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Geheimdienste „Selten so jelacht“ War Otto John, erster Verfassungsschutz-Präsident der Bundesrepublik, ein Überläufer? Der Fall entzweit bis heute die Experten, John selbst verlangt seit Jahrzehnten seine Rehabilitierung. Doch Akten von und KGB stützen den Verdacht: John wurde nicht entführt – und er verriet zahlreiche Agenten.

em Kanzler der Republik, Konrad Aber auch Falin wird Otto John kaum Adenauer, war Otto John stets helfen können. Denn bisher unter Ver- Dverdächtig. „Er jefällt mir nicht“, schluß gehaltene Akten der Berliner vertraute der rheinische Christdemokrat Gauck-Behörde und des Moskauer seiner Umgebung an. Als der erste Chef KGB sprechen gegen seine Version. Sie des Bundesamtes für Verfassungsschutz zeichnen vielmehr das Bild eines politi- im Juli 1954 plötzlich in Ost-Berlin auf- schen Überzeugungstäters, der, ent- tauchte, fühlte sich Adenauer bestätigt. täuscht von Adenauers West-Politik, in Otto John, heute 86, bestreitet seit den Osten ging – ein Verführter, aber Überläufer John alias „Keller“ (M.) 1954 in vier Jahrzehnten kategorisch, in die kein Entführter. DDR übergelaufen zu sein. Seine Versi- Die beiden Konvolute aus Moskau hat der ehemalige KGB-Oberstleut- on: Das sowjetische KGB habe ihn un- und Berlin entlarven John als Denunzi- nant Witalij Tschernjawski, Leiter der ter Drogen gesetzt und in den Osten anten. Stets hatte der Verfassungsschüt- „Operation John“, eine einfache Er- verschleppt. Der Bundesgerichtshof zer erklärt, dem Osten nichts über die klärung: Adenauers Sicherheitschef sei glaubte ihm nicht und verurteilte ihn Geheimdienste der Bundesrepublik ver- nicht entführt worden, „John ist frei- nach seiner spektakulären Rückkehr in raten, den Kommunisten keine Agenten willig gekommen“. Die Stasi-Unterla- den Westen im Dezember 1956 wegen ausgeliefert zu haben. Davon war auch gen zitieren John selbst mit der Be- „landesverräterischer Konspiration“ zu der Bundesgerichtshof 1956 in seinem merkung, die Unzufriedenheit „mit der vier Jahren Zuchthaus. Urteil ausgegangen. politischen Entwicklung in West- Wie kaum ein anderer Fall der Nach- Nach Aktenlage ein Trugschluß: deutschland“ habe ihn in die DDR ge- kriegsgeschichte bewegt das Schicksal „Keller“, wie das KGB John nannte, lie- führt. Johns, der während des Nazi-Regimes ferte offenbar jede Menge Geheim- In einer Expertise kommt die Bun- der Widerstandsgruppe des 20. Juli 1944 dienstinterna. desanwaltschaft zu demselben Fazit angehörte, die Republik. Sein Weg von Allein 24 Bände John-Akten lagern wie KGB-Offiziere: John wurde nicht West nach Ost und knapp 17 Monate im Archiv des ehemaligen Mielke-Mini- entführt. Generalbundesanwalt Kay später wieder zurück beschäftigt seit steriums, in Moskau ist der Vorgang Nehm lehnt jede Rehabilitierung des zwei Generationen Juristen, Historiker noch umfangreicher. Die schmutzig- ehemaligen Verfassungsschutz-Präsi- und Politiker. Prinz Louis Ferdinand orangenen Hefter in der Gauck-Behör- denten kategorisch ab. von Preußen, der Kaiserenkel, nannte de bergen Hunderte Fotos: John in Re- Vier Monate verbrachte John laut den Fall John „eine deutsche Dreyfus- staurants und Bars, bei politischen Ver- KGB- und Stasi-Akten in Obhut der Affäre“ – in Anspielung auf den franzö- anstaltungen und vor der Lomonossow- Russen. Man brachte