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20 KULTUR Rheinischer Merkur · Nr. 28 / 2009

Kalifornien, wie es singt und lacht

POP Der Sonnenstaat ist zwar pleite, aber Brett Dennens neues klingt nach guter Laune

Von Peter Henning künstelt erscheint. Dennen weiß be- reits früh, was er will: Nachdem er das Auf den ersten Blick wirkt der leicht College beendet hat, lernt er über ei- korpulente Youngster mit der roten nen Freund seine zukünftige Manage- Wuschelmähne und dem Schlafzim- rin Leslie Merical kennen, die sich von merblick wie ein somnambuler US- seinen Liedern begeistert zeigt und Collegeboy, der mal wieder die Früh- ihm anbietet, diese in ihrem Studio ein- vorlesung verpennt hat. Doch wenn zuspielen. Gemeinsam nehmen sie der 1979 im kalifornischen Oakdale ge- Dennens gleichnamiges Debüt auf und borene zur Gitarre greift veröffentlichen es 2005 auf Mericals und seine Stimme erhebt, wird aus Label Three Angels & A Saint. dem scheinbar behäbigen Kerl ein wen- Seine zweite CD „So Much More“ diger Springinsfeld, in dessen Adern ein erscheint in Europa 2007 auf Dualtone unstillbarer Rhythmus zu pulsieren Records. In den USA ist der entspannte scheint. Dennen, der zu den angesag- Folk des Brett Dennen schon 2006 in al- ten amerikanischen Singer-Songwri- ler Munde, was mit der großen media- tern zählt und auf einer Stufe mit Ben len Präsenz seiner Songs zusammen- Harper, Jason Mraz und Jack Johnson hängt. Nationale Bekanntheit erlangt steht, ist ein Energiebündel. Sein neu- er durch eine Anzeigenkampagne der es, inzwischen viertes Album, „Hope Hilton-Hotels, die von seiner Musik for the Hopeless“, zeigt, weshalb das so untermalt wird. Zudem sind seine ist: Es versammelt elf tanzbare Songs. Songs in US-Werbespots und -Serien zu hören. Unter anderem steuert er das Dennen schmiss mit zwölf den Gitarren- Lied „There Is So Much unterricht, weil ihm das Ganze zu sta- More“ für den Soundtrack der erfolg- tisch erschien. Der Autodidakt schreibt reichen Serie „Grey’s Anatomy“ bei. Lieder, die im besten Sinne kalifornisch Die Singles „Ain’t No Reason“ und daherkommen: luftig, lässig und so ani- „The One Who Loves You the Most“ mierend fröhlich wie fast alles, was aus zählen bereits im Herbst 2006 zu den dem Sonnenstaat zu uns herüber- iTunes-Top-Downloads. Dennen liefert schwappt. „Einiges, was ich in meiner die ultimative Filmmusik zu den Völkerverständigung: Ein amerikanischer Soldat bändelt mit einer Deutschen an. Das Foto entstand in Frankfurt am Main. Musik festzuhalten versuche, hängt eng Emotionen seiner Generation, illus- mit dem Gefühl und der Intimität zu- triert klanglich das Denken und Fühlen sammen, die aufkommt, wenn man jener nachrückenden US-Mittzwanzi- vor einem Lagerfeuer sitzt“, sagt Den- ger, die mit den Sounds der frühen nen. „Das ist wohl der Grund, weshalb Neunzigerjahre popmusikalisch soziali- ich mich entschieden habe, akustische siert wurden. Gitarre zu spielen und dementspre- Die Fräuleins der Freiheit chende Songs zu schreiben.“ Und nun also „Hope for the Hopeless“: elf Dabei erscheint Dennen, der Paul unaufgeregte Songs, die geradezu süch- NACHKRIEGSZEIT Hunderttausende schwarze GIs kamen als Besatzer nach Deutschland. Sie wurden hier Simon als seinen stärksten musika- tig machen. Lieder wie das fabelhafte „Closer to You“, die zeigen, wie ein- weniger diskriminiert als in ihrer Heimat. Ein Buch und eine Ausstellung erinnern daran fach, eingängig und anrührend zu- gleich von Herzen kommende Popmu- sik dieser Tage sein kann. Eine sacht Von Peter Köpf gab jede Art von Beziehung zwischen der der Siegerarmee zu tun. „Als die Drittel der schwarzen GIs, dass sie in schnarrende