Georg-August-Universität Göttingen Seminar für Politikwissenschaft Abteilung für Internationale Beziehungen Hauptseminar: Die Türkei und Europa Sommersemester 1999 Leitung: Prof. Dr. Bassam Tibi

DDiiee KKoonnssttrruukkttiioonn vvoonn EEtthhnniizziittäätt Die gesellschaftliche Ausgliederung der „Orang Cina“ in Indonesien als Fall- studie

vorgelegt von Christian Franz Politikwissenschaft, Mittlere und neuere Geschichte, Publizistik u. Kommunikationswissenschaft M.A. (7./6./7. Semester)

Inhaltsverzeichnis

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1 EINLEITUNG ...... 1—1

2 DEFINITIONEN ...... 2—3 2.1 ETHNIZITÄT ...... 2—3 2.2 ETHNOZENTRISMUS UND ETHNISCHER KONFLIKT ...... 2—5 2.3 ETHNISCHE MINDERHEIT ...... 2—5

3 DIE MEHRHEIT: ISLAM ALS NATIONALE IDENTITÄT ...... 3—6

4 DIE ETHNISCHE MINDERHEIT: „ORANG CINA“ ...... 4—8 4.1 HISTORISCHE ENTWICKLUNG: SIEDLUNGSGESCHICHTE ...... 4—8 4.2 DIE CHINESISCHE GEMEINSCHAFT INDONESIENS ...... 4—10 4.2.1 Zusammensetzung...... 4—10 4.2.2 Heterogenität ...... 4—10

5 ANTICHINESISCHE VORURTEILE UND STEREOTYPEN ...... 5—12 5.1 GESELLSCHAFTLICHER EXKLUSIVISMUS ...... 5—13 5.2 WIRTSCHAFTLICHE AUSBEUTUNG ...... 5—13 5.3 POLITISCHER OPPORTUNISMUS ...... 5—13

6 URSACHEN UND FAKTOREN DES ANTISINISMUS ...... 6—14 6.1 AUSBEUTUNG UND EXKLUSIVISMUS: DIE CHINESEN UNTER DEN NIEDERLÄNDERN . 6—14 6.2 ILLOYALITÄT ZUR REPUBLIK INDONESIEN: DIE UNGEKLÄRTE STAATSBÜRGERSCHAFT6—16 6.3 ANTINATIONALISMUS: DER REVOLUTIONÄRE WEG IN DIE UNABHÄNGIGKEIT ...... 6—18 6.4 WIRTSCHAFTLICHE KONKURRENZ: MAßNAHMEN DER INDONESISCHEN REGIERUNG UNTER ...... 6—20 6.5 POLITISCHER SPIELBALL: DIE „NEUE ORDNUNG“ UND DIE CHINESEN ...... 6—21 6.5.1 Sündenböcke: Der Putsch 1965 und die Auswirkungen auf die Chinesen ...... 6—21 6.5.2 Machtnähe durch Cukongismus: Indonesische Wirtschaft ab 1967 ...... 6—23 6.6 SETZEN AUF DAS FALSCHE PFERD: KOLLABORATEURE DER NEUEN ORDNUNG IN DER NEUESTEN ORDNUNG. DIE AKTUELLE ÖKONOMISCHE SITUATION DER CHINESISCHEN MINDERHEIT IN DER POST-SUHARTO-ÄRA ...... 6—26

7 „ORANG CINA“ ALS TYPISCHE MIDDLEMAN MINORITY: FAZIT ...... 7—29

8 AUSBLICK ...... 8—31

9 LITERATURVERZEICHNIS ...... 9—33 9.1 ALLGEMEINE INFORMATIONEN ZUR LANDESKUNDE ...... 9—33 9.2 MONOGRAPHIEN UND AUFSÄTZE ...... 9—34 9.3 ZEITUNGS- UND ZEITSCHRIFTENARTIKEL ...... 9—36 9.4 INTERNET ...... 9—37 . Ethnizität: Die chinesische Minderheit Indonesiens Kapitel 1— 1.Seite von 39 Seiten . „... the Menadonese have their island in Sulawesi, Padang people theirs in Sumatra. Now, where is Baba from? Is there a Peking island in ?“1 1 Einleitung „The core of ethnicity resides in the socially produced and ever-changing quartet of common myths, memories, values and symbols“, so Anthony SMITH.2 Ethnizität ist demnach also ein Produkt der Gesellschaft, konstruiert und weder statisch noch objektiv. Sicherlich beruht sie auf realen Differenzen zwischen in einem Staat lebenden Gruppen. Aber Un- terschiede alleine wären belanglos. Doch Ethnizität ist alles andere als belanglos: Es handelt sich hierbei um einen der Hauptkonfliktherde in der heutigen Welt.3 Was ethnische Kategorien für das Studium der internationalen Beziehungen so wichtig und interessant macht, ist der Umstand, daβ ethnische Gruppen in eine gesellschaftliche Hierarchie eingeordnet werden, in der es dominierende und untergeordnete Ethnien gibt, und die daraus folgenden Konsequenzen. Es geht um die Hege- monie im politischen, kulturellen oder ökonomischen Raum. Diese Auseinandersetzung spielt sich zwischen Gruppen ab, die sich aufgrund vermeintlich gemeinsamer Mythen, Erinnerungen, Werte und Symbole zusammensetzen.4 Gerade, weil letztgenannte Attribute einer Ethnie von auβen bzw. von einer Ethnie sich selbst oftmals relativ willkürlich zugeschrieben werden, kann man davon sprechen, daβ ethnische Minder- heiten hergestellt werden, ohne sich automatisch, gleichsam natürlich in einer untergebenen gesell- schaftlichen Postition befinden zu müssen. Die Entstehung von ethnischen Mehr- und Minderheiten ist irrational, aber nicht ungewollt. Der Ausschluβ einer Minderheit aus der „imagined community“ (Ben ANDERSON) kann der Mehrheit viel nutzen: Leicht lassen sich Minderheiten als Sündenböcke gebrauchen. Doch wie kann eine „imagined minority“ entstehen? Welchen Vorurteilen ist eine ethnische Min- derheit ausgesetzt, und wo liegen die Beweggründe für negative Stereotypen? Was sind die Auswir- kungen auf das Leben der Minoritäts-Angehörigen, welchen Diskriminierungen und Ausschreitungen sind sie ausgesetzt? Ethnische Konflikte sind vielseitig: Es seien nur die Beispiele Ruanda, Nord-Irland, USA oder Südafrika genannt. Mit einer Fallstudie lassen sich sicherlich wenig verallgemeinerbare Schlüsse zie- hen. Dennoch sollen hier anhand einer Untersuchung des ethnischen Konfliktes zwischen den Pribu- mis, den autochthonen Indonesiern, und der chinesischen Minderheit Indonesiens5 einige Mechanis-

1 Aus dem antichinesischen Comic „Ali und Baba“, wobei Ali die „eingeborenen“ Indonesier und Baba die Chine- sen verkörpert. Zit.n. COPPEL, Charles: Indonesian Chinese in Crisis, Oxford University Press, Kuala Lumpur 1983, S. 71. Von dort (S. 55) stammt auch die Karikatur auf der Titelseite. 2 SMITH, Anthony D.: The ethnic origins of nations, B.Blackwell, Oxford/New York 1986, S. 15. 3 TIBI, Bassam: The challenge of fundamentalism: political Islam and the new world disorder, University of Cali- fornia Press, Berkley 1998, S. 124. 4 Vgl. SMITH: a.a.O., S. 15. 5 Die Begriffe „Chinesen“, „chinesische Minderheit“, „Überseechinesen“ und „ethnische Chinesen“ werden in die- ser Arbeit trotz ihrer teilweise unterschiedlichen Bedeutung (vgl. SURYADINATA, Leo: „Ethnic Chinese in

. Ethnizität: Die chinesische Minderheit Indonesiens Kapitel 1— 2.Seite von 39 Seiten . men der Ausgrenzung aufgezeigt werden. Es soll im folgenden dargelegt werden, wie und mit wel- chen Konsequenzen Ethnizität konstruiert wird. Das im Mittelpunkt dieser Arbeit stehende Land Indonesien ist ein Staat mit vielen Ethnien. Java- ner6, Sundanesen, Maduresen oder Balinesen sind nur einige wenige der über 300 verschiedenen Völ- ker7, die den 13677 Inseln8 umfassenden Staat bewohnen. Mit dem Motto Bhinekka tunggal i- ka/Einheit durch Vielfalt9 versucht die indonesische Regierung, das unter holländischer Kolonial- herrschaft geschaffene Land, in dem inzwischen schon über 209 Millionen Einwohner10 leben, durch eine Politik des kulturellen Pluralismus zu einen. Nur für die ca. 5.4 Millionen11 teilweise schon seit vielen Generationen eingewanderten Chinesen scheint dieses nicht zu gelten: Im Gegensatz zu anderen Ethnien, die ihre kulturellen Besonderheiten behalten dürfen12, haben sich die Überseechinesen zu assimilieren. Die indonesische Wirtschaftspolitik besteht aus vielen gegen die Chinesen gerichteten Regelungen und Gesetzen, die den chinesischen Einfluß auf die Ökonomie unterbinden sollen. Die indonesische Regierung spricht vom „Chinesenproblem“13 und versucht, diesem administativ und legislativ zu be- gegnen.14 Ausschreitungen gegen Angehörige der chinesischen Minderheit, im Volksmund pejorativ „Orang Cina“ oder nur „Cina“ genannt, geschehen häufig; in Krisenzeiten eskalieren sie und spitzen sich zu regelrechten Pogromen zu.15 Einer Gruppe innerhalb der indonesischen Vielfalt scheint also eine Sonderrolle zuzukommen. Wie es dazu kommen konnte, weshalb sich der Antisinismus bis in die heutige Zeit halten kann, wo- rüber kürzlich – bei den Ausschreitungen vom Mai 1998 – selbst die bundesdeutschen Medien be- richteten, soll mit dieser Arbeit untersucht werden. Nachdem in Kapitel 3 und 4 die Hauptakteure

Southeast Asia: Overseas Chinese, Chinese Overseas or Southeast Asians?“ in: SURYADINATA, Leo (Hrsg.): Eth- nic Chinese as Southeast Asians, Institute of Southeast Asian Studies, ISEAS, Singapore1997, S. 1-24, S. 2ff., BÜGENER, Annette: Pioniere des Südmeers. Chinesen in Indonesien, Malaysia und Singapur, Projekt-Verlag, Dortmund 1996, S. 9ff.) synonym verwendet und bezeichnen, wenn nicht explizit anders angegeben, die Menschen chinesischer Abstammung in Indonesien. 6 Hier und in der ganzen Arbeit wird nur die männliche Form benutzt, was sich wegen der besseren Lesbarkeit und der Stilistik nicht vermeiden ließ. In dieser Arbeit soll das Maskulinum jedoch auch das weibliche Ge- schlecht mit einschließen. 7 Internetseite der FU Berlin (www.wiwiss.fu-berlin.de): Der Indonesien Report. Die Menschen. Bevölkerung, Stand 14.12.1999. 8 Fischer Länderkunde: Südostasien, Band 3, überarbeitete Neuausgabe, Frankfurt 1988, S. 487. 9 Dieses ist die auf dem indonesischen Wappenschild postulierte Devise. 10 Schätzung Juli 1997, Internetseite „Discrimination against Minority in Indonesia“: www.geocities.com/CapitolHill/Senate/9388/indextop.htm, Stand 24.9.1999. 11 Schätzung 1995, www.bsos.umd.edu/cidcm/mar/idschi.htm, Stand 22.11.1999. 12 Dieses hat seine Gültigkeit, solange sich einzelne Ethnien unterordnen und nicht auf Selbständigkeit beste- hen. 13 SURYADINATA, Leo: China and the ASEAN States: the Ethnic Chinese Dimension, Singapore University Press, Sin- gapore1985, S. 173, Appendix 6: „Text of the Instruction of the Cabinet Presidium No. 37/U/IN/&/1967 concerning The Basic Policy for the Solution of the Chinese Problem“. 14 BÜGENER: a.a.O., S. 4. 15 Vgl. zahlreiche Internet-Seiten: www.HUAREN.org/focus/, members.tripod.com/~reformasionita/indexmain.html, www.geocities.com/CapitolHill/Senate/9388/indextop.htm, Stand 1.10.1999. . Ethnizität: Die chinesische Minderheit Indonesiens Kapitel 2— 3.Seite von 39 Seiten . des Konfliktes, die islamische Mehrheit und die chinesische Minderheit, betrachtet werden und Kapi- tel 5 dann die gegen die Chinesen gerichteten Vorurteile nennt, werden diese in Kapitel 6 zu erklären versucht. Dabei wird chronologisch vorgegangen, um die schon in der Kolonialzeit vollzogene und sich unter Sukarno und Suharto weiter verschärfende Ausgliederung aufzuzeigen. In diesem Zusam- menhang wird vor allem ihre ökonomische Position zu betrachten sein, da die mutmaßliche Beherr- schung der Wirtschaft durch die Chinesen einen großen Anteil an der Chinesenfeindlichkeit hat. Zu- guterletzt soll nach dem Fazit in Kapitel 7 das Kapitel 8 mit spekulativem Ausblick und hoffnungs- vollen Lösungsansatz diese Arbeit abschlieβen. Doch zunächst sollen im folgenden Kapitel die grundlegenden Begriffe „Ethnizität“, „Ethnozent- rismus“ sowie „Ethnische Minderheit“ definiert werden.

