moritzHeft 7376 Ι Ι November April 2009 2008 Ι www.moritz-magazin.de Ι www.moritz-magazin.de

Fachschaften und Gremien Vorsitz Hochschulpolitik

Kultur-, Sport- und Erstsemester

Queer und Gleichstellung Finanzen

Studium und Lehre

Ausländerfragen

Internet und Technik

Studienfinanzierung

Studienausstausch und Internationalisierung

Finanzen und Nachhaltigkeit

Politische Bildung

Titel QuoFamily vadis, AStA? Der Allgemeine StudierendenausschussPortrait im Blickpunkt Hochschulpolitik Schulpraktische Übungen und der Leerstuhl an der Phil-Fak Uni.versum Ein Fazit des Bachelors und ein Blick auf die Uni-Homepage Feuilleton Peer Gynt, Nordischer Klang und Gewaltcomputerspiele Zwei elfjährige Jungs prügeln sich. Nun sitzen deren Eltern zusammen, um die Sache gemeinsam durchzusprechen. Anfangs sehr zivilisiert und konsensbemüht, wie es sich für unsere aufgeklärte Gesellschaft gehört. Doch aus der versöhnungsambitionierten Gesprächsrunde wird ein Nachmit- tag mit Wortgefechten und Handgrei ichkeiten. Und die Oberhand behält letztendlich – der Gott des Gemetzels!

Kartenpreise für Studenten von 7 bis 12 € (oder mit dem exiblen 6er-Ticket für 6,50 € pro Karte) Karten: 03831 / 26 46 6, www.theater-vorpommern.de, Theaterkasse Robert-Blum-Straße

Premiere am 11. April, 19.30 Uhr in Greifswald, Großes Haus (Robert-Blum-Straße) Weitere Vorstellungen: 18. April, 19.30 Uhr; 10. Mai, 16.00 Uhr; 30. Mai, 19.30 Uhr

Anz_Gott des Gemetzels.indd 1 25.03.2009 10:59:05 Uhr Einstieg

Liebe Leser, Editorial ich war vor Kurzem in Anklam und musste feststellen: Schön ist von anders. Auf der Rückfahrt mit dem Zug, zwischen lärmenden Christine Fratzke Kindern und älteren Mitmenschen, dachte ich darüber nach, was ich vor wenigen Stunden über die Peene-Stadt erfahren habe: Nämlich, dass Anklam 500 Jahre älter ist, als bisher ange- nommen. (Dass sich das Stadtbild im Vergleich zu heute wahr- scheinlich kaum geändert hat, lass ich einfach mal beiseite.)

Auch moritz blickt zurück. Wir ziehen Bilanz nach einem Jahr AStA-Arbeit, das sich für manchen Referenten vielleicht auch wie 5 Jahre angefühlt hat. Welcher Referent des Allgemeinen Studierendenausschuss konnte durch gute Arbeit überzeugen, wer tanzte auf zu vielen Hochzeiten, wer möchte gerne ein wei- teres Jahr ranhängen?

Doch wir blicken nicht nur zurück. Nein, wir wollen auch hoff- Apropos spannendes Duell: Im neuen Sommersemester werden nungsvoll in die Zukunft schauen. Für Anklam heißt das, dass wir wahrscheinlich wieder einmal feststellen, dass wir nicht nur ihre Rolle in der anstehenden Kreisgebietsreform geklärt wird. studieren, wo andere Urlaub machen. Sondern auch, dass wir Wird Anklam Kreisstadt und läuft damit Greifswald den Rang im Urlaub machen, statt zu studieren. Ein Tipp: Einfach mal nach neu gestalteten Kreis ab? 2009, auch das Internationale Jahr der Anklam fahren. Die passende Lektüre dafür haltet ihr gerade Astronomie, wird es zeigen. Hansestadt gegen Hansestadt. Ein in der Hand. spannendes Duell. Viel Spaß beim Lesen!

Arndt des Monats

„Ja, ich hasse, ich hasse innig und heiß“ […] „Wie sollte der Mann nicht hassen, der in der Welt etwas tun und wirken will? Denn welcher Mensch kann lieben ohne Haß? Und ich liebe mein Vaterland und seine Ehre über alles. Darum rufe ich meinen Zorn aus vor Göttern und Menschen; darum will ich has- sen auf Leben und Tod.“ [zitiert nach: Gustav Sichel- schmidt: „Preußische Köpfe, Ernst Moritz Arndt“, Berlin 1981, 6. Kapitel, S. 72]

Es gibt in jeder Ausgabe des moritz den „Arndt des Monats“, in dem das jeweils angeführte Zitat Ernst Moritz Arndts einen kurzen,

Foto: Arik Platzek Foto: aber erschreckenden Einblick in die Gedankenwelt dieses Mannes geben soll.

Moritz 76 // April 2009 3 Einstieg

Hochschulpolitik Uni.versum GreifsWelt

10 24 30 Hopo-Nachrichten Aktuelle Entwick- TITEL Eine Bilanz nach zehn Jahren Kneipencheck, Teil 3 lungen beim geplanten Verwaltungs- Bachelor-Abschluss kostenbeitrag 32 27 Vom Internationalen Jahr der Astrono- 11 TITEL Über den Internetauftritt der mie Bericht Über den Zerfall des Universi- Alma Mater tätssauriers Emausaurus ernstii 12 TITELTHEMA Ein etwas anderes „Family Porträt“: Die AStA-Referenten im Rück- blick 17 Kommentar Für ein Ende der 1-Euro- Jobs 19 TITEL Unbesetzter Lehrstuhl am Caspar-David-Friedrich-Institut 20 TITEL Interview mit dem Lehrstuh- linhaber für Bildene Kunst, Professor Michael Soltau 21 TITEL Das lange Warten - fehlende Plät- ze bei notwendigen Schulpraktischen Übungen für angehende Lehrer

4 Moritz 76 // April 2009 Einstieg

Feuilleton Abschied Moritz

33 48 6 TITEL Theater Der Faust des Nordens m. trifft Die Herren, die für Sicherheit Kurznachrichten oder „Peer Gynt“ von Henrik Ibsen in der Uni-Bibliothek sorgen: Günter Möller und Sven Kaiser 8 36 Leserbriefe Kino „Slumdog Millionär“ und „Sieben 50 Tage Sonntag“ Tapir Religion, Politik, Sport 49 Impressum 37 Gibt es eine Oscarverschwörung? 38 Bücher „Das Glück in glücksfernen Zeiten“ und „Ruhm: Ein Roman in neun Geschichten“ 40 DVD „Zurück im Sommer“ 43 TITEL Dicke Fische im Netz des Nordischen Klangs 2009 44 CDs Neues von Bell X1, Mando Diao und Maroon 5 45 Vorgestellung Die Uni Bigband 46 TITEL Eine literaturtheoretische Annä- herung an „Killerspiele“

Moritz 76 // April 2009 5 Einstieg Kurznachrichten Kurz gesagt Erwähnenswertes

Gebührenerhebung Der Ausschuss für hensteilerlass für Kinderpflege und Kin- nötigten Fragebögen liegen dann in der Bildung, Wissenschaft und Kultur des dererziehung mehr für die Kinder geben, Mittagsmensa aus und können in dafür Landtags in Mecklenburg-Vorpommern die nach dem Ende des Bewilligungszeit- vorgesehene Briefkästen eingeworfen sieht es vor, allen staatlichen Hochschu- raumes geboren worden sind. werden. Jeder, der mitmacht und seine len die Entscheidung über Studien- E-Mail-Adresse hinterlässt, kommt an beiträge, ob diese Gebühren erheben 19. Sozialerhebung über Studenten Um einem Donnerstagabend kostenlos in wollen oder nicht, selbst zu überlassen. die gegenwärtige soziale Lage der Stu- den Club. An der Umfrage können Stu- Dieser Gesetzesentwurf soll Hochschu- dierenden erfassen zu können, wird im dierende sowie Nichtstudierende teil- len eine solide Rechtsgrundlage zur Er- Auftrag des Deutschen Studentenwerks nehmen. Mehr Infos unter www.men- hebung von Gebühren geben. So verla- die 19. Sozialerhebung anlaufen. Jeder saclub.de gert sich die Debatte über Gebühren von 27. Studierende in Deutschland erhält der Landes- auf die Hochschulebene. Im dann einen Fragebogen. Auch Greifs- Änderung Prüfungsordnung Auslän- April wird darüber im Landtag entschie- wald ist in die Umfrage mit eingeschlos- dische Studienbewerber für Medizin den. Mehr dazu auf Seite 10. sen. Nach dem Zufallsprinzip werden die und Zahnmedizin mit Abschluss Staats- Fragebögen vom 27. April bis 3. Mai 2009 examen müssen nun einen Sprachtest BAföG-Änderungen Seit dem 1. März und vom 11. bis 17. Mai verschickt. DSH Stufe 3 oder Test DaF (Deutsch als 2009 ist der Kranken- und Pflegeversi- Fremdsprache) der Stufe 5 nachweisen. cherungszuschlag erhöht worden. Al- Umfrage vom Mensa-Club Um he- Grund dafür sind die geringen Studi- lerdings erhalten nur Selbstversicherte rauszufinden, warum Studierende den enerfolge der Nicht-EU-Ausländer im die Erhöhung von fünf Euro monatlich, Mensa-Club meiden und was sich die Fach Humanmedizin, die trotz einer DSH sofern sie neu bewilligt wurden. Somit Besucher wünschen würden, starten die 2-Prüfung die geforderten Sprachkennt- steigt der Bedarfssatz auf 648 Euro im Clubmitglieder ab der Ersti-Woche bis nisse nicht den Erwartungen entspre- Monat. Ab 2010 wird es keinen Darle- Ende April eine Umfrage. Die dazu be- chend erfüllen, so Dekan Heyo Kroemer.

MoritzTV Programmvorschau

Alle weiteren Infos über unser Projekt und das Team gibt es aber natürlich auch weiterhin online. Themen „Keine Geschäfte mit Neonazis“ titelte die Antifaschistische Aktion Greifs- wald im Februar. Ihr Motto „Tu wat...“ (zum Beispiel „gegen Nazis“) ruft bei einigen Bewohnern möglicherweise Stirnrunzeln hervor. Ist es denn wirklich so schlimm mit dem Rechtsradikalismus in Greifs- wald beziehungsweise in Mecklenburg- Vorpommern? Muss man deswegen auf die Straße gehen? Wir gehen diesen Fra- gen nach, berichten unter anderem über die besagte Thor-Steinar-Demonstration und bemühen uns um Aufklärung. Meinungen können immer auseinander gehen. Damit sich kein Monopol bildet, oder „Vollpfosten“ das Ruder überneh- men, ward ihr im Januar zur Wahl des StuPas aufgerufen. Nach der Abstim- Alles neu macht der Mai: Ein neuer Mo- von den Jugendmedien Greifswald e.V. mung folgt nun die schwierige Zeit der nat, eine neue Sendung und eine neue Funktionaler sollte die neue Homepage Konstituierung. „Versteh ich alles nicht?“ Homepage für MoritzTV. Rasend schnell vor allem werden. „Der Aufbau wird lo- Zugegeben, Politik ist nicht immer ver- vergeht die Zeit. Web 2.0 macht es gischer“, sind sich er und der Webpro- ständlich und spannend. In unserer deutlich: Nach sechs Jahren war unser grammierer Roman Cieslik einig. Alles, Mai-Sendung werden wir etwas Licht ins Internetauftritt überfällig für eine Ge- was wichtig ist, findet man in Zukunft auf Dunkel bringen. Freut Euch auf Kurzweil, neralüberholung. „Vom Prinzip her habe den ersten Klick. Kurzfilme, Beiträge, In- Kultur und Politik ab Mai auf Greifswald- ich das Design klarer, freundlicher und terviews und die Sendungen stehen auf TV oder online auf unserer neuen Home-

hell gehalten“, erklärt Henry Dramsch der neuen Homepage im Mittelpunkt. page www.MoritzTV.de Stefanie Binder MoritzTV Foto:

6 Moritz 76 // April 2009 Einstieg

Rockfestival „Kontakt“ Zum achten Mal studierende und alleinerziehende Müt- ist ab April im Programmheft und unter findet das Rockfestival „Kontakt“ am ter und Väter der Naturwissenschaften, www.nordischer-klang.de nachzulesen. 16. Mai von 13 bis 20 Uhr im Tierpark Mathematik und Informatik, sollen zu Greifswald und im „Takt“ statt. Bands aus einem Auslandsstudium ermutigt wer- Stipendienprogramm Umwelt Am 6. Greifswald und Umgebung können sich den. Sie sollen die Möglichkeit bekom- April beginnt das Stipendienprogramm bewerben. Ihre Mitglieder dürfen aber men ihre Kinder mitnehmen zu können. „Umweltethik und Nachhaltigkeit“ der nicht älter als 27 Jahre sein. Für die Be- Bewerben können sich Studierende im Deutschen Bundesstiftung Umwelt an werbung müssen eine Demo-CD oder Haupt- und Masterstudium der genann- der Universität Greifswald mit einem Proberaummitschnitt, sowie eine genaue ten Fachrichtungen, die Zeit im Ausland Festvortrag von Professor Ernst Ulrich Beschreibung der Band eingereicht wer- jedoch ein Jahr nicht überschreiten. Für von Weizsäcker. Die Eröffnung findet um den. Bewerbungsschluss ist der 24. April. die Bewerbung sind zwei gutachterliche 13 Uhr in der Aula in der Domstraße 11 Weitere Informationen zur Veranstaltung Stellungnahmen von Professoren der statt. und den Teilnahmebedingungen sind Hochschule, ein Lebenslauf, eine Projekt- unter www.popkw.de zu finden. beschreibung und ein Kostenrahmen Ergebnis Internetumfrage Im Oktober einzureichen. Das Stipendium wird von 2008 führte die studentische Unterneh- Informationsveranstaltung für Medi- der Klaus Tschira Stiftung vergeben und mensberatung Capufaktur e.V. eine von zinstudenten Am 23. April 2009 haben der Bewerbungsschluss ist der 10. Juli der Universität in Auftrag gegebene Um- Medizinstudenten die Möglichkeit, sich 2009. Die Adresse für die Bewerbung ist frage zum Internetauftritt der Universi- über Karrieremöglichkeiten in der natur- unter http://www.klaus-tschira-stiftung. tät Greifswald durch. Positiv ausgefallen wissenschaftlichen und medizinischen de/deutsch/aktivitas/gerdatschira.html sind das Gesamtbild, die Übersichtlich- Forschung zu informieren. Außerdem zu finden. keit, der schnelle Seitenaufbau und die können Neugierige mehr über die re- Qualität der Informationen zum Studi- gionale biomedizinische Wirtschaft er- CDF Preisträgerin 2008 Diesjährige um. Dagegen als negativ bewertet wur- fahren. Die Veranstaltung beginnt um Preisträgerin des Caspar David Friedrich de die Suchfunktion auf der Webseite, 16 Uhr im Pharmakologischen Institut, Preises ist die Dänin Eva Louise Buus von die nicht erwartete Ergebnisse lieferte. Friedrich-Löffler-Straße 23. Weitere Infor- der Königlichen Akademie Kopenha- Bemängelt wurde auch die Abweichung mationen unter www.cdat-greifswald.de gen. Beworben hatte sich die 29-Jährige der Institute vom Hauptauftritt der Uni- mit Malereien, die sich mit Licht, Farbe, versität, was verwirrend sei. Teilnehmer Erste Greifswalder Fahrradstraße ge- Raum und Fläche auseinandersetzen. der Umfrage wünschen sich mehr Erfah- plant Aus der Robert-Blum-Straße soll Ihre Ausstellung „Expanding Nature“ ist rungsberichte von Studierenden. Insge- künftig eine Fahrradstraße werden. Da- bis zum 19. April im Pommerschen Lan- samt nahmen 615 Personen teil, davon bei sollen Fahrradfahrer dann nebenei- desmuseum zu sehen. waren 94,3 Prozent bereits Studenten. nander fahren dürfen und Autos müssen sich ihnen unterordnen. Im Mittelpunkt Citylauf 2009 Zum dritten Mal findet Ideenwettbewerb Der neue Ideenwett- steht dabei, den Fahrradverkehr sicherer am 16. Mai der Greifswalder Citylauf mit bewerb der EMAU 2009 unterstützt kre- zu machen und Autofahrer zum Umstei- Unicup statt. Das Wettkampfprogramm ative Geschäftsideen aus Wissenschaft gen auf das Fahrrad zu bewegen. Die besteht aus einem zehn Kilometer Lauf und Forschung zu Produkten, Verfahren Planung ist Teil eines Fuß- und Radwege- beziehungsweise einer Staffel über vier- und Dienstleistungen. Teilnehmen kön- konzeptes, mit dem sich Greifswald bei mal 2,5 Kilometern, Walking und einem nen Studierende und Mitarbeiter der dem Bundeswettbewerb „Emissionsfreie Lauf von 2,5 Kilometer für Schüler. Stu- Uni Greifswald als Einzelpersonen oder Mobilität in Kommunen“ beworben hat. dierende, Mitarbeiter und Dozenten der in einer Gruppe. Im Auftrag des Landes Greifswald und Halle schafften es als Universität Greifswald haben die Mög- Mecklenburg-Vorpommern wird der einzige ostdeutsche Städte bis zum End- lichkeit, im 10-Kilometer-Lauf den Uni- Wettbewerb von der EMAU und dem ausscheid. cup von 2008 zu verteidigen. Organisiert Technologiezentrum durchgeführt. wird der Lauf von der Abteilung Leicht- Bis zum 15. Mai können Bewerbungen Türkische Bibliothek Ausgehend von athletik/Triathlon der HSG Uni Greifs- eingereicht werden. Unter www.ideen- der literarischen Edition „Türkische Bibli- wald. Die Bewerbungen sollten bis zum wettbewerb.de sind die Teilnahmebe- othek“, die im Unionsverlag erscheint, 8. Mai oder spätestens, allerdings gegen dingungen nachzulesen. werden Autoren der türkischen Moderne eine zusätzliche Nachmeldegebühr von seit dem 20. Jahrhunderts im Koeppen- drei Euro, bis zum 16. Mai eine Stunde Tresenlesen „Ach, Gogol“ Am 1. April haus ausgestellt. Anhand von Schauta- vor dem Start eingegangen sein. wäre Nikolai Gogol 200 Jahre alt gewor- feln und einer Ausgabe des Buches wird den. Aus diesem Anlass trägt Sabine die Türkei thematisiert. Die Ausstellung Nordischer Klang Vom 2. bis 9. Mai fin- Kotzur, Schauspielerin des Theaters Vor- ist von Dienstag bis Samstag von 14 bis det auch dieses Jahr der Nordische Klang pommern, am 6. April Erzählungen des 18 Uhr bis zum 25. April zu besichtigen. nun zum 18. Mal statt. Das Programm Dichters vor. Die Veranstaltung beginnt wird sich wie in den vorangegangenen um 22 Uhr und findet im Koeppenhaus Gerda Tschira Stipendium Mit Hilfe Jahren aus vielfältigen Angeboten zu- statt. Der Eintritt kostet wie bisher 1 Euro des Gerda Tschira Stipendiums sollen sammensetzen. Der genaue Ablaufplan plus Mehrwertsteuer.

Moritz 76 // April 2009 7 Einstieg Leserbriefe Stellungnahme, Kritik und Wünsche von Lesern seit über 200 Jahren

Er ist aus deutschen Zeitungen nicht litik verhinderte die öffentliche Diskus- über die große Resonanz gefreut haben. mehr wegzudenken. Manche lesen sion in den Medien. Erst die Märzrevo- Dabei beleidigte er nach außen Leser- Zeitungen sogar nur um seinetwillen. lution 1848 bezeichnet den Durchbruch briefautoren und drohte sogar einzelnen Persönlichkeit, Ehrlichkeit und Ideen- der Meinungs-und Pressefreiheit in den Lesern, ihnen ihr Abonnement zu kündi- reichtum zählen zu seinen geschätzten Medien. Diese übernahmen daraufhin gen. Charaktereigenschaften. Begehrenswert eine meinungsbildende Aufgabe in der war er jedoch nicht immer. Er sagt näm- Gesellschaft. Heinrich Heine, Karl Marx In der NS-Zeit wurden sämtliche Medien lich, was er denkt. und Ludwig Börne zählten zu ihren ak- gleichgeschaltet. Das Regime war darauf tivsten Repräsentanten. Von dort an bedacht, jegliche Opposition im Keim zu Das konnte zuweilen unangenehm oder feuerte jeder in seinen Briefen seine poli- ersticken. Ein Trick bestand darin, die Le- sogar gefährlich sein: 1786 wurde erst- tische Gesinnung in alle Richtungen. Der ser nun ausdrücklich aufzufordern, ihre mals in einer Zeitung ein Leserbrief ver- Kampf um die Meinung des Publikums Sichtweisen zu Papier zu bringen. Auf di- öffentlicht. Das war in einer Zeit, in der war entbrannt. ese Art konnten Andersdenkende erfasst gerade einmal zehn Prozent der Deut- und schließlich verhaftet werden. Häufig schen lesen und schreiben konnten. In Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war dienten die eingesendeten Briefe von dem in den „Moralischen Wochenzeit- der Leserbrief eine etablierte Rubrik in vornherein der Denunziation jüdischer schriften“ abgedruckten Text ging es allen Zeitungen. Er wurde zu einer be- Mitbürger. um die maximale Wärme aus minimalen ständigen publizistischen Größe. In der Holzvorräten. Leider ist aus heutiger Weimarer Republik begann man erste Nach der Niederlage im Krieg 1945 und Sicht die „Echtheit“ des Briefes zu be- Forschungen hierüber, doch fiel das Er- der alliierten Besetzung Deutschlands zweifeln. Damals sollten hauptsächlich gebnis oft geringschätzig aus. wurde das Pressewesen von Grund auf erzieherischere und aufklärerische Wer- demokratisiert. In einer demokratischen te dem Publikum vermittelt werden. Der Der Zeitungswissenschaftler Emil Dovi- Öffentlichkeit müssten Redaktionen heutige Wert der Ehrlichkeit kann sich dat schreibt 1930: „Jede Redaktion kennt kritisierbar sein. Somit sollte der Leser schwerlich hierunter befunden haben. die Nimmermüden und Immeranders- einen verordneten Zugang ins Blatt Diese Briefe stammten nämlich in aller denkenden, die in lärmenden und über- finden. Konnte trotz allem kein Dialog Regel vom Herausgeber selbst. Sie wur- heblichem Vorwurf das Ihrige anbringen zwischen Herausgeber und Leser zu- den, wie wir heute sagen würden, „gefa- müssen.“ standekommen, wurde dieser rechtlich ked“. Die Themen ähnelten stark denen durchgesetzt. eines Lebens-Ratgebers. Die Herausgeber sahen zuweilen in den Leserbriefen eine solche nervtötende Leserbriefe haben heutzutage einen Bis ins 18. Jahrhundert waren Zeitungen Veranlagung. Der bekannte österrei- selbstverständlichen Platz in jeder Zei- Teil des Regimes und „vernünfteln“ durf- chische Autor, Karl Kraus, trieb es hier- tung oder Zeitschrift. Ressentiments ge- te man als Durchschnittsbürger nicht. mit wohl auf die Spitze: „Ich [...] schreibe gen die auch genannte „Eselsecke“ sind So bezeichnete man die Tatsache, wenn keinen Brief und will keinen lesen und sind seit langem überwunden. In der sich Leser kritisch zu Wort meldeten. verweise auf die völlige Aussichtslosig- letzten Zeit hat sich die Tendenz verstär- Trotzdem akzeptierte man alsbald den keit jedes Versuchs, mich zu irgendeiner kt, dass Herausgeber das Gespräch mit Leserbrief, der auch von unabhängigen der hier angedeuteten oder wie immer ihren Lesern noch ausweiten. Zeitungen Lesern stammen durfte. Bedingung war, beschaffenen, schon in ihrer Vorstellung wie das „Hamburger Abendblatt“ erhal- der Artikel positiv sein musste und höch- meine Arbeit störenden, mein Missbeha- ten täglich 200 bis 300 Kommentare, ob stens unterhalten durfte. gen an der Außenwelt mehrenden Ver- via Internet oder traditionell per Um- bindungen mit eben dieser bestimmen schlag und Briefmarke. Der „Westfälische Anzeiger“ forderte bei- zu wollen, und habe nur noch eine Bitte, spielsweise: „Schreibt Heiteres, Harm- die auf alle derlei Unternehmungen ver- Das passende Thema, die objektive loses, den Glauben an die Menschheit geudeten Porto- und sonstigen Kosten Richtigkeit sind keine Anforderungen Stärkendes, und müsst ihr Schlimmes von jetzt der Gesellschaft der Freunde an Leserbriefe. Die Funktion, das Publi- berichten, tut es schonend und mit der Wiens [...] zuzuwenden.“ kum zu hören, Kritik wahrzunehmen, Trauer des Menschenfreundes. In kei- ist das einzig wichtige Moment. Es hilft, nem Leserbrief, auch nicht in einzelnen Noch in seinem letzten Lebensjahr 1936 Meinungen vielfältiger darzustellen und Ausdrücken dürfen die heiligen Gesetze ließ er auf Ausgaben den Banner „Zusen- damit auch Meinungen zu bilden. Und der Humanität, dieser edlen Tochter der dungen welcher Art auch immer, sind schließlich hat jeder Kommentar seinen feineren Bildung und der geläuterten unerwünscht“ drucken. individuellen Charme: Empfindungen verletzt werden.“ Allerdings konnten auch diese dra- „Ihr Artikel liest sich exakt so, als wäre Ihr Das Politische an sich fand allgemein stischen Worte nicht verhindern, den Reporter bei der Veranstaltung gar nicht erst viel später Einzug in die Zeitschriften Berg unerwünschter Leserbriefe zu stop- anwesend oder falls doch, dann volltrun- und Zeitungen. Eine strenge Zensurpo- pen. Karl Kraus mag sich im Geheimen ken gewesen.“ külz

