<<

Reinhard Giebel – Nicht vergessen! REINHARD GIEBEL

Nicht vergessen!

Essays

Reinhard Giebel ist in Göttingen geboren. Er ist Pianist und war Mitbegründer des Gunter Hampel-Quintetts. Piano-Solokonzerte, Veröffentlichung von 5 LPs und 6 CDs Musik zu Kurzfilmen, Theatermusik, Hörspiele Im NordPark Verlag erschienen bisher: »Aufregung in Kassel« TV-Collagen »Zwölf Ausflüge« Geschichten »Abschied von Frankfurt« Musik-CD N O R D P A R K Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Inhalt Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Die Besonderen Hefte im N O R D P A R K V E R L A G Alfred Miersch Klingelholl 53 42281 Wuppertal Gesetzt in der Palatino © Reinhard Giebel, 2014 Alle Rechte vorbehalten ISBN: 978-3-935421-98-0 INTRO 7 www.nordpark-verlag.de ABBOTT & COSTELLO 10 HELMUT KÄUTNER 19 Die Besonderen Hefte werden eigenhändig in der Werkstatt PAUL KUHN 24 des NordPark Verlages gesetzt, nach Bedarf in kleinen Auflagen RUSS FREEMAN & ANDRÉ PREVIN 29 gedruckt, dann handgefalzt und handgeheftet und in den GEORGE SHEARING 37 Schutzumschlag aus dem PASSAT-Vorsatzpapier des KARL HERMANN PILLNEY 43 Hamburger Papierherstellers Geese eingeschlagen. BRUBECK & DESMOND 48 USA FOR AFRICA 55 PET SHOP BOYS 66 RENÉ HIGUITA 70

Gedruckt auf dem Geese Werkdruckpapier Alster chlor- und säurefrei und alterungsbeständig entsprechend ANSI 3948 und ISO 9706. www.geese-papier.de

FSC zertifiziert SGS – COC –004030 www.fsc.org INTRO: WEGE ZUM JAZZ

Ernsthaften Kontakt mit der Musiksprache »Jazz« bekam ich als Jugendlicher mit mehreren Jahren Klavierunter- richt und etlichen Auftritten als Tanzmusiker [»Einmal am Rhein!«]. Gunter Hampel wohnte in der Nachbar- schaft und war mir im Gymnasium zwei Jahre voraus. Wir freundeten uns an, als wir feststellten, dass unsere Interessen ähnlich gelagert waren; beide hatten wir mit Klavier begonnen und gingen dann zu Holzblasinstru- menten (Saxofon und Klarinette) über, bei mir kam spä- ter das Akkordeon hinzu, bei Gunter das Vibrafon, seine große Liebe. Das Interesse an der Jazzmusik wurde damals – Ende der 1950er Jahre – geweckt und verstärkt durch folgen- de Einflüsse: • den Rundfunk • Live-Auftritte namhafter Bands • Schallplatten • Buchpublikationen • Kinofilme • Fernsehsendungen (in geringem Maße) Im einzelnen: • es gab viele verdienstvolle deutsche Rundfunksen-