“There is a sense in which ethnicity, ethnic identity and possibly also “nation”, are in reality elusive. It could be argued, for example, that one’s identity is not only situationally variant, but is also a reposi- tory for, and partly function of, exogenous contem- porary factors, both material and ideological. It is in essence an “imagined” and/or “fictional” crea- tion.”16 2 Definitionen

2.1 Ethnizität Eine unstrittige Definition des Begriffes “Ethnizität” zu geben fällt nicht leicht, da es um dieses Konzept eine starke wissenschaftliche Auseinandersetzung gibt.17 Einerseits werden einer ethnischen Gruppe statische, quasi objektive gruppenspezifische Charak- teristika zugeschrieben. ESMAN und RABINOVICH definieren Ethnizität als „collective identity and solidarity based on such ascriptive factors as imputed common descent, language, customs, belief sys- tems and practices (religion), and in some cases race or color“18.

Dieser Auffassung entgegengestellt ist die Ansicht von z.B. WALLMAN, die Ethnizität als Produkt subjektiver Unterscheidung und nicht objektiver Unterschiede sieht.19 Ethnizität ist ihrzufolge also ein pures Konstrukt. So auch die Soziologen HUGHES: „…an ethnic group is not one because of the degree of measurable or observable difference from other groups; it is an ethnic group, on the con-

16 RATCLIFFE, Peter: „Conceptualizing ‚race‘, ethnicity and nation: towards a comparative perspective“, in: RATCLIFFE, Peter (Hrsg.): ‚Race‘, ethnicity and nation: international perspectives on social conflict, UCL Press, London 1994, S. 2-25, S. 7. 17 Berghe, S. xvi. 18 Esman, S. 3. 19 Siehe Einleitung zu Wallman. . Ethnizität: Die chinesische Minderheit Indonesiens Kapitel 2— 4.Seite von 39 Seiten . trary, because the people in it and the people out of it know that it is one; because both the ins and outs talk, feel, and act as if it were a separate group.“20 Geläufiger und inzwischen von den meisten Wissenschaftlern vertreten ist der Mittelweg: Ethnizi- tät habe sowohl subjektive als auch objektive Bedingungen. „An ethnic group is one that shares a cul- tural tradition and has some degree of consciousness of being different from other such groups“21, so VAN DEN BERGHE. Eine ethnische Gruppe konstituiert sich demzufolge durch konstruierte, subjekti- ve Wir-Gefühle, die aber nicht zufällig oder wahllos entstehen, sondern sich um objektive Charakte- ristika herum kristallisieren. Aufgabe dieser Arbeit kann und soll es nicht sein, sich an dieser Diskussion zu beteiligen. Wichtig ist hier nur, dass die soziale Produktion von ethnischer Identität weitgehend anerkannt wird, gleich wieviel der objektiven Seite beigemessen wird. Darum, auch wenn in meinen Ausführungen eher dem „Mittelweg“ gefolgt wird, soll es hier hauptsächlich gehen.

Was ist also „Ethnizität“? Was macht eine „ethnische Gruppe“ aus? MARGER nennt folgende Faktoren: „sense of community among members, consciousness of kind or an awareness of close as- sociation; ‚we‘-feeling; understanding of a shared ancestry, or heritage, view themselves as having common roots“. Dieses alles muβ nicht der Realität entsprechen: „As long as people regard them- selves by virtue of their perceived heritage, and as long as others in the society so regard them, they constitute an ethnic group, whether such a common background is genuine or fictious.“22

Folgt man also VAN DEN BERGHE und seiner Definition einer ethnischen Gruppe als „conjunc- tion of objective and subjective conditions, subjective perceptions through objective characteristics that become badges of inclusion or exclusion“ gibt es drei Faktoren, die für das Entstehen und Fortbestehen einer ethnischen Gruppe notwendig sind. Zum einen die objectiven Charakteristika, distinktive kulturelle oder phänotypische Merkmale. Zum anderen die Selbstbetrachtung einer Grup- pe als Ethnie, zusammengebunden durch ein ethnisches ‚Wir‘-Gefühl. Zum dritten die Aussenwahr- nehmung, die Perzeption einer Gruppe durch die Mehrheit als ‚Andere‘. Dem weitgehenden wissenschaftlichen Konsens zu Folge sind die beiden letzteren Komponenten sozial produziert. Ethnizität ist „not defined as static cultural elements or shared essential religious beliefs, but socially produced and ever-changing“, konstatiert TIBI. Es ist hingegen ein „concept of historically perceived forms of the common myths, memories, values, and symbols, which are con- stantly in flux.“23

„Today, intra-state ethnic conflict is an ex- pression of competive struggle over the poli-

20 Everett und Helen Hughes, zit.n. MARGER, Martin N.: Race and ethnic relations: American and global perspec- tives, Wadsworth, Belmont/California 1991, S. 13. 21 Pierre van den Berghe, zit.n. MARGER: a.a.O., S. 14. 22 Shibutani / Kwan, zit.n. ebd., S. 13. 23 TIBI: a.a.O., S. 127. . Ethnizität: Die chinesische Minderheit Indonesiens Kapitel 2— 5.Seite von 39 Seiten . cies of the state in its role as the steward of the state‘s resources…“24

2.2 Ethnozentrismus und ethnischer Konflikt Im Konzept der Ethnizitität ist Konflikt schon angelegt, schafft doch ethnisches Bewuβtsein die Basis für in einem potentiellen Konflikt gegeneinanderstehende Identitäten. Hauptgrund ist der Ethnozentrismus, eines der konstituierenden Merkmale einer ethnischen Gruppe.25 Unter Ethnozentrismus versteht man die Tendenz, andere Gruppen anhand eigener Stan- dards und Werte zu beurteilen, was Überlegenheitsgefühle und damit Gruppensolidarität und - zusammenhalt verursacht, nach aussen aber die Quelle des Konflikts mit anderen Gruppen darstellt.26

Nicht umsonst wird Ethnizität von TIBI als „major source of conflict in the World of Islam and elsewhere“ bezeichnet.27 Loyalität und Identität richten sich zunehmend auf die eigene ethnische Gruppe aus, weg vom Nationalstaat, der ursprünglich dafür geschaffen war, ethnische Zersplitterung zu überwinden.28 Unter anderem wird die Identität in der Religion gesucht, die ohnehin mit Ethnizi- tät eng verbunden ist.29 Ergebnis kann religiöser Fundamentalismus sein.30 Faktoren wirken vor allem konfliktanheizend, wenn sie mit ethnischen Grenzlinien übereinstim- men: In dem von mir untersuchten Fallbeispiel stellt die Religion ein die Mehrheit verbindendes und die Minderheit ausschliessendes Element dar. Auch Klassengegensätze spiegeln oftmals, zumindest in der allgemeinen Auffassung, ethnische Gegensätze wider und vergröβern somit den Konflikt.

2.3 Ethnische Minderheit Innerstaatlicher ethnischer Konflikt ist der Kampf um die staatlichen Resourcen.31 Hierbei ist die dominante Ethnie immer bestrebt, über die schwächere Ethnie Macht auszuüben.32 Eine Minderheit erhält demzufolge „on the basis of their physical or cultural traits fewer of the society‘s rewards“.33 Durch ihre physischen oder kulturellen Besonderheiten ausgeschlossen von der Gesellschaft, benach- teiligt durch ungerechte Behandlung und sich selbst als Objekte kollektiver Diskriminierung betrach- tend34 wird das Solidaritätsgefühl innerhalb einer ethnischen Minderheitengruppe noch verstärkt,

24 Ebd., S. 131. 25 MARGER: a.a.O., S. 16. 26 Vgl. ebd., S. 14f. 27 TIBI 1998: a.a.O., S. 124. 28Jedenfalls – nach Ernest Rénan – im französischen Sinn der “nationalité élèctive”, vgl. TIBI, Bassam: Vom Got- tesreich zum Nationalstaat. Islam und panarabischer Nationalismus, Suhrkamp, Frankfurt am Main 1991, S. 141 f. 29 TIBI 1998: a.a.O., S. 124. 30 Ebd., S. 128. 31 Ebd., S. 131. 32 OOMMEN, T.K.: „State, Nation and Ethnie: the processual linkages“, in: RATCLIFFE, Peter (Hrsg.): ‚Race‘, ethnicity and nation: international perspectives on social conflict, UCL Press, London 1994, S. 26-47, S. 39. 33 MARGER: a.a.O., S. 44. 34 Louis Wirths klassische Minderheiten-Definition, zit.n. ebd., S. 44. . Ethnizität: Die chinesische Minderheit Indonesiens Kapitel 3— 6.Seite von 39 Seiten . wodurch wiederum sich die Ablehnung von Seiten der dominierenden Gruppe noch vergrößert. Ur- sache und Wirkung lassen sich hierbei nur schwerlich festmachen. Neben den im vorigen Kapitel ausgeführten Charakteristika einer ethnischen Gruppe besitzt eine ethnische Minorität folgende Merkmale: Sie nimmt einen untergeordneten Platz in der gesellschaftli- chen Hierarchie ein, ihre typischen kulturellen oder physischen Eigenschaften werden unterdrückt und von der dominierenden Gruppe als negativ betrachtet, ihre Benachteiligungen und ethnie- spezifischen Behandlungen erzeugen Selbstbewußtsein sowie Zusammengehörigkeitsgefühl, das auch zur meist konsequenten Endogamie, der Heirat innerhalb ihrer Ethnie, beiträgt.35

REX nennt sechs verschiedene Minoritäts-Typen: „vanquished enemies, outright slaves, poor im- migrants, political refugees, indentured labourers and trading minorities“.36 Die chinesische Minder- heit Indonesiens gehört letzterer Gruppe an. Gerade handelstreibende Minderheiten lassen sich meist mit dem Begriff „middleman minorities“ umschreiben.37 Die Einführung und Definition dieses Ausdrucks ist mir wichtig, da die so Bezeichne- ten spezifische sich von anderen ethnischen Minderheiten unterscheidende Merkmale aufweisen. Sie sind die Vermittler zwischen dominierender und untergeordneter ethnischer Gruppe. Sie besetzen die Nische zwischen den Kapitalisten an der Spitze und den arbeitenden Massen am unteren Ende des Wirtschaftssystems. In Realität bedeutet dieses die Ausübung von Berufen wie Händler, Geschäftsbe- sitzer, Geldverleiher und Selbständige. Hiermit wird eine Funktion sowohl für die führende als auch für die untergeordnete Gesellschaftsschicht ausgeübt, da mit als unsittlich oder als zu schwierig erach- teten Jobs wirtschaftliche Notwendigkeiten erfüllt werden. Middlemen minorities sind oft ethnischen Ausschreitungen ausgesetzt. In Zeiten von wirtschaftlicher Prosperität bleiben sie meist unbehelligt; ansonsten bieten sie als natürliche Sündenböcke ein verletz- liches Ziel für Übergriffe. Diese Schwäche treibt middlemen unter die Fittiche der gesellschaftlichen Elite, die ihnen – so lange ihre wirtschaftliche Rolle wichtig ist – Schutz anbietet. Diese Nähe zur Macht, ihr wirtschaftlicher Erfolg und die auβergewöhnliche Gruppensolidarität schafft Argwohn von Seiten der ökonomisch Benachteiligten, die die Mittler als Ausbeuter sehen. Feindschaft und dadurch verstärktes Gruppengefühl auf beiden Seiten wird weiterhin erzeugt durch die Unterstellung, die Mitglieder der ethnischen Minderheit würden sich nur vorübergehend in der Gast-Gesellschaft aufhalten, seien daher nur Durchreisende auf dem Weg zurück in ihr Herkunftsland.

