl dem Verband, in dem sich Landestrainer nicht als Provinzfürsten verstehen, sondern als "Service-Station für junge Menschen".

Aber auch die Athleten selbst dürfen sich im Kino- respektive Fernsehsessel an die eigene Nase fassen, indem ihnen vor Augen geführt wird, was das Wesentliche am Sport sein könnte:  nämlich das Ausüben desselbigen - ohne dabei gleichzeitig auf einen Rivalen, die Vergangenheit oder eine Medaille zu schielen. DAS INNERE SPIEL G. STRAUB12 – TTL 04-05

Ein ehemaliger Deutscher Meister im Herren-Einzel belegte einmal beim Bundesranglistenturnier (TOP 12) einen der HINTEREN Plätze. Ein Journalist fragte ihn damals nach den Gründen für diese Schlappe. Der Spieler antwortete in etwa wie folgt: "Ach, weißt du", sagte der Spieler, "ich habe einfach ZU viel gekämpft!" Ich weiß nicht, ob der besagte Spieler damals das Buch eines Autors namens GALLWEY gelesen hatte. Rein zeitlich gesehen wäre dies aber durchaus möglich gewesen.

W. Timothy Gallwey - so heißt dieser Schriftsteller mit vollem Namen. In seinem weltweit über 700.000 Mal verkauften Klassiker "The Inner Game of Tennis" (1974) zeichnet er ein geradezu visionäres Bild von der Psyche eines Tennis-Spielers. Der Spieler, den Gallwey da idealtypisch beschreibt, geht mit einem optimalen Maß an Konzentration zur Sache. Optimale Konzentration heißt bei Gallwey: Der Spieler ist gelassen und entspannt! Er verkrampft nicht - er "beißt" aber auch nicht; er ist vor dem Start nicht nervös und während der Auseinandersetzung weder ängstlich noch wütend. Der Spieler klettert in den Ring aus purer Freude am Spiel; die Auseinandersetzung mit dem Ball ist für ihn viel wichtiger, als das Sich messen wollen mit einem Gegner. Gallweys Akteur ist beim Sport treiben absolut introvertiert, soll heißen: Er ist STILL und bei sich selbst. Er hat den Kopf bzw. Verstand (der anfällig ist für ablenkende Gedanken und negative Emotionen) ausgeschaltet und vertraut darauf, dass sein "Bauch" (Nein, nicht der dicke TT-Bauch, sondern die intuitive, empfindsamere Seite seiner Spielerpersönlichkeit!) das Kind schon schaukeln wird. "Bemüh' dich, aber ja nicht zuviel! Lass es einfach von innen heraus geschehen!" – So könnte man Gallweys Philosophie auf eine kurze Formel bringen.

Spätestens als ich las, der Spieler soll sich selbst auf dem Platz nicht kritisieren, aber erstaunlicherweise auch nicht loben (Denn merke: Lob ist potenzielle Kritik!), war auch bei mir ENDE der Fahnenstange! Was um alles in der Welt kann Tim Gallwey einem Spieler wie mir mit auf den Weg geben - einem Spieler, dessen Psyche derjenigen des oben genannten Profi-Spielers ziemlich ähnelt. Der oben genannte Crack war in seiner aktiven Laufbahn alles andere als introvertiert. Er war laut in der Box, er schimpfte häufig mit sich selbst, stand offensichtlich unter einem enormen Druck und seine Kampfschreie waren legendär. Er konnte kämpfen bis zum Umfallen und die

12 39 Jahre, Diplom-Soziologe, wohnhaft in Speyer. Beruflich tätig für das Bistum Speyer als Dekanats-Jugendreferent. C-Lizenz. Ehrenamtliche Erfahrung als Übungsleiter, Vereins-Pressewart und Bezirksschülerwart - Als Spieler u.a. mehrere Jahre aktiv in der Oberliga und während eines Studienaufenthalts auch in der U.S.-amerikanischen Turnierlandschaft. Diverse sportliche Interessen neben dem Spiel an der Platte: Langstreckenlauf, Radtouristik/Rennrad fahren, Krafttraining, Trainingslehre, Sportpsychologie und Judo 56

Psycho-Masche, mit der er seine Spiele bestritt, zog damals unter dem Stichwort "Selbstbehauptungs-Methode" in die Lehrbücher ein.