7 dungen zum Thema Jazzmusik, aber die größte Ausstrah- Es gab manchen Sonntagnachmittag, an dem ich mit lung – auch terrestrisch – hatte seinerzeit ein Amerika- Gunter vor dem Plattenspieler saß und an dem wir ver- ner mit einer sonoren Stimme: Willis Conover mit der suchten, die Feinheiten aus den Aufnahmen großer ame- von ihm moderierten Sendung »Voice of America Jazz rikanischer Jazzer herauszuhören, der Genialität nachzu- Hour«, die – bei uns um Mitternacht – weltweit gehört spüren, mit der sie Standards oder eigene Kompositio- wurde. Willis war die Lichtgestalt; was er uns unnach- nen interpretierten, und zu verfolgen, wie sie ihre Im- ahmlich unaufdringlich nahebrachte, war die ultimative provisationslinien anlegten. Botschaft. • Sehr wichtig war ein Jazzbuch mit dem Titel »Das • Live-Auftritte amerikanischer Bands waren Anlässe, Jazzbuch« von Joachim-Ernst Berendt. unsere Herrgötter einmal aus der Nähe zu sehen. »Jazz at Der gebürtige Berliner und studierte Musikwissen- the Philharmonic« nannte sich ein Kompakt-Paket be- schaftler – der in Sachen Jazz auch im Rundfunk und im rühmter US-Musiker, das der Impresario Norman Granz Fernsehen aktiv war – schrieb im Jahre 1953 dieses Werk, nach Europa verfrachtete und das hier für volle Häuser das einen Nobelpreis verdient hatte. Kompetent, gut ver- sorgte. Die Haus-Begleitband war fast immer das Oscar ständlich, locker und spannend breitet Berendt die Jazz- Peterson Trio mit der Bass-Legende Ray Brown, dazu ka- geschichte aus, erläutert die Entwicklung der Stile und men Weltklasse-Solisten wie Tenorsaxofonist Stan Getz, porträtiert die wichtigsten Musiker. Dieses Buch, einige und zum Schluss gab es die große Jam Session aller Be- Male neu aufgelegt, hat neugierigen jungen Musikern teiligten. unschätzbare Dienste geleistet. Deutsche Bands waren nicht minder beliebt, vor allem, • Einige wenige Kinofilme wie die »Glenn Miller Sto- wenn sie aus der Frankfurter Sphäre stammten und sich ry« oder die »Benny Goodman Story« rundeten unser um den Posaunisten Albert Mangelsdorff formierten. Bild von Jazzgrößen ab, obwohl diese Filme für die ganze • Langspielplatten waren eine herrliche Quelle, fach- Familie und den Kinobesuch am Sonntagnachmittag ge- spezifisches Englisch zu lernen, weil die Covers unend- dacht waren und deshalb bei den Anhängern der »rei- lich viel Platz boten für Texte. Sie waren aber auch ein nen Lehre« auf erhebliche Vorbehalte stießen. sehr guter Kontakt zur Musiker-Szene, und schließlich waren die LPs das damals aktuellste Informationsmedi- um, um einen Überblick über neueste Entwicklungen zu erhalten.

8 9 WHO’S ON FIRST: BUD ABBOTT AND ten Novität: Vom frühen Morgen bis nach Mitternacht präsentierte es zehn Vorstellungen pro Tag. Hier gab es eine bunte Auswahl an Spielfilmen zu se- hen, von 3teiligen »Dr. Fu-Man-Chu«-Serien bis zu seri- ösen Werken wie »Verdammt in alle Ewigkeit«. Ein sehr gemischtes Publikum war in den einzelnen Vorstellun- Die ersten zwanzig Jahre meines Lebens verbrachte ich gen auszumachen: Morgens Hausfrauen und Rentner, in Göttingen, einer kleinen Großstadt in Süd-Niedersach- mittags oft niemand – aber dann zur Spätvorstellung um sen, die seit jeher renommiert ist durch ihre Universität. 22 Uhr Schüler, Studenten und angehende Schauspieler, Die Nachkriegs-Kino-Spielpläne in meiner Heimatstadt von denen einer sich akribisch auf den jeweiligen Film wurden bestimmt von drei Faktoren: Einmal gab es beim einstellte, indem er ihn am Morgen unter die Lupe nahm, deutschen Normalbürger einen gehörigen Nachholbedarf sich Notizen machte und dann am Abend in leise Passa- an Gefühligkeit, Kitsch und Sehnsucht nach intakter gen und Sprech-Pausen hinein Zitate und Geräusche ein- Heimat, der vom deutschen Film mit Werken wie »Grün streute, die für eine aufgekratzte Stimmung sorgten und ist die Heide« gedeckt wurde, zweitens ließen sich die den Filmen häufig ihre beabsichtigte Wirkung nahmen. Besatzer ihr Recht auf Re-Education der deutschen Bevöl- Happenings, auf die man sich freuen durfte! kerung nicht nehmen und setzten drittens – damit ein- In der »Krone« lernte ich Film-Genres kennen, die hergehend – ihre kommerziellen Interessen durch, bei meine Vorstellungskraft ausgiebig beschäftigten: Science den Amerikanern identisch mit dem langen Arm Holly- Fiction-Filme aus den 1950er Jahren [»Atlantis«], ameri- woods. kanische Western wie aus dem Bilderbuch, B-Movies jed- Aus Berlin war ein Herr namens Krause [vulgo: Kino- weder Art. Krause] zugereist. Er richtete drei Kinos ein und sorgte Eine wichtige Entdeckung in jenen aufregenden Kino- für neuen Schwung. Das »Eden« war ein eher traditio- Tagen war für mich das amerikanische Komiker-Duo Ab- nelles Lichtspielhaus (das auch schon einmal sonntags bott and Costello. »Tom und Jerry«-Trickfilme zeigte), der »Stern« ein Rie- Die Art ihres Auftretens war für mich etwas Neues: Der sen-Palast (»Drei Münzen im Brunnen«, »In 80 Tagen um kleine, dickliche, sympathische Doofie mit ungelenken die Welt«) und die »Krone« ein kleines, versteckt liegen- Bewegungen, der fast alles falsch machte, und der kor- des Haus mit einer vor allem von jungen Leuten bestaun- rekte »Straight Man«, der sich eher schlecht als recht