ihn nach Mos- sischen Hauptmann Alfred Dreyfus, der Universität in Moskau. Briefe und Ma- kau, später ans Schwarze Meer. Als 1894 wegen des angeblichen Verrats mi- nuskripte des Verfassungsschützers aus John im Dezember 1954 von dort nach litärischer Geheimnisse seiner Zeit im Osten Ost-Berlin zurückkehrte, quartierte ihn an Deutschland verur- sind abgeheftet, Ab- die Stasi in der Lindenstraße 14 in teilt und später rehabi- schriften seiner Ge- Berlin-Schmöckwitz ein. litiert wurde. spräche nach Datum Ein „Martyrium“ nennt John seine Verbittert, aber un- sortiert. Penibel notier- Zeit in Ost-Berlin bis heute. Stets habe verdrossen kämpft Ot- te die Stasi alles, was er „Mittel und Wege zur Flucht“ ge- to John, seit Jahren John sagte, wen er traf. sucht, deshalb „in der Gefangenschaft schwer krank, um seine Auch die markante keinen sinnlosen Widerstand geleistet“. Ehre. Beim Kammer- Handschrift des lang- Es war eine komfortable Gefangen- gericht Berlin hat er im jährigen Spionagechefs schaft. John residierte in einer Villa di- vergangenen Jahr einen des Ministeriums für rekt am Zeuthener See. Die Wohnung neuen Antrag auf Staatssicherheit (MfS), war bester westlicher Standard. Der Rehabilitierung einge- Markus Wolf, findet damalige MfS-Chef Ernst Wollweber reicht. John: „Ich will sich in den Akten. und sein Vize Erich Mielke trafen sich nicht als Verräter ster- Johns Verteidiger mit dem prominenten Überläufer zum ben.“ Sein prominente- kennen die Berliner Plauschen. ster Zeuge ist Walentin Unterlagen. Sie halten Anfangs fürchtete die Stasi, John Falin, Moskaus ehema- sie für echt, monieren könnte in den Westen zurückkehren. liger Botschafter in aber, daß sich über die Trotz Johns „fester politischer Hal- Bonn. Er will Johns Umstände des Wech- tung“ ordnete Wollweber Sicherheits-

Geschichte vom Men- P/F/H sels von West nach Ost maßnahmen an. In die Villa und Johns schenraub bestätigen. John 1995 kein Blatt findet. Dafür Auto, einen Mercedes, wurden Abhör-

78 DER SPIEGEL 50/1995 . DPA Ost-Berlin*: Die Rolle einer „patriotischen Schaufigur“ nur gespielt?

Albert Norden, da- mals Vorsitzender des DDR-Ausschusses für die deutsche Einheit, ließ ihm am Thäl- mannplatz in Berlin- Mitte ein geräumiges Büro einrichten. John sollte sich „dienstlich gebunden“ fühlen, „arbeitsmäßig einen festen Stand haben“ (Stasi-Akte). Für seine Arbeit ge- gen den Westen wurde der Überläufer gut entlohnt: 2500 Ost- mark flossen monat- lich auf ein Sparbuch, dazu Honorare für Zeitungsartikel, Rund- funk- und Fernsehsen- dungen. Für den Text Johns Stasi-Akte (Ausriß): „Niemanden verraten“? der schmalen Bro- schüre „Ich wählte geräte eingebaut. Abends mußten die Deutschland“, in der John sich vehement Kieswege rund um das Anwesen ge- für die deutsche Einheit einsetzte, über- harkt werden, um eventuelle Fußspu- wies ihm ein DDR-Verlag 15 299,40 ren identifizieren zu können. Mark. „Heute fällt es mir schwer“, schrieb Die Broschüre will John nie geschrie- John 1969 in seinen Memoiren, „mich ben haben. Auch seinen Propaganda-Job noch einmal an jene Zeit zurückzuerin- rechtfertigt er bis heute damit, er habe nern, in der mein ganzes Denken auf nur die Rolle einer „patriotischen Schau- eine Fluchtchance ausgerichtet war.