8 Moritz 76 // April 2009 Hochschulpolitik

Quo vadis, AStA

Nicht der Mai macht immer alles neu. Im Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA) Greifswald ist stets April der Monat, nach welchem vieles nicht mehr ist, wie es vorher war. Mit dem Ende ihrer Legislatur im vergangenen Jahr nahmen viele ehemalige AStA-Referenten ihren Hut und überließen das Herzstück der studentischen Selbstverwaltung einem ungewissen Schicksal. Das Studierenparlament reformierte die Struktur und dachte, damit sei es getan. Weit gefehlt, aber den Generationenwechsel konnten die neu gewählten Referenten bewältigen. Viele erwartete Probleme konnten gelöst werden, den uner- warteten Problemen traten die meisten AStA-Referenten mit großen Engagement entgegen. moritz

Foto: Arik Platzek Foto: kommentiert zwei Jahre AStA-Arbeit: Ein vergangenes und ein kommendes. Mehr ab Seite 12. Hochschulpolitik

Nachrichten aus der Hochschulpolitik

Verwaltungskostenbeitrag Nach der sind, werden auch in Regierungsplänen die Landesregierung aus CDU und SPD. Sitzung des Bildungsausschusses am nicht beabsichtigt. Damit die von den Hochschulen er- 19. März 2009 zog man aus der Anhö- Weil die Hochschulen aber auf zusätz- warteten und durch die Landespolitik rung hochschulpolitischer Experten den liche Finanzzuweisungen aus Landes- bereitzustellenden Finanzmittel akqui- Schluss, den pauschalen Verwaltungsko- mitteln angewiesen sind, schieben die riert werden können, vertritt die LKS die stenbeitrag landesweit in Höhe von 50 Landtagsfraktionen den „schwarzen Auffassung, dass verstärkte Werbung für Euro nicht einführen zu können. Bereits Peter“, also die Entscheidung über die den Hauptwohnsitz in MV immatriku- einige Tage zuvor hatte sich die Lande- Einführung zusätzlicher Gebühren, nun lierter Studenten zu dem erwünschtem skonferenz der Studierendenschaften den Hochschulen zu. Nach der Vorstel- Finanzbedarf führt. (LKS) einheitlich dagegen positioniert lung der Landespolitik sollen zukünftig Die LKS rechnete vor, dass bereits die und sowohl die Höhe der geplanten die Hochschulgremien und Studieren- Anwerbung zusätzlicher 750 Erstwohn- Gebühr, als auch eine fehlende Kappu- denschaften über Verwaltungsgebühren sitznehmer in MV zur Bereitstellung des ungsgrenze und nicht vorgesehene So- streiten. Während die Hochschulen auf gleichen Betrages wie dem einer lan- zialklauseln kritisiert. zusätzliche Geldmittel angewiesen sind, desweiten Verwaltungsgebühr von 25 Mathias Brodkorb, bildungspolitischer will man dementsprechende Auseinan- Euro pro Semester führen kann. Derzeit Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, er- dersetzungen von der landeshochschul- gibt es an den Landeshochschulen noch klärte zur neuen Entscheidung: „In Meck- politischen auf die universitäre Ebene über 10.000 Studenten ohne Haupt- lenburg-Vorpommern wird das Studium verlagern. Da die Hochschulleitung vor wohnsitz in MV. Die zweite Lesung der auch weiterhin gebührenfrei bleiben. allem darauf angewiesen ist, finanzielle Gesetzesänderung im Landtag sollte am Lediglich für Verwaltungsleistungen Mittel seitens der Landesregierung be- 1. April 2009 erfolgen. Die Studierenden- können in geringem Umfang Kosten- reit gestellt zu bekommen und in der vertretungen des Landes organisierten beteiligungen vorgesehen werden. Ich Landespolitik dabei auf Widerstand ge- deshalb eine Demonstration am 1. April bin zuversichtlich, dass es Studierenden stoßen ist, versucht man die Frage der 2009 vor dem Schweriner Schloss und und Hochschullehrern vor Ort gelingen zusätzlichen Finanzierung zurück auf riefen alle Studenten zur Teilnahme auf. wird, gemeinsam eine konstruktive und die Hochschulen abzuwälzen. Die Lan- sozial ausgewogene Lösung zu finden, deskonferenz der Studierendenschaften StuPa-Sitzung Die erste Sitzung des im mit der alle Beteiligten zufrieden sind.“ (LKS) stellte daher schon am 16. März Januar neu gewählten Studierendenpar- Im Klartext: Direkte Studiengebühren, 2009 ein alternatives Konzept zur Ver- lamentes findet am 14. April 2009 um 20 die aufgrund des Koalitionsvertrages besserung der Finanzsituation der Hoch- Uhr im Konferenzsaal des Universitäts- der Regierungsparteien in Mecklenburg- schulen vor: Diese stützt sich weiterhin hauptgebäudes statt. Die Sitzung ist wie Vorpommern sowieso ausgeschlossen auf eine verstärkte Finanzierung durch immer hochschulöffentlich.

10 Moritz 76 //April 2009 Bericht Hochschulpolitik

Emausaurus ernstii Der Universitätssaurier zerfällt

Das Fossil wurde 1963 in einer Tongru- be vom Geologie-Diplomanden Werner Ernst gefunden und 1991 von Hart- mut Haubold erstmals beschrieben. Das Alter des Fossils wird auf rund 180 Millionen Jahre, die Zeit der Unteren Jura, datiert. Bei dem Fund handelt es sich um den Schädel eines Jungtieres, der zu den kleinsten Vogelbecken- Dinosauriern gehörte und eine Län- ge von ein bis zwei Metern erreichte.

Natürlich weiß jeder Student in Greifs- aufbewahrt. Ganz bestimmt keine artge- überlegt man sogar den international wald, dass die Uni – auch wenn er noch rechte Haltung für ein Fossil, welches im bekannten Paläontologen Haubold ein- so viel darüber klagen mag – einiges zu Museum sicherlich in einem speziell da- zuladen. bieten hat. So ist man in Greifswald be- für ausgelegten Tresor ausgestellt wür- Warum die Universität gerade jetzt auf sonders stolz auf die Lage am Meer, die de. Nicht nur schöner wäre das für den ihren Dino aufmerksam wird, darauf hervorragende Arbeit des moritz, Emausaurus, sondern auch um einiges weiß Stefan Meng auch keine Antwort. den eigenen Dinosaurier – Moment gesünder. Eine einfache Rechnung macht Eine Verbindung zu dem Skandal in mal, ein eigener Dinosaurier? Doch so das deutlich: So waren die Knochen 180 Stralsund, bei dem die Stadt steinzeital- unglaublich wie es klingen mag, es ist Millionen Jahre lang in besagter Tongru- terliche Einbäume vermodern ließ, sieht wahr. Die Ernst-Moritz-Arndt-Universität be abgeschlossen von Sauerstoff und da- er jedoch nicht. Die Idee zur Rettung hat ihr eigenes Hausreptil. mit frei von der Gefahr der Zersetzung. des Emausaurus sei schon länger im Nun droht ihm binnen kürzester Zeit Gespräch. Dennoch sieht er in dem, erst 1963 fand der Geologe Werner Ernst der Verfall. Allein durch derart schlechte kürzlich bekannt gewordenen, Skandal in einer Tongrube in Grimmen die Fos- Aufbewahrung? „Nicht nur“, erklärt Ste- eine motivierende Wirkung: „Vielleicht silien eines Dinosauriers aus der unteren fan Meng, der an der Universtät Halle ist man jetzt ja vorsichtiger.“ Jura, welchen Hartmut Haubold 1991 bei dem Namensgeber des Emausaurus, nach der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Hartmut Haubold, studierte. Die Benefizgala jedenfalls soll dem Geld- „Emausaurus ernstii“ benannte. Was so- Im Gegenteil, die Aufbewahrung sei erwerb dienen. Damit ist eine neuerliche viel bedeutet wie „Ernst-Moritz-Arndt- zwar fern von optimal, den Großteil des Konservierung des Emausaurus geplant. Universitäts-Echse“. Das Fossil ist als Problems machten jedoch die falsch vor- Kunstharz soll ihn vor dem Verfall retten. Einziges seiner Art von besonderem genommene Konservierung sowie Kno- Auch wurde angedacht, eine Nachbil- wissenschaftlichen Wert. Das zeigt die chenstruktur des Sauriers aus. dung des Fossils zu Ausstellungszwecken schnelle Aufnahme in Stammbäume, die zu erstellen. Damit würde der kostbare in anerkannten amerikanischen Fach- Was tut die Universität, um so den Besitz der Universität einen höheren Be- zeitschriften veröffentlicht wurden. schnellen Zerfall noch rechtzeitig abzu- kanntheitsgrad erreichen. Und wer weiß, Eigentlich könnte1032758-1.qxd also dieser Saurier das09.03.2009 wenden? 15:01 Nun zunächst Seite einmal 1 sei die vielleicht erinnert sich der ein oder ande- Wahrzeichen der Universität Greifswald Benefizgala zugunsten des Emausaurus re Student das nächste Mal auch an das sein, meint Stefan Meng, wissenschaft- erwähnenswert, die in Kürze abgehalten interessante Haustier der Universität? licher Mitarbeiter für Paläontologie an werden soll. Als besonderes i-Tüpfelchen scara der Universität Anzeige 1032758-1 | Ausgabe W8-2007-1, zuletzt geändert 02.03.2007, 11:35:42 von SCHROEDS, erstellt 21.02.2007, 10:54:17 von STEINBEK Greifswald, in einem Inter- • Kfz.-Schadengutachtensofortservice view mit dem KFZ Deutschland- Sachverständigenbüro • Technische Beratungen funk. • Schadengutachten: Stattdessen jedoch wer- Dipl.-Ing. (FH), IfS-zertifiziert Haftpflicht und Kasko den die Kno- • Gutachten zur Beweissicherung chen des ver- mutlich ein a 0 38 34/ • Wertermittlungen bis zwei Meter • Gebrauchtfahrzeugcheck langen Tieres in einer Kiste • Reparaturkalkulation auf einem 79 67-0 • Reparaturüberprüfung D a c h b o d e n Foto: Stefan Meng Stefan Foto: • Bootsgutachten

Anklamer Straße 32 · 17489 Greifswald · www.sachverstaendiger-hgw.deMoritz 76 // April 2009 11 Hochschulpolitik TITELTHEMA

Familymoritz über eine Portrait schwierige AStA-Wiedergeburt

Hussien Al-Haushaby

Scarlett Faisst Sebastian Nickel

Korbinian Geiger

Stellv. AStA-Vorsitz Fabian Freiberger Solvejg Jenssen

Katja Krohn Jörn Sander

Angelika Meißner Diana Berndt Referat für Soziales und Wohnen Stell dir vor, es sind AStA-Wahlen und Was hier als Schreckensszenario dar- lich war es aber wohl vielmehr Glück, keiner geht hin. Der AStA bleibt unbe- gestellt wird, wurde 2008 noch nicht denn selten konnte das fast nie vollbe- setzt. Kein Platzmangel herrscht mehr wahr. Wohl eher überraschend als er- setzte Gremium aus studentischen Par- an den Tischen des Studierendenparla- wartet, fand sich zu keinem Zeitpunkt lamentariern wirklich wählen: Meistens mentes. Das StuPa hat in jeder Sitzung eine große Zahl Bewerber für ein AStA- entschied sich die Frage vor allem daran, eine zusätzliche Stunde zur politischen Referat. Wo der Uni-Laden über fünfzig ein Referat weiterhin unbesetzt zu lassen Debatte. Entscheidungen werden Bewerbungen auf zwei Stellenausschrei- oder nach dem flüchtigen Eindruck der Alexander Harms gefällt, aber nicht weiter bearbeitet. bungen zu bearbeiten hatte, wollten vor nur kurz währenden Vorstellungs- und Fragen werden gestellt, aber nicht be- ein rund 12.000 Studenten vertretendes Befragungsrunde dem angetretenen antwortet. Internationale Studierende Studierendenparlament nur etwa halb Bewerber eine Chance zu geben. Nur die bleiben ratlos, Prüfungsordnungen soviele interessierte Studenten treten. wenigsten Mandatsträger verwendeten auch deutschen Studenten unver- Der letzte Referent wurde erst im Ja- auf Überlegungen zur Referentenwahl ständlich. Studierende Eltern müssen nuar, also zum Ende der Legislatur, ge- mehr Zeit als zur Entscheidung über ihr glauben, was die Behörden sagen. Mit- wählt und trotzdem sind bis heute viele Mittagsmenü. Warum auch nicht, bei so tellose Studenten ebenso. Studenten AStA-Referate unbesetzt. Dass die eben wenigen Alternativen? Dass die geringe stehen vor verschlossenen Türen. Fach- gezeichnete Vision im durch den Abtritt Auswahl im eigenen Machtbereich steht, schaften und Vereine bekommen kein zahlreicher erfahrener und geschätzter realisierte bis heute kaum jemand der Geld. Der Hochschulsport wird totge- Referenten verursachten Umbruchjahr zur Interessenvertretung Bestimmten. kürzt. Homosexuelle Studenten wieder 2008 nicht wahr geworden ist, verhin- Zur StuPa-Sitzung am 14. April 2009 gemobbt. Die Erstsemesterwoche fällt derte vor allem die Einsatzbereitschaft plant der AStA eine Selbstevaluation aus und Verwaltungsgebühren werden der AStA-Mitglieder. Manch ein StuPist und wie schon im vergangenen Jahr nach Gutdünken eingeführt. Mieten würde hier wohl gern argumentieren, widmet auch moritz dem AStA der steigen unwidersprochen. Studien- dass nur seine kritische und sorgfältige vergangenen Wahlperiode einen aus- gänge verschwinden ohne jeglichen Auswahl zu einem guten Ende eines führlichen Beitrag, der Rückblick und Protest. schwierigen Jahres geführt hat. Tatsäch- Vorausschau zugleich sein soll.

12 Moritz 76 //April 2009 TITELTHEMA Hochschulpolitik

Sebastian Nickel stellte sich Ende Juni und das AStA-Team die Erstsemester- wollen. Die Antennen der AStA-Vorsit- 2008 zur Wahl des stellvertretenden woche, zumindestens äußerlich, mit zenden für Probleme und Aufgaben sind AStA-Vorsitzenden. Der auf den ersten Bravour gemeistert hatten, zog vermut- sensibel und ihre Arbeitsweise war bis- Eindruck als Gegenentwurf zum etwas lich irgendwann nach den Schweriner her professionell. Intern scheint ebenfalls biederer wirkenden vorherigen AStA- Demo-Tagen im Oktober seine Freundin mehr Ruhe in den AStA eingekehrt zu Vorsitzenden Thomas Schattschneider die Stirn kraus. Und er entschied sich sein. Sogar wenn einige Projekte, wie die 23-jährige BA-Student der Geschichts- für sie und sein Bachelorstudium. Ein Werbung für die Gremienwahl, mit mehr Verlust für den AStA, den viele sehr Vorbereitung hätten wirkungsvoller aus- bedauert haben. fallen können, hofft man bei ihr nicht unberechtigt, dass sie mit Übung ihren Seine Nachfolge trat ab Anfang Meister macht. Wenn sie weitermachen November die neugewählte will, was zu erwarten ist, muss sie sich AStA-Vorsitzende Scarlett Faisst aber auch spätestens bis zur Wiederwahl an, welche bereits Mitte Mai mit Gedanken über ihre Nachfolge machen. Hussien Al-Haushaby der ersten Welle frischer Refe- Denn wie die Vergangenheit gezeigt hat, renten im Referat für Soziales ist ihr Amt zu bedeutend, um es dem Zu- und Wohnen des neu struk- fall zu überlassen, dass sich für die Zeit turierten AStA angekommen nach ihr der Richtige findet. Daniel Teuteberger war. Sie wurde aber erst zur Vorsitzenden gewählt, nach dem der bis „Keine Angst, es gibt keine Demo“, er- Jens Pickenhahn dahin im stellvertretenden AStA-Vorsitz klärte der seit 8. Juli 2008 für den AStA amtierende Sebastian Nickel erklärt hat- arbeitende Referent für Hochschulpoli- te, sein Amt wegen zeitlicher Überforde- tik, Fabian Freiberger, auf der Vollver- rung nicht weiter ausführen zu wollen. sammlung Mitte November 2008 zur Vor allem drei Dinge hatten Sebastian Überraschung einiger, als er über den Fabian Freiberger Nickel aufgerieben: Zum einen stand damaligen Stand zum Verwaltungsko- er vor einem fast komplett unerfah- stenbeitrag informierte. Solche Sätze renen AStA, zum anderen bedeuteten lassen Zweifel an der Leidenschaft des die Pläne des Landes zur Einführung Referenten aufkommen, aber vielleicht eines Verwaltungskostenbeitrages eine sprach er auch nur im Sinne der Stu- große Herausforderung. Letztlich war in denten, die wegen Reisekrankheit vor der gleichen Zeit auch noch die Erstse- Busfahrten nach Schwerin scheuen. Der Paul Beresnatzki mesterwoche des Wintersemesters zu nun bei den Gremienwahlen 2009 in den bewältigen. erweiterten Kreis studentischer Sena- Wo Sebastian Nickel am Ende seiner toren eingezogene Geschichts- und Po- Referat für Soziales und Kräfte nicht zuletzt wegen des groß- wi-Student (B.A.), wurde Anfang Juli 2008 Wohnen en Selbstbewusstseins der damaligen in die studentische Selbstverwaltung ge- und Politikwissenschaft, scheu- Referentin für Soziales und Wohnen in wählt. Und stand im vergangenen Jahr te wie alle anderen davor bezug auf den damals immer noch of- häufig im Zentrum der Aufmerksamkeit. zurück, ohne jegliche fenen AStA-Vorsitz erschöpft aufgab, Denn der Verwaltungskostenbeitrag, Erfahrung sofort den obwohl er bis dahin noch als heißester die Vollversammlung und die Gremien- Vorsitz des AStA über- Kandidat für diesen Posten gehandelt wahlen bleiben immer zentrale Inhalte nehmen zu wollen. Wohl wurde, steht der AStA mit Scarlett Faisst seines Amtes. Das Arbeitsverhältnis zum Alexander Harms wissend, dass die Aufgaben heute vergleichsweise gut da: Die un- AStA-Vorsitz ist bestens. Er selbst hatte des AStA-Vorsitzes ohne den ter dem Vorsitz von Nickel organisierte sich vorgenommen, Studenten für Politik damals in Aussicht stehenden Demo vor dem Schweriner Landtag im zu aktivieren. Sich selbst hat er sicherlich Vorsitzenden vom Stellvertreter oh- Oktober 2008 trägt Früchte, denn der aktiviert, aber die Aktivierung anderer nehin übernommen werden müssten, Bildungsausschuss rät von einer Einfüh- bereitete ihm auch Kopfzerbrechen. Sei- konnte er sich mit der überwältigenden rung Verwaltungsgebühren durch das ne vor den Gremienwahlen veranstaltete Mehrheit von 21 Ja-Stimmen gegen die Land ab, wenn damit auch das Thema Podiumsdiskussion der Kandidaten, die ebenso ohne Erfahrung angetretene noch nicht vom Tisch ist. Und auch die der bisherige StuPa-Präsident Frederic Anne-Kathrin Mulsow und den ehema- fast völlige Neubesetzung des näch- Beeskow schon vor einem Jahr in einem ligen webMoritz-Chefredakteur Uwe sten AStA ist für die nunmehr schon Interview mit moritz angeregt hatte, Roßner durchsetzen. In den folgenden in der Gremienarbeit geübte Scarlett war hier ein guter Ansatz, der zur Regel Wochen erwartete ihn eine gewaltige Faisst nicht zu erwarten, denn viele der werden sollte. Auf fehlende Routine Arbeitslast, die im Normalfall nur für zuletzt gewählten Referenten wollen muss man es bei gutem Willen aber zu- Karrieristen und andere Arbeitstiere weitermachen. Und die vor ihr liegende rückführen, dass diese Veranstaltung wie gemacht worden sein konnte. Verwal- Erstsemesterwoche ist die des Sommer- auch die Vollversammlung und die Wahl tungskostenbeitrag, AStA-Aufbau, Er- semesters, also kleiner. selber zu wenig Wahrnehmung in der stiwoche und die üblichen Formalia Die Psychologiestudentin Faisst erklärte Öffentlichkeit fanden. Dem kommen- verlangten nicht 20, sondern 60 Wo- moritz auf Nachfrage, den AStA-Vor- den Bildungsstreik 2009 steht er wegen chenstunden von ihm ab. Nachdem er sitz auch im neuen Jahr weiterführen zu der Beteiligung linksextremer Gruppen

Moritz 76 // April 2009 13 Hochschulpolitik TITELTHEMA

skeptisch gegenüber und will deshalb tungen und kümmerte sich um den eigene Veranstaltungen organisieren. Hochschulsport. Die Erstsemesterwo- Er besetzt eines der vom StuPa am ge- che im Wintersemester 2008/2009 ver- nauesten beobachteten Referate, man langte der meist überaus wohlgemuten sollte also gespannt bleiben. Lehramtsstudentin einiges ab. Denn ihre Erwartungen auf Unterstüt- „Haushalte prüfen, Haushalte prüfen zung durch den gesamten AStA bei der und lass mich überlegen, Haushalte Erstiwoche zum Wintersemester wurden prüfen“, beschreibt Alexander Harms nicht erfüllt. „Einige haben mich gut un- seine derzeitige Tätigkeit als Finanzrefe- terstützt, andere kaum“, stellte sie am rent. Seit Januar ist er dabei und wurde Ende nüchtern fest. Trotz dessen und vom kurzfristig eingesprungenen ehe- dass die 24-Jährige nebenbei noch ein maligen Finanzer Matthias Rebling ein- Praktikum zu absolvieren hatte, lief die gearbeitet, der seit Tim Krätschmanns Ersti-Woche aber erstaunlich gut. Ausscheiden die Referatsaufgaben Im Wintersemester organisierte sie vertretungsweise ausführte. Alexander unter anderem eine Karaoke-Party bringt gute Voraussetzungen mit: Nach in der Kiste, ein Volleyball- und einer abgeschlossenen Ausbildung ein Fußballturnier, deren Orga- zum Bankkaufmann studiert er nun im nisation nicht ganz reibungslos zweiten Semester BWL. Er konnte sich verliefen. Fußballklau und ein schnell einarbeiten, auch die Zusam- wirtschaftliches Würstchen- menarbeit mit dem Co-Referenten Paul defizit wurden bemängelt. Beresnatzki funktioniert anscheinend Bedauerlicherweise wird reibungslos. Diana nach der Legislatur defi- „Ich sehe nicht ein, dass der AStA eure nitiv aufhören. Wer sagt, dass man auf AStA- Sitzungen keinen Spaß habenkann? Bürostühle finanziert, wenn ihr noch etwas Geld auf dem Kon- Die Aufgaben für Solvejg to habt“, meinte der Re- Jenssen, Referentin für ferent zu moritz. Aber Studium und Lehre, sind Alexander zeigt sich lern- umfassend: Sie ist unter bereit. So machte er sich anderem Anlaufstel- ein eigenes Bild von den le für Studienplanung, maroden Stühlen in der Prüfungsfragen, Hoch- moritz-Redaktion. Und schulwechsel, Evalua- stellte kopfschüttelnd fest: tionsangelegenheiten. 24-Stunden-Vorlesung: Sebastian Dabei geht es um die „Das ist ja kein Zustand, ich Nickel und Hussien Al-Haushaby will mal sehen, was sich ma- Sicherung und Ver- chen lässt.“ Ob er seine Ar- besserung der Lehre. beit gut macht? Kollegin Hier kennt sich die Katja Krohn bestätigt mit Jurastudentin schon einem Augenzwinkern: aus, sie selbst hatte Fabian Freiberger auf der Demo „Es haben sich schon einen Hochschulwech- in Schwerin am 16.10. einige Fachschafts- sel hinter sich. Seit Mai räte beschwert. Das berät sie, organisierte die heißt, dass der Finanzreferent 24-Stunden-Vorlesung und gute Arbeit leistet.“ Hoffentlich sehen hinterfragt skeptisch. Derzeit die FSRs das genauso, ansonsten steht begleitet sie die Probleme an moritz als Ansprechpartner bereit. der deutschen Philologie und würde, Alexander Harms steht für eine weitere „falls nötig, auch eingreifen.“ Auch dem Legislatur zur Verfügung. Und kann moritz hilft sie als erste Anlaufstelle. dann zeigen, was er noch gelernt hat. Mit ihrem Pensum ist die 21-Jährige gut ausgelastet, für die Evaluation bleibt Diana Berndt brachte gute Vorausset- leider zu wenig Zeit. zungen für das Referat Kultur, Sport und Erstsemesterwoche mit, die sie im Jörn Sander tanzt auf vielen Hoch- Mai bei ihrer StuPa-Wahl herausstellte: zeiten. Neben seinem Referat für „Ich war Ersti und Tutorin, deswegen Fachschaften und Gremien ist er Vor- habe ich Erfahrungen in dem Bereich.“ sitzender des Studententheaters, war In den ersten Wochen gründete sie die AStA-Kassenwart, unterstützte den Gre- Ersti-AG und plante, wie es die Referats- mienwahlleiter, animierte die demons- beschreibung verlangt, verschiedene trierenden Studenten vergangenen Ok- kulturelle und sportliche Veranstal- tober in Schwerin und bietet bei vielen

