Im Blickpunkt: Die Stadt Waghäusel
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Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 4/2020 Land, Kommunen Im Blickpunkt: Die Stadt Waghäusel Reinhard Güll In der Serie „Im Blickpunkt“ steht dieses Mal Riemenzungen, Schnallen, Schmuck aus Bern‑ die Stadt Waghäusel im Landkreis Karlsruhe. stein und Scheibenfibeln gefunden wurden. Aus dem Landesinformationssystem Baden- Aus dem Jahr 1234 stammt die erste schrift‑ Württemberg (LIS) lassen sich für Waghäusel liche Nachricht von der Existenz des Dorfes wie für jede andere Gemeinde des Landes „Kirloch“. Wiesental wird 1297 als „Wiesen‑ interessante Erkenntnisse zur Struktur und ten“ zum ersten Mal in einer Urkunde erwähnt. Entwicklung gewinnen. Besonders herausge- Durch die Kirrlacher Urkunde wurden die hoben werden an dieser Stelle die Bevölke- Rechte des Stiftes St. German über die rungsentwicklung, die Wohn- und die Be- Kirrlacher Kirche festgelegt. Die Wiesentaler Reinhard Güll war Büroleiter schäftigtensituation. Urkunde dagegen steht im Zusammenhang der Abteilung „Informations- dienste, sozial- und regional- mit der von Bischof Friedrich von Bolanden wissenschaftliche Analysen“ systematisch geförderten Anlage von Sied‑ im Statistischen Landesamt Die heutige Stadt Waghäusel wurde am lungsplätzen im rechtsrheinischen Teil des Baden-Würt temberg. 1. Januar 1975 durch Vereinigung der beiden Bistums Speyer. Bis ins 18. Jahrhundert hinein großen Gemeinden Kirrlach und Wiesental verhinderten Seuchen und vor allem viele und der kleineren Gemeinde Waghäusel ge‑ Kriege, dass die Zahl von 80 Familien in bildet. Ursprünglich sollte die neue Gemeinde Wiesental und 60 in Kirrlach als Obergrenze den Namen Lusshardt erhalten. Die Erhebung für eine ausreichende Versorgung mit dem zur Stadt erfolgte zum 1. Mai 1984. Waghäusel Lebensnotwendigen auf der vorhandenen liegt in der Oberrheinischen Tiefebene, etwa in Wald‑ und Ackerfläche überschritten wurde. der Mitte zwischen den Städten Karlsruhe und Im 17. Jahrhundert dezimierten vor allem die Mannheim. In der Landes‑ und Regionalpla‑ nung zählt die Stadt Waghäusel zum Bereich des Mittelzentrums Bruchsal. Im Regionalplan des Regionalverbandes „Mittlerer Oberrhein“ S Lage der Stadt Waghäusel ist Waghäusel als eigener Nahbereich und Unterzentrum ausgewiesen. Am 1. Septem‑ Rhein-Neckar-Kreis ber 2013 wurde Waghäusel zur Großen Kreis‑ Oberhausen- R h e i n l a n d - Rheinhausen stadt ernannt. P f a l z 6 Philipps- Waghäusel burg Kronau Bad Älteste Siedlungsspuren von Waghäusel da‑ Schön- Ham- born brücken tieren aus der Römerzeit. An der südöstlichen Detten- Ubstadt- Östringen heim Weiher Gemarkungsgrenze Waghäusels befindet sich Graben- Forst Neudorf Karlsdorf- ein römisches Kleinkastell. Entstanden ist es Neuthard LKR Heilbronn Linkenheim- Kraichtal um 80 n. Chr. Die Anlage wurde bereits um Hochstetten Zaisen- 5 hausen Sulzfeld 120 n. Chr. aufgegeben. Aus diesem Kastell Eggenstein- Stutensee Bruchsal n ei Leopoldshafen h Kürn- heraus entwickelte sich eine kleine zivile R Ober- bach Weingarten Gondels- derdingen römische Siedlung, die das Kastell zumindest (Baden) heim Bretten bis ins 3. Jahrhundert hinein überdauerte. Walz- Siedlungsspuren der Römer in Form einer Karlsruhe bachtal kleinen „Villa rustica“ wurden schon Ende des Pfinztal Rhein- 19. Jahrhunderts auf der Gemarkung von stetten Kirrlach nachgewiesen. Darüber hinaus gibt es Enzkreis Enz Rastatt Ettlingen Wald- zahlreiche Einzelfunde aus der römischen Zeit. bronn 8 Erst für das 7. Jahrhundert n. Chr. kann man 5 Ludwigsburg Karlsbad Malsch danach für Waghäusel auf handfeste Belege Pforz- einer Besiedlung verweisen. 