Nun, meines Erachtens kann Gallweys Werk durchaus denjenigen weiterhelfen, die auf den ersten Blick so gar nichts gemein haben mit dem oben skizzierten Idealfall eines Spielers - Spielern also, die nachdenken und sich sorgen, die hoffen und sich ängstigen, die um Bälle trauern und sich ablenken lassen. Gallweys Buch zeigt zunächst einmal handfeste Methoden auf, wie man z.B. mehr Konzentration erlangen kann.13

Timothy Gallweys Buch kann allen Normalsterblichen, die häufig (bzw. hier und da) mit sich selbst hadern, aber auch in einer weiteren Hinsicht hilfreich sein: Nämlich dann, wenn man in Betracht zieht, dass Gallwey einen IDEAL-Zustand beschreibt, dem man sich im Laufe einer Spielerkarriere annähern kann (weil's Vorteile bringt), den man aber nicht unbedingt 100%-ig, in Reinkultur also, erreichen muss… Für mich als einer, der sich dem Gallwey'schen Ideal - lediglich ein wenig bzw. SCHRITTchenweise - annähern möchte, heißt das: 1. Stumm zu sein wie ein Fisch und "es einfach von innen heraus geschehen zu lassen" ist sicherlich ein holdes Ideal; Leute aber, die in der Box einfach ihre Klappe nicht halten können, sollten sich vielleicht zunächst einmal "rhetorische Teilziele" setzen. Ein Teilziel könnte es sein, in den Ballhol- pausen nicht allzu blödsinnige Verallgemeinerungen ins Feld zu führen. Soll heißen: Wenn z.B. meine Rückhand heute ein paar Mal nicht geklappt hat, tue ich gut daran, nicht gleich mein GANZES Spiel zu kritisieren (Also: "Blöde Rückhand!" anstatt "Was spiele ich heute nur für einen Mist!"). Ein Lernfortschritt besteht sicherlich auch darin, nicht gleich über die eigene PERSON herzufallen - nur weil ein einzelner Schlag nicht gekommen ist (Also: "Blöde Rückhand!" anstatt "Du Idiot!").

2. Gallwey in die Tat umzusetzen, würde meines Erachtens auch heißen: Im Training sollte das (einfache?) Schlagen von Bällen und die Aufmerksamkeit auf die eigenen Bewegungsabläufe mehr in den Mittelpunkt treten. Das Spielen um Punkte und Sätze müsste somit eher eine Randerscheinung sein. WARUM? Nun, das Zählen von Punkten heißt zwangsläufig: Ich bewerte einen Schlag bzw. eine Schlagserie als GUT oder SCHLECHT - was den Spieler nicht kalt lassen wird. Es wird ihm durch den Kopf gehen und irgendwie Druck auf ihn ausüben. Das Streben nach Punkten überlagert folglich die "Bauchseite" des Spielers, also die (möglichst) unvoreingenommene Auseinandersetzung mit Schlagbewegungen.