14 Moritz 76 //April 2009 TITELTHEMA Hochschulpolitik

Gelegenheiten sein schauspielerisches Co-Referent für Ausländerfragen leistet lich nicht sonderlich erfolgreich. Zwei Unterhaltungstalent an. Ein gutes Bei- Hilfestellung bei der Integration aus- Wochen später trat er noch einmal vor spiel: Das Wahlwerbevideo zu den Gre- ländischer Studierender. So ist er An- das Studierendenparlament und be- mienwahlen, das Jörn mit vielen fiktiven sprechpartner bei allen Problemen mit warb sich für das AStA-Referat Queer Figuren darstellerisch auflockerte. Aber Behörden oder beim Studium. Er orga- und Gleichstellung. Dort musste er sich er ist auch in seinem Referat bemüht, er nisiert Veranstaltungen, bei denen die skeptischen Fragen stellen: Ob er es als steht in Kontakt mit den Fachschaftsrä- Studierenden Einblick in die Kulturen Problem sehe, dass er nicht der „Szene“ ten und hat noch vor, eine AG Projekt- der ausländischen Kommilitoninnen angehöre. Korbinian verneinte. Warum woche zu gründen. erhalten können und setzt sich für eine er denn finde, dass das Studium eine Oft fragt er sich selbst, laut anderer ausländerfreundlichere Politik ein. Ein geeignete Zeit für das Kinderkriegen AStA-Referenten, ob er genug in seinem besonderer Arbeitsschwerpunkt ist das sei. Korbinian erklärte. Und konnte sich Referat macht und was er noch verbes- Studienkolleg.“ trotz leicht professoralen Auftretens mit sern könne. Bei den anderen Referenten Das Studienkolleg war sein Arbeits- überzeugenden Argumenten gegen ist der Lehramtsstudent auf Grund sei- schwerpunkt. Sein Problem ist die Spra- seine zwei Mitbewerberinnen durchset- ner sympathischen und engagierten Art che. Der arabischstämmige Student zen. beliebt. „Ich finde die Kollegialität unter legte den Schwerpunkt nach Ansicht Seitdem überzeugt er durch viel Enga- uns Referenten bemerkenswert“, stellt vieler aber auch zu sehr auf den ara- gement: Er organisierte Eltern-Kind- Jörn fest. Doch der 26-Jäh- bischstämmigen Teil der internationa- Cafés, Queer-Stammtische, Veranstal- rige wird keine weitere len Studenten. Andererseits bestehen tungen, gab in seinen Sprechstunden Legislatur ranhängen. auch dort die größten Integrationspro- sogar Beziehungstipps, stößt Diskussi- „Ich will in Zukunft bleme, denn Klagen von osteuropä- onen an. Die kritischen Stimmen ver- kürzer treten und ischen Studenten hört man vergleichs- stummten allmählich. Viel mehr, denn mich mehr meinem weise selten. AStA-intern glänzte er bei homosexuellen Kommilitonen ist der Studium widmen.“ nicht selten durch Abwesenheit. Der angehende Jurist anerkannt und wird Wer sagt, dass man auf AStA- Schwierigkeiten zum Trotz kann man gelobt. Nebenbei engagiert er sich bei Sitzungen keinen Spaß habenkann? Jens Picken- nicht bestreiten, dass er sich engagiert LEI, übernahm sogar vertretungsweise hahn, Co- hat. moritz 68 schrieb zu seiner das Referat „Soziales und Wohnen“ und Wie gesagt: ein gutes Referent für Vorgängerin, Sabryna Junker, dass „die reichte alleine im Januar drei Anträge Arbeitsverhältnis politische Bildung, Integrationsproblematik im Ostsee- ins Studierendenparlament. Dass er fiel in den Gremienwahlen viertel und Wohnraumverteilung noch bei der Gremienwahl so gut abschnitt, eher durch seine eigene offensive Entfaltungsmöglichkeiten für Nachfol- er zog ins StuPa und in den Senat, lässt Wahlwerbung auf, als durch seine Refe- ger“ bieten. Große politische Heraus- sich auf seine gute Arbeit zurückführen. ratstätigkeiten. Mit Bonbons und einer forderungen für einen Referenten, der Ein Wermutstropfen bleibt, denn Korbi- umfassenden Flyeraktion, auf dem er keine ausführliche Vita im europäischen nian wird seine Arbeit als AStA-Referent das Schild der Philosophischen Fakultät Raum nachweisen kann. Die Hürden für nicht weiterführen. Bleibt zu hoffen, putzte, warb er für sich. eine eindrucksvolle Arbeitsleistung des dass sein Engagement im StuPa und Se- Ziel des Co-Referats ist unter anderem, Nachfolgers im AStA der Uni Greifswald nat nicht abreißt. Nachwuchs für die Universitätsgremien sind daher hoch und Kritiker müssen und die Steigerung des hochschulpo- sich fragen, ob sie in seiner Situation Katja Krohn gehört mit zu den „alten litischen Verständnisses zu gewinnen. mehr hätten vollbringen können. Damen“, was ihre AStA-Zuge- Nachwuchs konnte er gewinnen, denn Wenn Hussien Al-Haushaby noch hörigkeit betrifft. Wie Jens ist nun selbst Mitglied im Philo- einmal für das Referat kandidie- Scarlett Faisst, sophischen Fakultätsrat. Bei seiner Be- ren sollte, wäre er für das Stu- Solveig Jenssen werbung im November betonte er, dass Pa nicht die beste aber auch und Diana Berndt man auf die Wichtigkeit der Hochschul- nicht die schlechteste Wahl. wurde die 24jährige politik aufmerksam machen müsse. Apropos, Sprache und und stets gutgelaunte Der 22-jährige Lehramtsstudent hält Rechtschreibung: Viel- Oranienburgerin im Wer zuletzt lacht...ein Bild sich bei AStA- und StuPa-Sitzungen leicht korrigierte man aus den ersten AStA-Tagen AStA Greifswald „früh- eher bedeckt, ist aber nicht untätig. Zwi- in der nächsten Le- zeitig“, also am 13. Mai schendurch vertrat er beispielsweise gislatur wenigstens 2008 Mai, gewählt. das Referat für Internet und Technik. Für seinen Namen auf der Die Co-Referentin die Zukunft plant er einen Infoabend zu AStA-Homepage. den Kommunalwahlen. Mal sehen, ob er auch ohne Bonbons und Nutellastullen Ein Jura-Student aus dem Allgäu, genügend Interessenten findet, die die- der regelmäßig die FAZ liest und ser Veranstaltung beiwohnen werden. Mitglied der CDU und des RCDS ist, der das Co-Referat „Queer und Gleich- Medizinstudent Hussien Al-Haushaby stellung“ erfolgreich ausführt. Ein Wi- ist seit Ende Mai Co-Referent für Aus- derspruch? Korbinian Geiger bewies Zwei Frischlinge und ein alter länderfragen, nachdem er sich gegen eindrucksvoll das Gegenteil. Ursprüng- Hase: Alexander Köcher (mitte) Korbinian Geiger durchsetzen konnte. lich bewarb sich der 26-Jährige für das

Die Stellenbeschreibung erklärt, „der Referat für Ausländerfragen, bekannt- Die AStA-Bar in der Ersti-Woche

Moritz 76 // April 2009 15 Hochschulpolitik

für Studierendenaustausch und Inter- nationalisierung ist bei LEI dabei und war somit nicht gänzlich unerfahren mit dem Inhalt ihres Referates. Trotzdem war sie eine „AStA-Ersti“, und auch eine ver-

lässliche – wie alle der an ihrem Wahltag Spielten das Rein-raus-Spiel im AStA: in den AStA gelangten Referentinnen. Ex-Referenten Tim, Klaus und Sebastian Katja Krohn, die nebenbei bei Subways arbeiten muss, setzte mindestens eine eigene Veranstaltung um, nahm an ande- ren regelmäßig teil und übernahm auch stets referatsfremde Aufgaben, um sich klar ab- mit unvertrauten Themen zu beschäfti- gegrenzte und Alter & neue AStA-Vorsitzende bei der StuPa-Wahl-Stimmenzählung Besser ein Tapircomic in der gen, wenn es nötig wurde. Dank ihr er- inhaltlich fundierte AStA-Sitzung als gar kein Spaß hielt nach Sebastian Nickels Referat bisher gut aus moritz Unterzeichnung des Kooper- Ausscheiden wieder Pressemitteilungen und unterstütze den AStA mit guter ationsvertrages mit radio 98eins des AStA, denn seit seinem Ausscheiden Arbeit. Ihre Erfahrungen und ihr Detail- Kopierer. vertrat sie auch die Öffentlichkeitsar- wissen wird sie nun mit in das Berufsle- Ein Highlight im Bericht Thomas Schattschneider wird beit, eigentliche Aufgabe des stellver- ben nehmen, während sich vermutlich ist da das Aufräumen der verabschiedet am 1. Juli 2009 tretenden Vorsitzes. Was sie bisher noch ein unerfahrener Bachelorstudent in die Teeküche. Diskussionen nicht geschafft hat: Den Bologna-Prozess Vielfältigkeit der Anforderungen ihres um die Notwendigkeit und mit eigenen Beiträgen zu begleiten und Referates einarbeiten werden muss. Gestaltung des Referats gab es zur weiteren Internationalisierung der bereits im vergangenen Jahr und Lehre und zu Lehrkooperationen beizu- „Paul hat nichts zu berichten.“ Diesen sie werden wieder geführt werden. tragen. Eigene Ideen umzusetzen, wie Satz findet man auf fast jedem AStA- Vielleicht wird die Grüne Hochschul- beispielsweise kostenlosen Eintritt für in- Protokoll, seit Paul Beresnatzki im No- gruppe helfen können, dieses Referat ternationale Studierende in Greifswalder vember zum Co-Referenten für Finan- nachhaltig mit neuen Ideen zu versor- Clubs und bei anderen Veranstaltungen, zen und Nachhaltigkeit gewählt wurde. gen. bleibt ein Ziel für die hoffentlich nicht seine Aufgabe ist, den Finanzreferenten allzu ferne Zukunft. Hoffentlich nicht das bei der Abrechnung von Veranstal- Von Daniel Teuteberger, jüngst ge- einzige, denn auch abseits der Partysze- tungen zu unterstützen. Weiterhin ist wähltem IT-Profi des AStA, kann man ne fehlen ihrem Referat universitätsweit der Referent für die Beschaffung und sich nur ein Update der AStA-Home- bekannte Veranstaltungen. Ihr Studium den Verkauf von Büromaterialien ver- page wünschen. War sie ursprünglich endet allerdings im März 2010 und nur antwortlich. Klingt nach einem eher ein Sprung nach vorn, rutschte sie man- wenn sich niemand an ihre Nachfolge trockenen Verwaltungsreferat, das sich gels fehlender Referatsbesetzung lang- traut, würde sie bis dahin einspringen. so auch in den Rechenschaftsberichten sam in die Lächerlichkeit ab. Während Es ist zweifelhaft, ob ihr(e) NachfolgerIn Pauls wieder findet. die Seite des Studierendenparlamentes diese Ziele ad hoc erreichen kann. Mit Der 22 Jahre alte Jura-Student war eini- an Aktualität und Inhalten unter dem Katja Krohn konnte man darauf hoffen. ge Wochen mit der Beschaffung eines Vorsitz von Frederic Beeskow, Paul De- Druckers beschäftigt, was ein wenig Un- derer und Jaana Rohde gewonnen hat, Auch Angelika Meißner, die BAföG- mut bei anderen Referenten hervorrief. erfuhr die AStA-Seite die umgekehrte Referentin mit den Halstüchern als Mar- AStA-Vorsitzende Scarlett Faisst räumte Entwicklung. Das Layout war zeitweise kenzeichen, strebt auf ein Ende ihrer Ab- aber ein, dass der Drucker schwer zu unlesbar deformiert und kein einziges schlussarbeit zu und wird den AStA im bekommen sei. Generell ist sie mit der AStA-Protokoll findet man online. Die kommenden Jahr nur noch solange be- Arbeit Pauls zufrieden. Auch wenn sei- AStA-Rechner laufen, Voraussetzung gleiten, wie sie es mit ihrem Lehramtsstu- ne Rechenschaftsberichte fast immer für seine Wiederwahl muss also ein bal- dium vereinbaren kann und kein anderer die gleichen Inhalte vorweisen: Sprech- diges gestalterisches und inhaltliches Referent gewählt ist. Bedauerlicherwei- stunden, Kassenwartstätigkeiten, War- Update des Internetauftrittes des AStA se, füllte sie dieses auftragsmäßig doch tung und Bestellung vom Drucker und Greifswald sein. ap, cf

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16 Moritz 76 //April 2009 Leitartikel Hochschulpolitik

Für ein Ende der 1-Euro-Jobs

Gut bezahlte Stellen findet man in „Ich kann nichts, ich bin nichts, wo bitte Viele Beobachter der Hochschulpolitik Greifswald in der Regel nicht einfach so. geht’s zum AStA?“ zeigten sich im letzten Jahr auch schon Der nordöstlichste Zipfel der Bundesre- erstaunt, wenn zur Kandidatenvorstel- publik ist hinsichtlich der Einkommen Diese Frage, welche als geflügeltes Wort lung im StuPa mehr als nur ein Interes- genauer Gegensatz zu seinen diametral immer wieder Kritik an der Erfahrung sent aufgelaufen war. Wobei dann jedoch gegenüberliegenden Pendants im Süd- und dem Talent gewählter Referenten das angesichts der breiten Auswahl stark westen. Vermutlich deshalb wird dem- üben muss, kursiert schon seit geraumer gesteigerte Fragebedürfnis der StuPa- nächst eine Stellenanzeige mit obigem Zeit. Während die früheren Studien- Mitglieder gern mal bemerkenswerte Tenor veröffentlich werden. Ihr Ausstel- ordnungen von Magister, Diplom und Blüten zeitigte: Von fast einer Handvoll ler könnte das Studierendenparlament Staatsexamen vielen Studenten noch die Bewerbern für eine (stellvertretende) (StuPa) sein, denn es hat wieder den Luft zum intensiven Engagement ließen, Stelle im Verwaltungsrat des Studenten- Allgemeinen Studierendenausschuss wird diese nunmehr unter sich durchset- werkes bemühte beinah jeder eben die- (AStA) zu besetzen. zenden Reformen zur Verschlankung und ser Interessenten unter anderem sogar Während sogar die wegen Stundenlöh- Beschleunigung des Studiums zuneh- schulische Chormitgliedschaften und nen unter vier Euro vielfach geschmäh- mend dünner und die Bewerberlisten weitere, für das Amt recht fachfremd ten Arbeitgeber Smiley’s Pizza und das werden immer kürzer. Qualifizierte und erscheinende, Qualifikationen, um sich Cinestar Greifswald Einsteigern bei die- hochengagierte Studenten ergattern die von seinen Mitbewerbern abzusetzen. ser Arbeitszeit über 300 Euro und zusätz- Jobs mit nennenswerten Stundenlöh- Kopfschütteln, peinliches Grinsen und liche Vergünstigungen bieten, setzen nen, ob am Lehrstuhl oder in privaten Äußerungen wie „entwürdigend“ waren die Fraktionen des Studierendenparla- Unternehmen, sogar in Greifswald. Und da unter den anwesenden Gästen zu ments Greifswald immer noch ganz auf wer für viele Dutzend Arbeitsstunden beobachten. Die damals zu besetzende den Altruismus und die Leidenschaft der monatlich ohne Bezahlung antritt, kann Stelle steht aber immerhin nicht unter Studenten, sich für ihre Kommilitonen sich jeder selbst ausrechnen. permanenter Aufsicht durch 27 studen- aufzuopfern. Und meinen mehrheitlich, Auf dem wirtschaftlichen Auge stellt tische Mandatsträger im Studierenden- dass es für diese Arbeit kein Geld geben sich das StuPa blind gegenüber einer parlament. Womit sich das Wetteifern soll (siehe moritz 74: „Stupisten rufen veränderten Wirklichkeit. Dreizehn von um diese in der vita curriculum mögli- Leben!“). Ein gutes Gefühl und vielleicht fünfzehn AStA-Referaten sind mittler- cherweise eindrucksvoll erscheinende, noch ein kleines Sternchen im Lebens- weile besetzt, nach ganzen siebzehn aber in der echten Gremienarbeit eher lauf sollen hier reichen müssen. Mehr Wahlgängen im vergangenen Jahr. Aber unspektakuläre, Stelle vielleicht teilwei- bekommt man für ein StuPa-Mandat ja der April 2009 macht auch hier alles neu se erklären ließe. selber nicht, wenn überhaupt. Wer aber und irgendeiner wird sich schon finden. an der Uni eine Stelle als studentische Ein anderes geflügeltes Wort besagt Die AStA-Referenten jedoch stehen Hilfskraft hat, bekommt beides. Und schließlich: „Selbst ein blindes Huhn fin- unter der Aufsicht des StuPa und bei muss nur rund sechs Stunden pro Woche det mal ein Korn.“ Denn man hatte bisher Wahlen für Referate in der studentischen dafür arbeiten, ohne dass der Professor immer noch Glück gehabt, manchmal Selbstverwaltung musste man solche es als politische Profilschärfung versteht, mehr und manchmal weniger. An das Szenen dann auch weniger oft wahr- kleinere Mängel mit Lohnkürzungen zu ständige Kommen und Gehen der AStA- nehmen. Selten traten mehr als zwei Be- sanktionieren. Die studentische Selbst- Referenten könnte man sich ja gewöh- werber an. Und falls doch, befanden sich verwaltung ist aber nicht die Universi- nen, zumal sich die Bewerberbefragung unter diesen häufig Wiederbewerber, tätsverwaltung, die häufige Gegnerin und -wahl möglicherweise wie richtige die nach vielen Monaten in der studen- honoris causa. politische Arbeit anfühlt. tischen Selbstverwaltung weder von der

Moritz 76 // April 2009 17 Hochschulpolitik Leitartikel

verinnerlichten Würde des Amtes noch – des Referates als parteipolitisches Ereig- Nicht nur christdemokratische Katzen teils gezwungenermaßen – von der übli- nis auf. Möglicherweise war der persön- tun es cherweise zu erwartenden Aufwandsent- liche Erfolg des Referenten hier gänzlich schädigung lassen konnten. Die trotz der konträr zu den gewohnten Denkmustern Konservatismus gegenüber den ge- geringen Höhe für einige immer noch seiner Parteikollegen. Korbinian Geiger wohnten Strukturen fand sich bisher ein fest verplanter Haushaltsposten ist. ist seit Januar das RCDS-Mitglied mit den aber im gesamten politischen Spektrum Der AStA war im Laufe des letzten Jahres meisten Wählerstimmen bei der Wahl des Studierendenparlamentes. Ganz trotzdem nicht ein einziges Mal voll be- zum Studierendenparlament im Janu- gleich die Meinung unter alten AStA- setzt, selbst nach der in der AStA-Reform ar 2009 und fand sich auf Plätzen des Mitgliedern, Liberaler oder Grüner Hoch- beschlossenen Verringerung der zu be- Wahlergebnisses wieder, die sonst eher schulgruppe, bei den Jusos oder eben im setzenden Referate. verdiente Veteranen wie Thomas Schat- RCDS: Auf breiter Front fand der Gedanke tschneider, Christian Bäz oder Alexander Ablehnung, dass die Studenten ihre Ver- Noch immer schien die Mehrheit der Schulz-Klingauf besiedelten. Die RCDS- treter gerecht bezahlen sollten. anwesenden Stupisten auch die Beset- Fraktion hat Geigers Erfolg zum Trotz Man will weiter auf ehrenamtliches Enga- zung des AStA, der eigentlich vor allem ungefähr die Hälfte seiner personellen gement und eine per Begriffsdefinition verwaltende und ausführende Funk- Stärke eingebüßt. eigentlich leistungsunabhängige, in der tionen hat, als ein politisches Thema Praxis hingegen leistungsabhängige, Auf- wahrzunehmen. Nicht selten galten den Und während der Landtag Mecklenburg- wandsentschädigung setzen. Für mehr Bewerbern nicht nur Fragen nach facho- Vorpommerns die Einführung eines müsste ohnehin die Finanzordnung ge- rientierter Qualifikation und neuen Ideen pauschalisierten Verwaltungskosten- ändert werden und vor so einem hand- für die studentischen Verwaltung, son- beitrages in Höhe von 50 Euro ohne festen politischen Problem scheute man dern vielmehr ebenso zahlreiche Fragen die hohe Aktivität der Mitglieder in den bisher an jeder Seite der rechteckigen Ta- nach Parteimitgliedschaften oder poli- ASten und Landeskonferenzen der Stu- fel im Universitätshauptgebäude zurück. tischen Positionen. Erst die regelmäßige dierendenschaften hätte im Handstreich Streichung des Tagesordnungspunktes durchsetzen können, machte man sich im An einer anderen – nämlich landes- und „AStA-Bewerbungen“ führte zu größerer Studierendenparlament durch alle Frak- bundespolitischer – Front rechnen der- Nachsicht gegenüber den späteren Be- tionen hinweg darüber Gedanken, was weil vor allem liberale und christdemo- werbern. Und es soll hier die Arbeitslei- man mit den angeschwollenen finanzi- kratische Politiker vor, welchen volks- stung der letztlich gewählten Referenten ellen Rücklagen der Studierendenschaft wirtschaftlichen Nutzen und wie wenig nicht schmälern, wenn man die Frage Greifswalds anstellen könne. Der RCDS Probleme gestraffte und vereinheitlich- stellt, ob der erste denn auch stets der beantragte vor den Wahlen im Januar so- te Studiengänge und direkte Gebühren Beste sei. Oder ob es gut ist, wenn der gar eine Senkung des Studentenbeitrags für das Erststudium hätten. AStA während der halben Legislatur nur um fünfzig Cent, um die Studenten zu halb besetzt gewesen ist? entlasten. Auch die „linken“ hochschulpolitischen Gruppen wollen dagegen fest an den Die Katze beißt sich in den Schwanz Ein StuPa dagegen, welches zehn Refe- Errungenschaften der Vergangenheit renten monatlich mit 400 Euro versorgen festhalten: Im Falle der unter den Bela- Ein ganz bemerkenswertes Ereignis würde, um sicherzustellen, dass diese stungen des (kurzen) Bachelorstudiums war hier die Besetzung des Queer- und neben ihrem Studium nur für ihr Amt stöhnenden Studenten hinsichtlich Gleichstellungsreferates. Nachdem die – und nicht für einen weiteren Neben- neuer Beschäftigungsmodelle für den Einrichtung des Referates unter starkem job – da sein müssten, würde bei 11.500 AStA vielleicht zu Unrecht. Und gerade Widerstand des RCDS beschlossen wurde, Studenten pro Semester knapp 2,50 Euro auch seitens ehemaliger Referenten gilt konnte nach zahlreichen Bewerbern und Studierendenschaftsbeitrag kosten. Also es leider immer noch als schlüssiges Ar- Wahlgängen kein vom rechtsliberal do- etwa einen Euro mehr als bisher. Das er- gument, dass AStA-Arbeit bisher nicht minierten StuPa wählbarer Kandidat ge- scheint nicht nur, sondern ist angesichts bezahlt worden sei. Die diese sich ver- funden werden. Erst als das schwäbische der Beträge in den Gebührenplänen des meintlich selbst erklärende Schlussfol- RCDS- und CDU-Mitglied Korbinian Gei- Landes ein winziger Betrag. Dass AStA- gerung kundtuenden Münder gehören ger, der zuvor für das Ausländerreferat Referate so zu begehrten Ämtern gerie- jedoch meistens zu solchen Köpfen, die antrat und gegen Hussein Al-Haushaby ren könnten, deren zukünftige Bewerber sich mit Lehramtsstudiengängen oder verlor, für das Queer- und Gleichstel- heute lieber noch am Lehrstuhl für 7,35 Magisterabschlüssen beschäftigen. Und lungsreferat kandidierte, fanden sich 15 Euro pro Stunde arbeiten und dabei gute zweistellige Semesterzahlen stehen auf von 27 Stimmen für den Anwärter. Eine Kontakte zu zukünftigen Prüfern aufbau- jedem der entsprechenden Studienaus- politische Entscheidung? Man kann darü- en, wäre da wohl nur der begrüßens- weise. Wenn auch der Altruismus sehr ber spekulieren, ob der Respekt, welchen werteste Effekt. Und dass die StuPa-Mit- stark im Menschenbild der sich als poli- Korbinian Geiger schließlich insbesonde- glieder behaupten könnten, engagierten tisch sehr sozial verstehenden Fraktionen re „in der Szene“ für seine Arbeit gefun- Studenten nun eine faire Gegenleistung verwurzelt ist, führt ein Klammern an den hat, für seine Parteikollegen erwartet zukommen zu lassen, anstatt sich weiter die alten Strukturen möglicherweise zu oder vielmehr überraschend kam. mit der Bezeichnung „Ehrenamt“ um Ge- einem Phyrrussieg. Nämlich dann, wenn Brüsten wollte man sich im Wahlkampf danken nach dem finanziellen Auskom- schwach besetzte Hochschulgremien die dann lieber nicht damit. Denn „Unisono“, men der durch sie kontrollierten AStA- nächste Gebührenerhöhung oder die das Magazin des RCDS Greifswald, führte Referenten drücken zu können, letztlich Schließung der letzten Lehramtsstudien- nur die Niederlage bei der Abschaffung nur das i-Tüpfelchen. gänge verschlafen haben. ap, amü

