Spezial

80 Jahre GGGeorge Gruntz Wir verneigen uns vor einem On the sunny side grossen Musiker. of the street Ein Musiker und seine Zeit: George Gruntz zum Achtzigsten am 24. Juni. Wer genötigt würde, seine atemberaubende Biographie auf das Format eines Programmzettels oder Buchdeckels zu reduzieren, bekäme es mit der Angst zu tun, oder zumindest mit dem schlechten Gewissen. GVon Armin Brunner Natürlich kann man eine Compact-Version von Georges Lebenslauf oder Honegger immer zuhinterst in den Biographien versteckt hielt. herstellen und die klingt dann etwa so: «George Gruntz – er hat die Doch es war auf die Dauer nicht zu übersehen und schon gar nicht zu Meister des Barock verjazzt, Beduinen zum Swingen gebracht, mit überhören: «Der bislang kaum bekannte Sound», schreibt der deut- Rolf Liebermann die Jazz-Oper «Cosmopolitan Greetings»G geschrie- sche Musikwissenschaftler und Komponist Siegfried Borris, «brach ben; war viele Jahre musikalischer Direktor des Zürcher Schauspiel- herein über die internationale Musikszene und mit einer rasant an- hauses, leitete während 23 Jahren die Geschicke der Berliner Jazzta- schwellenden Kommunikationsbreite durchbrach er die etablierten ge, bereiste mit seiner grandiosen ‚Concert Jazz Band’ die Kontinente. Ordnungen und wurde mit ebenso viel frenetischem Jubel empfan- Wird 1995 mit dem Verdienstkreuz Erster Klasse der Bundesrepublik gen wie mit Ingrimm verteufelt, mit dem Bannstrahl der Verachtung Deutschland ausgezeichnet.» und Disqualifikation belegt, mit kategorischer Verunglimpfung». Damit ist zwar einiges gesagt, aber auch unendlich viel weggelassen. Das war die Zeit, als George seine ersten Finger- und Gelenkübun- Ich betone: sehr viel weggelassen! Hand aufs Herz: Wer mit Vereh- gen an seinem Jazzklavier absolvierte. Hätte er die Hörer-Typologie rung und Hingabe dem Musiker George Gruntz huldigen möchte, des Philosophen Adorno gekannt und an sie geglaubt, dann hätte er spürt sehr bald, dass er von der Materialfülle buchstäblich erdrückt erfahren, dass sein künftiges Publikum aus «Ressentiment-Hörern» wird, einer Fülle, die ihn verstummen lässt. bestehen wird ... Was weglassen, wie kürzen, um dieser exemplarischen Musikerbio- Unter den sieben Hörer-Kategorien, die Adorno eingerichtet hat, ran- graphie nicht Gewalt anzutun? Welche Höhepunkte gilt es herauszu- giert der Jazz-Hörer gerade mal an 5. Stelle und dort in einer Sonder- picken, wenn die Biographie ohnehin von Höhepunkt zu Höhepunkt stellung, eben als «Ressentiment-Hörer». Dann folgen nur noch der hüpft? «Unterhaltungshörer», für den die Musikindustrie tätig ist und am Ich greife also hinein in den mächtigen Strom des Gewesenen, ich Schluss der «Unmusikalische Hörer» als Ergebnis eines Erziehungs- greife heraus, ich ergreife, was ich mit zwei Händen zu erhaschen defektes. vermag. Bei genauerem Hinsehen gewinnt man unweigerlich den Soweit Adorno und seine Musikhörer-Rangliste. Und wir andern, Eindruck, dass der Lebenslauf von George Gruntz nur mit einer die wir uns an Schuberts Forellenquintett nicht satt hören konnten, Perlenkette vergleichbar ist, nur mit einer schillernde Perlenkette, was blieb uns? Auch wir bekamen unser Fett ab und durften deren einzelne Juwelen so stark funkeln und strahlen, dass man zur den folgenden Richterspruch aus Frankfurt – natürlich stehend – ent- Sonnenbrille greift. gegennehmen: «Wer sich heute noch an den schönen Stellen eines Leben heisst immer und jederzeit: Première – und bei aller Detailpla- Schubertquartetts oder gar nung ist Leben eine gewaltige Improvisation. an der provokant gesunden MASALLAH ! – der Liebe Gott soll Daher soll diese Mini-Hommage den Charakter einer Improvisation Kost eines Händelschen Con- ihn beschützen. Ich habe mit George tragen – es wird nicht nach Noten gespielt, es wird improvisiert, mit certo grosso labt, rangiert während vielen Jahren in ganz Europa, ein paar Standards im Rucksack. als vermeintlicher Bewah- in der Türkei, in den USA und Canada rer der Kultur unter den zusammen gespielt. Und habe auf diesen Tourneen viel von ihm gelernt, Improvisation 1: Schmetterlingssammlern.» wichtige Erfahrungen sammeln können Wie war das damals, als George Gruntz anfing? Mein Gott, wer möchte da und viele andere Musiker kennenge- Man muss sich das Musikleben der Nachkriegszeit vergegenwär- nicht Schmetterlingssammler lernt. Dafür bin ich ihm sehr dankbar. tigen, damals, als der 25jährige George seine musikalischen Fühler sein! Ich wünsche ihm noch viele gesunde ausstreckte. Wer in dieser Nachkriegszeit ins musikalische Erwach- Warum ich das erwähne? und erfolgreiche Jahre. Danke für das Œuvre, George Gruntz. senalter eintrat, dem wurde bald klar, dass der Jazz in den Sälen und Weil Georg weiss, auf was er Burhan Öçal Kathedralen der anspruchsvollen, und das heisst: der sogenannten sich einlässt, als er sich end- abendländischen Kunstmusik nichts zu suchen hatte. gültig entschliesst, Musiker und zwar Jazzmusiker zu werden. Zitat Praktiziert wurde eine strikte musikalische Apartheid-Politik. Jazz George Gruntz: «Wenn Sie mich fragen würden, was ich bin, wel- war dort, wo man sich mit dem Innenleben des «Wohltemperier- chen Beruf ich ausübe, hätte ich Ihnen geantwortet: Ich bin Jazz- ten Klaviers» oder der Sonate opus 111 befasste, ein Unwort – ein musiker und habe keinen Beruf. Damit sehe ich mich, ganz ohne «Four Letter Word». Eine eingestandene Zuneigung zu Swing und Werturteil, im Gegensatz zu einem Musiker klassischer Provenienz, Bebop war mit gesellschaftlicher Ächtung gekoppelt. dem Solisten im Stress, dem Musiklehrer in der Routine Ich tue das mit Mit dem dem Jazz zugeneigten Pianisten Friedrich Gulda kam das Freude, woran ich Spass habe.» gehobene Musik-Feuilleton nie zurecht. Jazz zu spielen oder zu be- wundern war ein Risiko für alle, die ihre Karriere auf Schumann und Improvisation 2: Etüde am Cembalo Chopin aufzubauen versuchten. Es fängt schon mal gut an – Talent und Glück reichen sich fürs erste Unvergessen die Konsternation und Sprachlosigkeit in Konservato- die Hände. Die Baslerin Antoinette Vischer, eine vermögende Pianistin riumskreisen, als Rolf Liebermann 1956 mit seinem Jazz-Concerto und Cembalistin, war des Zupfens und Zirpens barocker Suiten über- auf den Plan trat und Furore machte. Zwar wusste man, dass auch drüssig geworden und bestellte eine grosse Zahl frischer Cembalo- Debussy, Strawinsky, Ravel und andere ab und zu kleine Ausflüge musik direkt beim Komponisten. Die Stücke der Neu- und Neust- Ganz einfach. Fragen Sie uns. auf das Gelände der Jazzmusik unternahmen, aber das wurde nie so Töner aus der Alten und Neuen Welt ergaben im Endeffekt ein buntes T 058 280 1000 (24 h), www.helvetia.ch ganz ernst genommen, wie man auch Filmmusiken von Hindemith Panorama der zu jener Zeit aktuellen Kompositionstechniken.

3 Als Vollmitglied des «Basler Daigs» hat Antoinette Vischer damit einen uns an Augenblicke, in denen die Erde erbebt und der Vorhang von Sein Personaldossier gleicht einem Höhenweg-Spaziergang durch das sche Methoden und Theorien keinen Platz, starre Regeln und Prinzi- eigenen ganz persönlichen musikalischen «Daig» geknetet, indem sie oben bis unten zerreisst im Tempel des Mammon ... Arsenal der Superlative. Wo immer über George Gruntz gesprochen pien schon gar nicht, dafür umso mehr die geheimnisvollen Ord- die zu jener Zeit – also in den 60er-Jahren – bekanntesten Namen Aber: Kann man verflossene Zeit überhaupt spüren oder gar hören? und geurteilt wird, tut man es mit grossem Respekt, mit Worten der nungskräfte des immer wieder erprobten Zufalls. der sogenannten Avantgarde um sich scharte: Kagel, Haubenstock, Man kann: zum Beispiel mit Hilfe von Wort und Musik. Wort und Mu- Begeisterung und Verehrung und Zuneigung. Ligeti, John Cage, Earl Brown, Henze, Isang Yun, aber auch Musiker, sik sind die geheime Nabelschnur der Sinne zu aller Zeit und zu allen Epilog die ausserhalb dieses Zirkels standen, wie Boris Blacher, Gottfried von Zeiten – auch zum Jahr 1932, als George zur Welt kommt, als Ravel Improvisation 5: Wer in der Überfülle von Texten rund um das Wirken von George Einem, Peter Mieg, Rolf Liebermann. Sie alle verfassten avantgardisti- sein Klavierkonzert für die linke Hand schreibt, George Gershwin mit Die hohe Schule des Unwiederholbaren Gruntz herumstochert und herumwühlt, kommt aus dem Staunen sche Cembalomusik. Auch George Gruntz erhielt einen Auftrag. der Komposition seiner Oper «Porgy and Bess» beginnt. Notierte Musik – für den klassischen Musiker ist die Notenschrift quasi nicht heraus – wir wissen es. Kein Jazzjournalist, kein Musikerkolle- In diesem hoch-elitären Kreis aufgenommen zu sein, kam einem mu- Familien-, Musik-, Theater- und Weltchroniken sind Protokolle der die Heilige Schrift – die Auslegung erfolgt innerhalb des festgeleg- ge, kein Bundesrat und kein Staatsopern-Intendant, der nicht ver- sikalischen Ritterschlag gleich. George steuerte «Vier Jazz Etüden wirkenden Zeit, ihre Stränge sind unentwirrbar verwoben mit den ten Kanons. Auch nur geringe Abweichungen von der Schrift kann sucht hätte, dem Phänomen George Gruntz auf seine Weise gerecht über Motive von Hans Werner Henze» bei. politischen, technologischen und moralischen Umwälzungen ihrer Unheil heraufbeschwören. zu werden. Für den Dreissigjährigen war das Lob des schon weltberühmten Epochen und unauflösbar verbunden mit den Lebensspuren jedes Das ist anders in der Jazzmusik. Jazz ist die Hingabe an den Augen- Nicht allen gelingt das so überzeugend wie dem einstmaligen Chef- Henze geradezu lebenserhaltend: «Was ich von Gruntz höre» sagt einzelnen Zeitgenossen. Wenn wir den Zeitläufen nachgehen und blick, – den Augenblick, der nicht verweilt, mag er noch so schön sein redaktor der «Basler Zeitung» Hans-Peter Platz, der schreibt: «George Henze, « sind die schönsten und intelligentesten Improvisationen, die den Lebensspuren von George Gruntz, stossen wir auf eine immense ... darum darf der Jazzmusiker, mehr als jeder andere Musiker, einiges Gruntz lebt aus Überzeugung «on the sunny side of the street» ich je von einem Jazzmusiker gehört habe.» Fülle klangvoller Namen, die wie Leuchttürme im breiten Strombett riskieren, sogar viel riskieren, das Risiko ist sein Lebenselixier. und freut sich erst noch darüber. Das wirkt anziehend und anste- Ermutigendes und Aufmunterndes auch von Freundesseite: «Lieber George», schreibt der Staatsopern-Intendant und Zwölfton-Kompo- nist Rolf Liebermann, «laut einer Analyse des französischen Kultur- ministeriums wollen die jungen Leute zwischen 12 und 25 Jahren zu 80% Rock oder Jazz und zu 1% klassische Musik hören. Du sitzest also auf dem richtigen Ast, mein lieber George, und ich säge mit mei- nen 12 Tönen den meinen ab. Weiter also und viel Glück!

