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Neues Urheberrecht in Kraft. Seiten 6 bis 9 , € 7 /8

Juli/ August 

Zeitung des Deutschen Kulturrates www.politikundkultur.net In dieser Ausgabe: ChKatrin Budde Karsten Krampitz Bundestagswahl Kleine Fächer Medien Ost-West-Perspektiven Monika Grütters Nachgeschaut: Wie viel Kultur Drohende Kürzungen und Faire Verteilung der Umsatzer- Schluss mit Ost-West- Stereotypen in der medialen Olaf Scholz steckt in den Wahlprogrammen Schließungen: Wie ist es um die löse von Filmen?: Welche Neu- der Parteien zur kommenden Zukunft kleiner Fächer an deut- erungen bringt das novellierte Berichterstattung: Für mehr Natan Sznaider Bundestagswahl? schen Universitäten bestellt? Filmförderungsgesetz mit sich? deutsch-deutschen Dialog! und viele andere Seite  Seiten  bis  Seite  Seiten  und  Alarm Der Ostbeauftragte der Bundesre- gierung, Marco Wanderwitz MdB, hatte kurz vor der Wahl in Sachsen- Anhalt im F.A.Z. Podcast gesagt, die Ostdeutschen seien teilweise »dikta- tursozialisiert« und »auch nach drei- ßig Jahren nicht in der Demokratie angekommen«. Nur ein geringer Teil der AfD-Wähler sei »potenziell rückholbar«, man könne darum nur »auf die nächste Generation« hoff en. Lassen wir nun einmal dahin- gestellt, ob die Analyse von Wan- derwitz in jedem einzelnen Punkt stimmt, vollkommen daneben kann sie aber nicht liegen, wenn, wie gera- de wieder geschehen, mehr als jeder fünfte Wähler in Sachsen-Anhalt die AfD wählt. Das Institut für Demoskopie Al- lensbach hat bereits vor zwei Jah- ren eine repräsentative Umfrage in Deutschland zur Akzeptanz unseres politischen Systems in der Bevölke- rung durchgeführt. Demnach gaben Beam Me Up lediglich  Prozent der Befragten in Ostdeutschland an, dass die in Science-Fiction zwischen Utopie und Dystopie. Seiten  bis  Deutschland gelebte Demokratie die beste Staatsform sei. In West-

deutschland meinten dies  Prozent. ALLIANCE PICTURE FOTO: Eigentlich müssten die Alarm- glocken der für politische Bildung Verantwortlichen im Lande unauf- hörlich klingeln, denn dass wir Pro- bleme mit der politischen Bildung haben, ist unübersehbar.  Mitarbeiterinnen und Mitar- Antisemitismus ist …? beiter arbeiten allein bei der Bundes- Ein Konsens über Israel existiert nicht mehr zentrale für politische Bildung (bpb) in Bonn und Berlin. Dazu kommen in NATAN SZNAIDER uns alle an.« Gleichzeitig war diese Kundgebung eine Fokussiert wird diese Auseinandersetzung durch den den Ländern noch Landeszentralen. Solidaritätskundgebung für den Staat Israel, der sich Vergleich mit Südafrika, Stichwort: Apartheid. Das Die bpb ist eine nachgeordnete Be- ie Initiative kulturelle Integration stellte in einem bewaff neten Waff engang mit der islamisti- Apartheidregime Südafrikas, das erst  endete, galt hörde des Bundesinnenministeriums.   Thesen zu kultureller Integration schen Terrororganisation Hamas befand. Solidarität abgesehen von den südafrikanischen Herrschenden Aber warum ist sie eigentlich so still? und Zusammenhalt auf. In der . These mit Israel und Kampf gegen Antisemitismus gehen da als rassistisches und daher nicht legitimes Regime. Warum nimmt sie die Analyse von D »Die Auseinandersetzung mit der Ge- Hand in Hand. Ist daher Solidarität mit Israel nun ein Boykott war die Folge. Aber für eine andere Generation Marco Wanderwitz nicht zum Anlass, schichte ist nie abgeschlossen« heißt es: »Die Shoah Lackmustest für Integration, dem sich Zugewanderte, in Deutschland hat »Boykott« immer noch auch die ihre Anstrengungen zur Vermittlung ist das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte. Sie auch aus dem Nahen Osten, stellen müssen? Konnotation der Judenverfolgung im Nazi-Deutschland, von politischer Bildung deutlich und nimmt daher in der Erinnerungskultur in Deutsch- Gerade die öff entliche Debatte der letzten Jahre hat also einen anderen Klang. Das wird in dem am . sichtbar zu verstärken? land einen besonderen Platz ein. Die Erinnerung an hat off engelegt, dass der Konsens über Israel nicht Mai  vom Deutschen Bundestag angenommenen Wenn man sich die Homepage der die Shoah wachzuhalten und weiterzugeben, ist eine mehr existiert. Mehr sogar, es wird als deutscher Ka- Antrag mit dem Titel »BDS-Bewegung entschlossen bpb anschaut, ahnt man das Problem. dauernde Verpfl ichtung für in Deutschland geborene techismus angegriff en und damit der Legitimation entgegentreten – Antisemitismus bekämpfen« mehr Sie hat sich einfach verzettelt. Fast Menschen ebenso wie für Zugewanderte. Das schließt entzogen. Das mag stimmen oder nicht, aber jeder als klargestellt: alle denkbaren gesellschaftlichen ein, sich entschieden gegen jede Form des Antisemi- Katechismus erzeugt dann wohl auch Gegenkate- Felder, national wie international, tismus zu wenden.« chismen. Wir sehen deutlich eine Konkurrenz der werden behandelt, aber ein deutlicher Ist es selbstverständlich, »in Deutschland geborene Narrative, die Israel und seine Existenz fast kont- Schwerpunkt ist nicht zu erkennen. Menschen« und »Zugewanderte« in eine gemeinsame rär beschreiben. Für die eine Seite der Debatte ist Gerade die öff entliche Debatte Im Zentrum der Arbeit der bpb Verpfl ichtung zu nehmen? Schließt die Verantwortung die sogenannte Israelkritik mehr als notwendig, der soll, nach ihrem eigenen Selbst- auch Menschen ein, die in den letzten Jahrzehnten Staat und seine Besatzungspolitik werden als kolo- der letzten Jahre hat off en- verständnis, die Förderung des Be- nach Deutschland kamen und ihre eigenen Leidensge- nialistisch eingeschätzt, während die andere Seite gelegt, dass der Konsens über wusstseins für Demokratie und po- schichten mit sich tragen? Hinter dieser Auff orderung der Debatte darauf pocht, dass es eine Grenzlinie Israel nicht mehr existiert litische Partizipation stehen. Wenn der Initiative kulturelle Integration verbirgt sich eine gibt zwischen legitimer Kritik an Israel und nicht man sich die Realität in Deutschland, weitere Verpfl ichtung, die gerade für Zugewanderte legitimer Verneinung des Existenzrechts Israels. Wo nicht nur im Osten, anschaut, war – und das noch mehr für Zugewanderte aus dem Na- diese Grenzlinie denn genau verläuft, war schon im- die Arbeit nur bedingt erfolgreich. mer ein Problem in dieser Debatte. Es kommt eher »Die Argumentationsmuster und Methoden der BDS- Nach der Bundestagswahl sollte die darauf an, woher und wohin der Blick gerichtet ist Bewegung sind antisemitisch. Die Aufrufe der Kampag- Arbeit der bpb dringend auf neue Heißt »die Erinnerung an die und welche historische Perspektive eingeschlagen ne zum Boykott israelischer Künstlerinnen und Künst- Füße gestellt werden. wird. Diejenigen, die den Staat Israel als ein brutales ler sowie Aufkleber auf israelischen Handelsgütern, Eine Begeisterung für unser Shoah wachzuhalten« sich und gewaltausübendes politisches Gemeinwesen be- die vom Kauf abhalten sollen, erinnern zudem an die demokratisches System und die gleichzeitig solidarisch mit dem schreiben, sehen eine unterdrückende Siedlergesell- schrecklichste Phase der deutschen Geschichte. ›Don’t Bereitschaft zur aktiven Mitarbeit souveränen Staat Israel zu schaft, fokussieren ihren geografi schen Blick auf den Buy‹-Aufkleber der BDS-Bewegung auf israelischen kommt nicht von selbst. Die Analy- Nahen Osten, sehen Macht und keine Machtlosigkeit, Produkten wecken unweigerlich Assoziationen zu der se von Marco Wanderwitz ist keine, erklären, der nach der Shoah Souveränität und keine Heimatlosigkeit. Wenn aber NS-Parole ›Kauft nicht bei Juden!‹ und entsprechenden wie oft geschrieben, Beleidigung für gegründet wurde? der Blick sich auf die jüdische Geschichte ausweitet, Schmierereien an Fassaden und Schaufenstern.« die Menschen in Ostdeutschland, wenn aus dem Raum nun (europäische) Zeit wird, Damit wurde auch der unmittelbare Zusammen- sondern sie ist das eindrückliche dann stehen Verfolgung und Machtlosigkeit, ja sogar hang zwischen Boykott gegen Israel und Boykott ge- Beschreiben des Scheiterns der hen Osten – nicht selbstverständlich ist. Heißt »die Vernichtung, im Vordergrund. Das ist auch der Blick gen Juden in der NS-Zeit hergestellt. staatlich organisier- Erinnerung an die Shoah wachzuhalten«, sich gleich- des offi ziellen Deutschlands. In der einen Perspek- Aber es gibt andere Beschreibungen. Deutsch- ten politischen Bil- zeitig solidarisch mit dem souveränen Staat Israel tive sind Juden weiß und gehören zur westlichen land will ja gerade im Selbstbild der kulturellen dung. zu erklären, der nach der Shoah gegründet wurde? Geschichte der Kolonisierung nichtweißer Menschen. Fortsetzung auf Seite  Olaf Scholz, der Stellvertreter der Bundeskanzlerin, In der anderen Perspektive gehören Juden nicht zu Olaf Zimmermann hat am . Juni  auf einer Kundgebung gesagt: der weißen Hegemonie, sondern wurden selbst als Nr. -/ ist Herausgeber »Wer jüdisches Leben in Deutschland angreift, greift kolonisierte Minderheit inner- und außerhalb Eu- ISSN - 4:l;t von Politik & Kultur die Identität der deutschen Gesellschaft an, der greift ropas verfolgt. B   02 SEITE  www.politikundkultur.net

EDITORIAL

Alarm EU-Urheberrechtsrichtlinie: Kleine Fächer: Göttinger Science-Fiction und Wissenschaft: Epidemien im Star-Trek- Olaf Zimmermann 01 Neues Urheberrecht in Kraft Skandinavistik bleibt Wissenschaft inspiriert durch Universum: Immunität durch Robert Staats 06 Katharina Sophie Kühnel im Gespräch 12 Science-Fiction grünes Blut Judith Blage 19 Klaus Vieweg 28 LEITARTIKEL EU-Urheberrechtsrichtlinie INTERNATIONALES Alternativweltromane: Nachdem Deutschsprachige Science-Fiction Antisemitismus ist …? Verlage – Susanne Barwick 07 Martin Luther Papst geworden fördern Natan Sznaider 01 Architektur: Auf der Suche nach war Drei Fragen an den Club Bibliotheken – Arne Upmeier 07 der afrikanischen Stadt Georg Ruppelt 20 Deutschland 29 Philipp Meuser 13 SEITE 2 Kreative – Gerhard Pfennig 07 Frauen in der Science-Fiction- Literatur: Durch die Augen der OSTWEST Kulturmensch Autorinnen und Autoren – Valentin Döring 07 MEDIEN Heldinnen PERSPEKTIVEN Ulla Schmidt 02 Theresa Hannig und Lena Falkenhagen 21 Musikindustrie – René Houareau 08 Novellierung des Filmförder- Initiative »Wir sind der Osten«: gesetzes: Abschied von Träumen Videospiele: Space Invaders und In 30 Sekunden nicht zu AKTUELLES Musikurheberinnen und -urheber – Helmut Hartung 14 erklären Matthias Hornschuh 08 Andreas Rauscher 22 Christian Bollert im Gespräch 30 Bundestagswahl: Was kommt auf uns zu? GEMA – Michael Duderstädt 08 KULTURELLES LEBEN Science-Fiction-Film: Projizierte Erinnerungskultur in der DDR: Olaf Zimmermann und Gabriele Schulz 03 Zukunft Woher kommt der Zorn im Osten? Filmwirtschaft – Heiko Wiese 09 Sabine Zielke und Gabriele Georg Seeßlen 23 Karsten Krampitz 31 Gornowicz im Porträt: Interims- INLAND Öff entlich-rechtlicher Rundfunk – Theater mit weiblicher Die Science-Fiction der DEFA: Kathrin Böttcher 09 Doppelspitze Utopische Filme DAS LETZTE Sonderfonds Kultur: Das größte Andreas Kolb 15 Barbara Wurm 24 Programm zur Förderung des Private Rundfunkanbieter – Christina Oelke 09 Kurz-Schluss Kulturbereichs Keuchels Kontexte: Musik im Science-Fiction-Film: Theo Geiẞler 32 Drei Fragen an Olaf Scholz 04 Kleine Fächer: Einhundertneun- Abschied von der Pandemie Der Sound des Anderen undfünfzig Orchideenfächer Susanne Keuchel 15 Willem Strank 25 Taubenschiss – Die P&K Fake- Sonderfonds Kultur: »Die Uwe Schmidt und Katharina Bahlmann 10 News 32 Sehnsucht nach Kultur ist Personen & Rezensionen 16 Science-Fiction im Comic: riesengroß« Claussens Kulturkanzel: »Dystopien und Endzeit sind im Karikatur 32 Drei Fragen an Monika Grütters 04 Mediendiät Comic omnipräsent« Johann Hinrich Claussen 10 SCIENCEFICTION Vier Fragen an Sven Jachmann 26 Impressum 32 Stimme aus dem Parlament: Erinnerungskultur Möller meint: Diversität im Es können Wunder geschehen Science-Fiction in Medien und Katrin Budde 05 Wissenschaftskanon Olaf Zimmermann 17 Alltag: Markt & Merchandising DER AUSBLICK 9 Johann Michael Müller 11 Markus Metz 26 Nordrhein-Westfalen: Entwicklung und Bedeutung von Die nächste Politik & Kultur Kultur(politik) neu denken Martin-Luther-Universität Halle- Science-Fiction: Der religionsgeschichtliche erscheint am . September . Catalina Rojas Hauser und Wittenberg: Kein Einsparpotenzial Simulation von Gesellschaft Kontext der Science-Fiction Im Fokus steht das Thema Heike Herold 05 Lukas Wanke im Gespräch 12 Sebastian Stoppe 18 Linus Hauser 27 »Inklusion & Kultur«.

Fortsetzung von Seite 

Eliten ein weltoff enes Land sein. Eine gegen Antisemitismus, Felix Klein, der leben. Dieser innerjüdische Diskurs triff t tierten Demonstrationen während des Initiative öff entlicher Kultur- und Wis- sich in einer offi ziellen Erklärung da- dann auf deutsche Befi ndlichkeiten, die letzten Gaza-Krieges in Israel im Mai senschaftsinstitutionen reagierten auf für einsetzte, die IHRA zur Grundlage mit dem Begriff historischer Verantwor-  aufgebrochen. Nicht um sogenann- diesen Beschluss mit ihrer eigenen staatlichen Handelns in Fragen des An- tung argumentieren und für die Israels ten importierten Antisemitismus geht Beschreibung der Wirklichkeit, die sie tisemitismus zu machen. Politisch gilt Sicherheit Staatsräson ist. Aber nicht es hier, sondern um vieldimensionale dann im Dezember  »Initiative GG sie als Erfolg. nur deutsche Befi ndlichkeiten stehen Wahrnehmung eines Phänomens, das . Weltoff enheit« nannten. Es war eine Das Problem mit beiden Defi nitionen hier auf dem Spiel, sondern auch sol- den Namen Antisemitismus trägt und Antwort eines Teils der Kulturelite auf ist, dass das Objekt ihrer Beschreibung che, die von außen kommen und dann kein monolithisches Konzept ist. die politische Elite verbunden mit der im Dunkeln bleibt. Die IHRA-Defi nition auf deutsche, innerjüdische und nah- Machtfrage, wer in diesem Streit wohl spricht von »einer bestimmten Wahr- östliche Wirklichkeitsbeschreibungen Natan Sznaider ist Professor für Sozio- die Deutungshoheit innehat. Diese nehmung von Juden«, während die Je- treff en. All dies ist nun in den gewalt- logie am Academic College in verschiedenen Befi ndlichkeiten kamen rusalemer Erklärung gleich im Artikel  vollen und auch antisemitisch konno- Tel Aviv-Yaff o im März  noch einmal zum Tragen. erklärt: »Es ist rassistisch zu essentia- Inmitten der Debatten um Erinnerung lisieren«. Stimmt das überhaupt? Ist es an Shoah und deutschen Kolonialismus rassistisch zu essentialisieren? Wenn gab eine Gruppe von jüdischen und das in der Tat so ist, wer ist dann der

nichtjüdischen Wissenschaftlern eine SZNAIDER NATAN FOTO: Jude oder die Jüdin, von denen die bei- Kulturmensch Ulla Schmidt Erklärung ab, in der sie Antisemitismus Natan Sznaider den Defi nitionen sprechen. Auch bei der so defi nieren, dass diese Neudefi niti- IHRA ist das so. Ist es in der Tat antise- Nach  Jahren im Deutschen Bun- Kultur und Medien des Deutschen on mit progressiver Politik überein- das auch nicht von sich, sondern dient mitisch, eine bestimmte Wahrnehmung destag tritt Ulla Schmidt bei der Bundestages setzte sie sich beson- stimmen kann. Da die Initiative dieser als politische Gegenrede zu einer Defi - von Juden zu haben? Warum sollte man Bundestagswahl  nicht wieder ders für die soziale Sicherung von Erklärung vom Jerusalemer Van-Leer nition des Antisemitismus, die von den keine bestimmten Wahrnehmungen an. Am Anfang ihrer parlamentari- Künstlerinnen und Künstlern ein. Institut ausging, wurde sie dann auch Autorinnen und Autoren hier abgelehnt über Juden haben, wenn Juden doch schen Laufbahn war sie Vorsitzende Ein besonderes Augenmerk wid- die »Jerusalemer Erklärung zum Anti- wird. Diese Defi nition, die sogenannte bestimmte Menschen sind? der Querschnittsgruppe »Gleichstel- met Ulla Schmidt Menschen mit semitismus« genannt. IHRA-Defi nition zum Antisemitismus Um was geht es in der Auseinan- lung von Frau und Mann«, von  Einschränkungen. Hier hat sie sich Wie die Autorinnen und Autoren von , aufgesetzt von der Internati- dersetzung zwischen diesen beiden bis  Stellvertretende Vorsitzen- besonders auch für die Öff nung von selbst betonen, ist sie im Geist der onal Holocaust Remembrance Alliance, Defi nitionen eigentlich? Man erkennt de der SPD-Fraktion. Von  bis Kultureinrichtungen für Menschen Allgemeinen Erklärung der Menschen- einer  gegründeten zwischenstaat- einen innerjüdischen Diskurs zwischen  war sie Bundesministerin für mit Einschränkungen stark gemacht. rechte geschrieben, also ein Versuch, lichen Einrichtung, ist das eigentliche den beiden Zentren jüdischen Lebens, Gesundheit. In den Jahren  bis Wir sagen herzlich danke für viele das Phänomenon des Antisemitismus Feindbild der »Jerusalemer Erklärung«. Israel und die USA. Auf der einen Seite  gehörte die soziale Sicherung Jahre gute Zusammenarbeit. allgemein und nicht partikular zu erklä- Dort heißt es: »Antisemitismus ist eine die Israelisierung der jüdischen Welt, mit zu ihrem Ressort. Ulla Schmidt ren. Gleich im Ersten Artikel wird dann bestimmte Wahrnehmung von Juden, wie der Staat Israel sich auch als der war mithin auch für die Künstler- auch Antisemitismus dem Rassismus die sich als Hass gegenüber Juden aus- Nationalstaat des jüdischen Volkes sozialversicherung zuständig. Im untergeordnet, in einem späteren Teil drücken kann.« versteht. Das bedeutet dann die Israe- Jahr  wurden auf Betreiben von wird auch klar zwischen Antisemitismus Des Weiteren besteht ein starker Be- lisierung des Antisemitismus. Hier geht Bündnis /Die Grünen massive und Antizionismus unterschieden und zug zu Israel, ja rückt die Israelkritik in es um das Partikulare, wie es auch in Änderungen an der Künstlersozial- auch Boykott als legitimer Widerstand Richtung Antisemitismus – sieben der elf der Selbstdefi nition Israels als jüdischer versicherung vorgenommen, die die beschrieben, der nicht unbedingt anti- Beispiele beziehen sich auf Israel. Auch und demokratischer Staat ausgedrückt Verwerter belasteten und die Künst- semitisch sein muss. Und wörtlich heißt diese Defi nition ist natürlich nicht wis- wird. Auf der anderen Seite die Amerika- lersozialkasse gefährdeten. Es ist be- es in Artikel : »Daher ist der, wenn- senschaftlich, sondern eine politische nisierung des jüdischen Lebens, die sich sonders Ulla Schmidt zu verdanken, gleich umstrittene, Vergleich Israels mit Erklärung, eine These zur Jerusalemer universal an Menschenrechten orientie- dass die Künstlersozialkasse wieder historischen Beispielen einschließlich Antithese. Die IHRA-Arbeitsdefi nition rend, Antisemitismus und Rassismus in ruhige Fahrwasser kam. Siedlerkolonialismus oder Apartheid ist israelbezogen, sieht Antisemitismus zusammendenken zu wollen. Es ist auch Nach ihrer Amtszeit als Bundes- nicht per se antisemitisch.« und Israelfeindschaft als sich gegensei- ein innerjüdischer Diskurs zwischen gesundheitsministerin widmete Damit unterwerfen sich die Verfasser tig konstituierende Phänomene. Diese denjenigen, die sich eher distanziert sich Ulla Schmidt insbesondere der einer bestimmten politischen Ansicht Arbeitsdefi nition ist Grundlage für viele und kritisch zu dem Staat Israel positi- Auswärtigen Kultur- und Bildungs- über Antisemitismus, Rassismus, Zio- Staaten, wie sie offi ziell Antisemitismus onieren und in ihrem Diasporajuden- politik und trat als Obfrau der SPD- nismus und Antizionismus. Sie ist na- zu defi nieren haben. So auch der Beauf- tum eine ethische Position sehen, und Fraktion für eine Stärkung dieses

türlich keine wissenschaftliche Defi ni- tragte der Bundesregierung für jüdisches denjenigen, für die Israel eine Heimat wichtigen Feldes ein. Als Stellver- KRAEHAHN BENNO FOTO: tion von Antisemitismus. Sie behauptet Leben in Deutschland und den Kampf geworden ist, auch wenn sie nicht dort tretendes Mitglied im Ausschuss für Politik & Kultur | Nr. -/ | Juli/August  AKTUELLES 03

Verwertung dieser Werke leben müssen. öff entlich-rechtlichen Rundfunk als un- Die FDP will ein modernes Urheber- verzichtbar an. Sie spricht sich neben Was kommt auf uns zu? recht und das bestehende Recht nach hoher journalistischer Qualität auch für dem Vorbild des US-amerikanischen gute Unterhaltung aus. Die FDP hinge- Eine Kurzdurchsicht der orientieren. Die FDP geht beim Umbau und Kreativwirtschaft und Urheberrecht »Fair Use«-Prinzips weiterentwickeln. gen plant, sich für eine Reduzierung des Programme zur Bundes- des bisherigen Arbeitslosengelds II am gesprochen wird, bis auf Ausnahmen, Die bisherigen Schranken sollen durch öff entlich-rechtlichen Rundfunks auf weitesten. Sie will ein liberales Bürger- die Verwerter künstlerischer Leistungen eine Bagatellklausel für private Nut- Nachrichten, Kultur, politische Bildung tagswahl  geld einführen, das die bisherigen steu- nicht in den Blick nehmen. zungen ersetzt werden. Das Verhältnis und Dokumentationen einzusetzen. Die erfi nanzierten Sozialleistungen ersetzt. In den Hochschulen wollen Bündnis zwischen Kunstfreiheit und dem Schutz Zahl der Fernseh- und Hörfunkkanäle OLAF ZIMMERMANN UND Arbeitslosengeld II, Grundsicherung im /Die Grünen Open Access zum Stan- geistigen Eigentums soll neu gedacht soll reduziert und der Rundfunkbeitrag GABRIELE SCHULZ Alter, Hilfe zum Lebensunterhalt oder dard erklären und als wissenschaftliche werden. Allerdings gesteht auch die gesenkt werden. Im Internet sollen nur auch Wohngeld sollen in einer Leistung Leitidee etablieren. Damit erteilen sie FDP den Urhebern einen wirtschaftli- noch Beiträge angeboten werden, die achdem CDU und CSU am . an einer staatlichen Stelle zusammen- dem Verlagswesen, dass sich auf wissen- chen Ertrag aus der Nutzung ihrer Werke mit klassischem Rundfunk vergleichbar Juni dieses Jahres ihr Wahlpro- gefasst werden. Dabei wird an das Mo- schaftliche Publikationen spezialisiert zu. Erstaunlicherweise für die FDP, die sind. Dies ist eine starke Beschneidung N gramm für die Bundestagswahl dell einer negativen Einkommenssteu- hat und für das Hochschulen zentral ist, sich ansonsten für Unternehmen stark des bestehenden öff entlich-rechtlichen  vorgestellt haben, liegen die Wahl- er gedacht, d.h. wenn ein bestimmtes eine klare Absage. Die angemessene Ver- macht, wird die Kultur- und Kreativ- Rundfunksystems. Die SPD hingegen programme aller im Deutschen Bundes- Einkommen unterschritten wird, eine gütung von Urhebern aus der Nutzung wirtschaft auf Urheber reduziert. Dass setzt sich für einen starken öff entlich- tag vertretenen Parteien vor. Die Linke staatliche Leistung an die Stelle der ihrer Werke soll sichergestellt werden. Unternehmen, wie Verlage, Filmprodu- rechtlichen Rundfunk ein, dessen Auf- hat noch nicht alle Änderungen in den Einkommensteuerzahlung tritt. Dies Zur Sicherung der Rechte von Verwer- zenten, Tonträgerherstellen und andere, trag in der digitalen Medienwelt wei- veröff entlichten Text eingearbeitet, da- wäre eine Art Grundeinkommen. Die tern werden keine Aussagen gemacht, aus der Verwertung von Werken einen terentwickelt werden soll. Die AfD will her kann sich in diesem Beitrag nur auf SPD plant off ensichtliche Schutzlücken dass steht zusammen mit den Aussagen wirtschaftlichen Ertrag ziehen müssen, den öff entlich-rechtlichen Rundfunk den Programmentwurf bezogen werden. in der sozialen Sicherung von kleinen zu Open Access in einem Gegensatz zur kommt bei der FDP nicht vor. Wenn über auf einen »Grundfunk« reduzieren. Er Im Folgenden soll vor allem auf die Selbständigen und Kreativen zu schlie- beabsichtigten Stärkung der Kultur- und die Kultur- und Kreativwirtschaft ge- soll ein Zehntel des bisherigen Umfangs Gestaltung der Rahmenbedingungen ßen. Dabei soll auch der Wechsel zwi- Kreativwirtschaft. Für Bündnis /Die sprochen wird, ist nur von der Öff nung haben und sich auf neutrale Inhalte aus und dabei speziell auf Fragen der sozi- schen abhängiger Beschäftigung und Grünen scheint die Kultur- und Krea- von Förderprogrammen die Rede. Die Information, Kultur und Bildung kon- alen Sicherung und das Urheberrecht Selbständigkeit besser berücksichtigt tivwirtschaft weniger aus Unternehmen, SPD will die Rahmenbedingungen auf zentrieren. Weiter soll es einen schlan- eingegangen werden. Alle Parteien be- werden. Die Beiträge zur Krankenver- die sich am Markt bewähren müssen als den Märkten der Kultur- und Kreativ- ken »Heimatfunk« als Schaufenster der kennen sich zur Kulturförderung, zur sicherung sollen bei Selbständigen wie vielmehr aus Künstlerinnen und Künst- wirtschaft so weiterentwickeln, dass Regionen geben. Der Grundfunk soll aus Bedeutung der Erinnerungskultur sowie bei abhängig Beschäftigten am tatsäch- ler, die unterstützt werden müssen, zu Geschäfts- und Erlösmodelle gestärkt Abgaben von Technologiekonzernen, die zur Relevanz der Auswärtigen Kultur- lichen Einkommen bemessen werden. bestehen. CDU/CSU wollen die Rahmen- werden. Auch bei digitalen Kulturveran- audiovisuelle Inhalte verbreiten, fi nan- und Bildungspolitik. Mit Blick auf die Zusätzlich soll ein beitragsfi nanziertes bedingungen so setzen, dass die Ange- staltungen sollen Erlösmodelle Einzug ziert werden. Erinnerungskultur spielt bei fast allen Sicherungsgeld eingeführt werden, das bote der Kunst- und Kreativwirtschaft in halten. Die AfD konzentriert sich im die Auseinandersetzung mit dem Kolo- bei Auftragseinbrüchen ähnlich der Ar- der digitalen Ära nachhaltig refi nanziert Urheberrecht auf die Abschaff ung von Fazit nialismus eine wichtige Rolle. Einzig die beitslosenversicherung eintritt. Dieses werden können. Hier scheint also ein Upload-Filtern. In den drei beschriebenen Bereichen, AfD hat ein besonderes Bild der Kultur- Sicherungsgeld soll Vorrang vor der breiterer Kultur- und Kreativwirtschafts- Soziale Sicherheit, Urheberrecht und förderung und der Kulturpolitik, in dem Grundsicherung haben. Hiermit wird begriff zu bestehen. Die Linke will die Öff entlich-rechtlicher Rundfunk öff entlich-rechtlicher Rundfunk, zeigen sie sich auf deutsche Kultur konzentriert, auf die aktuellen Probleme von Solo- Verhandlungsmacht der Kreativen im Der öff entlich-rechtliche Rundfunk soll sich sehr deutliche Unterschiede in den sich gegen die aktuelle Auseinanderset- selbständigen reagiert, die oft durch das Urhebervertragsrecht stärken. Darüber von Bündnis /Die Grünen gestärkt Wahlprogrammen der Parteien ab. Es ist zung mit dem Kolonialismus stellt, das Rost der Wirtschaftshilfen fallen. Die hinaus soll das Urheberrecht an die werden, dazu zählt eine ausreichende nicht egal, wer nach der Bundestagswahl Kaiserreich stärker gewürdigt wissen soziale Sicherung für unständig und für Anforderungen im digitalen Zeitalten, Finanzierung und ein Programmauftrag, Ende September die kommende Bun- will und Deutsch als Landessprache im kurz befristet Beschäftigte soll verbes- hier speziell bei Forschung, Bildung und der alle gesellschaftlichen Bereiche um- desregierung stellt. Der Kulturbereich Grundgesetz verankern möchte. In der sert werden. Weiter soll die Grundsiche- Wissenschaft, angepasst. Es wird sich für fasst. Zu einem starken öff entlich-recht- wird von dieser Entscheidung intensiv Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik rung zu einem Bürgergeld weiterentwi- ein Urheberrecht eingesetzt, dass einen lichen Rundfunk wird sich von CDU/CSU betroff en sein. Deshalb prüfen Sie in- will die AfD ein positives Deutschland- ckelt werden. Aus den Regelungen der Ausgleich zwischen den Interessen der bekannt. Allerdings soll der Auftrag dem tensiv, bevor Sie sich entscheiden. bild vermittelt wissen. Die Digitalisie- Corona-Pandemie soll mitgenommen Wissenschaft und der Urheber sucht. technischen Fortschritt und Nutzungs- rung wollen alle Parteien vorantreiben. werden, dass Vermögen und Wohnungs- Auch hier wieder kein Wort über die Ver- verhalten entsprechend weiterentwi- Olaf Zimmermann ist Geschäftsführer CDU/CSU wollen ein Bundesministerium größe innerhalb der ersten zwei Jahre werter, also jene, die urheberrechtlich ckelt werden. Die Deutsche Welle will des Deutschen Kulturrates. Gabriele für digitale Innovationen und Transfor- des Bürgergeldbezugs nicht geprüft wer- geschützte Werke dem Markt zugäng- CDU/CSU zum stärksten Auslandssender Schulz ist Stellvertretende Geschäfts- mation schaff en. Ähnliches fordert die den. Die AfD will das Arbeitslosengeld II lich machen und die ihrerseits von der Europas ausbauen. Die Linke sieht den führerin des Deutschen Kulturrates FDP mit dem Bundesministerium für zu einer aktivierenden Grundsicherung digitale Transformation. weiterentwickeln. Für Selbständige, denen sonst Al- Soziale Sicherung tersarmut droht, planen Bündnis / In der Corona-Pandemie wurde deutlich, Die Grünen die Aufnahme in die gesetz- wie wichtig ein stabiles soziales Siche- liche Rentenversicherung. Auch CDU/ rungssystem ist. Auch im Kultur- und CSU planen eine Altersvorsorgepfl icht Medienbereich hat sich Kurzarbeit als für Selbständige. Hier besteht allerdings ein gutes Instrument erwiesen, damit die Einschränkung, dass dies nur für die- Betriebe ihre Mitarbeiterinnen und Mit- jenigen gelten soll, die nicht anderwei- arbeiter nicht entlassen müssen. Genau- tig abgesichert sind. Ebenso sollen die so deutlich wurden aber auch die Lücken berufsständischen Versorgungswerke, in der Absicherung von Soloselbstän- wie sie im Kulturbereich beispielswei- digen. Viele waren auf Grundsicherung se für Architekten bestehen, erhalten angewiesen. bleiben. Die Linke plant eine solidari- Für die nächste Wahlperiode planen sche Erwerbstätigenversicherung, in Bündnis /Die Grünen den Ersatz von die alle Erwerbstätigen unabhängig Arbeitslosengeld II durch eine Garantie- von ihrem Erwerbsstatus einzahlen sicherung. Die bestehenden Regelsätze müssen. Die FDP hingegen strebt ma- sollen schrittweise angehoben werden ximale Wahlfreiheit für Selbständige und so das soziokulturelle Existenzmi- bei der Altersvorsorge an – mit Aus- nimum sicherstellen. Für die Zeit der nahme der Gründungsphase, hier soll Coronakrise sollen Kulturschaff ende eine Pfl icht zur Altersvorsorge gelten. ein Existenzgeld von . Euro pro Eine bisherige Pfl ichtversicherung in Monat erhalten. Das Arbeitslosengeld der gesetzlichen Rentenversicherung II wollen ebenfalls CDU/CSU neu ausge- soll fortgeführt werden. Auch bei der stalten, ein besonderes Augenmerk soll Rente denkt die FDP grundsätzlich. Sie auf die Aufnahme von Beschäftigung will eine Basisrente einführen, die die „Die Einzigen, gelegt werden. CDU/CSU wollen ferner, bisherige Grundsicherung ersetzt. Die die Künstlersozialversicherung stärken SPD will eine grundsätzliche Pfl icht zur und dabei den Schutz in der gesetzlichen Altersvorsorge einführen und Selbstän- die reden dürfen, Kranken- und Pfl egeversicherung bei dige so schrittweise in die gesetzliche selbständiger nicht-künstlerischer Ne- Rentenversicherung integrieren. Die be- während ich schreibe.“ bentätigkeit dauerhaft ausbauen. Eben- stehenden Sondersystem unter anderem Jackie Thomae, Autorin so soll geprüft werden, wie die Arbeits- für Beamte sollen überwunden werden. losenversicherung für Selbständige der Kreativbranche weiterentwickelt werden Marktordnungsrecht: Urheberrecht kann. Die Linke will das bisherige Ar- In den vergangenen Jahrzehnten stand beitslosengeld II durch ein Arbeitslo- das Urheberrecht sehr oft im Mittel- sengeld Plus ersetzen, das lohnbezogen punkt kulturpolitischer Debatten. Dies sein soll. Soloselbständige sollen in alle ist wenig verwunderlich, handelt es Zweige der Sozialversicherung (Kran- sich doch in erster Linie um ein Markt- ken-, Pfl ege-, Arbeitslosen- und Renten- ordnungsrecht für Unternehmen und versicherung) einbezogen werden. Auch Unternehmer des Kulturbereiches, also will Die Linke für branchenspezifi sche Künstlerinnen und Künstler und die Mindesthonorare und Ausstellungsver- Verwerter von Kunst, also Verlage, Ga- gütungen für Bildende Künstler streiten. lerien, Tonträgerhersteller und andere. Unabhängig. Die FDP will sich dafür stark machen, Ziel ist es, dass sie einen ökonomischen Unverzichtbar. dass sich die Beiträge von Selbständi- Ertrag aus ihrer Arbeit ziehen können. Unverwechselbar. gen zur gesetzlichen Krankenversiche- Bemerkenswert bei den Aussagen der rung an den tatsächlichen Einnahmen Parteien ist, dass sie, wenn von Kultur- 04 INLAND www.politikundkultur.net

Das größte Programm zur MEHR DAZU Sonderfonds für Veranstaltungen der Kulturbranche Förderung des Kulturbereichs Wer wird gefördert? Veranstalterinnen und Veranstalter Drei Fragen an Olaf Scholz zum Sonderfonds für Veranstaltungen der Kulturbranche von Kulturveranstaltungen. Veran- stalterin oder Veranstalter ist, wer das Vor rund fünf Monaten stellte Bun- Der Sonderfonds kommt jetzt ge- Sicherheit geben, damit sie wirklich durchzustehen hatten in dieser wirtschaftliche und organisatorische desfi nanzminister Olaf Scholz einen nau richtig. Nach der harten Zeit wieder loslegen können. Wir ma- Krise, kann man nicht einfach mit Risiko einer Veranstaltung trägt. Ver- Sonderfonds zur Unterstützung von der Beschränkungen kann unser chen zum einen Veranstaltungen ein paar Euros ausgleichen. Für anstalterinnen und Veranstalter in öf- Kulturveranstaltungen in Aussicht – kulturelles Leben langsam wieder auch unter den noch geltenden mich war entscheidend, für die fentlicher Trägerschaft sind ebenfalls nun ist er endlich da. Politik & Kultur losgehen. Theater, Konzertbühnen Aufl agen rentabel, weil wir mit dem notwendige Unterstützung zu antragsberechtigt, können jedoch nur fragt erneut nach. und Kinos öff nen wieder ihre Pfor- Fonds die Ticketeinnahmen aufsto- sorgen, damit wir gemeinsam und die Wirtschaftlichkeitshilfe beantragen. ten. Das sind schöne Nachrichten. cken. Zum anderen unterstützen wir mit Schwung aus der Coronakrise In der Februarausgabe von Politik Alle haben sehnsüchtig darauf ge- die Planung großer Veranstaltungen, kommen. Nur so konnten und kön- Wer ist antragsberechtigt? & Kultur haben Sie einen Sonder- wartet, endlich wieder gemeinsam damit auch sie überhaupt wieder nen wir eine fatale Abwärtsspirale Antragsberechtigt sind Veranstalter fol- fonds für Veranstaltungen der Kultur zu erleben. Der Neustart stattfi nden können. Falls steigende verhindern. gender – in Deutschland stattfi ndender Kulturbranche angekündigt. Ende des Kulturlebens ist natürlich eine Infektionszahlen den Planungen – Kulturveranstaltungen, welche Ein- Mai wurden im Bundeskabinett besondere Herzensangelegenheit noch einen Strich durch die Rech- Als wir zuletzt Ende Januar nahmen aus dem Verkauf von Tickets die notwendigen Beschlüsse ge- für alle Künstlerinnen und Sänger, nung machen sollten, springen wir sprachen, machten Sie sich erzielen: fasst, seit Mitte Juni kann sich für Technikerinnen, Veranstalter und mit dem Fonds ein. weiterhin dafür stark, dass sich – Aufführungen der darstellenden den Sonderfonds des Bundes für Kulturmanagerinnen. Der Sonder- die mittelfristigen Folgen der Kunst Kulturveranstaltungen registriert fonds gibt ihnen jetzt den nötigen , Milliarden Euro umfasst der Corona-Pandemie für Kultur und – Konzerte einschließlich Livemusik- werden. Kommt er zum richtigen Rückenwind. Der wichtigste Punkt Sonderfonds des Bundes für Kul- Medien in Grenzen halten. Wie Konzerte mit einem kuratierten Mu- Zeitpunkt? ist, dass wir den Kulturschaff enden turveranstaltungen. Meinen Sie, schätzen Sie heute die Situation sikprogramm, sofern der Veranstalter die Summe reicht? ein? in Musikclubs im Jahr  mindes- Der Sonderfonds ist das größte Kul- Da bin ich zuversichtlich. Der Son- tens  kuratierte Livemusik-Konzerte turförderprogramm in der Geschich- derfonds als riesiges Kulturförder- verschiedener Künstler und Künstle- te der Bundesrepublik. Ich gehe da- programm steht ja nicht alleine rinnen veranstaltet hat. Livemusik- von aus, dass diese Summe ausrei- da. Die Bürgerinnen und Bürger, Konzerte in diesem Sinne sind gezielte chen wird, aber wir behalten das im die nach der Pandemie eine große Auff ührungen von Musiker und Mu- Blick. Die Bundesregierung nimmt Sehnsucht nach Kultur haben, wer- sikerinnen (einschließlich Ereignisse enorm viel Geld in die Hand, um die den auch dafür sorgen, dass es rich- mit kreativen/ künstlerischen/ selbst vielfältige Kulturlandschaft in un- tig brummt. Der Grund ist einfach: produzierenden DJs) grundsätzlich serem Land zu erhalten. Damit das Wir brauchen Kultur und Medien. auf einer Bühne vor einem Publikum, gelingt, habe ich den Sonderfonds Sie sind zentral für unsere off ene für die speziell geworben wurde. auf den Weg gebracht. Die Pandemie Gesellschaft. Deshalb: Es führt kein – Vorführungen in den Bereichen Film hat von allen viel gefordert. Gerade Weg daran vorbei, dass wir wieder und Medien, einschließlich Kinos für die Kulturschaff enden hat sie zurückfi nden werden zu dem groß- und Freiluftfi lmvorführungen einen schmerzhaften Einschnitt mit artigen, reichen kulturellen Leben – Sonderausstellungen zur Vermittlung sich gebracht – einen Einschnitt, der in Deutschland. Ich glaube, wir ha- künstlerischer oder kultureller Inhal- weit über die wirtschaftliche Belas- ben allen Grund zum Optimismus. te, einschließlich tung durch die Krise hinausgeht. Um – Lesungen und sonstige Literaturver- das noch mal klar zu sagen: Das, was Olaf Scholz ist Bundesminister für anstaltungen

FOTO: BUNDESMUNISTERIUM DER FINANZEN DER BUNDESMUNISTERIUM FOTO: die Künstler und Veranstalterinnen Finanzen der Bundesrepublik – Festivals aller Kunstsparten und Der Bundesminister für Finanzen Olaf Scholz und alle anderen Kulturschaff enden Deutschland spartenübergreifende Kulturveran- staltungen in den o.g. Sparten

Welche Unterstützungen bestehen? Bühnen zurückkehren und sich das Der Sonderfonds für Kulturveranstal- kulturelle Leben in Deutschland tungen startet gestaff elt: »Die Sehnsucht nach wieder in seiner ganzen Fülle und – ab . Juli bis . Juli : Wirtschaft- Vielfalt entfalten kann. Auf Dauer lichkeitshilfe für Veranstaltungen mit kann kein Bildschirm erlebnis das bis zu  möglichen Teilnehmern Gemeinschaftserlebnis ersetzen. Die – ab . August : Wirtschaftlich- Kultur ist riesengroß« Veranstalter brauchen jetzt die Ge- keitshilfe für Veranstaltungen mit wissheit, dass es sich lohnt, trotz der bis zu . möglichen Teilnehmern Drei Fragen an Monika Kulturverbänden der entscheidende Antragstellung mit den notwendigen noch notwendigen Infektionsschutz- – ab . September : Ausfallabsiche- Grütters zum Sonderfonds Erfolgsfaktor, deshalb werden wir Belegen erforderlich. Dabei können aufl agen und der Unsicherheit über rung für Veranstaltungen mit mehr beim Sonderfonds ähnlich verfahren. sich beide Programme tatsächlich den weiteren Pandemieverlauf eine als . möglichen Teilnehmern des Bundes für Kultur- Aus diesem Grund ist der Deutsche sehr gut ergänzen: Wo NEUSTART Kulturveranstaltung zu planen und veranstaltungen Kulturrat als Spitzenverband der KULTUR künstlerische Projekte er- auszurichten. Ich hoff e und gehe fest Was muss getan werden? Bundeskulturverbände in dem Bund- möglicht, sichert der Sonderfonds davon aus, dass viele Kulturmanage- . Anmeldung und Registrierung. Ohne Der Beauftragten der Bundesregierung Länder-Lenkungsausschuss für den ihre Umsetzung zusätzlich ab. Aller- rinnen und -manager die Angebote vorherige Registrierung ist eine An- für Kultur und Medien, Staatsminis- Sonderfonds vertreten. Der Deutsche dings können einzelne Projektkosten des Sonderfonds annehmen und tragstellung nicht möglich. terin Monika Grütters, kommt beim Kulturrat nimmt hier als Katalysator nicht doppelt durch beide Program- unser Kulturleben nach den schwie- . Durchführung der Veranstaltung Sonderfonds des Bundes für Kultur- und Sprachrohr eine wichtige Rolle me gefördert werden. rigen Monaten des Lockdowns jetzt . Vervollständigung der Angaben, so veranstaltungen die Federführung in- ein. Ich freue mich, dass wir damit bald wieder zu neuer Blüte bringen. u.a. Gegenüberstellung der Einnah- nerhalb der Bundesregierung zu. Poli- einen Aufbau gefunden haben, mit Welche Erwartungen sind Ihrer- Die große Nachfrage seit der Frei- men und Ausgaben der Veranstaltung. tik & Kultur fragt nach, was genau zu dem der Sonderfonds erfolgreich seits mit dem Sonderfonds verbun- schaltung der Registrierung am . . Beantragung der Hilfen. erwarten ist und welche Unterschiede gestartet ist und seine Wirkung voll den? Inwieweit kann er wirklich Juni zeigt, dass uns der Start des es zu NEUSTART KULTUR gibt. entfalten kann. die mittelfristigen Folgen der Sonderfonds jedenfalls schon mal Ab wann können Veranstaltungen re- Corona-Pandemie eindämmen? gut gelungen ist. gistriert werden und Anträge gestellt Ende Mai wurden im Bundeskabi- Wie unterscheidet sich der neue Die Sehnsucht nach Kultur ist rie- werden? nett die notwendigen Beschlüsse Sonderfonds von NEUSTART KUL- sengroß. Wir alle warten voll Un- Monika Grütters ist Staatsministerin – Veranstaltungen müssen vor ihrer gefasst, damit der , Milliarden TUR? Inwiefern ergänzen sich die geduld darauf, dass Musik, Theater, bei der Bundeskanzlerin und Die (geplanten) Durchführung auf der Euro starke Sonderfonds des Bun- Programme? Und wie können Kul- Oper, Tanz, Film, Literatur, Comedy Beauftragte der Bundesregierung für IT-Plattform registriert werden. Die des für Kulturveranstaltungen turschaff ende insbesondere aus und Festivals bald wieder auf die Kultur und Medien Registrierung von Veranstaltungen starten kann. Die Verantwortung dieser Kombination profi tieren? für die Wirtschaftlichkeitshilfe ist ab auf der Bundesseite liegt nach Zunächst einmal unterscheiden sich dem .. möglich. Registrierte den Vorbereitungen im Bundesfi - die beiden Programme vom Ansatz Veranstaltungen müssen für den Zeit- nanzministerium in Ihrem Ressort. her: NEUSTART KULTUR besteht raum zwischen dem . Juli  (bei Wie zufrieden sind Sie mit dem aus einer Vielzahl branchenspezifi - bis zu  möglichen Teilnehmern) Aufbau? scher Einzelprogramme, mit denen bzw. dem . August  (bei bis zu Bei der Umsetzung des Fonds hat wir Kultureinrichtungen, Projekte . möglichen Teilnehmern) und mein Haus als fachlich zuständiges oder individuelle Künstlerinnen und dem . März  geplant sein. Ressort die Federführung innerhalb Künstler unterstützen. Die Förder- – Die Registrierung von Veranstaltun- der Bundesregierung übernommen. entscheidungen werden in vielen Fäl- gen für die Ausfallabsicherung ist ab Dabei werden wir weiterhin eng und len von Jurys getroff en, die sich mit dem .. möglich. Registrierte partnerschaftlich mit dem Bundes- den künstlerischen Inhalten ausein- Veranstaltungen müssen für den Zeit- fi nanzministerium und den Ländern andersetzen. Das ist bei dem Sonder- raum zwischen dem . September zusammenarbeiten. Unser Ziel ist es, fonds anders. Um den Sonderfonds  und dem . Dezember  den Sonderfonds möglichst passge- in Anspruch nehmen zu können, sind geplant sein. nau auf die Bedürfnisse der Branche lediglich vor Durchführung einer abzustimmen. Bei unserem großen Veranstaltung eine Registrierung und Mehr Infos unter:

Programm NEUSTART KULTUR war nach der Realisierung beziehungs- JUNGWOLFF A. ELKE FOTO: sonderfonds-kulturveranstaltungen.de der enge Schulterschluss mit den weise Absage der Veranstaltung eine Staatsminsterin Monika Grütters Service-Hotline   Politik & Kultur | Nr. -/ | Juli/August  INLAND 05

det Aufarbeitung statt. Auch wenn es unterschiedliche Auff assungen im De- tail gibt, wir sind uns als Kulturpoliti- kerinnen und Kulturpolitiker über die Fraktionsgrenzen hinweg einig, dass es gut ist, noch in dieser Wahlperiode die Stiftung auf den Weg gebracht zu haben. Natürlich hätte ich mir als Ostdeutsche den Sitz der Stiftung in einem ostdeut- schen Bundesland gewünscht. Aber noch wichtiger ist es, die Stiftung jetzt mit Leben zu füllen. Es müssen Bildungs- konzepte entwickelt werden, die auch mit digitalen Methoden vor allem die junge Generation erreichen. Wir müssen auch die Einrichtungen einbeziehen, die sich z. B. mit der Geschichte der Arbei- terbewegung und den Gewerkschaften oder auch mit dem Frauenwahlrecht und der Gleichstellung beschäftigen. Und wir müssen zivilgesellschaftliche Initi- ativen unterstützen, die sich der deut- schen Geschichte und der Stärkung der Demokratie verschrieben haben; nicht zu vergessen die Hochschulen und die außeruniversitären Forschungseinrich- tungen.