18 Moritz 76 //April 2009 Bericht Hochschulpolitik

Der Leerstuhl in der Philosophischen Fakultät Alles mutet etwas verworren an, wenn dass es durch eine weitere Einschrän- gewordene Einhaltung der Regelstudi- man versucht sich durch die Untiefen des kung des Ausschreibungstextes, über enzeit, kommt noch das viel schwerwie- Arbeitsapparates der Philosophischen den auf der Fakultätsratssitzung im gendere Problem des Verlustes der Kon- Fakultät zu schiffen. Es ist schwer zu er- November viel diskutiert wurde, nicht tinuität in der Lehre dazu. Das für eine schließen, wer wofür zuständig ist und erneut zu einer problematischen Per- spätere Universitätslaufbahn so wichtige wo welche Entscheidungen getroffen sonalentscheidung kommt. Allgemein Verhältnis zwischen Professoren und werden. gesprochen meint Alexander Schulz- Studierenden kann kaum aufgebaut Anlass ist die seit sechs Jahren unbe- Klingauf, Mitglied des akademischen werden. setzte Professur mit dem Schwerpunkt Senats, des Fakultätsrates der Philoso- Romantik in der Kunstgeschichte, zu der phischen Fakultät und des Stupa, dass Gleichere Behandlung nun wieder ein neues Berufungsverfah- „die Einflussmöglichkeiten derjenigen ren läuft. Studierenden, die ihre Kommilitonen in Wenn es um die Neubesetzungen von den Gremien vertreten sehr hoch seien Professuren in der Philosophen Fakul- Berufung von der Berufung – wenn das Engagement stimmt und tät geht, begegnet einem von mancher die jeweiligen Studierenden ihre Verant- Seite Unmut und Unzufriedenheit. Auf Zu dieser Professur gab es zuvor bereits wortung ernst nehmen.“ Dies sei jedoch jeden Fall ist in Studiengängen mit stän- zwei Berufungsverfahren, wovon das in der vergangenen Legislatur unein- digen Lehrstuhlvertretungen die Frustra- letzte an dem Rückzug der ersten bei- geschränkt der Fall. Außerdem wurde tion groß, die sich wie wir sehen nicht den favorisierten Bewerber gescheitert erreicht, dass in der Berufungskommis- ausschließlich auf die Studenten be- ist. In diesem Fall hätten mit dem dritten sion ein weiteres studentisches Mitglied schränkt. Die von der Hochschulleitung Bewerber der sogenannten Dreierliste vertreten ist, nämlich Tim Ehlers, Vorsit- betriebene Politik, die in über jegliche Verhandlungen aufgenommen werden zender des Fachschaftsrates Kunst ist. Berufungen das letzte Entscheidungs- müssen. Wozu es jedoch nicht kam, da Ansonsten können die Studenten ihre recht inne hat, lässt sie zunehmend un- von der Hochschulleitung eine Neuaus- Meinung nur durch öffentliche Protest- glaubwürdig erscheinen. In Anbetracht schreibung empfohlen wurde. Dieses erklärungen zum Ausdruck bringen, wie der langen Zeit der Nicht-Besetzung der Recht wird dem Rektorat durch das Lan- es der Fsr-Kunst auf jener Fakultätsrats- Professur müsste es der Hochschullei- deshochschulgesetz eingeräumt. Die sitzung auch getan hat. tung doch ein dringendes Anliegen sein Gründe dafür mögen wohl in der Absi- diesen Zustand schnellstmöglich zu än- cherung der Lehre mit einer damit ein- Verlust der Kontinuität dern. Dass mit einem, von einer eigens hergehenden hohen Lehrqualifikation dafür zusammengestellten Berufungs- liegen. Nun wird diese Professur zusam- Es wird auch zu einem Problem der Stu- kommission, ausgewählten Kandidaten, men mit der demnächst frei werdenden denten, wenn das Renommee ihres Insti- der doch als geeignet empfunden wur- Professur von Bernfried Lichtnau neu tutes durch immer wieder neu angesetz- de, keine Verhandlungen aufgenommen ausgeschrieben. Erfahrungsgemäß dau- te Berufungsverfahren leidet, denn dann werden, erzeugt zumindest Unverständ- ert es von der Ausschreibung bis zur tat- werden potenzielle Bewerber vorsichtig nis. In diesem Sinne sei abschließend sächlichen Besetzung der Professur zwei oder gar abgeschreckt bzw. nutzen die noch einmal Alexander Schulz-Klingauf Jahre. Uni Greifswald nur noch als Sprungbrett zitiert: „Bei Lehrstuhlbesetzungen wer- für andere Unis. Zu den grundsätzlichen den einige Institute der Philosophischen Der Einfluss der Studenten Problemen, die eine ständige Lehrstuhl- Fakultät frei nach Orwells Roman Animal vertretung mit sich bringt, wie die Or- Farm eben ‚gleicher’ behandelt als ande- Auf die Entscheidungen des Fakultäts- ganisation des Stundenplans, das man- re.“ uw rates haben die Studenten nur über ihre gelhafte Lehrangebot, die fristgemäße vier gewählten Vertreter Einfluss. So war Beantragung von Geldern für Hiwi-stel- Info Interview mit Professor Soltau auf

Foto: Christine Fratzke Foto: es auch ihnen ein besonderes Anliegen, len, sowie die teilweise problematisch der nächsten Seite.

Moritz 76 // April 2009 19 Hochschulpolitik Interview

Professur, das heißt die Zuweisung von Mitteln, etwa die Ausstattung mit Fach- Interview literatur und Mitarbeiterstellen, findet in Verhandlungen mit der Hochschullei- tung und im Dialog mit dem Dekan statt. Professor Michael Soltau, Ge- Darüber erhalten jedoch weder ich noch schäftsführender Direktor des das Institut detaillierte Informationen. Caspar-David-Friedrich-Institutes, Wir haben uns allerdings im Ausschrei- Mitglied des Fakultätsrates der Phi- bungstext um eine relativ offene Stellen- definition bemüht. Auf der Fakultätsrats- losophischen Fakultät. sitzung, auf der es um die Verabschiedung des Ausschreibungstextes ging, wurde ja auch von Professor Astroh der Vorschlag moritz Beschreiben Sie doch bitte zu- treten sollten. Vielleicht sollten wir auch eingebracht, den historischen Aspekt des nächst einmal ihre Arbeit als Geschäfts- mehr über die Position des Dekans im Stellenprofils nicht auf die Romantik zu führender Direktor des CDFI und als Mit- Hinblick auf seine Bedeutung als Vertre- beschränken, sondern das avisierte Qua- glied des Fakultätsrates. ter der Interessen der Fakultät nachden- lifikationsprofil um Aspekte von Realis- ken. mus und Moderne zu erweitern. Dieser Michael Soltau Als Geschäftsführender Vorschlag fand durchaus Zustimmung, Direktor gehört die Koordination des moritz Können Sie etwas dazu sagen, war aber in der letzten Abstimmung Lehrbetriebs zu meinen Aufgaben, das woran die letzten beiden Berufungsver- nicht mehrheitsfähig. heißt: Fragen zu Prüfung und Prüfungs- fahren gescheitert sind? ordnung, Fragen zum Studium, und darü- moritz Sehen Sie eine Schwierigkeit ber hinaus das Koordinieren der Bereiche Michael Soltau In bestimmten Punkten darin, dass die Professur zur Romantik Bildende Kunst und Kunstgeschichte, sind die Mitglieder des Fakultätsrates und die zukünftig vakante von Professor durch deren Verbindung das Institut zur Verschwiegenheit verpflichtet. Ich Lichtenau von einer Berufungskommis- sich nach außen hin profiliert. Auf den kann im Sinne der in den öffentlichen sion bearbeitet werden oder ist das eher Kollegiumssitzungen werden dann Prü- Fakultätsratssitzungen stattgefundenen ein Vorteil? fungsfragen, Fragen zum Studienablauf, Erörterungen soviel dazu sagen, dass mit zu Lehrstuhlvertretungen und zum Haus- dem dritten Bewerber der Dreierliste der Michael Soltau Ich sehe darin eigentlich halt besprochen. Im Fakultätsrat vertritt vakanten Professur W3 Kunstgeschich- eher Vorteile, da wir zum einen durch Mit- natürlich jeder in gewisser Weise seine te, zu der wir uns in der Berufungskom- glieder von anderen auswärtigen Kom- eigenen Interessen, aber man erhält auch mission durchgearbeitet haben, keine missionen eingeschränkt sind. Zum an- Einblick in die übergeordneten Interes- Verhandlungen aufgenommen wurden. deren haben wir einen direkten Vergleich sen der Fakultät sowie in die Profile und Denn im Landeshochschulgesetz ist der in Frage kommenden KandidatInnen Interessen der anderen Institute. Auch verankert, dass der Hochschulleitung in und können die unterschiedlichen Qua- hier stehen Fragen der Organisation, des entsprechenden Verfahren ein Vetorecht lifikationsprofile in Relation zueinander Haushalts, der Prüfungs- und Studien- eingeräumt wird, und diese somit nicht beurteilen. Auf jeden Fall sparen wir an ordnungen im Mittelpunkt. an die Empfehlung der Berufungskom- dieser Stelle eine Menge Zeit, denn man mission gebunden ist. In diesem Fall gab weiß ja, wie langwierig Besetzungsver- moritz Wie bewerten Sie die Arbeits- es allerdings keine schriftliche Mitteilung fahren im Allgemeinen sind. weise und das Klima im Fakultätsrat? vom Rektor an das CDFI, sondern nur eine mündliche Mitteilung seitens des moritz Inwieweit hat das Renommee Michael Soltau Diese Frage lässt sich gar Dekans an den Fakultätsrat. Wie so vieles des Institutes durch die letzten beiden nicht mit gut oder schlecht beantwor- ist eben auch Informationspolitik oft eine gescheiterten Berufungsverfahren gelit- ten. Zunächst einmal ist das Klima sehr Stilfrage. Man mag darüber unterschied- ten? kollegial und offen. Der Fakultätsrat ist licher Auffassung sein, in welchem Maße immer auch ein Forum des Interessen- bei einer Berufung Interessen von außen Michael Soltau Oberflächlich betrach- ausgleichs. Insofern finde ich es wichtig, zu berücksichtigen sind, die nicht unbe- tet hat das Renommee unseres Instituts dass man sportlich miteinander umgeht dingt die internen Belange des Instituts wohl nicht gelitten. In Fachkreisen wird und anerkennt, wenn man in Mehrheits- widerspiegeln. Die Mitglieder der Beru- natürlich schon wahrgenommen, wie entscheidungen unterliegt. Organisa- fungskommission stellen sich in diesem lange eine Professur vakant ist. torische Probleme lassen sich innerhalb Zusammenhang natürlich die Frage nach Im Übrigen sollte darauf geachtet wer- dieses Gremiums relativ schnell lösen. dem Stellenwert ihrer Empfehlung und den, dass eine Bewerbung an unserer Wenn es um Funktion und Selbstver- sehen ihre Arbeit unter Umständen sogar Universität nicht nur zum Sprungbrett ständnis des Fakultätsrates geht, kommt degradiert und entwertet. für weitere Bewerbungen der Kandi- es manchmal zu Diskussionen. Ich würde daten mutiert oder die Platzierung auf mir wünschen, dass wir als Fakultätsrat moritz Glauben Sie, dass die ausge- einer Liste lediglich als Plateau für Ver- mit mehr Selbstvertrauen und offensiver schriebenen Stellen inhaltlich und finan- handlungen der Bewerber mit anderen auftreten. Damit meine ich, dass wir nach ziell ausreichend attraktiv sind? Universitäten verwendet wird. außen unsere Werte und unsere Wertig-

keit, wie wir uns verstehen, stärker ver- Michael Soltau Die Ausstattung einer Das Interview führte Ulrike Wolter. privat Foto:

20 Moritz 76 //April 2009 Bericht Hochschulpolitik Stau vor dem Klassenzimmer Es fehlen Plätze für Schulpraktische Übungen in der Germanistik

Übungen

praktische Schul

„Die Universität hat die Pflicht, jedem Studierenden einen rei- Im Durchschnitt werden in der Germanistik fünf Übungen pro bungslosen Studienverlauf zu gewährleisten“, so Solvejg Jens- Semester angeboten, ungeachtet der Tatsache, dass gerade die sen, AStA-Referentin für Studium und Lehre. Sie beruft sich letzten Jahrgänge zahlenmäßig sehr viel stärker waren als die dabei auch auf den Bericht einer Expertenkommission des Mini- früheren. Offenbar spielt die Situation in der Fachdidaktik bei steriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur in Mecklenburg- der Berechnung des zur Verfügung gestellten Kontingents an Vorpommern. Doch leider sieht die Realität oft anders aus. Studienplätzen kaum eine Rolle. Was sehr zu bedauern ist, ist ja Besonders schlimm wurde es im letzen Semester für Lehramts- gerade der zu geringe Praxisanteil immer wieder Kritikpunkt der studenten des Fachs Deutsch. „Die Grenze des Tragbaren war Lehramtsausbildung. erreicht“, bestätigt die AStA-Referentin. Aber auch in anderen Fachbereichen wie Geschichte, Philosophie oder Englisch ist die Aber warum können nicht einfach mehr SPÜs angeboten wer- Situation alles andere als optimal. den? Solvejg Jenssen erklärt: „Das Problem besteht eigentlich auf zwei Ebenen, zum einen auf der Ebene des Landes bzw. der Die Studienordnung für Lehramtsstudierende sieht vor, dass ab Schulen, zum anderen ist es ein hochschulinternes Problem.“ dem fünften Semester sogenannte „Schulpraktische Übungen“ Denn die Schulen in Greifswald sind gesättigt. Es gibt einfach (SPÜs) absolviert werden müssen, in denen es um das Sammeln keine Möglichkeiten mehr, weitere SPÜs an den Schulen anzu- erster praktischer Erfahrungen als Lehrer direkt in den Schulen bieten. Besonders an den Gymnasien ist die Situation heikel. geht. Die erfolgreiche Durchführung der SPÜ ist Zulassungsbe- Aber selbst wenn sich weitere Kooperationsmöglichkeiten er- dingung für das zu absolvierende Hauptpraktikum. Doch für die gäben, so würde es dennoch an der zu geringen Zahl möglicher SPÜs gibt es inzwischen lange Wartelisten. So kommt es, dass Betreuer für die Seminare scheitern. „Die Stellenlage der Fachdi- viele Studenten ihr Studium nicht in der Regelstudienzeit be- daktiker in der Germanistik ist einfach unbefriedigend“, bestä- enden können, nur weil sie auf einen der heiß begehrten Plätze tigt auch Anne-Dorothea Klopf. warten. „Es hat sich über die letzten Jahre ein regelrechter Stau entwickelt, der erst einmal abgebaut werden muss“, bemerkt Im Oktober fand der Fachschaftsrat Germanistik keine Ruhe. Anne-Dorothea Klopf, die Vorsitzende des Fachschaftsrates Ger- Immer mehr Studenten kamen und klagten ihr Leid über die manistik/DaF: „Das Problem war ja abzusehen. Es wird schon langen Wartezeiten für die SPÜs. Der Fachschaftsrat wendete lange diskutiert, aber es hätte eigentlich frühzeitig dieser Ten- sich an den AStA, suchte das Gespräch mit den Fachdidaktikern

Foto: pixelio.de (Rainer Sturm) pixelio.de Foto: denz entgegen gewirkt werden müssen.“ selber, beriet sich mit der geschäftsführenden Direktorin, Dr. Sil-

Moritz 76 // April 2009 21 Hochschulpolitik Bericht

ke Jahr. Anne-Dorothea Klopf schildert: „Alle waren gesprächs- AStA bereit und freundlich, trotzdem hieß es leider nur, dass das Allgemeiner Studierendenausschuss Problem zwar bekannt sei, man aber auch keine Lösung wisse“. Auch das darauf folgende Zusammentreffen mit der Studiende- Postanschrift kanin Professor Amei Koll-Stobbe verlief ähnlich ernüchternd. Erst als der Fachschaftsrat die Angelegenheit auf Anraten von Domstraße 12 Solvejg Jenssen in die Vollversammlung der Germanistik ein- Telefon 03834/861750 oder 561751 brachte, kam der ganze Prozess langsam ins Rollen. Anne-Doro- Fax 03834/861752 thea Klopf ist begeistert: „Es waren 150 Studierende anwesend, E-Mail [email protected] das sind 7,5 Prozent aller Stimmberechtigten. Und davon waren Internet www.asta-greifswald.de die meisten Lehramtsstudenten. Fast alle Anträge wurden von den Studenten selber eingereicht und teilweise sogar einstim- Vorsitzende mig angenommen!“. Scarlett Faisst, [email protected] Anfang Dezember folgte eine gesonderte Sitzung der Fachdi- Stellvertretender Vorsitzender daktiker der Fächer, der studentischen Vertretungen und Vertre- N.N., [email protected] tern des IFB – das übergeordnete, Greifswalder Institut für Bil- Referent für Finanzen dungswissenschaften. „Eigentlich ist die Problematik ureigenste Alexander Harms, [email protected] Angelegenheit des IFB, doch da dieses noch keine Satzung hat, ist es nicht handlungsfähig“, bedauert Solvejg Jenssen. Co-Referent für Finanzen und Nachhaltigkeit Einen der Höhepunkte der bisherigen Bemühungen bildete der Paul Beresnatzki, [email protected] StuPa-Beschluss vom 16. Dezember 2008, in dem die Studieren- Referent für Internet und Technik denschaft der Universität Greifswald die Hochschulleitung auf- Daniel Teutenberger, [email protected] forderte, mehr Stellen aus Hochschulpaktmitteln für die Fachdi- Referent für Hochschulpolitik daktiken zur Verfügung zu stellen. Fabian Freiberger, [email protected] Erste Erfolge konnten schon erzielt werden. So wurden noch Referent für Fachschaften und Gremien im Wintersemester in der Germanistik insgesamt 72 SPÜ-Plätze Jörn Sander, [email protected] angeboten, also über 30 zusätzliche. Möglich ist dies durch die Co-Referent für politische Bildung Ausweitung der Kooperation mit den Schulen im Greifswalder Jens Pickenhan, [email protected] Umland, namentlich Grimmen und Gützkow. Ein Anfang ist ge- Referentin für Studium und Lehre macht, aber reicht das? Solvejg Jenssen, [email protected] Die AStA-Referentin nimmt Stellung: „Natürlich ist es gut, dass das alles irgendwie läuft. Aber was fehlt, sind immer noch die Referentin für Kultur, Sport und Erstsemesterwoche klaren Regelungen. Es kann nicht sein, dass vieles über per- Diana Berndt, [email protected] sönliche Kontakte, durch überdurchschnittliches Engagement Co-Referentin für Studierendenaustausch einzelner Lehrkräfte läuft. Den Schulen muss deutlich gemacht Katja Krohn, [email protected] werden, von welcher Dringlichkeit es ist, Möglichkeiten zur Referentin für Soziales und Wohnen Durchführung von SPÜs zu schaffen.“ N.N. , [email protected] Eine Arbeitsgemeinschaft „Praktika und SPÜs“ soll jetzt dafür Co-Referentin für Studienfinanzierung sorgen, dass unter der Leitung von Wolfgang Pospischil ein Angelika Meißner, [email protected] konkreter Kooperationsvertrag ausgearbeitet wird, der explizit Co-Referent für Ausländerfragen regelt, wie viele Studierende zu welchen Bedingungen an den Hussein Al-Haushaby, [email protected] Schulen aufgenommen werden. Dabei ist noch unklar, in wel- Co-Referent für Queer und Gleichstellung cher Form die Schulen Gegenleistungen für die Kooperation Korbinian Geiger, [email protected] erhalten werden. Die Leiter des IfB, Professor Franz Prüß und Professor Roland Rosenstock, die studentische Vertretung des IfB, Ina Hartmann, und Solvejg Jenssen bemühten sich schließlich Ende Januar um StuPa erneute Gespräche mit den Fachdidaktiken, um sich einen ge- Studierendenparlament nauen Überblick zu verschaffen. Die Gespräche verliefen über- der Ernst-Moritz-Arndt Universität Greifswald wiegend gut und das IfB konnte viele Anregungen mitnehmen, was zu verbessern ist und wie die Probleme eventuell zu lösen Postanschrift sind. „Jetzt sind erst einmal die betroffenen Fachdidaktiken Domstraße 12 dran, den genauen Bedarf aufzuschlüsseln. Und dann sehen wir 17487 Greifswald weiter“, schließt die AStA-Referentin und Anne-Dorothea Klopf hofft, dass die Studenten „das bereits zusätzlich geschaffenen Präsident Frederic Beeskow Angebot auch wirklich annehmen.“ Dank der Bemühungen des Fachschaftsrates und des AStAs Stellvertreter Jaana-Leena Rode, Paul Dederer sollte es im jetzigen Semester zu einer deutlichen Entspannung E-Mail [email protected] der Lage kommen. Die studentischen Vertretungen haben ihre Internet stupa.uni-greifswald.de Möglichkeiten ausgeschöpft, jetzt ist erst einmal die Politik an der Reihe alles zu tun, um einen reibungslosen Studienablauf zu Nächste Sitzung am 14. April 2009 gewährleisten. mw

22 Moritz 76 //April 2009 Uni.versum

Dunkle Wolken am Horizont

Der Bachelor wird 2009 zehn Jahre alt. Kein Anlass zum feiern, denn ein Rundblick zum Stand der Dinge an der Universität Greifswald hinterlässt ein düsteres Bild: Studenten beim Lernen für acht Prüfungen innerhalb von vier Tagen, hohe Abbrecher- quoten, schlechte Berufsaussichten. Ist der Bachelor ein Fehl- griff oder der richtige Schritt in einer immer mehr Engagement

Foto: Alxander Müller Alxander Foto: abfordernden Leistungsgesellschaft? Uni.versum Bericht

Volles Haus bei den General Studies Der neue Hörsaal Kiste platzt aus allen Nähten