Improvisation 3: «Ragtime für 156 Büromaschinen» Szenenwechsel: Wir befinden uns auf dem Areal der EXPO ’64 in Lausanne. Zwei Lärm-Monster sorgen bei den Ausstellungsbesuchern für erhöhte Aufmerksamkeit. Zum einen klappert und lottert Jean GTinguelys «Heureka» im Halbstundentakt lautstark und autistisch vor sich hin, ein monumentales Räderwerk, dessen Räder unentwegt synchron drehen, aber nichts antreiben. Eine nutzlose Maschine, nur deshalb erfunden und erbaut, um bei den staunenden Zeitgenos- sen ein wenig Zweifel zu schüren an ihrem unerschütterlichen Fort- schrittswahn. Zum andern rattert und rasselt im Sektor «Les Echanges» nicht nur eine Einzelmaschine, sondern deren 156, durchwegs Geräte aus dem Arsenal Gder damaligen Büroausrüstungen, angereichert durch schrille Bahnsignale und Autohupen. Ein Klangsymbol für Handel, Gewerbe, Verkehr und Verwaltung – eine wie ein Sinfonieorchester aufgebaute weltliche Monstranz, die nur dynamischen und rhythmischen Effek- ten Raum lässt. Eine solche Komposition hat keine Aussicht auf ein Überleben. Diesem Klang-Ungeheuer musste Leben eingehaucht werden ... aber wie? Schon ganz der Weltmusiker ... Rolf Liebermann und George Gruntz 1964: Arbeit an der Partitur der Symphonie «Les Echanges» George Gruntz hatte die Lösung: Er verwandelte das Liebermann- sche Maschinen-Opus in George has made a major contribution eine lebensbejahende Para- der Erinnerung verankert sind und uns Fernes, längst Entfallenes in Der Jazzmusiker weiss, dass die herrlichsten Momente seines Musik- ckend zugleich. Macht ihn gleichzeitig verführbar und zum Verführer to jazz for years by keeping a big band phrase für einen Jazzpia- Sekundenschnelle vor Augen führen. Sie alle aufzuzählen, dauerte machens im Moment des Erklingens auch schon entwichen, unwie- und liesse ihn leichtfertig erscheinen, wäre da nicht ein spürbarer together and constantly adding new nisten und zwei Perkussi- allerdings länger als den Pilatus zu Fuss zu besteigen. derbringliche Vergangenheit sind (das mitlaufende Aufnahmegerät Gegenzug. Seine gelebte Treue zu Menschen und Sachen (auch mu- music. For me, he is particularly adept onisten – mit andern Wort Es sind die Namen von Musikern, Komponisten, Kollegen, Kritikern, ändert daran nichts). Kommt dazu, dass selbst der Augenblick nicht sikalischen), die ihm wichtig sind. Seine Unnachgiebigkeit, wenn es at arranging classic ballads. His harmo- gesagt: In ein Juwel kam- Intendanten, Intriganten, Managern, von Clubs und Gruppen und die fassbar ist, denn Musik wird erst greifbar, so paradox es klingt, wenn um Arbeit und Qualität geht. Seine Ernsthaftigkeit, mit der er sich um nic sense is very sophisticated as is his mermusikalischer Kleinkunst Erinnerungen an Kräche und Skandale. Hinter den Namen und Jahres- sie verklungen ist ... Verstehen und Wissen bemüht. understanding of what real jazz is about. George captures the spirit of this music im Grossformat, welches die zahlen verbirgt sich ebenso auch Privates, Unausgesprochenes ... und Wer sich auf den Jazz einlässt, muss sich Zeit nehmen und der ver- Ich habe George Gruntz immer so erlebt und schätzen gelernt, als perfectly and knows how to communi- Erinnerung an das EXPO- alles wiederum ist eingewickelt ins Packpapier der Weltgeschichte: lorenen Zeit nicht nachtrauern: eine besonders geglückte Wendung, Wanderer zwischen den Welten, musikalisch und menschlich. Als cate the love and respect he has for jazz Klangspektakel von 1964 Hitlers Machtergreifung zur Zeit, als George in der Wiege liegt – Sta- ein Sprung ins Ungewisse, ein Glissando ohne Ausgang – sie kom- Charmeur im Blazer der Zeit und hingebungsvollen jungen Pianisten. to the audience and fellow musicians während den folgenden lingrad als der Achtjährige ABC-Schütze wird – der Ungarn-Aufstand men so nie mehr zurück, denn zum «Zauber des Augenblicks» gehört Als lebenslustigen Geniesser und knallharten Profi im Musikgeschäft. alike. The scene in Europe would not be Jahrzehnten wach hielt. – 1956, als Sohn Felix-Sven zur Welt kommt– 1968 der Prager Früh- nicht allein nur der Spieler und dessen augenblickliche Verfassung, Als zornigen Probenleiter und ausgelassenen Animator. Als musizie- the same without the contributions of George hat diesen «Rag- ling, derweil George seine erste Bühnenmusik fürs Zürcher Schau- zu ihm gehört auch das mitgehende und mitfiebernde oder auch un- renden Spassvogel und beharrlichen Notenfuchser. Weich und hart George Gruntz. Dave Liebman time» öfters mal wieder in spielhaus schreibt. beteiligte Auditorium, das auf den agierenden Musiker einwirkt. zugleich: zusammengehalten und versöhnt durch eine Mitte aus seine Konzertprogramme Die späten 70er-Jahre: – Die Rote Armee Fraktion hält die Bundes- Aber was kettet den Musiker an sein Publikum? Es ist die gleiche Sachverstand und Offenheit ... das macht den liebenswerten und aufgenommen. Unvergessen die vielen Durchgänge während der republik in Atem – 1978 Geburt der Tochter Philine-Leonore – 1986 Luft und dieselbe Temperatur des Raumes. Die eingeatmete Luft ist ausserordentlichen Menschen George Gruntz überhaupt erst möglich KKL-Eröffnung im Frühjahr 2000 in Luzern. Tschernobyl – 1988 Uraufführung von «Cosmopolitan Greetings» in gleiche Luft, die auch die Schwingungen trägt, die durch Klarinette, und erklärbar.» Hamburg – 1989 Fall der Berliner Mauer – der 11. September 2001 – Saxophon und Trompete nach aussen gepresst werden. Das ist Nähe, Da gibt es nichts mehr hinzuzufügen. ˜ Improvisation 4: Eine Klang- und Weltchronik George geht allmählich auf die 70 zu. das ist Atmosphäre.

1932 bis 2012 – 80 Jahre – das sind auch die 80 prallgefüllten, Im Lebensbuch von George findet sich alles und alles gleich mehr- Es ist halt schon so: Jazz ist sowohl hot als auch cool. Doch lassen Armin Brunner hat als Dirigent zahlreicher Konzert- und Opernaufführungen im In- und Ausland, ereignisreichen Jahre des George Gruntz. Wenn wir diese Zeit ab- fach, was zu einer glanzvollen und einzigartigen Musikerlaufbahn wir das – so hört niemand Musik und wenn, dann könnte man ver- als Leiter der Neuen Zürcher Kammeroper, der Schweizer Städteoper, des Musikszenischen Studios Zürich, des Frauenfelder Oratorienchores, als Veranstalter der UBS-Arena-Konzerte, tasten, stossen wir auf Momente, in denen die Welt den Atem an- gehört: Eine singuläre Begabung, legendäre Konzertereignisse, Lo- rückt werden. der Migros-Klubhaus-Konzerte, als Produzent des «Frankfurter Sonoptikums», der Feiern zum hält, auf Momente des triumphalen Erfolgs, der tiefen Genugtuung. beshymnen, schmerzhafte Verrisse, häusliche Freuden, familiärer Komposition und Improvisation – als Gegensatzpaar ist es für George 250. Geburtstag von Goethe in Frankfurt und der Eröffnungsfeier des Kultur- und Kongresszen- trums Luzern, von Stummfilm-Vertonungen und TV-Produktionen und als Redaktionsleiter für Wir begegnen Momenten, in denen die Aussenwelten aus den Fugen Kummer, Trauer, Liebesleid und Liebesfreud, Heiterkeit, eine hohe Gruntz genau so wenig wichtig wie für Charlie Parker oder Georg Musik und Ballett beim Schweizer Fernsehen DRS die Schweizer und europäische Musikszene geraten und die Innenwelten auf dem Kopf stehen. Und wir erinnern Sensibilität, ein entwaffnender Humor. Friedrich Händel. In seinem musikalischen Weltbild haben akademi- wesentlich mitgeprägt.

