Die Briefe Heinrich Schliemanns an George Niemann – Einem Helfer Im Streit Um Troja Claudia Lang-Auinger
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37 Die Briefe Heinrich Schliemanns an George Niemann – einem Helfer im Streit um Troja Claudia Lang-Auinger on einem Enkel George Niemanns wurde mir 1889 Vorträge hielt und Veröffentlichungen machte, Vfreundlicherweise der Briefwechsel bezüglich deren Inhalt es war, die Grabungen von Hisarlik - der Streitigkeiten um die Grabungen in Hisarlik zur Ilion objektiv darzustellen,3 wobei die Sache zugun- Bearbeitung vorübergehend überlassen. Der Brief- sten Schliemanns ausfallen musste, sind diese Briefe wechsel, der mir eigentlich durch Zufall in die Hände von besonderer Bedeutung. fiel, ist kein Beitrag im Sinne einer inhaltlichen Der älteste bzw. erste Brief, den Schliemann an Erweiterung in der Streitfrage um Troja, sondern soll Niemann gerichtet hat, datiert bereits vom 20. No- dem Menschen Niemann in dieser Auseinanderset- vember 1881. In diesem Jahr machte Niemann seine zung den rechten Platz zuweisen. Da er kein Aus- erste Kleinasienreise, auf deren Rückweg ihn ein gräber und Entdecker war, rankt sich nicht der ent- achttägiger Aufenthalt in Athen zur Aufnahme des sprechende Ruhm um seinen Namen. Er bleibt immer Erechtheions festhielt. In diesem Brief handelt es sich von der Architektur kommend dieser verhaftet. Dem um Folgendes: ,,Hochverehrter Herr Professor G. von Statur kleinen und bescheidenen Mann war es Niemann. Ich erlaube mir die ganz ergebene Anfrage, zuteil, große, von der Architektur her schwierig zu ob sie mir vielleicht für die gegen Mitte März anfan- erfassen scheinende Bauwerke zu bewältigen. Zu gende nächste trojanische Kampagne einen tüchtigen diesen Bauten gehört der Apollotempel von Didyma, jungen Architekten empfehlen können, der während der Diokletianspalast in Split, der Dom von Aquileia, der ganzen Zeit der Ausgrabungen (etwa 4 Monate) um das bekannteste außerhalb seinem eigentlichen bei mir in Hisarlik bleiben könnte, im Stande wäre, Betätigungsfeld Ephesos zu nennen. die Pläne und Zeichnungen zu machen und sich mit Das Konvolut umfasst fünf Briefe von Schlie- der Ihnen bekannten Lebensweise in Hisarlik und mann, sechs von Dörpfeld, zwei von Bötticher, einen hundertfünfzig Gulden monatlichen Gehalts begnü- von Steffen und ein Konzept von Niemann selbst, gen würde? Natürlich werden wir ihm die Reiseko- gerichtet an das Rektorat der Kaiserlich-Königlichen sten über Triest und Dampfboot ersetzen. Mit vorzü- Akademie der bildenden Künste in dieser Angele- glicher Verehrung Ihr ganz ergebener Schliemann“. genheit. Es geht in allen Briefen bis auf den ersten Der Inhalt des Briefes läßt wohl ganz darauf schlie- um die bekannten Anschuldigungen von Seiten des ßen, dass die Bekanntschaft zwischen diesen beiden Hauptmanns Bötticher gegen Schliemann, dass er Herren auf fachlicher Ebene zustande kam, eben bewusst den Grabungsbefund falsch deute.1 Der während der ersten Kleinasienreise Niemanns. In der Briefwechsel mit Niemann scheint mir auch deshalb Ausgabe der Schliemann-Briefe von Meyer erfährt von Bedeutung, da in der Ausgabe der Schliemann- man aus einem Brief vom 22. Dezember 1881 an schen Briefe von Meyer und Dörpfeld2 