10 11 durch die Schwierigkeiten des Lebens mogelte. Den sach- Comedy und Striptease. Hier konnten sich unbekannte lichen Partner akzeptierte ich mehr oder weniger, doch Talente entfalten und heranreifen, um dann unter Um- begeisterten mich vor allem die Frechheit des Kleinen, ständen für die großen Karrieren entdeckt zu werden. der irgendwie am Ende doch immer Recht bekam, und Bud & Lou arbeiteten hart auf ihrem Weg nach oben, seine Sprüche; später: seine Wendigkeit und die tänzeri- bewältigten eine Unzahl an Live-Auftritten und hatten sche Leichtigkeit seiner Bewegungen. eigene Radio- und Fernseh-Shows, bevor Hollywood rief. Noch später erfuhr ich, dass sie drei Jahre lang (1942, Dort dämmerte es einigen Bossen recht schnell, dass 1943 und 1944) Super-Kassenmagneten [Box Office Cham- Filme mit dem Team A&C ein sehr lukratives Geschäft pions] in Hollywood und willkommener Ersatz für Lau- versprachen. Vorwiegend für die Universal-International rel & Hardy gewesen waren, als deren Duo-Karriere ih- Pictures Inc. drehten die beiden in 17 Jahren insgesamt ren Höhepunkt überschritten hatte. 36 Spielfilme, bisweilen drei pro Jahr. Das war nur zu Bud Abbott (1895-1974) entstammte einer Zirkusfami- schaffen mit Hilfe ausgesuchter Drehbuch- und Gag- lie. Er arbeitete einige Jahre lang als Theatermanager und schreiber und durch häufige Rückgriffe auf Themen, mit nahm die Gelegenheit wahr, backstage die großen Komi- denen sie Erfolg hatten, wie die U.S. Army, Grusel-Ko- ker zu studieren, bevor er gelegentlich die Rolle des mödien und » Meet ...«. Dass solch Straight Man übernahm und dann ins Schauspielerfach ein Produktions-Tempo zu Lasten der Qualität gehen wür- wechselte. de, war unschwer vorauszusehen. Ernsthafte Versuche, Lou Costello (1906-1959) – geboren als Louis Francis dem Duo inhaltlich und thematisch ein schärferes Profil Cristillo – versuchte sich als Preisboxer, dann als Film- zu geben – ein Beispiel ist der Film »The Time Of Their Statist und -Stuntman, bevor er als Komiker erfolgreich Lives«, ein zweites, dass Lou Costello beabsichtigte, den wurde. Don Quixote-Stoff zu adaptieren – scheiterten an der Ent- Ab 1936 traten Abbott und Costello als Duo auf. Die schlossenheit der Universal-Verantwortlichen, ihre Geld- beiden begannen als -Komiker; als diese Insti- maschine weiter in Gang zu halten, ohne ein Risiko ein- tution – eine Art Bunter Abend mit Komikern, Sängern, zugehen. Das Publikum wurde mit A&C-Filmen regel- Tänzern und Artisten – durch das Aufkommen des Ton- recht überschwemmt: Während ein neues Werk entstand, films zum Sterben verurteilt war, boten sich ihnen neue wurde ein älteres in die Kinos geschickt, es gab Releases Chancen im Bereich der Burlesque – im Amerika der 30er und Re-Releases en masse. Jahre populäre Live-Shows, die eine Mischung boten aus Im November 1956 brach das Team auseinander. Nach

