Michel Henri Kowalewicz Jagidlonen-Universität in Krakau

HERAUSFORDERUNGEN DER IDEENGESCHICHTE IN POLEN. AUFGABEN UND METHODEN EINER IDEENGESCHICHTLICHEN FORSCHUNG UND DIDAKTIK

1. PROLEGOMENA

Inwiefern der Ideenbegriff das philosophische Denken der Frühen Neuzeit geprägt hat, zeigten die Herausgeber des jüngst erschienenen Gemeinschaftsunternehmens der Leibnizpreis-Forschergruppe "Transformationen des Geistes: Philosophische Psychologie 1500-1750":1 Die Analyse der ausgewählten Texte der Hauptvertreter der frühneuzeitlichen philosophischen Debatten legt einen dynamischen Werde• gang des Ideenbegriffes vor. 2 Im 19. Jahrhundert allerdings spielen "Ideen" in allen kontinentaleuropäischen Philosophien eine große Rolle, insbesondere in der deut• schen. Von Kant und Hegel bis zu Dilthey und Husserl hat die Beschäftigung mit ihnen größte Bedeutung. Deutlich wird dies z.B. in Werktiteln der beiden letzt• genannten Philosophen, so etwa in Diltheys Ideen über eine beschreibende und zer• gliedernde Psychologie'3 und Husserls Ideen zu einer reinen Phänomenologie und Vgl. Ideen. Repräsentationalismus in der Frühen Neuzeit, 2 Bde, hg. von D. PerlerlJ. Haag, BerlinINew York: de Gruyter 2010. Der erste Entwurf dieses Textes entstand im Mai 2012 und wurde von Herrn Prof. Dr. Gunter Scholtz und Herrn Prof. Dr. Karl Acham sprachlich und inhaltlich korrigiert. Sie haben insofern wesentlich zur hier vorgelegten Form beigetragen. Der Text gewann durch die wich• tigen Eingriffe der bei den Ideenhistoriker enorm, worur ich auch an dieser Stelle meinen besonderen Dank aussprechen möchte. 2 Ein wegweisendes Vorhaben lag Dominik Perlers und Johannes Haags Projekt zum Ideenbegriff als Zeichen des Repräsentationismus in der Frühen Neuzeit zugrunde. Ihnen ging es um die Deutung des Ideenbegriffes anhand von elf Vertretern der Frühen Neuzeit. Es ist bedauerlich, dass die gesamte Analyse nur auf der Basis der übersetzten Quellen vorgenommen wurde und die Kommentare sich insofern nur auf die schon übersetzten, interpretienen Texte und Kontexte beziehen. Die Sprach• subtilitäten gingen damit verloren, die Kontexte wurden an die Konventionen der deutschen Sprache angepasst und das Denken "in der Sprache" und "durch die Sprache" völlig außer Acht gdassen. Heinz Wismann machte vor Kurzem die Schwierigkeiten des "penser entre les langues" deutlich. Vgl. H. Wismann: Pemer entre les /angues. Paris: Albin Michd 2010. 122 Michel Henri Kowalewicz phänomenologischen Philosophie. 4 In Anbetracht dieser Tatsache wäre es sonderbar, den Ursprung der Erforschung von "Ideen" ausgerechnet in die USA zu verlegen. Ebenso seltsam wäre es allerdings, die Wurzeln der Ideengeschichte in Polen zu suchen. Die dank der Unterstützung der UNESCO im Jahr 1965 erstmals publizierte Zeitschrift The International Directory ofPhilosophy and Philosophers gehört zu den wichtigsten internationalen Organen, die die Aktivitäten von Philosophen aus über 130 Ländern dokumentieren. Zusammen mit dem Philosophy Documenta• tion Center in Charlottesville, VA (USA) stellt es eine unentbehrliche Grundlage für die wissenschaftliche Kommunikation dar. Sechs Spezialgebiete, die unter den 195 aufgezählten Fachbereichen dieses internationalen Verzeichnisses erscheinen, verweisen auf die Geschichte: Ideengeschichte, Geschichte der Logik, Geschichte der Medizin, Geschichte der Philosophie, Geschichte der Religion und Wissen• schaftsgeschichte. 5 Das erste der erwähnten Spezialgebiete ist keineswegs neu und hat vor allem in Deutschland, Frankreich, Italien und Großbritannien bereits im 19. Jahrhundert namhafte Repräsentanten. Sie schenkten den Ideen in ihrem Lebenszusammen• hang Aufmerksamkeit, auch wenn die Schriften jener Autoren nicht ausdrücklich unter dem Etikett "Ideengeschichte" firmieren. In den USA geht die Ideengeschichte unter ebendiesem Namen auf ein Projekt der Philosophischen Fakultät der von 1918 zurück: Studies in the History o/Ideas. 6 Ihr institutionelles Gefüge gewann die history o/idcas aller• dings dank der Bemühungen von Arthur Oncken Lovejoy, der 1919 erstmals das Konzept der Ideengeschichte (im Rahmen seiner Vorträge über an der ) aufgriff und 1923 den ersten "History ofIdeas Club" an der in ins Leben rief. Die Initiative von

3 Vgl. W. Dilthey: Ideen über eine beschreibende und zergliedernde Psychologie. In: Sitzungsbmchte der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften zu 54 (1894), S. 1309-1407. 4 Vgl. E. Husserl: Ideen zu einer reinen Phänomenologie und phänomenologischen Philosophie. Halle (Saale): Max Niemeyer 1913. 5 Vgl. [07.05.14]. 6 Vgl. Studies in the History o/Ideas, hg. von "The Department ofPhilosophy of Columbia University", New York: Columbia University Press 1918. Die Herausgeber der ersten Ausgabe formulierten ihr Programm folgendermaßen: "The present volume of studies in the history of philosophy expresses the desire of those who are or have been identified with work in philosophy at Columbia to encourage research and the exercise of historical imagination, and to contribute something to the work being done in this department ofhuman interest. The tide of the volume represents, however, a larger field of inquiry than the matter here included would indicate, a field in which others than philosophers are engaged and in which it appears that ideas have a history and that their history is influenced by contact with lines of experience not commonly called philosophical. The contributors have a sense of their obligation to co-workers in other branches, and wish to encourage and invite their collabo• ration. The volume, it is hoped, will be accepted as expressing the wish to cooperate with similar en• terprises elsewhere in the endeavor to increase Americas contribution to the history of culture." Vgl. Prefatory Note, in: ebd.