3 Die Mehrheit: Islam als nationale Identität Möchte man die chinesische Minderheit Indonesiens verstehen, darf natürlich die ihr gegenüber- stehende und sie ausschließende Mehrheit nicht unerwähnt bleiben. Die dominierende Gruppe ist

35 Wagley / Harris, zit.n. REX, John.: Race relations in sociological theory, Weidenfeld & Nicolson, London 1970, S. 25. 36 Ebd., S. 28. 37 Folgende Ausführungen vgl. MARGER: a.a.O., S. 51f. . Ethnizität: Die chinesische Minderheit Indonesiens Kapitel 3— 7.Seite von 39 Seiten . „that collectivity within a society which has preeminent authority to function both as guardians and sustainers of the controlling value system, and as prime allocators of rewards in the society.“38 Warum werden aber die chinesisch-stämmigen Bürger Indonesiens anders als z.B. die Sundanesen behandelt? Oder vielmehr, wie kommt es, daß die Sundanesen mit die Mehrheitsgruppe der authoch- tonen Indonesier, der Orang asli/echten Menschen, bilden, wohingegen die Chinesen als Orang ketu- runan/Menschen anderer Abstammung eine der drei als „anders“ betrachteten, ausgeschlossenen Gruppen39 darstellen?

SURYADINATA unterscheidet die südostasiatischen Nationen in „ethnic-nations“ und „social- nations“.40 „Social-nations“, die Philippinen, Singapur und Indonesien, lassen sich wiederum in „indi- genous“ und „immigrant nations“ einteilen. Im Gegensatz zur Einwanderernation Singapur ist Indo- nesien eine „indigenous social-nation“, die völlig auf einheimische ethnische Gruppen ausgerichtet ist. Der Staat versucht, Javanesen, Sundanesen, Bataks und die vielen anderen Ethnien zu einen und ihnen eine gemeinsame indonesische Identität zu geben. Die verhältnismässig spät zugewanderten Chinesen werden weder zu den „Einheimischen“ gezählt und wurden nicht in den Identitätsbil- dungsprozess mit einbezogen.41 Dieses ist vor allem dem Umstand geschuldet, daβ Ethnizität „nevertheless related to religion“ ist. Chinesen sind nur in Ausnahmefällen Muslime. Die einheimische Mehrheit hingegen besteht zu 85 Prozent aus Angehörigen des Islams.42 Obwohl es sich im größten muslimischen Land dieser Erde um eine sehr liberale südostasiatische Variante des Islams handelt, die von „tolerance, pluralism and open-mindedness“ geprägt ist43, stellt die Religion einerseits eine unüberwindbare Hürde für die chinesische Minderheit zur Intergration dar. Andererseits bietet sie für die ethnisch vielfältige Mehrheit das konstituierende Bindeglied, das die Einheimischen von den nicht-islamischen Chinesen absetzt. Die Religion vereinigt den kulturellen Pluralismus der Pribumis und trägt entscheidend zum Nati- onsbewuβtsein bei. Obwohl die Spannbreite des Islams im indonesischen Inselreich von verschiede-

38 Ebd., S. 48 f. 39 Neben Kommunismus, politischem fundamentalistischem Islam werden die Chinesen als “Others” für staats- feindliche Kräfte gehalten. Vgl. HERYANTO, Ariel: „Othering the Chinese“, in: KAHN, Joel S. (Hrsg.): Southeast Asian identities: culture and the politics of representation in Indonesia, Malaysia, Singapore, and Thailand, In- stitute of Southeast Asian Studies, Singapore 1998, S. 48-65, S. 48. 40 SURYADINATA, Leo: Chinese and nation-building in Southeast Asia, Singapore Society of Asian Studies, Singapore 1997, S. 2: “Ethnic-nations”, wie z.B. Burma, Thailand oder Vietnam, repräsentieren – wie schon in ihrem jeweiligen Namen ersichtlich und im Gegensatz zu “social-nations” – hauptsächlich die dominierende Ethnie (also Burmesen, Thais oder Viets). 41 SURYADINATA, Leo: „State and Minority Religion in contemporary Indonesia: recent government policy to- wards Confucianism, Tridharma and Buddhism“, in: AYABE, Tsuneo (Hrsg.): Nation-state, identity , and reli- gion in Southeast Asia, Singapore Society of Asian Studies, Singapore 1998, S. 5-24, S. 5. 42 TIBI 1998: a.a.O., S. 49. 43 Ebd., S. 48. . Ethnizität: Die chinesische Minderheit Indonesiens Kapitel 4— 8.Seite von 39 Seiten . nen Ausrichtungen hin bis zu unterschiedlichen lokalspezifischen Variationen riesig ist, kann durch den Islam die Illusion44 einer umfassenden indonesischen Kultur geschaffen werden. Gleich der Einigkeit der zersplitterten „islamischen Zivilisation“, die bei Bedrohung von aussen, vor allem vom Westen, allen Widrigkeiten zum Trotz dennoch entstehen kann45, können sich auch die einheimischen Ethnien Indonesiens gegen die vermeintliche innere Bedrohung der chinesischen Minderheit vereinigen. Eine Politisierung des Islam könnte diese Utopie zu einer für die Chinesen Indonesiens bedrohlichen Realität werden lassen.

„Being a Chinese is, in Southeast Asia, essen- tially a matter of self-identification.“46 4 Die ethnische Minderheit: „Orang Cina“ Ethnische Gruppen sind „Quasi-Gruppen“47 mit einem für ihre Mitglieder oftmals nicht mehr be- gründbaren Zusammengehörigkeitsgefühl, da sie in die jeweilige Gruppe hineingeboren wurden und sich einer gemeinsamen Geschichte und Herkunft bewusst sind. Diese Abstammungsmythen haben jedoch einen objektiv-historischen Hintergrund. Dieser soll im folgenden Kapitel dargelegt werden.

4.1 Historische Entwicklung: Siedlungsgeschichte Vor der Kolonialisierung gab es im Bereich des heutigen Indonesiens nur wenig Überseechinesen. Obwohl erste Siedlungen an der Nordküste Javas schon in der Tang-Periode (618-907 n.Chr.) erfolg- ten48, hatten die Chinesen keinen großen Einfluß auf Kultur, Sprache oder Lebensgewohnheiten der schon dort Lebenden. Da ihre Zahl gering war, waren sie in hohem Maße assimiliert.49 Mit den Niederländern, die 1596 den indonesische Archipel erreichten und 1602 die Verenigde Oost- indische Compagnie (VOC) gründeten, um dort Handel zu treiben, sollte das anders werden: Als Mittler zwischen den einheimischen Produzenten und den europäischen Handelsgesellschaften sollten die Überseechinesen fungieren, da der Einfluß der VOC ohne eine Zwischenhandelsschicht nicht über die Hafenstädte hinaus gereicht hätte.50

44 Vgl. Ebd., S. 129 f.: Eine allumfassende islamische Kultur bzw. Identität gibt es nicht und ist allenfalls ein uto- pischer Idealtyp, nicht ein der Wirklichkeit entsprechendes soziokulturelles Konstrukt. 45 Ebd., S. 130. 46 G.W. Skinner, zit.n. HEIDHUES, Mary F. Somers: Southeast Asia’s Chinese Minorities, Longman, Melbourne 1974, S. 2. 47 Vgl. REX, John.: Race and ethnicity, Open University Press, Milton Keynes/England 1986, S. 80 f. 48 LIEM, Yoe-Sioe: Die ethnische Minderheit der Überseechinesen im Entwicklungsprozeß Indonesiens. Ein Beitrag zur Erforschung interethnischer Vorurteile in der Dritten Welt, Breitenbach, Saarbrücken 1980, S. 97 f. 49 Ebd., S. 111. 50 JERUMIN, Ulrich: Die Überseechinesen. Ihre Bedeutung für die wirtschaftliche Entwicklung Südostasiens, Stutt- gart 1966, S. 66. . Ethnizität: Die chinesische Minderheit Indonesiens Kapitel 4— 9.Seite von 39 Seiten . Da im 17. Jahrhundert die chinesische Einwanderung noch relativ gering war, wurden sogar Bür- ger der VOC beauftragt, an der Südküste Chinas auf Jagd nach „Menschenmaterial“ zu gehen.51 Erst zu Beginn des 18. Jahrhunderts nahm die Immigration zu. 1733 lebten bereits 80.000 Chinesen im Gebiet um Batavia, dem heutigen Jakarta.52 Wirtschaftliche Not in Chinas Südprovinzen, verursacht durch unfruchtbaren Boden, Überflutungen, Überbevölkerung und Bürgerkriege, trugen zum Verlas- sen Chinas bei und ließen die Zuwanderung nach Niederländisch-Indien kontinuierlich ansteigen.53 Neben diesen „Push“-Faktoren für die Auswanderung aus China stellten Jahrhunderte alte Han- delsverbindungen und ihnen folgende Emigrationsbewegungen zwischen Südchina und dem Nan- yang54 die „Pull“-Faktoren für die Immigration nach Südostasien dar.55 Zu Masseneinwanderungen kam es allerdings erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Nun gewan- nen die Anreize zur Einwanderung in das südostasiatische Inselreich an Gewicht. Die Chinesen konnten nun mit einer wesentlichen Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Situation bei Immigration rechnen.56 Waren die Interessen der Holländer zuvor ausschließlich auf Handel bedacht, begannen sie nun mit dem eigentlichen Kolonialismus, also mit dem Versuch, ein Land vollkommen ökono- misch zu beherrschen, z.B. durch Ausbeutung der Bodenschätze oder Plantagenanbau auf den Au- ßeninseln. Der Gewürzhändler Holland wurde zu einem Rohstoffproduzenten.57 Das hatte zwei Konsequenzen. Zum einen wurden Arbeitskräfte benötigt, zum anderen eine kommerzielle Infrastruktur.58 Als Arbeitskräfte wurden überwiegend Bauern, ungelernte Arbeiter o- der Handwerker aus China abgekauft59, wobei der Unterschied zwischen diesem Kulihandel und der in der kurzen britischen Kolonialzeit (von 1811 bis 1816) abgeschafften Sklaverei nur in den befriste- ten Arbeitsverträgen bestand. Die Lücke in dem neu aufzubauenden flächendeckenden Handelsnetz, das die Holländer aufgrund ihrer personellen Schwäche unmöglich allein errichten und noch weniger aufrecht erhalten konnten, sollten die Chinesen schließen. Sie verfügten mit ihrer bisherigen Tätigkeit als Mittler oder zum Teil auch als ehemalige Arbeiter über das Kapital zur Gründung kleiner Unternehmen.60 Die längste und größte Einwanderungswelle endete um 1930 mit der Weltwirtschaftskrise.61 Seit- dem gibt es keine nennenswerten Immigrationsschübe und nur noch geringfügige Einwanderung.62

51 Ebd., S. 136. 52 RAPP, Klaus-Hermann: „Zur Situation der chinesischen Minderheit in Indonesien seit 1965“, in: PFENNIG, Wer- ner (Hrsg.): Berliner Studien zur int. Politik. Südostasien: Minderheiten, Migration, Flüchtlinge, Bd. 12, Quo- rum-Verlag, Berlin 1988, S. 30. 53 HEIDHUES 1974: a.a.O., S. 6. 54 Nanyang (chinesisch) = Südmeer. 55 Vgl. HEIDHUES 1974: a.a.O., S. 6. 56 Vgl. JERUMIN: a.a.O., S. 7 ff. Dieses traf nur zu, sofern sie nicht als coolies arbeiten mußten. 57 RAPP: a.a.O., S. 31. 58 JERUMIN: a.a.O., S. 17. 59 Ebd., S. 18. 60 Ebd., S. 67. 61 RAPP: a.a.O., S. 33. 62 COPPEL: a.a.O., S. 1. . Ethnizität: Die chinesische Minderheit Indonesiens Kapitel 4— 10.Seite von 39 Seiten .