“ figur“ gespielt, um „in der Zone herum- Die Mimikry muß perfekt gewesen zukommen und dabei meine Bewacher sein, die Stasi merkte ein Jahr lang sehr genau zu studieren“. nichts. In den Akten steht statt dessen, Er kam rum. Über 30 Veranstaltungen John habe gebeten, sich „gegen die sind in seiner Stasi-Akte registriert. Er Remilitarisierung in Westdeutschland sprach in Bad Blankenburg über die und für die deutsche Einheit“ nützlich „Lebensfragen der deutschen Nation“, machen zu dürfen. geißelte in Schwerin, Brandenburg und Arnstadt die „Adenauer-Regierung“ * Mit dem Architekten Hermann Henselmann und und lobte den „Friedenswillen der So- dem Präsidenten des Nationalrats der Nationalen Front, Erich Correns, auf dem Balkon des Cafe´ wjetunion“. In Thale wurde John mit der Warschau in der Stalinallee. Schiller-Medaille ausgezeichnet. Zufrie-

DER SPIEGEL 50/1995 79 DEUTSCHLAND den vermerkte die Stasi, daß John die Zu- kommissar für Arbeitsbeschaffung in der hörer stets wissen ließ, er „spreche aus ei- Weimarer Republik und auch noch unter gener Initiative, die ihn auch veranlaßt . Nach dem Krieg wurde er habe, in die DDR zu kommen“. Innenminister in Niedersachsen, bis ihn Probleme bereitete der Stasi offenbar der SPIEGEL-Vorläufer Diese Woche der Durst ihres Gastes. Eine „sehr wegen seiner Vergangenheit stürzte. schlechte Eigenschaft“ sei Johns Trinke- 1952 wechselte Gereke in die DDR und rei, notierten seine Aufpasser. Der KGB- brachte es bis zum Präsidiumsmitglied Oberstleutnant Tschernjawski, selbst des Nationalrats der Nationalen Front. kein Blaukreuzler, erinnert sich: „In er- Erst als Gereke und John im Januar ster Linie war er ein großer Freund star- 1955 an der Bar des Hotels Johannishof ker Getränke.“ so kräftig zulangten, daß der Ex-Minister Pikiert vermerkt die Stasi, ihr Neubür- für drei Wochen ins Krankenhaus einge- ger sei sogar vor den DDR-Oberen aus liefert werden mußte, war es mit den Ge- der Rolle gefallen. „So pöbelte John auf lagen vorbei. einem Empfang der Partei und Regie- Am verheerendsten für John ist ein rung, anläßlich des Tages der Befreiung Aktenfund aus der Moskauer KGB-Zen- 1955, den Genossen Arthur Pieck an, da trale. Immer wieder hatte John nach sei- dieser seine Orden und Ehrenzeichen an- ner Rückkehr in den Westen beschwo- ren, „nichts und nieman- den verraten zu haben“. Sogar an „Selbstmord“ ha- be er gedacht, um sich nicht zu verplappern, und sich ansonsten an eine Order seines eigenen Amtes ge- halten, im Entführungsfall nur „Tarngeschichten“ zu erzählen. Schließlich, so John in seinen Memoiren, hätte der Vernehmer kapi- tuliert: „Bei Ihnen habe ich meinen Beruf verfehlt. Ich gebe es auf.“ Johns überzeugend vor- getragene Beteuerungen beeindruckten nicht nur den Bundesgerichtshof, sondern auch den Bundes- präsidenten Richard von Weizsäcker. 1986 bewillig- te Weizsäcker ihm einen „Gnadenunterhaltsbei- trag“. In einem Brief an John schrieb Weizsäcker: „Und dann hat er mir was in den Kaffee getan!“ – „In der Berichterstattung „Und dann?“ – „Und dann hat er mich verführt, herrschten Sensationsnei- hoher Gerichtshof!“* gung und Vorurteile vor . . . Um so mehr war es gelegt hatte.“ Arthur Pieck war der nach meiner Überzeugung notwendig, Sohn des damaligen DDR-Präsidenten mit den bescheidenen Mitteln, die mei- Wilhelm Pieck. nem Amt zur Verfügung stehen, einen John, heißt es an anderer Stelle über Schlußstrich zu ziehen.