FOTO: PICTURE ALLIANCE / IMAGEBROKER | MARTIN MOXTER MARTIN | IMAGEBROKER / ALLIANCE PICTURE FOTO: Hier haben wir eine neue, eine große An vielen Orten wurde deutsche Demokratiegeschichte geschrieben. Einer davon ist das Hambacher Schloss. Hier wird an das Hambacher Fest von  gedacht Aufgabe. Denn in Deutschland gibt es eine ganze Generation, die unser Land nur so kennt, wie es jetzt ist: demo- kratisch, wiedervereint und frei. Ihnen müssen wir anschaulich und erlebbar Erinnerungskultur zeigen, dass es auch andere, dunklere Zeiten in unserer Geschichte gab, die Wir brauchen einen weiten Blick auf unsere Freiheits- und Demokratiegeschichte wir nie wieder erleben wollen. Und ihnen müssen wir auch zeigen, dass Demokra- KATRIN BUDDE Und genau deshalb müssen wir unse- wie die Bedeutung einer freiheitlichen Regionen werden im Laufe der Arbeit tie nicht selbstverständlich ist, dass es ren Blick weiten, ohne zu vergessen. demokratischen Grundordnung sollen der Stiftung aufgenommen werden. De- jeden und jede braucht, sie mit Leben eutschland hat eine wech- Wir müssen auch die positiven und gefördert werden. Ja, gerade in der Zeit mokratiegeschichte muss anfassbar und zu erfüllen, zu bewahren, zu verteidigen, selvolle Geschichte. Wenn mitmachenden Ereignisse unserer wie der unsrigen ist es wichtig, dass un- erlebbar sein, überall in der Nachbar- weiterzuentwickeln. wir an unsere Geschichte Demokratiegeschichte erkennbar und sere Demokratie tagtäglich verteidigt schaft, denn sie hat überall stattgefun- D denken und erinnern, den- erlebbar machen. Denn es braucht eine und geschützt wird. Demokratie war den und muss überall verteidigt werden. Katrin Budde ist Vorsitzende des ken und erinnern wir an die schlimmen gefestigte Demokratie, um Angriff en und ist nicht selbstverständlich und sie Die Anhörung im Kulturausschuss Ausschusses für Kultur und Medien des Ereignisse: an die verheerenden Folgen von Demagogen, Rassisten und ewig ist auch zerbrechlich. hat gezeigt, dass es eine breite Mehrheit Deutschen Bundestages der von Gewalt und Terror geprägten Gestrigen entgegenzutreten. Mit dieser Stiftung wollen wir beste- im Deutschen Bundestag für diese Stif- Zeit des Nationalsozialismus und an die Deshalb ist es richtig, dass die Ko- hende und entstehende Erinnerungsor- tung gibt. Auch die Sachverständigen SED-Diktatur, die die Menschen unter- alitionsfraktionen den Entwurf eines te und Netzwerke unterstützen, Koope- haben immer wieder die Notwendigkeit STIMME AUS drückte, überwachte, verfolgte, ihnen Gesetzes zur Errichtung einer »Stiftung rationen auf nationaler, europäischer betont, vor allem auch kleinere Orte Gewalt antat. Und das hat seine Gründe, Orte der deutschen Demokratiege- und internationaler Ebene fördern. erkennbar, erlebbar zu machen und sie DEM PARLAMENT denn das letzte Jahrhundert war das schichte« in den Deutschen Bundestag In dem zur Stiftung gehörenden zu fördern. Jahrhundert der Diktaturen, und von eingebracht, wir dazu als federführen- Rahmenkonzept werden zwar nur gro- Es gibt auch Orte, die für Diktatur In der Beitragsreihe »Stimme aus Deutschland ist unendlich viel Leid der Ausschuss für Kultur und Medien ße Erinnerungsorte wie die Frankfurter und Demokratie gleichermaßen ste- dem Parlament« berichten die Vor- über die Welt gebracht worden. eine Anhörung durchgeführt und das Paulskirche, das Hambacher Schloss hen. Ich meine z. B. die ehemaligen sitzende des Kulturausschusses des Bundespräsident Frank-Walter Gesetz im Parlament inzwischen ver- oder das Haus der Weimarer Republik Stasi-Verwaltungen. Sie stehen auf der Europäischen Parlaments, Sabine Steinmeier schrieb dazu  in einem abschiedet haben. genannt, doch dabei soll es nicht blei- einen Seite für Diktatur, Repression und Verheyen, und die Vorsitzende des Artikel in »Die Zeit«, dass das, was sich Der Zweck der Stiftung ist klar defi - ben. Es gibt zahllose Erinnerungs- und Überwachung, auf der anderen Seite sind Kulturausschusses des Deutschen nicht wiederholen solle, nicht verges- niert: Die Auseinandersetzung in Ge- Ereignisorte in unserem Land, die zu sie aber auch ein Symbol der Friedlichen Bundestages, Katrin Budde, von der sen werden dürfe. Aber auch an das, war sellschaft, Bildungseinrichtungen und Lernorten werden sollen. Das Konzept Revolution, denn mutige Bürgerinnen Ausschussarbeit. Die bisher erschie- Vorbild gewesen sei und Zukunft haben Wissenschaft mit der wechselvollen ist ein lernendes Konzept, weitere Orte, und Bürger haben die Stasi-Akten vor nenen Beiträge der Reihe können Sie solle, müsse erinnert werden. deutschen Demokratiegeschichte so- vor allem auch kleine in den ländlichen der Vernichtung gerettet, und es fi n- hier nachlesen: bit.ly/lGYeTS

Kultur(politik) neu denken

Die Zukunft der Kultur vermessen werden muss. Wie kann Theater oder Orchester an Förderver- hen, ist groß. Es wird allerdings nicht Ministerium für Kultur und Wissen- in NRW Kulturförderung experimentierfreu- einbarungen, um zu verhindern, dass ausreichen, den klassischen Kultur- schaft des Landes NRW eine weitge- diger, unbürokratischer, langfristiger die Kulturförderung als freiwillige betrieb mit einer jungen Leitung zu hende Übereinstimmung bezüglich der planbar und damit nachhaltig wirksam Aufgabe der Kommunen bei Sparrun- besetzen, die Kultureinrichtungen der kulturpolitischen Ziele und der Erhö- CATALINA ROJAS HAUSER erfolgen?« den infrage gestellt wird. Sie sagte zu, Freien Szene zu institutionalisieren hung des Kulturetats. Doch mehr Geld UND HEIKE HEROLD Der Vorsitzende des Kulturausschus- gemeinsam mit den Kulturakteurinnen und Künstlerinnen und Künstlern ein ist das eine. »Zukunft.KULTUR.NRW« ses des NRW Städtetags Jörg Stüde- und -akteuren an weiteren zentralen lebenslanges Stipendium anzubieten. hat gezeigt: Unsere Zeiten erfordern ein nabhängig von der Pandemie mann rief dazu auf, »eine kulturpoliti- Handlungsfeldern weiterzuarbeiten. Die Zukunftsfähigkeit der Kultur ist von grundlegend neues Denken und neue ist ein Signal für die Selbstbe- sche Repertoire- und Perspektiverwei- In sieben Themenpanels, in denen vielen Komponenten abhängig, allen Lösungsansätze. Ein sehr guter Anfang U hauptung der Kultur notwendig. terung« zu erschließen. Er wies unter das Spektrum von der Diversität bis voran von der Beweglichkeit aller Be- ist nun gemacht. Dies wurde mehr als deutlich, als am . anderem auf die Bedeutung einer »neu- zur Digitalisierung reichte, wurden teiligten dieses komplexen Systems. Für jedes der behandelten Themen Mai  der Kulturrat NRW, das NRW en urbanen Kultur« hin, Kulturbereiche im regen Austausch unter anderem Als wesentliche Grundbedingungen für wurde inzwischen eine Arbeitsgrup- KULTURsekretariat (Wuppertal), das also, die bisher keinen systematischen folgende Zielfragen formuliert: Wel- eine nachhaltige Entwicklung wurde pe gebildet, die an der Erstellung der Kultursekretariat NRW Gütersloh und Eingang in die öff entliche Förderung chem gesellschaftlichen Wandel ist Qualifi zierung in den Bereichen Per- Handlungsempfehlungen weiterarbei- der Städtetag NRW mehr als  Teil- gefunden haben, wie z. B. Kulturformen die Kultur ausgesetzt? Wofür werden sonalentwicklung, Digitalisierung und tet. Der Kulturrat NRW strebt gemein- nehmende zu einer Digital-Konferenz der Einwanderungsgemeinschaften. die Aufwüchse des Kulturetats ausge- Diversität herausgearbeitet. Nicht die sam mit seinen Partnern an, diese in zusammenführten, um über kulturpo- Und die NRW-Kulturministerin Isabel geben? Wie lässt sich Beteiligung or- Ablösung der Projektförderung – sie ist einer Monitoring-Konferenz am Ende litisch zukunftsrelevante Themen zu Pfeiff er-Poensgen erläuterte konkrete ganisieren? Wie sieht die Nachhaltig- hervorragend geeignet für Experimente, des Jahres erneut in einem Digital- diskutieren und den Grundstein für Entscheidungen und Perspektiven der keit der Strukturen aus? Wie gelingt Versuchsanordnungen und Nachwuchs- Format zu präsentieren. Auch diese Handlungsempfehlungen an die NRW- Landesregierung und machte damit die Diversifi zierung der Personalstruk- förderung –, sondern die stärkere Pro- Fortsetzung lebt von dem Engagement Politik zu legen. deutlich, dass sie und die Landesre- turen (auch in der Verwaltung)? Was zessorientierung hin zu Stabilität und der Mitglieder und Freunde des Kultur- »Wir wollen Kulturpolitik auf den gierung die expansive Kulturpolitik sind Gelingensbedingungen für ei- guten Arbeitsbedingungen muss ein rates NRW. Prüfstand stellen«, erläuterte der Vor- fortsetzen werden. ne zeitgemäße Kulturarbeit? Wie wesentliches Merkmal von Förderung sitzende des Kulturrates NRW Gerhart Besonderes Augenmerk lenkte sie können sinnvolle Netzwerke gebildet sein. Und schließlich kann nur die De- Catalina Rojas Hauser ist Geschäfts- Baum in seiner Begrüßung, »wir wollen auf die soziale Absicherung der Künst- werden? mokratisierung der Strukturen durch führerin des Kulturrates NRW. Heike dem Strukturwandel der Gesellschaft lerinnen und Künstler. Im Einzelnen Es war ein guter Zeitpunkt für mehr Teilgabe und Teilhabe erfolgreich Herold ist Geschäftsführerin der nachspüren, den Transformations- zeigte sie die mit dem neuen Kultur- Selbstreflexion nach einem fast an- erfolgen. Landesarbeitsgemeinschaft Soziokul- prozessen, in den urbanen und in den gesetzbuch in NRW verbundenen Fort- derthalbjährigen Ausnahmezustand In der Abschlussdiskussion ergab tureller Zentren NRW und stellvertre- ländlichen Räumen, der Digitalisierung, schritte auf. Dazu zählen beispielswei- durch Corona. Die Bereitschaft bei al- sich bei den kulturpolitischen Spre- tende Vorsitzende des Vorstands des der Diversität, den Herausforderungen se die Förderung der Bibliotheken, die len Beteiligten in Kunst, Kultur, Poli- chern der NRW-Fraktionen von CDU, Kulturrates NRW durch den Klimawandel, durch die Di- Absicherung der Musikschulen oder die tik und Verwaltung, über Veränderung FDP, SPD und Bündnis/Die Grünen versität, der Frage, ob die Kultur neu Bindung der Zuschüsse für kommunale nachzudenken und diese auch anzuge- zusammen mit Hildegard Kaluza vom Mehr dazu unter: zukunft-kultur.nrw 06 INLAND www.politikundkultur.net

FOKUS

von Upload-Plattformen auf der einen Seite und den Interessen von Nutzern Neues Urheberrecht in an einem möglichst weitgehenden Zu- gang zu urheberrechtlich geschützten Werken auf der anderen Seite hinzube- kommen. Kraft Der Deutsche Kulturrat hat zu diesem umfangreichen urheberrechtlichen Re- Auf Urheber, Rechtsinhaber, Verwertungsgesellschaften, aber auch auf Plattformen und formpaket auf europäischer und nationaler Nutzer kommen neue Aufgaben zu Ebene insgesamt sieben Stellungnahmen abgegeben. Das ist außergewöhnlich und ROBERT STAATS stimmte. Bei den Auseinandersetzungen SatCab-Richtlinie. Hervorzuheben ist Wie immer man unterstreicht die Bedeutung der Reform. um die DSM-Richtlinie ging es vor allem hier vor allem, dass die Regelungen zur Die Stellungnahmen sind, wie unschwer m . Juni  ist das Gesetz zur um die bereits erwähnte Haftung der Up- Kabelweitersendung »technologieneutral« aber zu der zu erkennen, immer ein Kompromiss der Anpassung des Urheberrechts load-Plattformen. Ursprünglich fand sich gefasst werden und auch bestimmte Wei- Reform auch im Deutschen Kulturrat vertretenen Ver- an die Erfordernisse des digi- hier der einschlägige Regelungsvorschlag tersendungen über das Internet abdecken. stehen mag, es bände. Und dazu gehören bekanntlich A talen Binnenmarktes in Kraft in Artikel  des Entwurfs, wurde aber Ganz anderes sah es bei der Umsetzung der handelt sich Urheber und Verlage, Schauspieler und getreten. Damit kommt ein Gesetzge- später zu Artikel  der verabschiedeten DSM-Richtlinie aus. Hier wurden bereits Musiker, Musik- und Filmproduzenten, bungsverfahren zum Abschluss, dass in DSM-Richtlinie. Es lohnt sich durchaus, die Regelungen zum Urhebervertragsrecht seit dem . Juni Sendeunternehmen oder Bibliotheken den letzten Jahren für erhebliche politi- die erste Formulierung im Entwurf der EU- kontrovers diskutiert. Vorgesehen sind  um gelten- und Museen. Manche Themen lassen sich sche und mediale Aufmerksamkeit sorgte. Kommission mit der fi nalen Regelung zu insbesondere neu formulierte Auskunfts- des Recht und deshalb nur mit Zurückhaltung behandeln. Das gilt vor allem für die Neuregelungen vergleichen. Da ist eine Menge passiert. ansprüche der Urheber gegenüber ihren deshalb sollte Dessen ungeachtet gab es durchaus wich- zur Haftung von Upload-Plattformen wie Nach Verabschiedung der DSM-Richt- vertraglichen Partnern sowie Dritten in tige Punkte, die übereinstimmend positiv YouTube und Co. Übersehen wird dabei linie und der Online-SatCab-Richtlinie der Lizenzkette. Ferner wurde klargestellt, unverzüglich oder negativ bewertet wurden, sogar beim gelegentlich, dass sich neben diesem hei- im April  ging es um die nationale dass sich Urheber und ausübende Künstler damit begonnen Urhebervertragsrecht. Durchgängig posi- ßen Eisen einige weitere Bestimmungen Umsetzung, die mit einer Konsultation bei urhebervertragsrechtlichen Streitigkei- werden, die neu- tiv wurde beispielsweise die Regelung zur im Gesetz fi nden, die deutlich weniger in des Bundesministeriums der Justiz und ten von Urheberverbänden vertreten las- Verlagsbeteiligung eingeschätzt, weil sie der Öff entlichkeit diskutiert wurden, für für Verbraucherschutz (BMJV) im Sommer sen können. Von ganz erheblicher Bedeu- en Regelungen die Grundlage für das erfolgreiche Mo- Urheber, Rechtsinhaber und Nutzer aber  eröff net wurde. Es folgte ein erster tung sind ferner die neuen gesetzlichen bestmöglich in dell der gemeinsamen Verwertungsgesell- dennoch von einiger Bedeutung sind. Diskussionsentwurf Anfang , der Erlaubnisse, die sogenannten »Schran- die Praxis um- schaften von Urhebern und Verlagen ist. Der Startschuss für das Gesetzgebungs- lediglich einzelne Regelungen der DSM- ken«, für Karikatur, Parodie und Pastiche, zusetzen. Es Durchgängig kritisiert wurde dagegen der verfahren fi el bereits am . September Richtlinie wie insbesondere die Verlags- Text und Data Mining und zur Nutzung Vorschlag für eine neue Pastiche-Schranke,  in Brüssel. An diesem Tag legte die beteiligung und das Presseverlegerleis- von nicht verfügbaren Werken; letztere kommen dabei weil völlig unklar ist, was genau unter ei- EU-Kommission ein »Copyright-Package« tungsschutzrecht betraf, und eigentlich als Regelung greift allerdings nur, wenn kei- einige Aufga- nem »Pastiche« zu verstehen ist. Auch die vor, zu dem vor allem der Richtlinienvor- »Schnellboot« geplant war, also kurzfristig ne Verwertungsgesellschaft Lizenzen für ben auf Urheber, Regelungsvorschläge zum UrhDaG wurden schlag über das Urheberrecht im digitalen verabschiedet werden sollte. Ein zweiter nichtverfügbare Werke vergibt. Besonders Rechtsinhaber vielfach sehr kritisch gesehen. Das galt ins- Binnenmarkt (DSM-Richtlinie) sowie der Diskussionsentwurf folgte im Juni . wichtig ist auch, dass die Beteiligung von besondere im Hinblick auf die zunächst Verordnungsvorschlag für die Wahrneh- Dieser fasste alle übrigen Regelungs- Verlagen an den Einnahmen für gesetzlich und Verwer- vorgesehene »Bagatell-Schranke« für be- mung von Urheberrechten und verwand- vorschläge zusammen, vor allem sah er erlaubte Nutzungen auf eine neue gesetz- tungsgesell- stimmte gesetzlich erlaubte Nutzungen, ten Schutzrechten in Bezug auf bestimmte ein eigenständiges Urheberrechts-Dien- liche Grundlage gestellt wird. Außerdem schaften zu, aber die im Regierungsentwurf durch das Kon- Online-Übertragungen von Rundfunk- steanbieter-Gesetz (UrhDaG) vor, mit dem wurde ein neu formuliertes Presseverle- zept der »mutmaßlich erlaubten Nutzun- veranstaltern und die Weiterverbreitung Artikel  der DSM-Richtlinie umgesetzt gerleistungsschutzrecht nebst Beteili- natürlich auch gen« ersetzt wurde und in dieser Form jetzt von Fernseh- und Hörfunkprogrammen werden sollte. Nachdem das »Schnellboot« gungsanspruch der Urheber eingeführt. auf Plattformen auch geltendes Recht geworden ist. Und als und Nutzer hätte es nicht bereits genug kontroverse Themen gegeben, schlug der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf auch noch vor, eine neue Zwangslizenz für das sogenannte »E-Lending« einzuführen. Dieser Vorschlag wurde aber im weiteren parlamentarischen Verfahren nicht aufge- griff en. Das Thema dürfte dennoch in der nächsten Legislaturperiode erneut auf der Tagesordnung stehen. Insgesamt lässt sich sagen, dass das verabschiedete Gesetz bei vielen Betei- ligten gemischte Gefühle hinterlässt. Das ist allerdings im Bereich des Urheberrechts nichts Ungewöhnliches, weil es hier in besonderer Weise darum geht, die Inte- ressen höchst unterschiedlicher Akteure in einen gerechten Ausgleich zu bringen. Dabei sollte allerdings nie vergessen wer- den, dass das Urheberrecht das Recht der Urheberinnen und Urheber ist und die rechtliche Grundlage dafür schaff t, dass Werke entstehen können, ohne die kein Verwerter, kein Nutzer und keine Plattform auskommt. Wie immer man aber zu der Reform auch stehen mag, es handelt sich seit dem . Juni  um geltendes Recht und deshalb sollte unverzüglich damit begonnen wer- den, die neuen Regelungen bestmöglich in die Praxis umzusetzen. Es kommen dabei einige Aufgaben auf Urheber, Rechtsin- haber und Verwertungsgesellschaften zu, aber natürlich auch auf Plattformen und Nutzer. Einvernehmliche Lösungen zwi- schen den Beteiligten werden dabei häufi g der bessere, vor allem aber ein schnellerer

FOTO: PIXABAY/SKITTERPHOTO FOTO: Weg sein als die Anrufung der Gerichte. Filterfunktion?: Die sogenannten »Uploadfi lter« waren Gegenstand zahlreicher Diskussionen auf dem Weg zum neuen Urheberrecht Eine anstehende Gerichtsentscheidung könnte allerdings für das UrhDaG noch- (Online-SatCab-Verordnung) gehörten; nicht wirklich Fahrt aufgenommen hatte, In der Praxis wird ferner die Möglichkeit mals erhebliche Bedeutung haben. Beim Letzterer wurde später zur Online-SatCab- führte der Referentenentwurf des BMJV für Verwertungsgesellschaften, kollek- Europäischen Gerichtshof ist bekanntlich Richtlinie. Die beiden Gesetzgebungsver- im Herbst  beide Diskussionsent- tive Lizenzen mit erweiterter Wirkung eine Klage der Republik Polen anhängig, fahren haben auf europäischer Ebene bis würfe wieder zusammen. Es folgten der zu vergeben, neue Lizenzoptionen eröff - in der es um die Verfassungskonformität zum Frühjahr  gedauert und wurden Regierungsentwurf im Februar  und nen. Hier geht es darum, dass unter be- der Plattformhaftung nach Art.  DSM- mit Blick auf die DSM-Richtlinie – vor- anschließend das parlamentarische Ver- stimmten Voraussetzungen auch Rechte Richtlinie geht. Nachdem die mündliche sichtig gesagt – sehr engagiert begleitet. fahren. Am . Juni  endete auch dieses für »Außenstehende« vergeben werden Verhandlung bereits Ende  stattgefun- Die parlamentarischen und außerparla- schwierige Gesetzgebungsverfahren mit können, die keinen Wahrnehmungsver- den hat, wird jetzt auf die Schlussanträge mentarischen Diskussionen, die insoweit der Veröff entlichung des Gesetzes im Bun- trag mit einer Verwertungsgesellschaft des Generalanwalts und anschließend auf mit großer Härte geführt wurden, werden desgesetzblatt – drei Tage vor Ablauf der abgeschlossen haben. Im Mittelpunkt das Urteil des Gerichtshofs gewartet. Es Beteiligten und Beobachtern noch lange Umsetzungsfrist beider Richtlinien am . des Gesetzgebungsverfahrens stand bleibt also – wie immer beim Urheberrecht in Erinnerung bleiben. Ungewöhnlich war Juni . Eine ministerielle und politische aber – wie gesagt – das neue UrhDaG zur – spannend! auch, dass die Bundesregierung dem Tri- Punktlandung, die zwischendurch für we- Haftung von Upload-Plattformen. Hier log-Verhandlungsergebnis von EU-Kom- nig wahrscheinlich gehalten worden war. hat der Gesetzgeber ein kompliziertes Robert Staats ist Geschäftsführendes mission, Rat und Europäischen Parlament Worum geht es also inhaltlich bei dem System von Regelungen geschaff en, mit Vorstandsmitglied der VG WORT und zur DSM-Richtlinie am . April  im neuen Gesetz? Weitgehend unstreitig war dem versucht wird, einen Ausgleich zwi- Vorsitzender des Fachausschusses Rat nur mit einer Protokollerklärung zu- die Umsetzung der Vorgaben der Online- schen der grundsätzlichen Lizenzpfl icht Urheberrecht des Deutschen Kulturrates Politik & Kultur | Nr. -/ | Juli/August  INLAND 07

FOKUS

rechte weiter ausgehöhlt werden. Die vorzeitige Entfristung der Schranken- Verlage regelungen des Urheberrechts-Wis- Autorinnen und sensgesellschafts-Gesetzes halten wir SUSANNE BARWICK bilder von gemeinfreien visuellen Wer- für verfassungsrechtlich bedenklich. Die ken, also z. B. von gemeinfreien Gemäl- Befristung wurde ursprünglich angeord- Autoren as »Gesetz zur Anpassung des den, als nicht geschützt gelten. Damit net, um überprüfen zu können, ob durch Urheberrechts an die Erfor- müssen Verlage keine Lizenzen mehr das Gesetz der Primärmarkt für wissen- D dernisse des digitalen Bin- erwerben, nur weil sie ein Foto eines schaftliche Werke leidet. Mittlerweile VALENTIN DÖRING Jahre (k)einen Online-Zuschlag für nenmarktes« war für die Buchbranche Gemäldes wiedergeben wollen, dessen liegen uns Daten vor, die tatsächlich die Mediathekennutzung vorsehen. aufgrund der dort enthaltenen gesetz- Urheber oder Urheberin schon länger als einen signifi kanten Rückgang der Ver- s wurde viel gesprochen über Es hat sich in den letzten  Jahren lichen Regelung der Verlagsbeteiligung  Jahre tot ist. Wir sind froh, dass der käufe bei Lehrbüchern belegen. Urheberinnen und ausüben- ja auch kaum etwas verändert im an gesetzlichen Vergütungsansprüchen vom Bundesrat in letzter Sekunde ein- Im Falle des Urheberrechts-Dien- de Künstler. Allen liegen sie Online-Angebot von ARD und ZDF. enorm wichtig. Damit wird der Fortbe- gebrachte Vorschlag zur E-Book-Leihe steanbieter-Gesetzes sind wir der An- E am Herzen, diese Kreativen. »Angemessen« ist und bleibt wei- stand der VG WORT als gemeinsame in öff entlichen Bibliotheken keinen Ein- sicht, dass Sinn und Zweck des Art.  Nach den blumigen Sonntagsreden testgehend, was der Vertragspartner Verwertungsgesellschaft von Urhebe- zug ins Gesetz gehalten hat. Eine solche der DSM-Richtlinie, nämlich die großen kommt dann aber immer die Arbeits- der Künstlerin einseitig vorgibt. Wer rinnen bzw. Urhebern und Verlagen überstürzte gesetzliche Regelung des Internetplattformen stärker in die Ver- woche, die (Binnen-)Marktwoche, die daran zweifelt, der möge das dann gesichert. Und Verlage erhalten nun sehr komplexen Themas wäre sehr prob- antwortung zu nehmen, wenn urheber- Plenarwoche. Passend dazu stehen bitte gerichtlich geltend machen endlich wieder einen Ausgleich dafür, lematisch gewesen. Der Börsenverein ist rechtlich geschützte Werke durch Nut- die Rechte der Urheber und aus- und froh sein, dass man zur »Klärung wenn ihre Publikationen privat kopiert, diesbezüglich aber gerne bereit, mit dem zer hochgeladen werden, nicht erreicht übenden Künstler schon in der DSM- wichtiger Rechtsfragen« beitragen durch Bibliotheken verliehen oder sonst Deutschen Bibliotheksverband im Rah- wurde. Problematisch sind hier die Vo- Richtlinie am Ende. Ganz ohne geht darf. Neu ist nach der Reform, dass in gesetzlich erlaubter Weise genutzt men von Gesprächen zu praktikablen raussetzungen, die der Gesetzgeber im ja auch nicht. Wobei: Eine Anhörung Kreative jetzt dank einer Absenkung werden. Ein Wermutstropfen aus Sicht Lösungen zu kommen. Allerdings bedarf Bereich der Lizenzvergabe aufgestellt im Rechtsausschuss des Deutschen der Schwelle für Vertragsanpassungs- der wissenschaftlichen Verlage und es dazu noch einer Freigabe durch das hat, aber auch die Regelung zu den mut- Bundestags zum Urheberrecht, die ansprüche ihre Karriere schon für Schulbuchverlage ist allerdings, dass der Bundeskartellamt. maßlich erlaubten Nutzungen, mit der geht auch ganz ohne Urheber. Erst »better-seller« und nicht mehr nur Gesetzgeber in die Verteilungsquoten, Im Übrigen sehen wir das Gesetzes- letztendlich urheberrechtliche Prinzipi- nach Protest der Kreativenverbände für »best-seller« riskieren können. die bisher von den Verwertungsgesell- paket aber eher kritisch. Die Schaff ung en auf den Kopf gestellt werden. wurde dann doch noch beschämt ein So begrüßenswert und groß der ur- schaften in Verhandlungen zwischen einer neuen Schrankenregelung für den zusätzlicher Stuhl für deren Vertre- hebervertragsrechtliche Fortschritt den Berufsgruppen festgelegt wurden, Pastiche, bei der niemand genau weiß, Susanne Barwick ist Rechtsanwältin tung aufgestellt. für Europa sein mag, national wurde zu ihren Ungunsten eingegriff en hat. was unter diese fallen soll, war unnö- und stellvertretende Justitiarin des Mit Artikel  der DSM-RL und kaum etwas verändert. Den notwendi- Positiv bewerten wir auch den neuen tig und könnte – je nach Auslegung der Börsenvereins des Deutschen Buch- dem UrhDaG als Umsetzung wird der gen starken Hebel, den die strukturell Paragrafen §  UrhG, wonach Licht- Gerichte – dazu führen, dass Urheber- handels Streit der alten Intermediäre mit den unterlegene Seite der Urheberinnen neuen Intermediären auf Kosten des dringend zur Durchsetzung ihrer Datenschutzes und der Urheber gere- gesetzlichen Rechte benötigt, um gelt. Die Nutzer der Werke der Urheber endlich – und wie seit  verspro- vermitteln diese als Content an die chen – auf Augenhöhe zu kommen, die nicht eigentlich von ihnen ver- Nutzerinnen der Dienste. Die Diens- der fehlt weiterhin. Es sind ein paar treten werden, ist unter dem politi- te als Nutzer im urheberrechtlichen kleine Nadeln dazugekommen, mit Bibliotheken schen Lärm zu Upload-Filtern medi- Sinne müssen und können Lizenzen denen die Seite der Kreativschaff en- al weitgehend ungesehen geblieben. entweder von der Urheberin direkt, den vermeintlich über dem Gesetz ARNE UPMEIER Positionen aufeinander. Während die Es könnte aber sein, dass dieser Teil deren Verwertungsgesellschaft oder stehende und unter diesem vergü- berufsmäßig Kreativen – und ihre Verle- der Reform der nachhaltigste und auf ihrem Vertragspartner als Verwerter tende Verwerter piksen kann, damit enn das Gespräch in gerinnen, Filmverwerter oder Galeristen Dauer wichtigste sein wird. Die Biblio- und Nutzer ihrer Rechte erwerben. diese dann irgendwann in die Knie Bibliothekskreisen auf … – sich schleichend enteignet fühlen, theken jedenfalls begrüßen die Ent- Im letzten Fall kommt die wesent- gehen, um sich an den Verhandlungs- die aktuelle Urheber- sehen sich Internetnutzer und Wissen- wicklung, denn Kollektivlizenzen zu lichste Veränderung zugunsten der tisch zu setzen. W rechtsnovelle kommt, schaftlerinnen in ihren – teilweise mehr wissenschaftsfreundlichen Bedingun- Kreativschaff enden zum Tragen: Der Der europäische und der nationale schwanken die Reaktionen irgendwo gefühlten als tatsächlichen – Rechten gen werden auch ihre Arbeit an vielen Direktvergütungsanspruch für Urhe- Gesetzgeber haben den Auftrag zur zwischen »schon wieder?« und »über- auf digitalen Zugang und freier Werk- Stellen erheblich erleichtern können. berinnen, ausübende Künstler und Aufstellung von Tarifverträgen und fällig«. Tatsächlich ist es ja nach nur nutzung gegängelt, ausgebremst und Auffällig erfolgreich war das ge- Lichtbildnerinnen nach §  Abs.  gemeinsamen Vergütungsregeln er- drei Jahren bereits die zweite größere unnötig beschränkt. schlossene Auftreten der wissenschaft- UrhDaG. Durch dieses Viadukt wird neuert. Der Auftrag, spezielles Urhe- Reform des deutschen Urheberrechts. Besondere Verantwortung kommt lichen Interessenvertretungen im Ge- sichergestellt, dass die von den Platt- berrecht zu schaff en, richtet sich jetzt Überhaupt fällt auf, dass die Taktung hier den Institutionen zu, die zwischen setzgebungsprozess. Angeführt von der formen als Quelle zu zahlende Vergü- auch an die Dienste für das Teilen der Reformen immer kürzer wird. Es ist den Extremen vermitteln könnten: den Allianz der Wissenschaftsorganisatio- tung nicht unterwegs in Schluchten, von Online-Inhalten. Es ist zu hof- absehbar, dass auch die nächste Regie- Verwertungsgesellschaften einerseits nen hatten die Akteure, einschließlich Mischkalkulationen oder Ferienhäu- fen, dass sich die alten und die neuen rung – egal in welcher Besetzung – sich und den öff entlichen Kultureinrichtun- des Bibliotheksverbands, ihre Partiku- sern der Verwerter versickert. Nutzer im Interesse der Dienstenut- ebenfalls an einer weiteren Anpassung gen andererseits. Es ist erfreulich, dass larinteressen weitgehend zurückgestellt Wer behauptet, dass mittels des Di- zerinnen, der Urheberinnen und der des Urheberrechts an die Bedingungen diese Erkenntnis auch beim Gesetz- und sich auf eine Kernforderung fokus- rektvergütungsanspruchs nunmehr ausübenden Künstlerinnen zu kon- unserer immer digitaleren Lebenswelt geber zunehmend ankommt und kon- siert: die Entfristung der mit der letzten doppelt vergütet würde, versucht da- struktiven Verhandlungen entschei- versuchen wird. Konfl iktreich wird es sequent, wenn in der letzten Reform Reform eingeführten Erlaubnisse für rüber hinwegzutäuschen, dass bisher den. Rechtssicher und angemessen allerdings, sobald gefragt wird, in wel- die Rolle der Bibliotheken deutlich Lehre und Forschung. Der ursprüng- für das, was auf den User-Upload- vergütet auch weiterhin nur, wer cher Richtung denn geändert werden gestärkt wurde und in dieser Reform lich anderslautende Regierungsentwurf Plattformen, bei Streaming-Diensten nach kollektiven Regelungen und/ sollte. Wie nicht zuletzt die äußerst die Verwertungsgesellschaften mit wurde noch einmal geändert und die und den eigenen Mediatheken an Nut- oder über Verwertungsgesellschaften harten Diskussionen um die Haftung der Einführung von Kollektivlizenzen entsprechenden Gesetze gelten künftig zungsmöglichkeiten stattfi ndet, kaum vergütet. Wer das Urheberrecht ernst von Internetplattformen für hochgela- nach skandinavischem Vorbild ein sehr unbefristet – oder zumindest bis zur bis gar nicht vergütet wird. Man darf nimmt, der redet auch mit und nicht dene Inhalte, die sogenannten Upload- wichtiges neues Instrument bekommen. nächsten Reform. natürlich nicht verschweigen, dass nur über Urheber. Filter, und die künftig zu vergütende Die Möglichkeit der Verwertungsge- z. B. bei den öff entlich-rechtlichen Nutzung von Presseerzeugnissen durch sellschaften, unter bestimmten Bedin- Arne Upmeier ist Direktor der Bib- Anstalten Tarifverträge und gemein- Valentin Döring ist ver.di Bereichs- Suchmaschinen gezeigt haben, prallen gungen Lizenzen auch im Namen von liothek des Karlsruher Instituts für same Vergütungsregeln bestehen, die leiter Kunst und Kultur / Urheber- schnell diametral entgegengesetzte Rechteinhabern vergeben zu können, Technologie (KIT) unverändert seit Anfang der er recht

Kreative

GERHARD PFENNIG hebern und ausübenden Künstlern und Der nun verabschiedete Gesetzentwurf zur Werkschöpfung unter Nutzung frem- strukturelle Reform gehört – stößt auf der Kulturwirtschaft. schaff t im Bereich der Neuordnung der der Werke. Besonders die Einführung des berechtigte Kritik, weil sie nicht in vol- ie Urheberrechtsrichtlinie und Der Beratungsprozess weckte beson- Plattformverantwortlichkeit eine intel- Begriff s »Pastiche« wird zwangsläufi g lem Umfang die Defi zite der Urheber- damit auch das Gesetzespaket, ders im Jahr  viele Emotionen, vor ligente und höchst ausgefeilte Balance zu rechtlichen Auseinandersetzungen vertragsrechtsnovellierung ausgleicht D das am . Mai  im Deut- allem, weil das komplizierte Konstrukt zwischen den Interessen der Urheber führen, die aber bei gutem Willen aller und insbesondere das Verbandsklage- schen Bundestag verabschiedet wurde, der Regelung der Verantwortlichkeit für und ausübenden Künstler auf direkte Beteiligten lösbar sein dürften. recht nur ein Schrittchen weiter vor- sollte zwei Ziele erreichen: den pro- Uploads von den Vertretern der Nutzer und in ihre Taschen gelangende Vergü- Dieses System des fairen Ausgleichs anbringt. Aber in diesem Kontext darf fessionellen Kreativen Wege zur ange- bewusst falsch verstanden bzw. vermit- tungen für die Nutzungen ihrer Werke wurde nicht von allen Betroff enen ver- die Festlegung von Mindestquoten für messenen, von den Diensteanbietern telt wurde, mit dem Ergebnis, dass den und Leistungen vor allem durch den standen und hat deshalb bittere Kom- die Urheberbeteiligung bei der Verle- zu zahlenden Vergütungen für die Nut- Internetnutzern zunächst mit Erfolg »Direktvergütungsanspruch« und die mentare ausgelöst. Zu hoff en ist, dass gerbeteiligung und beim Presseverle- zung ihrer Werke vor allem durch nicht- vorgegaukelt wurde, die EU wolle mit Wahrung ihrer Persönlichkeitsrechte sich in der Praxis bei allseitigem guten gerleistungsschutzrecht als wichtige kommerzielle »Uploader« ermöglichen Uploadfi ltern – die längst etabliert wa- einerseits und den durch die Richtlinie Willen Formen des fairen Umgangs ein- strukturelle Stärkung der Autoren nicht und gleichzeitig die Verantwortung für ren – das Internet zensieren und damit ausdrücklich anerkannten Berechtigun- spielen, die allen Interessen gerecht übersehen werden. die Werknutzung neu regeln: weg von erledigen. Zum Glück ließen sich weder gen der Nutzer auf begrenzten Zugang werden. Bei der deutschen Lösung Dennoch: Der Paradigmenwechsel den Privaten zu den Plattformbetrei- das EU-Parlament noch der Minister- zu fremden Werken bei der Entfaltung handelt es sich nicht um einen »Son- stärkt die Kreativen und eröff net ihren bern, den Servicedienstleistern, die die rat vom Weg abbringen: Die Richtlinie eigener, nicht kommerzieller Kreativität derweg«, wie behauptet wurde, son- Verwertungsgesellschaften, aber auch Nutzung fremder Werke erst ermög- wurde im Frühjahr  beschlossen. unter Nutzung der neuen Möglichkeiten dern eine durchdachte Entwicklung der den tariff ähigen Organisationen zu- licht und damit ein Geschäftsmodell Die Bundesregierung verband ihre des Internets andererseits. Ein kompli- Richtlinie in die praktische Anwendung, kunftsweisende Perspektiven, die nun aufgebaut hatten. Daneben zielte die Zustimmung zusätzlich mit einer Pro- zierter Mechanismus regelt einerseits die in vielen Nachbarländern sehr auf- mit intelligenten Vertragsmodellen Richtlinie vor allem auf Druck des EU- tokollerklärung, in der sie besonderen die Durchsetzung berechtigter Interes- merksam und positiv verfolgt wurde. erreicht werden müssen. Parlaments auf die Verbesserung der in Wert auf die angemessene Beteiligung sen auf Verwendung von Werken im Rah- Die Umsetzung der urhebervertrags- vielen EU-Staaten schwach oder kaum der Kreativen an den zu erwartenden men der bisher schon geltenden Schran- rechtlichen Regelungen – zu denen Gerhard Pfennig ist Rechtsanwalt geregelten Vertragsstruktur in Verwer- Vergütungszahlungen der Plattformen ken und neuen, von der europäischen auch der Direktvergütungsanspruch und war bis Ende Mai Sprecher der tungsverträgen zwischen einzelnen Ur- legte. Rechtsprechung geforderten Regelung im Diensteanbietergesetz als wichtige Initiative Urheberrecht 08 INLAND www.politikundkultur.net

FOKUS

Verlegerbeteiligung an gesetzlichen Vergütungsansprüchen wird auf eine Musikindustrie GEMA neue rechtliche Grundlage gestellt. Das bewährte System der kollektiven RENÉ HOUAREAU lem aber zeigt sie, wie sehr sich die sen Schutz hatte allerdings bereits die MICHAEL DUDERSTÄDT Rechtewahrnehmung von Urhebern Branche den digitalen Raum zu eigen Richtlinie selbst vollumfänglich vor- und Verlegern in gemeinsamen Ver- ach langen Diskussionen gemacht, ihn begriff en, strategisch gesehen. Zum einen dadurch, dass der m Mai haben Deutscher Bundestag wertungsgesellschaften wird insgesamt und vielen Auseinander- entwickelt und gestaltet hat. Der Weg Verbraucher nicht mehr unmittelbar und Bundesrat den Gesetzentwurf gestärkt. setzungen ist nun das zum Erfolg hat mit neuen Geschäfts- haften sollte, sondern die Plattform. I der Bundesregierung zur Umset- Neben den zukunftsweisenden Re- N »Gesetz zur Anpassung des modellen und einem klugen Mix aus Zum anderen, indem er das Recht zung der  beschlossenen EU-Urhe- gelungen zur Providerhaftung gibt es Urheberrechts an die Erfordernisse des digital und analog zu tun. Doch »di- auf einen belastbaren, kostenfreien berrechtsrichtlinie verabschiedet. Nach jedoch auch Punkte, bei denen die Re- Digitalen Binnenmarkts« am . Juni gital« ist inzwischen klar das Funda- und leicht zugänglichen Beschwerde- einem zeitweise höchst kontroversen form hinter den Erwartungen zurück-  in Kraft getreten. Und vermutlich ment, das der Branche eine gewisse Mechanismus hatte. Die Überschuss- Diskussionsprozess kann damit die bleibt: Dies triff t vor allem zu bei den ist es nicht übertrieben, wenn man hier Resilienz gegenüber der aktuellen Tendenz des Deutschen Gesetzgebers größte Reform des Urheberrechts der neuen Schrankenregelungen. Bei der von einem einschneidenden Wechsel Ausnahmesituation beschert. Umso im Wege der »mutmaßlich erlaubten letzten  Jahre in Kraft treten. »Pastiche«-Schranke wie auch bei der spricht. Jetzt ist es an der Zeit, mit den dringender sind belastbare Rahmen- Nutzungen« ebenso wie im Bereich Als Musikbranche verabschieden wir sogenannten »-Sekunden-Regelung« Ergebnissen umzugehen. bedingungen in der Online-Welt. Und der »Vergütungsansprüche« bleibt – uns mit der jetzt erfolgreich zum Ab- wird genau darauf zu achten sein, dass Was bisher war: Wir haben schon das gilt auch für die anderen Branchen vor allem mangels jeder faktisch be- schluss gebrachten Umsetzung der EU- ihre Auslegung nicht zulasten der Kre- oft gesagt, dass die Komplexität des der deutschen Kultur- und Kreativ- legten Notwendigkeit – wenigstens Richtlinie auch von einem Jahrzehnt, in ativen geht. Urheberrechts begründet und sinnvoll wirtschaft. im Musikbereich ein Rätsel. So sind dem fehlende Wertschätzung für kre- Positiv hervorzuheben ist wiederum, ist – weil es die Vielgestaltigkeit der Bei aller gut begründeten Kritik die Regelungen zu den »mutmaß- ative Leistungen und massive Angriff e dass der Deutsche Bundestag am Ende Kultur- und Kreativbranche abbilden gibt es auch Grund für Lob. Es ist un- lich erlaubten Nutzungen« aufgrund auf die Rechte von Urheberinnen und viele Kritikpunkte der Musikschaf- muss, die nach sehr unterschiedlichen benommen, dass der Gesetzgeber im längst etablierter »Duldungslizenz- Urhebern selbstverständlich waren. fenden aufgegriff en hat: Dies betriff t Rahmen der letzten Befassung auch Modelle« unnötig. Vor dem Hinter- Das Kernstück der Reform ist das insbesondere die Stärkung der Urhe- positive Anpassungen an das Gesetz grund, dass deren Rechtmäßigkeit neue Urheberrechts-Diensteanbieter- berpersönlichkeitsrechte im Zusam- Die »Vergütungs- vorgenommen hat, für die wir einge- nach wie vor in Zweifel steht, wiegt Gesetz, kurz UrhDaG, das spezielle menhang mit »mutmaßlich erlaubten ansprüche« helfen treten sind: Dazu gehört der Erhalt das umso schwerer. Und wie vielfach Vorschriften für Online-Plattformen Nutzungen«, wie es im Gesetzestext des Melodienschutzes ebenso wie die erläutert: Die »Vergütungsansprüche« enthält. Darin wird endlich unmiss- heißt, sowie die Beibehaltung des Me- gegebenenfalls Berücksichtigung des Urheberpersön- helfen gegebenenfalls Einzelnen, die verständlich geregelt, dass Kreative für lodienschutzes. Für entsprechende Einzelnen, dem Gros lichkeitsrechts und der Verzicht auf von den Verteilungsplänen innerhalb die Nutzung ihrer Werke auf den Platt- Nachbesserungen hatte sich auch die der ausübenden Pop- den rechtsgrundlosen Direktvergü- der Verwertungsgesellschaften pro- formen vergütet werden müssen. Die GEMA bis zuletzt stark gemacht. musiker aber nicht tungs-Anspruch für Hersteller. fi tieren – dem Gros der ausübenden urheberrechtliche Verantwortlichkeit Sowohl Brüssel als auch Berlin ha- Aber es überwiegt ganz klar die Popmusiker aber nicht. Ihre ganz liegt nun bei den Plattformbetreibern. ben mit der Richtlinie und deren Um- Kritik, denn aus unserer Sicht ist die persönliche Gesamtkalkulation wird Anbieter wie YouTube oder Face- setzung »Yes to Copyright« gesagt und Produktions- und Auswertungslogiken Chance zur Etablierung eines zu- darunter leiden. book müssen also künftig Lizenzver- am Ende trotz mancher Unzulänglich- aufgebaut ist. Kurz: Wir sind hoch di- kunftsorientierten Urheberrechts in Wir hoff en, zu einer fakten- und einbarungen mit den Rechteinhabern keit den Kreativen den Rücken gestärkt. vers, eff ektiv und stolz darauf. So ist Deutschland – eingebettet in einen evidenzbasierten Diskussion zu- abschließen, wenn deren Werke auf Im nächsten Schritt müssen die neuen die Musikindustrie selbst (»Recorded einheitlichen europäischen Rechts- rückkehren zu können. Die von uns ihrer Plattform genutzt werden. Die Regelungen nun so in die Praxis über- Music«), gemessen am Gesamtumsatz, rahmen – gerade verpasst worden, weil vielfach aufgeworfenen und unbeant- Plattformen müssen darüber hinaus führt werden, dass bestehende europä- glücklicherweise auch sehr gut durch ein erfolgreicher und entwicklungs- wortet gebliebenen juristischen und nichtlizenzierte Werke auf Verlangen ische Lizenzmodelle nicht beeinträch- die Krise gekommen. Und auch die starker Wirtschaftszweig in einem praktischen Fragen sind nach wie vor der Rechteinhaber dauerhaft sperren. tigt werden und sich die Vergütungs- Künstler in deren Entwicklung, In- hochwettbewerbsintensiven Geschäft ungelöst. Auch deshalb werden die ak- Bisher mussten Rechteinhaber solche situation der Kreativen auch wirklich halte und Vermarktung die Branche geschwächt und eine komplexe Li- tuellen Regelungen in ihren Facetten Sperrungen für jede einzelne Plattform verbessert. Wir sind überzeugt, dass uns massiv investiert, partizipieren an zenzarchitektur beschädigt wird – ge- von den Gerichten zu beurteilen sein. mühsam vor Gericht erstreiten. dies auf Grundlage der neuen Regeln diesem Erfolg. Eine Dynamik, die un- rade auch zulasten der Künstler. Und Und es gibt weitere Neuerungen: gemeinsam gelingen wird. terstreicht, welche Relevanz kreative vermutlich vor allem zum Vorteil der René Houareau ist Geschäftsführer Es wird künftig deutlich schwieriger, Inhalte für die Menschen haben, auch Online-Plattformen. Und warum? Um Recht & Politik beim Bundesverband Urheber gegen ihren Willen zu Total- Michael Duderstädt ist Direktor Politi- und besonders in Krisenzeiten. Vor al- den Verbraucher zu schützen? Die- Musikindustrie Buyout-Verträgen zu zwingen. Die sche Kommunikation der GEMA