4.2 Die chinesische Gemeinschaft Indonesiens

4.2.1 Zusammensetzung Heute leben über 5,4 Millionen Chinesen in Indonesien; das entspricht einem Anteil von 2,7 Pro- zent. Sie sind zumeist buddhistisch, protestantisch oder katholisch.63 Überproportional sind sie an der Westküste Kalimantans, an der Ostküste Sumatras, an der Nordküste Javas64 und in Großstädten, vor allem in Jakarta und Umgebung, vertreten.65 Hauptsächlich kann man die Chinesen Indonesiens in fünf Sprachgruppen66, die der jeweiligen Herkunfsregion entsprechen, einteilen: die Hokkien, die Teochiu, die Kantonesen, die Hakka und die Hainanesen. Sie üben sprachgruppenspezifische Berufe aus und haben unterschiedliche Siedlungs- schwerpunkte. In Indonesien, vor allem auf Java, dominieren die Hokkien, die älteste Siedlungsgrup- pe aus der in der Provinz Fukien gelegenen chinesischen Hafenstadt Amoy (Xiamen) und Umge- bung.67

4.2.2 Heterogenität Den seit 1700 eingewanderten Chinesen gaben weder die islamische Bevölkerung68 noch die Ge- sellschaftsform der niederländischen Kolonialherrschaft die Möglichkeit zur Assimilierung.69 Stattdes- sen entwickelten sich zwei eigene chinesische Identitäten mit unterschiedlichem Grad an Akkultura- tion, die Totoks und , an denen die Heterogenität der chinesischen Minderheit deutlich wird.70 Die Peranakans sind in Indonesien geborene Chinesen mit gemischten Vorfahren. Sie sind Nach- kommen der vom 17. bis zum frühen 20. Jahrhundert vor allem aus der chinesischen Provinz Hokkien kommenden Einwanderer, die, da zumeist männlich, mangels Alternative Einheimische hei- rateten. Nach einigen Generationen konnten die Kinder der Peranakans untereinander heiraten. So entstand eine stabile Peranakangesellschaft.

63 Vgl. Internetseite „Discrimination against Minority in Indonesien“, a.a.O. 64 Dort leben laut COPPEL: a.a.O., S. 2, Tab. 1, über 50 % aller Chinesen. 65 LIEM: a.a.O., S. 258. 66 Zur Dikussion über die Einteilung in Sprachgruppe, Stamm oder Mundartgruppe vgl. SOLICH, Eduard J.: Die Überseechinesen in Südostasien, Alfred-Metzner-Verlag, Frankfurt a.M. 1960, S. 3, HEIDHUES 1974: a.a.O., S. 4 sowie LIEM: a.a.O., S. 241. „Sprachgruppe“ ist m.E. aber eher ein Begriff, der inzwischen aufgrund der über- wiegenden Nutzung der indonesischen Nationalsprache und der fortschreitenden „Peranakanisierung“ (vgl. folgenden Abschnitt) eher Verwirrung stiftet, da er impliziert, daß die Überseechinesen in diesen Sprachen kommunizieren. Hiermit ist eher die unter der Ethnien-Zugehörigkeit liegende Identität, die „regionale Her- kunft als subethnische Karegorie“ (vgl. BÜGENER: a.a.O., S. 39), gemeint. 67 HEIDHUES 1974: a.a.O., S. 4 ff. 68 Abgesehen von in kleinen Zahlen auftretenden chinesischen Siedlern in vorkolonialen islamischen Reichen. 69 Ebd., S. 30 ff. 70 TAN, Mely G.: „The Ethnic Chinese in Indonesia: Issues of Identity“, in: SURYADINATA, Leo (HRSG.): Ethnic Chi- nese as Southeast Asians, ISEAS, Singapore 1997, S. 33-65, S. 42 ff.; RAPP: a.a.O., S. 44. . Ethnizität: Die chinesische Minderheit Indonesiens Kapitel 4— 11.Seite von 39 Seiten . An die einheimische Kultur sowie an Sprache und Kleidung haben sich die Peranakans, wenn auch nicht vollkommen, angepaßt.71 Ihr politisches Denken ist auf Indonesien gerichtet, und sie sind in der Mehrheit indonesische Staatsangehörige. Sie bevorzugen nichtkommerzielle, freie oder Angestellten- berufe.72 Die Totoks sind erst seit den ab kurz vor 1900 zunehmenden Einwanderungen eine nennenswerte Gruppe. Sie waren73 meist noch in China geborene, „reine“74 Überseechinesen, die eher aus Hakka oder Kanton kommen. Ihre chinesischen Sitten, ihre Sprache, Kultur und Religion hatten sie weitge- hend beibehalten, genauso wie ihre chinesische Staatsangehörigkeit.75 Überwiegend sind sie selbstän- dige Unternehmer wie z.B. Kleinladenbesitzer.76 Da es keine größeren Einwanderungen von Chinesen nach Indonesien mehr gibt und die indone- sische Regierung mit ihrem Assimilierungsdruck auf die Totoks einwirkt, befindet sich die Totokgesell- schaft in einem Auflösungsprozeß, nachdem schon eine „schleichende Peranakanisierung“ stattgefun- den hat.77 Inzwischen ist die rassistische Definition von Totok und Peranakan obsolet geworden.78 Diese Di- chotomie ist heute eher eine sozio-kulturelle Unterscheidung, die sich am Grad der Akkulturation, der Sprache und dem Maß an sozialer Interaktion mit den Einheimischen festmacht. Für beides ist die Siedlungsdauer ausschlaggebend. Peranakans zeichneten sich also durch eine hohe gesellschaftliche Interaktion mit den Pribumis aus, wohingegen Totoks zu den Einheimischen (und auch zu Peranakans) nur begrenzt sozialen Kontakt hatten.79 Die zweite Dichotomie, auf der einen Seite die Chinesen mit indonesischer Staatsangehörigkeit (Warga Negara Indonesia/indonesische Staatsangehörige), auf der anderen Seite die ausländischen Chi- nesen (Warga Negara Asing/ausländische Staatsangehörige), die vor allem in den sechziger und siebzi- ger Jahren die chinesische Minorität in zwei politische Gruppen spaltete80, hat aufgrund eines geän- derten Staatsbürgerschaftsrecht81 heutzutage an Relevanz verloren.

„Sekali Cina, tetap Cina.“ (Einmal ein Chinese,

71 LIEM: a.a.O., S. 262. 72 RAPP: a.a.O., S. 46. 73 Aus biologischen Gründen – siehe nächsten Absatz – ist hier inzwischen die Vergangenheitsform anzuwen- den. 74 Totok (indon.) = rein. 75 LIEM: a.a.O., S. 263 f. 76 Ebd., S. 320 f., Tab. 16: Nach einer Erhebung aus dem Jahr 1956 sind 89,5 % der Totoks und nur 57,2 % der Peranakans im Handel tätig, aber 25,5 % der Peranakans Arbeiter, wohingegen der Totok-Anteil dort nur bei 3,3 % liegt. Bei den freien Berufen liegt das Verhältnis bei 3,5 % Peranakans zu 1,8 % Totoks. 77 RAPP: a.a.O., S. 47. 78 Vgl. COPPEL: a.a.O., S. 9 f. 79 LIEM: a.a.O., S. 445 f. 80 Vgl. HEIDHUES, Mary F. Somers: „Die chinesische Minderheit im politischen Leben Indonesiens“, in: ZEITSCHRIFT FÜR POLITIK, Köln, Jg. 15, Heft 3, Sept. 1968, S. 337-352, S. 338 f. 81 Vgl. dazu Kap. 4.2 über die Staatsbürgerschaftsfrage. . Ethnizität: Die chinesische Minderheit Indonesiens Kapitel 5— 12.Seite von 39 Seiten . immer ein Chinese.)82 5 Antichinesische Vorurteile und Stereotypen Von einer homogenen Gruppe ist also keinesfalls zu sprechen. Dennoch wird die chinesische Minderheit, pejorativ als „Orang Cina“ bezeichnet83, von den Einheimischen als monolithischer Block wahrgenommen, dem vielfältige Ressentiments und Antipathien gegenüberstehen.84 Vorurteile bestehen aus willkürlichen, generalisierenden Meinungen oder irrationalen, gewöhnlich negativen Gefühlen über bzw. gegen eine ethnische Gruppe und all ihrer Mitglieder. Stereotypen, „pictures in our heads“85, werden nicht an der Realität geprüft und sind in der Regel unkorrigierbar.86 Diese Langlebigkeit von Vorurteilen liegt MARGER zufolge an dem Wunsch der dominanten Gruppe, die Minorität in einer untergeordneten Position zu halten.87 Oftmals werden in anderen Zusammenhängen als positiv betrachtete Eigenschaften semantisch umgekehrt: So wird aus „geschäftstüchtig“ „geldgierig“, aus „flexibel“ „unberechenbar“. Einst wert- freie Gruppenbezeichnung wie „Jude“ oder „Orang Cina“ erhalten pejorative Bedeutung.

Aus dem folgenden von C. COPPEL zitierten Text lassen sich die den Chinesen zugeschriebenen Stereotypen erkennen: “The Chinese are clannish, they keep aloof socially and prefer to live in separate areas. They cling persistently to the culture of their ancestral homeland. Their loyalty to Indo- nesia is dubious at best; at worst they are downright hostile to Indonesia. Chinese who apparently identify with Indonesia are not genuine; they are only pretending to do so for opportunistic reasons, rather than from a true sense of identification with the country and its people. This opportunism is characteristic of a people concerned with money, trade and business. They are not, like Indonesians, dedicated to ideals. Having been giv- en a favoured position by the Dutch, the Chinese dominate the Indonesian economy, op- pressing the Indonesian masses and preventing the rise of a national (i.e. indigenous) entrepreneurial class. Not content with their dominant position, they also engage in economic subversion, since they are expert in bribery and smuggling.”88

Nach LIEM lassen sich die Vorurteile in drei „Entstehungskomplexe“ einteilen89: Vorurteile der „sozialen Exklusivität“, der „ökonomischen Ausbeutung“ und des „politischen Opportunismus“, wobei im folgenden die Stereotypen und ihre Hintergründe bzw. „Entstehungszusammenhänge“90 nur zu nennen sind, um sie dann im Kapitel 4 in einem historischen Rahmen zu erläutern.

