Wahlen 2009 in

Michael Schultheiß

(6. Januar 2010)

• Am 27. und 28. November 2009 haben in Namibia die fünften regulären Parlaments- und Präsident- schaftswahlen stattgefunden. • Wie erwartet hat die aus der Befreiungsbewegung entstandene SWAPO-Party ihre Dominanz, die sie seit der Unabhängigkeit hält, bewahren können. • Mit 74,3 % bei der Parlamentswahl und 75,2 % für ihren Kandidaten und amtierenden Präsidenten Hifkepunye Pohamba gewann sie die verfassungsändernde Zweidrittelmehrheit. • Zum zweiten Mal in der Wahlgeschichte Namibias gewann eine Abspaltung von der SWAPO, die RDP (o~ääó=Ñçê=aÉãçÅê~Åó=~åÇ=mêçÖêÉëëFI=auf Anhieb mit 11,2 % die zweitmeisten Stimmen und den Titel der „offiziellen Opposition“. • Alle anderen Parteien blieben unter 4 %, sieben von ihnen haben dennoch 1 oder 2 Sitze im 72- köpfigen Parlament erreicht. • Der Wahlkampf wurde vom aggressiven und teilweise gewalttätigen Konflikt zwischen SWAPO und RDP bestimmt. • Die Wahl selbst war friedlich und wurde von allen Beobachtern als zwar mit Unregelmäßigkeiten be- haftet aber im Prinzip frei und fair betrachtet. • Dennoch bleiben erhebliche Bedenken: Eine von fast allen festgestellte Unfähigkeit und mangelnde Unabhängigkeit der formal „unabhängigen“ Wahlkommission (bäÉÅíçê~ä=`çããáëëáçå=çÑ=k~ãáÄá~I= b`kF muss an der Höhe des Sieges der SWAPO zweifeln lassen. • Neun der Parteien haben am 16.12. beim eáÖÜ=`çìêí=auf Herausgabe der Wahlunterlagen geklagt, um Unregelmäßigkeiten zu untersuchen.

1 Im Vorfeld Als Problemfall wurde schon im Vorfeld der Wahl die bäÉÅíçê~ä= `çããáëëáçå= çÑ= Mit der Abspaltung Ende 2007 der RDP k~ãáÄá~= Eb`kF= identifiziert, ganz offen- unter , der gegen den sichtlich mangelte es ihr sowohl an der Willen von „Gründervater“ Nujoma als für ihre Aufgabe notwendigen Kompe- Kandidat für dessen Nachfolge angetre tenz als auch an der gesetzlich festge- schriebenen Unabhängigkeit. Der Pan- nen gab es viele, einige hier als Beispie- ten war, begann sich das politische Kli- le: ma zu verschärfen. Die Abspalter galten • Bei der Ausschreibung zum Drucken als Verräter und innerhalb der SWAPO der Wahlzettel gewann die SWAPO- gab es eine Hexenjagd auf angebliche eigene Namprint. Dagegen erhob versteckte Sympathisanten. Hamutenya sich ein breiter öffentlicher Protest, war einer der wirklichen Schwergewich- worauf die ENC den Auftrag zurück- te in der Partei gewesen und wurde zog und ein südafrikanisches Unter- auch dadurch gefährlich, dass er und nehmen beauftragte. seine Anhänger ethnisch aus dem Kern- • Die FES plante zusammen mit der land der SWAPO im Norden des Landes ECN eine Aktion für Toleranz und kamen. Im Wahlkampf selber gab es im- friedliche Wahlen. Einen Sticker, der mer wieder gewaltsame Zusammenstö- die Embleme aller Parteien trug und ße. Obwohl der Präsident und die Partei- den Text „råáíó= áå= aáîÉêëáíó= Ó= tÉ= führung die Gewalt verdammten, waren êÉëéÉÅí= É~ÅÜ= çíÜÉê>“I= muss im Ent- es meistens SWAPO-Anhänger, die Ak- wurfsstadium ein unbekannter SWA- tionen der RDP störten – und deren An- PO-Funktionär gesehen haben und hänger schlugen zurück. der ECN gesagt haben „das geht a- ber nicht!“, worauf diese ohne jede Aufklärung für die Öffentlichkeit über Begründung den Kontakt mit der FES den Sinn der Wahl und über Programme abbrach und das Projekt sterben ließ. und Personen der politischen Parteien • Ein permanentes Problem waren die gab es in den Printmedien reichlich, Wählerlisten. Sie wurden von vielen auch in denen, die der SWAPO gehör- angezweifelt, sie enthielten Verstor- ten, wurden alle Parteien ausführlich bene, Kinder, Ausländer usw. Die vorgestellt. Anders war es im staatlichen ECN selbst veröffentlichte schwan- Rundfunk: Hier war die Präsentation der kende (immer mehr abnehmende) Parteien nicht Éèì~äI=sondern éêçéçêíáçJ Gesamtzahlen der Wähler, und bei å~äI=d. h. drei Viertel waren der SWAPO der Berechnung der Wahlergebnisse gewidmet. Dies kritisierten später auch selber benutzte sie noch eine vom die SADC-Wahlbeobachter. Die SWAPO letzten Wählerverzeichnis abwei- hatte auch die neuen Medien und die chende Zahl. Auch nach der Wahl ist Jugendkultur entdeckt, sie arbeiteten nicht klar, welches Wählerverzeichnis mit dem Internet und ließen Pop-Stars eigentlich gilt. für sich werben, um die vielfach festge- • Eine Menschenrechtsorganisation, stellte Apathie und Politikferne der Ju- die als Wahlbeobachter registriert gend anzugehen. Besonders politisch war, kritisierte die Fehler der ECN waren diese Angebote aber kaum. Je- scharf und warf ihr Gesetzesbruch doch konnte sich jeder, der wollte, vor. Daraufhin entzog ihr die ECN umfassend informieren. wegen „Verleumdung“ die Zulas-