Musikurheberinnen und -urheber

MATTHIAS HORNSCHUH

ls »Quadratur des Kreises« ha- ben Urheberrechtler die Vor- A gaben der Bundesregierung an die nationale Umsetzung der DSM- Richtlinie beschrieben: Man wolle die schöpferisch Tätigen besserstel- len, ohne Overblocking – und damit unverhältnismäßige Einschränkun- gen von Freiheits- und Kommunika- tionsrechten – zu veranlassen. Der gesamte politische Prozess rund um Richtlinie und Umsetzung bedarf einer sorgfältigen Aufarbeitung, denn die »Governance by Shitstorm«, von der » Süddeutsche Zeitung« anläss-lich der ACTA-Proteste  beschrieben, ist politische Alltagskultur geworden. Die eigentlichen Schutzbefohlenen haben manche bittere Pille zu schlu- cken. Eine Schrankenregelung zum un- bestimmten Rechtsbegriff »Pastiche« war vorgegeben. Deren überaus weite Gesetzesbegründung rund um Begriff e wie »Remix«, »Mashup«, »Meme« lässt, in Kombination mit der Vermutungs- regel zu vermeintlich »geringfügigen Nutzungen«, ein »Recht auf Remix« durch die Hintertür befürchten. Im-

merhin wurden auf der Zielgeraden PIXABAY FOTO: persönlichkeitsrechtliche Interventi- In der Lizenzkette sind neu formulierte Auskunftsansprüche der Urheber gegenüber ihren vertraglichen Partnern sowie Dritten vorgesehen onsmöglichkeiten und Melodienschutz aufgewertet. auskunftspfl ichtig: eine nachhaltige lizenzieren. Insgesamt dürfte sich die pfl ichtiger, sondern durch Bereitschaft, tragfähig erweisen, ist er auf Bezahl- Und doch sind sich die legitimen Stärkung der Verhandlungsposition der Lage der Kreativen auf der Basis ge- angemessen zu vergüten, und gerech- dienste auszuweiten. Trotz erkennbarer Interessenvertretungen von Musikau- schöpferisch Tätigen. Mit dem neuen festigter Verhandlungsposition und tere Verteilung. Solange die einen über Stärkung kollektiver Instrumente und toren bis Musikerinnen einig: Das Glas nicht abtretbaren Direktvergütungs- erweiterter Auskunftsansprüche ver- Digitalisierungszuwächse jubeln, wäh- Strukturen wurde die Hoff nung auf ein ist mindestens halb voll. Der bedeu- anspruch an die Plattformen wird für bessern – auch monetär. In welchem rend die anderen darben, ist die Arbeit Verbandsklagerecht nicht erfüllt. Doch tendste Paradigmenwechsel in mehr viele künstlerisch Beteiligte erstmals Umfang und wie schnell, das bleibt al- nicht abgeschlossen. was nicht ist, kann ja noch werden. als zwei Dekaden ist vollzogen, indem eine Vergütung von Online-Nutzun- lerdings abzuwarten; die praktische Im Übrigen ist nach der Implemen- die großen marktbeherrschenden gen greifbar. Der Anspruch bleibt auf Umsetzung der neuen Regeln ist alles tierung vor der Novellierung: Die Pas- Matthias Hornschuh ist freischaff ender Plattformen defi nitorisch zu Verwer- die Kreativen begrenzt; Verwerter andere als trivial. tiche-Schranke und insbesondere die Komponist, Vorsitzender des Berufs- tern künstlerischer Leistungen erklärt – einschließlich der Selbstvermark- Eines sollte man sich klarmachen: Regeln zu geringfügigen Nutzungen verbands mediamusic und Stellvertre- wurden. Damit sind sie lizenz- und ter – können ihr Repertoire weiterhin Verteilungskämpfe beendet man nicht sind zu evaluieren. Ebenso der Direkt- tender Präsident des Landesmusikrates vergütungs- und nicht zuletzt auch direktvertraglich an die Plattformen durch Hinzufügen neuer Zahlungs- vergütungsanspruch; sollte er sich als NRW Politik & Kultur | Nr. -/ | Juli/August  INLAND 09

FOKUS

Filmwirtschaft

HEIKO WIESE Die Diskussion um die Produktions- Direktvergütungsanspruch soll auch und Wertschöpfungsfragen kreativer ihre Vergütungssituation gegenüber ie Umsetzung der DSM-Richt- Leistungen geht also weiter – sowohl den Online-Sharing-Plattformen linie ist die umfassendste Än- auf der Rechtssetzungsebene als auch unmittelbar verbessert werden – zu- D derung des Urheberrechts seit der Ebene ihrer praktischen Umset- lasten der Produzentinnen und ihrer . Die Bundesregierung hat sich da- zung. Die Änderungen durch die DSM- Lizenznehmer. bei für einen Sonderweg entschieden, RL sind der umfassendste Eingriff in Just die Perspektive der Produzen- der Urheberinnen und Verwerter vor das deutsche Urheberrecht seit . tinnen und Produzenten, also derjeni- allem vor neue Unsicherheiten stellt. Sie haben Auswirkungen auf die Ver- gen Verwerter, die Arbeits-, Werk- oder Kaum ist das Gesetzespaket ver- tragspraxis der Produzentinnen und Dienstverträge mit Urheberinnen und abschiedet, veröff entlicht die Kom- Produzenten mit den Filmschaff enden, Interpreten abschließen, fand in die- mission ihre Leitlinien zur Umsetzung werden sich in der Lizenzierungspra- sem Kontext kaum Berücksichtigung. des Art.  DSM-RL. Diese Leitlinien xis und damit den Lizenzerlösen nie- Dabei sind sie es, die die künstleri- widersprechen der deutschen Umset- derschlagen und auch Einfl uss auf die sche und fi nanzielle Verantwortung zung in Teilen. Die EU-Kommission Rolle der Verwertungsgesellschaften für ein Filmprojekt übernehmen, die stellt die Leitlinien jedoch unter den nehmen. es ermöglichen. Bei kaum einer an- Vorbehalt der bevorstehenden Ent- Der deutsche Gesetzgeber hat im deren Werkgattung tragen so viele scheidung des Europäischen Gerichts- Wesentlichen zwei Intentionen ver- Unternehmen und Menschen mit hofes im Klageverfahren des Mitglied- folgt. Mit weitreichenden Lizenzie- ihren kreativen Leistungen zu einem staats Polen gegen Art.  DSM-RL. rungsvereinfachungen wird es großen Werk auf so unterschiedliche Weise Nutzergruppen erleichtert, Werke zu bei. Kaum eine andere Werkgattung nutzen und zugänglich zu machen. ist so kosten- und zeitintensiv und Das Gesetzespaket Dies betriff t die Bereiche Forschung, muss von der Idee über die Produk- stellt die Branche Bildung, Lehre und die Erschließung tion bis zum Vertrieb über einen so vor große Heraus- von Archiven. Begünstigt werden langen Zeitraum fi nanziert werden, forderungen. Denn aber auch kommerzielle Nutzer wie ohne Erlöse erwarten zu können. Für die Online-Sharing-Plattformen, die sie wie für ihre Lizenznehmer ist es verlässliche und klare über neue Schranken und ein neu von wesentlicher Bedeutung, dass Rahmenbedingungen geschaff enes System der erweiterten die gesetzlichen Rahmenbedingun- sind bis auf Weiteres kollektiven Lizenzsysteme zu tari- gen eine verlässliche und solide Kal- fi erbaren Bedingungen Lizenzen von kulation für die künstlerischen und nicht in Sicht einer Vielzahl von Rechteinhabern wirtschaftlichen Entscheidungen

und Werken, also repertoiremäßig, bieten. Vor diesem Hintergrund stellt PIXABAY/DIESEITE PIXABAY/DIESEITE FOTO: Mit den parallel auf EU-Ebene vor- erwerben können. das Gesetzespaket zur Umsetzung der Die sogenannten »Schranken« für Karikatur, Parodie und Pastiche, Text und Data gesehenen Gesetzespaketen Digital Gleichzeitig werden die Urheberin- DSM-RL die Branche vor große He- Mining sind von erheblicher Bedeutung beim neuen Urheberrecht Services Act (DAS) und Digital Markets nen und ausübenden Künstler gestärkt. rausforderungen. Denn verlässliche Act (DMA) geraten einige der gera- Es wird ein neuer Maßstab für die An- und klare Rahmenbedingungen sind de erst diskutierten Haftungs- und gemessenheit einer Vergütung gelten, bis auf Weiteres nicht in Sicht. Alle Transparenzfragen erneut in den ohne diesen aber näher zu konkreti- Branchenteilnehmer sind daher ge- Private Fokus. Beide Rechtsakte sind als Ver- sieren. Es werden turnusmäßig Be- fragt, die entstandenen Rechtsunsi- ordnungen vorgesehen, würden also richtsverpfl ichtungen über alle Erlöse cherheiten und Wertungswidersprü- unmittelbar gelten und einen Sonder- aus der Verwertung eines Werkes vor- che aufzufangen. Rundfunkanbieter weg, wie ihn der deutsche Gesetzgeber gesehen, ohne eine Konkretisierung bei der Umsetzung der DSM-Richtlinie über den Kreis der Anspruchsberech- Heiko Wiese ist Rechtsanwalt und gewählt hat, von vornherein verhin- tigten oder eine zeitliche Eingrenzung Beauftragter der Spitzenorganisation CHRISTINA OELKE verhältnismäßig sind. Zwar wurde die dern. vorzunehmen. Mit einem zusätzlichen der Filmwirtschaft Rückwirkung der proaktiven Berichts- ertane Chance, doch der Blick pfl icht entgegen der auch auf verfas- geht nach vorn: Die seitens sungsrechtlichen Bedenken gestützten des Gesetzgebers vermeint- Forderungen der Rechtinhaber nicht V lich zu lösende »Quadratur vollständig gestrichen. Immerhin sieht des Kreises« bei der Umsetzung der §  Abs.  S. einen Teilausschluss Öffentlich-rechtlicher DSM-Richtlinie in deutsches Recht ist vor, wonach bei Verträgen, die vor aus Sicht der privaten audiovisuellen dem . Januar  geschlossen wor- Medienunternehmen keineswegs in ein den sind, Auskunft über die Nutzung Rundfunk regulatorisches Glanzstück gemündet, von Filmwerken oder Laufbildern und das das deutsche Urheberrecht näher die fi lmische Verwertung der zu ihrer an die digitalen Realitäten heranführen Herstellung benutzten Werke nur auf KATHRIN BÖTTCHER den Deutschen Bundestag das allge- dingungen für alle Plattformanbieter wird. Die Chance für eine praxisnahe, Verlangen des Urhebers zu erteilen ist. meine Verhältnismäßigkeitsprinzip geschaff en werden. Im Hinblick auf Gemeinsame Vergü- assgenau zum Ablauf der wieder im Gesetztext verankert wur- Nicht nachvollziehbar ist aller- tungsregeln wird die aufgenommene Umsetzungsfrist ist das de, um die Reichweite der Transpa- dings, warum der Gesetzgeber im Die Chance für Vermutungsregel in § Abs.  deren Gesetz zur Anpassung des renzpfl ichten einzuschränken. In der neu eingeführten Urheberrechts- eine praxisnahe Praxisrelevanz erhalten. P Urheberrechts an die Erfor- Begründung der zugrunde liegenden Diensteanbieter-Gesetz (UrhDaG) Ausgestaltung des Im Bereich des UrhDaG wurde mit § dernisse des digitalen Binnenmark- Beschlussempfehlung des Rechts- keine Sonderregelung für Anbieter  Abs. S.  eine für die Exklusiv-Ver- tes am . Juni in Kraft getreten. Ohne ausschusses wurde dazu klarstellend besonders verantworteter Dienste, Urheberrechts wurde marktung wichtige Regel aufgenommen, Not hat sich der Gesetzgeber dabei festgehalten, dass Unverhältnismä- sogenannter »Trusted Uploader«, vertan wonach Übertragungen von Premium- an vielen Stellen für eine überschie- ßigkeit insbesondere dann vorliegt, geschaff en hat und im Rahmen des Inhalten für die Dauer der (Live)-Über- ßende Umsetzung entschieden, ob- wenn urheberrechtlich geschützte Gesetzgebungsprozesses sogar die tragung z. B. von Sportveranstaltungen wohl insbesondere das erst  in Inhalte in Nachrichtensendungen Möglichkeit der Kennzeichnung ver- an den digitalen Wertschöpfungsketten sowie Serien und Spielfi lme bis zum einem umfangreichen Abwägungs- oder bei der Berichterstattung über traglich erlaubter Nutzungen wieder orientierte Ausgestaltung des Urheber- Abschluss der erstmaligen öff entlichen prozess reformierte deutsche Urhe- Tagesereignisse genutzt werden. Ge- gestrichen wurde. So hätten fälschli- rechts wurde vertan. Doch hiermit gilt es Wiedergabe im Inland nicht unter die bervertragsrecht Pate für die euro- rade in diesem großen Bereich der Ak- che und mit Blick auf die Programm- seitens der Kreativwirtschaft nun konst- Regelungen zu mutmaßlich erlaubten päischen Regelungen stand. Auch die tualität würden nämlich sämtliche in autonomie äußerst problematische ruktiv umzugehen. Der Kelch der Lösung Nutzungen fallen. Hier wäre zusätz- eine Auskunftserteilung zu investie- algorithmenbasierte Sperrungen in off ener Rechtsfragen und des Ausgleichs lich eine Erweiterung der Ausnahme renden Mittel ihren Zweck verfehlen, Bezug auf Inhalte verhindert wer- der Interessen wird indes vom Gesetz- auf wenige Stunden nach Ende der Live- weil weitere Vergütungsansprüche den können, die die Sender auf Up- geber an die Gerichte weitergereicht. Übertragung wünschenswert gewesen. von vornherein ausscheiden. Dies gin- loadplattformen, wie z. B. YouTube, Der europäische Gesetzgeber wird im Die Defizite: Zahlreiche andere Alles in allem gilt es ge zulasten des Budgets für kreative rechtegeklärt anbieten. Kritisch zu Digital Service Act (DSA) und Digital Regelungen – vor allem beim Upload Inhalte, was weder im Interesse von sehen ist schließlich auch der im Markets Act (DMA) Antworten auf die von bis zu  Sekunden audiovisueller nun, mit den Neue- Kreativen noch Verwertern ist. UrhDaG eingeführte Direktvergü- Dominanz der marktmächtigen digita- Inhalte als »mutmaßlich erlaubte Nut- rungen konstruktiv Erfreulich ist auch, dass mit der tungsanspruch der Kreativen gegen len Plattformen fi nden müssen, die die zung« oder beim Direktvergütungsan- umzugehen Novelle das Instrument der kollekti- die Plattformen, der mit der Syste- Medien-, Kreativ- und Presselandschaft spruch verkennen aus Sicht des VAU- ven Lizenzen mit erweiterter Wirkung matik des deutschen individuellen zunehmend dominieren und im neuen NET dagegen die digitalen Realitäten (ECL) eingeführt wurde. Von diesem Vergütungssystems nur schwerlich Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz und negieren etablierte Wertschöp- fl exiblen, in die Zukunft gerichteten zu vereinbaren ist. (UrhDaG) keine Einhegung erfahren. fungsketten. und auf Freiwilligkeit und Vertrags- Alles in allem gilt es nun, mit den Das Positive: Bei aller Kritik sind Am Ende werden bei dem neuen Praxistauglichkeit von Regelungen, freiheit basierenden System können Neuerungen konstruktiv umzuge- einige der im parlamentarischen Ver- Urheberrecht leider unter anderem branchenspezifi sche Besonderheiten Kreative, Rechteinhaber und Verwer- hen. Nötig dafür ist aber, dem Sek- fahren vorgenommenen Nachbesserun- hohe bürokratische Belastungen für und wirtschaftliche Folgewirkungen ter nur profi tieren. tor ausreichend Zeit zur praktischen gen im Urhebervertragsrecht und im die Dokumentation für die normier- standen bei der Novelle leider nicht Zu begrüßen ist zudem die von Umsetzung zu geben. Zukünftiger UrhDaG positiv zu bewerten: So sind ten Auskunftspfl ichten und eine Red- immer im Fokus. Viele neue Unklar- den öff entlich-rechtlichen Sendern Regulierungsbedarf muss in jedem Auskünfte nach den §§  d und  e Button-Regelung stehen bleiben, deren heiten und Auslegungsfragen werden schon lange unterstützte und endlich Fall sorgsam abgewogen werden. unter einen allgemeinen Verhältnis- praktische Umsetzbarkeit fraglich ist. daher absehbar zu neuen Rechtsstrei- umgesetzte technologieneutrale Aus- mäßigkeitsvorbehalt gestellt. Damit tigkeiten führen. gestaltung der Weitersendung, da mit Kathrin Böttcher ist Leiterin wird im Gesetz und den zugehörigen Christina Oelke ist Senior Legal Coun- Positiv zu bewerten ist aber inso- den nun geltenden Rechteklärungs- Medienpolitik im ARD-General- Materialien aufgezeigt, in welchen sel im Bereich Recht & Regulierung des fern, dass auf der Zielgeraden durch mechanismen faire Wettbewerbsbe- sekretariat Fällen anlasslose Berichtspfl ichten un- VAUNET – Verband privater Medien 10 INLAND www.politikundkultur.net

Einhundertneunundfünfzig Orchideenfächer Die Bedeutung kleiner Fächer an Universitäten

UWE SCHMIDT UND personelle Substanz hinausgehen, so Als ein weiteres Ergebnis der angespro- Wissenschaftssystem insgesamt, aber zu lösende Herausforderung dar, zumal KATHARINA BAHLMANN sind hier nicht nur besondere Her- chenen Studie von  lässt sich den auch mit Blick auf gesellschaftliche bei kleinen Fächern auch vermeintlich ausforderungen, wie oftmals geringe kleinen Fächern eine hohe Drittmit- Herausforderungen entfalten. Die »kleinere« Streichungen aufgrund der m Zuge von Sparmaßnahmen an Studierendenzahlen oder der mit der telstärke attestieren. Die herangezo- Beantwortung von komplexen und insgesamt begrenzten Ressourcen Universitäten geraten häufi g die Bologna-Reform einhergegangene Ver- genen Daten sprechen dafür, dass die multifaktoriellen wissenschaftlichen erhebliche Wirkungen entfalten. Auf I kleinen Fächer in den Fokus. Dies lust zahlreicher Fachstudiengänge zu Vertreterinnen und Vertreter der klei- und gesellschaftlichen Fragen ist auf Systemebene ist dabei insbesondere zeigten in der jüngsten Vergangenheit nennen. Die gesonderte Inblicknahme nen geisteswissenschaftlichen Diszip- Perspektivenvielfalt und die Berück- kritisch festzuhalten, dass Schließun- Meldungen zur angedachten Schlie- der kleinen Fächer in den letzten Jah- linen im Schnitt sogar mehr Drittmittel sichtigung unterschiedlicher fachlicher gen kleiner Fächer aufgrund der damit ßung sieben kleiner Fächer an der ren hat vor allem auch die spezifi schen einwerben als der Durchschnitt aller und methodischer Zugänge angewie- verbundenen fehlenden Heranbildung Universität Halle oder zur Gefährdung Potenziale und die Bedeutung dieser geisteswissenschaftlicher Fächer. sen. Nicht zuletzt die Corona-Pandemie des wissenschaftlichen Nachwuchses der Skandinavistik an mehreren deut- Fächer sichtbar gemacht. So unterstrich Ergänzt wird dieser Befund durch die hat sehr deutlich zutage treten lassen, nicht einfach nach einigen Jahren zu schen Universitäten. Gleichzeitig haben eine vor fünf Jahren veröff entlichte Stu- Studie »Kleine Fächer – große Potenzi- wie wichtig die Kontrastierung un- revidieren sind. Bedrohungsszenarien wie diese aber die der Arbeitsstelle Kleine Fächer ihre ale« der Deutschen Forschungsgemein- terschiedlicher Erklärungsansätze für Insgesamt lässt sich schließen, dass auch das Bewusstsein für die Gruppe hohe Internationalität, die sich zum schaft (DFG), die eine hohe Affi nität der eine angemessene Einschätzung der das Wissenschaftssystem einerseits der der kleinen Fächer in der deutschen einen aus der Tatsache ergibt, dass viele kleinen Fächer zu den auf Kooperation Ursachen wie auch der Konsequenzen Dynamik der Fragestellungen, Erkennt- Hochschullandschaft geschärft. So wur- dieser Fächer zu Sprachen, Kulturen und Strukturbildung ausgerichteten Ko- von Maßnahmen ist. In diesem Sinne nisse und Methoden, andererseits aber de bereits zu Beginn des Jahrtausends und Regionen im europäischen und ordinierten Programmen der DFG belegt. befördern z. B die kleinen kultur- und auch der Ebene fachlicher Organisation auf die Gefahr einer unkoordinierten außereuropäischen Ausland forschen. Zudem zeigt sie auf, dass Verbünde mit regionalwissenschaftlichen Fächer die Rechnung tragen muss. Veränderungen Streichung kleiner Fächer verwiesen Zum anderen weisen kleine Fächer einer Beteiligung kleiner Fächer »in der Einnahme kulturell abweichender Per- fachlicher Schwerpunkte sind mithin und der Bedarf an einem Monitoring aufgrund ihrer überschaubaren Wis- Regel deutlich fachübergreifender (und spektiven und damit auch die Einnah- genuin für die Entwicklung der Wis- zu deren Verbreitung und Entwicklung senschaftsgemeinschaft in Deutschland damit ›interdisziplinärer‹) aufgestellt me des Blicks von außen, der sowohl senschaften. Gleichzeitig aber ist ins- formuliert. Die Diskussion mündete oftmals ein sehr ausgeprägtes interna- sind« als Verbünde ohne Beteiligung in seiner Erkenntnis erweiternden als besondere mit Blick auf kleine Fächer schließlich in der Kartierung der klei- tionales Forschungsnetzwerk auf. Inter- kleiner Fächer, und hebt damit die be- auch in seiner Erkenntnis irritieren- zu bedenken, dass die Architektur der nen Fächer an deutschen Universitä- nationale Kooperationen spielen somit sondere Anschlussfähigkeit und Vernet- den Weise funktional für Wissenschaft Wissenschaft auch eine gewisse Kon- ten, die von der Arbeitsstelle Kleine eine entscheidende Rolle mit Blick auf zungsstärke der kleinen Fächer hervor. und Gesellschaft ist. Eine breite Fächer- tinuität abbilden sollte – nicht zuletzt Fächer durchgeführt wird. Diese zeigt die Vertiefung disziplinärer Fragestel- Wenn Universitäten diese Stärken landschaft ist mithin kein Selbstzweck, auch, um wissenschaftliche Potenziale die Entwicklung der Professuren und lungen und sind ein wichtiges Mittel der kleinen Fächer für sich zu nutzen sondern substanziell für die Off enheit für unerwartete Entwicklungen und He- Standorte rückwirkend ab  auf und zur Fortentwicklung der Fächer. Da- verstehen und auf ein stimmiges En- und Entwicklung des Wissenschaftssys- rausforderungen verfügbar zu machen. bildet damit eine wichtige Grundlage neben kommt aber gerade in den geis- semble kleiner und großer Fächer oder tems. Gerade mit Blick auf die häufi g für hochschulstrategische Entscheidun- teswissenschaftlichen kleinen Fächern die Anschlussfähigkeit kleiner Fächer hochschulpolitisch geforderte Pro- Uwe Schmidt und Katharina Bahl- gen. Zugleich dient sie der Stärkung der noch ein weiterer Aspekt zum Tragen, zu außeruniversitären Forschungs- und fi lbildung und die damit verbundene mann leiten gemeinsam die Arbeits- Sichtbarkeit und Förderung der Vernet- der über den Bereich der Wissenschaft Kultureinrichtungen setzen, können Clusterung fachlicher Schwerpunkte an stelle Kleine Fächer an der Johannes zung kleiner Fächer. hinausgeht: Unter der Maxime des kleine Fächer einen entscheidenden einzelnen Standorten geht diese Breite Gutenberg-Universität Mainz Aktuell listet die Kartierung  »Forschens mit statt Forschen über« Beitrag zum Profi l ihrer Universitäten wissenschaftlicher Zugänge vor Ort und kleine Fächer. Ihnen allen ist gemein- stehen ein angemessener Umgang mit leisten. Mit ihren besonderen Poten- gegebenenfalls auch im deutschen Wis- sam, dass sie an deutschen Universitä- diversen (Wissenschafts-)Kulturen und zialen in puncto Internationalisierung, senschaftssystem insgesamt verloren. MEHR DAZU ten je über maximal drei Professuren Traditionen und damit Fragen der in- Vernetzung und Forschungsstärke kön- Damit verbunden ist auch eine Reduk- verfügen, wobei es mit Blick auf ganz terkulturellen Zusammenarbeit im Fo- nen sie zudem eine wesentliche Rolle tion von Wahlmöglichkeiten aufseiten Politik & Kultur hat sich bereits in Deutschland auch zwei größere Fach- kus. Kleine Fächer sind damit nicht nur im Rahmen der zunehmenden Europä- der Studierenden. der Ausgabe / im Schwerpunkt standorte geben darf. Das Adjektiv entscheidende Türöff ner für die Inter- isierung des Hochschulraums spielen. Der Spagat zwischen fachlicher Pro- »Orchideenfächer: Unverzichtbare »klein« bezieht sich damit allein auf die nationalisierung ihrer Universitäten, sie Anschließend an diese Überlegun- fi lierung und wissenschaftlicher Mul- Exoten oder entbehrliches Wissen?« personelle Ausstattung dieser Fächer, haben auch eine hohe gesellschaftliche gen können Kürzungen oder Schlie- tiperspektivität stellt für die einzelne ausführlich mit der Bedeutung klei- nicht aber auf deren Gegenstand oder Relevanz als Wegbereiter des interkul- ßungen kleiner Fächer unterschied- Universität bzw. Hochschule eine be- ner Fächer beschäftigt. Lesen Sie die Relevanz. Hinsichtlich ihrer Inhalte turellen Dialogs. liche kritische Wirkungen für das sondere, häufi g kaum zufriedenstellend Ausgabe hier: bit.ly/xIlLZo ist die Gruppe der kleinen Fächer sehr heterogen. Kleine Fächer sind in allen Fachkulturen anzutreff en, wobei über die Hälfte den Geisteswissenschaften zuzurechnen ist. Größenmäßig reicht die Spannbreite von deutschlandweit Mediendiät einer halben Professur im Fach Indus- triearchäologie bis hin zu  Profes- Schluss mit Dauerkonsum und Dauererregung suren in der Alten Geschichte. Recht divers sind kleine Fächer auch mit Blick JOHANN HINRICH CLAUSSEN diese Welt berichten. Das hat unse- der gibt es auch die anderen. Um mit nen Gefühlen mit größerer Skepsis auf ihr Alter und ihre Entwicklung. Ne- ren Horizont unendlich erweitert, ihnen besser fertig zu werden, habe begegnen, die durch bestimmte ben traditionsreichen Disziplinen wie Ein Paradox unserer Zeit lautet: Mit kann aber auch zu Blickverengungen ich in der Corona-Zeit für mich ein Nachrichtenbilder ausgelöst werden. Ägyptologie, Klassische Archäologie dem Medienkonsum nimmt auch führen. Denn Medien sind mächtige Drei-Schritte-Programm entwickelt, Als Drittes sollte man versuchen, oder Indologie sind ebenso relativ jun- die Medienkritik zu. Anders gesagt: Akteure, die eigenen Logiken folgen. das mir hilft, aus dem Dauerkonsum bestimmte Medien einfach gar nicht ge Fächer wie die Digital Humanities, Je mehr die eigene Weltsicht durch Sie wollen schnell sein, um aktuell von Medien und der Dauererregung mehr zu konsumieren. Das sagt sich die Versorgungsforschung oder die unmäßige Mediennutzung bestimmt zu berichten. Sie brauchen Aufmerk- über Medien auszusteigen. Hier also so einfach und ist es auch. Ich habe Tanzwissenschaft zu fi nden. Zwischen ist, umso eher ist man geneigt, »die samkeit, die sich am ehesten durch meine Regeln für eine heilsame es selbst erfolgreich versucht. Von  und  stehen einem starken Medien« für alle Übel der Gegenwart Lautstärke und den Appell an eher Mediendiät. heute auf morgen habe ich aufgehört, Abbau in Fächern wie Indogermanistik, verantwortlich zu machen. Das ist niedere Instinkte erreichen lässt: Als Erstes sollte man sich angewöh- einige sehr erfolgreiche Nachrich- Mineralogie oder Medizingeschichte ein Leiden der Corona-Zeit: Es gibt Empörungsbereitschaft beispielswei- nen, Texte in dem Tempo zu lesen, in ten-Websites zu besuchen. Auch deutliche Zuwächse in anderen Fä- zu wenig reale Kontakte, echte Ge- se oder Amüsierbedürftigkeit. Eigent- dem sie vermutlich verfasst worden Talkshows schaue ich nicht mehr, chern wie Biodiversität, Deutsch als spräche mit anderen Menschen aus lich weiß man nur zu gut, dass alle sind. Es reicht also, die allermeisten keine einzige. Seither geht es mir viel Fremd- und Zweitsprache oder Isla- Fleisch und Blut, direkte Einsichten wichtigen Themen im Leben nicht so Meldungen oder Kurzkommentare besser. mische Theologie gegenüber, die zum in andere Lebenswelten und Begeg- einfach sind, sondern komplex und zu überfl iegen und nach spätestens Zum Schluss noch eine wichtige Un- Teil so stark sind, dass einzelne Fächer nungen mit fremden Weltsichten. mehrdeutig. Auch sind sie zumeist terscheidung: Diät ist etwas anderes dem Status »kleines Fach« entwachsen. Stattdessen sitzt man vor Bildschir- gar nicht so aufregend, sondern eher als Askese. Sie besteht nicht in einem Gleichzeitig werden von der Arbeits- men, liest und hört, guckt und skippt, anstrengend. Man bräuchte Zeit und unmenschlichen Verzicht, sondern stelle Kleine Fächer laufend Fachvor- klickt und wischt – und denkt sich: Geduld, um sie zu verstehen und eine in der Einübung eines menschlichen schläge geprüft und neue Fächer in die »Ach, diese schrecklichen Medien!« Haltung zu ihnen zu entwickeln. Aber Maßes. Ziel ist ein Weniger, das Kartierung aufgenommen. Die Gruppe Ich könnte es auch mit Rilke sagen: wann brächte man das schon auf? So mehr wert ist, weil es Zeit und Raum der kleinen Fächer spiegelt somit die »Mein Blick ist vom Vorübergehen wendet man sich lieber wieder den schaff t für Wichtigeres, beispielswei- hohe und divergierende Dynamik des der Bilder / so müd geworden, daß Medien zu, um gleich wieder von ih- se für stillere Gedanken und lang- Wissenschaftssystems wider: Teilge- ihn nichts mehr hält. / Ihm ist, als ob nen enttäuscht zu werden. einer halben Stunde innerlich zu samere Gefühle wie Geduld, Gelas- biete bestehender Fächer sowie For- es tausend Medien gäbe / und hinter Überhaupt, wer sind überhaupt »die« löschen. Das Tolle bei Twitter-Nach- senheit, Ergebung, Ernst, Zuneigung, schungsbereiche an interdisziplinä- tausend Medien keine Welt. // Nur Medien, über die sich alle zu erregen richten ist, dass man sie sogar schon Heiterkeit. ren Schnittstellen emanzipieren sich manchmal schiebt der Vorhang der scheinen. Nun gut, man kennt sie während des Lesens vergessen kann. Das nun wäre der Segen, der auf dem laufend zu eigenständigen Disziplinen, Pupille / sich lautlos auf—. Dann geht aus Zeitungen, Funk, Fernsehen und Als Zweites sollte man sich ange- Ende der Pandemie-Bestimmungen Fachgrenzen verschieben sich, manche ein Bild hinein, / geht durch der Glie- diesem Internet. Aber sie sind doch wöhnen, Bildern zu misstrauen. Sie liegen könnte: Endlich geht es wie- Fächer wachsen, während andere in der angespannte Stille— / und hört sehr unterschiedlich. Es gibt gute springen einen immer so an und der raus, ins Freie, zu eigenen Er- ihrer personellen Ausstattung stag- im Herzen auf zu sein.« und schlechte, billige und ernsthafte, halten doch zumeist nicht, was sie fahrungen und direkten Gesprächen nieren und wieder andere Prozessen Auch hier hat die Pandemie einer sachliche und tendenziöse, nieder- versprechen. Einen unmittelbaren mit echten Menschen, weg vom nur der Schrumpfung unterliegen oder mit eigentlich bekannten Grundtatsache trächtige und freundliche. Es gibt Wirklichkeitseindruck vermitteln sie medial Vermittelten. anderen Bereichen fusionieren. des modernen Lebens eine unge- z. B. »Politik & Kultur«, wo man In- eben nicht, sondern nur ein vielfach Fragt man angesichts dieser Un- heure Dynamik verliehen: Wir leben formationen erhält, die man andern- gefi ltertes und verzerrtes Image. Und Johann Hinrich Claussen ist Kultur- terschiede nach Gemeinsamkeiten nicht nur in dieser Welt, sondern orts nicht fi ndet, und dies gut recher- da man schon beim Misstrauen ist, beauftragter der Evangelischen Kirche kleiner Fächer, die über die schwache vor allem in all den Medien, die über chiert und ohne billige Eff ekte. Lei- sollte man sogleich auch den eige- in Deutschland Politik & Kultur | Nr. -/ | Juli/August  INLAND 11

Diversität im Wissenschaftskanon Kleine Fächer sind gelegentlich schmückt. Schönwetter- man meinen, in einer Stadt, in der Auf- Dazu kommt, dass die akademischen senschaftsministerium fragt stattdes- unverzichtbarer Teil un- forschung eben, solange man sie sich klärung ganz tiefe Wurzeln hat. Aber Zyklen immer hektischer werden und sen nach dem Mehrwert dieser Fächer. leisten kann. das hilft alles nicht weiter, solange sich die universitäre Welt von heute durch Darauf könne man, meint der Münch- seres kulturellen Gedächt- Das Phänomen ist alt und brei- solche Fächer mit Hilfsargumenten ver- einen akademischen »Mittelbau« ge- ner Orientalist Christoph K. Neumann, nisses tet sich wie die Vogelgrippe oder die teidigen müssen. Denn es geht nicht nur prägt wird, dessen Vertreter sich in gar keine einfache Antwort mehr geben. Schweinepest aus. In aller Regel be- um Etats. Gemessen an den Mitteln, die immer kürzeren Abständen von Pro- Die Aufgabe seines Faches sei doch eher JOHANN MICHAEL MÖLLER ginnt man dann mit dem Keulen. In für Großforschungseinrichtungen ein- jekt zu Projekt weiterhangeln müssen. »Wissen zu bewahren, Erkenntnisse zu den er Jahren hat man die Osteuro- geplant werden, reden wir wirklich von Fluktuation schaff e Innovation, heißt erlangen und neue Perspektiven zu er- uch Kolonialgeschichte galt paforschung beräumt, sinnvollerweise Peanuts. Es gibt vielmehr ein Begrün- öff nen«. Grundsätzlicher kann man es einmal als Orchideenfach. parallel zur Osterweiterung der Europä- dungsproblem dieser Wissenschaften; gar nicht sagen. Oder sollte man besser sa- ischen Union. In Göttingen ist die Skan- und daran sind die betroff enen Fächer Wann immer es fi nan- Der vielbeschworene »cultural turn« A gen: Sie war eine Nische in- dinavistik jetzt im Visier. Man will sie mit schuld. Es fehlt ihnen auch nicht an ziell eng wird an deut- in den heutigen Kultur- und Sozialwis- nerhalb einer Geschichtswissenschaft, am Leben lassen. Auch die Universität Förderprogrammen und eine eigene »Ar- senschaften steht dieser Einsicht nicht in der – wie man lange überzeugt war Halle-Wittenberg ist jetzt wieder mal beitsstelle Kleine Fächer« existiert an der schen Hochschulen, wirklich entgegen. Im Gegenteil bedeu- – bedeutendere Fragen im Vordergrund dran, wo das ruhmreiche Institut für Universität Mainz auch. Aber ohne eine geraten die Orchide- tet er doch den Abschied von den Groß- standen als jenes kurze Kolonialaben- Altertumswissenschaft geopfert wer- eigene, vernehmbare Antwort auf den enfächer fast zwangs- theorien, den Meistererzählungen und teuer in der deutschen Geschichte. Es den soll. Was heißt es auch schon, dass fundamentalen Wandlungsprozess in läufi g ins Visier der üblichen Tonnagepolitik im heuti- ist auch noch gar nicht so lange her, dieses Fach dort erfunden wurde; dass den Kultur- und Geisteswissenschaften, gen Wissenschaftsbetrieb. Wir lernen dass man im Afrika-Lesesaal einer deut- der große August Boeckh dort studierte wird ihre Lage nicht besser. stattdessen, unsere Moderne wieder im schen Stadt- und Universitätsbibliothek und der Altphilologe Carl Robert die Der Islamwissenschaftler Stephan es dazu in einem Werbevideo des For- Plural zu denken. Die kleinen Fächer der einzige Benutzer war, was paradie- griechische Mythologie Prellers weiter- Conermann hat deshalb schon vor Jah- schungsministeriums lakonisch, was bieten das Rüstzeug dafür. sische Arbeitsbedingungen bot, für die geführt hat. Zum Glück gibt es ja Wi- ren eine Neubestimmung der diszipli- einen Proteststurm auf Twitter ausge- Der italienische Kulturtheoretiker man den belustigten Blick der Kommili- kipedia, denn diese Namen werden der nären Grenzen »im Zuge des cultural löst hat. Die in den hermeneutischen und Kommunist Antonio Gramsci war tonen gerne in Kauf nahm. Dass aus der Hochschulleitung nichts sagen. Die legt turns« gefordert und die berechtigte Wissenschaften so wichtige Traditions- an der Turiner Universität eben nicht deutschen Kolonialgeschichte einmal andere Kriterien an, wie erfolgreiche Frage gestellt, wie man das »verloren bildung ist in solchen Konstellationen nur mit der Bewegung des Futuris- ein Schlüsselthema für die Gegenwart Drittmitteleinwerbung oder wachsen- gegangene kreative und gesellschafts- kaum mehr möglich, was immer dann mus in Berührung gekommen oder werden könnte, hätte man damals kaum relevante Potential« dieser kleinen Fä- schmerzhaft deutlich wird, wenn man der Ideenwelt Benedetto Croces. Sein für möglich gehalten. Wie überhaupt cher wiedergewinnen kann. Aber das ist gelegentlich das Gegenmodell sieht. In wohl prägender Lehrer war der dalma- die Betreiber von Orchideenfächern in eine zweischneidige Sache. Der Angriff der Tradition Theodor Mommsens habe tische Sprachwissenschaftler Matteo aller Regel bescheidene Leute sind, die erfolgt ja von mehreren Seiten. Nicht er »sein ganzes Forscherleben dem grie- Bartoli; gemeinsam betrieben sie Di- sich zufriedengeben, wenn vom Tisch nur der Nutzen dieser Fächer ist heute chischen Inschriftenwerk der Berliner alektforschung an einer ausgestorbe- der großen Fächer noch etwas abfällt. umstritten; auch die Notwendigkeit ei- Akademie« gewidmet, heißt es etwa bei nen winzigen Sprache. Das wirkt aus Mein früherer Nachbar, der zu den ner eigenen Rolle. Viel größer noch als der Verleihung des Karl-Christ-Preises heutiger Sicht fast schon bizarr. Aber wenigen Spezialisten weltweit gehört, die Gefahr, dem Sparzwang zum Opfer an den Epigrafi ker Klaus Hallof. Ob einer womöglich gab es den entscheiden- der alte tibetische Handschriften le- de Studierendenzahlen. Und weil man zu fallen, ist die Gefahr in jenem kul- solch rührenden Begründung könnten den Anstoß, Kultur und Gesellschaft sen kann, hat sich zur Sicherheit noch so schön beim Auskämmen war, wären turwissenschaftlichen Einheitsbrei zu einem fast schon die Tränen kommen. von den Rändern her zu denken. Die ein Baugeschäft zugelegt und züchtet auch noch die asiatischen Wissenschaf- verschwinden, der die postmoderne Wis- Man fragt sich überhaupt, warum das heutigen Wissenschaftsmanager wird jetzt Yaks in den Schweizer Bergen. Man ten verschwunden. Wer braucht auch senschaftslandschaft zähfl üssig über- so infl ationär gebrauchte Wort Diver- man mit solchen Argumenten nicht kann ja nie wissen, was die akademi- schon Indologie, und von den Japanern zieht. Die Vorstellung in einer eigenen sität für den wissenschaftlichen Kanon überzeugen können. Aber was die für sche Zukunft so bringt. will man erst recht nichts mehr wissen. Forschungstradition zu stehen und diese nicht gelten soll; ja: warum die Vielzahl das Wissen von gestern halten, könnten Denn wann immer es finanziell Mit einem öff entlichen Aufschrei hat- auch weitergeben zu wollen, droht verlo- der kleinen Fächer einer besonderen längst schon wieder die Ideen für eine eng wird an deutschen Hochschu- te die Hochschulleitung wohl nicht mehr ren zu gehen. Stattdessen versucht man Begründung bedarf, wenn sie doch als Gesellschaft von morgen sein. len, geraten die Orchideenfächer fast gerechnet und die Pläne wie eine heiße das eigene Fachgebiet zu überschreiben unverzichtbarer Teil unseres kulturel- zwangsläufi g ins Visier, mit denen man Kartoff el schnell wieder fallen gelassen. mit all den modischen Begriff en, die der len Gedächtnisses gelten. Das jüngste Johann Michael Möller ist freier sich – wie der Name schon sagt – auch Ein kleiner Sieg der Vernunft, möchte Zeitgeist so anschwemmt. Eckpunktepapier des bayrischen Wis- Publizist und Ethnologe

Das neue Polen Zwischen Aufbruch und Stillstand

KULTUR AUSTAUSCH Heft 3/2021 Zeitschrift für Piotr Pacewicz internationale Perspektiven Joanna Bator Daniel Libeskind Jetzt am Kiosk, zu bestellen unter Pawel Machcewicz www.kulturaustausch.de oder bei [email protected] Agnieszka Lichterowicz (pro Ausgabe 7 Euro zzgl. Versandkosten) Olena Babakova 12 INLAND www.politikundkultur.net

Kein Einsparpotenzial Drohende Kürzungen an Ende Mai haben Sie die Petition der Martin-Luther-Univer- »Kahlschlag an der MLU verhin- dern, Fakultäten retten!« gestartet, sität Halle-Wittenberg die mittlerweile beendet ist. Wel- che Resonanz haben Sie auf die Mehrere Fakultäten werden geschlos- Petition erhalten? sen, Institute weggekürzt, Studiengän- Wir haben sehr positive und breite ge gestrichen – so sah das Kürzungspa- Resonanz erhalten. Insbesondere die pier zur Zukunft der MLU aus. Der Fach- bedrohten Fächer, wie die Altphilolo- schaftsrat der Philosophischen Fakultät gien, haben breite Solidarisierung er- I fordert, die massiven Kürzungspläne fahren und es wurde sogar internatio- einzustellen – unter anderem mit einer nal deutlich gemacht, dass die Fächer Petition. Lukas Wanke berichtet über eine große Relevanz haben und sich betroff ene Studiengänge, die Petition nicht über die Fragen nach Einschrei- und die aktuelle Situation. bezahlen defi nieren lassen. Hier ha- ben sich insbesondere viele Wissen- Maike Karnebogen: Als Fach- schaftlerinnen und Wissenschaftler schaftsrat der Philosophischen Fa- geäußert und dazu beigetragen, dass kultät I an der Martin-Luther-Uni- sich viele zu einer funktionsfähigen versität Halle-Wittenberg (MLU) Philosophischen Fakultät I an der setzen Sie sich gegen die drohen- MLU bekannt haben. Außerdem ha- den Kürzungspläne an der MLU ein. ben am Ende über . Menschen Welche Kürzungen drohen, welche unsere Petition unterzeichnet, viele Studiengänge sind betroff en? Studierende, internationale Wissen- Lukas Wanke: Das Rektorat sieht ein schaftlerinnen und Wissenschaftler Haushaltsloch von  Millionen Euro sowie Einwohnerinnen und Einwoh- an der MLU und hat ursprünglich den ner von Halle, denen einen starke und Vorschlag gemacht, diese Summe mit gut fi nanzierte Hochschule in ihrer

der Schließung verschiedener Fächer Heimatstadt wichtig ist. STANBALIK / PIXABAY FOTO: einzusparen. Dabei wurden Gräzis- Vor allem Orchideenfächer sind oft von Kürzungsmaßnahmen betroff en tik, Latinistik, Sportwissenschaft, Wie schätzen Sie die aktuelle Altertumswissenschaft, Japanologie, Situation ein? Jahr , in der z. B. auch die Infor- Erst kürzlich war auch das Skandi- Hochschulen positiv auf den Protest Südasienwissenschaft, Indologie, Das konkrete Kürzungspapier ist matik, die Geologie und die Medien- navische Seminar der Universität bezogen, aber da haben wir leider mittel- und neulateinische Philologie aus unserer Perspektive vom Tisch, und Kommunikationswissenschaft Göttingen akut von der Schlie- keinen exakten Überblick. und vorderasiatische Archäologie aber die Kürzungen noch nicht. Im als entbehrlich benannt wurden. Es ßung bedroht und hat ebenfalls Zukünftig werden wir gerne ko- konkret benannt. Außerdem sollten Moment soll ausführlich und ergeb- gibt kaum Fächer, die in den letzten eine Petition gestartet. Inwieweit operieren und solidarisieren uns in der Politikwissenschaft und in der nisoff en über mögliche Einsparungen Jahren nicht schon von Kürzungen stehen Sie mit anderen Universitä- auch mit anderen bedrohten Fä- Agrarwissenschaft Professuren ge- diskutiert werden und es liegt jetzt bedroht wurden. Deshalb braucht es ten in Verbindung, tauschen sich chern. strichen werden, was ebenfalls exis- auch an uns, eine Kannibalisierung ein Bekenntnis von Regierung und aus? tenzbedrohend werden kann. Offi ziell der Fächer untereinander zu verhin- Hochschule zu einer Ausfi nanzierung Viele Studierende von anderen Vielen Dank. wurde dafür teilweise die geringen dern, da es an der MLU einfach kein des Bestehenden und dann eine tat- Hochschulen haben unsere Petition Einschreibezahlen genannt, was aber Einsparpotenzial gibt. sächliche Profi ldiskussion über zu- unterschrieben und weiterverbrei- Lukas Wanke ist Sprecher des nur auf einige der Fächer zutriff t. Die Denn während die Leitung der MLU sätzliche Angebote. Wenn es endlich tet, außerdem hat sich konkret eine Fachschaftsrates der Philosophischen Gemeinsamkeit einiger Fächer ist jetzt viele Fächer aus der Philosophi- Sicherheit für z. B. die »kleinen Fä- Fächergruppe aus Leipzig an uns ge- Fakultät I. Er studiert im zweiten aber vor allem, dass die Professorin- schen Fakultät I quasi als kürzungs- cher« gibt, dann können diese natür- wandt und Unterstützung angeboten. Mastersemester Geschichte und ist nen und Professoren bereits emeri- fähig markiert hat, gilt in Sachsen- lich auch deutlich mehr Studierende In den verschiedenen Social-Media- seit  an der Universität Halle. tiert sind oder relativ bald emeritiert Anhalt offi ziell noch die Hochschul- für ihre Wissenschaftsbereiche ge- Kanälen haben sich sehr viele Ak- Maike Karnebogen ist Redakteurin werden. strukturplanung des Landes aus dem winnen und den Nachwuchs sichern. teurinnen und Akteure aus anderen von Politik & Kultur Göttinger Skandinavistik bleibt Petition setzt Zeichen gegen das Einstampfen kleinerer Geisteswissenschaften