3. Natürlich heißt das NICHT: "Lass das Ausspielen von Punkten und Sätzen im Training gänzlich sein!" Im Gegenteil: Gallweys Konzentrationsmethoden z.B. müssten meines Erachtens unbedingt zunächst einmal unter Matchbedingungen im Training ausprobiert werden. Aber insbesondere für Spieler, die sich in der Vorbereitung auf eine Saison oder aber in einer spielerischen Krise befinden, kann die Gallweysche Denke eines "wertfreien" Trainings ("No Points - No Cry!") meines Erachtens hilfreich sein. Sportskameraden, die (überhaupt erst mal) wieder reinkommen wollen in ihr Spiel (bzw. technisch etwas Neues dazu lernen wollen), tun folglich gut daran, das Matchtraining zu

13 Insbesondere Trainer dürften sich darüber hinaus für seine recht ALTERNATIVEN Trainingsformen interessieren, bei denen es weniger um das (dem Trainer-Zu-) Hören geht, sondern vielmehr um das (Zu-) Sehen, das (In-sich-hinein-) Fühlen und das (Sich-bildlich-etwas-) Vorstellen. Neu-Übungsleiter dürften bei der Lektüre des Buches mitunter vielleicht etwas geschockt sein. Zwar können sie nun als Lizenz- Inhaber Anfängern den Ablauf jeder Schlagtechnik minutiös mit Worten beschreiben und erklären. AIlein: Gallwey nötigt mit seinem Werk den Trainern eine ganz NEUE Sprachkultur ab. Sprachliche Anweisungen sind für ihn allenfalls "Starthilfen". Trainer sollen ihre Sportler nicht "zuschwallen", sondern vielmehr mit Fragen (!) und "Wahrnehmungs-Aufgaben" konfrontieren. Viele Trainingsmethoden, die heute Gang und Gäbe sind, finden meiner Meinung nach bei Gallwey ein theoretisches Fundament: Observatives Training (Training durch das Beobachten anderer Spieler), Bewegungsführung durch den Trainer, Schattentraining / Trockenübungen, verschiedene Mentale Trainingsformen, Einsatz methodischer Hilfsmittel (Platzierungsfelder z.B.). Mit diesen dürren Worten werde ich allerdings dem Inhalt dieses Werkes kaum gerecht. Gallweys methodische Ausführungen sind allemal IM DETAIL lesenswert...

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reduzieren bzw. in den Hintergrund treten zu lassen.

4. Ein Gewinner der Gallweyschen Sichtweise könnte also das Systemtraining sein: Denn beim Systemtraining ergibt sich relativ leicht die Möglichkeit, still "Innenschau" zu halten. D.h. hier kann man sich wirklich (bewusst und relativ stressfrei) mit technischen Abläufen auseinander setzen und in sich hinein hören...

5. Gallwey macht sich ferner stark für die Individualität eines Spielers. Er ist gegen "Klon-Tennis". Das soll heißen: Stars und sonstigen Vorbildern beim Spiel zusehen und sich selbst Anregungen für das eigene Spiel holen, ist für Gallwey absolut OK. Die Spielweise der Anderen exakt (so und nicht anders) kopieren zu wollen und zur Norm für Richtig und Falsch zu erheben, ist für ihn allerdings NICHT OK. Mut macht er dem Leser, von Lehrbuch-Vorstellungen abzuweichen, um bewusst zu experimentieren und so eigene Wege zu finden. Im einem Zeitalter, in dem sich die TT-Jugend zu- nehmend dem Druck ausgesetzt fühlt, ihr Heil uniform in einem superschnellen Angriffs-Tischtennis suchen zu müssen, ist das ein ganz wichtiger Hinweis, meine ich. Gallwey sagt uns: Es geht auch anders. Es gibt viele Wege, einen Punkt zu machen.

6. Die grundlegendste Erkenntnis ist freilich rein theoretischer Natur: W. Timothy Gallwey macht durch seine Arbeit eindrucksvoll deutlich, dass der Kopf eines Sportlers das Spiel keinesfalls hundertprozentig im Griff haben kann - auch wenn er sich noch so sehr bemüht. Der Kopf bzw. Verstand eines Sportlers darf, kann - ja, muss - dem Körper (dem "Bauch" / dem "Muskelgedächt- nis") vertrauen, da dieser durch seine Fähigkeiten, zu hören, zu sehen und zu fühlen, motorisch weitaus kompetenter ist als ein vor sich hingrübelnder, dünnhäutiger, immer nur wollender und vorlaut bestimmender Geist… Irgendwie ist das tröstlich: Auch der Tischtennis-Spieler weiß nun, dass er sich in der Box nicht allzu ALLEINE fühlen muss. Denn neben dem Kopf auf seinen Schul- tern (durch den gar oft wirre Gedanken kreisen) gibt es ja immer noch den "Bauch", der's drauf hat und dem er vertrauen darf - gerade in engen Situationen.