4 5 Auch , der damals mit den «Swingle Singers» fest ver- Gemeinsam haben wir wahr- bandelt war, musste verzichten – sein «Ersatzmann» war allerdings scheinlich über 500 Konzerte bestritten, in allen möglichen Besetzun- Einfach magisch! kein Geringerer als der grosse Elvin Jones. Und verzichten mussten gen vom Duo zur Bigband, von Streichquartetten bis zum Sinfonie- wir schliesslich auch auf unseren Namen «The Band», der bereits seit orchester. Wenn ich mich aber entscheiden müsste, was mich von über die Anfänge der Concert Jazz Band und über seinen Freund George. den 60er Jahren jener kanadischen Rockband gehörte, die – eine allen diesen Erfahrungen am meisten berührt hat, dann würde ich Es war ein milder Herbsttag im Oktober 1971, als wir, auf der Terrasse der Kantine des Radio- kleine Bildungslücke unsererseits – 1965 mit legendären Konzerten antworten: die Duos mit Orgel und Trompete. Das ist bezaubernd – mit Bob Dylan Furore gemacht hatte. So beschlossen wir, das Or- zwei Jazzmusiker, zwei Barockinstrumente, ein Klang, der sich in den studios in Lugano sitzend, erstmals von der Gründung einer Bigband zu träumen begannen. chester in «George Gruntz Concert Jazz Band» umzuwandeln, zumal Gewölben einer Kirche entfaltet, mit natürlichem Hall zurückkehrt Seit einige Jahren bereits waren George, Daniel Humair und ich feste Mitglieder des Quintetts George seit Anbeginn die meiste Arbeit und die grösste Verantwor- und uns und alle Anwesenden gefangen nimmt. Einfach magisch! ˜ tung auf sich genommen hatte. meines Vaters Flavio, der ja bereits seit den 40er Jahren zu den Pionieren des modernen Jazz Der Trompeter und Flügelhornist Franco Ambrosetti gehört wie sein Freund und musikalischer So war also aus einem kühnen Weggefährte George Gruntz zu den prominentesten Schweizer Jazzmusikern. Neben unzähligen in der Schweiz gehörte und jedes Jahr mit unterschiedlichen internationalen Gästen während Traum meines Vaters «just for fun» innert weniger Jahre eine der Auftritten mit Gruntz in allen möglichen Formationen hat Ambrosetti seit den 70er Jahren als Bandleader und Mitglied zahlreicher internationaler Bands eine lange Reihe von Aufnahmen ge- einiger Tage für das Tessiner Radio Aufnahmen machte. weltweit besten, innovativsten – und inzwischen auch langjährigsten macht und Konzerte gespielt mit Musikern wie , Cannonball Adderly, Michael Brecker, – Bigbands und eine feste, perfekt funktionierende Institution ge- Mike Stern, John Scofield, Steve Coleman, Dave Holland und vielen mehr. Von Franco Ambrosetti worden, deren 40. Geburtstag wir im November 2011 in Lugano, wo alles anfing, mit einem Gala-Konzert stolz und vergnügt feierten. Was aber bedeutet mein Freund Eigentlich ist zu George Gruntz schon alles gesagt wor- George für mich persönlich? Was ich an ihm am meisten bewunde- den, trotzdem komme ich der Einladung von Jazz‘n‘more, re, sind seine Durchsetzungskraft, seine unerschöpfliche Kreativität etwas über meinen Freund George zu schreiben, gerne nach, und sei es auch nur mit einer meiner Lieblingsan- und Innovation, sein Mut und seine Ausdauer, die Phantasie und ekdoten aus der Zeit, als Gruntz künstlerischer Leiter der harte Arbeit, die ihm eine höchst erfolg- und ertragreiche Karriere Berliner Jazztage war. über ein ganzes halbes Jahrhundert beschert haben. Seine tiefen – Jost Gebers, Initiant und Mastermind des 1968 in harter und immer auch wirklich «gelebten» – Überzeugungen, sein anste- Konkurrenz zu den Berliner Jazztagen gegründeten ckender Optimismus und seine überragende Professionalität, Weit- Total Music Meetings, geriet bei einem seiner seltenen sicht und Loyalität gegenüber seinen Musikern und Freunden machen Backstage-Besuche in der Philharmonie neben George, George zu einer Persönlichkeit, wie man sie – nicht bloss im Jazz – der durch das Fenster der geschlossenen Bühnentür das nur selten antrifft. musikalische Geschehen verfolgte. Gebers, nie um ein Und so ist er eben auch, mein klares Wort verlegen: «Für so einen Scheiss vergeudest Freund George: Spontan, ehrlich, witzig, humorvoll, neugierig und Du nun mein Steuergeld!» – Gruntz, wie meist die Liebenswürdigkeit in Person, zögerte keinen Moment, offen. Das meiste, was ich ausser dem Trompetenspielen gelernt holte sein Portemonnaie aus der Hose und fragte habe, kommt von ihm. Unzählige Projekte haben wir zusammen Gebers: «Was bin ich dir schuldig?» realisiert, in Europa und in anderen Kontinenten. Jede Zusammenar- Ihno von Hasselt, damals und bis heute Produktionsleiter der beit war für mich wichtig, intensiv und von ernsthafter Leichtigkeit. Berliner Jazztage (heute JazzFest Berlin) Wichtig ist ihm nicht, was glänzt und glitzert, sondern was bleibt. JNM_JF_Inserat_Gruntz_210x148.pdf 1 20.04.12 08:58

«Was ich an George am meisten bewundere, sind seine Durchsetzungskraft, seine unerschöpfliche Kreativität und Innovation, sein Mut und seine Ausdauer, die Phantasie und harte Arbeit» Jazzfestival DESIGN CUENI AG An jenem Tag, in der Mittagspau- Aber zuvor fanden in der Villa se, erzählte mein Vater von seinem seit langem gehegten Wunsch, meines Vater auf dem Gentilino ob Lugano über die drei Ostertage Basel 2012 eine eigene Bigband auf die Beine zu stellen und mit ihr auf Tour- Proben und Aufnahmen (für die Doppel-LP «The Alpine Power Plant») 19. April bis 06. Mai nee zu gehen. George, der immer auch die finanziellen Seiten seiner statt, die wohl keiner der Beteiligten je vergessen wird. In den Salons musikalischen Tätigkeiten im Auge behielt, warf die Frage nach den wurde alles entfernt, was nicht niet- und nagelfest war, Möbel, Bil- Kosten eines solchen Abenteuers auf. Mein Vater erklärte, ohne auch der, Skulpturen und Teppiche. Im Gästezimmer installierte sich unser C > 28 l 04 Afro-Cuban Night - Roberto Fonseca «YO» nur einen Augenblick zu zögern, dass er bereit sei, das notwendige Tonmeister Pitt Linder mit seinem Aufnahmepult und einem einfa- Geld zur Verfügung zu stellen, wenn auch andere Sponsoren mit- chen 15-Inch-Revox-Gerät. Der junge Journalist Peter Rüedi, unser M > 30 l 04 Dig my Trane - George Gruntz & NDR Bigband machen würden. Nachdem sich mein Vater so im Handumdrehen PR-Manager, kümmerte sich mit all seinem jugendlichen Charme um Y > 02 l 05 India meets Jazz - Trilok Gurtu Quartet G eorge Gruntz LIVE in Basel! eine Bigband geschenkt hatte, gingen wir daran, uns ein einfaches das Wohlergehen der Musiker. Während der Pausen spielten die Mu- CM The Basle Jazz Night - Spinnler / Stiefel - Duo, Konzept zurecht zu legen, das unsere Band in Bezug auf Origina- siker Fussball und Basketball auf der grossen Wiese vor dem Haus. MY > 03 l 05 Feigenwinter 3 lität und Einzigartigkeit von den bereits vorhandenen Bigbands Insgesamt hätten wir fast zwei ganze Fussballmannschaften zusam- CY unterscheiden würde. Die paar einfachen Regeln gelten übrigens mengebracht, mit so illustren Stürmern und Verteidigern wie Benny CMY > 04 l 05 Electric/Acidjazz - Medeski-Martin-Wood bis heute: Erstens soll das Orchester ausschliesslich aus Solisten be- Bailey, , Dusko Gojkovic, Jiggs Wigham, Åke Persson K stehen, also aus Musikern, die bereits eine eigene Karriere hinter und Runo Erikson, Phil Woods, Eddie Daniels, , Sahib > 05 l 05 African Vocals - Amadou & Mariam sich haben. Zweitens sollen nur von den Co-Leadern komponierte Shihab, , Niels-Henning Ørsted Pedersen und anderen. Ein > 06 l 05 The Magic Trio - Richard Galliano / Biréli Lagrène / Stücke ins Programm aufgenommen werden. Drittens: Alle Arrange- echtes Dreamteam! Didier Lockwood ments sollen von George stammen, der – viertens – auch die Band Mein Vater, Gérard Lüll und Geor- > 15 l 05 In Kooperation mit allblues Konzert AG - Lee Ritenour Acoustic Band leiten und dirigieren soll. Und schliesslich sollte unsere Band natürlich ge hatten noch weitere Konzerte in Italien und der Schweiz organi- «THE BAND» heissen. Das war‘s. sieren können. Der Erfolg und die Kritiken bestärkten uns in unserem > Tickets: Mit Hilfe von Georges Freund Ger- Willen, dass «The Band» keine Eintagsfliege bleiben soll. Es dauerte www.ticketcorner.com 0900 800 800 (CHF 1.19/min) l Manor l Bider und Tanner l Post-Filialen l Bahnhöfe SBB l Stadtcasino Basel l ard Lüll (als Produzent und Co-Leader) planten wir für den kommen- allerdings vier Jahre, bis die Band 1976 endlich wieder auf Tournee Migros Dreispitz l BaZ am Aeschenplatz l den Frühling unsere erste Bigband-Tournee. Am 7. April 1972 fand gehen konnte, mit neuen Musikern, einem neuen Repertoire und www.jazzfestivalbasel.ch im Teatro Kursaal in Lugano dann auch tatsächlich die Premiere der einem sehr viel professionelleren Management, das uns erlaubte, Kooperation «The Band» statt; sie wurde vom SchweizerG Fernsehen auch aufge- auch an grösseren internationalen Festivals aufzutreten. Die dritte, zeichnet. bereits neuntägige Tournee im Jahr 1978 fand allerdings ohne mei- nen Vater statt, der als Industrieller nicht so lange abkömmlich war. G6 Gruntz aber, der sich immer durch und durch als Jazzmusiker ver- entiere ich