So hatte Fine sich das nicht vorgestellt. viduellen Studiengestaltung geschaffen bei lediglich 21 Prozent. Das Ziel, die Ab- Die 20-jährige Bachelorstudentin begann werden, ohne dass der Student Gefahr brecherzahlen zu reduzieren, wurde weit zum vergangenen Wintersemester ihr läuft, beim Studieren das Ziel aus den verfehlt. Studium in Greifswald mit großen Träu- Augen zu verlieren. Gleichzeitig sollte es War die Reform der deutschen Hoch- men. „Mich reizte ein hohes Maß an Frei- möglich sein, frei und ohne Schranken in schulen ein Fehler? Oder wurden die heit, Selbstbestimmung, Selbständigkeit Europa zu studieren. Ein Semester Paris, guten und durchaus sinnvollen Ideen und somit Selbstverwirklichung“, erzählt ein Semester London und dann zurück einfach schlecht umgesetzt? Und wie ist sie, „doch mittlerweile habe ich Zweifel, nach Greifswald, so lautete der Plan. Im eigentlich die Situation an der Universi- ob das in meinem Studium wirklich reali- Idealfall hat der Absolvent nach drei Jah- tät Greifswald? sierbar ist“. Fine ist mit ihren Sorgen nicht ren seinen ersten berufsqualifizierenden Die Ernst-Moritz-Arndt-Universität war alleine, eine ganze Studentengeneration Abschluss, ist international und praxis- eine der ersten Hochschulen bundes- von Greifswald bis München plagt sich nah ausgebildet und kann zügig ins Be- weit, die ihre Studiengänge auf die neu- mit knappen Studienordnungen, en- rufsleben einsteigen oder sich in einem en Abschlüsse umstellte. Bereits zum ormem Prüfungsdruck und fehlendem Masterstudiengang spezialisieren. Wintersemester 1999 konnten sich Stu- Durchblick im Abschlussdschungel he- Mittlerweile sind bundesweit 74 Prozent dierwillige in Greifswald als Bachelors rum. Ein Gewitter ist über der deutschen aller Studiengänge auf das neue Sy- immatrikulieren. Mittlerweile sind circa Hochschullandschaft aufgezogen und stem umgestellt, die meisten Bachelors 86 Prozent aller Studiengänge in Greifs- noch weiß niemand, was es anrichten gibt es in den Rechts-, Wirtschafts- und wald umgestellt, die Lehrämter nicht mit wird. Sozialwissenschaften sowie in Mathe- eingerechnet. matik und den Naturwissenschaften. 30 Doch glaubt man Professor Martin Me- Modernisierung der Hochschulen Prozent aller Studenten in Deutschland schede, Leiter des Instituts für Geogra- studieren bereits auf einen der neuen phie und Geologie, sieht es düster aus in Am 19. Juni 1999 unterzeichnete Abschlüsse hin. den neuen Studiengängen, zumindest Deutschland gemeinsam mit 29 ande- an seinem Institut. „Wir haben ohne Not ren europäischen Staaten die Bologna- Alles könnte so einfach sein, ist es aber einen guten Diplomabschluss gegen Erklärung mit dem Ziel, bis 2010 einen nicht - bei weitem nicht einen schlechteren Bachelor einge- gemeinsamen europäischen Hochschul- tauscht“, konstatiert er ärgerlich. Bei der raum zu schaffen. Leicht verständlich so- Die HIS-Studie zur „Entwicklung der Stu- Einführung des Bachelor of Science Geo- wie international vergleichbar sollten die dienabbruchquote an den deutschen logie im Jahr 2004 habe er die „dunklen neuen Studiengänge werden. Mit der Hochschulen“ vom Februar 2008 ergab, Wolken am Horizont“ schon aufziehen Einführung der Bachelor- und Masterab- dass 30 Prozent aller Bachelorstudenten sehen. Eine andere Wahl habe es nicht schlüsse und dem damit einhergehenden ihr Studium vorzeitig abbrechen. Be- gegeben. Ohne den neuen Studiengang European Credit Transfer System (ECTS) trachtet man alle Abschlüsse insgesamt, wäre das Institut wohl eingestampft

sollte die Möglichkeit der flexiblen indi- liegt der Anteil der Studienabbrecher worden. Fragt man Professor Meschede Trixa Maria Foto:

24 Moritz 76 // april 2009 Bericht Uni.versum nach dem heutigen Stand des Bachelors auch Christian Krüger von der Psycholo- Als letzte Rettung bleibt das schranken- an seinem Institut, fällt sein Fazit ernüch- gischen Beratung des Studentenwerks lose Studieren in ganz Europa, eines der ternd aus. Die Prüfungsbelastung sei viel registriert. Seit Jahren stellt er einen Hauptanliegen von Bologna. Politisches zu hoch, kaum ein Student schaffe sein konstant steigenden Bedarf an psycholo- Ziel ist es, dass einmal 30 Prozent aller Studium in der Regelstudienzeit. Er be- gischer Betreuung in Greifswald fest. So Studenten mindestens ein Semester richtet von Studenten, die sich mit Ab- ist die Zahl von 40 beratenen Studenten im Ausland verbringen. Im Moment ist sicht durch ganze Prüfungen durchfallen im Jahr 2001 auf mittlerweile über 180 man in Greifswald von dieser Marke weit lassen, um sie später nochmal schreiben angestiegen. Interessierte warten bis zu entfernt. In 2007/2008 verbrachten ge- zu können. Von Praxisnähe könne beim fünf Wochen auf einen Termin. Die Stu- rademal knapp 300 von insgesamt über Bachelor keine Rede sein, der enge Stu- denten kommen oft mit Problemen wie 12000 Studenten einen Teil ihres Studi- dienplan lasse kaum Zeit für Praktika. Für Zeitmanagement, Leistungsdruck sowie ums im Ausland, der bundesdeutsche den Beruf sei der Geobachelorabsolvent depressiven Verstimmungen in die Bera- Schnitt ist ähnlich. Warum entscheiden sowieso noch nicht qualifiziert genug, tung. Diese ist zunächst für jeden kosten- sich nur so wenige für ein Auslandsstu- ein Master sei Pflicht. los. Zusätzlich werden jedes Semester dium, in einer Berufswelt, in der Spra- Auch Fine hat mittlerweile ihre ersten Workshops angeboten, beispielsweise chenkenntnis und Weltoffenheit zu den Klausuren hinter sich. „Der vergangene mit dem Schwerpunkt Lern- und Arbeits- obersten Einstellungskriterien zählen? Prüfungsmarathon war eine nervliche organisation. Für viele wird die kurze Regelstudienzeit und körperliche Tortur, die ein sehr gutes „Die Umstellung auf den Bachelor war des Bachelors bei der Planung ihres Aus- Ergebnis, selbst nach gründlicher Vorbe- ein Fehler“, zu diesem Schluss kommt landssemesters zu einem echten Hin- reitung, ausschloss“, konstatiert sie bitter. auch Detlef Jahn, Professor am Institut dernis. Vor diesem Problem stand auch für Politik- und Kommunikationswissen- Jenny Eichelhard, Bachelorstudentin für Prüfungen, Finanzierung und andere schaft. Besonders kritisiert er die wegen Englisch und Wirtschaft, die gerade ein Probleme ihrer Transparenz und Übersichtlichkeit Semester in Oviedo, Spanien, verbringt. so hochgelobten Module der neuen Stu- „Durch die verkürzte Studienzeit ist es Die durchschnittliche Arbeitsbelastung diengänge. Statt für mehr Durchblick zu schwer, einen geeigneten Zeitpunkt eines Bachelorstudenten beträgt 900 sorgen, geht der Blick des Studenten nun für ein Auslandssemester zu finden. Im Stunden pro Semester. Eine sehr hohe nur noch strikt geradeaus. Was es links zweiten Semester ist es etwas früh und Zahl, denn viele müssen sich ihr Studium und rechts noch alles zu entdecken gibt, danach wird es für die BAföG-Empfän- durch einen Nebenjob finanzieren oder sieht er nicht. „Es ist wie in der Schule. ger problematisch, da man nach dem arbeiten zusätzlich in den studentischen Es gibt einen strikten Plan und von dem vierten Semester seine Prüfungsergeb- Gremien. Doch durch das hohe Wor- kann der Student kaum abweichen“, nisse vorlegen muss“, erklärt Jenny, „ kload, die vielen Pflichtveranstaltungen stellt Jahn fest. nach dem vierten Semester wiederum und Prüfungen, bleibt immer weniger verpasst man die Vorbereitungen auf die Zeit für solche Tätigkeiten. Viele Stu- Das grenzenlose Studium? Bachelorarbeit“. Ihr Problem hat Jenny denten sind finanziell auf die Eltern oder letztendlich gelöst, indem sie sich für ein das BAföG angewiesen. Doch im Falle des Verschult, praxisfern, seelisch und kör- Semester hat beurlauben lassen, um in BAföGs gehen die Probleme erst richtig perlich eine Zumutung – ist der Bachelor der Regelstudienzeit zu bleiben. los, denn das gibt es nur für die Regelstu- eine Katastrophe? Gesine Roth, Leiterin des Akademischen dienzeit. Weitaus schwerwiegender aber ist, dass nach dem vierten Semester ein Leistungsnachweis vom BAföG-Amt ver- langt wird. Ganze 120 ECTS Points müs- sen erreicht worden sein, um weiterhin die staatliche Förderung zu erhalten. Dies entspricht der maximal zu erreichenden Punktzahl in den ersten vier Semestern. Der Antragsteller muss bis zu dem Zeit- punkt also jede einzelne der vielen Prü- fungen bestanden haben. „Da gibt es Oben Angebotene Studiengän- beim Bafögamt keine Kulanz“, berichtet ge an der Uni Greifswald nach Angelika Meißner, Co-Referentin für Abschlüssen (Stand März 2009) Studienfinanzierung beim AStA, „wäh- rend des Studiums darf man sich keine Fehler erlauben.“ Problematisch sieht sie die ungünstige Modulanordnung, viele Veranstaltungen werden nur einmal im Jahr angeboten. Wer einmal in Rückstand gerät, verliert gleich ein ganzes Jahr. Bis zum Ende des vierten Semesters alle Punkte beisammen zu haben, kann so zu Oben Zahlen der Austauschstudenten im Eras- einem großen Problem werden. musprogramm von 1997 bis 2008 an der Uni Den gewachsenen Leistungsdruck hat Greifswald

Moritz 76 // april 2009 25 Uni.versum Bericht

Auslandsamts, kennt diese Problematik in der Tasche überall seinen Master ma- komme es auf die individuelle Qualifi- ebenfalls. Mit einer genauen Planung chen zu können, irrt sich gewaltig. Zu kation und Persönlichkeit an. Ähnliche stehe einem Auslandsaufenthalt jedoch unterschiedlich sind die Zulassungsvo- Erfahrungen hat auch Katarina Sass ge- nichts im Weg. Letztlich komme es auch raussetzungen. Denn Bachelor ist nicht macht. Die Bachelorabsolventin in Ger- auf ein gewisses Maß an Eigeninitiati- gleich Bachelor. Es gibt Studiengänge manistik und Geschichte arbeitet als Vo- ve an. Vielen Studenten fehle der Elan, mit einem, zwei oder mehr Fächern. Die lontärin bei der Schweriner Volkszeitung. sich mit dem vorhandenen Angebot Studiendauer kann zwei, drei oder vier „In meinem Beruf kommt es weniger auf auseinanderzusetzen und der Mut, sich Jahre betragen. Jede Universität kocht die Art des Abschlusses an, er ist nur die für eine gewisse Zeit auf etwas völlig ihr eigenes Süppchen und hält ihre Lö- Voraussetzung für ein Volontariat. Der Neues einzulassen. „Die Politik kann sung für die absolut beste. Der Leidtra- Vorteil des Bachelors jedoch ist, dass man sich drehen und wenden, aber am Ende gende ist am Ende der wechselwillige auch mit jungen Jahren schon voll ein- kommt es auf den Einzelnen an“, fordert Student. Will der Greifswalder Absolvent steigen kann“, berichtet die 24-Jährige. Gesine Roth bestimmt. Die im Ausland des Bachelor of Laws Studiengang sei- Letztendlich ist das neue Studiensystem erbrachten Studienleistungen können nen Master in Bremen machen, wird ihm nur der logische nächste Schritt in einer in der Regel in Greifswald problemlos das durch die dortige Studienordnung Gesellschaft, in der alles immer besser anerkannt werden, solange sie mit dem verwehrt. Ein vierjähriger Bachelor wird und schneller funktionieren muss. In der entsprechenden Institut vorher abge- vorausgesetzt, in Greifswald werden je- Bildung nur der Mittel zum Zweck ist, sprochen worden sind. Maria Trixa, Po- doch nur drei Jahre angeboten. nämlich Leistung bringen. Um in dieser litik- und Fennistikstudentin, war ein Bleibt die Frage, ob sich der ganze Auf- Welt zu bestehen, wird dem Studenten halbes Jahr in Jyväskylä in Finnland, wand am Ende lohnt? Hat der Bachelor ein hohes Maß an Engagement und Ei- und kann das mit ihren Erfahrungen Absolvent überhaupt eine Chance auf geninitiative abverlangt. Anlässlich des nur bestätigen. Bei der Zusammenstel- einen gut bezahlten Job? Bachelors in seinem gegenwärtigen lung des Auslandsplans musste sie aber Zustand das Ende der Geschichte aus- genau darauf achten, dass die gewähl- Perspektive durch Engagement zurufen, käme sicherlich verfrüht. Doch ten Veranstaltungen ungefähr mit ihrer die Richtung, in die es gehen soll, ist klar Greifswalder Studienordnung überein- So richtig lassen sich auf diese Fragen vorgeben. Jetzt heißt es für alle Beteili- stimmen. Die Erfahrungen, die Maria in keine Antworten finden, für die Perso- gten, Studenten, Professoren und Politi- Finnland gemacht hat, möchte sie auf nalchefs sind die neuen Abschlüsse noch ker, an einem Strang zu ziehen und das keinen Fall mehr missen. „Finnland ist Neuland. Die großen Absolventenwellen Beste daraus zu machen. Erfolgreich ist genial. Das Entwickeln von mehr Selbst- kommen erst noch, dann erst wird sich am Ende derjenige, der sich trotz Wid- ständigkeit und das Lernen einer neuen zeigen, wie gut die neuen Schnellstu- rigkeiten durchsetzt und bereit ist, stets Sprache klappt nur im Ausland so gut“, denten in der Berufswelt aufgenommen den Schritt nach vorn zu gehen. erzählt sie begeistert. Außerdem mache werden. Erste Erfahrungen sammeln das Erasmus-Programm es einem extrem konnte bereits das IT-Dienstleistungsun- Fine jedenfalls möchte ihr Studium auf einfach, den Weg ins Ausland zu finden. ternehmen dr.heydenreich in Greifswald. jeden Fall erfolgreich zu Ende bringen. Während der Weg nach Europa relativ Seit August 2007 arbeitet dort Tino Lan- Zu gespannt ist die Studentin darauf, leicht ist, stellen sich dem Studenten ganke, ein Informatik-Bachelor von der was sie in den kommenden Semestern bei einem Hochschulwechsel innerhalb FH Stralsund. Bei der Einstellung spielte noch alles erwartet. Denn eins ist sicher: Deutschlands viel höhere Hürden in den der Abschluss keine so große Rolle, er- Einem Gewitter folgen oft die schönsten Weg. Wer glaubt, mit seinem Bachelor zählt sein Chef, Frank Heydenreich. Ihm Sonnentage. amü, mst

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+++ Schon gehört? Die WGG baut jetzt große Wohnungen zu kleinen Studentenwohnungen um! +++ 26 Moritz 76 // april 2009 Bericht Uni.versum Auf der Suche nach virtueller Perfektion Die Uni und ihr Internetauftritt

Über ein Jahrzehnt digi- taler Evolution Die Inter- netseite der Uni Greifswald von 1997, 2004 und heute

Prüfungsordnungen, E-Mail-Adressen oder ein unbekanntes Uni-Gebäude – wer kennt es nicht, das entnervte Suchen nach Informationen auf der Uni-Homepage. Und wer noch nicht studiert, der vergleicht die Seiten seiner potenzieller Hochschulen im Internet. Willkommen im Zeitalter der Informati- onsgesellschaft. Der Druck nach optimaler Vermark- tung durch das Internet steigt auch für Universitäten. Die Fördermittel fließen „Die Homepage der Universität Greifs- Student Gomez Fernandez findet noch schließlich nicht von selber. wald hat monatlich rund 10 Millionen eine ganz andere Begründung: „Ich mag Die langfristigen Prognosen dafür sehen Zugriffe von etwa 150.000 Nutzern. Ganz dieses Weiß als Hintergrundfarbe. Klar jedoch nicht sehr rosig aus. Der Schei- klar, das Internet ist zu einem ganz wich- und simpel, das passt zu Greifswald.“ telpunkt der Anfängerquoten wird bald tigen Informationsmedium für uns ge- Darauf ruht man sich an der Universität erreicht sein, im kommenden Jahrzehnt worden“, sagt Jan Meßerschmidt, Presse- nicht aus. Die Einsetzung von Videos werden sich die geburtenschwachen sprecher der Universität Greifswald. Die und Podcasts soll demnächst realisiert Jahrgänge der 90er an den Hochschulen Bewertung der Uni-Homepage durch werden, ein neues Konzept der virtu- des Landes bemerkbar machen. Hinzu die Medien ist positiv. So titelte die Ost- ellen Vermarktung befindet sich in der kommt, dass dies auch für die anderen see-Zeitung im August 2008 „Uni Greifs- Entwicklung. Auch in Communities wie ostdeutschen Bundesländer gilt, ein wald bietet in MV beste Homepage“ und dem SchülerVZ will man künftig für die Ausgleich von dort praktisch unmöglich bezog sich dabei auf einen Vergleich Uni werben. Frischer und jugendlicher wird. Laut statistischem Bundesamt hält von den sechs Hochschulen des Landes. möchte man sich präsentieren. Dazu M-V nicht zuletzt den traurigen Rekord Auch die Agentur Scholz & Friends, die diente auch die Online-Befragung, die der niedrigsten Studienanfängerquoten mit Coca Cola zusammenarbeitet und im Oktober stattfand und von der stu- in Deutschland: Nur 26,2 Prozent aller die Baden-Württemberg-Kampagne dentischen Unternehmensberatung Ca- Abiturienten und Berechtigten began- „Wir können alles, außer hochdeutsch“ pufaktur e.V. durchgeführt wurde: „Wir nen 2007 auch ein Studium in unserem entwickelte, nahm die Uni-Seite unter wollten wissen, was junge Nutzer von Bundesland. die Lupe. Sie stufte die Internetpräsenz der Homepage halten, was sie vermis- Die Universität muss sich also ins Zeug mit „best“ ein. Gelobt wurden dabei die sen und sich wünschen, um somit die legen, um langfristig genügend Abituri- sehr gute Zielgruppenzusammenset- Verhaltensweisen im Internet zu unter- enten nach Greifswald zu locken. zung, die Texte seien „einladend“. BWL- suchen“, erklärt Jan Meßerschmidt.

Moritz 76 // april 2009 27 Uni.versum Bericht

Verbesserungen erhoffen sich die Be- durchgeführt. Das führt zu großen Un- reiche stellen zum Beispiel sämtliche Un- fragten demnach in der Darstellung von terschieden in der praktischen Umset- terlagen online zur Verfügung, andere Erfahrungsberichten über das Studen- zung. Positiv sticht allemal die familiäre gar keine“, berichtet Gomez Fernandez. tenleben sowie Informationen zu den Baltistik heraus, die auf ein eigenes Lay- „Leider muss man zudem feststellen, einzelnen Studienfächern. out und Übersichtlichkeit setzt. Müssen dass internationale Studenten und In- An anderen Universitäten üblich, findet nur noch die geplanten Landkarten der teressierte bei vielen Instituten abseits man auf der Greifswalder Homepage baltischen Region folgen. medizinischer oder naturwissenschaft- zudem noch keine konkreten Angaben Auch die Botanik und Landschaftsökolo- licher Ausrichtung keine einzige fremd- über die Zulassungsbeschränkungen gie hält ein Unikat bereit: Hier kann man sprachige Version vorfinden.“ begehrter Studienfächer. Kritik kam Datenbanken von Pflanzen der Region Für Jan Meßerschmidt gibt es derweil auch über die Informationsbeschaffung aufrufen. Das Historische Institut errich- noch einen weiteren wichtigen Schwer- auf. Man benötige zum Teil zuviele Klicks, tete immerhin die Rubrik der häufig ge- punkt im Medium Internet: „Für eine um das Gesuchte zu finden. Ein Beispiel: stellten Fragen, die vor allem für junge gute Außendarstellung ist eine starke Um über die Startseite und dem Service und unerfahrene Studenten von Wert Aktualität notwendig, das ist auch gut „Schnelleinstieg Fakultäten“ zu einem ist. Gleiches gilt für den direkten Verweis für die interne Kommunikation.“ Wäh- beliebigen Institut der Philosophischen auf StudIP. Professionell aufgehoben rend die Hauptseite der Alma Mater in Fakultät zu gelangen, benötigt man ist man auch in der Medizin: Trotz der diesem Bereich glänzen kann, scheinen den Aufruf sechs neuer Seiten. Passend Vielzahl eigener Einrichtungen gelangt einzelne Fachbereiche Probleme damit dazu beschreiben es die Lehramtsstu- man übersichtlich durch alle Bereiche, zu haben. So besteht beispielsweise die dentinnen Annekatrin Müller und Antje modern und gut strukturiert, ohne zu Rubrik „News“ des Institutes für Patho- Schneider: „Die Homepage ist umständ- überfordern. Während die Institute der logie aus einer „aktuellen Meldung“ von lich, man braucht zum Teil sehr lang um Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Juli 2007. das zu finden, was man sucht. Aber an- Fakultät kreativ sind und sich voneinan- Um für die Herausforderungen des kom- dererseits sind wir darauf angewiesen der abheben, setzen einige Institute der menden Jahrzehnts gewappnet zu sein, und insgesamt ist die Gestaltung durch- Philosophischen und auch die Rechts- sollte also noch einiges geschehen. Die aus modern.“ und Staatswissenschaftliche Fakultät Ziele der Universität werden sich dann Die Kritik der Studenten trifft also vor auf optische Langeweile. „Ich finde es hoffentlich nicht nur auf Hauptseite, son- allem die Institute. Gebunden an Ge- positiv, dass jede Fakultät und jedes dern auch auf denen aller Institute wie- staltungsrichtlinien der Universität wird Institut seine eigene Seite präsentiert. der spiegeln. Wenigstens in der Option deren Internetauftritt in Eigenregie Aber jede macht es anders. „Manche Be- einer englischsprachigen Version. pm

Wer die Regeln nicht einhält, fliegt raus Hochschulsport Eckard Schielke erwartet mehr Fairness

moritz Zum Beispiel? doch keine Schwierigkeit und spart Geld. Eckhard Schielke Viele kommen einfach Stattdessen läuft dann mancher Wasser- mit ihren vermodderten Schuhen in hahn mehrere Tage vor sich hin, bis wir die Hallen und Räume des Hochschul- es merken. An anderer Stelle finden die sports. Hier sollte ein zweites Schuhpaar nachfolgenden Sportler zerstörte Sicher- selbstverständlich sein. Es steht schon heitsglasscheiben vor. Auch an gerade wenig Geld für die Gebäudepflege zur renovierten Gebäudewänden werden Verfügung, aber bei den derzeitigen immer noch Fahrräder abgestellt. Und Zuständen kommen die Reinungskräfte bei den Ballsportarten stellen wir häu- nicht hinterher. Sehr dankbar bin ich den fig fest, dass unsere Bälle verschwunden Dr. Eckhard Schielke ist sauer. Der Leiter Hausmeistern, die sich bei uns wirklich sind und dafür alte Privatbälle zurückge- des Hochschulsports beobachtet eine bemühen. lassen wurden. Wir müssen allein hier je- zunehmende Rücksichtslosigkeit im Um- des Semester 400 Euro für den Neukauf gang mit den Sporteinrichtungen. Auch moritz Was erwarten Sie denn? aufwenden. Energievergeudung stellt er fest und so- Eckhard Schielke Bei den Schuhen Der Hochschulsport ist ein vom Land und gar Diebstahl kommt regelmäßig vor. fängt es nur an. Die sollten abgetreten der Universität unterstütztes Freizeit- oder gewechselt werden, sonst liegt der angebot für die Studenten und wir fin- moritz Wo liegt das Problem? Dreck überall. Fußballer waschen ihre den es fair, dass die Anerkennung dafür Eckhard Schielke Unsere Studenten neh- Schuhe in den Waschbecken und lassen durch eine gewisse Achtung auf Sauber- men das Angebot im Hochschulsport verschlammte Becken zurück. Flaschen, keit und für den Erhalt der Sportstätten zwar gerne an und wir sind froh, die brei- Essensreste und andere Verpackungen gezeigt wird. Die Wartelisten der Kurse te Auswahl gewährleisten zu können. bleiben einfach liegen. Hallen- und an- sind lang genug. Wenn das nicht bes- Aber bei nicht wenigen Teilnehmern dere Raumbeleuchtungen werden nach ser wird, werden wir uns von besonders fehlt scheinbar jedes Verantwortungsbe- Schluss nicht ausgeschaltet. Aber auch rücksichtslosen Teilnehmern trennen. wußtsein, was grundlegende Dinge wie Mängel, wie defekte Wasserhähne, sind Sauberkeit und Rücksichtnahme betrifft. keine Nachricht an uns wert. Dabei ist das Das Interview führte Arik Platzek Foto: privat Foto:

28 Moritz 76 // april 2009 GreifsWelt „In fremden Sphären“

Auszug aus „Das Neue Universum“, No. 82 (1965) „Das größte Abenteuer in der Geschichte der Menschheit steht noch bevor: Die Begegnung mit vernunftbegabtem Leben auf anderen Planeten. Eine phantastische Landschaft breitet sich vor den Augen der kühnen Raumfahrer aus, die es gewagt haben, in ferne Sternsy- steme vorzustoßen, und als erste ihren Fuß auf einen der Milliarden bewohnter Weltkörper zu setzen. Glutig hängt der Ball einer mächtigen Sonne am tiefschwarzen Firmament und übergießt eine zerklüftete, schroffe Bergwelt mit leuchtendem Rot, auf der giftiggelb die Gase einer niedrigen Atmosphäre lasten. Wie eine Dunstschicht entzieht sie den Lebensbereich geheimnisvoller Wesen der Klarsicht der Kundschafter. Soviel ist gewiß, der Lebensfunke der Schöpfung hat sich nicht nur auf unserer Erde entwickelt. Der Erdball ist nicht mehr als nur ein Wohnraum im gewaltigen Weltgebäude.“

2009 ist das Internationale Jahr der Astronomie. 400 Jahre nachdem Galileo Galilei zum ersten Mal sein Tele- skop auf den Mond richtete und vierzig Jahre nach Armstrongs Landung auf dem Erdtrabanten, wird es Zeit für einen kurzen Ausblick auf ein Wissenschaftsgebiet, das mit der Jahrtausende alten Wissenschaft von den Gestirnen seinen Ursprung fand und viele inspirierte. Unser Rubrikcover ziert eine Illustration von Klaus Bür- gle. Seine, einen ehemaligen zukunftsoptimistischen Zeitgeist wiederspiegelnden, Werke sind heute erstmals wieder als Reprints erhältlich. Der damalige Zukunftsoptimismus ist es nicht. Mehr zum Thema auf Seite 32. Illustration: www.retro-futursmus.de GreifsWelt Kneipencheck (3) Kneipencheck (3)

Zur Sonne Das Lokal ist hell und freundlich eingerichtet. Warme Farben und Holz dominieren das Erscheinungsbild der Sonne. Das Produktangebot ist sehr umfangreich. Eine umfassende Getränkekarte, die in ihrer Größe ebenso riesig ist, lässt keine Wünsche offen. Von Smoothies über Cocktails, verschiedenen Caipririnhas oder Wellnessdrinks ist es ebenso möglich eigene Getränkekreationen erfüllt zu bekommen. Neben den Preisen lädt auch die Atmosphäre zum Zurücklehnen ein. Bequeme So- fas und indirektes Licht sind von Montag bis Sonntag ab elf Uhr vormittags zu genießen. Für Bier-Fans lohnt es vor allem mon- tags ab achtzehn Uhr vorbeizuschauen um für einen halben Li- ter Fassbier nur zwei Euro zu bezahlen. Steinbeckerstraße 1.