“ dessen Verhalten unter Alkoholeinfluß, In den Geheimdienstakten liest sich „ahmte Goebbels nach, indem er die Johns Verhalten in Moskau ganz anders. rechte Hand hob und hinkte“. Zudem Die Aussagen „Kellers“ füllen drei Ak- irritierte er die Genossen durch Gegrö- tenordner. Mit dem Ergebnis der „hart- le. Wenn er betrunken war, heißt es in näckigen Befragungen“ (KGB-Akten) den Akten, „sagte er: Warum sagen die waren die Sowjets hoch zufrieden: John Leute nicht mehr ,Heil Hitler‘ oder ,Es benannte „Personen, die im Verdacht lebe die Kreisleitung‘?“ stehen, für den Osten zu arbeiten“ (etwa Stasi-Chef Wollweber bedrängte den damaligen DRK-Präsidenten Hein- John, wenigstens nicht mehr in der Öf- rich Weitz), lieferte Namen und Charak- fentlichkeit zu trinken – ohne Erfolg. terprofile von Geheimdienstlern der Or- Noch heute erinnern sich altgediente ganisation Gehlen (des späteren BND) Stasisten an Johns liebsten Trinkkum- und der „Nachrichtenagenturen der pan Günther Gereke. Der war Reichs- Westmächte“. So berichtete „Keller“ laut KGB-Pro- * Simplicissimus-Karikatur aus dem Jahr 1956 tokoll, daß ein Agent seines Amtes zum John-Prozeß. „wahrscheinlich in der Erfassung und .

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Statistik des Hauptvorstandes der KPD sitzt“, da der Verfassungsschutz „Foto- Hochschulen kopien wichtiger Unterlagen“ erhalte. „Im Laufe der Zusammenarbeit“, so das KGB, habe „Keller“ noch sieben weitere „Residenten und Agenten . . . die in der Diffuses KPD tätig sind“, benannt. Die KGB-Akten schreiben „Keller“ auch den Verrat von elf Agenten zu, die Gefühl in „neofaschistischen und militaristi- schen Organisationen“ eingesetzt waren. Die Humboldt-Uni in Ost-Berlin, Sogar exakte Personenbeschreibungen nach der Wende ein Hort der DDR- lieferte „Keller“: Der Agent mit dem Decknamen „Reinberger“ zum Beispiel Nostalgie, hat sich zur Musteran-

habe eine „normale Figur, blasse Ge- stalt der Einheit gewandelt. FOTOS: K. MEHNER sichtsfarbe, ovales Gesicht. Trägt beim Historiker Prokop Lesen eine Brille“. „Aggressoren Einhalt gebieten“ Tagelang, so legen die Akten nahe, ls Martje Schulz, 21, vor zwei Jah- muß der Antifaschist John dem KGB ren aus Hamburg an die Hum- über die neuen Karrieren der alten Nazis Aboldt-Uni in den Berliner Osten in der Organisation Gehlen erzählt ha- kam, war sie „erst einmal irritiert“. Sie ben. Die Stasi, die die John-Protokolle war es von ihrer Schule nicht gewohnt, auszugsweise erhielt, war so begeistert, daß sich Seminarteilnehmer per Hand- daß sie dem damaligen SED-Chef Walter schlag voneinander verabschieden. Ulbricht vorschlug, den KGB-Residen- Inzwischen empfindet Schulz soviel ten Jewgenij Pitowranow mit dem Vater- Verschwisterung unter Kommilitonen ländischen Verdienstorden in Gold aus- durchaus als angenehm. Die Hamburge- zuzeichnen. rin gehört zu den 7350 Zugezogenen aus Um so erboster verfolgten KGB und den alten Bundesländern, die an der Staatssicherheit, daß John 1958 nach sei- Vorzeige-Uni der einstigen DDR stu- ner Haftentlassung die westdeutsche Öf- dieren. Die Zahl der West-Berliner un- fentlichkeit mobilisierte, um gegen den ter den insgesamt 30 130 Humboldt-Stu- „Justizmord“ an seiner Person anzuge- denten ist unbekannt, da sie in der hen. Erich Mielke wollte Fotos in den Hauptstadt-Statistik nicht mehr geson- Westen lancieren lassen, die zeigen, „wie dert erfaßt werden. sich John frei