12 13 einem umjubelten abendlichen Auftritt in Las Vegas setzte Bud Abbott bildete 1961 für nur kurze Zeit ein Team sich Abbott an den Casino-Spieltisch und nahm während mit Candy Candido (einem Radio- und Night Club-Ko- der nächsten Stunden zu viele Drinks zu sich. Bei der miker) und probierte dabei mehr oder weniger, A&C Mitternachts-Show gab es ein Desaster, Costello musste wieder aufleben zu lassen. Ab 1967 beteiligte sich Bud an seinen betrunkenen Partner von der Bühne führen. der Vertonung einer Hanna-Barbera-Produktion von Für die Trennung hatten sich im Laufe der Jahre ver- insgesamt 156 Abbott und Costello-Cartoons: er lieh sei- schiedene Gründe angesammelt: Bud Abbotts Versuche, ner eigene Figur seine vertraute Raspelstimme. Die Prota- seine epileptischen Anfälle durch Alkoholkonsum zu gonisten der Zeichentrick-Serie hatten allerdings wenig überspielen; die gnadenlose Termin-Hatz; Lou Costellos gemeinsam mit dem echten Komiker-Team. Auffassung, nicht genügend anerkannt zu werden – so Bis Mitte der 80er Jahre konnte man A&C-Filme in wollte er das Team als «Costello and Abbott« angekün- Deutschland sehen, sie gehörten zum Repertoire der Fern- digt wissen; Lous Wunsch, endlich auch in dramatischen sehsender. Das hat sich geändert. Wenn man nach Grün- Rollen aufzutreten; lähmende Routine; die begründete den dafür sucht, bleibt als Hauptargument, dass sich 70 Angst der beiden, aus der Mode zu kommen, da eine Jahre nach ihrem Hollywood-Debut eben die Zeiten ver- nicht geringe Zahl von amerikanischen Stand-Up-Komi- ändert haben. In ihrer Epoche spielten sie relativ schlich- kern mit anderen Inhalten an die Öffentlichkeit trat; te Typen mit existentiellen Ängsten, gegen die sie mit schließlich das Alter der Akteure, das es ihnen erschwer- schlichten Mitteln ankämpften, der eine mit kindlichen te, physisch herausfordernde Parts überzeugend zu spie- Taktiken, der andere mit Strategien des älteren Bruders, len. der obendrein noch auf den »Kleinen« aufpassen muss- Nach der Auflösung des Duos gab es Versuche von te. Hat sich da wirklich so vieles geändert? Das Zeitlose beiden, ihre Karrieren fortzusetzen. Lou Costello inter- ihrer Darstellung wurde jedenfalls von prominenten Kol- pretierte im Fernsehen ein paar ernsthafte Rollen, die von legen gebührend gewürdigt. So rühmte Jerry Lewis die der Kritik positiv bewertet wurden, und fühlte sich wie beiden als »Pioniere, die den Boden bereiteten für die neugeboren. Dann ließ er sich überreden, in einem heutigen Komiker«, als »Perfektionisten« und »Meister halbwegs lustigen Film die Hauptrolle zu übernehmen: des Timing«, pries Bud Abbott als »größ- »The 30-Foot Bride Of Candy Rock« (1959). Der Film ten Stichwortgeber aller Zeiten«, für Mel Brooks war er wurde ein Flop. Alle weiteren Karriere-Planungen von Lou schlicht »ein Genie«, und Charlie Chaplin nannte Lou endeten mit seinem frühen Tod.