82 Geflügeltes Wort in Indonesien und bis 1980 vertretener Standpunkt der VR China. Vgl. LIEM: a.a.O., S. 414 und COPPEL: a.a.O., S. 8. 83 Vgl. BÜGENER: a.a.O., S. 11. 84 Vgl. LIEM: a.a.O., S. 523-547. 85 Walter Lippmann, zit.n. MARGER: a.a.O., S.75. 86 Ebd., S. 74 f. 87 Ebd., S. 79. 88 Vgl. COPPEL: a.a.O., S. 5. 89 Vgl. LIEM: a.a.O., S. 526-547. 90 Zu den Entstehungszusammenhänge der antichinesischen Vorurteile siehe LIEM: a.a.O., S. 549, Tabelle 27 so- wie HEIDHUES: a.a.O., S. 100-108. . Ethnizität: Die chinesische Minderheit Indonesiens Kapitel 5— 13.Seite von 39 Seiten . 5.1 Gesellschaftlicher Exklusivismus Die Chinesen – so lauten gängige Stereotype – hätten seit jeher Superioritätsgefühle und würden die Pribumis für minderwertig halten.91 Sie seien eine nicht anpassungsbereite92 Ethnie, die auf interne Geschlossenheit und externe Nichtzugänglichkeit ihrer Gemeinschaft bestehe. Dieses Urteil läßt sich auf die unterschiedlichen Werthaltungen von urban orientierten Chinesen und agrarisch orientierten Indonesiern zurückführen. Des weiteren ist das unter 6.1 zu erörternde his- torisch bedingte „typische“ Minderheitenverhalten mit ausschlaggebend für diese Perzeption.93

5.2 Wirtschaftliche Ausbeutung Ein weit verbreiteter Mythos ist der Reichtum der Chinesen, den sie auf Kosten und durch Aus- beutung der Einheimischen angehäuft hätten: „The Chinese constitute only 3.5 percent of the popu- lation but control 70 percent of Indonesia’s economy“94, ist die allgemeine Behauptung. Zugrunde gelegt ist diesem angeblichen Anteil die Anzahl der chinesischen Firmen an den wirt- schaftlich stärksten Konglomeraten. Hierbei wird jedoch übersehen, daß zum einen die übermäßige Repräsentation innerhalb des Großunternehmens-Sektors nicht auf die Gesamtheit der indonesischen Chinesen, die überwiegend der Mittelschicht angehören, zu übertragen ist. Zum anderen haben die Chinesen in den allermeisten Fällen Pribumis als Kompagnons, so daß von einer alleinigen chinesische Dominanz über die indonesische Wirtschaft nicht gesprochen werden kann.95 Dennoch läßt sich die Entstehung dieser Vorwürfe nachvollziehen, bedenkt man die ethnisierte, von der Konkurrenz zwischen Indonesiern und Chinesen geprägte indonesische Wirtschaft sowie die in einer Agrargesellschaft ungern gesehene von den Chinesen ausgeübte Tätigkeit des Handels.96

„The Chinese don’t mind who holds the cow so long as they can milk it.“97 5.3 Politischer Opportunismus Der Vorwurf des politischen Opportunismus ist mehrschichtig: Den Chinesen wird vorgeworfen, ihnen würde jeglicher Nationalismus fehlen, weswegen sie auch problemlos mit den Niederländern oder Japanern kollaboriert hätten. Sie seien als fremde, nicht indonesische Ethnie der Stachel im

91 Ebd., S. 524: Dieses Vorurteil trifft nach einer Untersuchung von 1973 tatsächlich auf die Einstellung vieler Chinesen zu. 92 Und das, obwohl sie z.B. die Nationalsprache Bahasa Indonesia, vor allem in den Großstädten, zu fast 100 Prozent nutzen, was bei den autochthonen Indonesiern nicht der Fall ist. Vgl. RAPP: a.a.O., S. 32. 93 LIEM: a.a.O., S. 527 f. 94 Diese Behauptung findet sich in der populären Literatur über Indonesien (wie in vielen Reiseführern) sowie in vielen Studien. Zitiert aus einer australischen Zeitung bei ADITJONDRO, George J.: „Indonesia: The Myth of Chinese Domination“, in: JAKARTA POST vom 14. Aug. 1998. 95 Ebd., siehe auch Kap. 4.6. 96 LIEM: a.a.O., S. 528 ff. 97 Indonesisches Sprichwort, zit. n. COPPEL: a.a.O., S. 24. . Ethnizität: Die chinesische Minderheit Indonesiens Kapitel 6— 14.Seite von 39 Seiten . Fleisch der indonesischen Nation und wollten als „Fünfte Kolonne Pekings“ Chinas Einfluß auf In- donesien vergrößern.98 Neben einem zu Verzerrungen führenden Informationsmangel der indonesischen Majorität ist der politisch-geschichtliche Hintergrund von der Kolonialzeit bis in die Gegenwart an diesem Stereotyp schuld. Außerdem sorgten für dieses Vorurteil drei weitere Zusammenhänge: der interne Konflikt un- ter den Überseechinesen zwischen Taiwan- und VR China-Symphatisanten (bei dem eine überspitzte China-Identifikation der Nanyang-Chinesen einsetzte), die Gleichsetzung der Chinesen mit dem im Kalten Krieg einzudämmenden Kommunismus (was durch die Einmischung externer Mächte noch verstärkt wurde) sowie der in Kap. 6.2 zu erläuternde Konflikt um die Staatsangehörigkeit.99

6 Ursachen und Faktoren des Antisinismus Nachdem im vorigen Kapitel die Vorurteile mit ihren Erklärungszusammenhängen kurz angedeu- tet wurden, sollen nun die einzelnen Aspekte, die sich im Gesamtbild des Antisinismus wiederfinden und die zu derartigen Ressentiments gegen die Überseechinesen führen, in einen historischen Zu- sammenhang gestellt werden.100

„The Chinese are the No. 1 colonizers.“101 6.1 Ausbeutung und Exklusivismus: Die Chinesen unter den Niederländern Die den Antipathien zugrunde liegende wirtschaftliche, politische und kulturelle Sonderstellung der Chinesen bildete sich wahrscheinlich erst mit der Ankunft der Niederländer heraus.102 Mit der Kolonisation wurde aus den vorher stark assimilierten Chinesen eine abgegrenzte Ethnie. Als Zwi- schenhändler wurden sie von den im 17. Jahrhundert nur spärlich in ihrer Kolonie vertretenen Hol- ländern instrumentalisiert, um eine ökonomische Infrastruktur aufzubauen und aufrechtzuerhalten.103 Beide Seiten konnten Nutzen aus dieser Symbiose ziehen, denn bislang gelang es den westlichen Großbetrieben nicht, in den Zwischenhandelssektor vorzustoßen, und die chinesischen Kleinbetriebe konnten zu dieser Zeit noch nicht am kapitalintensiven Weltmarkt teilnehmen.104 JERUMIN bezeich- net die Überseechinesen daher als ideale „Ergänzung der Europäer“.105

98 LIEM: a.a.O., S. 530 ff. 99 Ebd. 100 Hinzuweisen ist darauf, daß die in den Unterkapitel-Überschriften kursiv gedruckten Faktoren für Antisi- nismus nur einen Aspekt der Gründe für Chinesenfeindlichkeit ansprechen und nicht monokausal für den jeweils dazu gehörenden Zeitraum stehen. Die Hintergründe sind selbstverständlich vielfältiger als in den vereinfachten Überschriften darstellbar. 101 Rohiman, ein Pribumi, zit. in „Under the Volcano“, FEER 13.3.1997, S. 42-47, S. 46. 102 Frühere Quellen bleiben im Unklaren; darüber, wie es vorher aussah, kann also nur gemutmaßt werden. 103 LIEM: a.a.O., S. 131. 104 JEROMIN: a.a.O., S. 67. 105 Vgl. ebd., S. 83. . Ethnizität: Die chinesische Minderheit Indonesiens Kapitel 6— 15.Seite von 39 Seiten . Das sollte sich aber ändern: Mit zunehmender Anzahl und vor allem mit steigendem wirtschaftli- chem Erfolg wurden die Chinesen ein Konkurrenzfaktor für die VOC und damit für die Wirtschafts- interessen der niederländischen Kolonialmacht. Auch der von Chinesen betriebene Schmuggel, der den Monopolrechten der VOC zuwiderlief, ließ die Holländer zu Maßnahmen greifen, um dem Auf- stieg der Überseechinesen Einhalt zu gebieten.106 Mit der Erhebung von Kopfsteuern, der Einschränkung der Niederlassungsfreiheit und der Vertei- lung von Aufenthaltsgenehmigungen wollten die Holländer die alleinige wirtschaftliche Vormacht- stellung erreichen und dem schnellen ökonomischen Wachstum der Chinesen entgegenwirken. Dem gleichen Zweck sollten Deportationen, Umsiedlungen vom Land in die Stadt und das Verbot des Landerwerbs dienen. Das Chinesenmassaker von 1740, bei dem mit 10.000 Toten fast die gesamte chinesische Bevölkerung Batavias ausgelöscht wurde107, war der deutlichste Ausdruck der verschlech- terten Beziehungen zwischen Niederländern und Überseechinesen. Das Ergebnis dieser Maßnahmen war eine Ghettoisierung der chinesischen Minorität. Durch ihre Ansiedlungen in bestimmte Stadtbezirke entstanden bis auf den heutigen Tag bestehende China- towns. Die räumliche Ausgrenzung aus der Gesellschaft ist also nicht nur eine freiwillige Angelegen- heit gewesen; sie wurde, wie auch die Funktion der Chinesen in der Wirtschaft, von außen oktro- yiert.108 Anfangs des 20. Jahrhunderts spitzte sich die ethnische Politik der Niederländer zu einer von den Kolonialherren forcierten rassistischen Apartheid zu109, unter der die Chinesen - so T. SHIRAISHI - „were relegated to the position of pariahs – no longer part of the regime, without any real power to threaten the Dutch, and vulnerable to popular native antagonism“.110 Dennoch - trotz aller einschränkenden Schikanen gelang es den Überseechinesen im Laufe der Kolonialzeit, eine wirtschaftliche Vormachtstellung gegenüber den Einheimischen zu erlangen. Durch Engpässe in der Verwaltung, entstanden 1742 durch die Expansion ihres Kolonialreiches, verpachteten die Holländer Monopolrechte auf Ländereien und Dörfer. Viele Chinesen investierten ihr Kapital in dieses Pachtland, auf dem sie nun hoheitliche Rechte111 ausüben durften.112

106 Ebd., S. 24. 107 LIEM: a.a.O., S. 138-143. 108 Ebd., S. 140. 109 Vgl. SHIRAISHI, Takashi: „Anti-Sinicim in Java’s New Order“, in: CHIROT, Daniel/REID, Anthony (Hrsg.): Essen- tial Outsiders. Chinese and Jews in the Modern Transformation of Southeast Asia and Central Europe, Universi- ty of Washington Press, Seattle 1997, S. 187-207. 110 Ebd., S. 204 f. 111 Unter diesen Monopolrechten verstand man hoheitliche Rechte zur Erhebung von Zoll-, Markt- und Tabak- gebühren, sowie das Recht zur Erhebung von Wegezoll, das Salzmonopol, Fischrechte und das Monopol zum Ankauf einheimischer Produkte. Weiterhin konnten Steuern oder Pachtzinsen und Lehn- und Frondienste von der auf dem Pachtland lebenden Bevölkerung gefordert werden. 112 LIEM: a.a.O., S. 146 ff. . Ethnizität: Die chinesische Minderheit Indonesiens Kapitel 6— 16.Seite von 39 Seiten . Die oft mißbrauchte Machtstellung und Willkür der Verpächter führte zu Unbeliebtheit und Auf- ruhr in der Bevölkerung, was, genauso wie ihre Zusatztätigkeit als Kreditgeber113, ein weiteres Mosa- iksteinchen im heutigen vorurteilsbeladenen Bild von den Chinesen ist. Durch den Zerfall der VOC 1800 und das dadurch entstandene Vakuum konnte die chinesische Kommerzschicht zusätzlich zu ihrer starken, gegen Ende des 19. Jahrhunderts fast beherrschenden Stellung im kompletten Zwischenhandel114 auch anfangen, ihren Marktanteil im Großhandel auszu- bauen.115 Dennoch ist die Gleichung „Chinesen gleich Händler“ eine grobe Verallgemeinerung, die selbst 1930 vor der Weltwirtschaftskrise nicht zutraf: Nur 36,6 % aller Überseechinesen waren im Handel, hingegen aber 30,8 % in der Urproduktion116 und 20 % in der Industrie tätig.117

In der Industrie beherrschten die Chinesen nach einer Auflistung des FAR EASTERN ECONOMIC REVIEW118 bis 1945 folgende Bereiche: Ziegeleien, Reis-, Kokosnußöl- und Kautschukmühlen, Ziga- rettenindustrie, kleinere Schiffswerften, die mittlere Textil- und Metallindustrie, Seifenherstellung, Druckereien, Sägewerke und Brot-, Backwaren- und Eisfabriken. Die Anschuldigung, die Chinesen wären Ausbeuter, einer der Hauptgründe für den Antisinismus der Pribumis, hatte zumindest am Ende der Kolonialzeit seine Berechtigung.