Gallwey, W. Timothy: The Inner Game of Tennis, deutsche Fassung, Unkel: New School Verlag, 2003, ISBN 3-00-012809-3

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RECOLLECTIONS OF PUSHING – Schupfball ist nicht gleich Schupfball G. Straub – TTL 01-07 Ich kann mich erinnern an einen Tag im Dezember. Da stand ich mit meinem Partner bei einem verbandsoffenen Turnier im Halbfinale des Herren-A-Doppels. Insgesamt hatten wir nicht viel zu melden, denn unsere Gegner waren Spieler der absoluten pfälzischen Spitzenklasse. In einer Satzpause teilte ich meinem Partner mit, dass ich außerordentlich erstaunt darüber sei, dass die Männer auf der anderen Seite des Tischs doch recht häufig Fehler direkt auf den Schupfball meines Partners machten. Mein Doppel-Partner meinte daraufhin nur lapidar: "Ich schupfe ja auch irgendwie SCHNELLER als du!"

Ja, ja - den aggressiven Druck-Schupf scheint es damals schon gegeben zu haben...

Für MICH war diese Begebenheit jedenfalls die Geburtsstunde eines neuen Denkansatzes rund ums Schupfen. Denn bis dahin hatte ich mir über die Feinheiten dieser Schlagart nie so richtig Gedanken gemacht. Vielleicht hatte mich auch ein Lehrwart in Sicherheit gewogen, der da vor Urzeiten einmal meinte: "Angriffspieler brauchen nicht zu schupfen!" Landläufig denkt man häufig, das rigorose bzw. raffinierte Schupfen sei vor allem Sache der FRAUEN. Meine "Lieblings-Spielerin" bestätigte mir neulich, dass diese Aussage im Hinblick auf viele (Natürlich nicht alle!!!) Spielerinnen immer noch Gültigkeit hat - sogar in der Oberliga. Doch wenn ich Sonntagmorgens in meiner MÄNNER-Liga um Punkt 10:00 Uhr die Augen aufmache und sehe, wie viel da häufig "verschupft" wird, dann wünsche ich doch vielen männlichen Spielern für die nächste Trainings-Einheit einen gesunden "weiblichen Anteil", der sie von innen heraus motiviert, auch DIESER Schlagtechnik Aufmerksamkeit zu schenken.

Eines ist klar: Häufig geht es in einem Satz nur um zwei, drei Punkte, die den Gewinner vom Verlierer trennen. Leichte Fehler sind also zu vermeiden, wobei der Schupfball meiner Auffassung nach gar nicht mal so leicht ist - vorausgesetzt man will ihn wirklich gut spielen. Das Problem bei dieser Schlagart ist, dass sie eine ganz EIGENE Anforderung an die Koordination stellt - ganz besonders zu einer solch' unchristlichen Zeit wie Sonntagmorgens um 10 Uhr (mit kalten Händen nach womöglich nur 10 Minuten Einspielzeit netto). Im Gegensatz zum Kontern, Ziehen und Blocken ist das Schupfen für einen Angriffsspieler nämlich der einzige Schlag, bei dem Rückwärtsdrall in den Ball gegeben wird und der Akteur häufig (wie ein Chirurg?) mit einer ganz kurzen Armbewegung unterwegs ist. Darüber hinaus geht es plötzlich nicht nur um die Richtung des Balles, sondern in ganz besonderem Maße auch um dessen LÄNGE ("Schupf ich kurz oder lang?").