mich eher an der klassischen Moderne, den Zwölftönern, stand, schrieb seine Opern – wie übrigens auch seine Oratorien oder den Seriellen und ihren Nachfolgern, an Komponisten wie Luciano Vom Teufel der Neugier Kantaten – immer für Jazzorchester und für improvisierende Jazz- Berio, Henry Pousseur, Earl Brown und Rolf Liebermann», schreibt er musiker. Und er bestand darauf, dass improvisierte Soli, wie im Jazz in seiner Autobiographie. üblich, immer eine Hauptrolle spielten. Aber zugleich sollten seine Zuerst aber ging es einmal darum, die konventionellen Song-For- geritten Opern immer auch Opern im Sinn der europäischen Tradition sein, mit men aufzubrechen. Natürlich sind Grossformen im Jazz nicht eine Rezitativen und Arien, mit einer dramatischen Handlung, einer «Ge- Gruntz‘sche Erfindung, auch hier haben Ellington mit seinen berühm- Anmerkungen zur Musik von George Gruntz. schichte». Oper aber heisst seit Monteverdis «Orfeo» immer auch, ten Suiten, Mingus und andere bis hin zu Don Ellis vorgespurt. Niemand wird so vermessen sein, etwas Abschliessendes zu schreiben über all die Kompositionen, dass die Musik nicht wie im Schauspiel bloss «Zutat», Begleitung, Aber Gruntz hat sich nicht damit beschieden, kleine Songformen zu Untermalung oder Zwischenspiel ist, sondern zusammen mit den grösseren Gebilden zu addieren; ihm als Kenner der europäischen die Opern, Oratorien, Kantaten, die Projekte mit Schweizer Volksmusik und aussereuropäischen Rezitativen den Handlungsablauf selber vorantreibt, der «Motor» des Musiktradition bot sich ein breites Repertoire an Formen an, Rondo- Folkloren, die Film-, Schauspiel- und Ballettmusiken, die George Gruntz in den vergangenen Dramas ist. und Sonatenformen mit Nebenthemen, eingeschobenen Episoden Aus diesen unterschiedlichen Ansätzen kombinierte Gruntz seine ei- mit Taktwechseln, Reprisen und mehr. Der postmoderne Eklektiker 60 Jahren geschrieben hat. Begnügen wir uns also mit einigen wenigen Hinweisen. gene Art von Oper. In «The Holy Grail Of Jazz And Joy», der Bear- Gruntz hat sich da spielerisch bedient, aber daraus immer seine beitung des märchenhaften «Merlin»-Stoffs, etwa ersetzte er alle eigene Musik geformt, ohne sich sklavisch an irgendwelche strengen Von Christian Rentsch handelnden Figuren ausser der Königin Guinevra () und Regeln zu halten. Merlin (Bobby McFerrin) durch improvisierende Instrumentalisten; und Bei aller überquellenden Phantasie und Experimentierlust hat Gruntz Wer mit George Gruntz regel- Popmusik und im Jazz: Da er nur zwei Hände hatte, wo er ein gan- so spielte etwa der Tubaspieler Howard Johnson einen wunderba- aber nie das seriöse Jazz-Handwerk vergessen. Und auch nicht den mässig verkehrt, wird immer wieder überrascht. Woher auch seine zes Dutzend gebraucht hätte, um all die neuen E-Pianos, Synthesi- ren König Artus, der Posaunist David Bargeron den edlen Sir Lanze- Bezug zur Jazztradition, mit der er nie gebrochen hat, sondern die E-Mails, Anrufe oder Couverts kommen, aus Sigriswil, New York, zers und elektronischen Orgeln zu spielen, schrieb er eine Reihe von Hamburg, Istanbul, Allschwil oder sonst einem Winkel der Welt, Stücken und lud fünf Pianisten dazu, um mit all diesen neuen Klän- immer schreibt oder erzählt er von neuen Projekten, von Tournee- ge gleichzeitig spielen zu können. Die beiden «Piano Conclave»-LPs plänen, von eben abgemischten CDs, von Konzerten hier und Work- von 1973 und 1975 sind vermutlich die einzigen Einspielungen der hops dort, – und von seinen Schreib-Marathons – «arbeite derzeit Jazzgeschichte, in der alle (damals gebräuchlichen) Keyboards zu wieder acht Stunden am Tag – und nach dem Nachtessen noch ein- einem einzigen vielstimmigen Orchester zusammengebracht wurden. mal zwei, drei Stunden. Lilly wird mir verzeihen». So geht das Monat für Monat, Jahr für Jahr, seit Jahrzehnten – und bis heute, kurz vor Bei Antoinette Vischer lernte er seinem Achtzigsten. Warum aber tut er sich das an? Welcher Teu- 1963 auch den um 22 Jahre älteren Rolf Liebermann kennen, auch fel reitet ihn bloss? Wer sein Temperament kennt, wird es unschwer er ein musikalischer Freigeist, der bald ein väterlicher Mentor und erraten: es ist seine Neugier, seine Offenheit gegenüber aller Mu- lebenslanger Freund wurde. Eine erste Zusammenarbeit ergab sich sik, die nicht aus der Retorte kommt. Und seine Lust, sich auf jedes 1964 anlässlich der EXPO in Lausanne, für die Liebermann eine knapp musikalische Abenteuer einzulassen. «Je mehr ich komponiere», dreiminütige «Symphonie ‚Les Éxchanges‘» für 156 Büromaschinen sagte er einmal in einem seiner nächtlichen Telefonate, «desto mehr schrieb. Da diese verrückte, durch Lochkarten gesteuerte Rhythmus- erkenne ich, was es noch alles zu entdecken gibt, desto mehr Ideen maschine aus plausiblen Gründen nur stationär in Lausanne gespielt George Gruntz Concert Jazz Band, 1978 kommen mir, was ich auch noch schreiben muss.» werden konnte, schrieb Gruntz eine weitaus längere Jazzversion im Reiseformat, für zwei (lebendige) Schlagzeuger und präpariertes lot. Ihre instrumentalen Arien und Rezitative waren beredter, als dies er immer fortgeschrieben hat. Das mag oberflächliche Hörer dazu Als Gruntz Ende der 50er, an- Klavier. tausend Worte hätten sein können. verleiten, in seinen Kompositionen nur den traditionellen Bigband- fangs der 60er Jahre schweizweit und international bekannt wur- Weitaus folgenreicher war ein anderer Floh, den Liebermann seinem Noch einige Schritte weiter ging Gruntz in seiner avanciertesten Oper Sound zu hören. Ihnen entgeht, was seine Kompositionen eben auch de, im Basler Atlantis, an den Zürcher Jazzfestivals von André jungen Freund ins Ohr setzte: Er lud Gruntz ein, für die Hamburgi- «Cosmopolitan Greetings», die das Leben der Jazzsängerin Bessie ausmacht: das Versteckspiel mit Zitaten, Anspielungen und Assozia- Berner, als Pianist der All Stars, als Begleiter sche Staatsoper, deren Intendant er in den 70er Jahren war, eine Jazz- Smith zum Thema hatte. Zwar hält sich Gruntz auch da ganz an die tionen, mit kleinen musikalischen Scherzen oder ironischen Hinwei- der Sängerin Helen Merrill auf Tourneen bis nach Japan, als Haus- Oper zu schreiben. Gruntz, der sich schon in jungen Jahren kaum von Form der traditionellen Nummernoper mit ausgedehnten Orches- sen, hier eine typische harmonische Wendung, wie sie nur bei Monk pianist in den Pariser Clubs für Roland Kirk, Woody Shaw, Art Selbstzweifeln bremsen liess, schrieb in Windeseile eine «World Jazz terpartien, mit Rezitativen, Arien und Zwischenspielen (die von Lie- vorkommt, dort eine kleine melodische Verzwicktheit, die man von Farmer oder Gerry Mulligan, da klang er noch kaum anders als an- Opera», nach einem skurrilen Konzept des deutschen Schriftstellers bermann stammen), aber er abstrahiert die Handlung völlig von der Coltrane kennt. Und: Wer die Biographie von Mingus nicht genau dere Hardbop-Pianisten wie Horace Silver oder Wynton Kelly – man Peter O. Chotjewitz, der sich (zugegeben: etwas vulgärpsychologisch) konkreten Biografie, der tragischen Lebensgeschichte der Sängerin; kennt, wird etwa all die musikalischen Verweise und Anspielungen kann dies getrost seine plagiatorische Phase nennen. an Schikaneders Libretto für Mozarts «Zauberflöte» herangemacht das handelnde «Subjekt» sind gleichsam die Lebensumstände, die auf skurrile Anekdoten in seiner Suite «Magnus Maxismus Mingus» Die dauerte allerdings nur kurz. Allenfalls bis Mitte der 60er Jahre, hatte. Das Frühwerk verschwand allerdings aufgrund unendlicher das Leben von Bessie Smith zur Tragödie werden liessen: das triste nicht entschlüsseln können. Das sind sozusagen «Goodies» für die als er die unkonventionelle Basler Cembalistin und Förderin Antoi- Probleme und finanzieller Hindernisse für Jahrzehnte in einer Schubla- Leben in einer Provinzstadt wie Chattanooga, wo Smith aufwuchs, Spezialisten und seine Musikerfreunde, der Laie aber wird spüren, nette Vischer kennenlernte, die eifrig daran arbeitete, das Cembalo de und wurde erst 2003 in völlig überarbeiteter Form als «The Magic das lockende Abenteuer, der Schock und die Verführung der glitz- dass in seiner Mingus-Suite mehr Mingus drinsteckt als in vielen die- aus dem Barockmusik-Ghetto herauszuholen und die einer Reihe von Of A Flute» in Hamburg und am Menuhin Festival Gstaad aufgeführt. ernden Grossstadt, der verderbliche Ruhm im Show-Business, aber ser Mingus-Adaptationen, mit denen sich manch eine renommierte Komponisten Aufträge vergab für zeitgenössische Cembalomusik. In der Zwischenzeit aber befasste sich Gruntz, immer wieder frisch auch private Liebe, Einsamkeit, Sterben. Das musikalische Geschehen Bigband vor dem grossen Alten verbeugt. Gruntz, der Jüngste und einzige Jazzmusiker unter Leuten wie John animiert durch Liebermann, der inzwischen Generalintendant der Pa- und die Improvisationen der Instrumentalsolisten spannen diesen Erst recht gilt diese permanente Weiterentwicklung des Traditions- Cage, Rolf Liebermann, Mauricio Kagel und György Ligeti, begann