6.2 Illoyalität zur Republik Indonesien: Die ungeklärte Staatsbürgerschaft Mit einem 1909 erlassenen Gesetz119 erhob China den Anspruch auf alle Nachkommen eines chi- nesischen Vaters, wo immer sie auch geboren seien. Dieses jus sanguinis machte somit alle Übersee- chinesen automatisch zu Bürgern Chinas.120 Daraufhin erließen die Holländer 1910 ein Gesetz nach dem völkerrechtlich entgegengesetzten Prinzip, dem jus soli, das alle in Niederländisch-Indien geborenen Personen zu niederländischen Un- tertanen machte. Die chinesischen Einwohner ihrer Kolonie sollten keiner fremden Macht, sondern einzig und allein ihrer Jurisdiktion unterstehen, wenngleich den Überseechinesen auch nicht dieselben Rechte wie ihnen oder den Einheimischen eingeräumt werden sollten.121 Nach Gründung der indonesischen Republik 1945 wurde im „Gesetz zur Staatsbürgerschaft“ (1946) festgelegt, daß alle im Lande geborenen Chinesen Indonesier seien, wenn sie es nicht ablehn-

113 JERUMIN: a.a.O., S. 75 ff. 114 Ebd., S. 152. 115 RAPP: a.a.O., S. 64. 116 Die Produktion und Abbau von Rohstoffen und Bodensubstanz. 117 COPPEL: a.a.O., S. 19, Tab. 7. 118 FEER, Band 27, Hongkong 1959, S. 694, zit.n. JERUMIN: a.a.O., S. 101. 119 SURYADINATA 1985: a.a.O., S. 142, Appendix 1: „Text of the Law on the Acquisition and Loss of Chinese Na- tionality (1909)“. 120 RAPP: a.a.O., S. 37; HEIDHUES 1974: a.a.O., S. 91. 121 LIEM: a.a.O., S. 405 und S. 408 f. . Ethnizität: Die chinesische Minderheit Indonesiens Kapitel 6— 17.Seite von 39 Seiten . ten.122 Dieses führte bei den Überseechinesen zu Doppelstaatsangehörigkeiten und vor allem zu Un- klarheiten, welcher Nationalität man nun tatsächlich angehörte, da China als Volksrepublik nach wie vor auf dem jus sanguinis bestand.123 Bei den Pribumis hingegen erweckte es Mißtrauen, da es den An- schein hatte, daß sich die Chinesen Indonesiens nicht eindeutig für die Republik Indonesien ent- scheiden wollten.124 Die Bandung-Konferenz sollte diesem Zustand ein Ende bereiten. 1955 wurde ein „Vertrag über die Doppelstaatsangehörigkeit“125 ausgehandelt, der erst 1960/62 ratifiziert wurde.126 Wer keine in- donesische Staatsbürgerschaft hatte, war von nun an Bürger der Volksrepublik China. Wer die dop- pelte Staatsangehörigkeit besaß, sollte sich innerhalb von zwei Jahren entscheiden. Wer sich nicht entscheiden konnte oder wollte, wurde automatisch Bürger Chinas127, sofern er nicht Bürger der Re- publik China/Taiwan war, die fortan als staatenlos galten. Insbesondere für die Peranakans stellte dieser Vertrag eine Zumutung dar, denn sie mußten nun wieder, nachdem die meisten sich schon nach der Gründung Indonesiens für die indonesische Staats- angehörigkeit ausgesprochen hatten, ihre Zugehörigkeit zu Indonesien unter Beweis stellen. Denjeni- gen, die die indonesische Staatsangehörigkeit damals abgelehnt hatten, den Taiwanesen sowie den noch in China Geborenen, wurde keine Wahlmöglichkeit zugebilligt. Berechtigt, sich ihre Nationalität auszuwählen, war also nur die Hälfte aller ethnischen Chinesen. Von ihnen stimmten insgesamt 40 bis 45 % für die chinesische Staatsbürgerschaft.128 Indonesien rückte damit vom jus soli ab und nahm es bewußt, vielleicht sogar gewollt129, in Kauf, daß in der Konsequenz des Vertrages der Anteil der Überseechinesen mit chinesischer Nationalität anstieg.130 Einen weiteren Schritt in diese Richtung tat die indonesische Regierung mit der 1958 erlas- senen „Zwei-Generationenklausel“, die ausschließlich in Indonesien geborenen und ansässigen Aus- ländern mit ebenfalls dort geborenen und ansässigen Eltern das Recht zugestand, indonesische Staatsbürger zu werden.131 1969 wurde der „Vertrag über die Doppelstaatsangehörigkeit“ im Zusammenhang mit dem Machtwechsel132, nach dem alle diplomatischen Beziehungen mit der Volksrepublik China suspen-

122 1952 waren von den damals ca. 2,1 Mio. Chinesen etwa 1,1 Mio. indonesische Staatsbürger geworden. 390.000 für die Staatsbürgerschaft berechtigte Chinesen lehnten diese ab. Vgl. RAPP, a.a.O., S. 38. 123 Ebd., S. 37 f. 124 LIEM: a.a.O., S. 410. 125 SURYADINATA 1985: a.a.O., S. 166-172, Appendix 5: „Text of the Sino-Indonesian Treaty on Dual Nationality (22. April 1955)“. 126 HEIDHUES 1974: a.a.O., S. 91 f. 127 RAPP: a.a.O., S. 38. 128 LIEM: a.a.O., S. 415. Nach dem Abschluß der Optionsphase 1962 gab es laut RAPP (a.a.O., S. 39) von den insge- samt 2,8 Mio. Überseechinesen 1,3 Mio. Indonesier, 1,1 Mio. Bürger der VR China und 400.000 Staatenlose, also Taiwanesen. Coppel sowie Heidhues gehen allerdings von höheren Anteilen aus. 129 Diese Meinung vertreten HEIDHUES 1974: a.a.O., S. 93 sowie SOLICH: a.a.O., S. 30. 130 LIEM: a.a.O., S. 416. 131 Ebd., S. 412. 132 Siehe Abschnitt 4.5.1. . Ethnizität: Die chinesische Minderheit Indonesiens Kapitel 6— 18.Seite von 39 Seiten . diert wurden, einseitig von Indonesien gekündigt.133 Das jus soli fand nun de facto wieder Anwen- dung. Noch bis 1980 befanden sich die Chinesen Indonesiens in einer immer noch nicht eindeutig ge- klärten Situation bezüglich ihrer Nationalität. Erst dann forderte die VR China alle Überseechinesen auf, die Staatsbürgerschaft ihres Gastlandes anzunehmen und erließ ein „Nationalitätengesetz“, das jedem Bürger Chinas bei Übernahme einer neuen Nationalität seine alte absprach.134 Mit einer ent- sprechenden Verordnung Suhartos aus dem gleichen Jahr, die die Einbürgerung der ethnischen Chi- nesen erleichterte, ist die Nationalitätenfrage der Chinesen nun auch gesetzlich geklärt.135 Dennoch ist eine tatsächliche Gleichstellung noch in weiter Ferne und aufgrund der wirtschaftli- chen Konkurrenz der Chinesen auch gar nicht erwünscht. Genauso wenig wird bei antichinesischen Ausschreitungen Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit genommen, und die Bürokratie behält auch weiterhin ihre antichinesische Einstellung.136 Auch hier hatte die bei vielen Überseechinesen vollzogene Assimilierung, die nun sogar durch die ausschließliche Annahme der indonesischen Staatsangehörigkeit formal vollständig war, keine Chance auf Anerkennung bei der autochthonen Bevölkerung. Die Überseechinesen sind also seit der Gründung der Republik durch die ungeklärte und andau- ernden Wechseln unterliegende Nationalitätenfrage stets Bürger zweiter Klasse und in den Augen der Pribumis nie richtige indonesische Bürger gewesen, was auch den Vorwurf der Illoyalität zu Indonesi- en bzw. der Loyalität zu China erklärt.

„The most typical Chinese reaction was to feel themselves to be ‚between the hammer and the anvil‘“137 6.3 Antinationalismus: Der revolutionäre Weg in die Unabhängigkeit Der indonesische Nationalismus war als Motor der Unabhängigkeitsbewegung grundsätzlich auf die Ausschaltung aller nichteinheimischen Elemente bedacht.138 An oberster Stelle standen bei der jungen nationalen Bewegung wirtschaftliche Ziele, die vollständig mit der kolonialen ökonomischen Ordnung brechen sollten und sich damit zwangsweise gegen die europäische Vormachtstellung und selbstverständlich auch gegen die chinesische Position in der einheimischen Wirtschaft richteten.139

133 LIEM: a.a.O., S. 577. 134 SURYADINATA 1985: a.a.O., S. 158, Appendix 3: „Text of the Nationality Law of The People’s Republic of China (1980)“. 135 Ebd., S. 178, Appendix 7: „Text of the Presidential Decision No. 13 of 1980. Concerning the Procedure for the Application of Citizenship, Republic of Indonesia“, Artikel 9. 136 RAPP: a.a.O., S. 41. 137 Loa Sek Hie, zitiert in COPPEL: a.a.O., S. 25. 138 Natürlich war der Weg in die Unabhängigkeit viel differenzierter und komplexer. Hier ist die Rede von einem Extremziel, das aber gut die Richtung der Bestrebungen kennzeichnet. 139 Vgl. TIBI 1991: a.a.O., S. 31. . Ethnizität: Die chinesische Minderheit Indonesiens Kapitel 6— 19.Seite von 39 Seiten . Im Gegensatz zu Malaysia sollte ein „revolutionärer Weg“ in die Unabhängigkeit gegangen werden, der eine Zusammenarbeit mit den Trägern der alten Ordnung zu vermeiden versuchte.140 Die Masse der Bevölkerung Indonesiens waren Bauern. Ihrer wirtschaftliche Stärkung maß Sukar- no große Bedeutung bei. Als Hauptgegner erschienen den Bauern die Händler, von denen sie sich ausgebeutet fühlten. Und diese Händler waren fast ausschließlich Überseechinesen.141 Die Verdrän- gung der Chinesen aus dem Handel diente somit auch dem Anliegen der Bauern.142 Die zweite Gruppe, deren wirtschaftliche Vorstellungen verwirklicht werden sollten, war die urba- ne einheimische Mittelschicht, die zwar zahlenmäßig und wirtschaftlich eher unbedeutend war, aber die Führer der Unabhängigkeitsbewegung stellte. Sie stand in unmittelbarer Konkurrenz zu den in den Städten überproportional angesiedelten Chinesen, denen es durch ein „Netz persönlicher Bezie- hungen“, den guanxi, gelang, neue Wettbewerber vom Markt fern zu halten.143 Als eine Gegenorganisation zum chinesischen Handelsnetz diente die 1912 gegründete Organisa- tion Sarekat Islam als „Trägerin des gewerblichen Nationalismus“144, die die Geschäftpositionen der Moslems verbessern und nach der Unabhängigkeit durch Gesetze und Politik den islamischen Ein- fluß vergrößern sollte. Mit der Masse und mit persönlichen Interessen im Rücken fühlten sich die Führer der Unabhän- gigkeitsbewegung legitimiert, Maßnahmen gegen die wirtschaftliche Abhängigkeit von den Chinesen einzuleiten. Die Sarekat Islam half ihnen dabei, neben legislativen Maßnahmen auch Boykottaktionen gegen chinesische Firmen durchzuführen.145 Die chinesische Minorität, nun als Ableger Chinas be- zeichnet, wurde als Teil des neuen Staates nicht akzeptiert.146 Hinzu kam, daß sich die vom anschwellenden Antisinismus bedroht fühlenden Überseechinesen unter die Fittiche der sich zurückziehenden Holländer begaben, um sich dort vor antichinesischen Übergriffen wie dem in Tanggerang im Mai/Juni 1946147 zu schützen.148 Dieses verstärkte den Ein- druck der Illoyalität, sogar der Konterrevolution, den die chinesische Minderheit Indonesiens bis heu- te nicht losgeworden ist. 149 Die zu diesem Zeitpunkt bestehende Doppelstaatsangehörigkeit vieler ethnischer Chinesen150, die ‚Philosophie‘ der Unabhängigkeitsbewegung und die Schutzsuche bei den ehemaligen holländischen Kolonialherren führten also dazu, daß die mutmaßlich illoyalen Chinesen von den Bestrebungen des indonesischen Nationalismus ausgeschlossen wurden.