14 15 Costello 1941 »den gegenwärtig besten Komiker im Film- aufgeführt wurde. geschäft«. Es geht um Baseball, die Spieler erhalten Geheimna- men, die den Gegner verwirren sollen. Die Wortspiele Verglichen mit Größen wie Charlie Chaplin, Buster sind praktisch unübersetzbar! Der Sketch – auch Teil Keaton und den Marx Brothers waren Abbott und Costello ihres Films »« (1945) – ist zu ei- nicht die erfindungsreichen Künstler, die in ihren Rollen ner Ikone der amerikanischen Unterhaltungskunst unverwechselbare Charaktere ausprägten; sie waren Ko- geworden: Das Werk wurde von Time Magazine im miker, die auf burleske Routine-Versatzstücke und Ka- Jahr 1999 als bester Sketch des 20. Jahrhunderts aus- lauer bauten, dabei nie boshaft wirkten und – wie oben gezeichnet. »Who´s On First« ist Bestandteil der Hand- lung des Films Rain Man (1988, mit Dustin Hoffman). schon zitiert – das alles mit traumwandlerischem Timing • Abbott and Costello in Hollywood (1945) servierten. »They worked like a well-oiled machine«, schreibt A&C machen die Filmmetropole unsicher. Einige der amerikanische Filmkritiker Leonard Maltin. Dazu Schwächen des Drehbuchs werden ausgeglichen durch kam – und das hatten sie mit den Marx Bros. gemeinsam gelungene Duo-Auftritte. – dass ihre Filmscenen wie Live Acts aussahen, was eben • (1946) ihrer Vielzahl von öffentlichen Auftritten und der daraus Ein für das Team sehr ungewöhnlicher Film, mit ei- nem exzellenten Drehbuch und adäquaten schauspie- resultierenden Sicherheit zu verdanken war. So bleibt nur lerischen Leistungen, weg von den sicheren Pfaden der zu hoffen, dass es bald eine Abbott und Costello-Renais- Situations-Komik und Routine. Bemerkenswert: Ab- sance geben wird und ihre Filme wieder häufiger zu se- bott und Costello treten hier nicht als Duo auf. hen sein werden. • (1941) Für diejenigen Leser, die Abbott und Costello näher Unsere beiden Freunde erben ein Spukschloss. Eines kennenlernen möchten, gebe ich hier einige Empfehlun- ihrer besten Werke; sehr gut gemachter Slapstick. • Abbott and Costello Meet The Invisible Man (1951) gen; sie umfassen zwei Bücher, ihren bekanntesten Sketch Bud und Lou als Privatdetektive mit einem verzwick- und fünf Spielfilme: ten Fall, der sie ins Boxer-Milieu verschlägt. Mit erst- klassigen Special Effects. Der zweitbeste A&C-Film. • Abbott and Costello in Hollywood (by Bob Fur- • Abbott and Costello Meet Frankenstein (1948), manek and Ron Palumbo) Horror-Komödie • The Abbott & Costello Story (by Stephen Cox and Der beste Film des Duos, ein Film für die »Ewigkeit«, John Lofflin) das Werk, das von Abbott & Costello bleiben wird; • Who´s On First (1938) diese Komödie befindet sich auch in meiner Liste der Ein Sketch (als Video- und als Tondokument erhält- besten 25 Filme aller Zeiten. lich), der unzählige Male von den beiden Komikern