Zum alten Fritz Das Braugasthaus, das einem Sudhaus ähnelt, ist vor allem durch seine Biervielfalt bekannt. Biersorten aus der Stralsunder Brauerei oder Biermixgetränke wie Bierwhiskey kön- nen in dem Gasthaus genossen werden. Auch Freunde von Bio- produkten oder diejenigen, die ihr Bier lieber Zuhause genießen wollen, kommen auf ihre Kosten. Eine besondere Spezialität des Hauses ist das Pils Zwickelfritz. Doch muss auch etwas mehr für den Biergenuss bezahlt werden. Ab 3,10 Euro ist ein halber Liter erhältlich. Zwischen Flaschen- und Fassbier wird allerdings nicht unterschieden. Alles in allem lässt die gemütliche und warme Atmosphäre des Lokals einen kalten Wintertag schnell verges- sen. Am Markt 13.

Harter Sattel Wer einem Hauch Wilden Westen und Zigaretten- rauch nicht abgeneigt ist, ist hier genau richtig. Aktive Gemüter haben die Möglichkeit Billard zu spielen oder Dartpfeile zu wer- fen. Alle anderen können in Banknischen Platz nehmen und die überschaubare Getränkekarte, die Klassisches zu kleinen Prei- sen bietet, rauf und runter trinken. Nachteulen sind hier aller- dings falsch, da die Kneipe um drei Uhr nachmittags öffnet und bereits um 24 Uhr, montags sogar schon um zehn, ihre Türen schließt. Dafür wird jeden ersten Samstag im Monat ein Darttur- nier geboten und auch ein Fernseher steht für Programmwün- sche bereit. Ernst-Thälmann-Ring 1.

White House Nahe des Fischerhafens Wieck lässt sich gedie- gen ein Feierabendbier trinken. Schon nach dem Betreten des Lokals springt einem die große weiße Bar, die sich über den gesamten Gastraum erstreckt, geradezu ins Auge. Doch außer der Bar erinnert kaum etwas an die Farbe im Namen des Lo- kals. Zur Gründung des Gasthauses war das gesamte Inventar weiß. Der nahe liegende Name „White House“ wurde gewählt und blieb bis heute. Das Angebot von Longdrinks und Bieren ist zwar recht beschränkt, aber für einen angemessenen Preis erschwinglich. Dafür wartet das Wirtshaus mit einer Vielzahl von Weinen und Whiskeysorten auf. Wer außerdem mit Familie oder Freunden in großer Runde feiern will, kann sich einen Extraraum für 50 Personen mieten. Kooser Weg 1. kg Fotos: Maria Strache, Christine Fratzke Maria Strache, Fotos:

30 Moritz 76 // April 2009 GreifsWelt

Zum goldenen Anker Wer keine Fahrt ins Ostseeviertel scheut, kommt am als Restaurant ausgeschilderten „Zum goldenen Anker“ vorbei. Außen- und Innengestaltung lassen eher die Be- zeichnung Kneipe zu. Durch ein Bullauge wirft der Gast noch vor dem Eintreten einen Blick in einen kleinen, aber feinen (miet- baren) Gastraum, der im Seemannsflair gestaltet ist. Trotz des engen Bereiches genießt man günstiges Bier vom Fass - auch gerne kombiniert mit einer Bockwurst oder einem Eisbein - ge- mütlich am Tisch, am Tresen oder an der im Raum stehenden Laterne und plaudert mit den meist älteren Stammgästen. Neu- ankömmlinge werden täglich von 10 bis 23 Uhr, außer einer klei- nen Nachmittagsruhe, freundlich empfangen. Rigaer Straße 1.

Fliegender Schwan „Bitte in den Keller gehen!“ Von einer Laut- sprecherstimme angeleitet, führt der Weg ins Kellergemäuer. Auf komfortablen Lederbezügen fällt die Wahl in der durchdachten Getränkekarte schwer, dennoch sollte man definitiv sein Augen- merk auf den Absinth, den Rumtopf oder die Feuerzangenbow- le richten. Und wenn der Magen einmal knurrt, versprechen die üppigen Portionen an Kartoffelspalten, Tortilla-Chips oder auch die frischen Baguettes Abhilfe. Die drei Jahre alte Kneipe hält regelmäßig musikalische Klänge für die Ohren bereit, zu denen man bis in die frühen Morgenstunden tanzen kann. Auf die Na- mensgebung des Lokals angesprochen, empfiehlt der Wirt Lite- ratur von Robert Rankin. Steinbeckerstraße 17.

Wernis Kneipe Der Jahreszeit entsprechend werden die Garten- zwerge im Schaufenster schon mal mit Weihnachtsmützchen dekoriert. In der traditionsreichen Raucherkneipe werden die sehr günstigen Getränke auch Sohn des Besitzers ausgeschenkt, wobei man leicht in ein Gespräch verwickelt wird. Zudem kann sich der Gast in der hinteren Ecke beim Billard spielen vergnü- gen oder mit der älteren Generation das Tanzbein zur Volksmu- sik schwingen. „Früher sind die Studenten, die hier drüber ge- wohnt haben, immer runter gekommen und haben ein Bierchen getrunken, aber heute lernen die ja nur noch“, schwelgt Werner Link, Inhaber der Kneipe, in Erinnerung und richtet einen klei- nen Appell an alle Trinkfreudigen. Lange Reihe 74.

El mundo Früher war es als Latino House bekannt. Aber die Zeiten ändern sich und so hat sich auch ein neuer Besitzer für die neu eröffnete Bar gefunden, in der man seinen Sitzplatz auf drei Ebenen auswählen kann. Das vorherrschend spanische Ambiente will sich hier nicht so recht mit den amerikanischen Wandbildern und der techno-angehauchten Musik vereinen, doch mit dem neuen Namen „die Welt“ lässt sich dies wohl er- klären. Ein Spezialangebot hat jeder Dienstagabend zu bieten, denn dieser ist ausschließlich für die weiblichen Geschöpfe re- serviert. Außerdem wird eine große Auswahl an hefehaltigen Getränken angeboten. Doch muss man hier generell schon et- was tiefer in die Tasche greifen. Wollweberstraße12a. mst Fotos: Maria Strache, Christine Fratzke Maria Strache, Fotos:

Moritz 76 // april 2009 31 GreifsWelt Gefesselte Forscher und Entdecker ohne Fahrzeug Für mehr als die Vermessung des Universums 2009 ist Internationales Jahr der Astronomie

„Wie kann sich die menschliche Rasse in einer Welt, die sich in „Volksteleskop“ entwickelt, das nur 15 Dollar (plus $14.20 Versand politischen, sozialen und ökologischen Fragen im Chaos be- nach Deutschland, zahlbar via Paypal) kostet und die Qualität findet, weitere hundert Jahre halten?“ Einen Teil der Antwort von vergleichbar günstigen Geräten bei weitem übertreffen soll: auf die öffentliche Frage des Astrophysikers Stephen Hawking 50-fache Vergrößerung, brauchbare Optik und solide Bauweise. könnten die astronomischen Wissenschaften liefern. Das unter galileoscope.org angebotene Teleskop ist optisch viel Die Astronomie begann sich vor 2500 Jahren von ihren reli- besser als Galileos Rohr und in fünf Minuten montierbar. giösen Ursprüngen zu lösen und wurde durch Renaissance Aber auch der Blick zurück auf die Erde offenbart Erkenntnisse. und Aufklärung zu einer von theologischen Einflüssen befrei- Der Spaceshuttle-Astronaut Salman al-Saud kommentierte die ten Wissenschaft. Astronomische Themen beschäftigten aber Eindrücke seiner kosmonautischen Kollegen mit den Worten: „Am auch Philosophen jüngerer Zeit: 1775 schrieb Kant „Von den ersten Tag deutete jeder auf sein Land. Am dritten und vierten Tag Bewohnern der Gestirne“. Noch bis vor ein paar Jahren beflü- zeigte jeder auf seinen Kontinent. Ab dem fünften Tag achteteten gelte die nun erreichbare Unendlichkeit des Weltraums die wir auch nicht mehr auf die Kontinente. Wir sahen nur noch die Hoffnungen der Menschen an eine bessere Zukunft. Diese Zeit Erde als den ganzen Planeten.“ ist leider schon vorbei. Und der SPIEGEL titelte im Heft 7/2009 „Tod der Nacht“, weil das Aber nur mit dem Fernrohr ins All starren? Mitnichten die während des sich durchsetzenden 24-Stunden-Tages leuchten- Regel, denn Astronomie ist heute ein Oberbegriff für vielfäl- de Kunstlicht Tiere und Ökosysteme bedroht und einen Blick auf tige Fachgebiete wie Astrophysik, Astrometrie, Planetologie, den Nachthimmel versperrt. Das Fazit des Beitrages: „Erst wenn Stellarastronomie und Kosmologie. Es gibt weitere außerge- der Lichtsmog beseitigt ist, kann auch der Blick auf den Himmel wöhnlich anmutende Forschungsgebiete: Dazu zählen die wieder das klare und beeindruckende Bild liefern, welches unsere Astro- und die Exobiologie, die Archäoastronomie und auch Vorfahren vorfanden.“ Und wer heute noch in die Lage kommt, geisteswissenschaftliche Bereiche wie die Exo- oder Xenoso- einen unverstellten Blick auf den Nachthimmel zu werfen, kann ziologie. Der Soziologe Dr. Michael Schetsche fragt: „Welches vielleicht endlich erkennen, wo wir wirklich stehen. wären die sozialen Folgen, wenn die Menschheit mit der Exi- Wissenschaftler gehen davon aus, dass tausende Zivilisationen in stenz einer außerirdischen Zivilisation konfrontiert würde?“ unserer Galaxie leben, allerdings in Abständen von 100 bis 1000 Ein neues und sehr aktives Forschungsgebiet ist die Erforschung Lichtjahren. Eine Begegnung ist daher noch unwahrscheinlicher extrasolarer Planeten, die Exoplanetologie. Bisher sind 335 Pla- als die wesentlich schnellere, radioastronomische Verständigung. neten in 285 Sonnensystemen außerhalb unseres Sonnensy- Letztere würde mindestens 200 Jahre Geduld erfordern. Das SETI- stems bekannt. Ist es nicht seltsam, dass ein Drittel aller Europäer Institut widmet sich trotzdem dieser Aufgabe. Ob erfolgreich, immer noch glaubt, dass sich die Sonne um die Erde dreht?1 hängt auch von unserer Anwort auf Hawkings Frage ab. ap

Ein Höhlengleichnis Im Internet astronomy2009.de, seti.org, setiathome.com

Was haben Charles Darwin, Goethe und Humboldt gemeinsam? Vom Umgang mit dem äußerst Fremden Ohne ihre Reisen wären sie vermutlich unbekannte Namen. Buch „Von Menschen und Außerirdischen - Transterrestrische Begegnungen im Im Gegensatz zu diesen Geistesgrößen haben Vertreter der as- Spiegel der Kulturwissenschaft“ von Michael Schetsche tronomischen Zunft seit jeher ein gravierendes Problem: Das „Welches wären die sozialen Folgen, Forschungsfeld ist das Universum, ihr Arbeitsplatz die Erde. Einen wenn die Menschheit mit der Existenz Teil der Lösung für dieses Problem lieferte der holländische Bril- einer außerirdischen Zivilisation kon- lenmacher Lipperhey um 1608 mit dem Bau eines Fernrohres, das frontiert würde?“ Die Grundfrage des von Galileo Galilei weiterentwickelt wurde und zur Entdeckung Buches führt zu einer umfassenden so- von vier Jupitermonden führte. Der Theologe und Optiker Jo- ziologischen Analyse des Verhältnisses hannes Kepler entwarf 1611 das erste astronomische Fernrohr. Mensch-Außerirdischer-Mensch. Nicht Bekanntere Ausführungen der heutigen, multispektralen Fern- nur in einer tiefgründigen und über rohre sind das Hubble-Weltraumteleskop und das Arecibo-Radi- das eigentlich exotische Thema hi- oteleskop mit seinem 304,8 Meter großen und in einem Felsen nausgehenden Untersuchung wird das eingelassenen Reflektor. Und das aus dem Film „Contact“ bekann- menschliche Verhältnis zur (extrater- te Very Large Array (VLA) besteht aus 27 zusammengeschalteten restrischen) Fremdheit von dieser ausführlichen Monographie einzelnen Radioteleskopen, die gemeinsam eine Auflösung eines behandelt. Auch ausführliche mediale Analysen und die Bildung 36 Kilometer durchmessenden Interferometers ergeben. Neueste klarer Terminologien bilden die wissenschaftliche Grundlage für Errungenschaft der EU sind die herausragenden Teleskope ‚Her- ein ernstzunehmendes und vorausschauendes Werk, dass sich schel‘ und ‚Planck‘. Ihr Start ist Ende April 2009 geplant. frei von populärwissenschaftlichen Begriffen der Antwort auf Trotzdem mangelt es in jüngerer Zeit an bahnbrechenden Erfol- eine Frage anzunähern versucht, die von modernen Medien- gen. Im heutigen Alltag populärste Effekte sind die Dauerbrenner produkten häufig schon beantwortet sein will. Der promovierte „UFO-Sichtungen“, sowie eine Unzahl von Science-Fiction-Serien Soziologe Schetsche beweist in Zusammenarbeit mit ande- und –filmen sowie entsprechende Computerspiele. Quo vadis, ren Autoren, dass die ernsthafte Frage nach dem Umgang mit ástronomía? möglichen extraterrestrischen Spezien ein Thema ist, das eine rationale Diskussion im Alltag verdient, sich diese aber trotzdem Mehr Basisarbeit noch erkämpfen muss. ap Verlag Transcript, 286 Seiten, kart. Preis 27,80 Euro Ein internationales Forscherteam hat zum Jahr der Astronomie ein 1http://ec.europa.eu/research/rtdinfo/pdf/eurobarometre_de.pdf

32 Moritz 76 // April 2009 Feuilleton Feuilleton

„Peer Gynt“ vom Henrik Ibsen. Das dramatische Gedicht, welches der Norweger 1867 schrieb, wird auch oft als „Faust des Nordens“ bezeichnet. Doch im Vergleich zu Goethes Original bleibt der Teufel nicht sichtbar, treibt sein Unwesen in den Tiefen Peers Seele. Parallelen sind dennoch vor-

Foto: Vincent Leifer Vincent Foto: handen: Lest selbst auf Seite 35. Feuilleton Fotos: Vincent Leifer Vincent Fotos:

34 Moritz 76 // april 2009 Theater Feuilleton

Seelendrama auf Droge „Peer Gynt“ von Hendrik Ibsen

Der Mensch ist eine Zwiebel, mit vielen Schich- Auch mit Nils Düwells Inszenierung am Theater ten – und manchmal findet sich darunter nichts Vorpommern verhält es sich kaum anders. Und als die innere Leere. Die finale Erkenntnis, die Peer anstatt sich gegen die Eigenheiten des Stoffes Gynt (und mit ihm der Zuschauer) im legendären zu wehren, gibt sie sich dem Rausch einfach hin: „Zwiebelmonolog“ beim Rückblick auf sein Leben Durch Kürzungen kommen vor allem die Szenen erlangt, folgt einem Leben, das einer einzigen mit dem größten Schauwerten zum tragen. Die Odyssee des vorsätzlichen Scheiterns gleicht: Ob Halle des Bergkönigs, in der Peer zum Troll „umo- als brautraubender Taugenichts und Aufschneider, periert“ werden soll, die Sennerinnen, die ihn des verstoßener Wildnisbewohner und angehender Nachts als Trollorgien-Ersatz verführen oder das Trollprinz, als Sohn oder Liebender, selbst als skru- außer Kontrolle geratene Irrenhaus, in dem Peer pelloser Waffenhändler in Übersee – nichts, was zwischenzeitig strandet, werden konsequent als Peer anfängt, bringt er zu Ende. Nie steht er für triebhafter Bilderrausch in Szene gesetzt, bei dem etwas ein, sei es nun gut oder schlecht. Am Ende die Grenzen zwischen Wahn und Wirklichkeit ver- seiner Tage muss sich Peer von einer Reihe meta- schwimmen. Mit geschickt gesetzten Streichungen physischer Entitäten vor Augen führen lassen, dass und zumeist klugen kleinen Neuverortungen des sein Dasein „nichts halbes und nichts ganzes“ war, Textes (insbesondere im vierten und fünftem Akt) und dies nicht ohne Folgen bleiben könne. wird das Stück dabei auf ein handliches Maß zu- Das nach der Hauptfigur benannte „dramatische rechtgestutzt – kleiner Wermutstropfen bleibt Gedicht“ von Henrik Ibsen, 1876 uraufgeführt, dabei jedoch die vollständige Opferung der Rolle gilt in Norwegen als literarisches Nationalgut und des „Mageren“, der Peer als teufelsähnliche Gestalt zählt nicht nur dort zu den Konstanten in der The- den Zugang zur Hölle verweigert. aterlandschaft. Passend gibt sich auch das Bühnenbild, das mini- Und dass, obwohl das Stück in jeder Hinsicht ein malistisch und wenig verspielt allein durch sphä- zäher Brocken ist: Dies gilt nicht nur für die The- rische Licht- und Raucheffekte zu beeindrucken atermacher, die unzählige Ortswechsel und tech- weiß. Edvards Griegs abgenudelte und eigentlich nisch schwer realisierbare Szenen (unter anderem weitestgehend unpassende, weil zutiefst roman- zwei Schiffsuntergänge) umsetzen müssen oder tische Bühnenmusik hingegen wird durch bedroh- die Schauspieler, die sich insbesondere in der lich-pathetische Elektro-Klänge ersetzt und fla- Hauptfigur mit den Facetten einer ganzen Leben- ckert lediglich in kleinen Reminiszenzen kurz auf. spanne konfrontiert sehen und darüber hinaus Auch die Rollengestaltung überzeugt: Christian mit wunderschöner, aber sperriger Verssprache Holm lässt seinen Gynt als rastlosen, kinskiäs- zurechtkommen müssen. ken Hans-guck-in-die-Luft von einer irrwitzigen Auch das Publikum, das bei diesem philosophisch- Situation in die nächste taumeln ohne dabei am pyschologischen Seelendrama jede Menge Ende tragische Tiefe vermissen zu lassen. Peers „schwere Kost“ verabreicht bekommt, muss mit große Liebe Solveig wird (gespielt von Eva-Maria einer oft schwer zugänglichen mythologischen Blumentrath) entgegen der Vorlage nicht zum Verkleidung des Themas und abstrus-impulsiven verhuschten, engelsgleichen Chormädchen ver- Handlungsverläufen kämpfen. klärt. Markus Voigt lässt den Trollkönig gekonnt Die überbordende Länge der Vorlage zwingt zu- zwischen endzeitlicher Bedrohlichkeit und gut dem fast jede Inszenierung den vordergründig oh- pointierten Kalauern schweben und steht dabei nehin bizarren Stoff über eine collagenartige Ver- exemplarisch für eine Inszenierung, die mit de- knappung zu bewältigen, was im dargebotenen zenten Modernisierungen Verständlichkeit erhöht Ergebnis nicht selten wie ein einziger Drogentrip und nebenbei den Spagat zwischen Anspruch und daherkommt. Unterhaltung schafft. jk

Moritz 76 // april 2009 35 Feuilleton Kino Vom Teekocher zum Millionär „Slumdog Millionär“ von Danny Boyle Slumkind Jamal Malik steht bei „Wer wird Millionär?“ vor einem sten als „Forest Gump“ auf Indisch beschreiben lässt. Denn per- 20 Millionen Rupien-Gewinn – ein Grund ihn zu verhaften, fin- sönliche Ereignisse verknüpft mit der Geschichte eines Landes; det die Polizei. das hat man schon mal alles gesehen. Bei dem Versuch, den vermeintlichen Schummler zu überfüh- Trotz dieser Ähnlichkeit ist „Slumdog Millionaire“ mehr als ein ren, befragt sie ihn zu jeder einzelnen Frage – und bringt ihn Abklatsch früherer Hollywooderfolge. Denn neben absoluter somit dazu, seine Lebensgeschichte zu erzählen. Authenzität bei der Darstellung Indiens, die übrigens unter So also die Rahmenhandlung für einen Film, der sich am Be- Anderem dadurch entstand , dass die Rollen zum Teil tatsäch- lich mit Laien aus den indischen Slums besetzt wurden, über- zeugt „Slumdog Millionaire“ auch handwerklich. Herauszuheben wäre hier natürlich zunächst der oscarprä- mierte Soundtrack, aber auch die Kameraführung. Obwohl letztere oft etwas verschult anmutet (Vogel-/Frosch- perspektive etwa während des Polizeiverhörs), besticht sie doch mit unverhofften Wechseln zwischen langen Porträtauf- nahmen (beispielsweise bei der Quizshow und dem Verhör) und rasanter Handkamera etwa bei den Verfolgungsjagden, die sich als ein Leitmotiv durch den Film ziehen. Inhaltlich fesselt vor allem die Reaktion von Jamals Umwelt, bestehend aus Polizisten, Quizmaster, und Publikum, wel- che zwischen Belustigung, Empörung, Verwunderung und Misstrauen schwankt.So kommt auch bei Überlänge des Films niemals Langeweile auf. Erst recht nicht beim großen Finale, in dem Jamal um den Hauptgewinn spielt. Hier schlägt man die Hände über dem Kopf zusammen, ist sogar versucht, dem Kandidaten die richtige Antwort zuzuschreien – wie bei „Wer wird Millionär?“ eben. scara Kinostart 19. März Spieldauer 120 Minuten Einfach mal sagen, wie es wirklich ist „Sieben Tage Sonntag“ von Niels Laupert schrieben, ganz ohne Exzessivität. Exzessiv, aber trotzdem eben wirklichkeitsnah, wird dabei beschrieben, was geschieht, als die beiden aus Langeweile und ohne moralischen Bezugspunkt wirkenden Übermut darauf wetten, ob sie einen Menschen tö- ten können. Niels Laupert zeigt, ohne viel zu erklären, wie es sein kann. Und erklärt damit, wegen des wahren Hintergrundes und der großen Nähe zur wirklichen Tat, wie es wirklich ist. Frei von ide- ologischem Balast, entstand der Film nach langen Gesprächen mit den tatsächlichen Tätern dieser filmisch reproduzierten Geschichte. Frei von Anklagen gegen Staat und Schuldzuwei- sungen gegen andere, offenbart der Film die zerstörerische Na- tur nicht nur fehl-, sondern auch ungeleiteter jugendlicher Cha- raktere. Halbdokumentarisch zeigt der Film, was nicht wenige Jugendliche bereits selbst erlebt haben und deutet daraufhin, was ein Teil der anderen jederzeit erleben könnte. Ohne Dialekt sprechende Darsteller befreien von vervorurteilender Veror- tung des namenlosen Ortes der Geschehnisse, lediglich Platten- Dargestellt nach einer wahren Begebenheit: Während eines tri- bauten geben vage Hinweise. sten Winters in einem Plattenbau leben die arbeitslosen Schul- Wenn andere von der „Schilderung unerklärlichener Taten“ abbrecher Adam (Ludwig Trepte) und Tommek (Martin Kiefer) in sprechen, offenbart sich dabei nur die unvollständige Wahrneh- den Tag hinein. Beide umwerben Sarah (Jil Funke) ohne großen mung der Wirklichkeit durch deren Betrachter. Vielmehr sind die Erfolg, denn obwohl Tommek sehr selbstbewusst sein Ziel ver- Bilder nicht wegen ihrer Geschichte, sondern ihrer schonungs- folgt, fühlt sich Sarah zum eher zurückhaltenden Adam hingezo- losen Offenheit eindrucksvoll anzusehen. Wer nun gegenüber gen. Beide Protagonisten sind geplagt vom verwirrenden Trieb diesen Bildern feststellt, dass sie ihm nur bereits Erwartetes be- zum anderen Geschlecht und ihrer eigenen Ziellosigkeit. Alko- zeugen, darf zurecht ein fatalistisches und gegen jede humani- hol und anderen Drogen stehen erwartungsgemäß im Raum, stische Moral abgestumpftes Weltbild sein eigen nennen. ap

werden aber nur als Zutaten zweier absteigender Schicksale be- Kinostart 5. März 2009 Spieldauer 80 Minuten Prokino Foto:

36 Moritz 76 // april 2009 Bericht Feuilleton Die Oscar-Verschwörung Haben deutsche Filme mehr Aussicht auf den Oscar, sobald es um die eigene Geschichte geht?