diese nicht seinen Freund Virchow, dass der Architekt Josef aufscheinen, da sich die Briefe nach wie vor im Pri- Höfler, ein Stipendiat der Wiener Akademie in Rom, vatbesitz der Familie Niemann befinden und daher von Theophil Hansen und George Niemann emp- unbekannt geblieben sind. Deshalb und weil Nie- fohlen wurde.4 Es muss sich dabei um den ersten mann es war, der nach der 1. Konferenz im Dezember Stipendiaten in Rom gehandelt haben.5 Soweit zur 1. Zavadil im Druck. Wien, Band XX. Der neue Folge X. Band (1890) 1-10. 2. Meyer 1936. 4. Meyer 1936, 188-189. 3. Mitteilungen der Anthropologischen Gesellschaft in 5. Rudolf 1981, 9-14. 320 Claudia Lang-Auinger ersten Berührung zwischen George Niemann und mann, besonders bis zu dem bewussten Dezember Heinrich Schliemann, die bis zum Jahr 1889 ohne nen- 1889 angebracht. 1841 in Hannover geboren, besuchte nenswerte Folgen blieb. er dort das Polytechnikum und kam 1864 nach Wien. In dieser gegenseitigen Kontaktnahme liegt ver- Hier war er von 1865 bis 1872 bei Theophil Hansen mutlich die Ursache, weshalb bei den von der Wiener und bei all dessen wichtigen Wiener Ringstraßen- Akademie der Wissenschaften vorgeschlagenen Zeu- bauten tätig. 1873 unternahm er mit Alexander Con- gen bei der Streitfrage um Troja, Prof. Hauser und ze, dem damaligen Ordinarius für Klassische Archäo- Prof. Niemann, sich Schliemann für den letzteren ent- logie an der Universität Wien eine Reise nach Samo- schieden hat. Nachdem die Berliner Akademie Be- thrake. 1880 mit dessen Nachfolger Otto Benndorf denken trug, einen Delegierten zu entsenden, schrieb eine weitere nach Olympia und London, wo er eine Schliemann am 19. November 1889 in seiner impulsiven Rekonstruktionszeichnung des Nereidenmonumentes Art einen Brief an Virchow wie bei Meyer nachzule- von Xanthos durchführte.10 Ebenso wurden auch hier sen ist:6 ,,Obgleich ich nie auch nur eine Topfscherbe an die Reste des Mausoleums von Halikarnassos für eine Wien geschenkt hatte,7 so ist doch mein Antrag einen Rekonstruktion aufgenommen. 1881 unternahm er die Delegierten für Troja zu bestimmen - wie Hofrat Pro- erste Reise nach Kleinasien, die ihn über Smyrna, fessor Otto Benndorf berichtet - mit einem wahren Rhodos, Antalya nach Lykien und Karien führte, zur Sturm von Beifall von der Wiener Akademie der Wis- Aufnahme des Heroons von Trysa. Wie schon oben senschaften aufgenommen, und hat mir dieselbe ihre erwähnt, verbrachte er auf dieser Rückreise einen beiden berühmtesten Gelehrten für alte Architektur, achttägigen Aufenthalt in Athen. 1882 folgte eine wei- als Delegierte zur Auswahl bestimmt“. Der Beifalls- tere Reise nach Lykien und Karien. 1884-1885 führten sturm ist in den Akten der Österreichischen Akade- ihn Expeditionen nach Pamphylien und Pisidien. 