1836/1837 wurden Marxzell heim M mehrere merowingische Gräber entdeckt. u rg 1903 wurden bei einer systematischen Nach‑ Böblingen Statistisches Landesamt Baden-Württemberg 88-43-19-02M untersuchung 29 Reihengräber festgestellt, in Landesinformationssystem © Kartengrundlage GfK GeoMarketing GmbH denen teilweise schöne Grabbeigaben wie Karte erstellt mit RegioGraph 2019 49 Land, Kommunen Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 4/2020 Die Eremitage von Waghäusel © Stadtverwaltung Waghäusel großen europäischen Kriege, die die Wiesen‑ Gefechte zwischen badischen Revolutions‑ taler und Kirrlacher im Einzugsgebiet der truppen und preußischen Soldaten statt. Für Reichsfestung Philippsburg erdulden mussten, Wiesental, Kirrlach und Waghäusel war es ein die Bevölkerung. So lebten am Ende des Glücksfall, dass die „Badische Gesellschaft Dreißigjährigen Krieges (1618 bis 1648) in für Zuckerfabrikation“ 1837 auf dem nach der Kirrlach und Wiesental zusammen nur noch Säkularisation ungenutzten Gelände der Ere‑ knapp über 20 Familien. Für den Ort Wag‑ mitage eine Zuckerfabrik ansiedelte, bei der häusel begann mit Fürstbischof Damian Hugo über mehrere Generationen hinweg Men‑ von Schönborn eine Blütezeit. Dieser ließ hier schen aus der näheren und weiteren Umge‑ als Jagdschloss und Rückzugsort die Eremi‑ bung Arbeit fanden. Diese Zuckerfabrik be‑ tage erbauen, deren erste Anlage zwischen 1724 stand bis zum Jahre 1995. Wiesental wurde und 1729 entstand. Sie wurde in den fol‑ im Zweiten Weltkrieg zweimal durch Bomben‑ genden Jahrzehnten mehrere Male umgebaut angriffe heimgesucht. In der Nacht vom 6. auf und erweitert, unter anderem durch den be‑ den 7. Mai 1942 fiel eine schwere Luftmine auf rühmten Barockbaumeister Balthasar Neu- das untere Ende der Lußhardtstraße. Wohn‑ mann. Jedoch genügte das nicht, um aus Wag‑ häuser und Scheunen stürzten zusammen, vier häusel eine bürgerliche Gemeinde wie Kirrlach Menschen starben. Bei einem zweiten Luftan‑ und Wiesental zu machen. Waghäusel bildete griff auf Wiesental am 21. Januar 1945 waren politisch auch keine eigene Gemeinde, son‑ die Schäden wesentlich größer. 37 Menschen dern gehörte zu Oberhausen und wurde ab kamen ums Leben, die Kirche brannte aus, weit 1847 im Status einer „abgesonderten Gemar‑ über 100 Gebäude wurden zum Teil stark kung“ geführt. Erst im Jahre 1930 wurde beschädigt. Weniger einschneidend waren die Waghäusel mit gerade einmal 154 Einwohnern Verluste unter der Zivilbevölkerung von Kirr‑ selbstständige Gemeinde. 