Enotehistoy — Identifizierung Von Schreiberhänden in Historischen Noten- Handschriften Mit Werkzeugen Der Modernen Informatio
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eNoteHistoy — Identifi zierung von Schreiberhänden in historischen Noten- handschriften mit Werkzeugen der modernen Informationstechnologie Universität Rostock — Institut für Musikwissenschaft Dr. Andreas Waczkat, Dr. Ekkehard Krüger, Dr. Tobias Schwinger Universität Rostock — Lehrstuhl Datenbank- und Informationssysteme Prof. Dr. Andreas Heuer, Dipl. Ing. Temenushka Ignatova Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung Rostock Prof. Dr. Bodo Urban, Dipl. Inf. Roland Göcke Gefördert durch die DFG Inhalt: 1.1. Einleitung (Ekkehard Krüger) 1.2. Die Musikalien der Universitätsbibliothek Rostock aus dem 18. Jahr- hundert 2.1. Ziel des Projektes (Tobias Schwinger) 2.2. Merkmalsbestimmung von Handschriften (Taxonomie) 2.2.1. Problemstellung 2.2.2. Möglichkeiten der Klassifi zierung 3. Digitales Archiv für historische Notenhandschriften (Temenushka Ignatova, Ilvio Bruder) 4. Bildverarbeitung (BV) (Roland Göcke) Forum_Musikbibl_komplett.indd 1 19.02.2004, 18:17 Einleitung Der Musikbetrieb des 18. Jahrhunderts ist nicht vorstellbar ohne die Arbeits- leistung vieler Kopisten. Stärker als in dem vorangegangenen und den nach- folgenden Jahrhunderten, in welchen der Musikaliendruck überwog, beruht die Verbreitung von Musikalien in jener Zeit auf der handschriftlichen Vervielfältigung. Eigenschriften der Komponisten stellen dabei eine Ausnahme dar. Wird schon diese Tatsache selten bewusst gemacht, so wird den Herstel- lern der so zahlreich erhaltenen handschriftlichen Quellen in Bibliotheken und Archiven nur hin und wieder Aufmerksamkeit zu teil. „Kopisten“, „Schreiberhände“, „Schreiber“ sind andererseits in der historisch- philologisch arbeitenden Musikwissenschaft seit langem vertraute Begriffe. Ent- lehnt sind sie der „Mutterdisziplin“ des Faches. Das zunächst in der klassischen Philologie ausgebildete und hochgradig verfeinerte Verfahren der vergleichenden Textkritik sollte helfen, bei größerer Anzahl von Textzeugen die zuverlässigsten zu erkennen und so den Weg zu einem postulierten „Urtext“ zu weisen. Dazu kam die Berücksichtigung der Papiere, die es erlauben, für den Beschreibvorgang Indizien über Zeitraum und Region zu gewinnen. Die handschriftlichen Quellen, die in der Regel wichtige Tatsachen verbergen, sollen helfen, folgende Fragen zu beantworten. Wer war der Kopist? In welchem Verhältnis stand er zum Kompo- nisten? Worin bestand die Kopiervorlage? Wer waren Auftraggeber, Nutzer und Sammler der Kopie? Die Bachforschung nahm bei der systematischen Anwendung dieses oft detektivisch anmutenden Verfahrens auf musikalische Überlieferungen die Rolle eines Schrittmachers ein.1 Die Neudatierung von Werkkomplexen und damit eine veränderte Sicht auf die Stilentwicklung des Komponisten waren bald die Folge. Auch Fragen der Zuweisung bzw. Echtheit mussten bei gewandelten Kenntnissen über die Quellenlage neu diskutiert werden.2 Einen Versuch, die Vielfalt von Schriftformen einer systematischen Beschreibung zugänglich zu machen, unternahm Georg von Dadelsen3. Trotz Dadelsens Anstoß zu einer unabhängigen Klassifi zierung der handschriftli- chen Notationsformen fand ein Ausbau dieser Bemühungen bisher nicht statt. 