16 17 Die Handlung in wenigen Worten: IN JENEN TAGEN: HELMUT KÄUTNER »Die beiden Transportarbeiter Wilbur und Chick sol- len zwei Kisten mit Frankensteins Monster und Graf Dracula an ein Grusel-Kabinett ausliefern. Dieser Auf- trag erweist sich als aufregendes Abenteuer, weil sich die beiden angeblich toten Horror-Figuren plötzlich aus ihren Kisten erheben und das Weite suchen. Wil- Der Winter 1946/47 war ein sogenannter Rekordwinter bur und Chick nehmen umgehend die Verfolgung auf... « – Temperaturen unter 20º minus waren keine Seltenheit. (Ausschnitt aus einer Besprechung der Frankfurter Rund- Ich erinnere mich daran, dass in einigen Räumen in der schau vom 21.05.1982) Wohnung unserer Familie gewaltige Eiszapfen von der Diesen Film sah ich zum erstenmal in Hannover in Decke wuchsen. den 60er Jahren. Einer Zeitungsankündigung hatte ich Genau zu der Zeit begann der Regisseur Helmut Käut- entnommen, dass er in einem Kino am anderen Ende ner mit seinen Mitarbeitern einen Film zu drehen, der der Stadt lief. So setzte ich mich in eine leere Straßen- bahn, erreichte das Kino und erlebte den Film gemein- sich mit der soeben überstandenen Horror-Epoche des sam mit vier anderen Zuschauern in einer Nachmit- »Dritten Reiches« auseinandersetzte. tags-Vorstellung. Als ich während der Rückfahrt dem Helmut Käutner (1908 – 1980), Kabarettist, Schauspie- etwas neugierigen Straßenbahn-Fahrer den Grund ler, Drehbuchautor und einer der wichtigsten deutschen meiner Exkursion nannte, war er ganz begeistert und Regisseure des 20. Jahrhunderts, war ein sensibler und versprach mir, sich den Film anzusehen. Ich wünsch- handwerklich souveräner Künstler. Es gelang ihm, wäh- te mir, unser Land hätte mehr solcher Straßenbahner! rend der nationalsozialistischen Herrschaft Filme zu ins- zenieren, die weder politisch noch ideologisch ausgerich- tet waren, wobei das Misstrauen des obersten Reichskul- turwarts Joseph Goebbels und anderer Top-Nazis das Arbeiten nicht gerade erleichterte. Zwei Filme aus besag- ter Zeit gelten als Meisterwerke: »Romanze in Moll« (1943) und vor allem »Unter den Brücken« (1944). Die- ses letztgenannte Werk – unter schwierigen Bedingun- gen erstellt – ist eine poetisch-zarte Dreiecks-Liebesge- schichte, angesiedelt im Binnenschiffer-Milieu.