riser Oper und dann wieder an der Hamburger Staatsoper war, auch ganzen dramatischen Bogen, während die Songs über Lyrics von bestands für Gruntz ausgeklügelte Arrangiertechnik. Wer da nur sich mit der zeitgenössischen Moderne zu befassen und schrieb eine weiterhin mit der Oper. 1982 schrieb er für das legendäre New Yor- Ginsberg, gesungen von Sheila Jordan, Renée Manning, Mark Mur- «konventionelle Bigband-Sätze mit ein paar schrägen Harmonien» Reihe von Stücken, so «Drei Lieder für weibliche Stimme und Cemba- ker La Mama Theatre das Stück «Money», ein Jahr später für den phy und , wie die Arien in der klassischen Oper vor hört, wie man vor ein paar Jahren über Gruntz lesen konnte, der lo» oder «Vier Jazz-Etuden über Motive aus Henzes ‚Six Absences‘». «Steirischen Herbst» «The Holy Grail of Jazz And Joy», und 1988 allem Stimmungen, Schmerz, Freude, Verliebtheit, Lust und Verzweif- kann oder will nicht richtig hinhören. Denn: Gruntz hat im Verlauf Die Beschäftigung mit den Möglichkeiten und Unmöglichkeiten des dann «Cosmopolitan Greetings» zu einem Libretto des amerikani- lung beschreiben. Mit «Cosmopolitan Greetings» hat Gruntz unter seiner Auseinandersetzung mit der klassischen Moderne, den «Zwölf- Cembalos öffneten zugleich sein Ohr für die Barockmusik, für Lul- schen Beat-Poeten Allan Ginsberg, das im allerletzten Jahr von Lieber- weitgehender Beibehaltung der klassischen Opernform eine Tür ge- tönern», ein eigenständiges Tonsystem entwickelt, das es ihm ermög- ly, Couperin, Rameau und Telemann. Das Resultat waren zwei «Jazz manns Hamburger Intendanz dann doch noch zur Aufführung kam. öffnet zu den zeitgenössischen Musiktheatern mit ihren abstrakten licht, komplex polytonal zu schreiben. (Für Nicht-Musikologen: Po- Goes Baroque»-LPs unter anderem mit Klaus Doldinger, Emil Man- Es ist wohl keine Übertreibung, wenn man behauptet, dass die Opern Erzählweisen, wie man sie von Kagel, Nono, Berio oder Stockhausen lytonal heisst, dass die einzelnen Instrumente oder Instrumenten- gelsdorff und den Jazz-Flötisten Leo Wright und , die von Gruntz die ersten Jazz-Opern der Musikgeschichte sind, die die- kennt. gruppen gleichzeitig in verschiedenen Tonarten spielen, wobei im noch heute frischer klingen als damals schon die blutleeren Barock- sen Namen zu Recht verdienen. Denn was sonst gemeinhin unter die- Auch als Bigband-Komponist hat komplexesten Fall alle zwölf Halbtöne der chromatischen Tonleiter Spielereien von Jacques Loussier, und ihm zu seinem ersten (und sem Etikett firmiert, ist entweder kein Jazz oder keine Oper. In den Gruntz die Grenzen der traditionellen Bigbandmusik mehr als nur das annähernd gleiche «Gewicht» haben.) Man muss schon weit bisher grössten) Plattenerfolg verhalfen. «klassischen» Jazzopern wie Gershwins «Porgy And Bess» gibt es ein bisschen gedehnt. Zwar gab es auch da eine plagiatorische Pha- herum suchen, um einen Jazzkomponisten zu finden, der das mit Nicht dass es seither in seinen Improvisationen von Barockphrasen zwar einige Jazzmelodien wie das grossartige «Summertime», aber se, in der die damals führende Bigband, das Thad Jones / auch nur annähernder Meisterschaft betreibt wie George Gruntz. oder Henze-Zitaten wimmelt, aber: Hier zeigte sich erstmals seine die Musik selber hat mit Jazz so wenig zu tun wie Ernst Kreneks Orchestra, als Vorbild diente. Und natürlich kommt kein Bigband- So soll ihn denn der freche Teufel der Neugier ruhig noch einige Lust und Fähigkeit, Neues, Ungewohntes, Fremdes eklektisch, aber «Johnny spielt auf» oder Kurt Weills «Dreigroschen-Oper. Umgekehrt Komponist jemals darum herum, bei Duke Ellington, dem grossen weitere Jahre reiten. ˜ produktiv in seinen eigenen musikalischen Horizont einzupassen ist Carla Bleys Jazz-Oper «Escalator Over The Hill» zwar ganz Jazz, Meister differenziertester Klangfarbenmalerei, zu lernen. Aber Gruntz Christian Rentsch arbeitete seit Ende der 60er Jahre als freier Mitrabeiter, später als Kultur- Typisch dafür sind etwa die «Piano Conclave»-Projekte, seine Reak- aber nicht im Geringsten eine Oper. hatte auch hier bald seine eigenen Vorstellungen: «Wann immer ich redaktor und Ressortleiter beim Zürcher Tages-Anzeiger. Seit über 10 Jahren schreibt er als tion auf die Elektrifizierung des Keyboard-Instrumentariums in der in meinem Schaffen die traditionelle Funktionsharmonik verlasse, ori- freier Publizist unter anderem für Jazz‘n‘more. GG8 9 die Welt, nach Latein- und Südamerika, in die Länder Nordafrikas, damals das Monk-Porträt) mit der Bigband des NDR in Hamburg. Das in den näheren und ferneren Osten, dann immer von hier aus. Und Schreiben des George Gruntz, sei es in Komposition oder Arrange- hierher kehrt er zurück. ment, reflektiert stets den europäischen Horizont in der historischen Die Geschichte des Weltbürgers Gruntz beginnt früh – schon in der Entwicklung der Musik – und von hier aus weitet sich der Horizont Mitte der 60er Jahre, in der Epoche des grossen Ausprobierens nach des Menschen und Musikers hinaus in die Welt. ersten nennenswerten Erfolgen des Klavierbegleiters an der Seite Auf dieser Reise ist George Gruntz sehr weit gekommen. Und ist er bedeutender amerikanischer Vorbilder, in der Zeit also der intensiven immer noch unterwegs. ˜ Suche nach gangbaren eigenen Wegen weg vom amerikanischen Michael Laages stammt aus Hannover und kennt sich aus mit Jazz, Theater und Kabarett. Kanon und hin zur europäischen Perspektive, setzt sich der Pianist Seit 35 Jahren arbeitet er als freier Journalist – für Theater-Fachzeitschriften ebenso wie für nicht nur ans schwesterliche Cembalo und beschwört den Swing in Radio-Redaktionen und die Jazz-Abteilung des NDR in Hannover. Zum 40jährigen Bestehen vom Berliner «JazzFest» gabG er für die Berliner Festspiele einen Almanach heraus. der Barock-Musik; der begeisterte Forscher unternimmt auch die ers- ten Reisen in die Ferne – zum Beispiel nach Tunesien. Joachim-Ernst Berendt steht ihm hilfreich und Resonanz stiftend zur Seite, er pro- «Spanish Castles»G Als junger Schüler beschäftigte ich duziert «Noon in Tunisia», die erste Platte, die dezidiert die Begeg- mich eine Weile intensiv mit dem französischen Geigen- nung des Jazz mit einer regional verwurzelten Klang- und Kompositi- virtuosen Jean-Luc Ponty. Besonders gefiel mir ein fröh- onstradition sucht und findet, hier mit der Musik der Beduinen. Was liches Stück namens «Spanish Castles», eine Art Blues Melodien, Harmonien und natürlich Rhythmen betrifft, dokumentie- mit ein paar Dominant-Sept-Akkorden, wie sie mir zu ren diese ersten Begegnungen Kohärenz und Differenz zugleich; und dieser Zeit sehr gefielen. Vier Jahre später nahm ich am im Nebeneinander, Mit- und Durcheinander der Stimmungen und Generations-Festival in Frauenfeld teil. In der Jury sass Klänge wird so etwas wie eine gemeinsame Sprache kenntlich. George Gruntz. Während unseres ersten Gesprächs vor der Preisverleihung gab sich Gruntz nicht nur als Pianist jener Gruppe von Ponty, sondern auch als Komponist Foto: Dragan Tasic/nga.ch Vorurteile sind an der Garderobe abzugeben meines einstigen Lieblingsstücks zu erkennen. Gruntz entwickelt aus und mit ihr eine allumfassende Theorie der Jahre später, nach meinem dreijährigen Jazzstudium und «Weltsprache Jazz» – und ist seit 1972 als musikalischer Direktor der dem Master für klassische Geige am Konservatorium In die Welt hinaus – Berliner «Jazztage» (das zehn Jahre später dann «JazzFest» heisst) Zürich, klingelte eines tristen Tages in der Übungszelle mit der Erkundung der unterschiedlichen Dialekte und Idiome im das Handy. Am Apparat: George Gruntz. Ob ich Lust Kern dieser Ur-Sprache beschäftigt. Ein Festival wie das von Berlin, hätte, mit ihm und dem Akkordeonisten Luciano Biondini das Universum eines finanziell gestützt von der staatlichen Administration wie von den ein Konzert zu spielen. Die Frage war rhetorisch, denn öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der ARD, kann – so formu- natürlich hatte ich riesig Freude. Kurz darauf erhielt ich liert es Hausherr Gruntz in einer sehr haltbaren Definition – so et- Post von George mit Vorschlägen, was wir spielen könn- Weltmusikers was sein wie ein Bahnhof, in den hinein aus aller Herren Länder die ten. Tobias Preisig Schienen der Welt führen; und unter dem weiten Dach der zentralen Bahnhofshalle beginnen sich die Klänge der eintreffenden Züge zu IMPRESSUM: Herausgeber, JAZZ‘N‘MORE, Peewee Windmüller 2012 Zuhause, in Basel, wo er aufgewachsen ist, hat es ihn nie gehalten. Immer war er Idee und Redaktion Christian Rentsch, Gestaltung Theres Windmüller vermischen. Nicht immer trennscharf zu 100 Prozent, aber immer kre- Dragan Tasic Foto und Felix Gruntz für die Archivbilder. unterwegs, leibhaftig und in eigenen Kompositionen, in Paris zuerst und natürlich immer wieder ativ, zumindest für den Teil der Kundschaft, der sich daran gewöhnen Wir danken allen Journalisten und Mitarbeitern, Helvetia Versicherungen Daniel Brunner, ZKB Zürcher Kantonalbank Christoph Marthaler, Heivisch Heiner Vischer, in den USA, wo