Das Skandinavische Seminar der Uni- und Philosophie nicht zu schaden. »kleine« Institute in ihrer Existenz deutschsprachigen Raum, die uns zu einem Kleinstseminar gemacht. versität Göttingen war Ende April Die Folgen einer Schließung wären bedroht. Eine mögliche Entscheidung unter anderem damit geholfen ha- Durch die Streichungen wird sich akut von der Schließung bedroht. Mit für die Universität allerdings dras- der Fakultät dafür, das Skandinavi- ben, die Petition und den Demoauf- in Kürze das gesamte Studienprofi l der Petition »Göttinger Skandinavistik tisch gewesen. Das Skandinavische sche Seminar in Göttingen zu schlie- ruf zu verbreiten und off ene Briefe verändern, auch für die Studieren- erhalten!« sammelte die Fachgruppe Seminar bietet mit seinen Lektorats- ßen, um den drastischen Sparplänen an die Universität zu schreiben. An den, die ihr Studium unter anderen Skandinavistik zahlreiche Unterschrif- stellen für Norwegisch, Schwedisch, des Landes zu genügen, war für uns der Universität Tübingen hatte die Bedingungen begonnen haben. Der ten und schaff te Aufmerksamkeit. Mai- Dänisch und Isländisch nicht nur als Fachgruppe nicht hinnehmbar Fachgruppe Skandinavistik leider Studienschwerpunkt wird sich von ke Karnebogen spricht mit Katharina Möglichkeiten für alle Studierenden, und musste verhindert werden – des- zeitgleich eine ähnliche Schlacht zu einer Balance aus mittelalterlicher Sophie Kühnel über den besonderen diese Fremdsprachen bis zu einem wegen beschlossen wir unter ande- schlagen: Auch dort stand die Schlie- und neuerer skandinavischer Litera- Stellenwert des Studienganges Skan- hohen Niveau zu erlernen, es ist au- rem, die Petition zu starten. ßung der Skandinavistik im Raum. tur- und Kulturwissenschaft hin zur dinavistik an der Universität Göttingen, ßerdem eben dieses Institut, das ein Die aktuelle Sparpolitik im Bildungs- Moderne verschieben; der interdiszi- die Petition und die aktuelle Situation. wichtiges Alleinstellungsmerkmal der Welche Resonanz haben Sie auf die sektor einiger Bundesländer betriff t plinäre Masterstudiengang Mittelal- Universität ausmacht. Nur hier kann Petition erhalten? letzten Endes uns alle: Es gibt nur ter- und Renaissancestudien, an dem Maike Karnebogen: Als Fachgrup- man in Niedersachsen Skandinavis- Die Resonanz war ehrlich gesagt viel zwölf Skandinavische Seminare sich die Skandinavistik bisher noch pe Skandinavistik haben Sie die tik studieren, nur hier kann man in größer, als wir erwartet hatten, und in Deutschland und jede einzelne beteiligt, kann nicht mehr bedient Petition »Göttinger Skandinavistik Deutschland, neben Berlin, Isländisch wir konnten bis zur entscheidenden Schließung hat fatale Folgen für den werden. Das bedeutet natürlich, dass erhalten!« gestartet – wie kam mehr als nur in Grundzügen erlernen. Fakultätsratssitzung knapp . Un- Wissenschaftsbetrieb. die Skandinavistik in Göttingen für es dazu? Welchen besonderen Außerdem ist die Skandinavistik mit terschriften aus dem In- und Ausland künftige Studierende, die sich für Stellenwert hat der Studiengang dem vergleichenden Blick auf skan- sammeln. Außerdem äußerten sich Nun steht erst einmal fest: Skan- das skandinavische Mittelalter in- Skandinavistik an der Universität dinavische Literaturen und Kulturen zahlreiche Professorinnen und Pro- dinavistik bleibt erhalten, der teressieren, weit weniger attraktiv Göttingen? ein unverzichtbarer Bestandteil einer fessoren, Verbände, Fachgruppen und Fakultätsrat hat allerdingt Kür- wird – ergo wird es wohl weniger Katharina Sophie Kühnel: Das Skan- Europäischen Hochschule, denn sie auch die skandinavischen Botschaf- zungen beschlossen. Was bedeutet Erstsemester geben. Im schlimmsten dinavische Seminar der Universität greift, von der Literatur ausgehend, ten in Briefen an Dekan, Universitäts- das für den Studiengang? Wie Fall könnte genau das bei erneuten Göttingen war Ende April in akuter mittelalterliche und moderne Phä- präsident und Bildungsministerium schätzen Sie die aktuelle Situati- Sparmaßnahmen dazu führen, dass Gefahr, geschlossen zu werden. Auf- nomene Skandinaviens wie Wikinger, kritisch zu den Schließungsplänen. on ein? der Rotstift wieder beim Skandinavi- grund der vom Land Niedersachsen Runen, Nation Building, Wohlfahrts- Diese Unterstützung hat uns sehr ge- Durch die Kürzungen wird das Skan- schen Seminar angesetzt wird. auferlegten Sparmaßnahmen im Zuge staat, Demokratie, Reformpädagogik, holfen und deutlich gezeigt, dass die dinavische Seminar so stark verklei- der Corona-Pandemie, die Kürzungen Klimawandel, Migration und die Ver- Skandinavistik in Göttingen sehr gut nert, wie es möglich ist, ohne es ganz Vielen Dank. von ca. zwei Prozent des jährlichen stärkung rechter politischer Trends in vernetzt ist und über eine Schließung zu schließen. Neben einer von zwei Universitätshaushaltes vorschreiben, reichen Ländern auf und stellt diese des Seminars nicht ohne breiten Wi- wissenschaftlichen Mitarbeiterstel- Katharina Sophie Kühnel studiert seit sah sich allein die Philosophische in einen globalen Kontext. derstand diskutiert werden kann. len fällt auch die Juniorprofessur für  im Zwei-Fach-Bachelor Skandina- Fakultät gezwungen, eine Summe Leider ist die prekäre Situation der Mediävistik und damit ein wesentli- vistik und Anglistik mit Schwerpunkt von etwa zwei Professuren mit den Skandinavistik kein Einzelfall: Nicht Auch andere Universitäten kämp- cher Bestandteil des Seminars weg. Mediävistik an der Universität Göttin- dazugehörigen Stellen einzusparen. nur an der Universität Göttingen, die fen für den Erhalt des Studienfachs. Es bleiben nur noch die Professur für gen. Seit ihrem Studienbeginn ist sie Dem Fakultätsrat wurde die Strei- mit Internationalität und Fächer- Stehen Sie mit anderen Fachgrup- Neuere Literatur- und Kulturwissen- in der Fachgruppe Skandinavistik chung der kompletten Skandinavistik vielfalt für sich wirbt, werden immer pen in Verbindung, tauschen sich schaft, eine wissenschaftliche Mitar- aktiv, darunter zwei Jahre lang als empfohlen – das kleine Studienfach wieder Studiengänge wie Indologie aus? beiterstelle und drei Sprachlektorate Fachgruppensprecherin. Maike sollte im Ganzen aufgegeben werden, oder Finnougristik geschlossen, auch Ja, wir hatten und haben Kontakt für Norwegisch, Dänisch und Schwe- Karnebogen ist Redakteurin von um größeren Fächern wie Geschichte deutschland- und europaweit sind zu den anderen Fachgruppen im disch – ein kleines Seminar wird also Politik & Kultur Politik & Kultur | Nr. -/ | Juli/August  INTERNATIONALES 13

so viel Beton verbaut wie in Europa. Um den Zementanteil im Beton zu reduzieren, Auf der Suche nach der müssen Ersatzstoff e gefunden werden. An der Universität Lagos etwa experimentiert der nigerianische Bauingenieur Kolawole Adisa Olonade mit Maniokschalen. Die bei afrikanischen Stadt der Verbrennung der Schalen entstehende Asche enthält einen hohen Anteil an reak- Haustypologien zwischen Lowtech und Hightech tivem Siliziumdioxid, das als nachhaltiger Zementersatz verwendet werden und so die PHILIPP MEUSER im Senegal, das in der vorherigen Ausgabe Im Westen bewährte Planungsmethoden Damit der Ökobilanz im Vergleich zu herkömmlichem / von Politik & Kultur vorgestellt wurde, sind aber längst noch kein Garant, dass Beton verbessern kann. Ohnehin liegt in gehört ebenfalls in diese Reihe. Projekte in Afrika erfolgreich umgesetzt Hausbau für der Entwicklung regenerativer Bauma- ine Phase, in der eine globale Aber auch nichtafrikanische Architekten werden können. Das mag sich erst ändern, die  Mil- terialien ein Forschungsfeld mit Zukunft. Pandemie die Regeln des Zusam- haben Akzente gesetzt, etwa die Italiener wenn die Ausbildung von Stadtplanern und lionen neuen Größter Gegner ist allerdings die weltweite menlebens hinterfragt, erschwert Riccardo Vannucci und Giovanna Vicentini Architekten nicht mehr nur an wenigen Stadtbewoh- Zement-Lobby, die in Afrika kaum mehr eine verlässliche Aussage zur Zu- mit Lowtech-Sanitärstationen in Burki- afrikanischen Universitäten erfolgt. sieht als einen boomenden Baumarkt. E ner Afrikas kunft der afrikanischen Stadt. Der fran- na Faso oder die Deutsche Anna Heringer Das unvermeidliche Anwachsen infor- Die Zukunft der afrikanischen Archi- zösische Architekt Aldric Beckmann, der mit einem Kindergartenbau in Form einer meller Siedlungen braucht dennoch schon bis  nicht tektur wird sich in der Stadt und auf dem  mit einem Team den Wettbewerb zum strohbedeckten Rundhütte in Simbabwe. jetzt eine strategische Planung. Das kol- noch mehr zum Land gleichermaßen entscheiden. Das Bau einer neuen Stadt bei Ouagadougou in Alle diese Projekte verbindet der Ansatz, lektive Wissen der Bevölkerung um Bau Klimawandel Wissen der Menschen vor Ort, die nach Burkina Faso gewann, sah schon seinerzeit das vorhandene Know-how der lokalen Be- und Bewirtschaftung von Häusern ließe Jahrhunderten des kollektiven Hausbaus die Ungewissheit. »Wir müssen zugeben, völkerung zu nutzen und mit einfachsten sich gut darin einbinden – zum Vorteil aller. beiträgt, sind nicht verlernt haben, ihre Bauten nach dass die Planung ein großer Sprung ins Methoden zu bauen. Sie erfordern zudem Der Chilene Alejandro Aravena hat  als die Kenntnisse traditioneller Überlieferung zu errichten, Unbekannte ist. Wir riskieren,  Jahre lang kein großstädtisches Umfeld und können Generalkommissar der Architektur-Bien- traditioneller lässt auf einen neuen baukünstlerischen auf Sicht zu navigieren, weil die afrika- auch in ländlichen Regionen realisiert nale in Venedig eine vorbildliche Strategie Regionalismus hoff en. Im medialen Zir- nische Stadt noch nicht erfunden wurde werden – so auch Hightech-Beispiele vorgestellt: Der Staat schaff t Infrastruktur, Baumethoden kus der globalisierten Individualstan- oder sich selbst noch nicht erfunden hat.« wie der Solar-Kiosk von GRAFT oder die allem voran Straßen und Kanalisation, und umso wichtiger. dards, in dem die Schärfe des Fotos über Ob dieser Stadttypus mit dem südöstlich Drohnen-Verteilungszentren von Norman überlässt den vom Lande Zugezogenen ei- Würde der Be- die Qualität der Architektur richtet, mag der Hauptstadt geplanten Ort Yennenga, Foster. Beide Typenprojekte basieren auf nen seriell gefertigten Rohbau auf kleinem darf an zukünf- das eine wohltuende Beruhigung darstel- in dem zukünftig auf  Hektar Fläche der Idee, die in vielen Regionen nicht Grundstück, der individuell ausgebaut und len. Bei zukünftiger moderner Architektur . Einwohner leben sollen, gefun- vorhandene Infrastruktur durch autarke erweitert werden kann. Dies wäre nicht tigem Wohn- im subsaharischen Afrika sollten wir uns den sein wird, ist zweifelhaft. Denn obwohl Hochtechnologie zu ersetzen. Der Solarki- nur eine kostengünstige Variante, die den raum in Afrika auf eine Ästhetik des Unfertigen und auf Ouagadougou zu den schnell wachsenden osk besteht aus addierbaren Modulen, die überwältigenden Dimensionen des Urba- mit Bauten aus wachsende Häuser einstellen – einfache Städten Afrikas gehört, wird sich eine neu dank Fotovoltaiktechnik ortsunabhängig nisierungsprozesses gerecht wird, sondern Zement ge- Standards, die im Laufe des Lebens quali- zu errichtende Stadt kaum mit Zuzüglern aufgestellt werden. Genutzt werden kön- würde auch gewachsene Strukturen be- fi ziert werden. Dies wird einhergehen müs- aus agrarwirtschaftlich geprägten Regio- nen die Einheiten als Krankenstation, Büro rücksichtigen und auf die Eigeninitiative deckt werden, sen mit zeitgemäßen Antworten auf die nen füllen, um binnen wenigen Jahren eine oder als Community Center mit permanen- der Menschen setzen. Pritzker-Preisträger entspräche dies Bodenfrage, die Spekulationen zumindest urbane Stadtkultur aufbauen zu können. ter Strom- und Internetversorgung. Den Aravena gilt mit seiner Bauweise halbferti- wohl  Pro- für einen bestimmten Zeitraum verhindern Oder entspricht dies einer typisch euro- Drohnen-Flughäfen von Foster liegt die ger Wohneinheiten inzwischen nicht mehr und selbstbestimmte Stadtentwicklung päischen Sichtweise? Idee zugrunde, entlegene Regionen ganz- nur in seiner Heimat Chile als Pionier des zent des welt- fördern. Eine vereinfachte Bewilligung Vielleicht geht es weniger um die Fra- jährig mit wichtigen Medikamenten oder kostengünstigen Bauens.  reiste er weit zulässigen von Mikrokrediten könnte einen solchen ge nach einer Typologie der afrikanischen mit Post zu versorgen. Damit könnte der erstmals in den Sudan, wo drei Viertel Kohlendioxid- Städtebau unterstützen, fl ankiert von einer Stadt und vielmehr darum, mit welchen eingeschränkten Mobilität etwa während der Bevölkerung täglich mit umgerechnet ausstoßes Stärkung der Berufsgenossenschaften im Gebäudetypologien diese Stadt gebaut der Regenzeit mit den dann oft nicht be- unter fünf Euro auskommen müssen. In Planen und Bauen sowie einer nachhalti- wird. Vor diesem Hintergrund gilt es die fahrbaren Straßen begegnet werden. einem Kulturkreis, in dem die Menschen gen Ausbildungsförderung in den Baube- positiven Beispiele der subsaharischen Eine Kultur schaff t die beste Architektur nicht verlernt haben, ihr eigenes Haus zu rufen. Und wir müssen uns weiterhin über Stadtentwicklung zu identifi zieren. Diese nur mit Materialien und Techniken, die sie bauen, könnte seine Methode noch er- eine Theorie der afrikanischen Baukunst sind geprägt von einer Kombination aus kennt. In einem Markt wie Afrika, wo die folgreicher sein als in Südamerika. Und verständigen, nicht zuletzt weil die indi- FOTO: AS.ARCHITECTURE STUDIO AS.ARCHITECTURE FOTO: Südöstlich von Ouagadougou soll der Ort Yennenga in Burkina Faso entstehen traditionellen Bauweisen mit lokalen Ma- Kosten die Bauzeit und architektonische für ganz Afrika könnte sie einen Beitrag genen Bauformen, die in Afrika heute noch terialien und einem reduzierten Einsatz Qualität dominieren, ist die Rückbesin- leisten zu einer Urbanisierung, die für die überall zu bewundern sind, die Wurzeln von Hightech-Produkten. Auf dem ge- nung auf vorhandene Materialien umso Masse der Bevölkerung fi nanzierbar ist. aller humanen Bautypen abbilden. Inso- samten Kontinent fi nden sich Beispiele, wichtiger. Denn vor allem chinesische Bil- Damit der Hausbau für die  Millio- fern wird jede Grundlagenforschung zu den bei denen Architekten traditionellen oder ligprodukte überschwemmen den lokalen nen neuen Stadtbewohner Afrikas bis  Ursprüngen des menschlichen Bauens in unkonventionellen Konstruktionsmetho- Baumarkt, unterstützen aber nicht eine aber nicht noch mehr zum Klimawandel ihrer akademischen Schlussfolgerung auch den gefolgt sind, um eine vorbildliche All- Evolution der afrikanischen Architektur, beiträgt, sind die Kenntnisse traditionel- einen Bezug zu Afrika herstellen müssen. tagsarchitektur zu errichten. Dazu zählen sondern ersetzen sie durch eine fremde ler Baumethoden umso wichtiger. Würde die kostengünstigen Sandsackhäuser in Ästhetik. Soll die Urbanisierung Afrikas der Bedarf an zukünftigem Wohnraum Philipp Meuser ist Architekt und Verleger. Kapstadt in Südafrika von Luyanda Mpahl- auch zur kulturellen Identität beitragen, in Afrika mit Bauten aus Zement gedeckt Seit knapp zehn Jahren betreut sein wa oder die in traditioneller Lehmbauweise kann diese nur von den Bewohnern selbst werden, entspräche dies wohl  Prozent Planungsbüro Bauprojekte in West- und errichteten Mittelklasse-Wohnbauten in verantwortet werden. Aus Europa und des weltweit zulässigen Kohlendioxid- Nordafrika. In seinem Verlag erschien Niamey in Niger von Mariam Kamara. Der China dürfen allenfalls Methoden des ausstoßes. Auf den Baustellen zwischen kürzlich ein Grundlagenwerk zur Archi- Neubau für das Goethe-Institut in Dakar Projektmanagements importiert werden. Kairo und Kapstadt wird bereits heute tektur im subsaharischen Afrika 14 MEDIEN www.politikundkultur.net

Abschied von Träumen Kino-Sperrfristen sollten und stellt ihr heutiges Geschäfts- und geltenden regelmäßigen Sperrfristen Branchenvereinbarung soll kaskade für Kinofilme bereits jetzt künftig durch Verein- Kulturmodell infrage. sowie den ordentlichen und außeror- Sperrfristen regeln Geschichte ist. Diese Entwicklung gilt Ohne Zweifel kann die Filmwirt- dentlichen Sperrfristverkürzungen zu auch für die deutschsprachigen Märkte. barung der Verbände schaft die veränderte Mediennutzung treff en – wobei dies die Zustimmung Noch bevor die aktuelle Fassung des Ge- Sämtliche Marktforschungsdaten be- geregelt werden und den Vormarsch der Streamingplatt- sämtlicher Kinovertreter im Verwal- setzes in Kraft ist, wird bereits über die legen die hohen Nutzungen von Stre- formen nicht ignorieren. Die Strea- tungsrat erfordert. nächste Reform debattiert. So verfolgt amingplattformen und Mediatheken, HELMUT HARTUNG mingdienste gehörten inzwischen zu Diese Festlegung bedeutet für die auch der andere Kinoverband, die AG aber erfreulicherweise auch die große unserem Alltag, stellte Christine Berg, Kinos Zeitgewinn, denn sowohl die Kino-Gilde, der vor allem die Arthouse- Affi nität der Streaming-Nutzer für den änguru-Chroniken« von X- Vorstand des Kinoverbandes HdF Kino Produzenten als auch die Verleiher Kinos und Filmkunstkinos vertritt, ein Kinofi lm und deren Hoff nung auf einen Filme war der erste deutsche in einem Gespräch mit medienpolitik. drängen auf eine Verkürzung der ex- ähnliches Konzept. Er schlägt vor, dass baldigen Kinobesuch. Die Streaming- Kinofi lm, der angesichts ge- net fest: »Sie sind zudem ein Teil der klusiven Kinoauswertung. »Wie lange die regelmäßigen Sperrfristen durch Nutzung ist innerhalb kürzester Zeit K schlossener Kinos im April Branche geworden und haben hier viele muss diese ›Exklusivität‹ sein? Die- Branchenvereinbarung zwischen den für Millionen Bundesbürger zu einer , auf verschiedenen Streaming- Veränderungen mit sich gebracht. Wir se Frage treibt uns um: Sind es noch Verbänden der Kinos mit Verbänden der alltäglichen Verhaltensweise geworden, plattformen angeboten wurde. Aller- sollten, statt unrealistischen Träumen sechs Monate, wie im FFG verankert betroff enen Mediendienste und Fern- auf die der Kunde nicht mehr verzich- dings dürfen deutsche Produzenten nachzuhängen, noch konsequenter in oder muss es nicht einen fl exibleren sehveranstalter geregelt werden. Diese ten will.« bei geförderten Kinofi lmen nicht die die Zukunft sehen und die Vorausset- Umgang mit den Sperrfristen für deut- Vereinbarung sei dann für Dienstean- Die FFG-Sperrfristen, die ursprüng- exklusive Kinoauswertung ignorieren, zungen schaffen, dass der ›Kuchen‹ sche Filme geben?«, fragt Christine bieter und Fernsehveranstalter sowie lich die üblichen Filmverwertungs- sondern die Filmförderungsanstalt größer und fair verteilt wird.« Berg. Flexibler bedeute, dass die Sperr- die Mitglieder der unterzeichnenden strukturen für Kinofi lme abbildeten, (FFA) musste dem Deal zustimmen und frist generell verkürzt werden könne, Verbände verbindlich, heißt es in ei- wirkten heute, so der VdF, nach den stellte Bedingungen. wenn es eine Branchenvereinbarung nem Konzeptpapier der AG Kino-Gilde. Erfahrungen von  Monaten Pandemie, Filmförderungsgesetz regelt Rah- Wie die »Süddeutsche Zeitung« gäbe, die alle in Deutschland gestarte- Die Zeit für den Schutz einer großen wie aus der Zeit gefallen. Ein großer Teil menbedingungen für Produktion berichtete, wurden die Kinos mit  ten Filme umfasst. Diese könnte auch Vielfalt an Inhalten dränge auch des- der internationalen Kinofi lmproduk- und Verwertung von Kinofi lmen Prozent an den Digitalerlösen betei- berücksichtigen, dass Filme, die in den halb, weil sich der Film- und Kinomarkt tionen folge heute komplett anderen ligt. »Unser digital bisher bestverkauf- Zu einer solchen »fairen Verteilung« ersten Wochen im Kino beim Publikum schon vor der Pandemie in einem radi- Mustern. Diverse Produktionen würden ter Titel«, sagte die X-Verleih-Chefi n des Kuchens, sprich der Umsatzerlöse nicht angekommen seien, ihren Weg kalen Umbruch befunden habe. Global exklusiv auf Streamingplattformen an- Leila Hamid der Zeitung. »Doch diese durch die Verwertung der Filme, ge- früher in eine andere Auswertungs- agierende Streamingplattformen ge- geboten; für die Zeit des Kino-Reboots Einnahmen ersetzen auf keinen Fall die hören auch politische Rahmenbedin- form fänden, schlägt die Vorstands- winnen an Einfl uss bei der Produktion, würden zumindest in der Übergangs- Erlöse, die wir im Kino gemacht hät- gungen wie das novellierte Filmför- vorsitzende des HDF Kino vor. Eine Finanzierung und Verwertung audio- phase parallele Auswertungen und/oder ten.« Der Film kostete , Euro und derungsgesetz (FFG), das gerade ver- solche Regelung, die Abstufungen für visueller Inhalte. Dies verändere den zeitlich extrem verkürzte Fristen der eroberte Platz eins auf vielen Down- abschiedet worden ist und im Januar die exklusive Kinoauswertung genau Fernseh-, den Video- und den Kino- internationalen Filmverleiher zum neu- loadcharts. Die Hochpreisstrategie war  in Kraft tritt. defi niere, werde bereits in Frankreich markt und fordere alle Unternehmen en Kinoalltag gehören. Der deutsche jedoch nur von kurzer Dauer. Wenige Dieses Gesetz regelt, dass alle kom- praktiziert, diese wird alle drei Jahre in diesen Bereichen heraus. Kinofi lm benötige eine vergleichbare Wochen später konnte man »Känguru« merziellen Anbieter von Kinofi lmen neu verhandelt. »Wir haben es in der Hand, ob sich Flexibilität wie der internationale Ki- auch für , Euro ansehen. einen entsprechenden Umsatzanteil Die FFG-Novelle sieht vor, dass »in die Folgen der Coronakrise langfristig nofi lm und deshalb müsse das Sperrfris- Was vor gut einem Jahr noch die an die Filmförderungsanstalt abführen Fällen, in denen eine Kinoauswertung positiv oder negativ auswirken werden«, tenregime für FFA-geförderte Kinofi lme Ausnahme war, wurde seitdem immer müssen. Mit dem Geld werden die Ent- aufgrund höherer Gewalt für eine nicht so Christian Bräuer, Vorstandsvorsit- kurzfristig verändert werden. häufi ger praktiziert: Kinofi lme lande- unerhebliche Dauer nicht bundesweit zender der AG Kino-Gilde. »Entschei- ten noch vor dem Kinostart auf VoD- möglich ist, diese künftig durch eine dend für deren Fortbestand wird sein, Ohne Zweifel kann »Die nächste Reform muss grund- Plattformen und die Kinos erhielten Auswertung auf entgeltlichen Videoab- dass wir eine Strategie entwickeln, um legender sein« einen Anteil am digitalen Umsatz. Die die Filmwirtschaft die rufdiensten ersetzt werden kann«. Eine die Vielfalt der von der Pandemie ex- Höhe und Berechnung dieser Almosen veränderte Medien- ähnliche Festlegung existiert bereits trem stark betroff enen unabhängigen »Die nächste Reform muss grundle- ist jedoch nirgends genau defi niert und nutzung und den im noch gültigen FFG, auch mit einer Film- und Kinowirtschaft zu stärken.« gender sein«, fordert Tabea Rößner, muss für jeden Film verhandelt werden. Vormarsch der »maßgeblichen Beteiligung« der Kinos Und weiter: »Als geeigneter Ansatz netz- und verbraucherschutzpoliti- Nicht nur in Deutschland, auch an den Erlösen. Es ist leider nirgendwo bietet sich die bewährte Regelung der sche Sprecherin der Fraktion Bündnis weltweit haben Produzenten und Stu- Streamingplattformen defi niert, wovon »maßgeblich« abge- Medienchronologie, mit der Frank- /Die Grünen. Problematisch sei am dios die Pandemie genutzt, um neue nicht ignorieren leitet werden kann oder woran es sich reich seine Filmindustrie so erfolgreich neuen Gesetz, dass zwar einige zentra- Geschäftsstrategien zu testen. Dazu misst. Nach Auff assung der Kinobetrei- schützt und stützt. Funktionierende le Fragen der Filmförderung adressiert gehört, je nach Erfolgsaussicht des wicklung, die Produktion, der Verleih ber müsste es zukünftig eine Richtlinie Sperrfristen sind elementar für den werden, die Lösungen nicht zu Ende Movies, dieses zuerst oder mit einem von Kinofi lmen sowie der Neubau und oder andere Festlegung geben, um die- Erfolg der Novelle.« gedacht erschienen oder erst gar nicht nur kurzen Zeitverzug auf einer Stre- die Modernisierung von Lichtspielhäu- se sehr unbestimmte Regelung konkret versucht würden. Die Regelung, dass bei amingplattform zu platzieren. Zwar sern gefördert. Das FFG wird norma- zu bestimmen. Für die Kinobranche sei Sperrfristen in Ausnahmefällen höherer »Die traditionelle Auswertungskas- versichern Produzenten und Verleiher, lerweise alle fünf Jahre überarbeitet. wichtig, so Berg, dass man nicht mit ei- Gewalt von den regulären Auswertungs- kade für Kinofi lme ist Geschichte« dass das nicht zur Regel werde und die Durch die Corona-Pandemie wurde nem kleinen Prozentsatz des Verkaufs- fenstern abgewichen werden könne, große Leinwand nichts an wirtschaftli- ein Übergangsgesetz für zwei Jahre erlöses abgespeist werde, sondern dass Auf eine grundsätzlichere Änderung mag zwar in der aktuellen Pandemie cher Relevanz verloren hätte, doch wie beschlossen. Die Novelle sieht unter es zu einem fairen Ausgleich komme, drängt der Verband der Filmverleiher hilfreich sein, die Probleme lägen aber in einigen Monaten die Realität aus- anderem Flexibilisierungen bei den der auch die schwierige wirtschaftli- (VdF). In einem Positionspapier wird tiefer. »Zur Anpassung an die Bedin- sieht, lässt sich heute nicht seriös sagen. Fördervoraussetzungen, den Sperrfris- che Situation der Kinos berücksichtige. gefordert, dass das Fenster für ge- gungen internationaler digitaler Märkte Für die Kinos wäre die schrittweise Aus- ten sowie der Verwendung der Mittel Fair bedeute dabei, dass dieser Anteil förderte Filme auf drei Monate fest- und der auf ihnen agierenden Player wie hebelung des Auswertungsfensters in vor. So wird die Möglichkeit geschaff en, etwa dem Erlös entspricht, als wenn gesetzt wird. »Sicher ist«, so der VdF, der großen Streamingdienste ist gene- mehrfacher Hinsicht eine Katastrophe abweichende Regelungen zu den bisher der Film im Kino gezeigt werden würde. »dass die traditionelle Auswertungs- rell die Möglichkeit zur Flexibilisierung der Sperrfristen erforderlich. Deswegen fordern wir, dass Sperrfristen zukünf- tig immer in den leichter anpassbaren Richtlinien der Filmförderungsanstalt statt im Gesetz geregelt werden. Eine Die Corona- Flexibilisierung der Sperrfristen könnte auch zur Optimierung der Verwertungs- und Erfolgschancen jeweiliger Filmpro- Chroniken Teil  jekte beitragen«, erläutert Rößner. Auch Thomas Hacker, medienpoli- Corona vs. Kultur tischer Sprecher der FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag, plädiert für eine »grundlegende Überarbeitung des FFG, in Deutschland die Qualität und Quantität neu austa- riert und neue Impulse setzt«. Das FFG Herausgegeben von Olaf Zimmermann und Theo Geißler müsse endlich kohärent und komple- mentär zur Förderung auf Länder- und Der Kulturbereich wurde tief von der Corona-Pandemie getroff en. Bundesebene aufgestellt werden. Ent- scheidend sei, die Fö rdersysteme der Er leidet unter extremen Einschränkungen durch die Schutzmaß- Beauftragten der Bundesregierung für nahmen. Viele Kultureinrichtungen waren und sind vollständig oder Kultur und Medien (BKM) und der Film- teilweise geschlossen. Besonders die freiberufl ich arbeitenden Künst- förderungsanstalt (FFA) zusammenzu- lerinnen und Künstler sind in Existenznot geraten. Doch wie hat führen und dieses durch ein einheitli- sich die Lage in den verschiedenen Kulturbereichen seit Beginn der ches Anreizsystem mit beispielsweise Steuervergünstigungen, Zuschüssen Pandemie entwickelt? Welche kurz- und mittelfristigen Auswirkun- oder Steuerkrediten zu ersetzen. Bis gen gibt es? Welche Hilfsmaßnahmen wurden bereits umgesetzt, zur nächsten Novelle des FFG  um den Kultursektor zu unterstützen? Welche politischen und gesell- müsste es eine Antwort darauf geben, schaftlichen Forderungen bestehen? In acht Kapitel blicken über ob eine reine Verengung der Förderung 120 Autorinnen und Autoren aus Kultur, Medien und Politik auf die auf Kinofi lme noch zeitgemäß sei und letzten anderthalb Jahre Corona vs. Kultur zurück. wie die deutsche Filmwirtschaft im eu- ropäischen Rahmen wettbewerbsfähig Aus Politik & Kultur Nr. 18 bleiben könne. ISBN 978-3-947308-32-3 · 480 Seiten · 20,80 Euro Ab Juli im Handel! Helmut Hartung ist Chefredakteur von medienpolitik.net Politik & Kultur | Nr. -/ | Juli/August  KULTURELLES LEBEN 15

ner, Marion van de Kamp und Annegret Hahn Interimsintendanten geworden Interims-Theater mit weiblicher und versuchten, das Haus irgendwie am Leben zu erhalten. Mittendrin in dieser Zeit war auch die Premiere der ersten großen Produktion von Frank Castorf, Doppelspitze »Die Räuber«. »Bei der Arbeit für diese Produktion lernte ich ihn kennen – ich Wie Sabine Zielke und Ga- betreuen, aufregende, einmalige Ereig- war damals noch relativ jung, aber ich briele Gornowicz die Volks- nisse schaff en und weiterhin werde ich spürte von Anfang an, das wird ein ganz die Literatur im Auge behalten und im Großer.  wurde er Volksbühnen-In- bühne Berlin durch einen Roten Salon dem Publikum neue Bücher tendant und es begann die legendäre heißen Sommer steuerten vorstellen. Ich freue mich darauf, dass Zeit unter ihm. Aus dem großen Koloss, es dann wieder richtig Theater geben diesem riesigen Gebäude, kam plötzlich ANDREAS KOLB wird und die Stimmung mindestens so Kraft und es wackelte und ruckelte. So gut bleibt, wie sie jetzt ist.« war das damals.« ach Vorwürfen, seine Amts- Jede der beiden Volksbühnenleiterin- Jetzt kommt mit René Pollesch führung sei von sexualisiertem nen kam auf ihrem individuellen Weg ein ganz anderer, neuer Arbeits- und N Machtmissbrauch und verbalen nicht nur ans Theater, sondern an das Führungsstil auf die Schauspieler und Entgleisungen geprägt, nahm Volks- Theater, die Volksbühne Berlin. Das in Mitarbeiter zu. »Was René Pollesch ver- bühnen-Intendant Klaus Dörr Mitte der DDR oftmals vorgezeichnete Be- suchen wird«, sagt Sabine Zielke, »ist, März den Hut. Berlins Kultursenator rufsleben fand Sabine Zielke nach dem dass er seine Leitung auf ›Träger der In- Klaus Lederer reagierte prompt und Abitur langweilig. Sie wollte ans Theater. tendanz‹, verteilt: Das sind sieben oder präsentierte das Übergangs-Duo Sa- In ihrer Heimatstadt Rostock wurde sie acht Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bine Zielke, langjährige Dramaturgin Mitglied des Theaterjugendklubs. Die aus verschiedenen Bereichen. An der am Hause, und Gabriele Gornowicz, Aufnahmeprüfung für die Schauspiel- Stelle möchte ich noch etwas sagen zur Geschäftsführerin ebendort von  schule Ernst Busch in Berlin klappte Intendanz von Castorf, da ich immer-

bis . Ihre Mission: Die Volksbühne trotz vieler Mitbewerber beim ersten AURIN THOMAS FOTO: hin  Jahre unter ihm gearbeitete habe. aus den Schlagzeilen bringen, bis der Mal. In der DDR wurden nicht mehr Mit sicherer Hand durch unruhige Zeiten: Gabriele Gornowicz (li.) und Frank Castorf ist ein Mensch mit großer designierte Intendant René Pollesch Schauspielerinnen und Schauspieler Sabine Zielke Wucht. Er besticht durch seinen Intel- im Sommer dieses Jahres an das Haus ausgebildet, als anschließend an die lekt, durch sein Gedächtnis und vor al- zurückkehrt, in dem er vor vielen Jahren Theater oder ans Fernsehen vermit- ßenhandel war sowieso etwas restriktiv, der ganzen Zeit nur selten Konfl ikte lem durch seine künstlerische Kraft. Ich seine Karriere als Regisseur begann. telt werden konnten. Dennoch fand sie das hatte ich bei der Studienwahl nicht hatten, obwohl Castorfs große Projek- persönlich habe mich in dieser Zeit sehr Auf den Anruf der Senatsverwaltung, nach dem Studium nicht auf Anhieb den beachtet.« Sie schaff te es, in den VEB te hin und wieder etwas anstrengend frei gefühlt in der Arbeit, gar nicht ein- ob sie sich vorstellen könnten, zusam- Regisseur, mit dem sie arbeiten wollte. Deutsche Schallplatten zu kommen, im waren für die Geschäftsführerin. Aber geschränkt. Ich habe mich auch immer men das Haus bis zu den Spielzeit- »Damals haben mir die Dozenten von der September  ging sie ins Manage- es hat Spaß gemacht – ich dachte und herausgefordert gefühlt, Inspirationen ferien zu leiten, reagierten die Beiden berühmten Schauspielschule in Schöne- ment des Staatlichen Tanzensembles denke bis heute, besser kann es mir als weiterzugeben oder sie anzuregen. Für zunächst recht unterschiedlich. Gabri- weide geholfen, einen Studienplatz für der DDR: »Wir haben eine Mitarbeiter- Diplomwirtschaftlerin eigentlich nicht mich war das ein unendliches Feld des ele Gornowicz sagte erst einmal »Nein«, Theaterwissenschaften zu bekommen. GmbH gegründet, weil wir auf all diesen gehen als an der Volksbühne.« Lernens, des Zugreifens, der Inspiration, denn sie fühlt sich im Ruhestand sehr So bin ich Dramaturgin geworden.« Streichlisten nicht erkannt wurden und Sabine Zielke kam  vom Palast kurz eine ganz wichtige Zeit.« wohl. Doch der Gedanke an die Volks- Auch Gabriele Gornowicz ist irgend- noch eineinhalb Jahre weiter fi nanziert der Republik als Regieassistentin unter Was ihr damals wichtig war, das bühne trieb sie um: »Es geht um ein wann mit dem Theatervirus infi ziert wurden.« Als man dann doch aufhören dem Intendanten Fritz Rödel ans Haus möchte Sabine Zielke heute an die Jun- Theater, an dem ich so lange und sehr worden. Nach dem Abitur mit Berufs- musste, tat sich die Stelle an der Volks- am Rosa-Luxemburg-Platz. »Ich kann- gen weitergeben: »Die Arbeit mit den gerne war. Wenn ich jetzt hier die Ret- ausbildung als Außenhandelskaufmann bühne auf. Verwaltungsdirektor André te die Volksbühne schon aus der Zeit Schauspielern, die wir in den vergange- tung sein soll, dann mache ich das mit studierte sie Außenwirtschaft und war Schmitz hatte sich damals für Gabriele als Schülerin und habe dort wichtige nen drei Monaten gemacht haben, war Sabine Zielke zusammen.« damals noch weit weg von der Bühne. Gornowicz entschieden. Ihn überzeug- Auff ührungen von Benno Besson, Fritz eine Möglichkeit für mich, den jungen Sabine Zielke dagegen sagte dem An- Ein Mitstudent jobbte in der Staats- te, wie diese selbst im aufgeladensten Marquardt oder Jürgen Gosch gesehen. Schauspielerinnen und Schauspielern rufer ohne zu zögern zu: »Gabi und ich oper Berlin und öff nete ihr die ersten Theaterbetrieb ruhig Blut bewahrte. Als ich dahin kam, spiegelte sich in etwas mit auf den Weg zu geben: Was haben sehr erfolgreich zusammengear- Türen: »Während des Studiums und »Ich bin dann Anfang  erst einmal diesem Theater, wie vermutlich auch das ist, eine Theaterfamilie. Warum beitet. Es ist heute nicht mehr so, wie auch noch danach arbeitete ich in der kommissarische Verwaltungsdirekto- in anderen Häusern, die lähmende und man vor den Fähigkeiten anderer Re- es in der DDR war: Geld war damals nie Obermaschinerie. Das hat mir riesi- rin geworden und bin seit dem Som- zugleich unruhige Vorwendesituation spekt haben sollte, egal ob sie in den wirklich ein Thema für einen Dramatur- gen Spaß gemacht, nicht nur, weil es mer  bis  Geschäftsführerin wider, die im ganzen Land herrschte. Gewerken unterwegs sind, ob sie Dra- gen. Nach der Wende wurde das anders. mit Kunst zu tun hatte, sondern auch gewesen – die ganze Zeit unter und Ich habe versucht, so weiter zu arbei- maturgen oder Assistenten sind. Solche Gabriele und ich haben immer – auch mit durchaus schwierigen technischen mit Frank Castorf. Wir sind formal im- ten, wie ich immer gearbeitet habe: Werte nicht als Lehrerin, sondern über für ganz kniffl ige Sachen und Projekte Anforderungen. Ich hatte damals auch mer gleichgestellt gewesen, aber sich engagiert und mit den Schauspielern die Arbeit zu vermitteln, das war und – Umsetzungsmöglichkeiten gefunden. keine Probleme auf  Metern Höhe.« einem solchen Künstler entgegenzu- im Zentrum.«  wurde Intendant ist mir wichtig.« Ich fand es sehr schade, dass sie dann In dieser Zeit kam sie auch mit Oper in stellen, dazu braucht es manchmal Mut. Fritz Rödel abberufen und es begann in Rente ging. Aber jetzt haben wir uns Berührung und ihr wurde immer klarer: Wir haben unsere Geschäftsfelder so gut eine schwierige Zeit: Zwischen  und Andreas Kolb ist Redakteur von wiedergefunden, das ist schön.« »Ich muss in diese Ecke kommen, Au- gegeneinander abgewogen, dass wir in  waren Künstler wie Winfried Wag- Politik & Kultur Als die Interimsleiterinnen im März anfi ngen, war das Schauspielhaus ge- spalten, es gab viele gegensätzliche Interessenlagen. Dazu die Müdigkeit aufgrund der Corona-Situation. Das alles galt es in kurzer Zeit in den Griff Abschied von der Pandemie zu kriegen. Dass das Haus zudem vor einem Intendantenwechsel steht, be- Doch weiter so wie bisher? deutet, dass künstlerisch Beschäftigte das Haus verlassen werden. Gornowicz SUSANNE KEUCHEL bahnt sich auch ohne Dienstreisen, aufgrund der nun folgenden leeren vollständig zu früheren Freizeit- und und Zielke mussten nun auf der einen ohne auswärtige Freizeitaktivitäten öff entlichen Kassen, aufgrund milli- Konsumpraktiken zurückkehren? Seite den Mitarbeiterinnen und Mitar- Stück für Stück kehrt das »alte« prä- und neuen Erlebniswelten seinen ardenschwerer Rettungsschirme? Aber wie schaff en wir in der Öff - beitern zur Seite stehen, die am Haus pandemische Leben zurück! Es geht Weg. Und der eine oder andere stellt Oder wären hier nicht auch alter- nungseuphorie zugleich Entschleu- bleiben, damit sie wieder Motivation wieder: der Kulturbesuch, der Res- sich bei der neu gewonnenen Frei- native Wege denkbar, die generati- nigung, um über Pro und Contra der spüren für sich und ihre Arbeit. Und taurantbesuch, das Shoppen und das heit die Frage: Ist das alles wirklich onen- und zugleich sozial gerechter Pandemie-Begleiterscheinungen auf der anderen Seite ging es darum,  Reisen. wieder im selben Umfang nötig? Ist sind? Mut machte hier jüngst eine zu refl ektieren? Und wie zeitnah Schauspielern, mehreren Dramaturgen Aktuell kann eine Wiederkehr der Le- das prä-pandemische, beschleunigte historische richtungsweisende Ent- müssen solche Refl exionen erfolgen, und Assistenten einen würdevollen Ab- bensfreude beobachtet werden, aber Berufs- und Freizeitleben wirklich scheidung der G: So einigten sich damit die guten Vorsätze und neuen schied zu gestalten. »Auch das gehör- auch ein sich langsames Herantasten so erstrebenswert? Die täglichen die Finanzminister der wichtigsten Kreativitätsschübe, ausgelöst durch te zu unserem Job. Das war eine leicht an die neu wiederkehrenden »Frei- Fahrten auf einer stauträchtigen Industrieländer darauf, dass Groß- die Krisenerfahrung, als gesell- verfahrene Kiste. Aber wir denken, zum heiten«. Aber wollen wir wirklich ein Autobahn? Dienstreisen heute in konzerne auf der ganzen Welt künftig schaftliches Potenzial nicht verloren großen Teil haben wir das gut geschaff t.« »Weiter-so«? Hamburg, morgen in München und eine Mindeststeuer von  Prozent gehen? Dass die beiden diese Interimszeit Die Pandemie hat die Gesellschaft übermorgen in Berlin? Bedarf es bezahlen müssen. Veränderungsprozesse brauchen nicht nur gut überstanden haben, son- gespalten: Es gab Gruppen, die stark jedes Wochenende das volle Pro- Freiräume für das Experimentieren dern zusammen mit den Schauspielerin- in ihren Berufs- und Verdienstmög- gramm? Kultur, Events, Shoppen, und Aushandeln neuer Regelwerke. nen und Schauspielern und dem ganzen lichkeiten eingeschränkt und be- Essen gehen, Disko? Wir sollten die Chancen, die mit der Haus – Corona zum Trotz – auch produk- lastet wurden. Und es gab Gruppen, In harten Zeiten der Pandemie hieß Krise einhergingen, nicht verschen- tiv künstlerisch gearbeitet haben, ist bei die noch mehr arbeiten mussten, oft es oft: Ein Weiter-so, wird es nicht ken und uns eben diese Freiräume Drucklegung dieser Ausgabe beinahe zusätzlich belastet durch Home- geben! Positive Begleitphänomene nehmen. Kunst und Kultur können schon wieder Theatergeschichte. Nach Schooling, einen Crash-Kurs in der der Krise sollten künftig beibehalten dabei einen elementaren Beitrag der Abschlussfeier Ende Juni ist Gabri- Anwendung digitaler Techniken, den werden, beispielsweise mehr mobi- Sollte das Abfl achen der Pandemie leisten, indem sie künstlerische ele Gornowicz zurück in ihren Garten berufl ichen Alltag unter den Aufl a- les Arbeiten! Nur wie heben wir die nicht genau dazu genutzt werden, Impulse geben für alternative Denk- gegangen. Sabine Zielke muss dagegen gen der Pandemie durchzuführen Chancen der Krise? Besteht nicht die um dringend notwendige Neujus- weisen und Perspektiven. Ein guter noch ein bisschen arbeiten: »Ich war in und die stetig notwendige Flexibili- Gefahr, im Zuge des Öff nungspro- tierungen im Zusammenspiel von Grund, für eine zumindest schnelle der Pollesch-Vorbereitungsgruppe seit tät, hier immer wieder das berufl iche zesses zu schnell wieder in eine prä- Ökonomie, Ökologie, aber auch Öff nungsperspektive der Künste und Anfang des Jahres kontinuierlich dabei, Geschehen den veränderten Pande- pandemische Praxis zu verfallen? von Kultur und gesellschaftlichem kulturellen Freiräume im Zuge der bis zu dem Punkt, als ich in dieses In- mie-Bedingungen anzupassen. Im alltäglichen, aber auch im be- Zusammenhalt vorzunehmen? Im Abfl achung der Pandemie einzutre- tendantenbüro gezogen bin. Ich habe Allgemein konnte jedoch beobachtet rufl ichen und politischen Geschäft? Politischen wie im Privaten? Müssen ten. das Gefühl, dass alle erwarten, dass ich werden, dass unter den Bedingun- Von einer solidarischen Haltung in wir unter Aspekten der Nachhaltig- zukünftig wieder das mache, was ich gen der AHA-Regeln überraschende der Politik zu einer noch stärkeren keit, aber auch einer ausgeglichenen Susanne Keuchel ist Präsidentin des immer gemacht habe: Produktionen Aha-Eff ekte entstanden: Das Leben ökonomischen Wettbewerbsspirale, Work-Life- Balance, wirklich wieder Deutschen Kulturrates 16 KULTURELLES LEBEN www.politikundkultur.net

ZUR PERSON ... Die menschliche Dinner & Diskurs Andrea Gebhard ist neue Präsiden- tin der Bundesarchitektenkammer Freitagnacht Jews Die . Bundeskammerversammlung hat das Präsidium der Bundesarchi- Seite hat’s up? Guten Tag! Frei- tektenkammer gewählt. Neue Präsi- tag. I’m Home. Bevor wir dentin ist die Münchner Landschafts- Ein anderer Roman über die Flucht der Jüdin aus Königsberg W beginnen: Shabatt! Sha- architektin und Stadtplanerin Andrea Hannah Arendt über die Schweiz nach Paris, schließ- lom! I’m your Home Boy. Alles fresh, Gebhard. Im Amt des Vizepräsidenten lich über Lissabon in die USA. Erin- alles neu. Habt Ihr Fragen an nen Ju- bestätigt wurden Architekt Ralf Nie- nerungen an den schwierigen Start, den? Herzlich willkommen. Jude, Jude, bergall und Innenarchitekt Martin in Roman über Hannah gemeinsam mit ihrem geliebten Hein- Jude. Einfach nur ein Wort, aber Anti- Müller. Neu gewählte Vizepräsidentin Arendt? Nachdem vor eini- rich, die zunehmende Anerkennung semitismus ist in Deutschland Sport.« ist Architektin und Ministerialrätin gen Jahren die große »poli- als Schriftstellerin und Journalistin, Mit diesen Zeilen beginnt seit Ende Evelin Lux. E tische Theoretikerin«, wie sie ihre Professur in Berkeley werden ge- April das digitale WDR-Format »Frei- selbst genannt werden wollte, von Bar- weckt. Der Leser wird in die Lebens- tagnacht Jews«. Dabei lädt der Schau- Yvonne Büdenhölzer ist neue bara Sukowa im Film gespielt wurde, abschnitte der Arendt hineinversetzt, spieler und Musiker Daniel Donskoy Präsidentin des deutschen ITI folgt nun ein weiteres Werk, das sich lernt sie als Mensch kennen, für den jeden Freitag zum Shabatt-Dinner und Zentrums – mehr oder weniger – fi ktional mit der Freundschaften lebenswichtig sind: -Diskurs ein. Auf der Jahresversammlung des deut- Arendt auseinandersetzt. Natürlich »Wer fl ieht, nimmt keine Möbel mit, Zu Beginn jeder Folge kocht Dons- schen Zentrums des Internationalen basiert das Buch auf »wahren Bege- nur Freunde, bei denen man Schutz koy Gerichte wie Latkes, Schuba oder