18 19 Gegen Ende des II. Weltkrieges wurde Käutner in Wesentlichen um die Frage, ob es nach all den düsteren dienstlicher Mission eingesetzt, um auf einem deutschen Erfahrungen noch Menschen gibt auf dieser Welt. Vorpostenboot Material zu sammeln für einen Film über Bei bestimmten Details und Gegenständen, die sie am die Kriegsmarine. Er lernte dabei den Schriftsteller und und im Auto finden, sind sie sich nicht ganz schlüssig damaligen Bootskommandanten Ernst Schnabel kennen; über deren Bedeutung. Zwei Beispiele: ein in die Wind- gemeinsam entwickelten sie die Idee und das Drehbuch schutzscheibe eingekratztes markantes Datum (30133), für den Film »In jenen Tagen«. das von ihnen für eine Telefonnummer gehalten wird / Die Schwierigkeiten bei den Dreharbeiten schienen un- ein kleiner Kamm, der sich im Fond des Wagens befin- überwindlich: Ateliers, die man nutzen konnte, waren det. Hier »greift« dann das Auto »ein« und leitet im Off nicht zu finden; auf anspruchsvolle Studioausrüstung wie (mit Hilfe der Stimme des Regisseurs) über zu den wah- Beleuchtung, Dekorationen und Kostüme musste man ren Geschichten – sieben an der Zahl. notgedrungen verzichten. So wurde im Freien gedreht, Es sind kurze Geschichten, die sich mit Menschen und in Hamburg und Umgebung. ihren Schicksalen während der NS-Epoche befassen, um Ein weiteres Problem für den mit einem Mini-Etat pro- eine Antwort auf die anfangs gestellte Frage zu geben. duzierten Film war die Besetzung des Schauspieler-En- Inhaltlich geht es um die Themen Judenverfolgung, Wi- sembles; da es manchem nicht möglich war, Hamburg derstand gegen das Regime, Unterdrückung der künst- auf dem Reisewege zu erreichen, beschränkte sich Käut- lerischen Freiheit [Stichwort: Entartete Kunst], eine Fahrt ner auf diejenigen, die er einsetzen konnte, und das er- mit eben diesem Auto im Russland-Feldzug und gab ein dennoch beachtenswertes Team, bestehend aus schließlich Menschen auf der Flucht in Deutschland. Diese Akteuren, die im »Dritten Reich« erfolgreich gewesen letzte Episode wirkt ein wenig symbolträchtig und be- waren und solchen, die unter politischer Verfolgung ge- deutungsschwer: Die zwei Protagonisten heißen Maria litten hatten. (mit Kleinkind) und Josef, und sie übernachten in einer »In jenen Tagen – Geschichten eines Autos« ist ein Epi- Scheune. Diese Geschichte über Leute auf der Flucht lässt sodenfilm. Im Mittelpunkt steht ein Automobil, Baujahr indessen im Gegensatz zu den vorherigen etwas Hoffnung 1933, das bis zum Kriegsende verschiedenen Besitzern aufscheinen und erlaubt einen vorsichtig optimistischen gehört. In einer Rahmenhandlung sehen wir zwei Män- Blick in die Zukunft. ner, die dieses Auto inmitten einer Schrott- und Trüm- Die meisten Szenen der sieben Episoden enthalten Dia- merlandschaft ausschlachten; ihre Unterhaltung kreist im loge im Innenraum oder in Reichweite des Autos. Es

20 21 herrscht also eine kammerspielartige Atmosphäre – des- das »Dritte Reich« mit sich gebracht hatte, war kaum je- halb konzentriert sich die Kamera größtenteils auf Ge- mand in Deutschland bereit, sich mit diesem Werk kri- sichter. Dabei beeindrucken aus der umfangreichen tisch und notgedrungen schmerzhaft auseinanderzuset- Schauspieler-Gruppe einige Darsteller-/innen durch prä- zen. Man hatte genügend eigene Probleme, sich in der zise Typisierung: Ida Ehre, Margarete Haagen und Win- neuen Wirklichkeit zurechtzufinden. nie Markus sowie Willy Maertens, Carl Raddatz und Her- Statistische Angaben: mann Speelmans. Der Film gelangte zur Uraufführung in Hamburg am In jenen Tagen – Geschichten eines Autos Deutschland 1947 / Länge: 98 Minuten / sw 13. Juni 1947 bei mäßigem Publikumszuspruch. Das Echo Drehbuch: Helmut Käutner, Ernst Schnabel in der deutschen Presse fiel erfreulich aus: Man lobte das Kamera: Igor Oberberg »dichterisch geschriebene Drehbuch«, die »Kameraarbeit Regie: Helmut Käutner von Igor Oberberg« und das »Fehlen des politischen Zei- Darsteller: Erica Balqué, Ida Ehre, Erwin Geschonneck, Marga- gefingers« (Der Spiegel); in »Der Neue Film« konstatier- rete Haagen, Werner Hinz, Karl John, Willy Maertens, Winnie Markus, Bettina Moissi, Hans Nielsen, Carl Raddatz, Gert Schae- te Wolfdietrich Schnurre, dass »es wieder einen ernst zu fer, Franz Schafheitlin, Erich Schellow, Hermann Speelmans, Alice nehmenden deutschen Film gibt«. Treff u.a. Für viele – und da schließe ich mich an – ist »In jenen Empfehlung: Tagen« der beste Film Helmut Käutners. Der weltweit Der Film ist im Handel als VHS-Cassette und als DVD erhält- und zu Recht beachtete und gefeierte italienische Neo- lich. realismus, wie er sich beispielsweise in Vittorio de Sicas Meisterwerk »Fahrraddiebe« präsentiert, fand hier sein deutsches Pendant. Die Bezeichnung »Trümmerfilm« klingt allerdings reichlich deprimierend und ein wenig abwertend – ein Terminus im Sinne von »Aufbruch« oder »Start« hätte es schon sein dürfen! Dieser Film ist ein gelungenes Stück deutscher Vergan- genheitsbewältigung – ein leiser, nachdenklich stimmen- der Film, dessen einziger »Fehler« es war, dass er zu früh gedreht wurde, denn so kurz nach den Ereignissen, die

