Steine Erzählen Geschichte(N) Geologische Und Archäologische Phänomene Aus Niederhessen
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Steine erzählen Geschichte(n) geologische und archäologische Phänomene aus Niederhessen Guten Abend, meine Damen und Herren, ich beginne mit einem Zitat: „Steine sind unsere Ahnen und unsere Lehrmeister, sie lehren uns Kraft, Geduld und Ausdauer“. Diese poetischen Gedanken habe ich als Kommentar auf der Internetseite „Der Steinflüsterer“ gefunden. Sie sprechen eine eher unbewusste emotio- nale Verbindung oder eine besondere Beziehung zwischen Mensch und Steinen an. Steine sind nämlich nicht nur Baumaterial – z. B. der Backstein – oder ein Vermögenswert, wie die Edelsteine. Von Steinen kann ein außergewöhnlicher Reiz, ja ein Zauber, ausgehen. Ein Blick in die Vorgärten lehrt, Steine sind nicht nur dekorative Elemente, der Mensch scheint in ihnen ganz offensichtlich auch ein Sinnbild für Dauerhaftigkeit, Unabänderlichkeit und Zuverlässigkeit zu sehen. Steine finden wir in jedem Park – als Kunstwerk oder als Symbol für Harmonie und Ausge- wogenheit, wie diese symbolischen fünf Finger einer Hand. Den an sich unpersönlichen Steinen wird manchmal eine neue Rolle zugewiesen, als Gedenkstein etwa, der die Erinne- rung an bestimmte Ereignisse wach halten soll. Dort wo wir unsere Verstorbenen zur letzten Ruhe betten, sind Steine Orte der Besinnung und des Gedenkens. Steine standen auch schon im Mittelpunkt einer spektakulären Kunstaktion der „Stadtverwal- dung“ von Joseph Beuys auf der Documenta 1982. Viele Menschen glauben an die heilende Kraft von Steinen oder an Steine als Glücksbringer. Heilsteine haben Konjunktur und einen großen Markt mit wachsenden Umsätzen. Steine können somit als Ausdruck der Skepsis gegenüber der herkömmlichen Medizin und der Sehnsucht nach Glückseeligkeit gedeutet werden. Sie finden das Wort „Stein“ in vielfältigen Begriffszusammenhängen in unserer Sprache. Die hier gezeigten Beispiele erheben durchaus keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Ein altes, heute fast ausgestorbenes, Handwerk widmete sich der Umformung kantiger Stei- ne in Kugeln, nämlich die Stein- oder Kugelmühle. Ich denke, der ein oder andere von ihnen wird sich noch an die beliebten Murmeln aus seiner Kindheit erinnern. Ja und er wurde durch einen Stein berühmt, den Marmorstein – damm, damm. Aber auch in jüngerer Zeit werden Steine besungen, etwa vom Rapper Sido. Die Steine, meine Damen und Herren, die ich ihnen jetzt vorstellen will, wollen einerseits über historische Vorgänge berichten, aber auch Geschichten erzählen. Sie werden über erdgeschichtliche Entwicklungsprozesse informieren, Episoden aus der Urgeschichte der Menschheit mitteilen, historische Begebenheiten referieren und so manche Legende oder Anekdote zum Besten geben. Die Stand- oder Fundorte unserer Steine liegen im unteren Edertal, an der Schwalmmün- dung und im Tal der Elbe zwischen Naumburg und Fritzlar. Zwei „Ausreißer“ stammen von der Gudensberger Kuppenschwelle und der Schwalmpforte. Lassen wir nun den ersten Stein zu Wort kommen. Am Fuße des 450 m hohen Hammelrückens im waldeckschen Langen Wald, liegt die Quelle der Elbe. Gemeint ist nicht der bekannte große deutsche Strom, sondern ein kleines Flüss- chen – eher ein Bach –, der bei Fritzlar in die Eder mündet. Durch ein schmales Waldtal 2 fließt die Elbe in nordöstlicher Richtung bis nach Ippinghausen, wo sie nach Süden umbiegt. Sie passiert den Vulkankegel des Weidelsberges und schlängelt sich durch ein liebliches Wiesental unterhalb des Mühlholzes. Hier nun – nördlich von Naumburg – finden wir, im lichten Buchenwald verborgen, unseren ersten Stein. Ein mächtiger Sandsteinfelsen liegt auf dem Hangfuß. Er trägt den Namen Bildstein. Diese geologische Sehenswürdigkeit wurde als Naturdenkmal unter Schutz ge- stellt. Wie kam dieser freiliegende Felsen dorthin? Unsere Vorfahren glaubten, der Teufel oder Riesen hätten ihre Hände im Spiel gehabt, denn Steinwurfsagen ranken sich um diesen großen Felsblock. Die Legenden um Steinwürfe sol- len später von anderen Steinen geschildert werden. Der Bildstein soll uns von seinem Ur- sprung am Beginn des Erdmittelalters, dem Mesozoikum, erzählen. Damals sah die Erdoberfläche noch völlig anders aus als heute. Der Superkontinent Pangaea vereinte die gesamte Landmasse der Erde. Am Ende des Erdaltertums, im Perm, begann er, auseinander zu brechen, und das Ur-Mittelmeer, die Tethys, drang von Osten in den Urkontinent ein. Das führte zu Dehnungen der Erdkruste, so dass ein riesiges von Eng- land bis nach Weißrussland reichendes Becken – das Germanische Becken – entstand. Hochländern und hohe Gebirge umrahmten diese Senkenzone. Wir befinden uns erdgeschichtlich in der Epoche des Bundsandsteins, des ältesten Ab- schnitts der geologischen Periode der Trias. Sie dauerte von etwa 251 Mio. Jahren bis etwa 242 