Theaterinstituts (ITI) wurde ein neuer benheiten«, lässt aber auch das Bild und Geborgenheit fi ndet, als wären Falafel – hin und wieder unterstützt PRIES CHRISTIAN / WDR FOTO: Vorstand gewählt. Neue Präsidentin einer Frau erscheinen, die eben nicht sie Tisch und Bett.« Zum Teil dauern via Videochat von Köchen wie Tom ist Yvonne Büdenhölzer, Leiterin des nur Denkerin, scharfe Analytikerin, diese Freundschaften ein Leben lang, Franz aus Tel Aviv oder seiner Mut- unterschiedlichen Blickpunkte sind Berliner Theatertreff ens. Sie über- Politikphilosophin war. Zu Beginn der z. B. die Verbindung zu Karl Jaspers. ter. Währenddessen führt er in das dabei immer im Fokus. Genau davon nimmt das Amt von Joachim Lux, In- Erzählung von Hildegard E. Keller reist Andere wenden sich von ihr ab, weil sie Gesprächsthema der Sendung ein lebt das Format – und auch vom Mo- tendant des Thalia Theaters Hamburg. die -Jährige ein letztes Mal in den ihre Überzeugungen und Erkenntnisse und stellt seine Gäste vor. Bisher derator Daniel Donskoy, der durch geliebten Tessin. Von hier aus werden nicht teilen (wollen), allen voran Mar- zu Gast waren unter anderem die Präsenz, Charisma und gute Fragen Nora Schmid wird Intendantin der die Fäden durch ihr Leben gesponnen: tin Heidegger und Gershom Scholem. Schauspielerin Susan Sideropoulos, von der ersten Sendung an Lust auf Dresdner Semperoper Auch von Verlusten ist die Rede, nicht die Schriftstellerin Mirna Funk, der mehr macht. Da ist es schade, dass Die Intendantin der Oper Graz, Nora zuletzt von dem ihres Freundes Walter Publizist Max Czollek, die angehende jede Sendung nur eine halbe Stunde Schmid, wechselt in gleicher Positi- Benjamin. Und natürlich geht es um Rabbinerin Helene Braun, der Chef- dauert und eine Fortsetzung aktuell on an die Dresdner Semperoper. Die den Eichmann-Prozess, für Hannah redakteur des Zeit-Magazins Sascha noch nicht feststeht. Aber immerhin gebürtige Schweizerin übernehme ab Arendt ein deutlicher Einschnitt in Chaimowicz, der Psychologe Ahmad wird die Sendung ab . Juni nicht der Spielzeit / die Nachfolge ihrer Biografi e, der sie nicht loslässt. Mansour, der Regisseur Dani Levy, mehr nur online, sondern auch im von Peter Theiler, teilte Sachsens Kul- Die »Banalität des Bösen«, die sie hier die Filmwissenschaftlerin Lea Wohl WDR Fernsehen, freitags . Uhr, turministerin Barbara Klepsch mit. erkannte, die Kritik an den Judenräten: von Haselberg sowie der Rapper Ben ausgestrahlt. »Freitagnacht Jews« Das, was auf die Veröff entlichung ihres Salomo. zählt zum Innovativsten und Besten, Dorothea Volz wird neue Leiterin Eichmann-Buches folgte, würde man Beim Essen spricht Donskoy mit was der WDR zu bieten hat – weit über des Deutschen Theatermuseums in heute »Shitstorm« nennen. Keller ver- seinen Gästen über Jüdischsein, jun- das Festjahr . Jahre jüdisches München sucht nachzuvollziehen, wie Arendt ges jüdisches Leben in Deutschland Leben in Deutschland hinaus. Bitte Ab dem . September wird die The- den Prozess erlebt. Es gelingt ihr, die und Integration – immer kontrovers fortsetzen! aterhistorikerin und Kulturwis- große Denkerin als Mensch zu zeigen und diff erenziert, zum Teil provo- Theresa Brüheim senschaftlerin Dorothea Volz neue und ihre Biografi e auf lesenswerte Art kant und stets humorvoll. Aber auch Leiterin des Deutschen Theatermu- Revue passieren zu lassen. die persönlichen Geschichten und Freitagnacht Jews. WDR  seums in München. Derzeit ist sie Barbara Haack stellvertretende Direktorin der The- aterwissenschaftlichen Sammlung Hildegard E. Keller. Was wir scheinen. und akademische Rätin am Institut Frankfurt am Main  für Medienkultur und Theater an der Universität zu Köln. Für alle DFFB bekommt weibliche Doppel- Der Markt wird es nicht richten spitze Das Kuratorium der Deutschen Film Ich, Du, Wir, Ihr er Markt wird es schon rich- und Fernsehakademie Berlin (DFFB) ten« – kaum eine Legende hat eine neue Geschäftsführung be- Die Anderen hält sich so hartnäckig, stellt. Die Wahl fällt auf Catherine D kaum jemand äußerte lan- Ann Berger als kaufmännische Direk- ehrheitsgesellschaft – was und sich darin eine Bewusstseinsver- ge Zeit Zweifel am grenzenlosen Segen torin sowie Marie Wilke als künstleri- bedeutet dieser doch recht änderung widerspiegelt. Und auch die der freien Marktwirtschaft, so Ulrich sche Direktorin, die am . August die M ungenaue Begriff eigent- Zivilgesellschaft immer stärker auf Schneider, Hauptgeschäftsführer des Geschäftsführung gemeinsam über- lich? Wen umfasst er und wen schließt Missstände aufmerksam macht und Paritätischen Wohlfahrtsverbandes in nehmen werden. er aus? Genau dieser Frage widmen protestiert, dagegenhält. Schließlich Berlin und Herausgeber des Buches sich auch Naika Foroutan und Jana ist es schlimm genug, dass erst meh- »Für alle, nicht die Wenigen: Warum Nina George als EWC-Präsidentin Hensel am Anfang ihres Buches »Die rere Vorkommnisse die Mehrheitsge- wir unsere Zukunft nicht den Märk- bestätigt Gesellschaft der Anderen«. Die beiden sellschaft wachrütteln mussten. Ein ten überlassen dürfen«. Erst mit der Auf der virtuellen Mitgliederversamm- Autorinnen verstehen darunter die lesenswertes Buch, welches Einblick in weltweiten Finanzkrise  kamen lung des European Writers‘ Council Mehrheit einer Gesellschaft, die den viele Themen gibt, die in den letzten vermehrt Zweifel am freien Markt im (EWC) am . Juni wurde ein neuer Vor- gesellschaftlichen und politischen Jahren häufi g die Debatten bestimm- breiten Bevölkerungskreis auf. Auch stand für die Amtszeit  bis  Diskurs maßgeblich bestimmt, »die ten und dabei vor allem die Perspek- für immer knapper werdenden be- gewählt. Nina George wurde dabei ein- tonangebende Mehrheit«. Und zu oft tive derer aufnimmt, die meist die zahlbaren Wohnraum, niedrige Ren- stimmig als Präsidentin bestätigt. werden die migrantischen und ost- Protagonisten dieser Debatten waren. ten, nahende Klimakatastrophe und deutschen Erfahrungen, Perspektiven Kristin Braband den heruntergesparten Pfl ege- und Karsten Jahnke erhält Deutschen und Ideen von dieser Mehrheitsge- Gesundheitsmarkt, sichtbar allerspä- Jazzpreis sellschaft außen vor gelassen. Beide Naika Foroutan und Jana Hensel. Die testens seit der Coronakrise, vermag Der Konzertveranstalter Karsten Gruppen werden noch viel zu stark aus Gesellschaft der Anderen. Berlin  der profi torientierte Markt keine Lö- Sie ziehen Bilanz, decken die Grenzen Jahnke hat den Deutschen Jazzpreis dem Blick der diskursbestimmenden sungen anzubieten. Im Gegenteil: Er eines profi torientierten Wirtschaftens für sein Lebenswerk erhalten. Der Mehrheit beschrieben und zu we- hat zu einer sozialen Spaltung unserer auf und zeigen Wege zu einem bes- heute -Jährige veranstaltet seit nig aus sich selbst: Und so entsteht Gesellschaft und zur Ausgrenzung von seren und neuen Wirtschaften – und mehr als  Jahren Konzerte. Der schnell eine Gesellschaft der Anderen. immer mehr Menschen geführt. zwar für alle, nicht die Wenigen. Deutsche Jazzpreis prämiert heraus- Die Migrationsforscherin Naika Getragen von dem Vorsatz, dass Maike Karnebogen ragende künstlerische Leistungen der Foroutan und die Ostdeutschland- wir unsere Zukunft nicht einfach nationalen und internationalen Jazz- Expertin und Journalistin Jana Hen- den Märkten überlassen dürfen, und Ulrich Schneider. Für alle, nicht die We- szene in  Kategorien. sel kommen daher ins Gespräch und der Gewissheit, dass es eine lebendi- nigen. Frankfurt am Main  halten dieses schriftlich und in acht ge Bürgergesellschaft gibt, die bereit Dorothee Elmiger erhält Literatur- Kapiteln unterteilt fest. In dem ana- ist, Verantwortung zu übernehmen, preis des Kulturkreises der lytischen, kontroversen und zum Teil versammelt Ulrich Schneider in sei- deutschen Wirtschaft emotionalen Dialog geht es eingangs nem Band Expertinnen und Exper- PERSONEN & Der jährlich vom Kulturkreis der um den rassistischen Anschlag von ten – unter anderem den Bundesvor- REZENSIONEN deutschen Wirtschaft im BDI verge- Hanau und die Thüringer Minister- sitzenden des BUND Olaf Bandt, die bene Literaturpreis »Text & Sprache« präsidentenwahl Anfang des Jahres Bundesdirektorin des Deutschen Mie- Politik & Kultur informiert an bildet das zeitgenössische Phänomen . Sowohl Hanau als auch Thürin- terbundes Melanie Weber-Moritz und dieser Stelle über aktuelle Perso- fl ießender Gattungsgrenzen sowie gen zeigen exemplarisch die Verdrän- den Geschäftsführer des Deutschen nal- und Stellenwechsel in Kultur, das genreüberschreitende Schaff en gung des rechten Aufstiegs aus dem Kulturrates Olaf Zimmermann – die Kunst, Medien und Politik. Zudem junger Autorinnen und Autoren ab öff entlichen Bewusstsein und dessen in zehn Kapiteln einen Blick auf die stellen wir in den Rezensionen alte und berücksichtigt vielfältige Formen Konsequenzen. Themen Wohnen, Verkehr, Umwelt, und neue Klassiker der kulturpoli- von Text und Sprache.  geht der Doch Foroutan und Hensel stel- Energie, Landwirtschaft, Pfl ege und tischen Literatur vor. Bleiben Sie renommierte Preis an die Autorin len auch fest, dass jüngst aus Worten Gesundheit, Kultur sowie das Verhält- gespannt – und liefern Sie gern Dorothee Elmiger. immer häufi ger Taten geworden sind nis zwischen Stadt und Land werfen. Vorschläge an [email protected]. Politik & Kultur | Nr. -/ | Juli/August  SCIENCEFICTION 17 FOTO: ULLSTEIN BILD  ADOCPHOTOS  BILD ULLSTEIN FOTO: Alfred Abel als Joh Fredersen, Brigitte Helm als Maria/Maschinenmensch und Rudolf Klein-Rogge als C. A. Rotwang in »Metropolis« () Es können Wunder geschehen Science-Fiction als Spannungsfeld zwischen dem menschlichen Hier und Jetzt und der Suche nach der Zukunft

OLAF ZIMMERMANN meiner Kindheit und diese Faszination Bildungschancen von Kindern und Die Erschaff ung von künstlichen Men- abzusprengen.  Jahre später hat der hält bis heute an. Jugendlichen zu erweitern und vor al- schen, Automaten, ist eines der zentra- Klimawandel aus der Fiction, bittere Re- enn wir uns bemühen, Als Anfang der er Jahre Ge- lem um mit Bildung und Forschung den len Motive des Science-Fiction-Genre, alität werden lassen. Die wunderbare können Wunder gesche- borener gehört der Aufbruch in den Vorsprung des westlichen Kapitalismus sowohl was die Literatur, aber auch Joan Baez sang das Titellied »Rejoice hen«, das sagt Captain Weltraum zu den positiven Erinne- zu sichern. den Film betriff t. Zu denken ist etwa in the Sun« zum Film und machte die W Michael Burnham, ge- rungen meiner Kindheit. Sehr genau Zukunft war positiv besetzt. Die auch an Ridley Scotts »Blade Runner«. Mischung aus Utopie und Dystopie da- spielt von Sonequa Martin-Green, am erinnere ich mich an die Mondlandung, Welt sollte besser werden, moderner, Ein zentrales Motiv dieses Films ist, mit eindrücklich deutlich. Ende der dritten Staff el von »Star Trek: natürlich in schwarz-weiß, aber höchst fortschrittlicher. Wissenschaften, ins- dass die Replikanten, eigentlich nur Auff allend an Science-Fiction ist, Discovery«, die im Januar  bei Net- aufregend. Ich durfte auf dem Schoß besondere die Naturwissenschaften, geschaff en, um zu arbeiten und mit dass Kunst und Kultur als Thema selten fl ix in Deutsch zum ersten Mal ausge- meines Großvaters nicht nur die Lan- sollten den Weg in die Zukunft bahnen. einer kurzen Lebenszeit von vier Jah- vorkommen. Gerade die Raumschiff e strahlt wurde. dung selbst, sondern auch die Son- Es ist daher nicht verwunderlich, dass ren versehen, auf der Suche nach ihrer sind entweder düster oder steril, oder Gene Roddenberry erdachte die dersendung, natürlich nur teilweise, das Science-Fiction-Genre in jener Zeit Vergangenheit sind. Ihnen wurden bei beides. Es fehlen die Farben, Bilder, Fernsehserie »Star Trek«, die in sehen. Der Journalist Günter Siefarth einen besonderen Aufschwung erlebte ihrer Erschaff ung Erinnerungen an Er- Kunst. Eine Ausnahme bildet die Star- Deutschland lange Zeit »Raumschiff moderierte damals  Stunden lang und mit Fernsehserien massenkompa- eignisse implantiert, die sie nie erlebt Trek-Serie und dies könnte auch ein Teil Enterprise« hieß. Das ZDF begann am live aus dem »WDR-Apollo-Studio«. tibel wurde. Science-Fiction war auch haben, die sie aber brauchen, um auch ihres Erfolges sein. Insbesondere in der . Mai  mit der Ausstrahlung der Die Fernsehübertragung der Mond- ein Teil des Kampfes der Systeme, Ost als Android lebensfähig zu sein. zweiten Serie unter Captain Jean-Luc Serie und seit dieser Zeit fesselt mich landung  war ein gigantisches gegen West, Kapitalismus vs. Kommu- Faszinierend an Science-Fiction ist Picard spielt Kunst eine wichtige Rolle. das Star-Trek-Universum. Medienereignis. Mehr als die Hälfte nismus. meines Erachtens gerade dieses Span- Picard selbst ist herausragender Ken- »Der Weltraum – unendliche Weiten. aller damals auf der Welt existieren- Doch ist das Science-Fiction-Genre nungsfeld zwischen dem menschlichen ner Shakespeares und anderer Klassiker Das sind die Abenteuer des Raumschiff den Fernsehsender waren zugeschal- wesentlich älter als die erwähnten Hier und Jetzt, der Sehnsucht und der und tanzt gerne. Commander William Enterprise«, dieser Satz, die Musik, die tet und mehr als eine halbe Milliarde US-amerikanischen Serien. Als erster Suche nach der Zukunft, die stets zwi- T. Riker spielt Posaune und der Andro- Enterprise, wie sie durch den Weltraum Menschen schauten sich das Ereignis Science-Fiction gilt gemeinhin Mary schen Utopie und Dystopie schwankt. id Data, versucht sich im Bilder malen, gleitet, all dies begleitet mich seit mei- im Fernsehen an. Shelleys »Frankenstein oder Der mo- Science-Fiction sind in den seltensten Musizieren, Theaterspielen und der nen Kinderjahren. Ich denke, damals,  wurde meine derne Prometheus« aus dem Jahr . Fällen nur eins, nur Utopie oder nur Rezitation von Literatur, um seinem Ja, ich bekenne, ich bin ein Star- Liebe zur Science-Fiction geweckt. Der von Menschen geschaff ene neue Dystopie. In der Regel vermischen sich Traum menschlicher zu werden näher Trek-Fan. Captain Kirk, dem Vulkanier Nach dem Sputnik-Schock hatten Mensch erweist sich nicht zuletzt auf- beide miteinander. In Science-Fiction zu kommen. In »Star Trek: Raumschiff Spock, Pille, später Captain Jean-Luc die USA nicht nur in die Weltraumfor- grund seiner hässlichen Gestalt als werden nicht selten gesellschaftliche Voyager« singt der Schiff sarzt, ein Ho- Picard, Commander William T. Riker, schung investiert, sondern auch ein Monster, da ihm nur Entsetzen ent- Herausforderungen sehr früh durchge- logramm, fast unentwegt. Commander Data, dem Android, die großes Bildungsprogramm aufgelegt, gegengebracht wird. Shelleys Fran- spielt. Im Film »Lautlos im Weltraum« Es können Wunder geschehen! Sci- Besatzung der Voyager mit der Wissen- um mehr Menschen den Zugang zu kenstein reiht sich damit ein in die von  treiben vier Raumschiff e mit ence-Fiction bilden die Traumwelten, schaftsoffi zierin Seven of Nine, einer höherer Bildung zu ermöglichen und romantische Dichtung der damaligen riesigen Gewächshauskuppeln als eine in denen das möglich ist. Deshalb liebe ehemaligen Borg-Drohne und heute sie für Zukunftsaufgaben zu qualifi - Zeit, in der sogenannte Automaten, wie Art Arche Noah durch den Weltraum, ich dieses Genre. die Discovery mit der Protagonistin zieren. In Deutschland starteten Ende beispielsweise in der Erzählung »Der um die letzten Biotope der verseuch- Sternenflotten-Offizierin Michael der er und Anfang der er Jah- Sandmann« von E.T.A. Hoff mann, eine ten Erde zu erhalten. Dann kommt der Olaf Zimmermann ist Herausgeber von Burnham, sie alle faszinieren mich seit re ebenfalls Bildungsreformen, um die wichtige Rolle spielen. Befehl von der Erde, die Gewächshäuser Politik & Kultur 18 SCIENCEFICTION www.politikundkultur.net

sianische Technik ist der menschlichen weit überlegen und die Außerirdischen zeigen keinerlei Respekt für menschli- ches Leben. Auch das ist als Kritik am britischen Imperialismus zu verstehen. Dass die Menschheit überlebt, ist übri- gens in dem Roman ausgerechnet einer primitiven Lebensform, nämlich Bak- terien, zu verdanken, welche die Mar- sianer infi zieren. Aber längt nicht alle Außerirdischen sind der Menschheit feindlich gesinnt. Steven Spielberg zeigt  in der »Unheimlichen Begegnung der dritten Art«, dass die Menschheit dem Unbekannten, dem Neuen off en begegnen sollte und sich eben nicht verschließen darf. Dass die Science-Fiction Gesell- schaftskritik übt, hat sie in gewisser Weise zur zu oft vernachlässigten Schwester der Utopie werden lassen. Sie ist letztlich Ergebnis des Wissen- schafts- und Technikoptimismus des . Jahrhunderts und versucht eher als die Utopie, durch Extrapolation eine Konti- nuität zwischen der Gegenwart und der fi ktionalen Zukunft herzustellen. Im Gegensatz dazu tendiert die Utopie in ihrem normativ postulierten Idealbild viel mehr dazu, einen totalen Bruch mit der Realität herzustellen. Die Science- Fiction ist also in ihrer Flexibilität we- sentlich dynamischer und erzählt von laufenden Veränderungen, während die Utopie eher ein statisches Ergeb- nis von Veränderung präsentiert. Wie die Utopie orientiert sich die Science- Fiction aber an unserer Gegenwart und spiegelt diese wider. Mit der Utopie hat die Science-Fiction auch mehr gemein

FOTO: PICTUREALLIANCE / MARY EVANS PICTURE LIBRARY PICTURE EVANS MARY / PICTUREALLIANCE FOTO: als mit Märchen oder Fantasy. Ersteres Günther Simon als Brinkmann in »Der schweigende Stern« () spielt meist in einer vergangenen Ne- benwelt (»Es war einmal …«), Letztere macht sich übernatürliche Elemente wie Fabelwesen oder Magie zu eigen. Insofern ist die »Star Wars«-Saga von Simulation von Gesellschaft George Lucas tatsächlich keine Science- Fiction, auch wenn das verschiedentlich Science-Fiction als Raum für Experimente immer behauptet wird, geht es doch hier im Grunde um einen groß ange- SEBASTIAN STOPPE re Kunstform, schnell geschrieben Menschen richtet. Dieses Motiv fi ndet gelingt, allerlei Gefahren zu begegnen legten Heldenmythos. und für den Massenmarkt gedacht. sich nicht erst bei Asimov. Tatsächlich und Abenteuer zu bestehen, dann ist Schildert die Science-Fiction also er Soziologe Jan Fuhse hat Gleichwohl liegen die Wurzeln der beschäftigte sich schon Fritz Lang  das auch ein Triumph der Technik über eine Veränderung der Realität, die die Science-Fiction einmal Science-Fiction aber weiter zurück. Ver- in seinem Filmepos »Metropolis« mit die Natur. Der Mensch ist dem Unbe- durchaus im Bereich des Machbaren als »Simulation von Gesell- schiedentlich wird Mary Shelleys Fran- dieser Frage. Heute gilt »Metropolis« kannten dank seiner Technik und seiner liegt? Da sie extrapoliert und eine, D schaft« bezeichnet, in der kenstein aus dem Jahre  als erste als erster Science-Fiction-Spielfi lm und wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht wenn auch nur spekulative, Kontinuität es aber eben nicht um Flucht aus eben- Science-Fiction-Geschichte überhaupt kein Geringerer als George Lucas setzte mehr schutzlos ausgeliefert. Auch bei zur Realität herstellt, erhebt sie damit dieser, sondern um Kritik an ihr gehe. angesehen. Frankenstein symbolisiert mit dem Droiden CPO in »Star Wars« Zeitreisen begegnet man dem Unbe- den Anspruch, dass ihre Spekulatio- So betrachtet, kann man das Genre als einerseits die Möglichkeiten, anderer- dem Maschinenmenschen Langs ein nen durchaus realisierbar sind. Was in einen Raum für Experimente und einen seits die Gefahren von neuartiger Tech- sehr wiedererkennbares Denkmal. Auch manchen Punkten auch zutriff t: Wa- Ort der Begegnung sehen. nik: Ein Wissenschaftler kreiert einen in Steven Spielbergs »A. I. – Künstliche ren sprechende Computer und tragbare Der Bezug zu Technik und Wissen- künstlichen Menschen und erhebt sich Intelligenz« spielen Androiden, also Mit der Utopie hat die Kommunikatoren bei »Star Trek« noch schaft ist prägend, wenn nicht gar aus- damit zum Herrscher der Natur. Diese menschenähnliche Roboter, und der Science-Fiction auch bis in die er Jahre Zukunftsmusik, schlaggebend, für die Science-Fiction. wiederum rächt sich sogleich an ihrem Umgang mit ihnen eine zentrale Rol- mehr gemein als mit so hat die Gegenwart mit unseren Im ausgehenden . Jahrhundert wälzte neuen Schöpfer. Eine ähnliche Prämis- le. Der Film basiert übrigens auf einer Smartphones und digitalen Assistenten die Industrielle Revolution ganze Ge- se verfolgte rund  Jahre später H. G. Kurzgeschichte des Science-Fiction- Märchen oder Fantasy die Science-Fiction eingeholt. sellschaften um. Es erschien also nur Wells mit »Die Insel des Dr. Moreau«. Autors Brian Aldiss. Doch trotzdem bleibt das Genre ak- folgerichtig, dass sich ein Genre bilde- Auch Wells ist noch der Frühform des Wissenschaftlich-technischer Fort- tuell. Schon  zeigte Stanley Kubrick te, welches die Perspektiven von neuen technisch-wissenschaftlichen Erfi ndens schritt kann man also als fortwährende kannten. In H. G. Wells‘ »Die Zeitma- in »: Odyssee im Weltraum« mit Technologien auch literarisch erörterte. verhaftet. Seine Kreaturen im Roman – Grenzüberschreitung sehen, die in der schine« erreicht der Zeitreisende eine dem Supercomputer HAL die Gefahren Ein wesentlicher Fixpunkt in Science- Dr. Moreau hatte menschenähnliche ethischen Frage endet, wie »vernünf- fern in der Zukunft liegende Zwei-Klas- von künstlicher Intelligenz auf. Auch Fiction-Texten ist das »Novum«, ein Tierwesen erschaff en – sind rein biolo- tig« eine Kreatur oder eine Maschine sen-Gesellschaft von Humanoiden, bei die »«-Trilogie von Wil- Begriff, den sich der jugoslawische gischer Natur und noch spielt die Tech- sein muss, um der Menschheit nicht zu der die vermeintliche Herrenrasse, die liam Gibson und die »Matrix«-Filme Science-Fiction-Forscher Darko Suvin nik in Gestalt der Maschine keine Rolle. schaden und wie wir selbst »vernünf- Eloi, oberirdisch in einem scheinbaren der Wachowskis beschäftigen sich mit vom Philosophen Ernst Bloch lieh. Das Das sollte sich später wohlweislich tig« mit neuer Technologie umgehen Paradies lebt und die andere Rasse, die dem Thema und nicht zuletzt die neuen Novum ist Suvin zufolge eine plausi- ändern, etwa bei den Robotergeschich- müssen. Science-Fiction ist also ein Morlocks, unterirdisch riesige Maschi- »Star Trek«-Inkarnationen wie »Disco- bel erscheinende Innovation, die eine ten von , der übrigens ein Versuchslabor und die Erkenntnisse in nen betreibt, um den Eloi ihren Lebens- very« führen die Diskussion um diese Entwicklung antreibt und neue Wege eifriger Leser der »Amazing Stories« der Science-Fiction Leitbilder für rich- standard zu ermöglichen. Glaubt der neuen Technologien fort. Die Science- aufzeigt, über unsere Gesellschaft tiges und vernünftiges Handeln in der Reisende am Anfang, es handele sich Fiction verspricht technologischen nachzudenken. Dieses Novum muss Dass die Science- Zukunft. Science-Fiction hat in diesem bei den Morlocks um Sklaven, die dort Fortschritt zum Guten der Menschheit nicht im eigentlichen Sinne neu sein, Sinne stets ein prozesshaft-dynami- unterirdisch leben müssen, so wird ihm und warnt vor einer Entmündigung es kann auch etwas Unbekanntes, ge- Fiction Gesellschafts- sches Moment. klar, dass sie die eigentlichen Herrscher durch neue Technik. Sie trägt utopische radezu Andersartiges sein, etwa wenn kritik übt, hat sie zur Das Prozesshafte fi ndet sich auch im sind und die Eloi nur deshalb am Leben Elemente in sich, wenn sie etwa wie in sich die Menschheit dank neuer Ide- zu oft vernachlässig- Reisemotiv der Science-Fiction wieder. erhalten, weil sie sie als Nahrung benö- »Star Trek« von einem positiven Huma- en auf Entdeckungsreisen begibt und Wenngleich die Erkundung des Welt- tigen – wie Vieh auf einer Weide. Wells nismus ausgeht, in dem die Menschheit dabei Begegnungen mit dem Fremden ten Schwester der raums in der Science-Fiction vorherr- verlegt hier zeitgenössische Kritik an aus ihren Fehlern gelernt hat und sich stattfi nden. Utopie werden lassen schend ist, so ist es zunächst zweitran- der Klassengesellschaft in die Zukunft bessern möchte. Sie kann aber auch zur Populär wurde Science-Fiction gig, welche Art von Raum tatsächlich und bringt damit utopische – oder hier Dystopie werden, bei der Technologie in den er Jahren durch die von gewesen sein soll. Der Mensch erschaff t bereist wird. Das Novum ist hier, dass konkret eher dystopische – Elemente genutzt wird, um eine totalitäre Herr- Hugo Gernsback verlegte Zeitschrift nun dank technischem Fortschritt Ma- dieser Raum ein unbekannter ist. Schon in das Genre ein. Science-Fiction wird schaft zu errichten. »Amazing Stories«. Gernsback war schinenwesen: Der Roboter wird ge- Jules Verne machte intensiv von dem gesellschaftskritisch. Sie möchte also vieles. Sie ist Gesell- ein US-amerikanischer Verleger lu- boren. Die Menschheit wird nun zur Reisethema in seinen Romanen Ge- Reisen bedeutet aber auch, dort auf schaftssimulation, Versuchslabor und xemburgischer Abstammung und die transzendenten Figur. Interessant da- brauch, seien es die in seinen Roma- andere, unbekannte Lebensformen zu Spiegel unserer Gegenwart. vom ihm verlegten Geschichten galten bei ist, wer hier wen beherrschen kann nen beschriebenen Unternehmungen treff en. Das bringt selbstredend ein als »Pulp Fiction«. Daher rührt wahr- und darf: Der Mensch die Natur – und zum Mond, zum Erdmittelpunkt oder Problem mit sich: Wie mit dem An- Sebastian Stoppe ist wissenschaftlicher scheinlich auch die bis heute nach- damit auch die Maschine – oder die in die Tiefen des Meeres. Vernes Figu- deren umgehen? In Wells’ »Krieg der Mitarbeiter an der Universitätsbib- wirkende Abfälligkeit, mit der sich Natur den Menschen. Dabei schwingt ren sind mutige Beherrscher von neu- Welten« sieht sich die Erdbevölkerung liothek Leipzig und Autor des Buches Science-Fiction seitens der Forschung auch die Angst vor dem Neuen mit, dass er Technik, Abenteurer und Entdecker mit einer Invasion von Außerirdischen »Unterwegs zu neuen Welten: Star Trek und der Literaturkritik konfrontiert Technik den Menschen entmündigen unbekannter Welten. Wenn es Kapitän konfrontiert. Marsianer landen mit ih- als politische Utopie«, erschienen im sah: Science-Fiction galt als minde- könne und sich die Maschine gegen den Nemo auf seinen Unterwasserfahrten ren Raumschiff en auf der Erde. Die mar- Büchner-Verlag Politik & Kultur | Nr. -/ | Juli/August  SCIENCEFICTION 19

Hochladen eines menschlichen Ver- standes in eine Computersimulati- Wissenschaft inspiriert durch on. »Visionär war außerdem William Gibsons Neuromancer-Trilogie aus den er Jahren, die von einer KI erzählt, die im Cyberspace Menschen Science-Fiction manipuliert. Die Bücher gab es, bevor es das www gab«, sagt Schmidhuber. Er Wer verstehen will, wie sich die im Grunde wie heutige Handys aus- der Einfl uss von Science-Fiction dazu Universum nachhaltig zu gestalten. kennt unglaublich viel Science-Fiction, unsere Welt entwickelt, sehen. Auch der Film »Minority Report« geführt, dass im . Jahrhundert sehr Es gibt sogar einen neuen, festste- ist aber ein äußerst kritischer Konsu- aus dem Jahr  ist eine regelrechte viele Forschungsgelder in die Suche henden Begriff für diese Vorstellungen ment: » Prozent der Science-Fiction sollte sich mit Science- Fundgrube: Hier tauchten Gesichts- nach außerirdischem Leben gesteckt der Kolonialisierung des Universums: ist Schrott. Aber , Prozent sind Per- Fiction beschäftigen erkennung, personalisierte Werbung, wurden«, schreibt Mark Brake in seinem »Astrofuturismus« bezeichnet eine len.« Als Schmidhuber ein Kind war, las Videotelefonie, Gestensteuerung und Buch »The Science of Science- Fiction«, neue Utopie, die der Menschheit ein er viel. »Was mir an den Büchern meis- JUDITH BLAGE das Internet der Dinge auf, als sie noch das den Einfl uss von Science-Fiction neues Leben auf anderen Planeten im tens sehr unrealistisch erschien, war die nicht in der Realität existierten. An- auf die Wissenschaft und Kultur von All nicht nur voraussagt, sondern als Menschenzentriertheit. Denn wahrhaft chon der allererste Science-Fic- geblich sind rund hundert Patente aus heute untersucht. Und tatsächlich: unvermeidlich darstellt. Die Dysto- kluge KIs interessiert sich wohl kaum tion-Roman war hanebüchen: Es dem Film heraus entstanden. Und das Seit den er Jahren laufen immer pie auf der Erde ist darin gesetzt. Ein für Menschen. Damals schon schien S leben Aliens auf dem Mond, ge- ist auch kein Zufall, wenn man die Pro- wieder SETI (Search for Extraterrest- Beispiel dafür ist das Buch »How we’ll mir: Ich muss radikaler denken als diese gen die Atemnot im All hilft ein feuch- fessionalität betrachtet, mit der Steven rial Intelligence)-Forschungsprojekte, live on Mars« von Stephen Petranek, immer noch eher zögerliche Science- ter Schwamm vor der Nase. Typische Spielberg und sein Szenenbildner Alex die das All nach Signalen technischer das voraussagt, wie Menschen im Jahr Fiction.« Dieser Impuls mündete darin, Science-Fiction-Kritiker von heute McDowell an die fi ktive Zukunft im Film Zivilisationen absuchen. »Bis heute  auf dem Mars leben werden. Das dass der -jährige Schmidhuber die hätten abgewunken und »alles unre- herangingen. McDowell setzte sich mit haben wir ja keinen wissenschaftlich Buch ist in den USA sehr erfolgreich, Idee verfolgte, eine sich selbst verbes- alistisch« geschrien. Wüssten sie aber einigen der damals einfl ussreichsten haltbaren Hinweis darauf, dass Zivili- Petranek tourte damit durch Talkshows, sernde künstliche Intelligenz zu bauen, den Namen des Urhebers, wer weiß, sie Computerforscher, mit Stadtplanern sationen außerhalb der Erde existieren. sprach darüber in einem TED-Talk, ei- die klüger ist als er selbst. Was daraus würden vielleicht verstummen. Denn und Wissenschaftlern, unter anderem Hier führt also pure Imagination zu wis- ner beliebten Innovationskonferenz in wurde, ist bekannt: Einige Jahrzehnte es war der große Astronom und Na- vom Bostoner MIT, zusammen und ließ senschaftlicher Forschung«, schreibt Kalifornien. »Aktuell sind Apokalypsen später wandte Google seine sogenann- turphilosoph Johannes Kepler, der mit sich genau erklären, wie aus Sicht der Brake, emeritierter Professor für Wis- und Dystopien sehr en vogue. Dabei ten »Deep Learning«-Netzwerke an, sie »Somnium«, lateinisch für »der Traum«, Wissenschaftler Transportsysteme, die senschaftskommunikation an der briti- brauchen wir positive Erzählungen über sind ein Teil der Mustererkennung von eine fi ktionale Traumreise zum Mond Waff en der Zukunft und das Bildungs- schen Universität von Glamorgan. die Zukunft, die mehrere Möglichkeiten künstlicher Intelligenz. Die New York beschrieb – im Jahr , einige Zeit system im Jahr  wohl aussehen Das Genre Science-Fiction verändert off en lassen – damit wir uns nicht reale Times hat über ihn mal geschrieben: bevor Galileo Galilei sein Teleskop auf mögen. Aus den Ergebnissen erstellte sich außerdem: Es wird immer ernst- Handlungsmöglichkeiten verbauen«, »Wenn künstliche Intelligenz einmal die Sterne richtete und mehr als  er einen Zukunftskatalog, die -Bi- hafter und wissenschaftlicher. »Der An- fi ndet Ganser. heranwächst, dann wird sie Jürgen Jahre, bevor Neil Armstrong seinen Fuß bel. Deshalb wirkt »Minority Report« spruch Hollywoods ist es heute, ›harte‹ Tatsächlich sind auch Wissenschaft- Schmidhuber einmal Papa rufen.« auf den Mond setzte. wie eine Zukunftsvorhersage, die immer Science-Fiction zu machen, die mög- ler nur Menschen und ausnehmend Selbstverständlich sind Informatiker Die Mondlandung war also  ei- noch nicht veraltet ist. lichst auf Fakten beruht, die also ernst viele von ihnen waren als Kinder be- nicht unbedingt überlegene Ratgeber gentlich schon ein alter Hut. Zumindest, Aber noch viel interessanter ist der genommen wird. Die Science-Fiction ist geisterte Science-Fiction-Fans. Der in Sachen Lesestoff , Unterhaltung und wenn man von der Idee ausgeht. Kepler Aspekt, dass dieser Zukunftsentwurf, seriös geworden«, sagt Alexandra Gan- amerikanische Raketenforscher Robert Kunst. Aber es könnte möglicherweise beschreibt in seinem Roman eine Space der aus der Wissenschaft in die Unter- ser. Z. B. veröff entlichen mittlerweile Goddard interessierte sich für das Welt- doch eine Rolle spielen, welche Bücher Odyssee, spart nicht mit physikalischen haltung schwappte, wieder Ideen in die sehr respektable wissenschaftliche Ver- all, weil er als Kind »Krieg der Welten« und welche Filme diejenigen gut fi nden, Details über die Schwerelosigkeit im All reale Welt zurückspült: McDowell leitet lage Reiseführer für Weltalltouristen. von H. G. Wells gelesen hatte. Wells gilt die die Zukunft der Menschheit gerade und spekuliert über die Verhältnisse, heute das World Building Institute an Doch genau darin liegt aus ihrer heute neben Größen wie George Orwell, gestalten. die auf dem Erdtrabanten wohl herr- der University of Southern California Sicht auch eine Gefahr: »Es vermischen Stanislaw Lem oder Aldous Huxley als Wenn unsere Gesellschaft darüber schen mögen. Auch wenn Kritiker recht in Los Angeles, das Nichtregierungs- sich Fiktionalität und Projektionen in der Shakespeare der Science-Fiction- nachdenken soll, wohin all die tech- hatten, dass einiges nicht besonders organisationen, politische Institute, die Zukunft mit der Realität. Es wird Literatur. Goddard hatte später als er- nologischen Entwicklungen führen realistisch ist, so war Keplers entschei- Architekten und Unternehmen berät dende Idee prophetisch. Auch Kepler – die wiederum mit McDowells Ideen wiederum schrieb nur einen Gedanken Gebäude bauen und Städte planen. auf, der schon Jahrhunderte vorher in »Mich interessieren heute die Probleme den Köpfen anderer geschwelt hatte, der echten Welt mehr als die Proble- z. B. in denen der antiken Schriftsteller me der Filmindustrie«, sagt McDowell. Plutarch und Lukian. Kurzum: Science- Wohlgemerkt, McDowell war mal »nur« Fiction als Literaturgattung ist viel älter, Szenenbildner in Hollywood. als die meisten glauben. Der Einfl uss fi ktionaler Geschich- Die Mondlandung ist ein gutes Bei- ten ist viel fundamentaler, als ein paar spiel dafür, wie sehr der Gang der Welt visionäre technologische Gadgets in und auch die Entwicklung der Wissen- Filmszenerien glauben machen. Be- schaft und Technologie sich in den Ge- sonders wenn es um die Zukunft der schichten zeigen, die wir lesen oder in Menschheit geht: »In den USA gibt es Filmen sehen – und wie sehr diese wie- eine enge Verfl echtung zwischen Hol- der zurückspiegeln in die Wissenschaft. lywood und der Raumfahrtforschung«, Umso merkwürdiger ist die Arroganz, sagt Alexandra Ganser, Professorin für mit der Kulturschaff ende und Litera- Amerikanistik an der Universität Wien. turkritiker, aber auch Wissenschaftler Sie untersucht in einem Forschungs- auf Filme oder Bücher hinabsehen, die projekt die Zukunftsvisionen Holly- sich nicht mit der Vergangenheit oder woods und wie sich diese in der ame- der Gegenwart befassen, sondern mit rikanischen Politik und Wissenschafts- der Zukunft. Science-Fiction sei etwas landschaft niederschlagen. Seit Beginn für Eskapisten, heißt es. des sogenannten »Wettlaufs ins All« mit Genau das Gegenteil ist der Fall. der Zündung der sowjetischen Sputnik- Denn natürlich ist es wichtig, sich Rakete  haben sich der Hollywood- mit den Gedankenentwürfen über die Weltraumfi lm und die tatsächlichen Zukunft zu befassen. Die Menschheit Entwicklungen in der Astrotechnologie verändert ihre Lebenswelt in so rasen- wechselseitig beeinfl usst. Der Anfang dem Tempo, dass sich die Visionen von seien die didaktischen Filme »Man and gestern sehr schnell zur Gegenwart von the Moon« und »Man in Space« von morgen wandeln können. Science-Fic- Walt Disney aus dem Jahr  gewesen. tion ist außerdem schon länger keine Darin erklärt der deutsche Raketenkon- Domäne pickliger Nerds mehr: Längst strukteur Wernher von Braun, der nach im Mainstream angekommen, beein- dem Zweiten Weltkrieg für die Nasa ar-

fl usst sie die Meinung der Menschen beitete, wie die Raumfahrt funktioniert, ALLIANCE PICTURE FOTO: über die Wissenschaft – und damit ergänzt durch Cartoonszenen. Diese DeForest Kelley als Dr. Leonard McCoy, William Shatner als Captain James T. Kirk und Leonard Nimoy als Mr. Spock in auch ihre Richtung. Sie spiegelt unser Zusammenarbeit setzte sich im . Jahr- »Star Trek« (ab ) Weltbild und weist auf gesellschaftliche hundert fort: »Der Film ›Der Marsianer‹ Themen, die kommen werden. von Ridley Scott wäre nicht entstanden impliziert, dass es eine natürliche folgreicher Raketenforscher, nach dem werden, dann ist es von Vorteil, einen Es gibt unzählige Anekdoten darüber, ohne das Expertenwissen der Nasa, sie Entwicklung zum Leben auf dem Mars sogar ein Mondkrater benannt ist, Wells hypothetischen Blick in die Zukunft welche Technologien zuerst in fi ktiona- war auch sehr an der Vermarktung des gibt, dass es im Wesen der Menschheit einen Brief geschrieben, in dem er ihm zu wagen und Science-Fiction ernst len Geschichten auftauchten und später Films beteiligt.« Die Nasa unterhalte liegt zu expandieren.« Darin sieht die für die Inspiration dankte. Auch der zu nehmen – egal ob es um künstliche Wirklichkeit wurden. Als Klassiker in ein eigenes Kulturbüro, das PR macht Amerikanistin die Fortführung einer deutsche Forscher Jürgen Schmidhu- Intelligenz, Robotik, Gentechnik oder dieser Richtung gilt Stanley Kubricks und Einfl uss nimmt auf kulturelle Ins- amerikanischen Eroberungsrhetorik. ber, ein Pionier der sogenannten neu- die Folgen des Klimawandels geht. »: Space Odyssee« aus dem Jahr titutionen. »Im Gegenzug eröff nen sol- »Es wird mit diesen Filmen und Serien ronalen Netze, die ein Teil von selbst- Denn im Grunde sind sich beide , in dem sprechende Computer, che Science-Fiction-Filme Spielräume vermittelt, dass die Menschheit auf der lernender künstliche Intelligenz sind, Disziplinen sehr viel ähnlicher, als es künstliche Intelligenz, iPad-ähnliche für das Denken, wecken Interesse und Erde nicht überleben kann und eine Ex- war schon als Kind ein Science-Fiction- auf den ersten Blick scheint. Es ist die Computerflundern, ebenfalls eine regen zu Ideen an, die dann später wie- pansion ins Weltall unvermeidlich wäre, Liebhaber. Schmidhuber ist heute wis- eine Frage, die Menschen bewegt: Was Mondlandung und viele andere visionä- derum in der Wissenschaft aufgegriff en der logische nächste Schritt. Dabei ist senschaftlicher Direktor bei der IDSIA, wäre, wenn? re Gadgets auftauchen. Nicht umsonst werden«, sagt Ganser. das wiederum wirklich reine Fiktion.« einem Schweizer Forschungsinstitut hieß das erste Klapphandy von Motoro- Ein gutes Beispiel für die Symbiose Viel sinnvoller sei es doch, den Pio- für künstliche Intelligenz. Er nennt Judith Blage ist Wissenschaftsjournalis- la StarTac in Anlehnung an Star Trek, in von Wissenschaft und Science-Fiction niergeist dafür aufzubringen, die Erde als Lieblingsromane seiner Kindheit tin und schreibt unter anderem für die dem bekanntermaßen schon lange mit ist die Astrobiologie, die die Frage nach nicht zu zerstören als die Vorstellung Daniel F. Galouyes »Simulacron «, Süddeutsche Zeitung, die Frank-furter »Kommunikatoren« telefoniert wurde, Leben im All stellt. »Im Grunde hat nur zu verbreiten, es sei leicht machbar, das der Roman beschrieb schon  das Allgemeine Zeitung und die Welt 20 SCIENCEFICTION www.politikundkultur.net

Nachdem Martin Luther Papst geworden war Alternativweltromane der Science-Fiction