22 23 DER MANN AM KLAVIER: PAUL KUHN »Geb´n´Se dem Mann am Klavier noch´n Bier. Sagen Sie ihm, ´s wär von mir. Spielen soll er mir dafür das Lied von dem Mann am Klavier, dann kriegt er dafür von mir noch´n Bier.« Was sofort ins Auge fällt, sind zwei direkte Befehle an Mitte der 50er Jahre ließ ein Schlager Deutschland auf- den Ober (»Geb´n´Se« und »Sagen Sie ihm«) und ein horchen, der mit seiner Monotonie seinesgleichen such- indirekter an den Pianisten (»Spielen soll er mir dafür te: »Der Mann am Klavier«. Es handelte sich um einen ...«), sowie das Beharren auf dem gleichen Endreim Walzer nach Art der damals gängigen Kölner Karnevals- (»Bier«, »mir«, da-«für«, Kla-«vier«). Das ist recht sta- Glanznummern; die Urheber waren Heinz Terningsohn tisch und kommt offenbar dem Sangesbedürfnis dursti- (Text) und Karl Heinz Henning (Musik). Gesungen wur- ger Kehlen entgegen. de das Lied von Paul Kuhn, bis dahin bekannt und ge- Die minimalistischen Textpartikel, die umeinander krei- schätzt als versierter Jazz-Pianist. Nun fand er sich plötz- seln, erinnern an die Lyrik der amerikanischen Schrift- lich an der Spitze von Hit-Paraden wieder, nachdem er – stellerin Gertrude Stein und ihren klassischen Vers: laut eigenem Bekunden – das »Klavier«-Lied bewusst ge- ›Rose is a rose is a rose is a rose‹ langweilt heruntergesungen hatte, weil er vertragliche Ver- (der Vers stammt aus dem Gedicht »Sacred Emily« von pflichtungen eingegangen war, deren Folgen er sich et- 1913, veröffentlicht im Jahre 1922). was anders vorgestellt hatte. Paul Kuhn mit seinem angenehmen Bariton konnte bei Frei nach diesem Vorbild könnte man »unser« Lied etwa dem Lied nichts falsch machen: musikalisch war beim so zusammenfassen: besten Willen nichts zu interpretieren oder zu betonen. ›ein bier ist ein bier ist ein bier ist ein klavier‹ Es erinnert an einen aufgezogenen und dann losgelasse- Inhaltlich reflektiert der vorliegende Text die Befindlich- nen Brummkreisel, an ein Perpetuum Mobile. Wenn so keit eines Teils der bundesrepublikanischen Gesellschaft, etwas lange genug überdauert, kann es zum Volkslied er führt uns in eine Zeit, in der ein Normalbürger, wenn werden. er sich einmal etwas gönnen wollte, mit seiner Frau ei- Weit mehr Beachtung als die Musik verdient allerdings nen Abend in der Kneipe verbrachte, in der noch nach der Refrain: (Live-) Klaviermusik getanzt wurde, der Musiker Zuhö

24 25