Akustikgitarre, Pianoklän- Liebesaffäre und Prostitution, und über ersten schwarzen Soldaten im März der Bundesrepublik mehr Gleichheit ge, die sich träumerisch im Äther zu s geschah im Jahr 1946, im die Frage, wie freiwillig die Fräuleins 1945 in Rheinland-Pfalz eintrafen, wa- erlebten als in den Vereinigten Staaten. verlieren scheinen, und eine von einem Entertainment Club der US jeweils einwilligten, streiten sich die ren Beklemmungen und Ängste schnell Nur sechs Prozent der schwarzen GIs gemächlich grollenden Schlagzeug an- Army in einer kleinen bayeri- Gelehrten. Nicht nur russische Sol- überwunden“, schreibt Maria Höhn waren gegenteiliger Ansicht. Zahlrei- getriebene Stimme, die nach Anrufung E schen Stadt: Mitten im Raum daten nahmen sich deutsche Frauen ge- 2002 in ihrer Studie „GIs and Fräuleins. che schwarze Soldaten blieben in klingt. Das ist das popmusikalische tanzen ein paar afroamerikanische Sol- gen deren Willen. Mehr als 1500 Fälle The German-American Encounter in Deutschland, vor allem, wenn sie ge- Amalgam, aus dem Brett Dennens Lie- daten mit deutschen „Fräuleins“, und von Vergewaltigung durch US-Soldaten 1950s West Germany“, die im vergan- heiratet hatten. Mit einer weißen Frau der gemacht sind. So einfach und doch das ist für die GIs ein bemerkenswerter sind 1945 aktenkundig. genen Jahr endlich auch einen deut- hätten sie bis in die Sechzigerjahre so grandios. Vorgang. In den USA, zumal in den Kontakte zwischen den Soldaten schen Verlag fand. Die Schwarzen zeig- kaum in einer Kaserne in den Südstaa- Dass der offenbar in die Hoffnung Südstaaten, hätte zu dieser Zeit kein und der einheimischen Bevölkerung ten sich weniger arrogant den Verlie- ten leben können, weil die Gesetze, Lagerfeuerromantiker: Brett Dennen gibt vernarrte Rotschopf aus Oakdale eine „Negro“ es gewagt, sich einer weißen waren zunächst verboten. In Stolberg rern gegenüber, sie waren großzügig welche die sogenannte Mischehe krimi- auch mit 30 den Dauerjugendlichen. ausgeprägte soziale Ader besitzt, macht Frau auch nur zu nähern. Diese Regel bei Aachen standen im Februar 1945 zu Kindern. Umgekehrt waren die nalisierten, bis 1967 in Kraft waren. ihn noch interessanter: Als Mitbegrün- wollen offenbar auch jene fünf weißen vier Frauen vor Gericht, weil sie „in ei- schwarzen GIs beeindruckt davon, dass Manche der Soldaten spielten mit dem lischen Einfluss bezeichnet und ins der des sogenannten Mosaic Project, GIs beachtet wissen, die den Soldaten- ner Weise gehandelt hatten, welche Deutsche ihnen häufig mehr Toleranz Gedanken, in die sowjetische besetzte Schwärmen gerät, wenn die Rede auf das zweimal jährlich Workshops für Ju- klub betreten. Was sie sehen, empört dem guten Zustand (good order) von entgegenbrachten als ihre weißen „Ka- Zone zu flüchten, voller Hoffnung, die Texte von kommt, im gendliche anbietet, die gemeinsam Ide- sie. Es kommt zu einem Streit. Nach ei- Mitgliedern der Allied Armed Forces meraden“. „So entstand eine Art Ver- dass das sozialistische Versprechen für Grunde geradezu untypisch für seine en für ein friedvolleres Miteinander ner Weile schleudert einer der Weißen, abträglich“ sei. Sie hatten US-Soldaten bundenheit zwischen den Deutschen Gleichheit auch für die Rassen gelte. Zunft: Seine nasale Stimme klingt wie entwickeln, frönt er seiner Sehnsucht Floyd D. Hudson, eine Bierflasche auf im Dunkeln zu sich nach Hause einge- und den schwarzen GIs“, schreibt die eines pubertierenden 14-Jährigen, nach jenem weltumspannenden Frie- die Tanzfläche. Die Angegriffenen ver- laden „und versuchten sie dazu zu ver- Höhn, „da die Einheimischen mit eige- Lektion aus Germany er kiekst und fiept in den unterschied- den, den