1803 kam es zur lach. Auf Waghäusel fielen am 25. April 1944 endgültigen Auflösung der weltlichen Herrschaft Bomben. Die Zuckerfabrik und das Postamt des Hochstifts Speyer und das Gebiet des heu‑ wurden schwer getroffen, das Kloster trug tigen Waghäusels geriet unter badische leichtere Schäden davon. Herrschaft. Ein Ventil für die stetig wachsende Bevölkerung war dann die von den 1850er‑ bis Waghäusel liegt sehr verkehrsgünstig. Die in die 1880er‑Jahre andauernde Auswande‑ 5 Kilometer (km) entfernte Anschlussstelle Kro‑ rungswelle in die USA und nach Brasilien. nau/Waghäusel der Bundesautobahn A 5 bin‑ Ein Auslöser dieser Wanderungsbewegung det die Stadt an das Fernstraßennetz Deutsch‑ war auch die gescheiterte Revolution von lands an. Die Bundesstraße 36 (Mannheim – 1848/1849. Am 20. und 21. Juni 1849 fanden bei Lahr/Schwarzwald) führt direkt an der Stadt vor‑ Wiesental und Waghäusel entscheidende bei. In Waghäusel gibt es zwei Bahnhöfe, die 50 Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 4/2020 Land, Kommunen Ausgewählte Daten zur Stadt Waghäusel, zum Landkreis Karlsruhe T und zu Baden‑Württemberg Stadt Landkreis Merkmal/Indikator Einheit Land Waghäusel Karlsruhe Fläche1) Fläche insgesamt am 31. Dezember 2018 ha 4 284 108 529 3 574 822 Siedlungs- und Verkehrsfläche am 31. Dezember 2018 % 21,2 18,3 14,6 Wald am 31. Dezember 2018 % 47,8 33,5 37,8 Landwirtschaft am 31. Dezember 2018 % 28,2 44,4 45,1 Bevölkerung Bevölkerung am 31. Dezember 2018 Anzahl 20 935 444 232 11 069 533 Ausländeranteil am 31. Dezember 2018 % 11,1 13,3 15,5 Durchschnittsalter Ende 2018 Jahre 43,8 44,5 43,5 Geburtenüberschuss/-defizit je 1 000 Einwohner 2008 – 2018 Anzahl – 0,4 – 1,4 – 0,6 Bevölkerungsdichte am 31. Dezember 2018 Einwohner/km² 489 409 310 Weiterführende Schulen Übergänge auf Werkreal-/Hauptschulen 2018/19 % – 5,2 5,9 Übergänge auf Realschulen 2018/19 % 44,3 35,4 34,9 Übergänge auf Gymnasien 2018/19 % 42,6 45,7 43,3 Übergänge auf Gemeinschaftsschulen 2018/19 % 13,1 12,4 12,8 Beschäftigte am Arbeitsort Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte2) je 1 000 Einwohner 2018 Anzahl 346 351 423 Beschäftigte im Produzierenden Gewerbe 20182) % 35,5 35,8 35,9 Beschäftigte im Handel, Verkehr und Gastgewerbe 20182) % 41,0 20,5 20,0 Beschäftigte im sonstigen Dienstleistungsbereich 20182) % 23,2 43,3 43,7 Verkehr Pkw je 1 000 Einwohner 2019 Anzahl 664 621 599 Pkw-Anteil am Kfz-Bestand 2019 % 84,8 83,1 81,7 Tourismus Ankünfte von Gästen insgesamt je 1 000 Einwohner 2018 Anzahl 425 907 2 035 Ankünfte von Auslandsgästen je 1 000 Einwohner 2018 Anzahl . 163 479 Übernachtungen von Gästen insgesamt je 1 000 Einwohner 2018 Anzahl 867 2 336 4 978 Übernachtungen von Auslandsgästen je 1 000 Einwohner 2018 Anzahl . 319 1 074 Wohnen Anteil Einfamilienhäuser an Wohngebäuden 2018 % 63,9 65,3 61,2 Wohnfläche je Einwohner 2018 m² 51 49 46 Wasserwirtschaft Trinkwasserverbrauch je Einwohner 2016 Liter/Tag 119 118 119 Tinkwasserpreis 2019 EUR/m³ 1,07 1,86 2,20 Gemeindefinanzen Steuerkraftmesszahl je Einwohner 2018 EUR 904 988 1 103 Steuerkraftsumme je Einwohner 2018 EUR 1 428 1 343 1 535 Schuldenstand (Kernhaushalt, Eigenbetriebe) je Einwohner 2018 EUR 1 062 982 1 022 1) Flächennutzungsart in ALKIS Nomenklatur. – 2) Datenquelle: Bundesagentur für Arbeit. 51 Land, Kommunen Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 4/2020 beide an der Rheinbahn (Mannheim – Karlsruhe) um 1,9 % zugenommen. Sie lag damit unter liegen und von der Deutschen Bahn in der Regel der landesweiten Entwicklung. Das Durch‑ im Halbstundentakt