140 JERUMIN: a.a.O., S. 146. 141 Ebd., S. 112. 142 Ebd., S. 166. 143 Ebd., S. 113. 144 Vgl. ebd., S. 115. 145 SHIRAISHI: a.a.O., S. 203. 146 Jerumin: a.a.O., S. 120. 147 COPPEL: a.a.O., S. 25; HEIDHUES 1974: a.a.O., S. 105. 148 COPPEL: a.a.O., S. 25 f. 149 Ebd., S. 26. 150 Siehe Kap. 6.2. . Ethnizität: Die chinesische Minderheit Indonesiens Kapitel 6— 20.Seite von 39 Seiten .

6.4 Wirtschaftliche Konkurrenz: Maßnahmen der indonesischen Regierung un- ter Sukarno Ein erster Schritt in diese Richtung war die forcierte Bildung von privaten einheimischen Firmen 1950. An Chinesen wurden generell keine Genehmigungen zur Erweiterung oder zum Neubau von Betrieben gegeben.151 Sog. Benteng-Firmen152, die nur Pribumis gehören durften, wurden bei der Gewährung von Einfuhr- lizenzen bevorzugt. Ihnen wurden Kredite von extra dafür gegründeten Banken gegeben; leicht ver- käufliche Waren mit sicherem Gewinn waren ihnen vorbehalten. Durch eine gezielte Devisenzutei- lung sollten 70 % aller Importe für indonesische Firmen, 15 % jeweils für chinesische Indonesier und für übrige Ausländer bestimmt sein. Das Ergebnis schien 1956 mehr als erreicht zu sein: Benteng-Firmen hatten sogar einen 83- prozentigen Anteil am Importvolumen. Doch arbeiteten viele dieser Firmen für chinesische Händler, denen sie ihren Namen für eine Provision von 15 - 35 % des Umsatzes gaben.153 Aufgrund dieses sog. „Ali-Baba-Systems“154 war das Ergebnis häufig mangelhaft. Dazu kam, daß die wenigen Pribumis, die selbständig wirtschafteten, in ihrer Mehrzahl das verdiente Geld statt zu in- vestieren lieber konsumierten.155 Der Versuch, eine breite einheimische Unternehmerschicht zu bilden, war also gescheitert. 1957 begann daher eine neue Epoche156: Mit Verstaatlichungen sollte nun eine sozialistisch-kooperative Wirtschaftsform errichtet werden. 1958 wurden die holländischen Betriebe und die der mit Taiwan sympathisierenden Überseechinesen in indonesischen Besitz überführt. 1960 folgte ein Verbot für Ausländer, womit ausschließlich Chinesen gemeint waren, Handel außerhalb der Städte zu betreiben. Bestehende Betriebe auf dem Land wurden von Genossenschaften übernommen, womit 300-400.000 Chinesen ihre Lebensgrundlage verloren. Viele wurden aus den ländlichen Bezirken deportiert oder gingen freiwillig. 150.000 von ihnen kehrten zurück in die Volksrepublik.157 Diese antichinesischen Maßnahmen hatten jedoch im Ergebnis eine Verschlechterung der eh schon prekären Wirtschaftslage Indonesiens zur Folge. Das zu Beginn der Unabhängigkeit noch reichlich vorhandene Kapital der chinesischen Minorität floß ins Ausland oder in die Strohfirmen des Ali-Baba-Systems, da es durch die restriktiven Wirtschaftsmaßnahmen keine Möglichkeit hatte, zu ei-

151 Jerumin: a.a.O., S. 165. 152 Benteng (indon.) = Festung. 153 LIEM: a.a.O., S. 508. 154 Der Chinese („Baba“) stellte das Geld und die Geschäftsabwicklung, der Pribumi („Ali“) sorgte für den Erhalt der Vorteile für einheimische Firmen. 155 RAPP: a.a.O., S. 66. Es sei darauf hingewiesen, daß es sich bei dieser Feststellung ebenfalls um ein Vorurteil handeln kann. 156 JERUMIN: a.a.O., S. 165. 157 RAPP: a.a.O., S. 67 f. . Ethnizität: Die chinesische Minderheit Indonesiens Kapitel 6— 21.Seite von 39 Seiten . nem Aufschwung beizutragen.158 Die ökonomische Krise erreichte ihren Tiefpunkt 1965. In diesem Jahr, in dem Sukarno seine Macht verlor, betrug die Inflation 650%.159

„You can squeeze them, and they won’t squeal, because they are so dependent on the ruling elite.“160 6.5 Politischer Spielball: Die „Neue Ordnung“ und die Chinesen Im Indonesien Sukarnos gab es durchaus einige chinesische Organisationen und Politiker, die sich kulturell wie politisch um das Wohl ihrer Ethnie bemühten.161 Nach dem Ende der alten Ordnung änderte sich dieses grundlegend: Die Assimilationspolitik Suharos wollte eine chinesische Identität nicht dulden. Gesellschaftlich einfluβlos und weitgehend ohne Möglichkeit, sich zu artikulieren, blieb den Sino-Indonesiern nichts anderes übrig, als sich in die Hände der Herrschenden zu begeben.

„[It is] convenient to have an ideology which places the blame for especially economical dangers away from those in charge...“162 6.5.1 Sündenböcke: Der Putsch 1965 und die Auswirkungen auf die Chinesen Im Oktober 1965 gelangte Suharto als Reaktion auf einen angeblich geplanten Putsch der „Partai Komunis Indonesia“ (PKI) an die Macht.163 Dabei wurden 500.000 bis eine Million164 tatsächliche oder vermeintliche Kommunisten umgebracht, davon 20.000 Chinesen165, denen als „fünfte Kolon- ne“ der VR China und der Kommunistischen Partei Chinas großer Einfluß auf die PKI nachgesagt wurde.166 Eine gewisse Affinität war sicher nicht zu leugnen, da die PKI zum einen neben den christlichen Parteien die einzige Partei war, die nicht feindlich gegenüber der chinesischen Minderheit eingestellt

158 JERUMIN: a.a.O., S. 166. 159 RAPP: a.a.O., S. 69. 160 The Kian Wie, ein Senior Research Associate am Indonesian Institute of Sciences, zit. in „The Outsiders“, FEER, 13.3.97, S. 44 f. 161 Z.B. die Peranakan-Organisation Baperki, vgl. dazu die Biographie ihres stellvertretenden Vorsitzenden Yap: LEV, Daniel S.: „Becoming an Orang Indonesia Sejati: The Political Journey of Yap Thiam Hien“, in: KAHIN, Audrey (HRSG.): Indonesia: The Role of the Indonesian Chinese in Shaping Modern Indonesian Life. Proceedings of the symposium held at Cornell University in conjunction with the Southeast Asian Studies Summer Institute July 13-15, 1990, Cornell Southeast Asia Program, Cornell 1991, S. 97-112. 162 REX 1986: a.a.O., S. 77. 163 Die Versionen der Machtergreifung Suhartos von 1965 sind vielfältig. Keine ist bisher historisch verifiziert worden, da eine Aufarbeitung des Coups bisher noch nicht stattgefunden hat (siehe „Total Correction“, in: FEER, 12.10.1995, S. 22 f.). 164 Angaben laut AMNESTY INTERNATIONAL: Indonesien und Osttimor. Kein Paradies für Menschenrechte, Bonn 1994, S. 30. 165 Dies ist die am häufigsten und bei LIEM (a.a.O., S. 500) genannte Angabe. Zuverlässige Zahlen sind nicht vor- handen. Die Angaben schwanken zwischen einem „Bruchteil“ (vgl. HEIDHUES 1968: a.a.O., S. 349) bis hin zu 300.000 (Angaben der chinesischen Forscher Wu/Wu, zit.n. RAPP: a.a.O., S. 83) getöteten Chinesen. 166 Vgl. LIEM: a.a.O., S 537. . Ethnizität: Die chinesische Minderheit Indonesiens Kapitel 6— 22.Seite von 39 Seiten . war167, zum anderen, da sie finanzielle168 sowie ideelle Unterstützung (z.B. durch den Vorsitzenden der chinesischen Baperki-Organisation Siauw Giok Tjhan169) von Seiten der Chinesen bekam. Vom aufgewiegelten Volk, das seinen latenten Antisinismus nun ausleben konnte, wurden chinesi- sche Gebäude niedergebrannt, chinesische Konsulate angegriffen und in den Chinesenvierteln zer- stört und gemordet.170 Diese eher sporadischen als systematischen171 gewalttätigen Ausschreitungen gingen allmählich in antichinesische Verwaltungsmaßnahmen über172: Alle chinesischen Schulen wurden geschlossen173, alle chinesischen Organisationen verboten, Niederlassungsverbote erlassen174, das Zusammenpfer- chen von Flüchtlingen in Lagern angeordnet und alle diplomatischen Beziehungen zu China suspen- diert175. Für Totoks, denen jetzt der Zwischenhandel und teilweise auch der Einzelhandel untersagt war, galt eine Kopfsteuer. Chinesische Zeitungen, Schriftzeichen und Sprache waren von nun an bis zum heutigen Tage im öffentlichen Leben untersagt.176 Viele Überseechinesen wechselten ihre Religion und traten vom Buddhismus zum Christentum über, da sie nicht als Ungläubige oder Kommunisten gelten wollten, womit sie das Mißtrauen der Muslime auf sich gezogen hätten.177 Einige von ihnen wanderten aus.178 Die Zurückgebliebenen hat- ten ihren chinesischen Namen in einen indonesischen zu ändern.179 Der Zugang zu öffentlichen Uni- versitäten wurde massiv erschwert, indem z.B. die Studiengebühren für chinesische Studenten erheb- lich erhöht wurden, so daß ein Auslandsstudium oft der günstigere Weg war.180 Nachdem Suharto am 11. März 1966 offiziell Präsident wurde, erließ er eine „Kabinettsentschei- dung zum Schutz von Leben, Eigentum und Beruf“181, die den antichinesischen Ausschreitungen ein Ende bereiten sollte, vor allem, um der sich katastrophal entwickelnden indonesischen Wirtschaft zu helfen.182 Eine für sie hilfreiche Erfahrung haben die Machthaber aus den damaligen Ausschreitungen gegen die Chinesen gemacht, die später immer wieder angewendet wurde: die Chinesen lassen sich als Sün-