1 Paul Kast, Die Bach-Handschriften der Berliner Staatsbibliothek (= Tübinger Bach-Studien, 2/3), Tros- singen 1958. 2 Alfred Dürr, Zur Chronologie der Leipziger Vokalwerke J. S. Bachs (= Musikwissenschaftliche Arbeiten, 26), Kassel 1976. 3 Georg von Dadelsen, Beiträge zur Chronologie der Werke Johann Sebastian Bachs (= Tübinger Bach- Studien, 4/5), Trossingen 1958, S. 49 ff. Forum_Musikbibl_komplett.indd 2 19.02.2004, 18:17 Wurde die vergleichende Betrachtung von Schreiberhänden und Papie- ren zunächst für die Erhellung der Werk- und Überlieferungsgeschichte einzelner Kompositionen genutzt, lag eine diesen Maßstäben folgende Quellenerschließung für das Œuvre eines Komponisten bald nahe. Die aufwendige Beschreibung gemischter Quellenbestände, wie sie historische Sammlungen darstellen, wurde weitaus seltener unternommen. So müssen diesbezügliche Angaben in der RISM-Datenbank A/II zufälliger Natur blei- ben. Pionierleistungen auf diesem Gebiet stellen die Kataloge der Samm- lung Bokemeyer 4 und der Berliner Amalien-Bibliothek5 dar. Ihr Wert für die Forschung zu einzelnen Komponisten oder zur regionalen Musikgeschichte ist nicht hoch genug einzuschätzen. Die Fülle von Anknüpfungspunkten für weiterführende Spezialuntersuchungen kann kaum bemessen werden. Die Nutzung solcher Kataloge ist allerdings nicht unproblematisch. 1. Die Nachprüfbarkeit der Schreiberbestimmungen und Vergleiche mit sammlungsfremden Handschriften setzten die Beigabe zahlreicher Abbildun- gen in ausreichender Qualität voraus. Im traditionellen Medium Buch geben Umfang, Herstellungskosten und Aufl agenhöhe der Erfüllung dieser Forderung Grenzen vor. Folgerichtig wurde der Katalog zu den Dresdener Hasse-Quel- len auf CD-ROM veröffentlicht. 2. Die Namen der Kopisten sind selten bekannt. Das zwingt dazu, künstliche Namen einzuführen. Die Syntax unterliegt pragmatischen Gesichts- punkten und variiert von Autor zu Autor. So begegnen Namensbildungen, die in schlichter Weise fortlaufend zählen oder die einen Komponistennamen oder Überlieferungsort in den Mittelpunkt stellen. Die Willkür der Benen- nungen muss stets bewusst bleiben, da Namen nach den zuletzt genannten Mustern allzu schnell eine Suggestion erzeugen können, die stark festlegt und den Blick verstellt. Identifi zierungen nach dem Muster „Anonymus 0815 = Johann Friedrich Schulze aus Neustadt“ können oft nur hypothetischen Rang beanspruchen und sind gegebenenfalls dem Forschungsstand anzupassen. Gerade im mittel- und norddeutschen Raum gibt es bereits Beispiele für konkurrierende 4 Harald Kümmerling, Katalog der Sammlung Bokemeyer (= Kieler Schriften zur Mu- sik- wissenschaft; Bd. XVIII), Kassel 1970. 5 Eva Renate Blechschmidt, Die Amalien-Bibliothek. Musikbibliothek der Prinzessin Anna Amalia von Preußen (1723-1787). Historische Einordnung und Katalog mit Hinweisen auf die Schreiber der Handschriften (= Berliner Studien zur Musikwissenschaft, Bd. 8), Berlin 1965. Eva Renate Wutta, Quellen der Bach-Tradition in der Berliner Amalien-Bibliothek, Tutzing 1989 Forum_Musikbibl_komplett.indd 3 19.02.2004, 18:17 Benennungen einer einzigen historischen Person, die voneinander isolierten Quellenerschließungen geschuldet sind. Weiterführende Forschungen stehen hier jedoch vor einem kaum aufzulösenden Dilemma. Identitäten können nur bei intensiven Recherchen erkannt werden. Neue Namensschöpfungen drohen, die Situation noch unübersichtlicher zu machen. 