Mio. Jahren vor unserer Zeit. Die Festlandgebiete Mitteleuropas lagen damals im Bereich der nördlichen Randtropen in Äquatornähe. Das Klima war deshalb im Sommer subtropisch heiß und wüstenhaft. Die Win- ter dagegen waren kühl und trocken. Monsunartige Regenfälle überschwemmten periodisch die weiten Ebenen, um dann wieder langen Trockenzeiten zu weichen. Seen und Tümpel existierten meist nur zeitweise. Die Tethys drang immer einmal in das Becken ein, überflutet weite Teile und schuf sumpfige Flachwasserlagunen. In feuchten Niederungen oder Flussoasen wuchsen neben Nadelhölzern Palmfarne, Bär- lappgewächse, baumgroße Schachtelhalme und Koniferen und vereinzelt auch Ginkoge- wächse. Pfeilschwanzkrebse, Lungenfische und Strahlenflosser tummelten sich in Wasser- stellen. Krokodilähnliche Amphibien, Froschlurche und frühe Saurier lebten in und an den flachen Lagunen. Sie haben im Mittleren Bundsandstein unseres Raumes ihre Fährten hinterlassen. In einem Steinbruch im Stadtwald von Wolfhagen bargen Geologen eine Vielzahl zum Teil hervorra- gend erhaltener Saurierspuren. Ein besonders gut erhaltener Fährtenabdruck des Wolfhager Ur-Handtieres zeigt hinten den Fuß- und vorn den Handeindruck der linken Extremitäten. Deutlich sind seine Schuppen zu erkennen. So etwa könnte der Landlebende Vorfahre der heutigen Krokodile, der diese Spu- ren hinterließ, ausgesehen haben. In diesem aufgelassenen Steinbruch südwestlich von Martinhagen sind 1999 Sandsteinplat- ten mit Sedimentstrukturen entdeckt worden. Einige sind durch Saurierfüße entstanden, die durch den weichen Sand glitten. Der Saurierfuß erzeugte lang gezogene Spuren. Auf dem rechten Bild wurde das Fußskelett eines Reptils aus der unteren Trias über die Spur gelegt. Es verdeutlicht, dass die Schleif- und Rutschmarken auf der Sandsteinplatte von Martinha- gen mit den einzelnen Zehen des Skeletts korrespondieren. Geologen deuteten den Befund 3 so, dass ein Saurier in einer flachen Wasserrinne paddelte und seine Extremitäten nur noch teilweise mit dem sandigen Untergrund in Berührung kamen. Doch zurück zum Germanischen Becken und zum Ursprung unseres Bildsteines. Starke Stürme trugen feine Sedimente der Randgebirge in Richtung des Zentrums des Ger- manischen Beckens und lagerten sie hier ab. Mäandrierende Flussläufe, die nur episodisch Wasser führten, durchzogen die Sandwüste und lagerten den mitgeführten Verwitterungs- schutt in Delta-Landschaften und Schwemmfächern ab. So türmten sich im Laufe von 10 Mio. Jahren immer neue Schichten von Sanden, Schluff und Tonen aufeinander, füllten das Becken und erreichten eine Mächtigkeit von bis zu 1.000 Metern. In diesen Sandsteinschichten steckte einst auch der Bildstein. Die Epoche des Bundsandsteins gliedert sich nach unterschiedlichen Färbungen und Kör- nungen der Gesteinsablagerungen in den Unteren, Mittleren und Oberen Bundsandstein. Sie werden wiederum in so genannte Folgen unterteilt, die Ortsnamen aus dem Reinhardswald, dem Solling und dem Waldecker Land tragen. Unser Bildstein entstammt der Sollingfolge, die heute vor allem im Raum Naumburg zutage tritt. Noch präziser gesagt geht es um die Untereinheit der Wilhelmshausener Schichten. Sie sind 25 bis 60 m mächtig und liefern einen weißlich bis mittelgrauen, mittelkornigen Sand- stein. Kaum war das Germanische Becken mit Sedimenten gefüllt, setzten Wind, Wasser und Frost ihre Zerstörungsarbeit in Gang. Durch die Erosion wurde die Landoberfläche allmählich aus- geräumt. Ihre Kräfte formten einzelne Sandsteinfelsen in Form steiler Klippen oder blockarti- ger Tische, wie den Rauenstein bei Bründersen oder den Riesenstein bei Heimarshausen, der uns später noch begegnen wird. Auch unser Bildstein ist so entstanden. Nicht Riesen haben ihn auf den Hang am Mühlholz bei Naumburg geworfen, sondern er ist als Rest einer ursprünglich mächtigen Sandstein- schicht erhalten geblieben. Er hat den Kräften der Verwitterung und Abtragung bis heute standgehalten. Dies wird aber nicht immer so bleiben, denn die Erosionskräfte nagen bereits an ihm. An seiner Wetterseite kann man gitter- oder wabenartige Strukturen erkennen. Sie sind typisch für die Verwitterung des Bundsandsteins. Es mag also noch etliche hunderttausend Jahre – vielleicht auch mehr als eine Million – dauern, ehe der Bildstein verschwunden sein wird. Sein Verwitterungsschutt und sein Sandsteinstaub werden von Wasser und Wind an anderer Stelle wieder abgelagert und so dazu beitragen, neue Gesteinsschichten aufzubauen. „Kreis- lauf der Gesteine“ heißt die Geschichte, die uns der Bildstein zu erzählen weiß. Mit unserem nächsten Stein wollen wir noch ein wenig im erdgeschichtlichen Zeitalter ver- weilen. Aus dem Tal der Eder ragt östlich von Gensungen die weithin sichtbare – von einer Burgrui- ne bekrönte – Kuppe des Heiligenberges empor. Der von seinem Fuße zum Gipfel führende Wanderweg bringt uns am Nordhang des