Es war die 81. Verleihung der Acadamy Awards, die am 26. Febru- KZ-Aufseherin Hannah Schmidt in Schlinks „Der Vorleser“. ar über die Bühne ging. Und überfliegt man die Artikel zu dieser, Doch bei aller Liebe zu Verschwörungstheorien dürfen auch an- kommt einem wie jedes Jahr unweigerlich die folgende Frage in dere Faktoren nicht missachtet werden. den Sinn: Wie kommt es eigentlich, dass über die Gewinner der Denn man kann nur erschienene Filme nominieren. Zwar wun- Oscar-Verleihung, wenn überhaupt, nur am Rande gesprochen dert es, dass es keine Oscar-Nominierung für so bahnbrechende wird? Nun, vielleicht hat es tatsächlich etwas damit zu tun, dass Filme der deutschen Filmgeschichte wie „Lola rennt“ oder „Das Kultur in der heutigen Gesellschaft immer mehr in den Hinter- Experiment“ gab, trotzdem macht sich ab 2003 ein deutlicher grund rückt, doch auch eine andere These wäre denkbar: Kann Trend hin zur Verarbeitung dunkler deutscher Geschichte breit. es möglich sein, dass nicht mehr über die Bewertungsprozedur Angefangen mit „Good Bye Lenin“, und „Der rote Kakadu“ über geredet werden soll, als unbedingt nötig? „Das Wunder von Bern“ und „Napola“ bis hin zum „Baader- Denn schon seit längerem halten sich Gerüchte, nicht nur von Meinhof Komplex“ 2009: Das deutsche Kinopublikum bekommt eingefleischten Oscar-Nacht-Fans, sondern auch in der seri- schon seit einiger Zeit kaum mehr einheimische Filme zu Ge- öseren Presse, dass die Kriterien der Jury alles andere als objek- sicht, die nicht entweder etwas mit DDR oder dem Nationalsozi- tiv seien. So berichtet die Süddeutsche Zeitung in ihrem Artikel alismus zu tun haben. „So gewinnt man einen Oscar“ vom 22. Februar 2008 beispiels- Ein weiteres Indiz für die eventuelle Unbefangenheit der Jury weise von einer Studie der Harvard University, die herausfand, ist die Tatsache, dass der diesjährige Film „Der Baader-Meinhof dass viele Variablen um den Oscargewinn herum existieren, die Komplex“ eben nicht den Oscar gewann. Hiergegen können nichts mit dem Können eines Schauspielers zu tun haben. Skeptiker zwar setzen, dass dieser Film unter dem Genre „Terror- drama“ angepriesen wurde, für einen Gewinn in den USA jedoch Verschwörungstheorien die Terroristen zu sehr von ihrer menschlichen Seite zeigte. Auch darf angemerkt werden, dass „Spielzeugland“ in der Ru- Hierbei sei vor allem das Geschlecht, sowie Genre des Films brik „bester Kurzfilm“ gewann. Dieser Film handelt von der De- und die weitere Besetzung von Bedeutung. Doch man braucht portation einer jüdischen Familie. keine Studien, nur ein gewisses Grad an Aufmerksamkeit, um So oder so aber: „Baader-Meinhof Komplex“ hat nicht gewon- folgende Regelmäßigkeiten festzustellen: Zum einen haben nen. Und damit dürften alle Verschwörungstheorien in dieser Schauspielerinnen, die für ihre Rolle einiges von ihrer Schönheit Hinsicht erst mal vom Tisch sein. Das nächste Mal also, wenn die einbüßen müssen, eher Chancen auf den Oscar, als ihre Konkur- Vermutung an Beeinflussbarkeit der Oscar- Jury nahe liegt, lohnt rentinnen. Beispielsweise seien Charlize Theron in „Monsters“ es sich also zu fragen, ob dies tatsächlich der Fall sein kann. Oder von 2004 oder Nicole Kidman im Film „The Hours“ genannt. Zu- ob der Film in Diskussion es auch einfach verdient hat, zu gewin- dem gibt es Oscars, die „einfach mal nötig sind”. Gute Beispiele nen. Im Falle des Zusammenhangs zwischen Oscar-Gewinn und sind Halle Berry als erste schwarze Schauspielerin in „Monsters dunkler deutscher Geschichte wäre beides denkbar. scara Ball“ von 2001 oder der verstorbene Heath Ledger für seine Lei- stung in „The Dark Knight“. Und drittens haben deutsche Filme Anzeige dann Chancen auf den Oscar, wenn sie sich mit ihrer Vergangen- heit auf reuige Weise auseinandersetzen. Filme, die das belegen, sind „Der Untergang“, 2005 nominiert und „Das Leben der Ande- ren“ von 2006. Doch beruhen diese Zusammenhänge auf Zufäl- len oder wird die Jury tatsächlich derart stark beeinflusst?

Und was an ihnen dran ist

Erörtern wir hierzu einmal die dritte Auffälligkeit etwas detail- lierter. Zunächst die Fakten: In den Jahren 1970 bis 2009 gewann Deutschland dreimal den Oscar für den besten ausländischen Film; jedes Mal spielte die deutsche Geschichte, zumindest am Rande, eine Rolle. Allerdings war Deutschland in den Jahren des Nichtgewinnens auch zehn mal unter den Nominierungen ver- treten. Wobei sich darunter fünf Filme befanden, in der nicht nur die geschichtlichen Ereignisse als Kulisse verwendet wurden, sondern eine kritische Auseinandersetzung stattfand. Sieht man sich die Nominierungen in anderen, mit faschistischer Vergangenheit belasteten Ländern an, so verstärken sich die Vermutungen: Größter Auslandsoscar-Gewinner mit allein fünf Gewinnen in den Jahren 1971 bis 2009 ist Italien. Bis auf einen Film beziehen davon alle den 2. Weltkrieg mit ein. Österreich ge- wann einmal (2008, „Die Fälscher“) und war einmal nominiert, beiden Filmen war eben jene gewisse Thematik gemein. Diese Seite der Statistiken legt also die Vermutung nahe, dass zumindest die Oscar-Nominierung durchaus von der Wahl des Stoffes beeinflusst wird. Ein Phänomen, dass auch innerhalb Hollywoods bereits bemerkt wurde. So meinte Ricky Gervais bei der Verleihung der Golden Globes 2009 schmunzelnd zu Kate Winslet : „Na hab ich’s dir nicht gesagt? Du musst in einem Ho- locaust-Film mitspielen!“ - und tatsächlich erhielt die Angespro- chene auch kurze Zeit später ihren ersten Oscar für die Rolle als

Moritz 76 // april 2009 37 i w n m h e t d

Feuilleton l e u o h e i r e m i n a

c l k r

n Zwangsabonnement der Wirklichkeit s

„Das Glück in glücksfernen Zeiten“ von Wilhelm Genazino l e e m „Ich höre jetzt nur noch das Wehkla- cholische besitzt. Seine (Anti)helden wirkten schon immer ein gen meiner ratlosen Seele. Sie möchte bisschen verrückt, aber auf eine nachvollziehbare Weise. Das ist a gern etwas erleben, was ihrer Zartheit diesmal anders. n entspricht, und nicht immerzu dem Bei Gerhard Warlich treten die Genazinoschen Symptome in Zwangsabonnement der Wirklichkeit hoch potenzierter Form auf und so kann die Geschichte auch ausgeliefert sein.“ Gerhard Warlich nur einem Ende entgegen steuern, das deutlich krasser ist als hat über Heidegger promoviert, sich bei den Vorgängerromanen. s e dann aber in einer Wäscherei zum „Das Glück in glücksfernen Zeiten“ erzählt von dem Gefühl des Chef hochgearbeitet, um sein BA- Scheiterns und des Niedergangs und trifft damit auf eine ein- föG möglichst schnell abbezahlen zu drucksvolle Art die Stimmung der letzten Jahre ohne an Zeitlo-

können. Er lebt sein Leben so dahin sigkeit zu verlieren. a n lah e neben seiner bodenständigen Frau m t k r Traudel, leidet aber darunter, dass Gebundene Ausgabe 160 Seiten Verlag Hanser r sich das erhoffte bessere Leben nicht einstellt und er mit sei- e nen Gedanken darüber allein bleibt. Als Traudel ihm dann auch w noch eröffnet, dass sie sich von ihm ein Kind wünscht, ist der Fremde Leben l o überempfindliche Philosoph völlig überfordert. Aber es kommt l noch schlimmer. „Ruhm: Ein Roman in neun Geschichten“ e n n

Wilhelm Genazino hat wieder einen Mann in die Literatur r e e n j e entlassen, der durch die Welt sich selbst betrachtet und eine u e r besondere Vorliebe für das Peinliche, Schamhafte und Melan- d g Ralf Tanner ist ein berühmter Schau- u m r i n b h e c spieler, möchte aber Matthias Wagner n n e sein, um mit Nora ein ruhiges Leben

c o h a e n

d führen zu können. Mollwitz arbeitet e d

s Anzeige bei einem großen Telekommunikati- a onsunternehmen, schreibt aber lieber den ganzen Tag in Internetforen über n Leute wie Ralf Tanner, die er gar nicht k kennt. Ebling dagegen bekommt An- rufe, die gar nicht an ihn gerichtet sind n und stellt fest, wie langweilig sein eige- e nes Leben ist. Sie alle sind Menschen, die einander nicht kennen, und doch ist u jeder eine Figur in Daniel Kehlmanns neuem Roman „Ruhm“. Ein Buch ohne Titelheld, ohne eine durchgängige Handlung, v vielmehr eine Verknüpfung und Verstrickung von neun ver- n schiedenen Geschichten mit jeweils eigenen Protagonisten e und Schicksalen. Doch alle Geschichten sind geschickt mitei- r nander verwoben, immer wieder führt der Zufall die Figuren s auf verschlungenen Pfaden zueinander. Kehlmanns Sprache ist dabei stets sparsam und präzise, die Raffinesse liegt vielmehr e

im Aufbau und der Verbindung der Erzählebenen. Weder die h Figuren noch der Leser können immer unterscheiden, was Re-

alität und was Fiktion ist. Kehlmanns Erzählweise ist die des 21. Jahrhunderts. e n Womit Filme wie „Babel“ und „L.A. Crash“ bereits auf der Lein- wand erfolgreich experimentierten, wird hier literarisch umge- s setzt. Sie ist der naheliegende Weg, von einer Welt zu erzählen, in der alles und jeder miteinander vernetzt ist und in der der Ein- n zelne den Überblick verloren hat. Eine Welt, in der jeder jemand e anderes sein möchte, nur nicht man selbst. Das Internet macht i

es möglich, die Flucht in die virtuelle Welt des World Wide Web ist verlockend. Genau diese neuen technischen Möglichkeiten b sind es, die sich wie ein roter Faden durch das Buch ziehen. Sie gaukeln den Figuren vor, alles, jeder und überall sein zu kön- u nen. Doch können sie nicht über die Leere hinwegtäuschen, die c sie in den Menschen auslösen. Was bleibt, ist der Wunsch nach einer Pointe, einem Höhepunkt, der Erlösung. Das Buch wird sie h nicht bringen, genauso wenig wie das wahre Leben. amü w Gebundene Ausgabe 203 Seiten Verlag Rowohlt Verlag r d u n e z s h e 38 Moritz 76 // april 2009 i t c e n Feuilleton

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Moritz 76 // april 2009 39 Feuilleton DVD Von Toden und Tragödien „Zurück im Sommer“ von Dennis Lee

Manche Familiengeheimnisse bleiben ter, der erst beinahe am Ende des Films ewig in ihren Schuhkartons. Andere auch ein wenig Herz zeigt, doch zu die- werden wie in „Zurück im Sommer“ sem Zeitpunkt ist es kaum noch mög- durch den Tod eines geliebten Familien- lich, Sympathie für ihn zu empfinden. mitglieds ans Licht gebracht. Der Vater In Rückblicken wird von einem Sommer Charlie (Willem Dafoe), der seine Fami- berichtet, in dem die Familie bereits ein- lie unterdrückt, der Sohn Michael (Ryan mal fast zerbrochen wäre, hier erlebt Reynolds), der diese Unterdrückung der man durch Michaels Augen das Leid, das Welt zugänglich machen will und damit diese Familie bereits erlitten hat. die ganze Familie endgültig vernichten So viel Potenzial in einem Film, dennoch könnte. Beziehungsgeflechte dreier Ge- wird dieses nicht ganz ausgeschöpft. nerationen, die kaum unterschiedlicher Gute Anfänge werden nicht zu Ende ge- sein könnten. All das verpackt Dennis bracht, manche Charaktere erscheinen Lee in seinen mit autobiografischen Tei- nur als Lückenfüller, entwickeln keine len durchsetzten Film. eigene Persönlichkeit. Trotz des vielversprechenden Casts geht Verglichen mit einem Wein, den man zu der Film nur schleppend voran. Julia diesem Film genießen könnte: Reiches Roberts ist nur wenig zu erleben, hier Bukett, schwacher Abgang. jm als unglückliche Mutter, die sich gegen ihren Ehemann nicht durchsetzen und Darsteller Ryan Reynolds, Julia Roberts, ihrem Sohn die angebliche Liebe kaum William Dafoe Laufzeit 95 Minuten Ex- zeigen kann. tras Interviews mit den Darstellern, Be- hind the Scenes, Trailer

Anzeige Willem Dafoe überzeugt als brutaler Va- Foto: Senator Entertainment Senator Foto:

40 Moritz 76 // april 2009 Feuilleton

Moritz 76 // april 2009 41 GreifsWelt

42 Moritz 76 // April 2009 Bericht Feuilleton Dicke Fische im Netz und Greifswalder an Bord Der Nordische Klang 2009

Endlich volljährig. Zum 18. Mal wird der Nordische Klang vom Johanna Iivanainen (FIN) - Jazz zweiten bis zum neunten Mai die interessantesten nordischen Künstler nach Greifswald bringen. Frithjof Strauß, künstle- Die Finnin ist begehrt. So begehrt, dass sie schon auf mehr als rischer Leiter des Klanges, erzählt begeistert von den diesjäh- 40 verschiedenen Alben mitwirkte. Ihr Konzert trägt den Titel rigen Headlinern: „Wir sind alle sehr stolz, dass Sofia Jannok „Finnish Popular Songs in Jazz“: Einfühlsam und voller Emo- aus Schweden anreisen wird. Außerdem haben wir mit Norges tionen sind die Lieder Iivanainens. Dass ihre in ihrer Mutter- Philharmoniske Orkester, dem Oslo String Quartet und auch mit sprache gesungenen Stücke nur so vor Schönheit und Wieder- dem Stockholm-Lisboa Project richtig dicke Fische an Bord ge- erkennungswert strotzen, beweisen die damit gewonnenen bracht.“ Preise. Die Gewinne der Louis Armstrong Trophy 2002 und des Musikalisch wird das Festival Klassik, Jazz, Pop, Horror-Metal Sony Jazz Awards 2003 sind vorerst wohl nur der Anfang. Auf und Folklore an den Zuschauer bringen. Jeden Tag gibt es vier die musikalische Energie der Skandinavierin darf sich gefreut bis fünf Veranstaltungen. Lesungen, Konzerte, Theater, Vorträge werden. und Filme von Kunstschaffenden aus Norwegen, Schweden, Finnland, Dänemark, Island und Färöer werden dazu beitragen, dass der Festivalbesucher erfährt, dass der Norden mehr zu bie- ten hat als IKEA und Elchaufkleber für Autos. „Wir haben bereits letzten Spätsommer angefangen, die ersten Gruppen zu buchen“, blickt Walter Baumgartner zurück. Der Vorsitzende des Vereines Nordischer Klang e.V. ist mit seinen Beziehungen zu vielen Künstlern im Norden genauso wichtig, wie die Studenten, die die letzten Wochen wohl mehr mit skan- dinavischen Künstlern, als mit ihrer eigenen Familie gesprochen haben dürften. „Unsere Telefone stehen kaum still“, bescheinigt die Studentin Christine Nickel aus dem Team des Klanges, „aber das ist auch gut so, denn wir wollen möglichst viele aufregende Künstler engagieren.“ Dieses Jahr werden viele Greifswalder selber am Programm des Klanges teilnehmen. Als „Startschuss für viele Projekte“, bezeich- net Walter Baumgartner die Kulturwoche, „das Festival wird vie- len hier die Möglichkeit geben selber kreativ zu werden, statt nur zuzuschauen.“ Möglichkeiten gibt es viele: Bei der Mitter- nachts-Jamsession in der Musikfabrik kann jeder, der ein Instru- ment mitbringt, mit dem Trio The Reverends jammen. Im IKuWo werden die Schauspieler von Improoperatørene aus Trondheim/Norwegen gegen ihre Greifswalder Kollegen von Im- prosant antreten. Beim Theater-Battle wird improvisiert was das Zeug hält und auf Zuruf gespielt. „Wir wollen etwas bewegen und das natürlich auch gerne mit Leuten aus unseren eigenen Rei- hen“, freut sich Walter Baumgartner über das Engagement von vielen kreativen Köpfen aus Greifswald. Das Übersetzungspro- jekt überträgt Bücher von vielversprechenden skandinavischen Autoren ins Deutsche und stellt die geleistete Pionierarbeit wäh- rend des Klanges vor. Warum sollte der nächste skandinavische Bestseller also nicht in unserer Hansestadt übersetzt worden sein? Greifswalder können an der Montessori-Schule an einem Theaterworkshop teilnehmen oder selber Vorträge über Skandi- navien halten. Johanna Krümmling ist eine von ihnen. Sie wird über das nordische Urvolk, die Sámi, berichten. Sofia Jannok (S) -Pop/Weltmusik Ob der Klang nun erfolgreich verlaufen wird oder nicht, hängt nicht zuletzt von dem Kulturinteresse der Greifswalder ab. Der 18. Sie ist der Shootingstar aus Schweden. Die samische Sängerin Geburtstag des Festivals kann eine lahme Kaffeerunde oder eine schafft es, die Einzigartigkeit der Natur in der sie lebt mit ihrer rauschende Festwoche werden. Die Vorzeichen sind jedenfalls Stimme einzufangen. Sie singt von schneebedeckten Bergen, mit der Vielzahl von interessanten und frischen Künstlern positiv. Lagerfeuer und kalten Polarnächten – auf samisch! Sofia Jannok Bleibt nur zu hoffen, dass der musikalische Geburtstagskuchen ist die musikalische Personifizierung ihres Urvolkes und der ab- auch angenommen wird, nur dann kann die Stadt auch tatsäch- solute Headliner im Programm. Du weißt nicht, was Joik-Gesang lich für eine Woche im Mai zum Mittelpunkt der nordischen Kul- ist? Sofia zeigt´s dir. Die anspruchsvoll arrangierten Songs ge-

0tos: Agentur 0tos: tur avancieren. mj hen ans Herz und verzaubern ähnlich wie Sigur Rós. mj

Moritz 76 // april 2009 43 Feuilleton CD Textschätze Fühl die Musik Altbekanntes

Bell X1 Mando Diao Maroon 5

In den frühen Neunzigern gründete sich Die schwedische Rockband aus Bo- Man nehme eine Band, ihre alten im irischen Kildare die vierköpfige Band länge ist auch in ihrem fünften Album Songs, füge dazu noch Mary J. Blige, „Juniper“. Knapp zehn Jahre hielt die wieder ihren eingängigen Riffs und Rihanna, Pharrell Wiliams, The Cool Band und konnte auf der Insel so einige ihrer bunten stilistischen Vielfalt treu Kids und Chris Stewart hinzu, schüttle Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Noch geblieben. Durch die Vertretung in den das Ganze gut durch und schon ent- mehr Erfolg als die Band hatte allerdings Popcharts fühlen sich wohl nicht nur steht eine neue CD. ihr Frontsänger, der kein geringerer als eingefleischte Rockfans angesprochen, Um die Wartezeit auf ihr kommendes war. Seine Solokarriere war sondern auch Jugendliche die ihre Mu- Album zu verkürzen, hat die Band es auch, der Juniper in die musikalischen sikinteressen erst noch austesten müs- „Maroon 5“, wie sie selbst sagen, ihre Jagdgründe verbannte. Doch nicht nur er, sen. bereits produzierten Lieblingshits sondern auch der Rest der Band widme- Durch die eingängigen Melodien bleibt mit Hilfe einiger ihrer Lieblingskünst- te weiterhin ihr Leben der Musik. Unter der Fuß nicht lange ruhig. Sollte man ler neu aufgelegt. Von den achtzehn der Leitung des ehemaligen „Juniper“- ein grundsätzlicher Tanzverweigerer Tracks der Remix Produktion „Call Schlagzeugers Paul Noonan brachten sein, verhilft der schlagzeugunter- and Response“ stammen die mei- sie 2000 unter dem Namen „Bell X1“ ihr mauerte Rhythmus zumindest einem sten von ihrem Debutalbum „Songs erstes Album „Neither am I“ heraus. Die Körperteil sich im Takt mitzubewegen. about Jane“, wie ihre Hits „Harder to Scheibe war noch sehr vom melancho- Besonders die erste Singleauskopp- breathe“ oder „She will be loved“. Ver- lischen Stil der Vorgängerband geprägt. lung „Dance with somebody“ ist die änderungen trotz der Mitarbeit ver- Im Laufe der Jahre und zwei Alben später Produktion eines unwiderstehlichen schiedenster Musiker gibt es dennoch haben sie immer mehr ihre eigene musi- Dance-Tracks. eher sporadisch. Ihre Erfolgssingle kalische Identität ge- beziehungsweise Für alle Susis, Nathalies und sonstigen „This love“ bekommt nur einen do- erfunden. Nun folgte die vierte CD „Blue Mädchen, die auf diesem Album nicht minanteren Beat, während „If I never Lights on the Runway“ und es enthält erwähnt wurden oder kein eigenes see your face again“ dagegen kaum alles, was man an dieser Band zu lieben Lied bekommen haben, keine Sorge! wiederzuerkennen ist und nur die un- lernt: ein tiefes Gespür für Melodien, die Der Song mit dem Titel „Gloria“ ent- verwechselbare Stimme von Sänger Kunst das manchmal weniger mehr ist schädigt alles. Adam Levin an den ursprünglichen und Texte bei denen man sich manchmal Gefestigt werden die teilweise pop- Song erinnert. Die Neuvertonung von wünschen würde, dass sie einem selber pigen Tonfolgen durch die Stimmen der „Wake Up Call“ scheint ebenso neu wie eingefallen wären. Denn die Texte sind beiden Hauptsänger. Interessant ist das gelungen. Der ständige Wechsel von von solch simpler Schönheit, dass man Instrumentenzusammenspiel bei dem Elektro-, Indie- und HipHop-Einflüssen fragen muss, warum es sie so noch nicht Titel „A Decent Life“. Hier kommt es zu wirft jedoch die Frage auf, in welche gegeben hat. So singt Noonan im Song einem ruhigen, etwas melancholischen Richtung die fünf Amerikaner gehen „Great Defector“ zum Beispiel eine der Instrumentalstück, das thematisch ge- wollen. Auch wenn sie ihre größten schönsten, dennoch einfachsten Liebes- nau zum nächsten Titel leitet. Solch Erfolge noch einmal aufleben lassen, erklärungen: „You‘re the chocolate at the akustische Überleitungen sind häu- so könnte man dennoch vermuten, end of my cornetto“. Das ist aber nicht figer auf dem Album wiederzufinden, dass den Jungs musikalisch nichts die einzig schöne Stelle, die zehn Songs so als würde die Band eine Geschichte mehr eingefallen ist. Denn neben dem des Werks beherbergen so einige text- erzählen und die Titel stehen für die Trend des Remixes dem sich die Band liche und musikalische Schätze. Wer also einzelnen Absätze. Man kann die Mu- angeschlossen hat, vertonten sie zu- auf gute Popmusik aus einer Mischung sik bedenkenlos auf gemütlichen pri- dem gleich zweimal vier ihrer alten von Snow Patrol und Damien Rice steht, vaten Studentenabenden spielen. Wer Hits neu. An ihre alten Erfolge werden wird mit Bell X1 seine Freude haben. jedoch weniger Lust hat auf soziale Be- sie auf diese Weise jedoch nicht an- gegnungen, der kann sich auch alleine knüpfen können. Darum sollte man Esther Müller-Reichenwallner, radio den Kreationen hingeben. Die Inhalte „Call and Response“ einfach nur als 98eins sind zeitlos und appellieren wie immer neue Interpretation ihrer alten Songs an die Gefühle der Hörer. im begreifen. kg