1889 mie der Wissenschaften wie folgt nachzulesen: Das wurde er von Rumänien ersucht, die Aufnahme des ,,Comté Schliemann“ empfahl der Akademie in der Trajanmonumentes bei Adamklissi durchzuführen. Antwort an Schliemann ,,das Vorhaben neuer Aus- Neben seiner Tätigkeit seit 1873 als Professor für grabungen als ein weiteres wissenschaftliches Ver- ,,Perspektive und Stillehre“ an der Akademie der dienst zu begrüßen“.8 Schliemanns übersteigerte Äuße- bildenden Künste in Wien, deren Rektor er auch war, rung mag auf die führende Rolle Wiens auf dem Gebiet blieb ihm Zeit bzw. wurde ihm diese vom Ministeri- der archäologischen Ausbildung zurückzuführen sein.9 um zur Verfügung gestellt, um die archäologischen In seinem Ansuchen an die Akademie bat er um Forschungen und Arbeiten unternehmen zu kön- einen ,,mit archäologischen Forschungen vertrauten nen, aufgrund welcher er dann für befähigt erachtet Techniker“. Weitere Kontakte welcher Art auch im- wurde, als Zeuge nach Troja entsendet zu werden. mer können zwischen den beiden von November 1891 Der weitere Briefwechsel mit Schliemann datiert, bis Dezember 1889 nicht nachgewiesen werden. Ich wie schon erwähnt, erst wieder nach dem Zusam- kann mir allerdings nicht vorstellen, dass zwischen mentreffen in Troja. Hingegen befassen sich einer von der Anfrage von 1881 und deren positiver Erledigung Dörpfeld und zwei von Bötticher mit den Vorbeitun- und dem bewussten Dezember 1889 der schriftliche gen für die Reise nach Troja. Zu den Vorbereitungen Kontakt gänzlich ausgesetzt hat. Eine Erklärung da- für die Konferenz in Hisarlik gehört auch das Kon- für mag sein, dass wegen der zahlreichen Nach- zept eines Schreibens Niemanns, das in übereilter kommenschaft von vier Kindern aus dem Nachlass Weise an das Rektorat der Akademie der bildenden Niemanns manches unerreichbar blieb, zumal ver- Künste gerichtet wurde, worin er um einen Urlaub schiedenes auch in den Handel gekommen ist. von 3-4 Wochen ansucht, mit der Begründung – ich Hier ist nun eine kurze Schaffensskizze von Nie- zitiere – ,,Der ergeb. Unterzeichnete ist auf Vorschlag 6. Meyer 1936, 205-296. Wien ergaben jedoch keinen Eingang von Funden aus 7. Dörpfeld sollte diesen Mangel beheben und stellt eine Aus- Troja. wahl zusammen, die ihm jedoch nach brieflicher Mit- 8. Archiv der Österreichischen Akademie der Wissenscha- teilung an Niemann am 20.8.1890 ,,so ärmlich und wertlos“ ften, Allgemeine Akten Nr.764/1889 (C.1231). vorgekommen ist, so dass er bis zum nächsten Jahre war- 9. Döhl 1981, 34. ten wollte. Recherchen im Naturhistorischen Museum in 10. Niemann 1921. Die Briefe Heinrich Schliemanns an George Niemann – einem Helfer im Streit um Troja 321 der k. und k. Akademie der Wissenschaften zu Wien darauf fällt entsprechend knapp und eindeutig aus.13 von Dr. Schliemann eingeladen worden, Ende des Der Ablauf der Konferenz, zu der im letzten Mo- Monats auf der Ruinenstätte von Hisarlik zu erschei- ment nun doch auch Major Steffen von der Berliner nen, um in einem seit Jahren die archäologische Welt Akademie entsendet wurde, ist allgemein bekannt. beschäftigende Streitfrage, eine Meinung abzuge- Bald nach seiner Rückkher hielt Niemann in der ben“. Anthropologischen Gesellschaft in Wien einen Vor- Die Vorbereitung für die Reise und die finanzielle trag über die erste Konferenz in Troja. Dem voran Regelung wurde ja auf Anraten Virchows von Dörp- stellte er die Geschichte der Schliemannschen Aus- feld getroffen, wie es auch aus dessen Briefen zu grabung und des daraus entstandenen Streites mit schließen ist. Sein vertrauter Ton mit Niemann, läßt Bötticher. Im Anschluß daran brachte er das von ihm ein Zusammentreffen in Olympia einige Jahre zuvor und Steffen unterzeichnete Protokoll.