Deswegen versuche ich sonntags bereits beim Einspielen am Tisch (VOR 10 Uhr!) nicht nur zu kontern, zu ziehen und zu blocken, sondern immer auch schon ganz bewusst zu schupfen…. Ich kann mich erinnern an eine wissenschaftliche Untersuchung, die wohl schon in den 80ern durchgeführt wurde. Man beobachtete systematisch verschiedene Weltklasse-Spieler und versuchte herauszufinden, auf welche bzw. auf wieviele Schlagtechniken die Stars zurückgreifen. Es stellte sich heraus, dass von den untersuchten Spielern Jan-Ove Waldner am allermeisten schupft. Und schwuppdiwupp: Auf einem der neueren Lehrposter des Verbandes Deutscher Tischtennistrainer - etwa 15 Jahre später - ist genau dieser Jan-Ove Waldner abgebildet. Und was demonstriert die "Galionsfigur des Schupfball-Spiels" dem TT-Nachwuchs? Er zeigt einige Rückschlag-Variationen - darunter auch den kurzen Schupf und den aggressiven Schupf (mit Linksdrall). Fernsehbilder kommen in meiner Erinnerung auf, da fährt Waldner super aggressiv unter dem Ball hindurch und verleiht diesem einen saftigen RECHTSdrall... (Einfach toll!). Wir lernen spätestens jetzt: Schupfball ist nicht gleich Schupfball. Und die Fragen, die sich einem aufdrängen könnten (oder sollten), lauten: o "Welchen Stellenwert hat der Schupfball in MEINEM Spiel?", o "Welche Varianten dieser Technik passen in mein Spiel?" Und: o "Welche Schupf-Techniken bzw. Details muss ich folglich trainieren?"

Klar ist, dass man mit dem Schupf im Normalfall nicht direkt punkten kann. Klar sein sollte aber auch, dass wir durch die rich- tige Schupftechnik zum richtigen Zeitpunkt Spiel-Situationen heraufbeschwören können, die es uns erleichtern mit Nachfolge-Techniken zu punkten. Zwei gute Gründe also, das Schupfen gezielt zu trainieren:  Leichte Fehler vor allem zu Beginn eines Wettkampftages werden vermieden und  taktische Vorteile tun sich auf.

Das Letztere könnte für einen Spieler, der ganz fest auf seinen VH-Topspin baut, heißen: "Ich sollte an einer wirklich kurzen Rückgabe arbeiten, denn damit verhindere ich, dass der Gegner selbst zum Ziehen kommt." Als Gedanke alles andere als neu; als expliziter Trainingsschwerpunkt dennoch viel zu selten zu sehen! Spieler, die eher auf ihren Blockball vertrauen und im Spiel vorzugsweise die Bälle verteilen, könnten dem Schweden auf dem Poster nacheifern. Dieser empfiehlt dem Leser,  durch Seitenschnitt beim Schupf den Gegner aus der Tischmitte zu treiben. Dadurch soll ein relativ schwacher Topspin erzwungen werden, auf den man dann vielleicht aggressiv mit einem aktiven Block bzw. Gegentopspin am Tisch reagieren kann (vgl. VDTT 2004).  Effizient sind sicherlich auch extrem unterschnittene Schupfbälle, die der Gegner nur langsam zu ziehen vermag (vgl. Butterfly News 11/ 2006, S. 6f.).  Und schließlich gibt es natürlich noch diese HALBlangen Sachen, bei denen der Gegner bewusst lange überlegen soll, ob da vielleicht doch noch ein Topspin möglich ist. Doch wer trainiert so etwas schon ganz bewusst... 59

Ich kann mich erinnern, dass es in der ehemaligen Sowjetunion den Titel "Meister des Sports" gab. Dieser Titel wurde an Leute vergeben, die an der Platte bestimmte Erfolge vorweisen konnten bzw. bestimmte Technik- und Konditionstests erfolgreich absolvierten – u. a. 5 Minuten am Stück fehlerfrei schupfen. In dieser Zielvorgabe vereinen sich für mich sehr schön Leistungs- und Breitensport. Denn die Absicht, ein sicherer "Schupfer" ("Meister des Schupfballs") zu werden, lässt selbst das gemeinsame Training mit den Senioren aus der Hobby-Gruppe noch durchaus sinnvoll erscheinen.