die Musik seiner Leidenschaft herkam, aber bald auch in Nordafrika will, zwischen den Tönen zu hören – stilistische Schubladen werden TCB – The Motreux Jazz Label Peter Schmidlin und OffBeat-Konzerte Basel. fest verschlossen und Vorurteile sind an der Garderobe abzugeben. und Lateinamerika, im Nahen und Fernen Osten. So wurde er, was manch einer nur So ähnlich sieht er im Grunde auch die Jazzmusik selber – unter ih- allzu gerne wäre: ein musikalischer Kosmopolit. rem Dach, also dem weit gespannten Schirm aus Struktur stiftenden Möglichkeiten des Arrangements wie mit Mitteln und Methoden der Von Michael Laages Freiheit in der allgegenwärtigen Improvisation, könne musikalisch im Grunde die ganze Welt Platz finden. Verstehbar und zugänglich Die Bergbahn rattert gemütlich bergauf, hinauf zum Jungfraujoch. jedenfalls, so Gruntz, seien die Sprachen des Jazz in jedem Fall im- Zuhause ganz weit weg Geladen hat sie eine komplette Bigband, mit Instrumenten, Technik merzu und überall. und allem Drum und Dran, ausserdem eine handverlesene Schar von Wovon diese Reise-Erinnerung erzählt? Vom Doppelgesicht des Men- Die weltumspannende Idee mag sich nicht immer überzeugend Gästen, die zum Mitfeiern eingeladen sind. Den höchsten per Schie- schen und Musikers George Gruntz – dem nämlich kaum etwas eingelöst haben in den 23 Jahren, da George Gruntz das Berliner ne erreichbaren Ort der Schweiz hatte George Gruntz sich ausge- wichtiger ist als das Bewusstsein des Woher-wir-kommen; und der Festival leitete; und so dicht hagelten zuweilen die Prügel der lokalen sucht, um vor sechzehn Jahren im Herbst das 25jährige Bestehen der zugleich nichts mehr befördert als die Begegnung all dieses oft all- und überregionalen Presse in Berlin, dass Gruntz sich ein dickes Fell Concert Jazz Band spektakulär zu feiern. Der Aufstieg von Interlaken zu Bekannten mit dem Fremden, das es – in Widerspruch und Über- zulegen musste. 1994 nahm er höchst ironisch Abschied: Wenn er hinauf zur Bergstation Jungfraujoch ist gleich in mehrerlei Hinsicht einstimmung – ergänzt und veredelt, in jedem Fall bereichert. nur geahnt hätte, kommentierte er den anhaltenden Beifall in den signifikant für Leben und Werk eines sehr speziellen Musikers. Der ist Gern erzählt er die Geschichte vom Schlagzeuger , finalen Tagen, wie freundlich die Berliner ihm gegenüber sein könn- nämlich zugleich tiefstmöglich verwurzelt in seiner näheren Heimat der Ende der 80er Jahre zum Team der legendären, in Hamburg urauf- ten, dann wäre er natürlich schon viel früher gegangen … und will dabei jedes Mal von Neuem die Horizonte eröffnen für alle geführten Jazzoper «Cosmopolitan Greetings» gehörte und häufig Das Konzept aber vom Gleichgewicht, vom gleichen Wert der musi- Welt drum herum. auch zur «Concert Jazz Band» – wie der in Gruntz’ Heimatstadt Basel kalischen Sprachen der Welt unter den Fittichen des Jazz, blieb un- Als die kleine (nein: gar nicht so kleine!) Reisegruppe oben ankommt, die Trommler der Fasnachts-Cliquen kennen lernte; wie er verblüfft beschädigt durch all die Jahre; und als nach einigem personellen Hin herrscht dichter Nebel, an jenem Tag im September 1996; alles ist deren unerhörten Virtuositäten noch in den allerkrausesten Metren und Her und Auf und Ab der frühere Bremer ARD-Redakteur Peter dicht, zu sehen ist nichts. Und doch wird aus dieser Fahrt ins Graue lauschte; wie er dann mitzumischen begann – und wie schnell Adam Schulze für einige Jahre die Leitung übernahm beim «JazzFest» Berlin, schnell und ohne viel Federlesen ein fulminantes Schweizer Fest – die Nussbaum schliesslich zum Basler Ehren-Trommler wurde. Und es soll brach eine noch radikalere Weltmusik-Epoche an in der demnächst Sängerin Erika Stucky nämlich (sie ist der gefeierte Gast der «Con- noch ein paar Schlagzeuger geben, die auf diese Weise beinahe Bas- 50jährigen Geschichte dieses bedeutenden Festivals. cert Jazz Band» in jenen Jahren) schleppt eine kleine Kollegen-Schar ler wurden. Die eigene Rolle als Musiker in den Begegnungen mit fremdem Klang hinaus in Kälte, Nebel und Wind, sie lässt die Münze in der Schüssel Als George vor zehn Jahren den 70. Geburtstag feierte und zum hat George Gruntz stets bemerkenswert klar definiert – er ist der rollen und stimmt Lieder von Zuhause an; und so radikal schweize- Konzert im Basler Theater auch ein paar lebenslang begleitende Europäer in so einem Fall, «als weißer Neger geboren» (so der Titel risch hat sie vermutlich niemals sonst gesungen. Kein Echo, nirgends; Freunde als Gäste einlud für das Konzert der «Concert Jazz Band», der ebenfalls vor zehn Jahren erschienenen Autobiographie), aber nur der Nebel wie aus WatteG – so daheim sie und Georg sich wohl waren natürlich auch die Trommler zur Stelle – und kein Moment mit allen Zauberwassern der euro-amerikanischen Jazzgeschichte fühlen mochten, so verfremdend, so fremd gab sich das Ambiente. der Geburtstagsfeier liess den Jubilar derart zufrieden leuchten wie erfrischt. Die Grossen des amerikanischen Jazz bilden (wie könnte Recht verfroren, aber innerlich ziemlich erhitzt, flüchtete die kleine die wenigen Titel, die das Orchester mit deren Unterstützung an- es anders sein) den Kern des Universums – nicht umsonst hat Gruntz Jodel-Band dann bald zurück in die gut geheizte Bergstation und stimmte. Gruntz hat eine fundamentale Konzeption vom Zu-Hause- als Arrangeur nach einem legendären Thelonius Monk-Programm vor stürzte sich in eine furiose Jazz-Stunde hinter beschlagenen Fenster- Sein, und die Musik seiner Stadt und des Landes, in dem er aufge- 30 Jahren in jüngerer und jüngster Zeit Hommagen für Charles Min- scheiben … wachsen ist, spielt eine elementare Rolle darin. Wenn er aufbricht in gus und John Coltrane geschrieben und arrangiert, und zwar (wie G10 11 Höhe seines Ruhms mit Benny Goodman kurz vor Ausbruch des Zwei- eine Art Auslegeordnung der einzelnen Elemente: eine «Intrada» ten Weltkriegs, in die Basler Fasnacht und nächtelange Battles mit der Basler Trommler und Pfeifer, ein Blues der Trios Gruntz / Jean- Rolling roots Basler Spitzentrommlern verschlagen hatte. Die Basler Fasnacht war, François Jenny-Clark / Daniel Humair, eine Auswahl von «Galic Airs» getrommelt und gepfiffen, George’s own sweet home folklore. Ganz (zwei Dudelksäcke), das Duo von Tony Oxley und John Tchicai. Die analog zu Jan Garbareks Bemerkung, nach der Beschäftigung mit Basler Trommler mit Mix Laueners March «Gorilla», gefolgt von vier and singing spheres Ethnologien rund um die Welt habe er am Ende die exotischste Musik Dudelsäcken, darauf in einer freien Nummer mit in seinem eigenen norwegischen Hinterhof gefunden. dem Jazz-Trio. Und so weiter. Ein zweiter Teil, «The Be Together», Für einen Abend im fernen Jahr 1974 brachte George Gruntz Basler Trommler und Pfeifer, Die Basler Fasnachtsfolklore, die Trommelkultur versuchte die Synthese: die Realisation dessen, was Gruntz sein schottische Drums and Pipes und Jazzmusiker zum orgiastischen Zusammenklang. reicht in ihrer Tradition bis ins Mittelalter zurück, ist in ihrer heutigen «Interstyle-Konzept» nannte. Pfeifer und Pipes; das Jazz Sextett mit Form aber (wie die Basler Fasnacht insgesamt) eine «Renaissance»- Basler Trommlern (mit Sopransoli von Charlie Mariano und John Tchi- Von Peter Rüedi Erfindung des neugotischen 19. Jahrhunderts: eine unvergleichliche cai), Basler Trommler und schottische Drums. All das mündete im von Mischung aus einer in den Trommelschulen der einzelnen Cliquen Gruntz so genannten «General Arabi», dem bekanntesten, von einem George Gruntz ist kein Singular. Die Temperamente, langt. Nun blieb Gruntz fast immer bei seinem Leisten, innerhalb entwickelten kultivierte Basis- oder Lai- die sich unter den Initialen G.G. versammeln, sind wie auseinander- seiner Kunst, in den Grenzen der Musik. Zu diesen aber, den Gren- en-Trommelkultur mit all ihren rhythmi- strebende, ins scheinbar Widersprüchlichste zielende Vektoren einer zen, zog es ihn unablässig, und immer in der Absicht, sie zu über- schen Figuren. Und anderseits solistisch Potenz und Potentialität. Die ist als solche schwer zu beschreiben, schreiten. Skeptisch gegen jede Form von Orthodoxie und alle Arten weiterentwickelten Schlagfolgen, indivi- Gallenfalls eben in ihrer (scheinbar) widersprüchlichen Wirkung. Seit von Purismus, interessierten ihn die Ränder mehr als die Mitte, und duellen virtuosen Varianten und speziel- gut sechzig Jahren ist Gruntz «on the move», in Bewegung: Viele die Reibungen und gemeinsamen Nenner zwischen den scheinbar len Licks der Spitzenkönner. «Angesichts Male um die Welt herum und zurück zu sich selbst. Man könnte nicht weit auseinander liegenden musikalischen Idiomen. des Militärcharakters, den so vieles Trom- Gsagen, der rastlose Achtzigjährige sei dort angelangt. Jede Heimkehr Spielte der Komponist und Arrangeur, der Autor meln besitzt, sollte man vielleicht darauf ist ein Neuaufbruch. von Opern und Oratorien, zahlreichen Film- und Theatermusiken, vor hinweisen, dass es in unserer westli- Ein amerikanischer