er auch in seinen Liedern be- lassen das Lokal. Mit Gewehren be- anlassen, die Anti-Fraternisierungs-Ge- nen Augen beobachten konnten, dass lichsten Facetten, und die Inhalte seiner singt. So muss man sich den gerade waffnet kehren sie wenig später zurück setze zu verletzen“. Im Oktober 1945 schwarze GIs, wie sie selbst, von den Die unbeantwortete Frage damals lau- Lieder erinnern manchmal mehr an die mal 30-Jährigen, dessen Weg offenbar und schießen die Weißen nieder. Hud- wurde der „Fraternization Ban“ auf- weißen US-Soldaten als Menschen tete: Wie kann es sein, dass eine Zwei- gefühligen Tagebucheintragungen ei- steil nach oben führt, nachdem er zu- son stirbt, die anderen bleiben verletzt gehoben. Zu dieser Zeit waren Lieb- zweiter Klasse behandelt wurden.“ Klassen-Armee versucht, die Deut- nes sehnsüchtelnden Teenagers denn letzt mit seinem Landsmann John May- liegen. Die Täter werden festgenom- schaften zwischen deutschen Frauen Die Verbundenheit hatte Grenzen. schen zur Demokratie zu erziehen? an einen, der das dicht besiedelte ame- er tourte, unterm Strich als glücklichen men, ein Militärgericht verurteilt sie und den GIs längst üblich. „Obwohl die Deutschen zögernd ak- Zehntausende Rückkehrer schrieben rikanische Singer-Songwriter-Segment Menschen vorstellen, der seine Träume zum Tod durch den Strang. So erzählte „Newsweek“ fragte im Dezember be- zeptierten, dass schwarze Familien in sich in die Mitgliedslisten der Bürger- von hinten aufzurollen imstande ist. lebt; die erfrischend fröhlichen Lieder es ein Reporter im Oktober 1946 in der sorgt: „Verändern die Fräulein unseren ihre Gemeinden zogen, in ihren Res- rechtsbewegung ein. Viele der späteren Doch zusammengenommen macht seines aktuellen Album jedenfalls las- überwiegend von Schwarzen gelesenen Joe?“ O ja, die Fräuleins haben den bra- taurants aßen oder in ihren Geschäften Civil-Rights-Aktivisten hatten zuvor im wohl gerade diese in sich disparate sen keinen anderen Schluss zu: akus- Zeitschrift „Ebony“. ven Soldaten Joe verändert, sie erschüt- einkauften, konnten sich die meisten Zweiten Weltkrieg gekämpft oder in Mixtur den unverwechselbaren tische Mutmacher für alle, denen ein Hudsons Clique wollte offenbar ei- terten sein Leben und Selbstbild. nur schwer mit Liebesbeziehungen Europa gedient. Nun demonstrierten Charme des jungen Kaliforniers aus, bisschen Hoffnung nicht schaden kann. ne Antwort geben auf die Frage, wem Unter den GIs waren Hunderttau- zwischen deutschen Frauen und afro- die Veteranen in zahlreichen Südstaa- der in seinen besten musikalischen Mo- die „Kriegsbeute Frau“ gehört. Für sie sende Afroamerikaner. „Viele, speziell amerikanischen GIs abfinden“, schreibt ten für ihr Wahlrecht und gegen die menten wie der große Ron Sexsmith Brett Dennen: Hope for the Hopeless. gehörten weiße Frauen weißen Män- diejenigen aus dem Süden, erlebten Höhn. Deutsche Ex-Soldaten und frü- Rassentrennung. Und ihre Stimme zu klingen scheint, der ähnlich unge- Dualtone Music. nern. In der Regel war das auch so. Es erstmals die Freiheit, sich mit einer here Hitlerjugend beschimpften man- fand auch das Ohr von Präsident Harry weißen Frau treffen zu können, ohne che Frau und schnitten ihr das Haar ab. S. Truman, der im November 1948 dafür bestraft zu werden“, schrieb Leserbriefschreiber lehnten „Rassenmi- nicht nur wiedergewählt werden woll- „Ebony“. „Zu einer Zeit, als in den schung“ ab, es gebe „eine Grenze, und te, sondern dabei war, der Welt, ins- Südstaaten Lynchen noch üblich war, diese hat Gott selbst gezogen“. Bayerns besondere den sich befreienden Kolo- erschien Deutschland … wie ein Hafen Ministerpräsident Wilhelm Hoegner nien in Asien und Afrika, beweisen zu der Toleranz.