44 Moritz 76 // april 2009 Interview Feuilleton „Wir machen keine Konservenmusik“ Die Uni Bigband im Gespräch

Über den Hochschulsport und seine Sparten ist man gut infor- moritz Welche Schlagwörter beschreiben euch? miert. Doch es gibt auch eine musikalische Schiene, die die Stu- Susann Wir sind erstmal ein ganz wilder und vor allem spon- denten unserer Uni fahren. moritz sprach mit vier Musikern taner Haufen von Studenten, die allesamt sehr dynamisch sind. der Uni Bigband, die im Musikinstitut jazzige Töne erklingen Hendryk Bei jedem gibt es ein anderes Verständnis von Musik, lassen und beim Nordischen Klang auftreten werden. Darunter aber gerade das macht die gemeinsame Arbeit so spannend! Dirigent Hendryk Wörlitz, Trompeter Thomas Welzel, Susan Holt- freter am Altsaxophon und Peter Meisel als Tenorsaxophonisten moritz Was wird es in Zukunft an neuen Sachen geben? und zugleich ältestem Mitglied. Susann Zunächst bekommen wir jetzt erstmal ein neues Big- band-Logo, eine neue Website und last but not least auch neue moritz Seit wann gibt es denn das Projekt Unibigband? Titel für das Sommersemester, wodurch sich natürlich auch die Peter Vor 13 Jahren fanden sich einige Studenten aus Lust und Probestruktur verändert. Laune, und natürlich dem Spaß am gemeinsamen Musizieren, zusammen. Das Projekt „Uni Bigband“ wurde aus Eigeninitiati- ve und ohne professionelle Leitung ins Leben gerufen. Seither wird der Proberaum in der Domstraße 20a von uns zum Üben genutzt.

moritz Wie viele Leute spielen derzeit in der Uni Bigband? Hendryk Zurzeit sind wir so um die 20 Leute, mal mehr, mal weniger. In einem Uniensemble wechselt regelmäßig die Be- setzung. Einige wechseln den Studienort oder sind einfach mit ihrem Studium fertig. Unsere Big Band besteht derzeit aus drei Trompeten und vier Posaunen. Bei den Holzbläsern sind es je- weils vier Alt- und vier Tenorsaxophone. Für den richtigen Groo- ve ist im Background die Rhythmusgruppe verantwortlich. Da haben wir im Moment einen Schlagzeuger, einen Gitarristen, einen Bassisten und einen Pianisten. Susann Außerdem haben wir auch manchmal eine Klarinette Hendryk Wir möchten vor allem mehr Auftrtittsmöglichkeiten, und Flöte im Ensemble, die zum Beispiel auch für die Melodie auch im überregionalen Raum, um viele weitere Erfahrungen zu und Improvisationen verantwortlich sind. sammeln. Außerdem würden wir gerne eine CD aufnehmen. Thomas Einfach nur immer Auftritte von der Uni zugeschoben moritz Wann ist der nächste Auftritt, bei dem man euch bekommen, wird ja auf die Dauer auch langweilig. Events, wie sehen kann? die Eldenaer Jazz-Evenings, bei denen wir letztes Jahr waren. Peter Also unser nächster Auftritt, der langfristig geplant ist, Das ist schon was. wird in Stralsund am 1. August zur 750-Jahr-Feier sein. Anson- Peter Der Anlass von gesellschaftlichen Festivitäten ist nicht die sten spielen wir manchmal auch spontan auf festlichen Veran- optimale Veranstaltung für eine Bigband. Für so etwas ist ein staltungen für Studenten, wie feierliche Exmatrikulationen oder Kammerensemble ok, aber nicht eine solch große Besetzung. wenn ausländische Studenten empfangen werden. Thomas Eben! Die Musik, die wir machen, ist in erster Linie zum Hendryk Am Ende des vergangenen Wintersemesters haben zuhören und erleben, zum Tanzen, aber nicht zum Suppe-aus- wir in der Medienwerkstatt unseren ersten selbstorganisierten löffeln. Abschlussabend veranstaltet, welches erfreulicherweise sehr Hendryk Nun ja, wir sind keine Konservenmusik. Allerdings gibt gut angenommen wurde! Über 140 Leute wollten uns sehen. es dann auch demnächst Mitschnitte von den Eldenaer Jazz- Leider war ab da die Einlassgrenze überschritten. Da das Kon- Evenings oder aus der Medienwerkstatt, auf denen unsere Mu- zert so gut bei den Leuten angekommen ist, haben wir uns vor- sik dann konserviert ist. genommen, nach jedem Semester solch ein Abschlusskonzert zu geben. Quasi als schöner musikalischer Ausklang des Studi- Welche Worte möchtet ihr abschließend an unsere enhalbjahres. moritz Leser richten? Hendryk Neue Leute, die Erfahrung mitbringen und Lust auf moritz Welche Musik habt ihr im Repertoire? Komponiert Bigbandmusik haben, sind bei uns herzlich willkommen. Zur- ihr die Lieder selbst und habt ihr neben den Instrumentalisten zeit suchen wir unter anderem noch Trompeter, einen zweiten auch noch Sänger? Wie würdet ihr den Nicht-Musikern eure Mu- Bassisten, oder auch jemanden, der Baritonsaxophon spielt. Ein sik beschreiben? zweiter Schlagzeuger oder Pianist ist auch sehr gern gesehen. Susann Wir bieten ein ziemlich abwechslungsreiches Programm Wir freuen uns auf eine zahlreiche Resonanz bei unseren Kon- für die Zuschauer. Darunter zählen Filmtitel, wie die Titelmelo- zerten. Die Konzerttermine findet ihr auf unserer Homepage dien von den Simpsons oder von Austin Powers, Bigbandklas- www.uni-greifswald.de/~bigband oder auf unser myspace-Sei- siker von Duke Ellington und Count Basie, aber auch rockige te: myspace.com/unibigbandgreifswald. Nummern, wie Birdland von Joesef Zawinul. Letztendlich sollen die Stücke gut ins Ohr gehen. Vielen Dank für das nette Gespräch und viel Erfolg Thomas Für das Sommersemester haben wir uns dann mehr moritz und Spaß weiterhin am Projekt Uni Bigband! Swing-Stücke rausgesucht, die wir bald üben werden. An die- sen Titeln kann man dann die verschiedensten Phrasierungen

Foto: Michael Soltau Foto: Das Interview führten Luisa Pischtschan und Sophie Lagies. ausprobieren.

Moritz 76 // april 2009 45 Feuilleton

bringt ein Deutscher in einem Alter von Direkt in den Kopf 14 bis 49 Jahren im Durchschnitt über „Killerspiele“ und Gewalt – ein literaturtheoretischer Ansatz fünf Stunden mit Fernsehen und Radio hören. Dazu kommen noch knapp eine Stunde Internetnutzung, sowie Bücher, Tageszeitungen, DVD, Kino. Medien und ihre oft gewalthaltigen In- halte sind aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken. Ein Sonntagabend ohne Mord im öffentlich- rechtlichen Fernse- hen? Ein Nachmittag ohne die übelsten Gewaltverbrechen in obskuren Richter- sendungen? Die Tageszeitung ohne die neuesten Horrormeldungen aus aller Welt? Undenkbar. Nur mit Hilfe dieses Vorwissens lässt sich ein gewalthaltiges Computerspiel erst verstehen. Ohne diesen medialen Hin- tergrund würde es sie sogar überhaupt Am Morgen des 11. März ging Tim Menschen zum Selbstmord anstiften. nicht geben, denn ein Spiel entsteht nicht Kretschmer, 17 Jahre alt, noch einmal in Der Roman wurde 1775 in Leipzig ver- im luftleeren Raum. Letztendlich sind sie seine ehemalige Schule in Winnenden boten. nur ein Spiegel einer Gesellschaft, in der und tötete dort neun Schüler und drei Die Debatte um gewalthaltige Compu- Gewalt zu etwas völlig alltäglichem und Lehrer. Auf seiner anschließenden Flucht terspiele verläuft ähnlich. Nach einem normalem geworden ist. erschießt er drei weitere Menschen und Gesetzesentwurf zum Verbot gewalthal- am Ende sich selbst. Die Meldung von tiger Computerspiele des Freistaates Ein Roman oder ein Gedicht wühlt uns einem erneuten Amoklauf in Deutsch- Bayern aus dem Jahr 2002 sind unter oft emotional auf. Nach dem Literatur- land verbreitete sich an diesem Tag wie dem Begriff Killerspiel all jene Spielpro- theoretiker Martin Huber funktioniert ein Lauffeuer und versetzte die gesamte gramme zu verstehen, „die grausame die Übertragung dieser Emotionen vom Bundesrepublik in eine Schockstarre. oder sonst unmenschliche Gewalttä- Text auf den Leser deshalb so gut, weil Doch während der Großteil der Men- tigkeiten gegen Menschen oder men- dieser alle Elemente zur Konstitution des schen um die Opfer trauerte, begannen schenähnliche Wesen darstellen und mentalen Selbstkonstrukts „Bewusst- Politik und Medien nur wenige Stunden dem Spieler die Beteiligung an darge- sein“ enthält und uns diese Wahrneh- nach der Tat über mögliche Ursachen zu stellten Gewalttätigkeiten solcher Art er- mungsmuster vertraut sind. spekulieren. Dabei verfielen sie schnell möglichen“. Der Kontakt mit derartigen Ein Computerspiel nutzt diese Elemente wieder in ihre alten Argumentationsmu- Medien berge stets die Gefahr der Nach- ebenfalls, nur wirken sie dort viel inten- ster. Neben der Forderung nach schär- ahmung in sich. siver und auf mehr sensitiven Ebenen. feren Waffengesetzen, schoss man sich Ein Videospiel potenziert die Möglich- schnell wieder auf die sogenannten Doch ist das wirklich so? Löst fiktionale keiten von Literatur. Killerspiele ein. Bayerns Innenminister Gewalt tatsächlich reale Aggressionen Das erste dieser Elemente ist die Selbst- Joachim Herrmann beeilte sich mit der aus? Oder greifen ohnehin schon aggres- wahrnehmung im Raum. Während Lite- Ankündigung, ein erneutes Verbot sol- sive Menschen zu solchen Videospielen? ratur Sinneswahrnehmungen wie Aku- cher Spiele in Angriff nehmen zu wollen. Ein Videospiel funktioniert ähnlich wie stik und Visualität künstlich erschaffen Unterstützt wurden solche Forderungen ein Buch. Es löst Emotionen beim Benut- muss, funktioniert ein Computerspiel durch Informationen der Polizei, wonach zer aus. Doch die Frage ist, wie funktio- viel unmittelbarer. Der Spieler sieht die Tim Kretschmer am Abend vor seiner Tat niert das? Landschaft, in der er sich bewegt, am den Egoshooter Far Cry 2 gespielt haben Bildschirm und hört die Geräusche der- soll. Genau wie ein Buch erzählt ein Spiel eine selbigen durch die Lautsprecher. Das Geschichte und genauso ist es eine An- zweite Muster, die Wahrnehmung der Po- Ähnliche Debatten gab es bereits nach häufung von Zeichen, die kognitiv ver- sition im Raum, ist ebenso deutlich. An- dem Amoklauf des 19-jährigen Robert arbeitet werden. Die Bedeutung eines hand von Straßenverkehr, Hochhäusern Steinhäuser am Erfurter Gutenberg Spiels erschließt sich also erst durch den und Wechsel von Tag und Nacht erkennt Gymnasium. Menschen selbst. Da jeder Mensch es an- der Spieler, dass er sich beispielsweise Solche Diskussionen um die Wirkung fik- ders verarbeitet, hat ein Spiel, genau wie in einer lebendigen Großstadt befindet. tionaler Welten sind nicht neu. Nach der beispielsweise ein Gedicht, unendlich Das letzte Element ist die Einbindung Veröffentlichung von Goethes Werther- viele Bedeutungen. Sie alle sind geprägt dieser Daten in ein autobiographisches Roman 1774 kam es zu einer Reihe von durch ein entsprechendes Vorwissen des Gedächtnis. Diese findet meist über den Selbstmorden. Oft trugen die Suizidop- Nutzers. Dieses ist in der heutigen Gesell- Protagonisten des Spiels statt. Diese Fi- fer die typische Werthertracht oder hat- schaft vor allem geprägt durch Gewalt. gur hat in der Regel eine Vergangenheit, ten den Roman in der Tasche. Es verbrei- Der Jugendliche erfährt sie unmittelbar, Gegenwart und Zukunft, welche im Lau- tete sich der Vorwurf, der übermäßige zum Beispiel auf dem Schulhof, sowie fe des Spiels immer mehr offen gelegt Konsum von Goethes Roman würde die medial. Nach einer Studie von 2005 ver- wird.

46 Moritz 76 // april 2009 Feuilleton

Videospiele wirken, das lässt sich fest- sieren. So wie der unglücklich Verliebte einer Waffe, die eine affektive Reaktion halten, weil sie unsere natürlichen Wahr- zum Werther greift und Trost sucht, unmöglich machen. Bis der potenzielle nehmungsmuster ansprechen. Doch greift die von medialer Gewalt geprägte Täter in den Besitz einer Pistole kommt, bringen die Gefühle, die sie auslösen, Jugend zu gewalthaltigen Videospielen. ist die Ebene der emotionsgesteuerten den Nutzer wirklich dazu das „gerade Er- Der gezielte Medienkonsum kann dabei Reaktion längst verlassen, sie hätte tiefere lebte“ nachzuahmen? Aggressionen schüren und festigen, das Gründe als das Spielen eines Videospiels. Die beiden Amokläufer von Littleton, Spiel ist jedoch weder Ziel, noch Ursache Die vermeintlich logische Feststellung, die 1999 bei einem Massaker an der der letztendlichen Tat. Es wirkt vielmehr das Spielen von Videospielen sei Ursache Columbine Highschool in Colorado 13 wie ein Begleiter auf einem längst einge- für das Verüben von realer Gewalt, wie Menschen und sich selbst töteten, tru- schlagenen, möglicherweise verhäng- den Amokläufen an deutschen Schulen gen stets lange schwarze Ledermäntel, nisvollen Weg. ist voreilig von Medien und Politik propa- wie sie für die Protagonisten des Matrix- Der Emotionspsychologe Klaus Scherer giert worden. Universums typisch sind. Sie kleideten fasst Emotionen als evolutionsgeschicht- sich, so wie Millionen anderer Jugendli- liche Trennung von Reiz und Reaktion Sie hat nur die Funktion, die Medien von cher, nach ihren Vorbildern und Idolen. auf. Beim Spielen liegt also zwischen der einer kritischen Reflexion der eigenen Folgt man der Literaturwissenschaftlerin ausgelösten Emotion und der darauf fol- Inhalte abzulenken. Als am Abend des Katja Mellmann, geht es bei diesem weit genden Handlung eine Latenzzeit, in der Amoklaufes die Tagesschau über die verbreiteten Fankult jedoch weniger um der Spieler den Reiz als fiktional enttarnt schrecklichen Ereignisse informierte, Nachahmung, als um die symbolische und sein Handeln dementsprechend berichteten Reporter von Opfern, die Kommunikation einer gemeinsamen anpasst. Wenn der Spieler also gerade noch ihre Stifte in den Händen hielten. Erfahrung, eines gemeinsamen Pro- eine spannende Verfolgungsjagd spielt, Was hat dieses Detail in einer seriösen blembewusstseins und eines darauf auf- sein Körper Adrenalin ausgeschüttet Berichterstattung zu suchen? Es bedient bauenden Gemeinschaftsgefühls. Wenn hat, heißt das nicht dass er, nachdem er doch lediglich die Lust der Menschen an aber die Nachahmung als Handlungs- den Computer ausgeschaltet hat und Gewaltvoyeurismus, die Schreckenstaten intention wegfällt, wie ist es dann zu beispielsweise mit dem Auto zur Arbeit möglichst nah zu erleben, ohne selbst erklären, dass jugendliche Amokläufer fährt, seine Angespanntheit und Ver- Angst verspüren zu müssen. Solange di- stets gewalthaltige Videospiele gespielt halten während der Verfolgungsjagd ese Form von Perversion in den Medien haben? im Spiel, auf den realen Straßenverkehr nicht endet, muss weiter mit jugend- Computerspiele dienen vielen Jugend- überträgt. lichen Gewalttätern gerechnet werden, lichen als Möglichkeit, Probleme und Außerdem gibt es einige praktische denn sie ist die wahre Ursache, für die Aggressionen des Alltags zu kompen- Gründe, wie zum Beispiel das Besorgen Überforderung vieler Jugendlicher. amü

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Moritz 76 // april 2009 47 Abschied

M.TRIFFT... Günter Möller und Sven Kaiser

überkonzentrierten Studenten, der ging auf die Glasscheibe zu, dachte wohl da wäre die Tür, das hat laut gescheppert, das ganze Gebäude hat richtig gezittert. Und manchmal verlieren die Studenten den Überblick über ihre Sachen in den Schließfächern, dann heißt es: Die wur- den geklaut, die Polizei wird gerufen und es fallen auch mal böse Worte. Um Mit- ternacht werden dann die Schränke ge- knackt und am Ende ist doch alles noch da. Das ist jetzt dreimal in kurzer Zeit vor- gekommen. Sven Kaiser Aber eigentlich sind die Leu- te hier sehr ehrlich, alles wird gewissen- haft abgegeben, Geldbörsen mit allem drin und ähnliches. Hier gab es noch nie einen richtigen Diebstahl.

moritz Könnte man theoretisch in der Bibliothek übernachten? Sven Kaiser Selbst wenn man bei un- serem Rundgang nicht entdeckt würde, Rund 1.800 Studenten nutzen täglich moritz Was sind Ihre Aufgaben? Wie was unwahrscheinlich ist, dann dürfte die Universitätsbibliothek und das - fast läuft die Schicht ab? man sich aber die ganze Nacht nicht – zu jeder Tages- und Nachtzeit: Seit Günter Möller Unter der Woche arbeiten bewegen, hier sind überall Bewegungs- dem letzten Sommersemester öffnet wir von um neun bis halb eins. Wir über- melder. die Bibliothek nicht nur während der nehmen vom Bibliothekspersonal, das Arbeitstage, sondern sogar auch Sonn- sind so sechs bis sieben Bibliotheka- moritz Hat das schon mal jemand tags bis um Mitternacht. Damit sind die rinnen, dann erfüllen wir Kontrollauf- probiert? Studenten so zufrieden, dass die Greifs- gaben und Sicherheitsaufgaben: Wir Günter Möller Na ja, es schlafen regel- walder Unibibliothek im CHE-Ranking sorgen für Ordnung, zum Beispiel, dass mäßig Leute ein, die haben Kopfhörer auf Platz fünf von 61 Bibliotheken lan- keine Bücher entwendet werden. Wir ma- an und hören den Gong nicht oder sind dete. Doch dass in den Stunden nach chen auch regelmäßige Rundgänge und einfach erschöpft. Die werden dann von Schluss der Servicetheke die Bibliothek sorgen schließlich für den Verschluss. uns sanft geweckt. Das sind auch oft nicht im Chaos versinkt und die 3 Millio- Sven Kaiser Wir machen quasi Licht aus Ausländer, die haben ja ein besonders nen Medien bleiben, wo sie hingehören, und Tür zu. anstrengendes Arbeitspensum. ist vor allem Verdienst der Wachmänner, die freundlich und doch bestimmt über moritz Wie ist das Verhältnis zu den moritz Wundert Sie das manchmal, die heiligen Bücherhallen wachen. Studenten? wie lange Studenten hier in der Biblio- Günter Möller Das sind ja alles Leute thek sitzen und lernen? moritz Wie sind Sie zu dem Job in mit solider Bildung, mit Abitur, die was Sven Kaiser Ich kenne das ja selbst, aber der Bibliothek gekommen? werden wollen und meist hoch motiviert ich bin eher der Morgens - Lerntyp. Ich Günter Möller Ich bin seit zwei Jahren sind. Es gibt eigentlich keine Probleme. bewundere die Studenten, die schon offiziell in Rente und habe schon vorher Ein paar kleine Überdrehte gibt es über- morgens mit mir kommen und dann im- im Sicherheitsdienst gearbeitet. Jetzt ar- all, die vergessen, unbeabsichtigt ein mer noch da sind, wenn ich Abends zu beite ich hier stundenweise, ich denke Buch zurückzugeben und wenn es dann Schichtbeginn wiederkomme. das ist eine schöne Sache, die Studenten piept, dann korrigieren wir das. brauchen uns und die Personaldecke an Sven Kaiser Das sind alles Menschen mit moritz Gäbe es irgendetwas, was Sie der Uni ist ja bekanntlich sehr schwach. denen man reden kann, die Studenten hier verbessern würden? Sven Kaiser Ich bin ja selbst Student, und auch das Personal. Viele sind Ingeni- Günter Möller Eigentlich nicht. Die studiere BWL im dritten Semester. Ich eure aus dem ehemaligen Kernkraftwerk Arbeitsbedingungen sind gut, die Stu- habe bei der USD-Firma, die auch die oder auch alte Militärgrößen, also keine denten freundlich und die Frauen auch. Wachmänner beschäftigt, als Rettungs- unqualifizierten Leute. Wir machen unseren Job zum Wohl der schwimmer gearbeitet und habe gehört, Universität gern. dass sie hier nach einer Aushilfe suchen, moritz Passieren manchmal Dinge, Sven Kaiser Und das fällt uns leicht. bin genommen worden und finde, das an die Sie sich besonders erinnern?

ist ein wunderbarer Nebenjob. Günter Möller Es gab einmal einen Das Interview führte Lene Bräuner. Bräuner Lene Foto:

48 Moritz 76 // april 2009 Abschied

Impressum Schlussredaktion Anna Seiffert, Grit Preibisch, Björn Buß, Katja Graf

Redaktion & Geschäftsführung Freie Mitarbeit Esther Müller-Reichenwallner (radio 98eins) Wollweberstraße 4, 17489 Greifswald Telefon 03834-861759, Telefax 03834-861756 Layout & Gestaltung Arik Platzek E-Mail [email protected] Internet moritz-magazin.de Titelbild Arik Platzek

Postanschrift Tapir Kai-Uwe Makowski moritz – Das Greifswalder Studentenmagazin c/o AStA Greifswald, Domstraße 12, 17487 Greifswald Herausgeber Studierendenschaft der Universität Greifswald, vertreten durch das Studierendenparlament (StuPa) Geschäftsführung Christin Kieppler, Erik Schumacher Domstraße 12, 17487 Greifswald Anzeigen Christin Kieppler, Erik Schumacher Druck Druckkaus Panzig, Greifswald Chefredaktion Arik Platzek (ap), Christine Fratzke (cf) Ressortleitung Kurznachrichten Katja Graf moritz, das Greifswalder Studentenmagazin, erscheint während Ressortleitung Universum Grit Preibisch der Vorlesungszeit monatlich in einer Auflage von 3.000 Exemplaren. Ressortleitung Feuilleton Cornelia Bengsch Die Redaktion trifft sich während der Vorlesungszeit immer donners- Online-Redaktion Florian Bonn tags um 18 Uhr in der Wollweberstraße 4. Redaktionsschluss der näch- sten Ausgabe ist der 15. April 2009. Die nächste Ausgabe erscheint am V.d.i.S.P. Arik Platzek 8. Mai 2009. Nachdruck und Vervielfältigung, auch auszugsweise, nur mit aus- Mitwirkende Redakteure in dieser Ausgabe Grit Preibisch (grip), Jele- drücklicher Genehmigung der Redaktion. Die Redaktion behält sich na Mädler (jm), Matthias Jügler (mj), Maria Strache (mst), Alina Herbing das Recht vor, eingereichte Texte und Leserbriefe redaktionell zu be- (lah), Mareike Wieland (mw), Alexander Müller (amü), Lene Bräuner (lb), arbeiten. Namentlich gekennzeichnete Artikel geben nicht unbedingt Isabel Michaelis (im), Katja Graf (kg), Marius Külzer (mk), Ulrike Wolter die Meinung der Redaktion wieder. Die in Artikeln und Werbeanzeigen (uw), Johannes Kühl (jk), Anna Seiffert (scara), Marius Külzer (külz), Luisa geäußerten Meinungen stimmen nicht in jedem Fall mit der Meinung Pischtschan (lz), Sophie Lagies (sl), Patrick Mehrwald (pm) des Herausgebers überein.

Dank an Esther Müller-Reichenwallner (radio 98eins) Alle Angaben sind ohne Gewähr.

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