GEORG RUPPELT in einem Alternativwelt-Roman »Der Die Alternativwelt, die Christian Mähr Pazifi kstaaten, in den Ost-, Süd- und dass durch die Darstellung von Alterna- zeitgereiste Napoleon« () von Ha-  in »Fatous Staub« schildert, hat Mittelstaaten führen die Deutschen tiven die tatsächlich verübten Greuel- ie gut, dass die Ururgroßel- rold Peirce zu. Darin hat Napoleon bei den Ersten und den Zweiten Weltkrieg ein strenges rassistisches Regime. Wäh- taten Nazi-Deutschlands verharmlost tern damals die Abfahrt der Waterloo gesiegt, und am Ende des . nicht erlebt. Die österreichische Mo- rend Japan auf den Heimatinseln und werden. W Titanic verpasst haben!« – Jahrhunderts regiert sein Nachfolger narchie wird von einem Kaiser Karl in seinem Machtbereich zu einem auf- Betrachtet man die Gesamtheit der »Wenn ich  nicht Urlaub auf Malle als Napoleon V. ein vereinigtes Euro- regiert, der off ensichtlich etwas debil geklärten und freizügigen Buddhismus Alternativwelt-Romane, so wird schnell gemacht hätte, wäre ich heute mit je- pa. Deutschland besteht aus  Klein- ist. Der Kaiser des Deutschen Reiches, zurückgekehrt ist, der andere Rassen deutlich, dass sie oft dystopischen mand anderem zusammen.« Überle- staaten, die eine lose Konföderation Wilhelm II., hat bis in die Mitte des . toleriert, setzten die Deutschen ihren Charakter haben. Die Alternativwelt gungen dieser Art hat wohl jeder schon eingegangen sind. Kaiser Napoleon V. Jahrhunderts das Zepter in der Hand Vernichtungsfeldzug gegen die Juden in ist in der Regel nicht besser als die re- einmal angestellt, und jedem werden meint: »Die Deutschen sind in erster und lässt seinen Macken freien Lauf, den USA fort. Nach ihrem Sieg haben sie ale, auch wenn in ihnen der eine oder gewiss Entscheidungen oder Ereignis- Linie Dichter, Visionäre und Träumer; schadet dabei aber niemandem durch auch die schwarze Bevölkerung Afrikas andere sympathische Zug gegenüber se einfallen, die sein Leben nachhaltig sie haben überhaupt keinen Sinn für Krieg oder auch nur Kriegsgeschrei. ausgerottet, das Mittelmeer trocken ge- unserer eigenen Welt hervorgehoben bestimmt haben. das Praktische.« Ein Zeitraum ist von einer großen legt und die Sahara fruchtbar gemacht; wird. Diktaturen und Ideologien tragen Auch die Geschichte kennt Wen- Mit einem alternativen Verlauf der Zahl Alternativwelt-Romane immer eine deutsche Expedition ist zum Mars nicht zum Fortschritt der Menschheit depunkte, die entscheidend waren für amerikanischen Geschichte beschäf- und immer wieder behandelt worden, unterwegs. bei, auch nicht zum technischen, son- die Zukunft der Welt. Die früher im Ge- tigt sich ein Klassiker des Genres, Ward nämlich jene verfl uchten Jahre zwi- Als der Nachfolger Hitlers, Martin dern sie verzögern die Entwicklung des schichtsstudium strikt verbotene Frage Moores  erschienener Roman »Der schen  und . Bis auf wenige Bormann,  stirbt, setzt sich Goeb- Menschengeschlechts – so ihre kaum nach dem »Was wäre, wenn ...?« wird große Süden«. Darin haben die Süd- Ausnahmen haben in diesen alternati- bels in den darauff olgenden Diadochen- versteckte Botschaft. Mit anderen Wor- in der Geschichtswissenschaft seit ge- staaten den amerikanischen Bürger- ven Romanwelten Hitler bzw. das Deut- kämpfen durch und wird der neue Führer, ten: Die Mehrzahl der Autoren ist ei- raumer Zeit durchaus ernsthaft gestellt. krieg gewonnen; sie sind eine reiche sche Reich und seine Verbündeten den der sofort einen Atomschlag auf die ein- gentlich der Meinung, dass unsere Welt Wenden wir diese Frage einmal auf ganz Agrarnation geworden. Der Rassismus Krieg gewonnen. Zwei der besten Ro- zige noch verbleibende konkurrierende zwar verbesserungswürdig, aber im Ver- wenige Daten der Weltgeschichte an. regiert ein technisch kaum entwickeltes mane dieses Genres überhaupt gehören Weltmacht, nämlich Japan, vorbereitet. gleich zu möglichen anderen – Leibniz Was wäre also gewesen, wenn z. B. . Jahrhundert. zu ihnen: »Wenn das der Führer wüsste« Im Roman von Otto Basil hat das lässt grüßen – doch die beste sei. • Alexander der Große nicht so früh In Carl Amerys  erschienenem von Otto Basil () und »Das Orakel Deutsche Reich den Krieg durch einen Das literarische Genre Science-Fic- gestorben wäre; Roman »An den Feuern der Leyermark« vom Berge« von Philipp K. Dick (). Atombombenabwurf über London ge- tion wird in Deutschland im Vergleich • die Mauren in Spanien gesiegt hätten; hat Preußen  den Krieg gegen Ös- In Dicks Alternativwelt sieht die Lage wonnen. Europa steht unter deutschem zu anderen Literaturgenres gern als vor • Martin Luther als Ketzer verbrannt terreich, Bayern und Hannover verlo- so aus: Durch die Ermordung Präsident Protektorat, die USA werden von einer allem trivial oder minderwertig beur- worden wäre; ren. Bayern wird der bedeutendste Staat Roosevelts  gelang es den USA nicht, berlinhörigen Marionettenregierung teilt. Science-Fiction gehört nur in ganz • Napoleon bei Waterloo gesiegt hätte; Mitteleuropas – demokratisch, kunst- die schwere wirtschaftliche Depression des Ku-Klux-Klans beherrscht. Der pa- wenigen Ausnahmefällen zum literari- • Lenin nicht aus der Schweiz nach liebend und freiheitlich. Im Anschluss zu überwinden. Sein Nachfolger führt zifi sche Raum steht unter dem Einfl uss schen Kanon. Vor diesem Hintergrund Petrograd transportiert worden wäre; hat es der Alternativwelt-Roman in • die Widerständler des . Juli  Deutschland schwer, sich einen brei- erfolgreich gewesen wären; teren Leserkreis zu erobern. Dabei ist • die Attentäter des . September  gerade dies eine Gattung, die beson- vor ihrem Massenmord entdeckt und ders qualifizierte Leser ansprechen festgenommen worden wären? könnte. »Alternativwelt-Geschichten«, Die Frage nach dem »Was wäre, schreibt Karl Michael Armer, »stellen wenn« ist häufi g auch von Autoren des eine Fülle hoher und widersprüchlicher literarischen Genres Science-Fiction Anforderungen. Sie verlangen fundierte gestellt worden. Alternativweltromane historische Kenntnisse, einen Spieltrieb, sind eine Untergattung dieser Literatur, der sich gerade an komplexen Aufgaben die übrigens eine starke Affi nität zu re- besonders entzündet, und eine geradezu ligiösen Themen besitzt. So etwa die anarchistische Lust am Einreißen, Infra- Romantrilogie »Hammer und Kreuz«, gestellen, Tabuverletzen. Mit anderen erschienen –, der amerikani- Worten: Sie erfordern beim Autor wie schen Autoren Harrison und Holm, die beim Leser ein Psychogramm, das Le- davon ausgeht, dass im . und . Jahr- sefreude, intellektuelle Ernsthaftigkeit hundert die Wikinger eine organisierte und Lust am bunten Spektakel unter technikfreundliche Religion gegründet einen Hut bringt.« und das Christentum in Nordeuropa Die große Welt wie auch unser klei- besiegt haben. nes individuelles Leben werden täglich Zwei um  erschienene Romane vor Alternativ-Entscheidungen gestellt. schildern ein . Jahrhundert, in dem Alternativwelt-Romane machen uns dies die Katholische Kirche die Welt be- auf anspruchsvolle und oft auch höchst herrscht, weil Martin Luther vier Jahr- vergnügliche Weise bewusst. Ist diese hunderte zuvor nicht die Reformation Literaturgattung möglicherweise damit ausgelöst, sondern sich mit der Kirche auch in der Lage, unseren eigenen Blick arrangiert hat und Papst Germanian auf das Leben, ja vielleicht sogar unser I. geworden ist. Im zweiten Roman ist Leben selbst zu schärfen? Und vielleicht Königin Elisabeth I.  einem Atten- kann sie im besten Fall ein klein wenig tat zum Opfer gefallen und Spanien hat Hoff nung spenden – wie etwa Dirk Ross- den Krieg gewonnen. In diesen Welten manns Bestseller »Der neunte Arm des ist die Technik unterentwickelt. Der Oktopus« von . Darin gelingt es den Güter- und Personenverkehr wird mit Regierungen Chinas, Russlands und der

gewaltigen Dampfmaschinen auf Stra- PUBLICITY KPA / ARCHIVES UNITED / ALLIANCE PICTURE FOTO: USA durch eine in unserer Gegenwart ßen abgewickelt: »Die Bulle Petroleum »Raumpatrouille – Die phantastischen Abenteuer des Raumschiff es Orion« () gegründete Klima-Allianz die Erde bis Veto von  hatte den Hubraum von  zu retten. Verbrennungsmotoren auf  Kubikzoll an dessen Lektüre mag man sich fragen, eine isolationistische Politik, die es Japans, der einzigen Weltmacht außer beschränkt. Die Benzinfahrzeuge hatten ob der Welt ein »Führer« Adolf Hitler den »Achsenmächten« erlaubt, ganz dem Deutschen Reich. Georg Ruppelt ist Autor, Herausgeber sich mit lustigen Segeln aushelfen müs- erspart geblieben wäre, wenn sich bei Europa, schließlich auch Nordafrika Im Reich selbst ist die nationalsozi- und Kolumnist sen, damit sie überhaupt vorankamen«, einer anderen Weichenstellung im Jah- und den Nahen Osten zu unterwerfen. alistische Ideologie mit all ihren Abar- so heißt es in Robert Keiths »Pavane« re  früher und nachhaltiger repub- Deutschland ist damit im Besitz gewal- tigkeiten zur vollen Blüte gelangt. Die (). Die Nachrichtenübermittlung er- likanische und demokratische Tenden- tiger Ölreserven und hat außerdem die absurdesten Ideen haben sich entwickelt ZU DEN BILDERN folgt mithilfe von Signalmasten, wie in zen in Deutschland hätten durchsetzen Atombombe entwickelt. Entscheidend und sind bis zum Wahnsinn weiterge- Kingsley Amis »Die Verwandlung« (). können; wenn es zu einer »großdeut- für den Sieg der Deutschen und der mit führt worden. Es ist eine Albtraumland- Einen Blick in den Weltraum werfen, Andererseits hat in beiden Roman- schen« oder gar keiner Einheitslösung ihnen verbündeten Japaner und Italie- schaft, die geprägt ist von nordischem vor- und rückwärts durch die Zeit rei- welten die Kirche dafür gesorgt, dass gekommen wäre; wenn das Königreich ner ist allerdings nicht der Abwurf einer Mystizismus, esoterischen Tollheiten, sen, futuristische Großstädte besu- Künste und Kultur hoch angesehen und Hannover nicht von Preußen annektiert, Atombombe oder eine große Schlacht, angefüllt mit SS-Ordensburgen, Zucht- chen, fremde Wesen kennenlernen verbreitet sind. Auch wurde die Umwelt also mit Gewalt und ohne Berechtigung sondern die Tatsache, dass Hermann mutterklöstern, Werwolfverbänden, bru- – wie kein anderes Genre nimmt uns nicht zerstört. Die Weltkriege haben in dessen Besitz gebracht worden wäre. Göring Hitler überreden kann – was talsten Vernichtungsmechanismen und der Science-Fiction-Film über die nicht stattgefunden; Atombomben gibt Aus einem völlig anderen Grund fi n- er in der wirklichen Welt tatsächlich parapsychologischen Dienstleistungs- Kinoleinwand oder den Bildschirm es nicht; Namen wie Auschwitz oder det in dem Alternativwelt-Roman »Als versucht hat –, die Radarstationen auf unternehmen. In Basils Roman sind die mit in Welten, die über unsere ge- Buchenwald haben keine Bedeutung. Wilhelm kam« () von Saki, das ist den britischen Inseln zu bombardieren, nationalsozialistischen Vorstellungen wohnte Realität hinausgehen. Fik- Einziger Gegenspieler des Kirchen- Hector Hugh Munro, der Erste Weltkrieg statt Terrorangriff e auf die Städte zu eines »neuen Europa« Wirklichkeit ge- tionale Techniken und deren mögli- staates ist in »Die Verwandlung« das nicht statt. Darin startet Deutschland fl iegen. Dieses Detail entscheidet die worden. Die Welt allerdings geht auch chen Auswirkungen auf die Zukunft Osmanische Reich, mit dem man ge- einen Überraschungsangriff auf Eng- Schlacht um England. in diesem Roman am Schluss in einer bestimmen die Inhalte des Genres. legentlich Kriege führt, deren wirkli- land und besiegt dieses vor allem durch Nach dem  gewonnenen Krieg atomaren Katastrophe als Folge eines Politik & Kultur nimmt Sie mit auf che, aber natürlich geheim gehaltene den Einsatz seiner Zeppelin-Luftfl otte haben Japan und Deutschland die USA deutsch-japanischen Weltkrieges unter. eine Zeitreise durch den Science- Absicht eine Bevölkerungsreduktion und überragender Kriegsschiff e inner- unter sich aufgeteilt. Im Westen herr- Es besteht allerdings bei diesen und Fiction-Film von Metropolis () auf beiden Seiten ist. Fröhlich geht es halb einer Woche. schen die Japaner über die besetzten ähnlichen Romanen eine gewisse Gefahr, bis (). Viel Spaß! Politik & Kultur | Nr. -/ | Juli/August  SCIENCEFICTION 21

Durch die Augen der Heldinnen Frauen in der Science- Fiction-Literatur

THERESA HANNIG UND LENA FALKENHAGEN

er an Science-Fiction denkt, denkt an Zukunft, clevere W Roboter, glänzende Raum- schiff e und heroische letzte Schlach- ten um das Schicksal der Menschheit. Eigentlich möchte man meinen, dass eine Literatur, die sich per Defi nition mit der Zukunft und der technologi- schen Entwicklung beschäftigt, auch ihrem Selbstverständnis nach vorwärts- gewandt ist. Aber immer stimmt das nicht. Oft- mals hatte Science-Fiction einen eher konservativen Kern: Sie ist dem Kli- schee nach eine Literaturgattung von Männern für Männer. Dies beginnt bei den Kinder- und Jugendbüchern, die immer größtenteils rosa für Mädchen oder blau und grau für Jungen ge- staltet sind. Pferde und Elfen für die Mädchen, Raumschiff e, Monster und Roboter für die Jungen. Es ist schwer genug, Science-Fiction-Bücher für Kinder zu fi nden. Noch unmöglicher ist der Fund von Science-Fiction mit einer weiblich-kindlichen oder jugend- lichen Protagonistin. Und so geht das Missverständnis weiter: Jungen lesen Science-Fiction von Männern, die wie- derum glauben, Mädchen und Frauen würden sich nicht so sehr für Science- Fiction interessieren. Nehmen wir nur mal die aktuellen

Science-Fiction-Bestseller wie »Der As- T / PICTURELUX / ARCHIVES UNITED  BILD ULLSTEIN FOTO: tronaut« von Andy Weir, »Der Anschlag« Keir Dullea als Dr. Dave Bowman in » – Odyssee im Weltraum« () von Stephen King und »Teleport« von Joshua Tree. Wir sehen Männer, die über In dieser Literatur werden andere The- werden drei Mal so häufi g in Zeitungen, se drei Frauen haben Großartiges voll- Mittelmaß ankommen dürfen und nicht Männer schreiben, die die Welt retten. men verhandelt. Oft geht es weniger um im Radio oder im Fernsehen bespro- bracht, sie haben Werke geschaff en, die erst Genies sein müssen, um wahrge- Visionäre malen Bilder der Zukunft. die Rettung der Welt mit ihren guten chen wie Science-Fiction-Literatur von im öff entlichen Bewusstsein überdauern. nommen zu werden. Dafür müssen sich Weibliche Science-Fiction ist unrele- alten Strukturen, als um das Überleben Frauen. Und selbst wenn die Werke von Viel mehr Science-Fiction-Autorin- z. B. die Zusammensetzungen der Jurys vant. So befanden es  auch viele in einer Welt, die den Protagonistinnen Autorinnen besprochen werden, so nen sind im öff entlichen Bewusstsein ändern. Wikipedianer, die eine Liste deutscher feindlich gegenübersteht. Gesellschaft- werden ihnen nur halb so viele Zeilen nicht präsent. Off enbar müssen Frauen Autorinnen malen mit ihrer Sicht Science-Fiction-Autorinnen löschen liche und menschliche Widrigkeiten gewidmet wie den Büchern eines männ- Jahrhunderttalente sein, um in der Mas- der Welt neue Visionen der Zukunft. wollten. müssen überwunden werden, ohne lichen Science-Fiction-Autors. Es mag se der männlichen Kollegen herauszu- Alles, was wir lesen, prägt unsere Ge- Frauen fanden in der Science-Fic- dabei die eigene Integrität und Iden- also in der Öff entlichkeit der Eindruck stechen. Frauen haben in den letzten dankenwelt und bildet das Fundament tion-Literatur bislang meist am Rande tität zu verlieren. Die Frauen in den entstehen, Frauen würden keine oder Jahren auf sich aufmerksam gemacht und Hintergrundrauschen für unsere statt. Und dies ist wörtlich zu verste- neuen Science-Fiction-Geschichten nahezu keine Science-Fiction schreiben. und auch bei den bedeutendsten Prei- eigenen Erwartungen. Wenn wir die hen. Als schmückendes Beiwerk von sind keine einsamen Wölfe, keine un- Oft richten sich auch die Verlage und sen der Science-Fiction ordentlich ab- Zukunft durch die Augen der weibli- Helden, die die Welt retten – so Zhu- wahrscheinlichen Helden, die gegen die Buchhandlungen danach, was sich geräumt. Die letzten fünf Hugo Awards, chen Science-Fiction erleben, sehen ang Yan als wahr gewordene Traumfrau alle Widerstände zum Sieg kommen. mutmaßlich besser verkauft, und bieten die seit  verliehenen Science- wir andere Probleme und andere Lö- in Cixin Lius »Der Dunkle Wald«. Als Die neue Science-Fiction bricht aus dementsprechend mehr von Männern Fiction-Leserpreise, gingen allesamt sungsstrategien als die, die männliche Preis für halsbrecherische Missionen alten Erzählmustern aus. als von Frauen geschriebene Science- an Frauen:  an »Im Herzen des Helden der Vergangenheit angewandt – wie Han Solo und Prinzessin Leia in Fiction an. Ein klassisches Henne-Ei- Imperiums« von Arkady Martine,  haben. Indem wir die Zukunft lesen, der ursprünglichen Star-Wars-Trilogie Problem. an »Die Berechnung der Sterne« von öff nen wir einen Möglichkeitskorridor drängen sich hier in den Vordergrund Es wäre eine Vergeu- Um zu ergründen, was an solchen , // für unser Denken und Handeln. Es wäre –, als schmachtender und bewundern- dung von wertvollen Klischees dran ist, wagte sich der kleine an die »Broken Earth«-Trilogie von N. also eine Vergeudung von wertvollen der Gegenstand romantischen Inter- Verlag Briefgestöber im Jahr  an ein K. Jemisin. In den USA ändern sich die Ressourcen, die Ideen der Frauen nicht esses – sollte der Held es nach seiner Ressourcen, die Ideen besonderes (nicht ausschließliches Sci- Dinge also. Man darf hoff en, dass auch auf dem Schirm zu haben, zumal sie Reise irgendwann nach Hause schaff en. der Frauen nicht auf ence-Fiction-)Projekt: Die Anthologie in Deutschland Autorinnen mehr Sci- diejenigen sein werden, deren Stimme Wenn eine Welt wiederhergestellt wur- dem Schirm zu haben »UNKNOWN, Erzählungen unbekannter ence-Fiction-Preise gewinnen. in Zukunft immer mehr gehört werden de, dann war es die gute alte, uns sehr Herkunft«. Für diese Anthologie schrie- Das bislang einzige Mal, dass der wird. Weibliche, vielfältigere, diverse- bekannte. Das heißt übrigens natürlich ben  Autor*innen Geschichten, ohne Kurd-Laßwitz-Preis für den besten re Blickwinkel werden benötigt, um nicht, dass Literatur von Männern für Heute sind es komplexe, facettenreiche dabei namentlich genannt zu werden. Roman an eine Frau ging war : Es alle Herausforderungen überhaupt zu Männer schlecht ist – die namhaften Protagonistinnen, die das ganze Reper- Die Leserinnen und Leser konnten dann gewann Gudrun Pausewang mit »Die verstehen. Denn wie könnte ich Prob- Vertreter dieser Gattung beweisen die toire menschlicher Handlungsoptionen online abstimmen, hinter welchen Ge- Wolke«. Dafür gewann Pausewang im leme beheben, wenn ich sie gar nicht Qualität. Aber wenn diese Literatur die ausschöpfen, um an ihr Ziel zu kommen. schichten sie einen Autor vermuteten gleichen Jahr auch den Deutschen verstehe? einzige ist, die erzählt wird, zeigt sie Von den hübschen Trophäen männli- und hinter welchen eine Autorin. Die Science-Fiction-Preis (DSFP), der au- Wer einen Überblick darüber erhal- notgedrungen nur einen Ausschnitt des cher Helden werden sie zu selbstbe- Aufl ösung gab es im Mai/Juni  auf ßerdem  an Maria J. Pfannholz für ten möchte, welche Science-Fiction- Spektrums. wussten Charakteren, die sich nicht nur YouTube. Fazit: Bei keiner Geschich- »Den Überlebenden« und  an Ulrike Autorinnen es im deutschsprachigen Erfreulicherweise ändert sich die- in Bezug auf den männlichen Gegenpart te war es für die Lesenden ersichtlich, Nolte für »Die fünf Seelen des Ahnen« Raum zurzeit gibt, kann auf der Liste se Situation gerade. Es lohnt sich, die oder Familien defi nieren, sondern im ob ein Mann oder eine Frau den Text verliehen wurde. Abgesehen davon ging deutschsprachiger Science-Fiction- aktuellen Entwicklungen im Auge Gegenteil die Männer und den Rest der geschrieben hatte. Allein die Qualität der DSFP seit  ausschließlich an Autorinnen auf Wikipedia nachlesen. zu behalten, die teilweise in kleinen Welt zu sich selbst in Bezug setzen. war am Ende ein Bewertungskriterium. Männer. Wieder ist es ein Henne-Ei- Als sie wegen mangelnder Relevanz Schritten, teilweise in großen Umbrü- Kehren wir zurück zu den Zahlen. Was für eine schöne Literaturwelt, in Problem, ob das am Angebot, an der gelöscht werden sollte, kämpften chen daherkommen. Waren es bis vor Obwohl die meisten Leserinnen und der nicht der Name zählt, der auf dem Besetzung der Jury oder an der Qualität Schriftsteller*innen und ein Teil der Kurzem noch hauptsächlich Männer, Leser sich nicht bewusst dafür ent- Cover steht, sondern die Qualität des des Textes liegt. Wikipedia-Community für den Erhalt deren Namen auch denjenigen bekannt scheiden, mehrheitlich von Männern Textes. Vielleicht wäre diese Situati- Bei den deutschen Literaturpreisen der Liste: mit Erfolg. waren, die Science-Fiction nur neben- geschriebene Bücher zu lesen, spre- on vergleichbar mit den »Blind Audi- im Bereich Fantastik sieht es schon bes- bei und nicht als Hauptinteresse lasen chen die Zahlen für sich: Es werden tions« von Konzertmusiker*innen, die ser aus: Der Phantastik-Literaturpreis Theresa Hannig ist Schriftstellerin. In – wie George Orwell, Douglas Adams, wesentlich mehr von Männern verfasste dazu führten, dass Musikerinnen mehr Seraph und Phantastikpreis der Stadt ihren Geschichten beschäftigt sie sich H.G. Wells, Aldous Huxley – so erhalten Science-Fiction-Bücher in Buchhand- Chancen auf Stellen in Konzerthäusern Wetzlar wurden im Verlauf der letzten mit der Zukunft unserer Gesellschaft in den letzten Jahren vor allem junge lungen angeboten, verkauft und mit erhielten. Jahre immer häufi ger an Frauen verlie- in Hinblick auf Überwachung, KI und weibliche Autorinnen mehr Aufmerk- Literatur-Preisen bedacht als Science- Dabei ist zu bedenken: Es gab und hen, sodass beinahe schon von einem Klimawandel. Lena Falkenhagen samkeit. Heute sind Namen wie N.K. Fiction-Bücher von Frauen. gibt schon immer Frauen, die hervor- :-Verhältnis gesprochen werden arbeitet als freischaff ende Schriftstel- Jemisin mit »Broken Earth« oder Nne- Das liegt unter anderem an einem ragende Geschichten schreiben und da- kann. Und es ist gut, dass es keine Be- lerin und Computerspiele-Autorin. Sie di Okorafor mit »Binti« in aller Munde, Missstand, den Nina George bereits für auch bekannt werden, wie z. B. Mary sonderheit, sondern Normalität wird, ist Bundesvorsitzende des Verbandes und es werden Geschichten von jungen in ihrem  durchgeführten Projekt Shelley für »Frankenstein«, Thea von wenn Frauen diese Preise gewinnen. deutscher Schriftstellerinnen und Frauen aus der Perspektive von Frauen #frauenzählen aufgezeigt hat: von Män- Harbou für »Metropolis« oder Ursula K. Wirklich normalisiert hat sich das Ver- Schriftsteller sowie Mitgründerin des und nichtbinären Menschen erzählt. nern verfasste Science-Fiction-Romane Le Guin für ihren »Hainish-Zyklus«. Die- hältnis aber erst, wenn auch Frauen im Phantastik-Autoren-Netzwerks (PAN) 22 SCIENCEFICTION www.politikundkultur.net

Space Invaders und Cyberpunks Science-Fiction im Videospiel

ANDREAS RAUSCHER

eit den Anfangstagen der Vi- deospiele zählt das Science- Fiction-Genre zu deren ausdau- S erndsten Inspirationsquellen. Bereits in dem  am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Boston entstandenen »Spacewar!«, einem der ersten Videospiele überhaupt, duel- lieren sich die beiden Spielenden mit Raumschiff en. Literarische Weltraum- abenteuer beeinfl ussten maßgeblich das Szenario. In den späten er Jahren eroberten Titel wie »Space In- vaders« () und »Asteroids« () die Spielhallen. Heute bilden Science- Fiction-Spiele wie die Endzeit-Rollen- spiele »Borderlands« (seit ) und »Fallout« (seit ) und die postapo- kalyptische K.I.-Parabel »Horizon Zero Dawn« () einen festen Bestand- teil der Spielkultur. Einige Subgenres scheinen mit Titeln wie » « () im Bereich der Games in- zwischen sogar präsenter als in ihren fi lmischen Varianten zu sein. An den Austauschbeziehungen zwi- schen Science-Fiction und Videospielen lassen sich soziokulturelle Akzentver- schiebungen in der Relevanz einzelner Motive nachvollziehen. Das nukleare Wettrüsten der er Jahre findet in dem beklemmenden Arcade-Spiel »Missile Command« () Ausdruck, das auf kurz oder lang zwangsläufi g mit der atomaren Apokalypse endet. Die symbolische Bedeutung der Reaktor- katastrophe von Tschernobyl wird in dem  erschienenen Rollenspiel »STALKER – In the Shadow of Cherno- byl« thematisiert. Die fi lmische Vorla- ge Andrei Tarkowskis und die literari- schen Einfl üsse der Brüder Strugatzki erweitern das Spiel um den detailliert

nachgestalteten, ikonischen Schauplatz ARCHIVES/IFTN UNITED / ALLIANCE PICTURE FOTO: der Sperrzone um den geschmolzenen Candy Clark als Mary-Lou und David Bowie als Thomas Jerome Newton in »Der Mann, der vom Himmel fi el« (1976) Reaktor. Dass die Spielwelt des Online- Multiplayer-Spiels »EVE Online« von knüpft die strategischen Flugmissionen Trek – The Next Generation« (- bögen auszugestalten. Das Science- »Portal«-Reihe (seit ) setzt mit einem Ökonomen, der eigens vom Ent- des Spiels mit aufwendigen, von einer ) entwickelte sich diese Idee selbst Fiction-Setting beschränkt sich seit dem hochgradig neurotischen Com- wickler CCP Games eingestellt worden CD-ROM eingespielten Filmsequen- zu einer Denkfi gur der Medientheorie, den späten er Jahren nicht mehr putersystem GlaDOS die Tradition ist, betreut wird, verdeutlicht die Eigen- zen, in der bekannte Schauspielerin- der die Kulturwissenschaftlerin Janet auf eine überwiegend dekorative von HAL aus » – A Space Odyssey« dynamik virtueller Wirtschaftssysteme, nen und Schauspieler wie Mark Hamill Murray  eine Studie mit dem pro- Funktion, wie es noch bei den meis- () fort. Die Anweisungen der lau- die sich unmittelbar mit den gegenwär- und Malcolm McDowell auftreten. Mit grammatischen Titel »Hamlet on the ten Arcade-Spielautomaten der Fall nischen K.I. wirken sich fatal auf den tigen Debatten um Kryptowährungen den gegenwärtigen Möglichkeiten der Holodeck« gewidmet hat. war. Adventure-Spiele wie »Planetfall« Spielverlauf aus, wenn die Spielenden ergänzt. Game-Engines ergänzen sich Echtzeit- Die Zukunftsvisionen der Science- und die Reihe »Space Quest« entwerfen diesen blind folgen. Es gehört zu den Aus dem Themen-Repertoire der Animation und Spielhandlung schließ- Fiction eignen sich gleich in mehrfacher ambitionierte Storylines mit einpräg- Besonderheiten des Spiels, dass die als Science-Fiction bekannte Bilder und lich zu neuen hybriden Formen. Hinsicht besonders gut für spielerische samen Charakteren. Die Schriftstel- Avatar gesteuerte Heldin gegen die Be- audiovisuelle Arrangements schreiben Im Bereich des Cyberpunk wie den Interaktionen. Videospiele können ler Douglas Adams und fehle der K.I. und dadurch auch gegen sich in den spielerischen Fiktionen Spielen der »Watch Dogs«-Reihe (- unterschiedlichste Sinne ansprechen, beteiligten sich in den er Jahren das vom Spiel vorgegebene Gameplay und Simulationen der Spiele fort. Die ) ergänzen sich die Hackerangriff e vom unmittelbaren Reaktionsvermö- an Game-Adaptionen ihrer bekann- verstoßen muss, wenn sie überleben Spielautomaten der er und er der Spielhandlung unmittelbar mit den gen über die Adressierung verschiede- ten Romane »Hitchhiker’s Guide to will. Ähnliche Elemente eines unzu- Jahre greifen häufi g auf vertraute Stan- Funktionsweisen der realen Hardware. ner Aff ekte bis hin zur fantasievollen the Galaxy« und »Fahrenheit «. Die verlässigen Spielverlaufs fi nden sich dardsituationen wie die Konfrontation Im Unterschied zur Science-Fiction Ausgestaltung der eigenen Rollenfi gur. seit den er Jahren kontinuierlich auch in »Bioshock« (). Die Ge- mit angreifenden Raumschiff en zurück. in Literatur und Film beschränkt sich Die Arcade-Automatenspiele der er verbesserte Integration grafi scher und schichte der als utopisches Experi- Der reduzierte Hintergrund des Weltalls die aktive Beteiligung der Rezipientin- und er Jahre ergänzen sich eff ekt- audiovisueller Elemente ermöglicht ment gescheiterten Unterwasserstadt erweist sich in Spielen wie »Defender« nen und Rezipienten im Spiel nicht nur voll mit dem nicht narrativen Kino der  mit »The Dig« die Adaption ei- Rapture setzt sich mit der problema- () als pragmatische Lösung, um die auf die kognitive Ebene der Beobach- Attraktionen, das in den Filmen von nes noch nicht verfi lmten Drehbuchs tischen Philosophie der Autorin Ayn technischen Beschränkungen der Grafi k tung oder die emotionale Anteilnahme Steven Spielberg und George Lucas mit von Steven Spielberg.  entsteht, Rand auseinander. Die Refl exion ihrer zu überspielen. am Geschehen. Die Spielenden können opulenten Schauwerten und aufwendi-  Jahre vor dem fi lmischen Sequel, rechtslastigen Ideologie wird sowohl Mit besseren grafi schen Möglich- die Handlung selbst beeinfl ussen. Die gen Actionszenen aufwartet. Bezeich- eine eigenständige Fortsetzung des auf der Ebene der Handlung als auch keiten ergibt sich im Lauf der er Vorstellung, in die Welt einer Fiktion nenderweise erschien  das erste Films »Blade Runner« (). Ob sich in der Umsetzung der Spielsteuerung Jahre eine verstärkte Annäherung an einzutreten, bildet einen festen Topos »Star Wars«-Arcade-Spiel auch in einer am Ende die Hauptfi gur wie im dys- realisiert. Ebenso wie die komplexen die fi lmische Mise-en-Scène. Die Rei- der Kunst- und Kulturgeschichte. In Variante, in der die Schlacht gegen den topischen Klassiker von Ridley Scott Rollenspielwelten der »Mass Eff ect«- he »Wing Commander« (seit ) ver- Form des Holodecks aus der Serie »Star imperialen Todesstern im Nachbau ei- selbst als künstlicher Replikant oder Reihe, in der Spielende selbst über nes X-Wing-Fighter-Cockpits absolviert als Mensch erweist, hängt von den Ent- Geschlecht und sexuelle Orientierung werden konnte. scheidungen ab, die die Spielenden im des Avatars entscheiden können, ver- Der Unterschied zwischen den spie- Verlauf der Handlung treff en. deutlichen diese Spiele, dass sie den DEFINITION SCIENCEFICTION lerischen Herausforderungen der Arca- Einfallsreiche Genrevarianten wie transmedialen Science-Fiction-Diskurs de-Games und der Handlung fi lmischer der Kampf gegen eine außer Kontrolle nicht einfach nur adaptieren. Vielmehr Science-Fiction – aus dem Englischen, handelt es sich immer dann, wenn die Vorbilder lässt sich prägnant am Spiel geratene K.I. in »System Shock« (), gestalten sie ihn als eigenständige und wörtlich: Wissenschafts-Fiktion – ist erzählten Phänomene keinen Bezug zum Kultfi lm »Tron« von  nach- die biomechanische Manipulation des kreative Beiträge zum Genre aktiv un- ein Genre in Literatur, Film, Hör- zu einer (natur-)wissenschaftlichen vollziehen. Während auf der Leinwand eigenen Körpers in der »Deus Ex«-Reihe ter der Beteiligung der Spielenden mit. spiel, Videospiel, Comic und Kunst. Überlegung haben und stattdessen die Heldinnen und Helden nach einer (seit ) oder die an Filmklassiker Charakteristisch sind unter anderem Elemente der fantastischen Literatur spektakulären Sequenz der Light-Cyc- wie »Metropolis« () anknüpfenden Andreas Rauscher ist wissenschaft- wissenschaftlich-technische Speku- verwenden. Science-Fiction ist kein le-Rennbahn entkommen, drehen die Stadtvisionen in »Beneath a Steel Sky« licher Mitarbeiter für Medienkultur- lationen, Raumfahrtthemen, ferne puristisches Genre – im Gegenteil. Spielenden des gleichnamigen Arcade- () verleihen den Science-Fiction- wissenschaft an der Albert-Ludwigs- Zukunft, fremde Zivilisationen und Eine der großen Stärken der Science- Spiels immer weitere Kreise mit ihren Spielen eine zunehmende Eigenstän- Universität Freiburg. Buchveröff entli- meist zukünftige Entwicklungen. Fiction besteht darin, dass sie alle futuristischen Motorrädern. digkeit. chungen unter anderem zu Star Wars, Populär wurde Science-Fiction in denkbaren literarischen Strömungen Erst mit der Speicherfunktion der Die einprägsamsten Videospiele Simpsons, Comics & Games, David den er Jahren durch die von Hugo und Stile absorbieren kann. So kommt für den Heimgebrauch gedachten nutzen pointiert die medienspezifi - Lynch, John Carpenter, Game Studies, Gernsback verlegte Zeitschrift »Ama- es oft zu Überschneidungen mit z. B. Computer bekommen die Spieledesi- schen Möglichkeiten, um bekannten Comicanalyse und zur tschechisch- zing Stories«. Science-Fiction grenzt Horror, Fantasy oder auch mit Utopien gnerinnen und -designer zunehmend Motiven in der Spielerfahrung eine slowakischen Neuen Welle der er sich meist von Fantasy ab. Um Fantasy und Dystopien. die Möglichkeit, ganze Handlungs- neue Qualität abzugewinnen. Die Jahre Politik & Kultur | Nr. -/ | Juli/August  SCIENCEFICTION 23

Projizierte Zukunft Der Science-Fiction-Film Doch nach dem Zweiten Weltkrieg – sofern die entsprechenden digitalen hochaktuelles Motiv ist die Schwierig- enthält. Als hätten wir nur die Wahl wurde das Genre erst einmal mehr zu Ressourcen zu bezahlen sind. Doch dies keit, Simulation und Wirklichkeit zu zwischen einem ewig währenden in- GEORG SEESSLEN einer Abteilung des eher sensationellen hat auch zu einer gewissen Beliebigkeit unterscheiden. Das reicht von Rainer tergalaktischen Krieg, dem Leben in Unterhaltungskinos mit eher indirekten geführt, die vor allem in den Material- Werner Fassbinders »Welt am Draht« einer Simulations- und Technik-Welt, cience-Fiction ist unsere gemein- Beziehungen zur Politik. Viele Filme schlachten von Superhelden-Filmen über die »Matrix«-Filme bis zu Serien in der das wirkliche Leben eigentlich same Vorstellung von Zukunft, in aus den er und er Jahren wie leicht ermüdet. Heute geht es für einen wie »Wayward Pines«, wo die Menschen überfl üssig ist, oder aber einem Neuan- S der sich, im besten Fall, Fantasie, »Krieg der Welten« oder »Invasion der »erwachsenen« Science-Fiction-Film buchstäblich unter einer Glocke der fang in der post-apokalyptischen Welt, wissenschaftliche Logik und soziales Körperfresser« waren als direkte Wider- eher darum, die digitalen Möglichkeiten »Reality« leben – ähnlich wie einst der in der wie in »The Road« nur die Frage Bewusstsein miteinander verbinden. spiegelung der amerikanischen Invasi- gezielt, aber nicht exzessiv einzusetzen, Held der »Truman Show«, der irgend- des Jungen an den Vater bleibt: Sind wir Welche Zukunft wird es sein? Was ons- und Unterwanderungsängste zu um den größtmöglichen Grad an »Wirk- wann bemerkt, dass er kein wirkliches noch die Guten? dürfen wir hoff en? Was müssen wir verstehen, während die japanische Serie lichkeit« zu erzeugen. Leben lebt, sondern nur eine Rolle in In der Geschichte des Science-Fic- fürchten? Science-Fiction-Filme sind um das Monster Godzilla seit  wie Das Genre hat sich nun weiter einer Soap Opera spielt. Mehrfach wird tion-Films kamen sich Wirklichkeit und eine Form der Antwort auf diese Fra- eine Gestalt gewordene Erinnerung an aufgefächert: Es gibt die Endlos-Ge- auch mit dem Gedanken gespielt, Men- Fantasie immer wieder einmal näher als gen. Manchmal. Manchmal sind es aber das Trauma der Atombomben-Abwürfe schichten um »Star Wars« und »Star schen könnten sich in Computerspielen beabsichtigt. Was ein Computer heu- auch höchst aktuelle Albträume. Und Trek«, die nicht weniger endlosen Su- verirren wie in »Nirvana«, »Tron« oder te kann, konnte sich bis in die er manchmal auch nur Quatsch. Susan Natürlich lässt sich perhelden-Fantasien und zu alledem »Ready Player One«. Das Fantastische, Jahre kein Drehbuchautor vorstellen. Sontag hat in Science-Fiction-Filmen Trash-Varianten und Parodien. Es gibt so lautet die Formel des traditionel- Aber zugleich wurden die ganz großen vor allem eine »Katastrophenfanta- die Geschichte des die Science-Fiction-Noir, die ein düs- len Science-Fiction-Films, bricht in Hoffnungen auf die Eroberung des sie« am Werk gesehen. Was es selten Science-Fiction-Films teres Bild einer Zukunft malt, die ihre die reale Welt des Menschen ein und Weltraums, die fast selbstverständliche gibt, das sind durchweg positive oder auch als Geschichte besten Tage schon hinter sich hat und stellt ihn vor neue Herausforderungen, Begegnung mit anderen Lebensformen optimistische Zukunftserfi ndungen. der Special Eff ects in der, wie in »Alien« oder »Blade Run- nicht nur technischer, sondern auch »dort oben« oder die Lösung aller poli- Es ist oft eher eine Flucht aus der Zu- ner«, selbst die Zukunftstechnologie moralischer Art. Der neue Science-Fic- tischen und ökologischen Probleme bit- kunft, mehr Angst als Hoff nung, mehr schreiben anfällig und kaputt wirkt. Es gibt ein tion-Film geht davon aus, dass unser ter enttäuscht. Nicht mehr vom großen Zerstörung als Utopie. Der allererste Spiel mit Identität und Wahn, wie in gesellschaftliches und individuelles Aufbruch handeln die erwachsenen Sci- Science-Fiction-Film, »Le Voyage dans wirkte.  entstand der Film, der dem Duncan Jones’ »Moon«, und mit der Leben längst schon aus Fiktionen und ence-Fiction-Filme unserer Tage, son- la Lune« von Georges Méliès aus dem Genre eine ganz andere, erwachsene Auseinandersetzung mit der maschinel- Simulationen besteht. Doch es gibt dern von den großen Illusionen. Und Jahr , führt zuerst einmal zu einer Richtung gab, Stanley Kubricks »: len Parallelschöpfung und der künst- Hoff nung, wie etwa in » Monkeys«, die Katastrophen kommen nicht mehr für alle Seiten ausgesprochen schmerz- Odyssee im Weltraum«. Seitdem er- lichen Intelligenz drängt ein neues aus dem Kokon der Simulationen oder von außen. Sie fi nden in den Menschen haften Begegnung. Für den Mondmann scheint das Genre dreigeteilt: Zum ei- Thema in den Vordergrund: Von »A.I.« aus einem buchstäblichen Gefängnis und ihren Gesellschaften selbst statt. geht der technische Fortschritt der Er- nen eine kindlich-märchenhafte Form, über »Her« bis »Ich bin dein Mensch« auszubrechen und zu einer Wirklich- denmenschen buchstäblich ins Auge. die mit »Star Wars« ihre Apotheose fand, wird hier die Frage nach dem Wesen keit zurückzukehren, selbst wenn sie Georg Seeßlen ist freier Journalist und Und was dann folgt, ist auch nicht viel zum anderen »erwachsene« Science- des Mensch-Seins gestellt. Ein anderes nur noch Reste von Natur und Leben Autor erfreulicher. Fiction, die wie Nicolas Roegs »The Man Science-Fiction ist eine technisch- Who Fell To Earth« mit David Bowie in soziologische Begründung für fantas- der Rolle des gestrandeten Alien oder tische Ereignisse, die im Gegensatz zu der wissenschaftliche Thriller »Andro- Horror (dämonisch-sadistische Impul- meda« eine cineastische Entsprechung se) und Fantasy (Magie und Mythos) von anspruchsvoller spekulativer Li- als Basis ein »Things to Come« hat, teratur bot. Doch der Mainstream des also eine Hochrechnung gegenwär- Genres konzentrierte sich weiter auf die tiger Technologie plus einiger Quan- von Susan Sontag diagnostizierte Ka- tensprünge wie Lichtgeschwindigkeit, tastrophenfantasie: Aggressive Invaso- Zeitreise, »Beamen« etc. So kann man ren aus dem All, Viren-Epidemien, die Science-Fiction unter einem Aspekt als die Menschheit ausrotten bis auf den fi ktive Futurologie ansehen. Ein Ver- »Last Man On Earth«, verrückte Wis- gnügen bieten dann tatsächlich einge- senschaftler, die nie etwas anderes als troff ene Voraussagen – der Countdown die Weltherrschaft erstreben, Roboter, in Fritz Langs »Die Frau im Mond«, der die den von Isaac Asimov entwickelten D-Drucker als bescheidene Realisie- »Gesetzen der Robotik« partout nicht rung des »Beamens« in »Star Trek« – gehorchen wollen, Raumschlachten oder sehr naive Bilder wie ein Mond, zwischen intergalaktischen Heerscha- auf dem die Menschen atmen können, ren, drohende Umweltkatastrophen ein Planet, auf dem die Bewohner irdi- oder einfach Weltuntergang. Steven sche TV-Serien nachspielen – um die Spielberg setzte mit zwei Filmen eine beiden Beispiele wieder aufzugreifen, friedvollere Vision dagegen: »Unheim- und schließlich Anachronismen wie liche Begegnung der Dritten Art« () z. B. die Computer und Schalttechniken und natürlich »E.T.« (), der liebens- vieler Science-Fiction-Filme, in denen werteste Alien von allen. es längst interstellare Raumfahrt gibt, Natürlich lässt sich die Geschichte wirken heute vorsintfl utlich, um von des Science-Fiction-Films auch als Ge- den legendären Bügeleisen-Schaltern schichte der Special Eff ects schreiben. im Raumschiff Orion zu schweigen. Der Die erste Phase gilt der Welt der Modell-

Science-Fiction-Film ist immer eine Gadgets: Raketen, Planeten, Aliens als LIBRARY PICTURE EVANS MARY / ALLIANCE PICTURE FOTO: Herausforderung für die Kunst des analoge Nachschöpfungen, die wenig Harry Dean Stanton als Samuel Elias Brett in »Alien« () »Make-Believe«. Daher hängt er lan- Realismus benötigten, weil die Attrak- ge Zeit der literarischen Entwicklung tionen ohnehin vor allem aus der grafi - des Genres hinterher, denn was sich schen Kunst und dem Comic kamen. Das ein Autor oder eine Autorin ausdenkt, Genre experimentierte mit neuen Ver- muss ja erst einmal als Bild verwirklicht fahren, z. B. mit dem Einsatz von Farb- werden können. Andererseits gibt es fi ltern. Insbesondere bei der Schilde- aber auch den »sense of wonder«, die rung wissenschaftlicher Einrichtungen Bereitschaft, sich faszinieren und in (»Andromeda – Tödlicher Staub aus dem eine Wunderwelt entführen zu lassen, All«) und wirklicher Raketentechnik gab die den wahren Science-Fiction-Fan es seit Fritz Langs »Frau im Mond« oft gnädig stimmt gegenüber technischen eine Zusammenarbeit von Filmleuten oder ästhetischen Unzulänglichkeiten. mit Wissenschaftlern und Technikern. Darin steckt weniger das Futurologi- Auf der anderen Seite wurden reale Bau- sche und Wissenschaftliche als das ten als perfekte Kulissen für Zukunfts- Fantastische: Wir stellen uns nicht nur visionen entdeckt. Jean-Luc Godards die tollsten Geräte und Architekturen, Science-Fiction-Film »Alphaville« () sondern auch die seltsamsten paral- wirkt gerade deswegen so beklemmend, lelen Kulturen und Lebensweisen vor. weil er in den realen Architekturen der In der Frühzeit des Genres wandte Neubauviertel von Paris gedreht wurde. man sich mit Serials wie »Buck Rogers« Und in Norman Jewisons »Rollerball« oder »Flash Gordon« vorwiegend an ein erscheint das Münchner BMW-Museum kindliches Publikum. Dabei zeigte Fritz durchaus glaubwürdig als Spielstätte für Lang schon  mit »Metropolis«, was einen grausamen Zukunftssport. Den sowohl ästhetisch als auch inhaltlich im größten Schub erlebte die Ästhetik des Genre steckt; die gewaltige Produktion Genres natürlich mit der Entwicklung allerdings war zu seiner Zeit gar kein der digitalen Bildverarbeitung. Jeder Publikumserfolg. Auch in der Sowjet- neue Film war dann Teil einer Weiter- union entstand  mit »Aelita – Der entwicklung entsprechender Software, Flug zum Mars« von Jakow Protasanow die dann wieder für andere Filme ver- eine Zukunftsvision, die die Entwick- wendet werden konnte. Der gegenwärti-

lung des Genres wie der Filmtechnik ge Stand der Technik lässt sich wohl auf LIBRARY PICTURE EVANS MARY / FOTO:PICTUREALLIANCE auf dem neuesten Stand präsentierte. den Nenner bringen: Alles ist möglich Daryl Hannah als Pris und Harrison Ford als Rick Deckard in »Blade Runner« () 24 SCIENCEFICTION www.politikundkultur.net