Kritiker nannte Gruntz einmal allem aber immer auf Synergien abzielenden Projekten zwischen Sti- chen Welt vor allem zwei wirklich weit einen «Renaissance Man». Die Affiche hat ihm so gefallen, dass er len, Gattungen, Kulturen, sein stupendes Können als Instrumentalist ausgebildete und musikalisch sinnvolle sie vor zehn Jahren als Titel gleich über mehrere der Lebensbilanzen oder Solist deshalb immer etwas herunter? Seine Herkunft aus dem Trommeltraditionen gibt, die das Militä- setzte, wie sie zu einem Jubiläum fällig werden. Sie taugt noch im- JAZZ? Die Zeit, als er in den sechziger Jahren mit Daniel Humair und rische abgestreift haben: Jazz-Drummer mer, wenn wir sie nur locker genug verstehen, mit jener Prise Selbst- (meist) Guy Pedersen jene Rhythmusgruppe bildete, die von jedem und Basler Tambouren» (J. E. Berendt in ironie, die George gemeinhin eher selten zugestanden wird. Er kon- eine Tournee planenden «American in Europe» zuerst gewünscht den Linernotes der LP, die später zusam- zipiert seine Projekte gern so gross, dass sie ohne Anstrengung nicht wurde: Dexter Gordon, , . Und natürlich die men mit dem Tunesien-Projekt reediert zu stemmen sind. Anders gesagt: sie sind ambitioniert. Die Massstä- Nr.1 unter den Schweizer Combos jenes Jahrzehnts, das Quintett mit wurde). be, die Gruntz an sie und an sich anlegt, sind hoch, für einige zu Flavio und Franco Ambrosetti. Da ging es – Steamin’, Workin’, Coo- Krupas Bewunderung hoch. Manche vemissen dabei Lockerheit und Coolness. Und über- kin’, Relaxin’ – um alles, was jene berühmten Titel von Miles Davis für die Basler Trommler verwundert eher, sehen einen bei diesem Mann ebenso wichtigen Aspekt: das Spiele- verhiessen: Jazz and nothing but Jazz. Was später als «Post Bop» war er doch ein Swing-Virtuose, dessen rische, bei allem Ernst. Sein Titel «Serious Fun» bringt es auf den und «Modern Mainstream» zum etwas fahlen Standard wurde, war Beat stets nach vorwärts drängte, kein Punkt. damals noch wild und frisch, explosiv und aufregend. Es gipfelte, Mann der langsamen Metren. Aktueller Wer wüsste es nicht: die Zeit der «Renaissance bei Gruntz, in einer Formation, in der sein Name in einer Maschine musste später der «Basler Groove» je- Männer» ist vorbei. Endgültig. Die Titanen, welche die Erkenntnis verschwand. Sie nannte sich ironisch «Phil Woods and his European nen Jazz-Drummern erscheinen, die sich dessen noch für möglich hielten, was «die Welt im Innersten zusam- Rhythm Machine». Nichts war das Trio von Gruntz, Henry Texier und zunehmend am schweren, scheinbar zu- menhält», die, wie Leonardo, Künstler und Wissenschaftler in einem Daniel Humair weniger als eine Maschine: the hottest rhythm section rückhängenden Swing von Elvin Jones zu

waren, sind nicht in der Dämmerung, sondern in der Nacht ange- on this side of the ocean. orientieren begannen: in den hinter dem No Limits – George Gruntz als Dudelsackspieler Organisation war für George Gruntz immer eine für Schlag wie Grundwellen schwer anrol- Im Affentempo nach Reggio die Produktion von Kunst unabdingbare Voraussetzung. In der Umset- lenden Figuren, die am Ende doch präzis Es war irgendwann in den 70er Jahren, als George mich zung seiner Konzepte, Visionen, Projekte war er immer so zielstrebig, auf dem Metrum landen, hinter dieser Brandung mussten sie etwas schottischen Militärmarsch abstammenden Basler Fastnachtsmarsch. anrief und mich fragte, ob ich mit ihm am Festival in Mes- effektiv, konzentriert, dass ihm das gelegentlich den Ruf eines ego- von «heavy Elvin beat» spüren. Das elektrisierte vor allen George Die totale Partizipation. Im Publikum verlängerten auf Gruntz’ Anwei- sina spielen wolle; mit dabei sei auch ein junger deutscher zentrischen Machers eintrug. Dabei war er immer an dem interessiert, Gruntz, den Grenzgänger zwischen Musikethnologie, lokaler Volks- sung alle das mitgebrachte Piccolo um 5mm, um auf die Stimmung Bassist, der noch nie im Ausland gespielt habe. Wir trafen was er nicht kannte. Seinen grossen Projekten gingen immer akri- kunde und Jazzaktualität. Das Thema hatte sich für ihn noch lange der Dudelsäcke zu kommen. Dann hob ein Orkan an, ein Piccolo- uns mit dem Bassisten Dieter Ilg am Flughafen in Zürich. bische Recherchen voraus. Eigentliche Expeditionen zu den weissen nicht erschöpft. 1968 konfrontierte er an einem Abend in der Basler Gebrause von allen vollbesetzten Rängen bis unters Dach. Auf der Nach der ‚Flugtaufe‘ mit einem Glas Champagner trafen Flecken auf der musikalischen Weltkarte. Komödie die Trommler-Gruppe von Alfred Sacher mit den Drum- Bühne tauschten die Basler ihre schweren Kübel gegen die Snare- und wir um Mittag in Rom ein. Da wir vier Stunden Wartezeit Wie sorgfältig die waren, durfte ich bei dem schot- mern Sunny Murray, Max Roach und Daniel Humair. Side-Drums der Schotten, und umgekehrt; einer der Pfeifer griff sich hatten, miete George, der Rom sehr gut kannte, einen kleinen Fiat und machte mit uns eine Stadtrundfahrt. tischen Abenteuer erleben, das zu einem der ungewöhnlichsten Kon- Und dann entdeckte Gruntz eine dritte Form eman- das Sopran von Mariano, der setzt das Piccolo an. Vorn an der Rampe Als wir wieder am Flughafen eintrafen, erfuhren wir, dass zerte meines Lebens führte. Zu einem Zeitpunkt, als schon die «Con- zipierten abendländischen Trommelns: die Folklore der schottischen blies John Tchicai seine harschen Einwürfe. Am Boden lag das nach der Weiterflug nach Reggio di Calabria sich um mehrere cert Jazz Band» sein spektakulärstes Unternehmen war – aber wer Pipe-Bands. Auch die hatte ihre Legende. In den gleichen 30er Jahren einer letzten Solo-Attacke zerfetzte Trommelfell von Daniel Humair, in Stunden verzögere. Zwar fand unser Konzert erst am Tag will bei Gruntz zwischen Haupt- und Nebensachen unterscheiden! –, trat der schottische Weltmeister (das gab’s in dieser Kategorie) Jim- der andern Ecke tobte Tony Oxley hinter einem Berg von Perkussion, darauf statt, wir mussten aber unbedingt das letzte Fähr- markierte es besonders deutlich den Schnittpunkt zwischen eigenen my Catherwood in der Basler Kunsthalle anlässlich einer Drumming- halb Müllhalde, halb elektronisches Studio. Es war, als ob der Raum boot nach Messina erreichen. Als wir in Reggio di Calabria Roots und Weltoffenheit. Exhibition auf die Tambouren der Clique «Alti Richtig». Die Begeiste- selber schwirrte, brüllte, sich auflöste in Klang und Geräusch; als ob er landeten, hatten wir noch etwas mehr als 20 Minuten Bevor überhaupt der Begriff «World Music» geläufig rung war gegenseitig, das Nachbeben in Basler Trommelkreisen gross. selbst in einem anhaltenden letzten Schrei seinen Untergang ankün- Zeit, um zur Fährstation zu gelangen. George setzte Him- war, führte Gruntz als einer der ersten nordafrikanische Musiker und So war die Reise, die George Gruntz im Januar 1974 digte. Nie trug ein Konzert mit mehr Berechtigung den Titel «Monster mel und Hölle in Bewegung, damit die Fähre auf unsere Jazzimprovisatoren für eine LP von Joachim E. Berendts Serie «Jazz nach Schottland antrat, auch die Suche nach dieser sehr lebendigen Meeting». Ankunft wartete. Der Taxifahrer, von uns zu höchster Eile Meets the World» (MPS) zusammen. Das war 1967, «Noon in Tune- Legende, und er brachte Catherwood nach 37 Jahren erneut nach Gewiss gibt es nachhaltigere, vielschichtigere, «pro- geboten, sagte nur ‚no problema‘ und raste mit Bleifuss im Affentempo vom Flughafen zur Fährstation. sia» hiess der inzwischen legendäre Meilenstein der neueren Musik- Basel. Aber er befasste sich ebenfalls mit den Grundlagen des Du- minentere» Unternehmen des vielfachen George Gruntz. Aber in Erstaunlicherweise hatte die Fähre tatsächlich auf uns ge- geschichte. Zunächst weniger beachtet wurde eine Produktion, die delsackspiels, und zwar der traditionellen Solovariante des unaus- kaum einem manifestierte er sich als the one and only wie in dieser, wartet. Auf der Suche nach ein paar Sitzplätzen trafen wir im gleichen Juni 1967 während eines Konzerts in Basel live aufge- sprechlich gälischen «Piobaireachd» (sprich pibrochd)-Spiels wie der pathetisch gesagt, baslerischen Apotheose, die doch all the world on in einem Ecke vier schlafende amerikanische Musiker, die zeichnet wurde und so etwas wie die Kehrseite des tunesischen jüngeren Tradition der Spiel der Pipe-Bands, inklusive dem eleganten, stage versammelte. ˜ George natürlich alle kannte. Nachdem wir sie mit lautem Unternehmens war: eine Begegnung mit Jazzmusikern (den vier tänzerischen schottischen Drumming. Und er ging den Querverbin- ‚Hello cats‘ geweckt hatten, fluchten sie wie die Rohrspat- Drummern Charlie Antolini, Daniel Humair, Pierre Favre und Mani dungen nach zwischen schottischen Märschen und deren vielfältigen zen, weil sie wegen uns so lange auf die Abfahrt hatten Neumeier, den Bläsern Nathan Davis und Franco Ambrosetti und Jim- Spuren in der Basler Fastnachtskultur. Peter Rüedi, ein Institution unter den Schweizer Jazzkritikern, war in den 70er Jahren Kulturchef warten mussten. Ein Moment der Marke ‚extraordinaire‘. my Woode am Bass) mit ausgewählten Basler Trommlern und Pfeifern In zwei Konzerten wurde der 31. März 1974 zu der Weltwoche, wechselte in den 80er Jahren als Dramaturg ans Berliner Schillertheater und als Das Konzert in Messina aber war ein grosser Erfolg und Chefdramaturg ans Zürcher Schauspielhaus, wo er in zahlreichen Inszenierungen mit George («From Sticksland With Love», MPS). einem einzigartigen, nicht wiederholbaren interkulturellen Ereignis. Gruntz, dem musikalischen Leiter des Hauses, zusammenarbeitete. Seit den 90er Jahren schreibt blieb uns allen vermutlich in lebhafter Erinnerung. Rüedi wieder als Jazz- und Weinkolumnist vorwiegend für die Weltwoche. 2011 erschien im Dabei erlebte eine alte Legende ihre Verwandlung Das alte Stadttheater erlebte an diesem Abend eine Art finalen Tri- Peter Schmidlin, TCB – The Montreux Label G Diogenes-Verlag seine umfangreiche Dürrenmatt-Biografie «Dürrenmatt oder die Ahnung des und Auferstehung: die Geschichte von Gene Krupa, den es, auf der umph. In einem ersten Teil, «The Get Together», versuchte Gruntz Ganzen». 12 G 13 Warum Wir ❤ Georg Gruntz