2 sung als Wahlbeobachter. Auf eine Neuanfangs, des Aufbruchs nach dieser Klage der Organisation hin, verwarf Wahl. Doch die erste Enttäuschung war der eáÖÜ= `çìêí= kurz vor dem Wahl- das „bäÉÅíçê~ä= `çääÉÖÉ“= der SWAPO- termin diese Entscheidung der ECN, Party, bei dem die Listenkandidaten der • mit rechtlichen Tricks verhinderte Partei aufgestellt werden, und das we- diese aber weiterhin, dass die Orga- gen der reinen Verhältniswahl die wich- nisation die Wahl beobachten konn- tigste Vorentscheidung für die Zusam- te. mensetzung des Parlaments darstellt: Allen Vorankündigungen zum Trotz Eine klare Rechenschaft der ECN bei all wurden sowohl die jungen Kandidaten diesen Problemen gab es nicht. Sie rea- als auch die Frauen nur mit dem absolu- gierte und begründete manchmal, je ten Minimum berücksichtigt, die alte nach Gusto, eine durchgehende Kon- Garde hatte ihre Posten verteidigt. Diese trolle ihrer Aktionen war nicht möglich. Beobachtung wiederholte sich schließ- lich auch bei allen anderen Parteien - ein Auch der SWAPO war aufgefallen, dass besonders junges und weibliches Parla- es viel Kritik an der Regierung wegen ment war auf keinen Fall zu erwarten. ihrer Passivität gegenüber sozialen Prob- lemen gab, dass die Jugend wegen schlechter Berufschancen unzufrieden war. Daher gab es eine Rhetorik des

Die Ergebnisse Zunächst in Zahlen:

Partei absolut % Sitze Präsidentschaft % (2004) All Peoples Party (APP) 10 795 1,33 1 (0) Ignatius Shixwameni 1,23 Communist Party (CP) 810 0,10 0 Attie Beukes 0,12 Congress of Democrats (CoD) 5 375 0,66 1 (5) Benjamin Ulenga 0,72 Democratic Party of Namibia (DPN) 1 942 0,24 0 David Isaaks 0,23 DTA of Namibia (DTA) 25 393 3,13 2 (4) Katuutire Kaura 2,98 Monitor Action Group (MAG) 4 718 0,58 0 Namibia Democratic Movement for Change (NDMC) 1 770 0,22 0 Frans Goagoseb 0,22 National Democratic Party (NDP) 1 187 0,15 0 National Unity Democratic Organization (NUDO) 24 422 3,01 2 (3) Kuaima Riruako 2,92 Rally for Democracy and Progress (RDP) 90 556 11,16 8 (0) Hidipo Hamutenya 10,91 Republican Party of Namibia (RP) 6 541 0,81 1 (0) Harry Mudge 1,16 South West African Union (SWANU) 4 989 0,62 1 (0) Usutuaije Maamberua 0,37 Swapo-Party of Namibia (SWAPO) 602 580 74,29 54 (55) 75,25 United Democratic Front of Namibia (UDF) 19 489 2,40 2 (3) Justus Garoeb 2,37 Ungültige Stimmen 10 576 1,30 1,52 Gesamt 811 143 72

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Die Wahl selber verlief friedlich und ruh- keinen Parlamentssitz erringen konnten, ig. Obwohl zwei Wahltage - Freitag und haben als Reaktion auf die Wahl bean- Samstag - angesetzt waren, bildeten tragt einen Sitz in der Versammlung der sich zeitweise lange Schlangen vor den „qê~Çáíáçå~ä=^ìíÜçêáíáÉë“=zu bekommen, Wahllokalen. Erste kleine Teilergebnisse sonst hätten sie gar keine Vertretung wurden am Dienstag bekannt gegeben, mehr. aber bis zum Freitag, 4.12., musste die Nation auf das endgültige Gesamtergeb- Die Zweifel an den Ergebnissen nis warten. Im Laufe der Woche steiger- te sich die öffentliche Ungeduld und das Die Wahlbeobachter von EU, SADC und Unverständnis, warum es so lange dau- AU gaben Statements ab. Zwar hatten erte. Die vagen Erklärungen der ECN sie alle Kritik an der technischen und gingen bis dahin, dass die Auszähler organisatorischen Abwicklung der Wahl müde von der Hitze seien. Von dieser und sparten nicht mit guten Ratschlägen Auszähl-Woche wird unten noch die dazu. Insgesamt beurteilten sie die Wahl Rede sein. aber frei und fair, gaben Komplimente an die Namibier für die ernste und fried- Wie erwartet errang die SWAPO-Party liche Art, wie sie ihre Stimme abgege- wieder die große Mehrheit und auch das ben haben. Die einzigen, die auch den gute Abschneiden der RDP war erwartet Auszählvorgang begleiteten, waren die worden. RDP bekam viele Stimmen in Beobachtergruppen aus der namibi- bestimmten Teilen der SWAPO-Hoch- schen Zivilgesellschaft, und deren Kritik burgen im Norden, aber offenbar sam- war weitaus ernster. Wenn es bei dieser melte sie landesweit die Oppositions- Wahl Fälschungen gegeben hat, dann und Proteststimmen. Dies sieht man während dieser Woche der Auszählun- z. B. daran, dass der einzige Wahlkreis, gen. in dem RDP die Mehrheit hatte, im Caprivi lag (Sibinda), wo die Opposition Als ein großer Fortschritt an Transparenz gegen die SWAPO traditionell stark ist. war die neu ins Wahlgesetz eingefügte Regelung gefeiert worden, dass in je- Alle bisherigen Oppositionsparteien ha- dem Wahllokal die ausgezählten Ergeb- ben Stimmen verloren. DTA und CoD, nisse öffentlich ausgehängt werden die jeweils zeitweise größte Oppositions- müssen, so dass jeder sie sehen kann. partei waren, sind praktisch zur Bedeu- Wenn dieser Regel überhaupt gefolgt tungslosigkeit geschrumpft, wobei die wurde, dann war sie völlig sinnlos, denn CoD, innerlich zerstritten, auch eine Ab- danach wurden die Wahlurnen in soge- spaltung hinnehmen musste, die APP ist nannte „îÉêáÑáÅ~íáçå= ÅÉåíêÉë“= gebracht, ein Ableger von ihr. Was kleinere Partei- um überprüft und neu gezählt zu wer- en noch über Wasser gehalten hat, sind den. Diese Zentren sah kein Gesetz vor meistens regional-ethnische Orientie- und niemand wusste vorher von ihrer rungen. Die Wahl zeigt also auch einen Existenz. Dort zählten auch allein die gewissen Trend zur Ethnisierung der Mitarbeiter der ECN, kein Wahlbeobach- Wahlentscheidung. Verloren hat die ter, kein Parteienvertreter war zugelas- Ethnie der Weißen, ihre Mitglieder ha- sen. Vorwand für diese Zentren sind die ben offenbar andere Entscheidungskrite- sogenannten łíÉåÇÉêÉÇ= îçíÉë“I= Stim- rien. Die Führer der burischen MAG, die men, die außerhalb des Wahlkreises