Science-Fiction-Filme orten Spuren Gleich drei der acht Besatzungsmit- und Signale, die sie als Kommunikati- glieder – sieben Männer, eine Frau, die Utopische Filme onsgesuche wahrnehmen, oft auch als japanische Ärztin Sumiko – müssen sich Hilferufe – und es gilt, nicht nur wie im am Ende opfern, darunter der deutsche Die Science-Fiction der als Gesamtes gestellt werden, macht dieses Genre immer auch Hypothesen Abenteuerroman Aufgabe für Aufgabe Pilot Brinkmann; das Kollektiv unter DEFA deutlich, wie hoch die Latte jeweils formuliert – das »novum« nach Darko zu lösen, sondern noch einen Schritt der Leitung des sowjetischen Astronau- hing und wie schwer das ethisch-mo- Suvin –, die die Menschheit neu denken davor erst zu verstehen, was genau die ten Arsenjew – unter Mitwirkung eines ralische Gepäck war, das hier transpor- lassen sollen, müssen die Begrenzungen Aufgabe ist – beziehungsweise: ob es amerikanischen Atomphysikers, pol- BARBARA WURM tiert werden sollte. Das mag auch der des jeweils Möglichen, anders gesagt: sich überhaupt um eine solche handelt. nischen Ingenieurs und Kybernetikers, Grund dafür sein, dass sich über die die Grenzen der spekulativen Mimesis Denn die wahren Katastrophen bleiben indischen Mathematikers, afrikanischen s mag überraschen, dass hier genrespezifi schen Vorstellungen der wie der kognitiven Verfremdung stets oft genug aus, die Aggressoren bleiben TV-Technikers und chinesischen Lingu- ausgerechnet ein ziemlich utopischen Befreiung des Menschen aufs Neue ausgetestet werden. gesichtslos – gleichsam virtuelle Mate- isten und Biologien – leistet Vorbildli- althergebrachter und in das von Raum und Zeit mitunter eine stark In allen vier großen DEFA-Science- rie. Es ist dieses unterm Strich hörbare ches in Sachen Forschung und Helden- E semantische Feld des ausran- spürbare Gravitation legt, die den langen Fiction-Filmen – »Der schweigende und durchaus auf die fragile weltpoli- mut. Gleichzeitig gibt ein Kraftfeld mit gierten Sozialistischen Realismus, kurz Weg vom Drehbuch via Leinwand – oft Stern« (), »Signale« (), »Eolo- tische Stellung des Staats beziehbare nicht erklärbarer Energie große Rätsel Sozrealismus, gehöriger Begriff für den im zukunftsträchtig-majestätischen mea« () und »Im Staub der Sterne« »Wer braucht uns?«, das zusätzlich zu auf, die mindestens genau so hartnäckig Versuch herhalten soll, die DEFA-Sci- -mm-Totalvision-Format – zum Pu- () – steht demnach die Frage idealer allen genrespezifi schen Kontingenzen sind wie jene Hürden, die Sumikos und ence-Fiction-Filme aus heutiger Sicht blikum markiert. Ausgerechnet da, wo soziale Ordnungen im Zentrum. Und sie hier in die radikale Off enheit eines exis- Brinkmanns sich anbahnende erotische zu konzeptualisieren – jener der Wider- kosmisch-physikalische Qualitäten verschiebt sich entlang der Trajektorien tenzialistischen »Wer will mich?« über- Beziehung nicht überwinden wird. spiegelung. Denn obwohl es natürlich vorherrschen könnten, im Sinne eines der sozialistisch-osteuropäischen Nach- geht. Der ambivalente Status quo des Eine knappe Dekade später dreht der auch die Idee des »utopischen Films« Versprechens der Schwerelosigkeit oder kriegskulturpolitik vom Staatstragenden gänzlich irdischen Lebens in der DDR DEFA-Genrefi lmer Gottfried Kolditz mit war – wie das Genre in der Deutschen des Ausstiegs aus kausal-logischen zu den Mikrokosmen des Privaten, vom wird da, wo Planeten oder mögliche »Signale – ein Weltraumabenteuer« – Demokratischen Republik in Umge- Modellen etwa, manifestieren sich in Hochplateau der Völkerverständigung Überlebende nicht antworten, Raum- erneut eine deutsch-polnische Koope- hung des englischen Begriff s genannt jenen Weiten, die die DEFA-Science- bis in die Niederungen geschlechtlichen schiff e mysteriös verschwinden oder ration – einen fi lmtechnisch ebenfalls wurde –, über Zukunftsszenarien die Fiction-Filme erschließen, letztlich Treibens, vom Bewusstsein weltpoliti- sich Notrufe als falsch herausstellen, sehens- und hörenswerten modernisti- Darstellungsgebote und -verbote des Konstellationen, die rudimentären scher Verantwortung hin zur trancear- stets mitverhandelt. schen Film, dessen sozialphilosophische eng gestrickten Vergangenheits- und gesellschaftlichen Trägheitsgesetzen tigen Seinsvergessenheit der Weltraum- Den Anfang machte , zwei Jahre Dimension allerdings einen gehörigen Gegenwartsbezugs abzulegen und im eher zu gehorchen scheinen als sie zu reisenden. Repräsentiert die Crew in nach dem Sputnik-Start und zwei Jahre Bremseff ekt erzeugt. Sinn und Zweck besten Fall ganz zu umschiff en, so lässt überwinden und die von Konventionen »Der schweigende Stern« noch eine vor- vor dem Mauerbau sowie Jurij Gagarins der selbst auferlegten Rettungsaktion sich gerade in jenem Genre, das die wohl zeugen, die man im eigenen ästhetisch- bildliche internationale Forschereliten- Durchbruch aller symbolischen Schall- werden immer undurchschaubarer, die weiteste imaginäre Reise weg von allen sozialpolitischen Jargon vermutlich in gemeinschaft, deren Handlungen streng mauern, die erste Science-Fiction-Co- Aufmerksamkeit verschiebt sich auf konkreten Lebenskonstellationen und die Rubrik (klein)bürgerliche Philoso- rational motiviert sind, dem Fortschritt Produktion überhaupt zwischen der interne Befehlsstrukturen sowie ver- Koordinatensystemen, auch des Sozre- phie schieben müsste. Dies jedoch in dienen und in der Opferbereitschaft des DDR und Volksrepublik Polen, »Der meintliche Technikprobleme (»Warum alismus, unternimmt, ein fi xer strategi- superben Space-Designs und Sets sowie Einzelnen für die Wissenschaft und das schweigende Stern«, in der Regie von hört ihr uns nicht?«) und schließlich an scher Bezugspunkt erkennen: das (sozia- künstlerisch wie handwerklich begeis- Wohl der Gesellschaft gipfeln, so neh- Kurt Maetzig – eines Kenners der klas- den Strand, wo sich die Schaulust des listische) Zusammenleben, die friedliche ternd experimentellen Soundscapes, die men sich die Abenteuer »Im Staub der sischen Film-Genre-Kanons – basierend Zuschauers, wie es in einer Rezension Koexistenz im (Welt-)Raum. Was sich im insgesamt von der nachhaltigen Etablie- Sterne« eher als ekstatische körperlich- auf dem ersten Roman des späteren hieß, auf »Bikini-Nixen« richtet. Das DEFA-Science-Fiction-Film widerspie- rung einer wissenschaftlichen Fantastik sinnliche Trips zwischen archaischer Zi- polnischen Kultautors Stanisław Lem genderpolitische Versprechen drohte gelt, ist folglich der – so fi ktive wie reale – im Kino der DDR sprechen lassen. vilisationserfahrung und exotisierender »Die Astronauten« bzw. »Der Planet auch im Kommunismus ein leeres zu bleiben – oder zumindest ein ungelös- ter Nebenwiderspruch –, eine Sache der Zukunft eben. Umso spürbarer wird die Verlegung der »Kontakt-Sucht« in den Bereich der – in »Signale« recht schlüpfrigen und dennoch gehemmten – Erotik, eine Verschiebung, die Zschoches »Eolomea« schon in Angel Wangensteins Drehbuch bewusst aufgreift und in Richtung Psy- chologie weiterführt. Die deutsch-sow- jetisch-bulgarische Ko-Produktion fährt nicht nur brillante elektromechanische Modelle auf, sondern mit Cox Habbema als Prof. Maria Scholl auch eine zunächst verschärft operierende, dann aber sich ganz ihrer Liebe hingebende Heldin, die verschwundene Raumschiff e und un- erforschte Lichtsignale vergessen lässt. Sexualität, Liebe und die Verknüpfung der Weltraum-Semantik mit grundle- genden familiären Problemen verweisen in »Eolomea« endgültig auf die genuine Nähe des »utopischen Films« zum sozi- alistischen Gegenwartsfi lm. Den Schlusspunkt im utopischen Langspielfi lm setzt der bereits erwähnte Kolditz-Film »Im Staub der Sterne«, pro- duziert von der Künstlerischen Arbeits- gruppe »defa futurum«, die zwischen  und  auch weitere kürzere experimentelle Arbeiten zum Thema herstellte, Prädikat: crazy! Jana Bre- jchová als Kommandantin Akala steht in diesem Spektakel vor extremen Pro- blemen – einem Notruf, der gar keiner war sowie einer »mentalen Blockade« ihrer gesamten Crew, ausgelöst durch einen Ultraschallpistolenschuss wäh-

FOTO: PICTURE ALLIANCE / UNITED ARCHIVES UNITED / ALLIANCE PICTURE FOTO: rend eines rauschenden vom Herrscher E. T. und Henry Thomas als Elliott in »E. T. – Der Außerirdische« () des Planeten TEM  veranstalteten Fests. Der Plot des Sklavenaufstands Traum von einer Fortschrittsgesellschaft, Je nach konkretem Entstehungszeit- Schaulust aus, deren politische Dimen- des Todes«. Erst nach zwölf Drehbuch- löst sich in den Kostümen und im Dekor die von humanistischen Vorstellungen raum – denn dieser ist sowohl in Bezug sion einer karnevalesken Fantastik zu Fassungen durchaus namhafter Autoren fast vollständig auf, laszive Sinnlich- geprägt ist, eine Harmonie zwischen auf die weltweiten Entwicklungen des weichen scheint. wurde das im damaligen Zukunftsjahr keit und verspielte Erotik nehmen je- Aufbruch in unbekannte, fremde Wel- Genres relevant, insbesondere jenen in Doch so sehr sich auch die jewei-  angesiedelte internationalistische nen Ort ein, der im Science-Fiction-Film ten und Finden des eigenen Ichs – im der UdSSR, als auch im Hinblick auf die ligen Herausforderungen, die es zu Venus-Expeditions-Abenteuer des Rake- der DEFA leer bleibt, weil er konstitutiv Wir – anstrebt und die nicht zuletzt realen »roten«, unter den Vorzeichen des bewältigen gilt, verändern, so fällt tenraumschiff s Kosmokrator zugelassen, leer bleiben muss: den der Reibung, der eine Rolle spielen will, ja muss, im po- Kalten-Kriegs-Space-Race inszenierten, auf, dass sich jenseits der konkreten ein bis heute gerade mit Blick auf die Feindschaft und der Konfrontation. Die litischen Gefüge des Planeten Erde: die Eroberungszüge des Kosmos – arbeiten gesellschaftspolitischen Kontexte, in Ausstattung und technisches Know-how Aufgabe lautet friedliche Koexistenz. Rolle des Kommunikators nämlich, der sich die »utopischen Filme« also an der denen die vier Filme – meist übrigens zurecht vielgerühmter Beitrag der DEFA Diese spannend zu inszenieren stellt zwischen den beiden Machtblöcken ver- Frage ab, wie die ausgefl aggten Sputnik- als Co-Produktionen mit sozialistischen zur Science-Fiction. das Genrekino weltweit, nicht nur in der mittelt, zwischen Unterdrückten und und Friedensmissionen sozialistischer Brüderländern – entstanden sind, und Schon zur Entstehungszeit erkannte DDR, vor spürbare Probleme. Unterdrückern, zwischen Technik und Prägung in eine Ästhetik münden kann, unabhängig davon, ob wir uns auf Ve- man allerdings, dass sich hinter den nur Sozialem, zwischen Wissenschaft und die den Anforderungen des Genres ent- nus, in der Nähe des Jupiters, der »Eolo- halb entschlüsselten Signalen, die auf Barbara Wurm ist Wissenschaftliche Erotik – und somit auch zwischen den spricht. Die da wären: An der Schnittstel- mea« oder schließlich »TEM « befi nden, einer  in der Wüste Gobi niederge- Mitarbeiterin im Fachbereich Ostsla- Geschlechtern. le von Romantik, Wissenschaft, Technik, schon allein im Drehbuch-Kern eine gangenen Spule aufgezeichnet wurden, wische Literaturen und Kulturen der Schon allein die Benennung all dieser Kybernetik und Futurologie populäre – am Ende irgendwie stets unerfüllte – mehr als die Botschaft der möglichen Humboldt-Universität zu Berlin. Sie impliziten und expliziten gesellschafts- – und das heißt packende, faszinierende, Sehnsucht nach dem Gebrauchtwerden atomaren Bedrohung der Erde und einer hat zum sowjetischen Kulturfi lm pro- und kulturpolitischen Ansprüche, die an unterhaltsame – Szenarien zu entwerfen abzeichnet. Die in die Weiten des Alls feindlichen, aus den Rudern gelaufe- moviert und ist freiberufl ich als Film- die Filme im Einzelnen und das Genre und durchzuspielen. Gerade weil aber aufbrechenden Kollektive der DEFA- nen Vernichtungsmaschinerie verbirgt. Kuratorin und -kritikerin tätig Politik & Kultur | Nr. -/ | Juli/August  SCIENCEFICTION 25

Der Sound des Anderen Musik im Science-Fiction-Film

WILLEM STRANK

umpfes Dröhnen. Weiches Wabern. Ruhiges Rauschen. D Die Klangwelten der Science- Fiction basieren häufi g auf technischen Störgeräuschen und ambivalenten Fremdtönen. Sie repräsentieren das, was nicht gezeigt werden kann, oder deuten an, was noch kommen mag. Die Methoden dafür sind vielfältig: Stanley Kubrick wählte für das unver- ständliche Fremde in »« () als Untermalung das unstete Flirren der Cluster in Györgi Ligetis Neuer Musik. John Williams hingegen griff für »Un- heimliche Begegnung der dritten Art« () scheinbar Joseph von Eichen- dorff s »Wünschelrute« auf: Demnach schlafe ein Lied in allen Dingen und man habe nur das Zauberwort zu tref- fen, das die Welt zum Singen bringe. Im Film kommunizieren die Außer- irdischen mit den Erdlingen mittels Musik – genau genommen dem aus fünf Tönen bestehenden Motiv: »hallo« oder g-a-f-F-c. Technische und natür- liche Objekte greifen die Melodie auf, lassen sie durch ihre ansonsten un- spezifi sche Klanglandschaft geistern. Ob die Menschen ihre fremden Gäste verstehen oder nicht, sagt häufi g viel über die Art und Weise der Erzählung aus, die uns präsentiert wird – und im Kern der Diff erenz zwischen Utopie und Dystopie steht nicht selten das musikalische Konzept. Zwei der populärsten Beispiele hier- für stellen sicherlich »Forbidden Pla- net« () und »Logan’s Run« () dar. In »Forbidden Planet« erforscht eine Gesandtschaft der United Planets den fremden Planeten Altair IV, auf

dem  Jahre zuvor eine Expedition der LIBRARY PICTURE EVANS MARY / PICTUREALLIANCE FOTO: Erde verschollen ist. Der Soundtrack ist Michael J. Fox als Marty McFly und Christopher Lloyd als Dr. Emmett L. Brown in »Zurück in die Zukunft« () in seiner Konsequenz ungewöhnlich und stilbildend, da er ausschließlich hung als Teil seiner selbst entlarvt, ist inszeniert sich selbst als Erlöserfi gur, aktiven Arbeiterinnen und Arbeiter, seinen eigenen Überlebenswillen re- auf Soundscapes aus elektronischen es auf der Zukunfts-Erde von »Logan’s und die Erlösung erfolgt in einem Zu- das seit den er Jahren parallel in duziert und damit in seinem geradezu Klängen zurückgreift, die eine atmo- Run« die technokratische Gesellschaft, stand der musikalischen Ekstase. Das BRD und DDR propagiert wurde. an Schopenhauer gemahnenden All- sphärische Fremdartigkeit hervorru- in der er lebt, die ihn von sich selbst »Othering« der Science-Fiction, das Der bis dato erfolgreichste Science- gemein-Wesenhaften zu einem prag- fen. Anfangs kann das sowohl auf die entfremdet hat. normalerweise extraterrestrischen Fiction-Film »Avatar« () bemüht matischen Bündel aus Reaktionen und Umgebung des Planeten als auch die Es sind vor allem die Konzepte von Kulturkreisen vorbehalten ist, wird ebenfalls eine klar lesbare sozialkriti- Refl exen. Die Musik spiegelt dies und mysteriösen Züge der beiden Über- Diff erenz und Ambivalenz, die Musik konkret auf die Lebenssituation einer sche Allegorie. Der interstellare Kolo- liefert diejenigen psychologisierenden lebenden bezogen werden, jedoch im Science-Fiction-Film einerseits rassistisch benachteiligten Bevölke- Klänge, die im Weltraum schlechter- wird mehr und mehr deutlich, dass auszeichnen und andererseits mit dem rungsschicht in den USA bezogen. dings nicht erklingen könnten. »In- das Andere in diesem Fall zugleich Genre des Horror verbinden. Wenn das  greift Helge Schneider diesen Es sind vor allem die terstellar« überträgt seine Metapher für das Freudianisch-Andere, das Es Sound-Design von »Alien« () mit Topos in »Jazzclub« zugleich wert- der raumzeitlichen Relationalität auch der menschlichen Psyche, einsteht. der Ähnlichkeit des Miauens von Katze schätzend und ironisch auf, indem die Konzepte von Diff e- auf sein Hauptthema, während »Bla- Auf Altair IV ist dieses imstande, de- und außerirdischem Monster spielt, Musiksprache der Aliens den auf der renz und Ambivalenz, de Runner « die Zersetzung der struktive Monster zu materialisieren, greift der Film auf eine reichhaltige Erde sozial marginalisierten Jazzmu- die Musik im Science- musikalischen Grenzen – und damit wodurch sich sein Einfl uss aus dem Historie ambivalenter Monster zwi- sikern eine neue kreative Umgebung Fiction-Film mit dem der Integrität der menschlichen Kul- Unterbewusst-Psychischen in das schen Mensch und Tier, wie den Wer- und den Status als Populärkünstler tur – aus dem Vorgängerfi lm klanglich Konkret-Dingliche verlagert. Trotz wolf, oder Leben und Tod, wie Fran- eröff net. Nachdem in Mülheim an der Genre des Horror fortsetzt. dieser Transformation bleibt es eine kensteins Monster, zurück. Ruhr die kleine Kneipe, in der Teddy verbinden Jener »Blade Runner« aus dem Jahre Metapher für das Andere im Eigenen, Schu und seine Mitmusiker oft ohne  darf ohnehin als Meilenstein für die sublimierten Triebe im Menschen Publikum aufgetreten sind, aufgrund die Science-Fiction des vergangenen selbst. In »Logan’s Run«, einer der des plötzlichen Vergiftungstodes ihres nialismus wird herangezogen, um den Jahrzehnts gelten, hat er doch die im Dystopien des New-Hollywood-Ki- Die Klangwelten der Eigentümers schließen muss, wird die Kapitalismus als treibende Kraft in der Genre oft in Metaphern oder Allego- nos der er und er Jahre, wird Science-Fiction basie- Jazzmusik der Band im wahrsten Sinne Zerstörung nativer Kulturräume und rien verschlüsselte Frage nach dem eine vollständig von der Technik ab- ren häufi g auf techni- des Wortes obdachlos: Das Trio musi- klimarelevanter Ökosysteme zu kriti- Wesen des Menschen expliziert und hängige und von ihren biologischen ziert das letzte Mal gemeinsam unter sieren. Derweil reproduziert die Musik damit eine Reihe von Antwortmög- Ursprüngen entfremdete menschli- schen Störgeräuschen einer Brücke. Die Rettung kommt in rassistische Stereotype indigener »Na- lichkeiten – Ist der Mensch die Summe che Zivilisation dargestellt, welche und ambivalenten Form von Außerirdischen, die spre- turklänge«, um der fremdartigen Spezi- seiner Erinnerungen? Die Konsequenz die Lebenserwartung mithilfe eines Fremdtönen chen wie Udo Lindenberg, dessen es der Na’vi eine musikalische Identität seiner Entscheidungen? Eine dünne tödlichen »Wiedergeburts«-Rituals Song »Gerhard Gösebrecht« die gro- zu geben, was seine Form des »Othe- Schicht der Zivilisation, die sein ani- auf das Alter von  Jahren reduziert be Idee dieses Filmendes entlehnt zu rings« problematisch erscheinen lässt. malisches Instinktwesen notdürftig hat. Logan  und Jessica  entfl iehen sein scheint. In der Folge wird das In den vergangenen zehn Jahren verbirgt? Ein austauschbares Fakto- der künstlichen Kuppel, unter der sich In anderen Filmen wird das Fremde Trio kurzerhand in das Raumschiff kann im Science-Fiction-Genre eine tum? – angestoßen. Bisweilen wurden alles menschliche Leben abspielt. Die sowohl inhaltlich als auch musikalisch eingeladen und reist zu dem kargen Art »human turn« beobachtet werden, sie von musikalischen Konzepten fl an- menschenleere Natur außerhalb ist für politisiert. John Coneys »Space Is The Heimatplaneten, auf dem sich ihr so- indem der Mensch selbst als das An- kiert, die dazu in der Lage waren, eine Logan und Jessica zugleich terra inco- Place« () nutzt die Bühnenfi gur zialer Status schlagartig verbessert, dere dargestellt wird. In Filmen wie weiterführende Lesart anzubieten; in gnita und Wiege der eigenen Spezies. und die Musik von Sun Ra, um den un- indem alle Anwesenden beglückt zu »Moon« (), »Gravity« (), »In- diesen Momenten kann Musik die dem Jerry Goldsmiths Musik zum Film diff e- terdrückten Afroamerikanerinnen und ihrer Musik tanzen. Auch wenn der terstellar« () oder »Blade Runner Genre eigenen Ambivalenzen und Un- renziert zwischen artifi ziellen, elektro- Afroamerikanern eine eigene, nicht- Film off en lässt, ob die kunstverrück- « () ist der Mensch nicht auf sagbarkeiten vertonen und sich damit nischen Klängen für die Untermalung westliche Tonsprache zu verleihen, die ten Außerirdischen das Trio nicht nur außerirdische Spiegelbilder ange- dorthin wagen, wo nie ein Wort zuvor der Atmosphäre innerhalb der Kuppel auf Jazz, Gospel und Blues basiert, aber als Musizierende, sondern ebenfalls als wiesen, um seine eigene Bedeutung ausgereicht hat. und einem traditionell-romantischen sich als Free Jazz einem traditionellen Nachspeise geladen haben, bleibt die im Universum auszuloten. Die Musik Orchesterklang für die zentralen Mo- Strukturverständnis häufi g entzieht. Botschaft klar: »Jazzclub« projiziert dient dabei oft als konventionelle Ins- Willem Strank ist wissenschaftlicher mente der Entdeckung und Wieder- Diese musikalische Utopie grenzt sich seine Gesellschaftsutopie, in der die tanz der Untermalung. Sie doppelt die Mitarbeiter am Institut für Neuere aneignung dessen, was außerhalb liegt. nicht nur klanglich vom Altbekannten auf der Erde global unterprivilegierten Wiederholung des Alltags in »Moon«, Deutsche Literatur und Medien der Wie in »Forbidden Planet« führt die ab, sondern ermöglicht sogleich allen Jazzmusiker zu Stars werden können. welche sich in dem Thema des Klonens Christian-Albrechts-Universität zu Reise des Menschen in »Logan’s Run« Unterdrückten die Flucht auf einen Die Verbindung der Hauptfi gur zur Ar- niederschlägt, das den Film durchzieht. Kiel und Vorsitzender der Kieler zu sich selbst zurück. Während er auf Planeten mit für sie günstigeren sozia- beiterklasse des Ruhrgebiets verweist In »Gravity« wird der Mensch in der Gesellschaft für Filmmusikfor- Altair IV jedoch die fremde Bedro- len Verhältnissen. Der Musiker Sun Ra zudem auf das Ideal der künstlerisch feindlichen Umgebung des Weltalls auf schung 26 SCIENCEFICTION www.politikundkultur.net

Das Set-Design von Ridley Scotts »Blade Runner« etwa verdankt sich »Dystopien und Endzeit sind im Moebius’ und Alejandro Jodorowskys Serie »Der Incal«. In den politischen Gemeinschaftsarbeiten von Enki Bilal und Pierre Christin und vor allem in Comic omnipräsent« Bilals »Alexander-Nikopol-Trilogie« lässt sich der Übergang vom verspielt- Vier Fragen an Comic- Erzählen aus. Das Gros der heutigen schaftskritik. Will Eisner setzte diese »Buck Rogers« und »Flash Gordon« diskursiven Gestus der er zum Experte Sven Jachmann Science-Fiction-Veröff entlichungen Linie in den späten er Jahren mit ein Millionenpublikum, mit den Su- kalten, resignativen Ton der er besteht aber nach wie vor aus Alben seiner oft übersehenen Graphic Novel perhelden, die gleichzeitig die »comic studieren. nach frankobelgischem Vorbild und »Life on another Planet« gewisserma- books« etablierten, brachte das Me- Zwischen Comics, Graphic Novels und US-amerikanischen Heft-Mini-Serien, ßen fort, aber wahrscheinlich nicht dium sogar ein eigenes Subgenre der Wie hat sich das Genre in den letz- Mangas: Wie wird Science-Fiction in die in Sammelbänden zusammenge- in Kenntnis von Pierre Christins und Fantastik hervor. Der Cut erfolgte mit ten Jahren und Jahrzehnten entwi- diesem Genre dargestellt? Sven Jach- fasst werden. Jean-Claude Mézières französischer der Zensur in der rechten McCarthy- ckelt? Gibt es aktuelle Trends? mann vom Online-Magazin Comic.de Reihe »Valerian und Veronique«, die Ära, der  erfolgten Installation des Derzeit sind Dystopien und Endzeit gibt erste Einblicke. Was sind Klassiker unter den Co- seit den späten er Jahren eben- »Comics Code«, der eine Fortführung im Comic omnipräsent. Kein Platz für mics und Graphic Novels im Genre falls politische Strömungen der Zeit der subversiven EC-Reihen unmöglich Utopien, das mag sich aus unseren Was sind typische Charakteristika Science-Fiction? verarbeiteten, aber bekömmlicher, machte, zahlreiche Verlage in die Plei- erschreckenden Zukunftsprognosen von Science-Fiction-Comics? Das Problem jedes Kanons ist, dass er optimistischer für ein jugendliches te trieb und dort die Emanzipation des und dem relativ neuen Filmverwer- Der Science-Fiction-Comic operiert globale Entwicklungen fragmentiert Publikum aufbereiteten. Katsuhi- Mediums über Jahrzehnte blockierte. tungsmarkt erklären. Der französi- mit denselben Themen und Motiven, und Prozesse teleologisiert. Alex Ray- ro Otomos Manga »Akira« war ein In den er und er Jahren setzte sche Alben-Mainstream pfl egt nicht wie sie das Genre auch in Literatur, monds Zeitungscomic »Flash Gordon« Meilenstein, weil er in den USA und etwa Richard Corben wichtige Akzente selten restaurative Bild- und Erzähl- Film und Videospielen entwickelt hat, war ein riesiger Ideensteinbruch für vielen europäischen Ländern den mit seinen postapokalyptischen Gro- welten: Frauenfi guren mit tiefem d. h. von trivialstem Firlefanz bis zum George Lucas’ »Star Wars«. Stehen japanischen Comic popularisierte. tesken. In Frankreich beförderte die Ausschnitt, Kolonisierungsfantasien, zeitdiagnostischen Epos ist ihm keine die unzähligen Star-Wars-Comics Umgekehrt ist hier der Einfl uss von Zensur eine gegenläufi ge Entwicklung: Militarismus. Progressives kommt Form fremd. Diese Form ist historisch samt Epigonen damit letztlich nicht Moebius oder William Gibsons »Neu- Als  Jean-Claude Forests »Bar- eher aus um Autonomie bemühten wiederum auch an die Entwicklungs- in Raymonds Tradition? Moebius’ romancer« unübersehbar. barella« als Album erschien, eignete Segmenten: Chloé Vollmer-Lo und stufen des Mediums selbst gebunden, surrealistische Bildwelten in »Die der darin angedeutete Sex mit einem Carole Maurel zeigen in »Magdas die man als Gattungen bezeichnen hermetische Garage« oder »Arzach« Welche Autorinnen und Autoren Roboter noch zu einem Skandal und Apokalypse« ganz unsentimental, was könnte: Zeitungsstrip, Comic-Heft, waren ob ihrer Verweigerung von sollte man kennen? Wo kommen beschäftigte die Justiz. Heute wirkt das einer -jährigen Teenagerin vom Album, als Short Story, Fortsetzungs- Logik und Kontinuität in den noch diese her; gibt es führende Natio- Buch bestenfalls lächerlich, aber der Leben bleibt, wenn die Menschheit in geschichte oder fortlaufende Reihe fortschrittsgläubigen er Jahren nen? Freispruch der Gerichte veränderte die einem Jahr stirbt, und die junge US- mit abgeschlossenem Plot, seit den auch politisch eine Provokation, das Die einfl ussreichsten Künstlerinnen öff entliche Wahrnehmung des Comics Künstlerin Tillie Walden verbindet er Jahren vermehrt auch Graphic waren aber die klassischen Kurzge- und Künstler fi nden sich zugleich in als erwachsene Kunst. Philippe Druil- in »Auf einem Sonnenstrahl« ganz Novels, die sich ein Stück weit von schichten des US-amerikanischen EC den Ländern, die die längste und pro- lets und Moebius’ avantgardistische selbstverständlich Science-Fiction- den Formatzwängen befreit haben: Comics Verlags in den er Jahren duktivste Comicproduktion besitzen: Experimente, die in ihrem eigenen Topoi mit queeren Lebenswelten. Der Fokus auf eine bestimmte Seiten- nicht minder. Wallace Woods oder Al Frankreich und Belgien, die USA und Magazin »Métal hurlant« zu voller zahl oder einen Cliff hanger für den Williamsons Science-Fiction-Storys Japan. Das hat durchaus länderspezi- Blüte kamen, haben davon enorm pro- Sven Jachmann ist Journalist, Folgeband war nicht mehr wichtig. in den Reihen »Weird Science« und fi sche Gründe: In den USA erreichten fi tiert und besonders Moebius’ Werke Redakteur beim Splitter-Verlag und Das wirkte sich natürlich auch auf das »Weird Fantasy« strotzen vor Gesell- Science-Fiction-Zeitungscomics wie entwickelten intermediale Strahlkraft: des Online-Magazins Comic.de Markt & Merchandising Wie Science-Fiction-Filme sich in Medien und Alltag fortsetzen

MARKUS METZ der Vermarktung. Die Figuren aus »Ter- minator« wurden zu Minifi guren und cience-Fiction-Filme sind wun- Schlüsselanhängern, fast selbstver- dervolle Spielwiesen des Designs – ständlich müssen »Star Wars«-Figuren S vom glänzenden Weiß der Raum- rechtzeitig zum jeweiligen Film- oder Hostessen in »« über den Punk- Serienstart auch in Überraschungseiern Look der abtrünnigen Androidin in zu fi nden sein. Im Design von Science- »Blade Runner« bis zu Neos wallendem Fiction-Filmen begegnen sich Pop und Ledermantel in »Matrix«. Mehr noch Kunst, Trash und Experiment. Oft sind hinterlassen Science-Fiction-Filme die Grenzen nur noch sehr subjektiv zu ihre Spuren in technikaffi nen Kinder- ziehen. Nicht weniger subjektiv sind und Jugendzimmern. Wie Raketen, die Grenzen zwischen einer ernsthaf- Raumstationen oder Roboter aussehen, ten Auseinandersetzung mit Proble- das haben immer auch Filme refl ektiert men, die in der Zukunft auf uns warten, oder sogar vorweggenommen. Der Ro- wie die Klimakatastrophe, die sozialen

boter »Robbie« aus »Forbidden Planet« Spannungen, die digitale Überwachung LIBRARY PICTURE EVANS MARY / PICTUREALLIANCE FOTO: () etwa wurde zu einem interna- usw., und dem fantastischen Kinder- Will Smith als Captain Steven Hiller in »Independence Day« () tional vermarkteten Spielzeug, das in spiel: Wenn es zum Produktionsplan kaum einem westlichen Kinderzimmer eines großen Science-Fiction-Films Fabrik für Roboter-Helden, die in der Begehrens verwandeln ließ. Die Frage Briefmarkenserie. Natürlich kann fehlte. Sein Design hatte off ensichtlich gehört, dass mit ihm auch jenseits der ganzen Galaxis als Einsatztruppe gegen ist eher, was sich nicht mit dem »Star man auch die Uniformen kaufen. Und die für die damalige Zeit perfekte Mi- Kinokassen Profi t erwirtschaftet wer- allerlei Monster und Schurken einge- Wars«-Design verkaufen lässt. Kondo- zu Travestien wie »DJ SPOCK« als T- schung von technischer Faszination den kann, dann haben natürlich stets setzt werden. Merchandising bedeu- me vielleicht? Weit gefehlt. Das Darth- Shirt-Motiv kann man greifen, wenn und humanoider Freundlichkeit ge- jene Filme einen ökonomischen Vor- tet immer zugleich auch ein Netz von Vader-Kondom kommt mit dem lus- diese Ikonografi e wirklich ausgereizt funden. Eine Mischung, die ein Vier- teil, in deren Mittelpunkt Figuren und Bildern und Narrativen, das über die tigen Aufdruck »I’m not your father« scheint – jedenfalls bis zur nächsten teljahrhundert später in »Star Wars« Gerätschaften stehen, die gleichsam ganze Welt gelegt werden will. und das Lichtschwert-Kondom, wer Neuaufl age. Die ganze Mannschaft gibt zwei seiner Nachfolger, ein goldglän- schon auf kommende Spielzeugwelten Das Merchandising-Geschäft be- hätte es gedacht, ist von besonderer es stets auch als Playmobil-Figurenset. zender Humanoide und ein kindlich- hinweisen, und solche Plots, die weder steht aus drei Hauptsträngen. Neben Leuchtkraft. Erwähnenswert sind all diese Veräs- frech piepsender Blecheimer, zu neuer ein positives noch ein negatives Ende der Flut von Mode und Spielsachen, die Als Merchandising-Maschinen funk- telungen nicht nur, um die Funktion Vollendung brachten. Und so wie aus haben, sondern gar keines: So entsteht aus dem Film-Design stammen oder tionieren natürlich am besten solche futuristischer Filme als Verkaufsma- dem Science-Fiction-Blockbuster von schon aus ökonomischen Gründen im eben umgekehrt, entstehen Medien- Filme, die nicht nur einzelne mediale schinen zu illustrieren, sondern auch gestern das Kinderspielzeug von heute Genre eine selbstrefl exive, serielle Er- Multiplikationen: Aus dem Film wird Events generieren, sondern zu verita- um zu verstehen, wie sehr dieses De- wird, wird aus diesem das teuer gehan- zählweise: Zukunft als Endlosspirale. eine Roman-Serie, eine Comic-Reihe, blen Institutionen werden, sozusagen sign im Irrealis bereits unsere Realität delte Sammelgut von morgen. Robbie Wie die Spielzeugwelten also von eine Animationsserie, ein Videospiel, ein Stück Zukunft inmitten unserer All- durchdringt. Längst geht diese Science- kam damals in den verschiedensten den Zukunfts-Designern aus den eine Ableger-Serie und immer so wei- tagswelt. Daher rangieren Filme wie die Fiction-Objekt- und Zeichenschleuder Ausführungen, besonders begehrt un- Traumfabriken bestimmt werden, so ter, bis, wie etwa bei »Star Trek«, neben »Star Trek«-Reihe als Kino-Ausläufer über die Kinderzimmer hinaus, erreicht ter Sammlern ist der »rote Robbie«, der kontaminieren auch Spielzeugwelten den Helden auf der Kommandobrücke der TV-Serie und immer wieder gibt die öff entlichen Räume und Freizeit- Funken sprühen kann. die populären Mythen der Science-Fic- des Raumschiff s Enterprise auch noch es neue »Generationen«, allerdings einrichtungen und endet in der schö- Die Verwandlung des Designs in tion. Z. B. entwickelte man bei Lego, wo die niedrigen Ränge vom Unterdeck mit wechselndem Design. In einer nen Welt der Büros und IT-Schmieden, Poster – die berühmten »Risszeich- die meisten großen Science-Fiction- ihre eigene Serie bekommen haben. Unzahl von »Raumschiff Enterprise«- wo sie die Fantasie jener anregt – oder nungen« von »Todessternen«, Raum- Filme eine eigene Welt – und ein ent- Die größte Merchandising-Maschine Bausätzen erscheint das wohl meist- vielleicht auch bremst –, die am Design stationen oder Allkreuzern neben den sprechendes Lego-Movie – erhalten, wurde dann aber »Star Wars«, mit der verkaufte Raumschiff -Modell in immer unserer wirklichen Zukunft arbeiten. Konterfeis der Helden und Superhelden eine Spielstein-Linie unter dem Titel sich vom T-Shirt über Spielzeugfi guren neuen Versionen. Einen Höhepunkt der – und vor allem in Spiel- und Dekoma- »Bionicle« bzw. »Hero Factory«. Daraus und »Laserschwerter« zum Halloween/ Ikonografi sierung bildet die originale Markus Metz ist freier Journalist terial ist natürlich die einfachste Form entstand eine Fernsehserie um eine Karneval-Kostüm alles in Objekte des »Star Trek«-Crew auf einer britischen und Autor Politik & Kultur | Nr. -/ | Juli/August  SCIENCEFICTION 27 FOTOS: LINKS: PICTURE ALLIANCE / UNITED ARCHIVES / KPA PUBLICITY / RECHTS: PICTUREALLIANCE / MARY EVANS PICTURE LIBRARY PICTURE EVANS MARY / PICTUREALLIANCE RECHTS: / PUBLICITY KPA / ARCHIVES UNITED / ALLIANCE PICTURE LINKS: FOTOS: Milla Jovovich als Leeloo in »Das fünfte Element« (1997) »Matrix Revolutions« () Der religionsgeschichtliche Kontext der Science-Fiction Ein erster Blick auf fahren sie die wahre Weltordnung und an, und die Ewigkeit lag auf dem Chaos »Makroleben«. Es wird erzählt, wie sich hatte durch seinen Willen diese Tota- Jenseitsreiseerzählungen erleben die Aufdeckung der Unordnung und zernagte es und wiederkauete sich. die Menschheit auf einer kosmischen lität ins Sein gerufen. Ob ein Gott oder verursachenden Scheinhaftigkeit der in – Schreiet fort, Mißtöne, zerschreiet die Reise ihrer Endlichkeit dadurch entle- Götter existierten, sie hatten hier kei- vom antiken Kontext her sich verstrickten irdischen Perspektive. Schatten; denn er ist nicht!‹«, so Jean digt, dass sie sich gleichsam als Com- nen Platz. Soviel verstand er ohne jeden Dieser »jenseitige« Blick ist also immer Paul in »Rede des toten Christus vom puterinformation abbildet, so zu einem Schatten von Zweifel, erkannte er auf LINUS HAUSER weltanschaulich und kulturell vermit- Weltgebäude herab, daß kein Gott sei«. Makroleben wird und sich im Laufe ih- eine Weise, die er nie bewußt begreifen telt und epochal geprägt. Das Weltall in seiner »Maßlosig- rer kosmischen Wanderschaft zu immer oder erreichen konnte«. eder Mensch will über seinen Le- keit«, die eigene evolutive »tierische größeren Verbänden mit anderen Intel- Der angelsächsische Philosoph Olaf bensweg wie auch über das end- Herkunft«, die Abgründigkeit unse- ligenzen zusammenschließt. So soll es Stapledon versucht hingegen im Kon- Modernität und die Science-Fiction J gültige Woher und Wohin dieses rer Psyche jenseits aller aufgeklärten möglich werden, auch das – als zyklisch text einer Jenseitsreiseerzählung ein Kosmos Bescheid wissen. Doch wissen Der Ursprung der Science-Fiction fällt Vernunft, der Verlust der traditionel- angenommene – Aufeinanderfolgen trinitarisches Gottesbild unter den kann niemand, woher alles kommt und zusammen mit dem Beginn der durch len religiösen Bindungen und Vor- von Big Bang und Big Crunch zu über- Bedingungen des evolutiven Denkens wohin alles gehen wird. Ahnungen er- die technologische Nutzung der Erfah- stellungen und vieles mehr werfen leben. Am Ende des ersten Universums zu formulieren. Der Ich-Erzähler erlebt setzen Wissen. Solche Ahnungen kön- rungswissenschaften konstituierten den modernen Menschen auf sich in steht dann der Beginn eines neuen und – mit den unterschiedlichsten neuen, nen selbst nicht allein auf diskursivem Moderne und ihres spezifi schen Wis- seiner Orientierungssuche. Doch die größeren Universal-Zusammenhangs. den höheren evolutiven Stufen des Kos- Wege deutlich werden. Sie müssen ei- senschaftsglaubens und der sie beglei- Sehnsucht nach dem übergreifenden, Im Durchgang durch den Big Crunch mos entsprechenden Wahrnehmungs- nen anschaulichen Charakter erhalten. tenden Technikangst. In der Moderne Ordnung erschließenden Blick bleibt. treffen sie eine unvordenklich alte organen begabt – eine Reise durch alle Deshalb gibt es eine Fülle von Bildern, betriff t das Motiv der Jenseitsreise des- Dieser Ausgeliefertheit an eine Vielzahl Universengemeinschaft: »Makroleben, Nuancen der kosmischen Evolution bis in denen Menschen ihre radikale End- halb oft den Blick auf einen als in sich von unübersichtlichen Unendlichkeiten das aus einer Zeit vor unserem Zyklus hin zur Schau des trinitarischen kosmi- lichkeit und ihre Sehnsucht nach Heil und möglicherweise nicht nur situativ, entspricht auf der anderen Seite eine stammt und ungezählte Zerstörungen schen Geistes. anschaulich machen. Eines dieser Bilder also nur eine bestimmte geschichtliche tiefe – wenn auch von Anbeginn von der Natur überlebt hat. Wir sind nicht Am Ende seiner Reise »schaut« er kann das der Jenseitsreise sein, das sich Situation der Krise betreff end, chao- Wissenschaftsangst begleitete – Wis- die ersten großen Einheiten von intel- den »absoluten Geist«: »Und wie durch in vielen Kulturen fi ndet. Jenseitsreisen tischen und gottverlassenen Kosmos senschaftsgläubigkeit. Warum sollte ligentem Bewußtsein (…) Das, dachte Tränen der Leidenschaft und des hei- sind literarisch ausgestaltete Erlebnisse, der nachmetaphysischen »Losigkeit« man da nicht eine Jenseitsreise mit John, war die Zivilisation vom Typ III ßen Widerspruchs sah ich den Geist des etwa nächtliche Träume, des übergrei- (Samuel Beckett) von allen Ordnungs- Raketenunterstützung machen? (...) Es war die Erste Form von Makrole- höchsten und vollkommensten Kosmos fenden Blicks auf die kosmische Ord- bezügen. ben, die aus einer unvorstellbaren Ver- seinem Schöpfer gegenübertreten. (...) nung, aber auch auf ihre Un-Ordnung Jean Paul hat dieses Thema der Jen- gangenheit überlebt hatte. Sie brauch- Und der Sternenschöpfer (...) fand in der Science-Fiction als Jenseitsreise- und damit auf die eigene radikale End- seitsreise unter einem erfahrungswis- ten keine Worte. Die ältere Form öff nete greifbaren Lieblichkeit seines Wesens darstellung lichkeit und auf die Sehnsucht des Men- senschaftlich entzauberten Blick auf ihre Schale, und die Millionen Welten die Erfüllung seines Strebens. Und in der schen nach Befreiung von derselben. In die Welt  aufgegriff en und in eine Science-Fiction beschäftigt sich fi ktio- fl ogen ohne Zeremonie hinein. Jeder Freude des Sternenschöpfers und seines der Antike – die uns die ersten Jenseits- apokalyptische Perspektive gesetzt. Das nal mit den Auswirkungen der wissen- Zyklus hatte Überlebende. Sie waren höchsten Kosmos wurde auf seltsame reiseerzählungen überliefert – werden Jüngste Gericht wird umgedeutet zur schaftsfundierten Technik auf den Men- erwartet worden.« Weise der absolute Geist selbst deutlich, Menschen durch Himmelswesen wie fi nalen Off enbarung der Sinnlosigkeit schen und insbesondere der utopisch- Wir erkennen hier unschwer ein der Geist, in dem alle Zeiten gegenwärtig Göttinnen und Götter sowie Engel auf unserer Welt: »Ich lag einmal an einem futurologischen Extrapolation ihrer Konzept, bei dem endliche Vernunft und alle Wesensformen eins sind; denn eine Reise in die überirdischen Sphären Sommerabende vor der Sonne auf einem Auswirkungen. Innerhalb ihrer gibt es aus eigener Kraft heraus auf einer Jen- der aus dieser Vereinigung entspringen- mitgenommen, sie verstehen dabei nur Berge und entschlief. Da träumte mir, zahlreiche Versuche der Beantwortung seitsreise den Kosmos begeistert. de Geist zeigte sich meinem ohnmäch- das, was sie durch den »Deuteengel« ich erwachte auf dem Gottesacker. (...) der klassischen metaphysischen Fra- Greg Bears Menschheit lebt in ei- tigen Verstand zugleich als Ursache und erklärt bekommen, erleben – teilweise Alle Gräber waren aufgetan. (...) Alle gen: Warum es überhaupt etwas gibt ner Welt, in der alle Übersichtlichkeit Ergebnis aller endlichen Dinge«. durch einen Blick auf die Schöpfung Schatten standen um den Altar, und und nicht »Nichts«, nach der Rolle des verloren gegangen ist. Zeitbegrenzun- Es ließen sich noch viele andere und das Ende der Welt wie bei der früh- allen zitterte und schlug statt des Her- Menschen in der Welt und der nach dem gen und die Begrenztheit durch den Autoren anführen – doch schon jetzt jüdischen und christlichen Apokalyp- zens die Brust. (...) Jetzo sank eine hohe Sinn des »Ganzen«. – prinzipiell überfl üssigen – eigenen sieht man: Eine uralte Erzähltradition tik – die übergreifende Ordnung dieses edle Gestalt mit einem unvergänglichen Ein Modell eines selbst erzeugten Körper sind Vergangenheit. Auf den über Jenseitsreisen bekommt in der gesamten Kosmos und können als Apo- Schmerz aus der Höhe auf den Altar ewigen menschlichen Lebens, das sich unterschiedlichsten kosmischen We- modernen Science-Fiction eine aktu- kalyptiker dadurch auch in Krisensitua- hernieder, und alle Toten riefen: ›Chris- aus eigener Kraft durch zusammenbre- gen kann sich der Mensch hier bewegen. elle Gestalt. tionen auf die leitende jenseitige Hand tus! Ist kein Gott?‹ Er antwortete: ›Es chende und neu entstehende Universen Einer dieser Reisenden, die sich selbst im Hintergrund des Ganzen vertrauen ist keiner‹. (…) Christus fuhr fort: ›Ich hindurch bewahrt, fi ndet sich bei Geor- in ihrer Bestimmung zwar suchen, aber Linus Hauser war bis zu seiner Pensi- und so in scheinbar aussichtsloser Lage ging durch die Welten, ich stieg in die ge Zebrowski in seinem  veröff ent- dabei doch wissend, dass nur die Su- onierung Professor für systematische Hoff nung erlangen – siehe Äthiopisches Sonnen und fl og mit den Milchstraßen lichten Roman über das »Makroleben«. che ihr ewiger Weg ohne Ziel sein wird, Theologie im Institut für katholische Henochbuch, Apokalypse des Johannes. durch die Wüsten des Himmels; aber Als das Wirtschaftsimperium der Fami- schreibt in sein Tagebuch: »In all dem Theologie der Justus-Liebig-Universität Oder sie werden eher kognitiv über die es ist kein Gott. … Und als ich aufblick- lie Bulero im irdischen Sonnensystem Gewebe großer Universen konnten die Gießen. Sein Hauptwerk ist die drei- Ordnung dieser Welt durch eine Göttin te zur unermeßlichen Welt nach dem  zusammenbricht, fl iehen die Bu- Sensoren nirgends einen allgemeinen bändige »Kritik der neomythischen aufgeklärt und in die Philosophie ein- göttlichen Auge, starrte sie mich mit leros in die kosmischen Weiten hinaus. Plan oder Sinn entdecken. Keine Intel- Vernunft«, erschienen im Schöningh- geführt wie Parmenides von Elea. So er- einer leeren bodenlosen Augenhöhle Ihre Vision ist nun die Erschaff ung von ligenz hatte all dies gemacht, nichts Verlag 28 SCIENCEFICTION www.politikundkultur.net