Es gibt wunderbare Texte, die sich schlichtweg jeder Übersetzung verweigern. TM Wir publizieren deshalb die Huldigung des berühmten amerkanischen Jazzpublizisten Fred Bouchard in der Originalfassung, wie sie uns vor einigen Tagen erreicht hat. The MonTreux Jazz label By Fred Bouchard

◆ Writing about George Gruntz and his mu- ◆ George reveled for 16 years as chief mu- city for high vibes and that crazy-like-a-fox sic is always for me an unmitigated blast! sical director at Zurich‘s State Theatre Schau- musky scent of fun. Whenever Jazz Times or Downbeat offers a spielhaus and 23 years as artistic director/ ◆ George looks out for and mentors new GG album, I jump up to review it. I’ve learned producer of Berlin’s Jazz Festival. And as a talent, such as fabulous kid fiddler Tobias Lieber George, that I’ll never get bored spinning GG’s latest young pianist, yes, he worked with many Preisig. He’s a stickler for detail, and perfec- opus, over and over, endlessly on the turnta- of the legends: Dexter Gordon, , tion, starting with Numero Uno. He does his Danke für die langjährige Freundschaft ble, as if, by centrifugal force, to squeeze out Phil Woods, Roland Kirk, , Miles untiring homework and seems not to spare its magic juice. Au contraire, from track 1 – Davis. himself. Lastly, George appears always to when the needle hits the groove, as we used ◆ He’s part Nietzsche‘ian «Übermensch», have marvelous fun at the keyboard, whe- und Zusammenarbeit. to say – I will likely be grinning ear to ear, part Hofmanstahl’s «Jedermann», with vivid ther composing or playing. He personifies even chuckling or guffawing, at George’s snippets of Benny Golson’s «Killer Joe» and whirlwind energy and delirious delight. Like endless invention, convinced by his remar- Thelonious Monk’s «Rootie Tootie» et avec Papa Haydn, his music wells up from a hap- Yours truly kable logic and swept away by his boundless quelques soupçons de Spike Jones, Maurice py heart. And that’s why I/we love George energy. Ravel, and Raymond Scott. Gruntz! End. ˜ Peter Schmidlin ◆ When editor Christian Rentsch asked me George’s bands are as often as possible filled to write an encomium in jazz‘n‘more to ce- with the finest handpicked players – lively, Democratic Sideman Sidebar lebrate the inception of GG’s ninth rollicking focused, and having a ball. Do you want: 100 International Sidemen on records with decade, how could I refuse? (George is the ◆ Best brass? Franco Ambrosetti, Dave Bar- GG (arbitrarily selected, some repeated from Godfather! oder Grossvater?) geron, , Alexander Sipiagin, Ray above, in reverse alphabetical order): ◆ My mind floods with delightful musical Anderson, … Jiggs Whigham, Reiner Winterschladen, memories, track after wonderful track, visi- ◆ Real reeds? Donny McCaslin, Chris Heiner Wiberny, Scott Wendholt, Tobias ons of concert footage of the man himself Hunter, Scott Robinson… Weidinger, Jack Walrath, Benny Wallace, in action. ◆ Rocking rhythm? , John Arie Volinez, , Eje Thelin, Dave ◆ After thirty-something years of listening Scofield, Danny Gottlieb, John Riley … Taylor, Claus Stötter, Marvin Stamm, Alan with amusement, delight and wonder to His players love and respect him. Says Dave Skidmore, Woody Shaw, Vladyslav Sende- Die Gruntzmusik – peppered with exclama- Bargeron: «This year marks my 30th in cki, John Scofield, Christophe Schweizer, tion-filled emails, lively postcards, animated George‘s Concert Jazz Band. He’s the only Larry Schneider, Steffen Schorn, Manfred phone-calls – I feel that I know Herr Gruntz person I’ve ever addressed as ‘Boss’ and ac- Schoof, Wolf Schenk, Ezzedine Sassi, Dino fairly well… though we have yet to meet in tually enjoyed saying it. George is a great Saluzzi, Rolf Römer, Wallace Roney, Scott person. guy and wonderful friend, not to mention a Robinson, John Riley, Mike Richmond, Enrico ◆ (Sigh… What a strange new world is ours, fabulous musician.» Rava, Kenny Rampton, Tobias Preisig, Olivi- where we communicate like angels, whirling ◆ GG’s charts sound and are often difficult er Peters, Stefan Lotterman, Dave Liebman, on data points, babbling in riddles and bytes and challenging, as they are ever-varied, Christof Lauer, Nils Landgren, Ingo Lahme, into squawk-boxes over oceans and conti- bursting with little twists and turns, complex Steve Lacy, Mytha, René Mosele, Mike Moss- nents!) harmonies, rich rhythms, and witty asides. man, Bob Mintzer, Matthieu Michel, John ◆ George Gruntz encompasses multitudes, The musicians are inevitably playing at (so- Marshall, Earl McIntyre, , David like poet Walt Whitman. metimes over) their top outputs of talent, Mann, Adam Nussbaum, Ludwig Nuss, Jens He’s a citizen of the world, who’s played and sweat, and adrenaline. I immediately think of Neufang, Klaus Osterloh, Siggi Kutterer, Lee toured on five continents – with Australia vintage Charles Mingus and Duke Ellington. Konitz, Joachim Kühn, Sheila Jordan, El- and Antarctica still to come! Not only becauseG those composers/leaders vin Jones, Howard Johnson, Daniel Humair, ◆ Having led his Concert Jazz Bands over wrote music for the specific individuals who Chris Hunter, Joe Henderson, Andy Haderer, 40 years, he’s one of the last men standing played it, but also because they never, ever Habib, George Gruntz, Dan Gottschall, John of the Golden Age of intercontinental jazz. lost their capacity to make the music dance! Goldsby, Sal Giorgianni, Herb Geller, Clark Writes Don McCaslin: «George is dedicated Gayton, Joe Gallardo, Fiete Felsch, Mark Feld- TCB 31102 – ab Mai im Handel erhältlich I have been fortunate to have been called by to making music of the highest order, arti- man, Jon Faddis, Matthias Erlewein, Salah El more daring and unconventional large ensem- stically speaking. He‘s always up for taking Mahdi, Marcio Doctor, Stephan Diez, Frank bles lead by such as Gil Evans, Charles Mingus chances and letting the music go wherever it Delle, John d’Earth, John Clark, Sehnaz Cos- and Oliver Nelson‘s L.A. band. I didn‘t know needs to go. I also appreciate his work ethic; kuner, Frank Chastenier, Ingolf Burkhardt, until I met him that George Gruntz was such G an extraordinary writer and leader as are these he‘s constantly writing and working on new Lutz Büchner, Randy Brecker, Peter Bolte, gentleman. Howard Johnson music, and his dedication to helping young Luis Bonilla, Henning Berg, , Benny musicians. In addition to all this he‘s a ge- Bailey, Franco Ambrosetti, Flavio Ambrosetti, But he’s also conducted symphony orchest- nerous, warm hearted person with a great Ray Anderson, Jelloul Abderrazak ... ras of: Vienna State Theater, London, NDR sense of humor.» Really the end! ˜

Radio, WDR Radio, hometown Basel. He’s ◆ TCB Records (Red Spine for Bop and Main- Fred Bouchard ist einer de renommiertesten amerikanischen written opera, operetta, drama, film sound- stream) has released many of GG’s albums Jazzpublizisten; er schreibt für die Jazzmagazine «downbeat», www.jazz.ch «Jazz Times», «Melody Maker», «Billboard», für die Tages- tracks, poetry settings. To name but a few (indeed documented much of his prodigious zeitung «Boston Herald» und viele andere mehr. Und wie es sich für einen Jazzkenner gehört, ist Bouchard auch ein living composers he’s been in league with: career), often live sessions where audiences exquisiter Weinkenner, wie man sich auf seiner Website TCB Music SA – Gran’ Rue 92/3 – 1820 Montreux 1 – e-mail: [email protected] – phone 021 981 1545 – fax 021 981 1546 www.fredbouchard.com überzeugen kann. Rolf Liebermann, Robert Luter, Burhan Öçal. played a role in achieving the Gruntz capa- Vertrieb in der Schweiz: K-Tel International /Schweiz AG, Rotkreuz 14

TCB GG_Spezial_210x297.indd 1 23.04.12 10:47 Damit Sie spannende Musik geniessen können: Wir unterstützen den «Jazzclub Moods».

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