“ bat noch 1957 das US-Militär, in seinem wollen, dass die USA das bessere, das Bundesland nur verheiratete schwarze menschlichere politische System anbie- Ein Mensch wie andere auch Soldaten zu stationieren. ten. Am 26. Juli 1948 unterzeichnete er Das Ausmaß der Akzeptanz schwar- die Executive Order 9981, in der er er- Der frühere US-Außenminister Colin zer GIs durch die Deutschen dürfe klärte, der Präsident trete für gleiche Powell, der 1958 in Deutschland statio- nicht überschätzt werden, resümiert Behandlung und Möglichkeiten für alle niert war, formulierte es in seinem Höhn. „Die Tatsache, dass so viele Mitglieder der Streitkräfte („armed ser- Buch „My American Journey“ so: „Für schwarze Soldaten ihren Aufenthalt in vices“) ein, unabhängig von Rasse, Far- schwarze GIs, vor allem für die aus Deutschland als Befreiung ansahen, be, Glauben und Herkunft. dem Süden, war Deutschland ein sagt vermutlich mehr über das Ausmaß Auch wenn die Einzelnen in der Ar- Atemzug der Freiheit – sie konnten der Diskriminierung von Afroamerika- mee dem nicht sofort zu folgen bereit hingehen, wohin sie wollten, essen, wo nern in den Vereinigten Staaten aus als waren, so ist für Höhn diese Entschei- sie wollten, und ausgehen, mit wem sie über die Toleranz der Deutschen in dung des Präsidenten der Anfang der wollten, genauso wie andere Leute dieser Zeit.“ Immerhin, so Höhn, seien Bürgerrechtsbewegung in Amerika, auch.“ Der afroamerikanische Schrift- viele liberale Deutsche bereit gewesen, wichtiger noch als die große Entschei- steller William Gardner Smith, der ihre auf rigiden Hierarchien und Aus- dung von 1954, welche die Rassentren- 1947 in Deutschland diente, lässt in sei- grenzungen basierende Weltanschau- nung in den Schulen beenden sollte. nem Roman „Last of the Conquerors“ ung zu hinterfragen und „das Erbe des Die „deutsche Erfahrung“ von schwar- einen schwarzen Unteroffizier sagen: nationalsozialistischen Rassismus zu zen Armeeangehörigen hatte Wirkung „Weißt du, was ich gelernt habe? Dass überwinden“. Offenbar mit Erfolg. gezeigt. Einige Lektionen für ihren ein Nigger nicht anders ist als alle ande- „Newsweek“ kam schon 1946 nicht Freiheitskampf hatten sie an unerwar- ren Menschen auch. Ich musste hier umhin zu berichten, dass „viele Ame- tetem Ort erhalten. herüber kommen, um das zu lernen. rikaner in ihrem Verhalten gegenüber Ich musste hierher kommen und mir den afroamerikanischen Soldaten viel Die Ausstellung „Der Kampf um die das von den Nazis beibringen lassen. feindseliger waren als die Mehrheit der Bürgerrechte“ ist bis zum 19. Juli im Das wird uns zu Hause – im Land der Deutschen“. Die amerikanische Mili- Museum im Westrich in Ramstein in der Freien – nicht beigebracht.“ tärzeitschrift „Stars and Stripes“ gab zu, Pfalz zu sehen. Anschließend wird sie in Ausgerechnet in jenem Land, in dass weiße GIs die „größte Quelle für Frankfurt, Berlin, München, Heidelberg, dem vor wenigen Wochen noch der rassistische Propaganda gegen die Mainz und Augsburg gezeigt. Rassenwahn sich ausgetobt hatte, er- schwarzen Soldaten“ seien. Buchtipp: Maria Höhn: Amis, Cadillacs lebten die schwarzen Soldaten nach an- Noch 1965, als die Deutschen nicht und „Negerliebchen“. GIs im Nachkriegs- fänglichem Misstrauen so etwas wie mehr auf Armeerationen der Amerika- deutschland. Verlag für Berlin-Branden- Gleichberechtigung. Und das hatte ner, Zigaretten und Kaugummi ange- burg, Berlin 2008. 395 Seiten, 24,95 Euro.

nicht nur mit ihrem Status als Mitglie- wiesen waren, empfanden fast zwei Internet: www.aacvr-germany.org FOTO: ABISAG TÜLLMANN/BPK

Nummer: 28, Seite: 20 CYAN MAGENTA YELLOW BLACK