Immunität durch grünes Blut Epidemien im Star-Trek- Sonnen, die in den Teleskopen und auf Solidarität, sowohl gegenüber Flint als grüne Lichtregen führt zur Erblindung In »Implosion in der Spirale« waren alle Universum den photographischen Platten unserer auch gegenüber Miri und den Kindern. der meisten Menschen – »der Himmel Infi zierten aufgrund der Unvorsichtig- Observatorien zu sehen sind. Es war nur Epidemien werden oft von Menschen war voller grüner Sternschnuppen«. Die keit eines Crew-Mitglieds erfroren – er eine Farbe aus dem All – ein furchter- gemacht, sind oft Frankenstein’sche Triffi d-Pfl anzen waren ein Resultat sub- zieht einen Handschuh aus und öff net KLAUS VIEWEG regender Bote aus ungestalten Gefi lden Schöpfungen wie das genetische »Le- tiler Experimente und der ungebrems- so die Schutzbekleidung. Die mit dem der Unendlichkeit jenseits aller Natur, bensverlängerungsprogramm« auf ten Erweiterung von Anbaugebieten, Virus Psi- infi zierten Besatzungs- n der Science-Fiction-Kultserie wie wir sie kennen«. dem Miri-Planeten oder das »Gene- ein gewaltiger Raubbau an der natür- mitglieder verändern ihr Tun in gra- »Star Trek«, zu Deutsch »Raum- Roddenberry kannte auch das Werk sis-Projekt«. In »Reise nach Eden« ist lichen Umgebung hatte stattgefunden. vierender Weise. Neben hohem Fieber, I schiff Enterprise«, fi ndet sich eine des französischen Schriftstellers und der Anführer der Aussteiger-Gruppe Die Mehrzahl der Menschen wird durch Gliederschmerzen und Nachlassen der erstaunliche Präsenz der Epidemie- Philosophen Albert Camus, er spricht mit dem höchst ansteckenden Virus Sehkraft treten scheinbar versteckte, Thematik. Ein erheblicher Teil der in einem Brief über die Philosophie Sintokokkus Novus infi ziert. Bordarzt verborgene Charaktereigenschaften Raumschiff -Besatzung ist in »Planet des Franzosen. Vermutlich hat er »Die McCoy sieht eine Ursache für diesen zutage bis hin zum Wahn. der Unsterblichen« vom lebensbedroh- Pest« von Camus gelesen, dort steht Virus in der »aseptischen, sterilisier- Wünschen wir uns In der Miri-Geschichte blieb nur lichen Rigelianischen Fieber infi ziert, die Seuche auch als Metapher für ten Zivilisation«, auch Dr. Sevrin sieht das »grüne Blut« Spock immun. Die kleinen Viecher hat- benannt nach dem Stern Rigel aus dem Weltkrieg und Diktatur. Die Pestepi- zivilisatorische Gründe, die Menschen zur Gewinnung der ten wohl »keinen Appetit auf grünes für seine Nebel bekannten Sternbild demie in der algerischen Stadt Oran und die Weltraumfahrt hätten die Vi- Blut«. Wünschen wir uns eine kalt- Orion. Wegen dieser Epidemie versucht verbildlicht einen Ausnahmezustand, ren zu uns gebracht – »die Zivilisation Immunität warme vulkanische Logik für das Ent- die Crew den Impfstoff Ryetalin vom verbunden mit dem Abschotten von hat mich infi ziert«. Als er von Kirk in werfen einer neuen, sozial und natural Planeten Holberg G zu beschaff en. der Außenwelt, wo sich jedoch trotz die Quarantäne, in die vollständige nachhaltig gestalteten Weltordnung Allerdings stellt sich ein Mr. Flint in der oft aussichtslosen Lage Solida- Isolierung geschickt wird, spricht er die Pfl anzengifte blind, die politischen und das »grüne Blut« zur Gewinnung den Weg, der sich als alleiniger Eigen- rität gegenüber der gemeinsamen von der Einschränkung seiner Freiheit, Institutionen, die öff entliche Verwal- der Immunität. tümer des Himmelskörpers ausgibt. Als Bedrohung formiert. Die von Camus ohne an die anderen zu denken, die er tung, die Infrastruktur und das Gesund- Doktor McCoy die Wirkungen des Rige- beförderten Gedanken der Revolte, des mit tödlichen Folgen anstecken könnte. heitssystem sind zusammengebrochen. Klaus Vieweg ist Professor für Philoso- lianischen Fiebers mit denen der Beu- gemeinsamen Aufstehens gegen eine In John Wyndhams Science-Fiction- »Es ist eine der hartnäckigsten und phie an der Friedrich Schiller-Univer- lenpest vergleicht, spricht Flint von der scheinbar übermächtige Sinnlosigkeit Thriller »Die Triffids« entsteht die tröstlichsten Illusionen der Mensch- sität Jena aus Konstantinopel im . Jahrhundert war ganz im Sinne von Roddenberry Pandemie durch Menschenhand, durch heit, darauf zu vertrauen, dass so etwas in den Westen gekommenen Pest, die und seiner Mitstreiter. Kirk, Spock ein gescheitertes biologisches Experi- hier unmöglich passieren kann, dass Gekürzte und leicht geänderte Fassung ei- halb Europa tötete. Unter »Pest« wurde und McCoy appellieren in vermeint- ment. Aus Profi tgier soll aus einer über- die eigene Lebenszeit und die eigene nes Essays aus: Klaus und Olivia Vieweg: zunächst allgemeine Seuche verstanden, lich aussichtslosen Situationen immer züchteten Pfl anze Speiseöl gewonnen Umwelt vor Katastrophen gefeit ist. Und »To beam or not to beam – Die Literatur unter anderem Pocken, Typhus, Cholera wieder eindringlich an diese Art von werden. Der aus der Luft kommende nun war es doch passiert.« in Star Trek« (Ludwigsburg ) sowie die beiden Arten der eigentlichen Pest. Der altrömische Schriftsteller Te- renz nannte die Erreger »winzige Kre- aturen, welche man mit bloßem Auge nicht sehen kann, die durch die Luft fl iegen und über Mund oder Nase in den Körper eindringen«. Die großen Seuchen forderten auch prominente Opfer wie Kaiser Marc Aurel oder die berühmten Maler Giorgione und Tizian. Hier sollen einige Bezüge zur belletris- tischen Literatur angesprochen werden, zu poetischen Werken, die Inspirationen für die Science-Fiction-Serie lieferten. In Edgar Allan Poes Novelle »Die Maske des Roten Todes« hatte die Seuche bereits das Land verheert. Der reiche und arrogant-egoistische Fürst Prospero – Inbegriff des Reichtums, der Prosperität – hatte sich entschlossen, vor der Seuche in seine fest verrie- gelten und gepanzerten Schlösser zu fl iehen. »Die Außenwelt mochte sich um sich selbst kümmern.« – »Draußen war der Rote Tod.« Nach monatelanger Abschottung, während welcher »drau- ßen« Abertausende jämmerlich zugrun-

de gingen, veranstaltet Prospero ein COLLECTION EVERETT ©THCENTFOX/COURTESY | COLLECTION EVERETT / ALLIANCE PICTURE FOTO: »prächtiges Maskenfest« – ein schönes Andy Serkis als Caesar in »Planet der Affen: Prevolution« (2011) literarisches Bild der Maske als Schutz vor der Epidemie und als Bestandteil einer fröhlichen Festlichkeit. Prospero hatte ein spezielles Faible für Farben, für Scharlachrot wie Blut und Cholera sowie für Schwarz. Bei Prosperos Fest war auch eine »Maske« anwesend, die niemand kannte – »lang und hager und von Kopf bis Fuß in Grabtücher gehüllt«. Sie trug die Zeichen des Roten Todes, rote Flecken auf der Haut und Spritzer von Blut. Solch rote Flecken zeigen sich auch in »Miri, der Kleinling« bei Kirk und McCoy. Niemand der Festgäste streckte die Hand aus, jeder hatte Angst vor der Ansteckung. Alle erkannten aber, dass der Rote Tod über sie gekommen war, selbst die Ebenholzuhr als Symbol der Zeit‚ entschwand mit dem Letzten der Sorglosen. Mit den Erzählungen von H. P. Love- craft war der Star-Trek-Schöpfer Gene Roddenberry ebenfalls vertraut, sie galten als Klassiker eines dystopisch- kosmischen Horrors. Lovecrafts »Die Farbe aus dem All« thematisiert eine biologische Bedrohung auf grauenhaf- te Art: Aufgrund der geheimnisvollen Farbe werden Pfl anzen fremdartig, be- ginnen sich zu bewegen und verfallen zu Staub, das Obst an den Bäumen wird ungenießbar, Tiere zeigen nicht mehr artgerechtes Verhalten und Menschen werden wahnsinnig. Das giftige Gas »gehorchte Gesetzen, die nicht die

Gesetze unseres Universums sind. Sei- THIJS JAN / EMPICS / ALLIANCE PICTURE FOTO: ne Heimat waren nicht die Welten und Sonequa Martin-Green als Michael Burnham in »Star Trek: Discovery« (ab ) Politik & Kultur | Nr. -/ | Juli/August  SCIENCEFICTION 29 FOTO: PICTURE ALLIANCE / PICTURELUX/WARNER BROS. PICTURES | CHIABELLA JAMES CHIABELLA | PICTURES BROS. PICTURELUX/WARNER / ALLIANCE PICTURE FOTO: Josh Brolin als Gurney Halleck und Timothee Chalamet als Paul Atreides in »Dune« () Deutschsprachige Science-Fiction fördern Drei Fragen an den Science Fiction Club Deutschland

Der Science Fiction Club Möglichkeiten um weitere Wie versteht sich der SFCD bungen für themenspezifi sche »Roman« und »Kurzgeschich- rund ein Dutzend Storys zu Deutschland – eine bundeswei- Mitglieder warben, z. B durch heute – und was macht er Anthologien beteiligen. te« in deutschsprachiger Erst- nominieren, die dann von te Vereinigung von Freunden Handzettel in Buchhandlun- genau? Wer engagiert sich Als zentrale Anlaufstelle wird veröff entlichung abstimmen allen im Komitee gelesen der Science-Fiction in Literatur, gen oder Annoncen in Science- beim SFCD? der SFCD oft von ausländi- zu lassen, das im jeweiligen werden sollten. Film und elektronischen Medien Fiction-Publikationen. Aufgrund seiner langen Tra- schen Personen oder Vereinen Vorjahr erschienen war. Jedes Erfüllen Werke die techni- – ist der älteste und mitglieder- Walter Ernsting, der damals dition verfügt der SFCD über kontaktiert, die mehr über Mitglied durfte Nominierun- schen Voraussetzungen, also stärkste Science-Fiction-Club in die Science-Fiction-Reihen des umfangreiche Ressourcen, die deutschsprachige Science-Fic- gen einreichen, der Initiator eine Erstveröff entlichung in Deutschland. Der Vorstandsvor- Pabel-Verlags betreute, gab da- auch von Personen außerhalb tion erfahren wollen oder Mit- machte aber zur Bedingung, deutscher Sprache im Jahr sitzender Thomas Recktenwald rin die Gründung eines über- des Vereins genutzt werden arbeit für ihre Publikationen dass sich für ein repräsen- vor der Preisverleihung, so berichtet, wie es zur Gründung regionalen Vereins, des SFCD, können. Unser Archiv an Fan- oder Veranstaltungen suchen. tatives Ergebnis mindestens bewertet jedes Komiteemit- kam, wie sich der SFCD heute bekannt und ermutigte die Magazinen reicht bis in die Die Spanne reicht von den ein Viertel der Mitgliedschaft glied die Texte sowohl nach versteht und wie der Deutsche Leserschaft, der Organisation er Jahre zurück, und mit Veranstaltern der European – also etwa  Personen – an literarischen Gesichtspunk- Science Fiction Preis vergeben beizutreten. Seine ursprüngli- Tonbandaufzeichnungen von Science Fiction Convention der Abstimmung beteiligen ten als auch nach Science- wird. che Intention war eine Art Le- Veranstaltungen wurde   in Luxembourg bis zum sollte. Fiction-spezifi schen Kriterien serbindung, schließlich gab es begonnen. Athener Science-Fiction-Club Diese Zahl ließ sich in den wie innovativen Ideen oder Den Science Fiction Club damals etliche mehr oder we- Der Verein unterstützt Pro- »Aleph«. darauff olgenden Jahren aller- schlüssigem Entwurf einer Deutschland (SFCD) gibt es niger langlebige Konkurrenten, jekte im In- und Ausland, um dings nur mit Mühe erreichen, künftigen Gesellschaft. Neben bereits seit . Wie kam es die sich auf das in Deutschland deutschsprachige Science- Jährlich verleiht der SFCD so dass  der Vorschlag einer Punktvergabe muss die zur Gründung? weitgehend unbekannte Genre Fiction zu fördern, und unter- den »Deutschen Science Fic- umgesetzt wurde, ein Komitee Entscheidung auch schriftlich Als Anfang der er Jahre stürzten und um das spärliche hält Beziehungen zu gleichge- tion Preis« für den besten aus engagierten Mitgliedern begründet werden. das westdeutsche Publikum Taschengeld der meist ju- sinnten Organisationen, z. B. deutschsprachigen Roman zu bilden, die sich bemühten, Die Preisverleihung fi ndet mit Science-Fiction-Literatur, gendlichen und überwiegend der Phantastischen Bibliothek und die beste deutschspra- jeden infrage kommenden auf dem Jahrestreff en des hauptsächlich in Form von männlichen Leser kämpften. Wetzlar. Mitglieder haben die chige Kurzgeschichte. Wie Text zumindest anzulesen SFCD statt. Beide Preisträger Leihbüchern und Heftromanen, Die meisten Mitglieder des Möglichkeit, an den Clubpub- ist der Preis entstanden? und zu begutachten. Seitdem erhalten neben Urkunde und in Berührung kam, fanden sich SFCD wollten sich aber nicht likationen »Andromeda Nach- Welche Kriterien spielen bei kümmern sich zwischen acht Medaille jeweils ein Preisgeld rasch Gleichgesinnte zusam- vor einen bestimmten Karren richten« und »Andromeda der Preisvergabe eine Rolle? und zwölf Personen, die nicht in Höhe von . Euro. men, die, wie zwei Jahrzehnte spannen lassen, und so eman- SF Magazin« mitzuarbeiten;  wurde eine Kampagne unbedingt dem Verein ange- zuvor in Großbritannien oder zipierte sich der Verein bald Autorinnen und Autoren kön- gestartet, die Clubmitglieder hören müssen, in wechselnder Thomas Recktenwald ist den USA, Science-Fiction- von seinem Gründervater und nen ihre Manuskripte für die jährlich über das ihrer Mei- Besetzung darum, aus der Vorstandsvorsitzender des Clubs ins Leben riefen und mit fand zu seiner bis heute unab- Buchreihe »Andro SF« einrei- nung nach beste Science-Fic- Flut an Neuerscheinungen Science Fiction Clubs Deutsch- den damals eingeschränkten hängigen Ausprägung. chen oder sich an Ausschrei- tion-Werk in den Kategorien sechs bis acht Romane und land

SCIENCEFICTIONHIGHLIGHTS

: Science-Fiction-Spiele : Erste literarische Be- : Alex Raymond veröff entlichte er: Science-Fiction- wie »Fallout« sind wichtige schreibung einer Zeitreise den Comic »Flash Gordon«, der in den Spiele wie »Space Invaders« Vertreter im Games-Bereich in die Zukunft: »Die Zeitma- USA ein Millionenpublikum erreichte und »Asteroids« erobern die schine« von H. G. Wells Spielhallen : Lego-Spielstein-Linie : Erscheinung er: Durch die von »Bionicle«/»Hero Factory« inspi- des Science-Fiction- Hugo Gernsback verlegte : »: Odyssee im Weltraum« rierte Roboter-Fernsehserie Grundlagenwerkes »Amazing Stories« wurde von Stanley Kubrick gilt als einer der : Bedeutendster Film »Krieg der Welten« Science-Fiction populär besten Science-Fiction-Filme des Science-Fiction-Noir: : Seit  ist von H. G. Wells »Blade Runner« von Ridley mit »Star Trek: Dis- Scott covery« die sechste Fernsehserie aus dem : Erste : Ausstrahlung der Meilenstein: Katsuhiro : Erster Science- Star-Trek-Universum Science-Fiction- ersten Folge »Star Trek« Otomos Manga »Akira« : »A.I.« von Steven Fiction-Spielfi lm: auf Deutsch zu sehen Geschichte: Mary popularisierte den japani- Spielberg mit Fokus auf : Allererster »Metropolis« von Shelleys Franken- schen Science-Fiction-Co- künstlicher Intelligenz Fritz Lang Science-Fiction- mic in den USA und vielen stein : Eines der ersten Film: »Le Voyage europäischen Ländern dans la Lune« von Videospiele »Spacewar!« Georges Méliès wurde von Science- Fiction beeinfl usst

    er      er      30 OSTWESTPERSPEKTIVEN www.politikundkultur.net

In  Sekunden nicht zu erklären Christian Bollert im die Idee entstanden, etwas gegen wird der Diskurs immer noch von sierung arbeitet, sich konstruktiv worten zu geben – auch wenn das me- Gespräch über diff eren- diese Pauschalisierung und diese Journalistinnen und Journalisten aus mit Problemen auseinandersetzt, an dial schwierig ist, das ist mir vollkom- sehr verkürzte Wahrnehmung der Hamburg, München, Köln oder Berlin Lösungen arbeitet. Und wir wollen men klar. Aber in  Sekunden wird zierte Berichterstattung ostdeutschen Bundesländer und getrieben. Sehr selten wird direkt aus natürlich auch ein Verständnis schaf- sich die Geschichte der ostdeutschen und deutsch-deutschen der Menschen, die hier leben, zu den ostdeutschen Ländern berichtet. fen für die unterschiedlichen Lebens- Bundesländer nicht erklären lassen. Dialog tun. Denn auch die Wahlergebnisse Und wenn, dann werden immer noch wirklichkeiten. zeigen, dass der absolute Großteil Reporter losgeschickt, die hier vor Was mir persönlich in den letzten Sie fordern mit »Wir sind der Os- demokratisch, progressiv, weltoff en Ort berichten sollen, aber eigentlich Jahren noch deutlich klarer geworden ten« auch mehr Aufmerksamkeit Die Initiative »Wir sind der Osten« will und tolerant ist. Aber das kommt in in Hamburg oder München leben. ist: Es hört nicht mit einer Generati- für Menschen in Ostdeutschland Menschen in und aus Ostdeutschland, der medialen Wahrnehmung häufi g Es gibt nur wenige Ausnahmen, wie on auf. Es ist nicht so, dass man  ein, die sich gegen alle Widerstän- die die Zukunft positiv gestalten, ein zu kurz oder wird nicht diff erenziert z. B. »taz«, »Krautreporter« oder »Die geboren ist und aufgrund des Ge- de engagieren. Wie kann es gelin- Gesicht geben. Denn die große Mehr- berichtet. Das war der Grundimpuls: Zeit«, die wirklich ernsthaft und burtsjahres automatisch nichts mehr gen, diese zu erzeugen? heit der Menschen in Brandenburg, Wir wollen die Berichterstattung langfristig versuchen, vor Ort zu sein. mit dem Thema zu tun hat. Sondern Eine einfache Antwort aus unserer Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, diff erenzierter, komplexer und damit Natürlich muss man in dem Atem- in den Biografi en der Großeltern und Perspektive ist unsere Webseite: wir- Sachsen-Anhalt und Thüringen ist de- ausgewogener sowie realistischer ge- zug auch die Öff entlich-Rechtlichen Eltern werden Dinge tradiert und sindderosten.de. Dort kann man fast mokratisch, progressiv, weltoff en und stalten. Und wir möchten den Men- nennen. Aber insgesamt gibt es da Erfahrungen weitergetragen, die sich  Leute sehen, die sich engagieren, tolerant – das zeigen die Wahlergeb- schen eine Stimme geben, die sonst auf jeden Fall eine mediale Ver- eben doch signifi kant von Menschen die Dinge tun, die sich ehrenamtlich nisse, auch wenn es in der Berichter- häufi g nicht wahrgenommen werden. zerrung, was die Berichterstattung unterscheiden, die in Dortmund einbringen, die gesellschaftlich aktiv stattung nicht immer so deutlich wird. angeht. Denn auch die Journalistin- oder Stuttgart leben. Denn Anfang sind, die sich in diesem berühmten Hier will »Wir sind der Osten« insbe- Ähnliches haben Sie Anfang nen und Journalisten, die über Ost- der er Jahre, nach der Wieder- vorpolitischen Raum – in Gewerk- sondere etwas bewegen. Theresa Brü- Juni dieses Jahres im Interview deutschland berichten, sind sicher vereinigung, haben so viele massive schaften, in Kirchen, in Vereinen und heim spricht mit dem Journalisten und mit Deutschlandfunk nach der nicht repräsentativ, was die Bevölke- Veränderungen stattgefunden. Wir Verbänden – bewegen. Menschen, Mitinitiator Christian Bollert. Landtagswahl in Sachsen-Anhalt rung angeht. Der Bevölkerungsanteil wollen auch ein Bewusstsein für diese die einfach dafür sorgen, dass ein kritisiert. Auch hier wurde Ihres der Menschen mit ostdeutschem persönlichen Geschichten erzeugen: größerer demokratischer Nährboden Theresa Brüheim: Herr Bollert, Sie Erachtens in der allgemeinen Hintergrund spiegelt sich eben nicht Menschen in Ostdeutschland mussten entsteht. Der muss sich natürlich erst sind Mitinitiator von »Wir sind Medienberichterstattung nicht an Journalistenschulen oder in Re- ihr Haus abgeben, weil es Restituti- entwickeln. Das musste er auch erst der Osten«. Warum haben Sie vor diff erenziert genug auf Sachsen- daktionen wider. Und das merkt man onsansprüche gab. Menschen in Ost- in den westdeutschen Bundesländern rund zwei Jahren diese Initiative Anhalt geblickt – und das Bundes- leider in vielen Berichten, die dann deutschland sind nach der Wiederver- nach . Uns geht es darum »Role mitgegründet? Welche Idee steht land beispielhaft für »den Osten« sehr, sehr weit weg von der Lebens- einigung arbeitslos geworden, manch- Models« zu zeigen, das heißt Men- dahinter? angeführt. Wieso hat sich da realität der Leute sind. mal beide Elternteile. Menschen sind schen eine Plattform zu geben, die Christian Bollert: Zuerst ist wichtig, – spätestens seit der Europawahl – aus Ostdeutschland weggegangen, sich z. B. in der Altmark für ihren Ort dass der Grundimpuls für die Grün- immer noch nichts geändert? Wie gehen Sie das mit »Wir sind weil sie keine Jobperspektiven mehr engagieren, was dazu führen kann, dung von »Wir sind der Osten« von Ich glaube, es ändert sich schon der Osten« genau an? Was sind hatten. Diese ganzen persönlichen dass andere Leute erfahren, was das Melanie Stein kam. Sie hat mich vor Stück für Stück etwas. Wir sehen, Ihre Ziele in diesem Rahmen? Geschichten sind in meiner individu- Besondere – städtebaulich und histo- ziemlich genau zwei Jahren nach dass unsere Arbeit Früchte trägt Provokant gesagt, wollen wir uns ellen Wahrnehmung bisher oft zu kurz risch – dort ist, oder die im Erzgebirge der Europawahl angerufen. Denn und dass es viele andere Initiativen selbst überfl üssig machen. Wir wollen gekommen – und werden erst in den demokratische Initiativen aufbauen. sie wunderte sich, dass nach fast je- und Menschen gibt, die mittlerwei- zeigen, dass natürlich auch in den letzten Jahren immer präsenter. Diesen Menschen einfach ein Gesicht der Wahl pauschal über den Osten le – im Jahr  – doch mehr Gehör ostdeutschen Ländern der absolute Anfangs hat man sich – auch völlig zu zu geben, ist unglaublich wichtig. So berichtet wird – nach dem Motto: fi nden als noch vor zwei oder erst Großteil der Menschen demokratisch Recht – erst mal auf die großen Linien können die oft schablonenhaften »So ist der Ossi.« Solche Schlag- recht vor fünf Jahren. Es gibt einen und progressiv an der Zukunft arbei- gestürzt: Kalter Krieg, Stasi, Diktatur, Erklärungsmuster durchbrochen wer- zeilen gab es ernsthaft. Daraus ist Bewusstseinswandel. Aber häufi g tet, neue Ideen hat, an der Digitali- Treuhand. Erst in den letzten drei, den. Denn es gibt eben viel, viel mehr vier, fünf Jahren gibt es immer mehr als die frustrierten Wähler, die popu- Dialog zwischen den Generationen – listische Parteien wählen. und auch zwischen Menschen, die in den westdeutschen und ostdeutschen Erklärtes Ziel von »Wir sind der Bundesländern aufgewachsen sind. Osten« ist es, wie erwähnt, die Dort entsteht erst jetzt ein Gespräch Berichterstattung in den Medien auf persönlicher Ebene, das aus mei- zu verändern. Was fordern Sie kultur ner Sicht unabdingbar ist, damit wir konkret von den Medien diesbe- irgendwann eben nicht mehr so oft züglich? und intensiv über diese Unterschiede Es geht auch da nur über Repräsen- diskutieren müssen. tanz. Wir brauchen in den Redaktio- Ich z. B. lebe in Leipzig – wenn man nen, und vor allem natürlich in den so will – in einer gewissen Blase: Die Entscheidungsebenen, Menschen mit stellen allerallermeisten Menschen hier, ostdeutschen Biografi en – oder Men- auch die nicht aus den ostdeutschen schen, die lange Zeit in Ostdeutsch- Ländern kommen, haben sich mit der land gelebt haben, die Probleme ver- Vergangenheit auseinandergesetzt. stehen und sich seit Jahren mit den Ich habe erst diese Woche ein solches Menschen hier auseinandersetzen. Erlebnis gehabt: Eine Kollegin hat in Es wird auf Dauer nicht möglich sein, markt der Redaktion erzählt, wie ihre Eltern eine sinnvolle Berichterstattung über www.nmz.de/stellenmarkt  gefl ohen sind. Dabei haben die ostdeutsche Länder ausschließlich Print & Online Kollegen mit westdeutschem Hin- aus Köln, Hamburg, München oder seriös – aktuell tergrund die Geschichte mit off enen Berlin-Mitte zu machen. Das geht am Mündern angehört, weil sie so etwas Ende nur über Menschen, die aus die- seit 70 Jahren noch nie persönlich erzählt bekom- sen Regionen kommen. Entsprechend men haben. Und das passiert, je weiter müssen die auch gefördert werden, man von den ostdeutschen Bundes- dass sie ansatzweise so repräsentiert ländern wegkommt, nicht mehr so werden, wie sie auch in der Bevölke- häufi g. Ich höre das von vielen Leuten, rung vertreten sind. Dann kann es auf die bei »Wir sind der Osten« mitma- lange Sicht auch gelingen. chen. Sie sagen z. B. »Ich bin erst in Im vergangenen Jahr haben wir ganz Hamburg zum Ossi geworden« oder bewusst unsere Initiative noch mal »Ich dachte eigentlich, das spielt gar erweitert um den Punkt »Rüberge- keine Rolle«. macht«. Hier stellen wir Menschen vor, die nicht in den fünf ostdeut- Der Dialog ist unabdingbar, da schen Bundesländern geboren sind, stimme ich natürlich zu. Sind Sie aber diese auch repräsentieren. es trotzdem manchmal leid, »den In diesem Sommer werden wir im Osten« immer wieder erklären zu Vorfeld der Bundestagswahl gucken, müssen? dass wir engagierte Politikerinnen Ja, ganz klar. Ich kann es auch nicht und Politiker auf der Plattform ein- ganz verstehen, dass es z. B. nach binden. Natürlich wollen wir auch die Landtagswahlen immer wieder diesen Menschen zeigen, die sich ganz kon- Impuls gibt zu sagen: »Bitte erklä- kret im politischen Raum engagieren. ren Sie doch mal ›den Ossi‹« Das ist Da arbeiten wir gerade an neuen natürlich Quatsch. Da müssten wir Formaten und Ideen. Das als kleiner mittlerweile einen Schritt weiter sein. Ausblick. Ich muss zugeben, dass ich nach der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt Vielen Dank. www.nmz.de entsetzt war, dass es immer noch die gleichen sehr einfachen Erklärungs- Christian Bollert ist Journalist, neue musikzeitung versuche sind, die angewendet wer- Moderator, Unternehmer und Gründer den, anstatt sich mit der komplexen des Podcast-Radios detektor.fm. Realität auseinanderzusetzen und zu Theresa Brüheim ist Chefi n vom Dienst versuchen, nicht die einfachen Ant- von Politik & Kultur Politik & Kultur | Nr. -/ | Juli/August  OSTWESTPERSPEKTIVEN 31

auch in der Bildung spontaner Bürger- komitees, die dann eigenmächtig die Kasernentore öff nen ließen, »oder eben jene Erfurter Frauen, die am . Dezem- ber die erste Bezirksverwaltung des MfS schlossen und versiegelten«. Drei Tage später nahm in Berlin der Zentrale Runde Tisch seine Arbeit auf, Hunderte kommunale und fachspezifi sche Runde Tische wurden gegründet, die Entschei- dungen trafen, die bis weit in das Jahr  wirkten. Die staatliche Leitung war geschwächt und vielerorts außer Kraft gesetzt: Revolution! Dass diese eine friedliche blieb, lag auch an der Bereit- schaft der anderen Seite, sich dem Pro- zess der Demokratisierung zu fügen. Die Gesellschaft organisierte selbst. Politik ohne Politiker, vor allem ohne Hilfe aus dem Westen. Und: ohne CDU. Noch im November  veröff ent- lichte das Mitgliederjournal »Utm« (Union teilt mit) die Namen von CDU- Mitgliedern, die »für ihre Verdienste um die weitere Ausgestaltung der ent- wickelten sozialistischen Gesellschaft (…) anlässlich des . Jahrestages der Gründung der DDR« mit dem Großen Stern der Völkerfreundschaft, dem Nati- onalpreis III. Klasse oder wenigstens der Medaille für ausgezeichnete Leistungen prämiert worden waren. Bei den Kom-

FOTO: PICTURE ALLIANCE / DPA | GESELLSCHAFT FÜR ZEITGESCHICHTE FÜR GESELLSCHAFT | DPA / ALLIANCE PICTURE FOTO: munalwahlen am . Mai  hatten sich Friedliche Revolution: Menschen am . Dezember  in der Stasi-Zentrale in Erfurt DDR-weit mehr als . Mitglieder der Block-CDU als Kandidaten aufstel- len lassen, was eine gute Basis gewesen wäre, um gegen den Wahlbetrug der SED zu protestieren. Das taten andere, und Woher kommt der Zorn im Osten? zwar über Monate. Mit anderen Worten: In der Friedli- Über die gestörte Erinnerung an eine Republik, deren Namen wir nicht mehr aussprechen chen Revolution spielte die Christlich Demokratische Union mit ihren Mit- KARSTEN KRAMPITZ gar nicht der »Unrechtsstaat«, was gigen«. In seiner Rede zur Verleihung bleiben als »unterirdisches Wissen« gliedern und Funktionären keine Rolle. nicht heißen soll, dass es in diesem des Lessing-Preises sagte Hilbig : erhalten. Und mit der Zeit entwickeln Hierin liegt auch der Hauptgrund dafür, at es die DDR überhaupt gege- Staat kein Unrecht gegeben hat. Doch »Vielleicht wird uns eines Tages die die verdrängten Gedanken, Gefühle und dass sich ihre Erinnerungspolitik auf den ben?«, fragte Ende der er das berühmte Adorno-Aperçu mit Blick Erkenntnis kommen, dass erst jener Erinnerungen ein destruktives Eigenle- Mauerfall fokussiert, auf Helmut Kohl H Jahre der unvergessene Peter auf die Nazizeit: »Es gibt kein richti- Beitritt zur Bundesrepublik uns zu den ben. Die Erinnerung, die man eigentlich und die Wiedervereinigung. – Dass es Ensikat. Die Diktatur-Debatte war voll ges Leben im falschen« will so gar nicht DDR-Bürgern hat werden lassen, die vergessen wollte, ist jederzeit bereit, aus einmal eine Zeit und ein Land gegeben im Gange, allerdings in zwei getrennten auf die DDR-Verhältnisse passen. Denn wir nie gewesen sind, jedenfalls nicht, dem Orkus wieder aufzusteigen und den hat, wo Berufspolitiker nicht gebraucht Diskursen – Ankläger oder Apologeten was auch immer man dem SED-Staat solange wir dazu gezwungen waren.« sich dunkel erinnernden Menschen zu wurden, daran mag heute kein Repräsen- des SED-Staats. Die einen erzählten vorwerfen kann, er war an keinem An- Die DDR war eine Diktatur, aber quälen, als wäre die Gegenwart nicht tant erinnern. Dann schon lieber an Feu- die Geschichte von ihrem Ende her griff skrieg und an keinem Völker- und nicht nur. Wenn sich nach ihrem Ende schon schlimm genug. Viele Ostdeut- erwerk und Zapfenstreich zum »Tag der und betonten die Unterdrückungsme- Massenmord beteiligt. Dennoch wird über Jahrzehnte hinweg die übergroße sche fühlen sich erschöpft vom Wan- Einheit«, der ja das Werk der Politik ist. chanismen. Während die andere Seite die DDR fortwährend in eine Linie mit Mehrheit der Menschen, die in diesem del ihrer Lebenswelt – vom Kahlschlag Nur haben sich die Ossis ihre De- ihre Erzählung mit der Staatsgründung der NS-Zeit gestellt. Land gelebt haben, im staatlich pos- der Nachwendezeit, der Digitalisierung, mokratie selbst gegeben. Binnen we- begann als antifaschistisches Aufbau- Bedauerlicherweise hat es in der tulierten Geschichtsbild nicht wie- Globalisierung und dann noch Corona. nigen Monaten hatte sich die kleine werk gescheiterter Versuch einer sozial Bundesrepublik Deutschland nie eine derfi ndet, dann hat das für die innere Früher oder später passiert es: Der Republik in einen demokratischen gerechten Gesellschaft. Der außeror- Enquete-Kommission zur Aufarbeitung Verfasstheit der Gesellschaft Konse- Mensch beginnt zu hassen. Denn Hass deutschen Staat gewandelt, mit de- dentliche Eifer, mit dem beide Seiten der Hitlerdiktatur gegeben. Deren Ar- quenzen. Ein Leben, das nicht erzählt betäubt den Schmerz. Ähnlich den mokratisch legitimiertem Parlament argumentierten, ohne dass sich die Dis- beitsergebnisse hätten die Absurdität werden kann, macht Menschen krank. Schuldgefühlen wird auch der Hass und einer Regierung, die im Auftrag der kurse auch nur ansatzweise miteinander solcher Vergleiche deutlich gemacht. nicht immer dort verarbeitet, wo er ent- Mehrheit ihrer Bürger Verhandlungen vermengten, lässt sich nicht allein mit Das Satiremagazin Titanic brachte vor steht. Die Feindbilder sind austausch- mit der Regierung der Bundesrepublik Die andere Seite der Erinnerung einem Interesse an der Aufarbeitung vielen Jahren das Absurde solcherart bar: Flüchtlinge, Juden, Schwule oder Deutschland führte sowie mit den Sie- erklären. Bis heute verspricht die Deu- Gleichsetzung auf den Punkt:  Jah- Das kollektive Gedächtnis der Ost- einfach nur Wessis. germächten der Anti-Hitler-Koalition. tungshoheit zur DDR-Geschichte einen re brutale Freiheitsverweigerung in deutschen war schon in der DDR ge- Die DDR ist nicht untergegangen, wie beachtlichen Stellungsvorteil im Ringen der DDR hätten in etwa so viele Tote spalten: in einen erzählbaren und in immer kolportiert wird, sondern frei Marco Wanderwitz um die kulturelle Hegemonie. Wer die produziert wie Auschwitz in einer Mit- einen dunklen Teil, den man besser und souverän am . Oktober  in al- geistige Lufthoheit besitzt, gewinnt tagspause. verschwieg. Die eine Hälfte erzählte Wenn heute nun der Ostbeauftrag- ler Form der Bundesrepublik Deutsch- Wahlen. Allerdings erinnern die Bücher Die SED-Diktatur soll hier nicht ver- von Verfolgung und Widerstand wäh- te der Bundesregierung, namentlich land beigetreten. Wenn nun jedes Jahr und Artikel vieler Politikwissenschaftler, klärt, die Stasi nicht verharmlost wer- rend der Nazizeit – eine Erinnerung, Marco Wanderwitz, den Ostdeutschen, die Wiedervereinigung gefeiert wird, ist Theologen und Ex-Bürgerrechtler an den. Geschichte aber muss als Ganzes die nur die wenigsten hatten –, wäh- die viele Jahre zum großen Teil CDU von diesem zweiten demokratischen das Schneidergewerbe, wo der Stoff so angenommen werden. Allein mit den rend die andere Hälfte der Erinnerung gewählt haben, ein Demokratiedefi zit Staat auf deutschem Boden nie die Rede. lange »aufgearbeitet« wird, bis er passt. Denkfi guren Täter, Mitläufer und Opfer schweigen sollte: von der individuellen attestiert, ist das eine Verhöhnung, die Will heißen: Seit über  Jahren wird Geschichte aber, wie es sich tatsächlich lässt sich der Alltag in der DDR nicht Verstrickung in den Terrorapparat der ihres Gleichen sucht. Einmal abgesehen in den Feiertagsansprachen der Politik zugetragen hat, ist immer komplizierter wirklich erzählen. Und was Adorno be- Nazis, von den Verbrechen der Männer davon, dass keine Frauenbeauftragte die der freie Wille der DDR-Bürger, d.h. ihre und widersprüchlicher als unsere Fähig- triff t: Selbstverständlich haben viele im Krieg und von der Vergewaltigung Frauen derart kritisieren würde, keine historische Leistung, missachtet. – Da keit, davon zu berichten. Erst recht in Menschen in diesem Land ein »richtiges so vieler Frauen bei Kriegsende. Die Wehrbeauftragte sich in dieser Weise öf- muss sich niemand wundern, wenn der Deutschen Demokratischen Repub- Leben im falschen« geführt. In Ostber- Mehrheit der Deutschen war am . Mai fentlich zur Truppe äußern würde, zeugt umgekehrt immer mehr Ostdeutsche lik, deren Name heute nach Möglichkeit lin, Dresden oder Rostock wurde genau-  nicht befreit worden, die Armeen die Aussage des CDU-Politikers von die Politik verachten. nicht mehr ausgesprochen oder ausge- so Brot gebacken, wurden Häuser ge- der Anti-Hitler-Koalition haben die einem gestörten DDR-Geschichtsbild. schrieben wird und dessen Kürzel immer baut und kranke Menschen gepfl egt wie Deutschen besiegt. Diese kollektive Ge- In seinem Einzugsgebiet hat es schon Karsten Krampitz ist Schriftsteller und mit dem Vorwort »ehemalige« versehen in westdeutschen Städten. Auch in der dächtnisspaltung setzte sich nach  eine Demokratie gegeben, lange bevor Journalist wird – was nur logisch ist, weil ich ja DDR haben Eltern ihre Kinder geliebt, fort – mit Folgen, die wir heute deutlich Wanderwitz seine vielversprechende auch von meinem toten Großvater als waren Menschen glücklich. Freilich: zu spüren bekommen. Die Filterung wie Politkarriere beginnen durfte … »ehemaligen Opa« rede. Es hat Repression gegeben, politische auch die Verdrängung der Geschichte Der ehemalige BasisDruck-Verleger ZUR RUBRIK Verfolgung – infolge der Wiederverei- haben in Ostdeutschland über Genera- Klaus Wolfram erinnerte  in sei- nigung aber auch die Entwertung von tionen hinweg eine tiefenpsychologi- ner Rede vor der Berliner Akademie In der Beitragsreihe »Ost-West-Per- Kein praktikabler Herrschafts- Millionen Arbeitsbiografi en. Durch die sche Dynamik entwickelt. Historische der Künste an das letzte Jahr der DDR: spektiven« werden anlässlich des . begriff offizielle Erinnerungspolitik wurde Ereignisse, die nicht erzählt, nicht the- »Da war sie plötzlich, die große Zeit, Jahrestages des Mauerfalls im Jahr  Ungeachtet der vielen Wortmeldungen nicht nur der DDR-Staat im Nachhinein matisiert werden, so der österreichische das Wunderjahr. Sofort daran zu er- bis zum ebenfalls -jährigen Jubiläum fehlen uns im DDR-Kontext – im Unter- delegitimiert, auch das Leben der Men- Gedenkstättenpädagoge Peter Gstett- kennen, dass die Menschen den Kopf der Wiedervereinigung im vergangenen schied etwa zum Kaiserreich oder zur schen dort. Hinzu kamen die sozialen ner, verschwinden nicht einfach aus höher trugen, im Betrieb wie auf der Jahr Beiträge publiziert, die historische Weimarer Republik – immer noch die Verwerfungen der er Jahre, die eine unserer Gedankenwelt; die kollektive Straße, sie sahen einander ins Gesicht Ereignisse aus DDR und BRD themati- richtigen Worte respektive ein Wort: sachliche Aufarbeitung erschwerten. Erinnerung daran versinkt ins gesell- und ließen sich ansprechen. Off enheit sieren, den innerdeutschen Gemüts- ein praktikabler Herrschaftsbegriff. Und zwar Aufarbeitung im Sinne von schaftlich Unbewusste, wie in einen begann als eigene Handlung.« Was mit zustand nach der Wende erkunden, Parteidiktatur, Homunculus sovieticus, Aufklärung, nicht Vergeltung. Orkus, ein Totenreich, ein »schwarzes Massendemonstrationen anfi ng, habe persönliche Perspektiven aus Ost und autoritärer Fürsorgestaat – an Bezeich- Der Schriftsteller Wolfgang Hilbig, Loch«, das alle unterdrückten Ängste, bald schon seine Fortsetzung gefunden West schildern sowie vieles mehr. Alle nungen mangelt es nicht; als Konsens- der Ende August  Jahre alt geworden Wünsche und Erinnerungen etc. auf- in der Absetzung von Bürgermeistern, bisher in Politik & Kultur erschienenen begriff in der Gesellschaft durchgesetzt wäre, geißelte die Folgen der Wieder- nimmt. Das Problem dabei: Die Energi- in der Neuwahl von Werksleitungen Beiträge aus dieser Reihe stehen hier hat sich keiner dieser Termini, schon vereinigung als »Unzucht mit Abhän- en des nicht verarbeiteten Geschehens durch Belegschaftsversammlungen wie zum Nachlesen bereit: bit.ly/XJSKE 32 DAS LETZTE www.politikundkultur.net

Kurz-Schluss Wie ich einmal dem Literatur-, vor allem aber dem Streaming-Markt einen sensationellen realitätsnahen Plot anbot

THEO GEIẞLER fossilen Grundstoff en zu entwickeln. tur durch den Wegfall von Kunststoff en, Und so entstanden statt Silicon Valleys Die Motorsteuerung und Lenkung Schluss mit Diesel, Benzin, Kerosin gewissen Halbleiterpartikeln etc. und jede Menge ökologisch einwandfreie muss das bescheuerte Resthirn eines Wir schreiben ungefähr das Jahr  etc. In den Orkus mit allen Formen damit den Zusammenbruch der Chip- Laus-Täler. Den Teams aus den Be- Formel-E-Piloten übernommen haben. nach Gretas Geburtstag. Ich versu- von Kunststoff en auf der Basis dieser Produktion genommen. Ausgerechnet reichen Hirn-und-Nerven-Forschung Jedenfalls donnerte das Gefährt nach che diese zeitliche Unschärfe, so gut Materialien. Es waren Biologinnen und die Fraktion der Insektologen lieferte sowie Neuro-Transmitter-Exploration wenigen Kilometern mit erheblicher ich kann, zu erläutern: Nach der ver- Biologen, Teams aus den Bereichen einen dem Paragrafen  angemesse- gelang – je nach Zustand und Restla- Geschwindigkeit gegen einen Baukran. mutlich durch Liechtensteiner Banker Kerbtierzählung, Neuro-Transmitter- nen Lösungsansatz. Während einer dung zugelieferter menschlicher Gehir- Nächste Zwischenstation: Schrottplatz. fi nanzierten Entwicklung des C-Fraß- Exploration und die Eiweiß-Ersatz-For- (natürlich mechanisch betriebenen) ne aus den bisherigen Minderfl eisch- Hier warte ich nun auf die berüchtigte Virus durch monegassische Chemo- schungsabteilung von McDonalds und mit uralten er-Platten musikalisch Containern der Tönnies-Werke – durch große Presse. Aber vielleicht wird dann Spekulanten und die darauf folgende Tönnies, die gemeinsam nach Analyse bestückten Grammofonparty aus Anlass Exzerpte unterschiedlicher Hirnlappen, ja aus mir ein Mikrochip … plötzliche Vernichtung aller globalen des antiken Dokumentarfi lmes »Soy- des . Geburtstages von Professor Berd Verdrahtung und Konservierung in Soweit mein – wie ich fi nde – geni- kohlenstoff basierten Energiequellen lent Green« aus dem Jahr  (Regie Bodenplatte, Spezialist für fl ügellose Schellack die Genese chipähnlicher, aler in den Zeitgeist komponierter Plot (einschließlich der Diamanten!) ent- – Nomen est omen: Richard Fleischer) Kerbtiere und zu Studienbeginn wegen steuerbarer Schaltelemente aller Art. für eine vielteilige Buch- oder Video- stand in den späten Dreißigern des den rettenden Grundeinfall hatten. Überfüllung des Semesters zunächst für Manche (die etwas teureren) erhielten serie, am besten für beides. Richten Jahrhunderts nach damaliger Zählung Ethische Grundthese: Was der Mensch alte Sprachen eingeschrieben, rief die- mögliche Mehrfachfunktionen und Sie Ihre Anfragen mit konkreten Ho- weltweit ein Notstand, der durch den durch Dummheit, Gier und falscher ser nach dem elften Glas Plasmawhisky konnten in verschiedene – nennen wir norarangeboten an die »Zeitschrift für von Nordkorea versehentlich in Gang Wachstumsideologie auf diesem Pla- plötzlich: Heureka! – und begann halt- es »Maschinen« – eingebaut werden. politische Zukunft und Futur-Kultur« gesetzten Uranfraß noch verschärft neten versaubeutelt hat, soll er, soweit los zu kichern. Dies ist der Moment, in dem ich zu Händen von ... wurde. Weder Wind-Dynamos noch So- überhaupt noch möglich, mit seiner ei- Seine – rein naturwissenschaftlich wieder persönlich ins Spiel komme. larstrom, geschweige denn die weltweit genen dürftigen Substanz reparieren ausgebildeten Kolleginnen und Kollegen, Nicht wegen eines Hirn-, sondern we- spärlich vertretenen Wasserkraftwerke, helfen. Paragraf ! weder des Altgriechischen noch der Wis- gen eines Herzschlages geriet ich im konnten den Zusammenbruch der in Beispielsweise sorgte die McDo- senschaftshistorie kundig, wollten ihm reifen Alter von fast  Jahren in die Kraftlosigkeit erschlaff ten Industrie, nalds-Tönnies-Fraktion in der Verbli- zu Hilfe eilen. Denn Bodenplatte war sinnvolle ökologische Zweitverwertung. geschweige denn der elektronischen chenenverwertung mit zunehmend als Schluckspecht bekannt, der schon Etliche überraschend kalkarme Teile Kommunikationsstrukturen, aufhalten. geschmackvollen Varianten im »Soylent mal über die Stränge schlug. »Halt, nein, meines Gedächtnisspeichers erwiesen Rückfall in die Steinzeit? Green«-Style für die Schließung von stopp, ihr Ignoranten«, rief er, »ich hab’s, sich als funktionsfähig. Und so wurde Gottlob hatten schon seit Beginn Volksernährungslücken (dank der Auf- den Stoff , aus dem die Chips der Zukunft ich – besser meine Hirnlappen – so- der zweiten Klimarettungswelle fi n- bereitung von Nieren- und Blasenstei- sind. Es handelt sich um toll isolierende larstromgespeist und fest in Schellack dige Tüftlerinnen und Tüftler unter- nen wurden auch Vegetarier bedacht). Läusekacke, die in wenigen, biologisch verpackt in ein Selbstfahrer-Auto ein- schiedlicher Fachgebiete begonnen, Einen besonderen Schaden allerdings voll verantwortbaren Veredlungsschrit- gebaut. Nicht etwa um es zu steuern, Alternativen zu den schwindenden, hatte jedwede sonstige Produktion und ten zu wunderbarem, vielseitigst ein- vielmehr um Scheibenwischer und Theo Geißler ist Herausgeber von luftverpestenden, hitzeerzeugenden die notwendige Kommunikationsstruk- setzbaren Schellack umgeformt wird.« Schiebedach zu bedienen. Mein Pech: Politik & Kultur

TAUBENSCHISS  DIE P&K FAKENEWS

Berlin: Bild-Blog-Chefredakteur Mo- Jugendlichen zugänglich sind und in ritz Tschermak hat ein Problem mit denen Sexualität dargestellt wird, die der Arbeitsweise der Bild-Zeitung. von der heterosexuellen abweicht. Or- Mit seinem Blog und einem Buch bán: »Ich fi nde Sexualität überhaupt (»Das Bild-Bilderbuch – tausend Na- schmutzig und werde sie verbieten. ckedeis«) versucht er, die Defi zite in Meine Ehefrau habe ich vor der Ge- der Berichterstattung des Boulevard- burt unserer vier Kinder kaum geseh en, blatts sichtbar zu machen. Dazu hat nicht angerührt. Sie hat das allein dank er letzte Woche auf die elektronische Zellteilung geschaff t.« Druckplatte der Seite  ein vierspal- tiges braun eingefärbtes Foto von Wuppertal: Mit dem Programm »Di- Björn Höcke geschmuggelt mit der gitale Performance« fördert das NRW Unterzeile: »Der Führer nach Beginn Kultursekretariat seit  Projekte, des Russland-Feldzuges. Foto: Moritz die technologisch und narrativ di- Tschermak.« Tags darauf erhielt er das gital ausgerichtet sind. Häufi g fehlt Angebot, die Print-Bild-Chefredaktion Projekten im Bereich der Digitalität zu übernehmen. die notwendige eigene Logik, also eine besondere Dramaturgie. Angesichts Budapest: Der ungarische Minis- der wachsenden Bedeutung digitaler terpräsident Viktor Orbán hat eine Kultur sollen mit diesem Call wei- Rücknahme des umstrittenen Gesetzes tere Anreize für neue Konzepte und zur Einschränkung der Informations- Ideen gesetzt werden: Deshalb sind rechte von Jugendlichen in Hinblick Performancekünstler eingeladen, das auf Homosexualität und Transsexu- Potenzial von Erzähldramaturgien und alität ausgeschlossen. Das Gesetz sei Performance-Entwürfen, ganz oder bereits verkündet und in Kraft, sagte teilweise im virtuellen Raum, mithilfe Orbán. Das in der vergangenen Woche digitaler Devices zu erkunden. Voraus- vom ungarischen Parlament gebilligte setzung: Besitz eines Metall-Detektors, Gesetz sieht unter anderem ein Ver- eine Packung Papiertaschentücher bot von Büchern, Filmen und anderen zum Trocknen eventueller analoger

FOTO: KLAUS STUTTMANN KLAUS FOTO: Inhaltsträgern vor, die Kindern und Tränen und eine Narrativkapp. (Thg)

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