4 abgegeben wurden, in dem der Wähler nun in einer Halle des Regierungsfuhr- registriert ist, und die zum Stamm- parks die Unterlagen von Freiwilligen der Wahlkreis zurück transferiert werden. Parteien durchgesehen, auch in der Sil- Durch diese Prozesse kamen extrem vesternacht wurde durchgearbeitet. unterschiedliche Wahlbeteiligungen (bis Denn die Frist, in der gegen die Wahl über 100 %) in verschiedenen Regionen begründeter Einspruch erhoben werden zustande, die zu unwahrscheinlichen konnte, lief am 4. Januar ab. Man Ergebnissen führten. schaffte es nicht, alle Unterlagen durch- zuarbeiten, aber die meisten 50 Wahl- Doch niemand kann etwas nachweisen. kreise wurden abgeschlossen. Die kla- Sicher ist nur, dass die Wahlkommission genden Parteien äußerten sich zuver- schwere Fehler gemacht hat und dass sichtlich, sie hätten genügend Beweise die Transparenz der Auszählung nicht gefunden, und reichten fristgemäß ihre gegeben war. Wäre die SWAPO eine Klage ein. Sie wollen die Annullierung demokratische Partei, hätte die Regie- des verkündeten Wahlergebnisses oder rung die Wahlkommission anders aus- eine neue Auszählung erreichen. Einzel- gestattet und beauftragt (denn vor fünf heiten, welche Beweise gefunden wur- Jahren waren die Probleme ganz ähn- den, wurden noch nicht bekannt, min- lich). Stimmen etwa mit der Position: destens seien es aber Brüche des Wahl- „Bei diesem Rückhalt in der Bevölkerung gesetzes gewesen. Auch jetzt zeigt die haben wir es gar nicht nötig, intranspa- SWAPO keinerlei Interesse an einer Auf- rente Wahlen zuzulassen, unser klares klärung, die Klage sei „ein Angriff auf Interesse sind absolut korrekte Ergebnis- den Wähler!“ se!“ waren aus der Partei nicht zu hö- ren. Bei den Wahlen vor fünf Jahren war man auch so weit gekommen, eine Neu- Neun Parteien mit Unterstützung der auszählung hatte aber keine Verände- zivilgesellschaftlichen Wahlbeobachter rung des Ergebnisses gebracht. haben am 16. Dezember beim eáÖÜ= `çìêí= auf Herausgabe der Wahlunterla- gen geklagt, da sie erhebliche Zweifel an den Zählergebnissen haben. Dem gab das Gericht am Heiligabend statt, außer Der Autor: den ausgefüllten Wahlzetteln sollten Michael Schultheiß ist seit September 2009 ihnen alle Unterlagen ausgehändigt wer- Landesvertreter der Friedrich-Ebert-Stiftung in den. In Tag- und Nachtschichten wurden Namibia.

Ansprechpartnerin: Evelyn Ehrlinspiel Tel: 030-26935-7439 Friedrich-Ebert-Stiftung Fax: 030-26935-9217 Afrika Referat E-Mail: [email protected] Hiroshimastraße 17 10785 Berlin Internet: www.fes.de/international/afrika

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