LITERATURHINWEISE: Baigulow, J.P. & Romanin, A.N.: Modernes Tischtennis, Berlin: Sportverlag 1982.

GRENZAUER TURNIER-MODUS [„Modifiziertes Schweizer System"]

TTL 1-09

Beim VDTT-Sympsium 2008 wurde das Teilnehmer/innen-Turnier erstmals in einem ganz eigenen Modus ausgetragen. Dieser Modus lehnt sich stark an das sogenannte Schweizer System aus dem Schachsport an. Die Spielregeln lesen sich wie folgt:

 Jeder Teilnehmer des Turniers macht 7 Matches. Ein Match umfasst 2 Sätze (nicht Gewinnsätze - nur zwei Sätze), so dass auch ein Unentschieden möglich ist. Ein Satz geht bis 5 Punkte (und zwar ohne Verlängerung).

 Jeder gewonnene Satz bringt dem betreffenden Spieler einen halben Punkt (0,5). Nach Abschluss des Matches trägt der Spieler die Zahl der gewonnenen und verlorenen Sätze sowie seinen aktuellen Punktestand auf einem persönlichen Laufzettel in die dort aufgeführte Tabelle ein. Diese Punkte werden von Runde zu Runde fortlaufend ganz rechts in der Tabelle notiert und damit angehäuft.

 Es gibt insgesamt 15 Lostrommeln bzw. Boxen, mit den jeweiligen Aufschriften 0/ 0,5/ 1/ 1,5/.../7,0 auf der Vorderseite: Der Spieler wirft seinen Laufzettel zusammengefaltet in diejenige Box, auf der der betreffende Punktestand deutlich sichtbar steht. Spieler, die beispielsweise nach der 1. Runde null Punkte haben, werfen ihren Zettel in die Box mit der „0" auf der Vorderseite; Spieler mit einem halben Punkt, werfen ihren Laufzettel in die Kiste mit der Zahl 0,5 usw.

 Wenn alle Matches einer Runde beendet worden sind und alle Laufzettel aktualisiert und erneut in die Boxen geworfen wurden, erfolgt eine neue Auslosung. Es gibt damit insgesamt 7 Auslosun- gen. Die Auslosung beginnt immer bei der Box, in denen sich die Spieler mit jeweils 0 Punkten befindet. Danach erfolgt die Auslosung an der Lostrommel, in der sich die Spieler mit einem halben Punkt befinden (usw. „aufwärts").

 Wenn sich eine Ungerade Anzahl an Teilnehmern bzw. Zetteln in einer Lostrommel befindet, wird der letzte noch in der Box verbliebene Zettel „nach oben hin" weitergereicht. Es bietet sich bei einer ungeraden Teilnehmerzahl an, einen Spitzenreiter, der ganz alleine das Feld anführt, gemeinsam mit seinen härtesten Verfolgern derselben Box zuzuordnen. Ein Teilnehmer, der schlussendlich ohne Gegner bleibt, bekommt für dieses „Freilos" einen vollen Punkt. Es bietet

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sich ferner an, dass ein Spieler, der in der gerade abgelaufenen Runde ein Freilos hatte, im nächsten Durchgang auf jeden Fall einen Gegner zugewiesen bekommt.

Eine Kopiervorlage des Laufzettel findet sich im Members-Download Bereich des VDTT (www.vdtt.de, Button Members/Diverses).

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