3. Die Tätigkeit des Schrift- und Papiervergleiches mutet dem Aussenste- henden wie eine Arkandisziplin an. Kann das Recherchieren von Wasserzei- chen nach Ausschöpfen der einschlägigen Literatur noch von Spezialisten (z. Bsp. in der Papierhistorischen Sammlung der Deutschen Bücherei Leipzig) unterstützt werden, so bleibt der Forscher bei der Beurteilung einer Handschrift weitgehend auf sich allein gestellt. Die Ausbildung kann auf diese Situation kaum vorbereiten. Vor allem durch Erfahrung muss die not- wendige Sensibilität für diese Arbeit erworben werden. Irrtümer sind nie auszuschließen. Als Fazit ist festzuhalten, dass ein Handschriftenvergleich zwar von einer wachsenden Zahl von Forschenden unternommen wird, eine unter syste- matischen Gesichtspunkten zugängliche „Schreiberforschung“ im Bereich der Musikhandschriften jedoch nicht existiert. Die für den Einsteigenden unübersichtliche Forschungslage, die Probleme der Verifi zierung und die zunächst an subjektive Voraussetzungen gebunden erscheinende Methode richten hohe Hürden auf. Das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte interdisziplinäre Projekt „eNoteHistoy — Identifi zierung von Schreiberhänden in historischen Notenhandschriften mit Werkzeugen der modernen Infor- mationstechnologie“ nimmt diese Situation zum Ausgangspunkt. Musikwis- senschaftler, die im Rahmen von Graduierungsarbeiten an der Universität Rostock mit der Beschreibung von Musikaliensammlungen aus dem 18. Jahr- hundert befasst waren, suchten nach Hilfen, um große Mengen von Bildern verwalten, analysieren und vergleichen zu können. Ausserdem stand die Frage im Raum, ob es möglich ist, mit einer Datenbank eine vom Komponisten und Sammlungsort unabhängige Referenz zu entwickeln, die das Problem der kon- kurrierenden künstlichen Namen und der Identitäten über Sammlungsgren- zen hinweg zu bewältigen hülfe. Von Anfang an bemühte sich das Institut für Musikwissenschaft der Universität Rostock um eine Zusammenarbeit mit spezialisierten Informa- tikern. Mit dem Lehrstuhl für Datenbank- und Informationssysteme (Prof. Dr. Andreas Heuer) an der Universität und dem Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung Rostock (Prof. Dr. Bodo Urban) waren bald Forum_Musikbibl_komplett.indd 4 19.02.2004, 18:17 kompetente Partner gefunden. Seit Januar 2003 sind vier wissenschaftliche Mitarbeiter mit dem Projekt befasst. Die Universitätsbibliothek Rostock (Direktor Dr.-Ing. Peter Hoffmann) und der Lehrstuhl für Informations- und Kommunikationsdienste an der Universität Rostock (Prof. Dr. Clemens Cap) streben ein späteres Hinzutreten an. Im Folgenden soll die Musikaliensammlung der Universitätsbibliothek Rostock aus dem 18. Jahrhundert vorgestellt werden, deren Neukatalogisie- rung zu einem Auslöser für das Projekt wurde (Ekkehard Krüger). Danach wird gezeigt, in welcher Weise eNoteHistory zu einem Werkzeug für die Verwaltung von Katalogisaten und Digitalisaten entwickelt wird und welche Möglichkeiten Benutzern — Bibliothekaren sowie Musikforschern — gebo-