bewegen und amüsieren An keiner anderen Bildungsanstalt konnte“. Die Russen planten, Johns der Republik sind Studenten- und Pro- „Verratsmaterial“ zu publizieren. Das fessorenschaft so deutsch-deutsch ge- Vorhaben wurde schließlich verworfen. mischt wie an der 1810 gegründeten In den Unterlagen finden sich auch Be- Berliner Traditionshochschule. Den 165 richte des MfS über Johns Flucht zurück Ost-Professoren, die zum Teil schon zu in den Westen. DDR-Zeiten tätig waren, stehen mitt- Mit einem „Bluff“ will John seine Be- lerweile 248 West-Dozenten zur Seite. wacher am 12. Dezember 1955 abgewim- Nur mit ihrer eigenen Vergangenheit melt haben. Bei einem Besuch der Berli- tut sich die Universität, eine der wichtig- ner Universität habe er eine Mappe mit sten Kaderschmieden der DDR, noch 8000 Mark im Auto zurückgelassen und immer schwer. Keine Ausstellung oder sich mit den Worten „Ich bin gleich wie- Gedenktafel erinnert an die Studenten Humboldt-Universität in Berlin*: Weiter der da“ davongemacht. John: „So lenkte und Wissenschaftler, die aus politischen ich die Aufmerksamkeit der beiden jun- Gründen von der Hochschule vertrieben Ihr Sprecher Michael Weber bekennt gen Bewacher auf das Geld . . . und sie wurden. In keinem Seminar ist die Ge- freimütig, „daß wir mit einem Bezug zur ließen mich allein in die Universität ge- schichte der Humboldt-Uni zu DDR- DDR bei den Studenten keinen Blu- hen.“Am Vorderausgang wartete der dä- Zeiten ein Thema. mentopf mehr gewinnen können“. nische Journalist Henrik Bonde-Henrik- Um die Vergangenheit machen auch Vor ein paar Jahren war das noch sen und fuhr John in den Westen. die meisten Humboldt-Studiosi einen ganz anders: Da demonstrierten Studen- In Wahrheit hatten KGB und Staatssi- weiten Bogen. Marxismus ist nicht mehr ten für ihren wegen seiner Stasi-Spitze- cherheit längst das Interesse an John ver- gefragt, die „Hochschulgruppe Demo- lei vom Berliner Senat gefeuerten Rek- loren. Der Plan einer Wiedervereinigung kratischer SozialistInnen“, mit Nähe zur tor Heinrich Fink und feierten den Pro- war in Moskau auf Eis gelegt worden. PDS, umfaßt ganze zwölf Genossen. fessor der Evangelischen Theologie mit „John sah sich betrogen“, erinnert sich Die Erben von Karl Marx versam- Ovationen und Sprechchören: „Unsern Tschernjawski, „er war ausgenutzt wor- meln sich jeden Mittwoch bei Dämmer- Heiner nimmt uns keiner.“ den.“ KGB-Chef Iwan Serow entschied: licht im „Wissenschaftsklub“ in einer Das trotzige Wir-Gefühl der Ostler ist „Wenn er will, soll er gehen. Wir werden Seitenstraße am Prenzlauer Berg. Die längst jener Haltung gewichen, die im ihn nicht halten.“ So steht es in den Ak- Diskutanten, durchweg fortgeschrittene Westen seit den achtziger Jahren die ten. Semester, klagen vor allem über „Nach- Hochschulen beherrscht: Die große Der listige Fuchs Adenauer hatte of- wuchsprobleme“ oder die „Überalte- Mehrheit der Studenten ist unpolitisch, fenbar einmal mehr den richtigen Rie- rung“ ihrer Kader. Melancholisch räso- denkt vor allem an Examen und Kar- cher: „John ist jeflohen. Selten so je- nieren sie über die Frage, „ob sich die riere. lacht“, juxte der Kanzler nach der Heim- Marxisten noch auf einen gemeinsamen kehr seines obersten Geheimdienstlers. Marxismus verständigen können“. * Eingangsportal Unter den Linden.

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