167 RAPP: a.a.O., S. 80. 168 HEIDHUES 1968: a.a.O., S. 348. 169 LEV: a.a.O., S. 105. 170 HEIDHUES 1974: a.a.O., S. 83. 171 „...killings of the Chinese because they were Chinese were more sporadic and less systematic“, vgl. COPPEL: a.a.O., S. 58. 172 HEIDHUES 1968: a.a.O., S. 348 ff. 173 COPPEL: a.a.O., S. 65 ff. 174 HEIDHUES 1974: a.a.O., S. 83. 175 Ebd. 176 RAPP: a.a.O., S. 81 f. Eine von offizieller Seite herausgegebene chinesisch-sprachige Zeitung durfte weiter existieren. Durch die Übernahme der Präsidentschaft durch Abdurrahman Wahid ist mit baldiger Lockerung dieser Regel zu rechnen. 177 LIEM: a.a.O., S. 312 f. 178 HEIDHUES 1974: a.a.O., S. 83. 179 LIEM: a.a.O., S. 515 und HEIDHUES 1974: a.a.O., S. 83 f. 180 LIEM: a.a.O., S. 520 f. 181 SURYADINATA 1985: a.a.O., S. 173-177, Appendix 6. 182 RAPP: a.a.O., S. 84. . Ethnizität: Die chinesische Minderheit Indonesiens Kapitel 6— 23.Seite von 39 Seiten . denböcke funktionalisieren. Angriffe auf sie lenken von hausgemachten Problemen ab. Daher wird von Zeit zu Zeit der ruhende Antisinismus der Pribumis bewußt aktiviert und provoziert, auch, um ei- nen Anlaß für weitere Repressionen zu schaffen.183 Bestes und weitreichendstes Beispiel waren die schließlich zum Sturz Suhartos führenden Unruhen im Frühjahr 1998. Das Chinesenviertel Jakarta, Glodok, wurde zerstört, chinesische Mädchen grau- sam vergewaltigt und Geschäfte chinesischer Indonesier verwüstet und geplündert. In dringenden Tatverdacht kamen schließlich Teile der Armee, vor allem Suhartos Schwiegersohn Prabowo, damals Chef der Eliteeinheit Kopassus, dem unterstellt wird, daß er mit der Initiierung antisinischer Unruhen Chaos zur Rechtfertigung von verstärkten Militäreinsätzen stiften wollte sowie Chinesen als Verursa- cher der Wirtschaftskrise darzustellen beabsichtigte, um den Präsidenten und das System zu erhalten. Sündenböcke eigenen sich hervorragend, die Unzufriedenheit der machtlosen Massen von den Machthabern fernzuhalten. Ihre Wut kann auf andere machtlose Gruppen gelenkt werden. Die Chi- nesen als gesellschaftliche Außenseiter bieten sich mit ihrer Spezialisation auf moralisch zweifelhafte Berufe sowie als Verkäufer, die unmittelbar für eine Preissteigerung z.B. des Grundnahrungsmittels Reis aus der Sicht des einheimischen Konsumenten verantwortlich zu sein scheinen, für die Rolle als Sündenbock an. Ausschreitungen gegen sie haben die Regierung oft vor oppositionellen Demonstra- tionen bewahrt und verhelfen damit dem Regime, seine Ordnung zu bewahren.184

„...to speed up the process of the country’s development to achieve prosperity and social justice, it is deemed necessary to step up the ability and efforts of Indonesian nationals and on the other hand to place the capital and enterprises of aliens in their right function and propor- tion.”185 6.5.2 Machtnähe durch Cukongismus: Indonesische Wirtschaft ab 1967 Suharto setzte mit seiner Orde Baru/Neuen Ordnung auf ein möglichst großes Wachstum der Wirtschaft. Wichtig waren vor allem Kapital und Investitionen, um die Inflation zu bekämpfen und die Wirtschaft zu stabilisieren.186 Dafür wurde 1967 ein Gesetz verabschiedet, das Investitionen aus dem Ausland mit zweijähriger Steuerfreiheit belohnen sollte. Darauf gingen vor allem westliche und japanische Konzerne ein, aber auch Auslandschinesen aus dem restlichen Südostasien. Für die Joint-Venture-Geschäfte wurden be- vorzugt ethnische Chinesen als indonesische Partner gewählt, da sie über Eigenkapital und Manage-

183 Vgl. verschiedenste Zeitungsberichte vom ersten halben Jahr 1998; siehe auch „Playing with Ire“, FEER, 5.5.1998, S. 18 f. 184 Vgl. REX 1970: a.a.O., S. 102 f. 185 Präambel der Kabinettsentscheidung No. 37/1967 zur Lösung des Chinesenproblems, Abs. 2; vgl. SURYADI- NATA 1985: a.a.O., Appendix 6, S. 173. 186 RAPP: a.a.O., S. 70 ff. . Ethnizität: Die chinesische Minderheit Indonesiens Kapitel 6— 24.Seite von 39 Seiten . mentfähigkeiten verfügten. Die inländischen Chinesen selbst blieben aber von der aktiven Nutzung dieses Investitionsgesetzes vorerst ausgeschlossen.187 Da Suharto aber nicht auf deren Kapital verzichten wollte, wurde dieses Gesetz 1968 mit dem „Inlandsinvestitions-Gesetz“ erweitert, so daß allen in Indonesien ansässigen Ausländern, somit also auch der chinesischen Minderheit, nun ebenfalls die Möglichkeit gegeben wurde, für zwei Jahre steu- erfrei und relativ sicher Investitionen zu tätigen.188 Als Einschränkung galt, daß die Garantie für den Bestand ihrer Unternehmen im Handelsbereich auf zehn und im Industriebereich auf 30 Jahre begrenzt wurde. Allerdings stellte dieses für die Über- seechinesen erstmals ein kalkulierbares Risiko dar, auf dessen mögliche Folgen man sich einstellen konnte, was im Gegensatz zu ihrer vorigen Stellung einen enormen Fortschritt bedeutete.189 Diese Limitierung galt jedoch nicht für Unternehmen, die sich mindestens zur Hälfte in der Hand von in- donesischen Staatsbürgern oder des Staates befanden. Ab Anfang 1974 hatte der indonesische Anteil dafür sogar bei 75 % zu liegen.190 Dieses brachte viele, vor allem westlich ausgebildete Peranakans191, dazu, das alte „Ali-Baba- System“ wieder aufleben zu lassen. Auch diejenigen mit indonesischer Staatsangehörigkeit, die nun zwar de jure ökonomisch nicht mehr benachteiligt waren, de facto aber immer noch diskriminiert wurden192, beteiligten sich an dem Cukongismus, der Name für diese wirtschaftliche Verbindungen von Chinesen und Pribumis, der zu einem Merkmal der Wirtschaft unter Suharto wurde. Nun wurde die neue politische Elite, Ministerialbeamte, hohe Militärs und Provinzgouverneure, als mehrheitliche Besitzer einer Firma eingespannt, in der die Chinesen die Geschäftsführung und Fi- nanzierung übernahmen. Letztere sorgten zudem für Geschäftskontakte, die sie aus ihrer meist lan- gen Tätigkeit im wirtschaftlichen Sektor noch hatten oder leicht knüpfen konnten, während ihre in- donesischen Partner für staatliche Förderung, politischen Schutz, den Erhalt von Handelslizenzen und sonstigen Privilegien sorgten.193 Neben den Chinesen, denen nun wieder eine Möglichkeit zur wirtschaftlichen Betätigung gegeben wurde, profitierten die politischen Machthaber, die nun auch starken ökonomischen Einfluß beka- men. Bestes Beispiel dafür ist der indonesische Präsident Suharto selbst: Mit Hilfe seines chinesischen Freundes und Partners Liem Sioe Liong, des angeblich reichsten Mannes Indonesiens, gelang es ihm

187 RAPP: a.a.O., S. 70. 188 COPPEL: a.a.O., S. 152 f. 189 Ebd., S. 153. 190 RAPP: a.a.O., S. 70. 191 LIEM: a.a.O., S. 443. 192 Obwohl mit der indonesischen Verfassung nicht vereinbar, wurde deutlich zwischen autochthonen und chi- nesisch-stämmigen Indonesiern differenziert (JERUMIN: a.a.O., S. 135 f.). Noch heute haben ethnische Chine- sen bei Behördengängen aller Art auf Verlangen der Beamten ihren Stammbaum darzulegen (sobald nicht schon durch Ausweis, Namen oder Aussehen die chinesische Abstammung zweifelsfrei erkennbar sein soll- te). Gebühren, Preise oder Bestechungsgelder sind dann ungleich höher als für Pribumis. 193 LIEM: a.a.O., S. 443. . Ethnizität: Die chinesische Minderheit Indonesiens Kapitel 6— 25.Seite von 39 Seiten . und seiner Familie, ein privates Wirtschaftsimperium aufzubauen.194 Der Cukongismus erregte aber im Volk, an dessen Lage sich nur wenig verändert hatte, großen Unmut, da es an der Wirtschaft im- mer noch nicht partizipieren konnte. Auch aus Suhartos politischem Umfeld wurden Forderungen nach einer Abkehr vom Cukongis- mus laut, und die Wut der Pribumis artikulierte sich gegen diese Wirtschaftsform vor allem in antichi- nesischen Ausschreitungen.195 Daher kehrte Suharto zurück zum alten Protektionismus zugunsten der autochthonen Indonesier, zur Pribumisasi-Politik.196 So wurde 1974 beschlossen, daß der Anteil der Pribumis bei Joint-Venture-Geschäften bei mindestens 50 % liegen solle. 1977 wurden Unternehmen von Totoks zwangsverkauft, zwei Jahre später das „Gesetz zur Unter- stützung ökonomisch schwacher Gruppen“ beschlossen, das 1980 insofern ergänzt wurde, daß Staatsaufträge bis Rp 100 Mio. ausschließlich an kleinere Pribumi-Unternehmen zu vergeben waren.197 Viele Chinesen zogen sich nun, nachdem die Phase der Tolerierung vorüber war, wieder in illegale Geschäftsbereiche wie dem Schmuggelhandel mit Singapur zurück, in dem sie sich schon vor dem Cukongismus zwangsweise betätigten.198 Dennoch, trotz aller Pribumisasi-Politik, hatten es sich die Chinesen gut eingerichtet in der Neuen Ordnung und nutzten die Symbiosemöglichkeiten, die ihnen das System bot. Sie behielten ökonomi- schen Einfluß und erhielten politischen Schutz. Dafür bekamen die Machthaber die Möglichkeit, zum einen sich selbst zu bereichern und zum anderen, durch ihre Patronage der den privaten Sektor be- herrschenden chinesischen Minderheit eben diesen indirekt selbst zu kontrollieren. Eine entspre- chende einheimische Unternehmerschicht wäre nicht dermaßen schwach wie die wehrlosen Übersee- chinesen.199

194 RAPP: a.a.O., S. 72. 195 COPPEL: a.a.O., S. 153 f. 196 LIEM: a.a.O., S. 510 f. 197 RAPP: a.a.O., S. 73 f. 198 LIEM: a.a.O., S. 511 f. 199 LIM, Linda Y.C./GOSLING, L.A. Peter: „Strengths and Weaknesses of Minority Status for Southeast Asian Chi- nese at a Time of Economic Growth and Liberalization“, in: CHIROT, Daniel/REID, Anthony (Hrsg.): Essential Outsiders. Chinese and Jews in the Modern Transformation of Southeast Asia and Central Europe, University of Washington Press, Seattle 1997, S. 285-317, S. 297 f. . Ethnizität: Die chinesische Minderheit Indonesiens Kapitel 6— 26.Seite von 39 Seiten . „... having been burnt more than once for allying with a power holder, only to be left unprotected when power changed hands [...] Yet, as a poten- tially vulnerable group, they cannot completely ignore the problem of allying with the holders of power.”200 6.6 Setzen auf das falsche Pferd: Kollaborateure der Neuen Ordnung in der neuesten Ordnung. Die aktuelle ökonomische Situation der chinesischen Minderheit in der Post-Suharto-Ära Aus der eben angesprochenen Schwäche heraus resultiert das Bedürfnis der ethnischen Chinesen, zur Macht eine möglichst enge Verbundenheit zu pflegen, wie sie mit Suhartos Militärregime be- stand.201 Ein derartiges Patron-Klient-Verhältnis verliert seine Vorteile für die Klientel, wenn der Patron die Macht verlieren sollte. Die Schutzbedürftigen sind auf einmal schutzlos. Mit dem im Mai 1998 durch Wirtschaftskrise und innere Unruhen erzwungenen Rücktritt des langjährigen Präsidenten Suharto er- lebten die Chinesen Indonesiens zum wiederholten Male die Konsequenz, zu eng mit der scheiden- den Macht liiert gewesen zu sein. Schon die bereits erwähnten Anlehnungen an die Holländer oder an Sukarnos Regierung, in der sie sich auf die PKI verließen, führten zu Vorwürfen des Antinationalis- mus bzw. des Kommunismus und extrahierten die Chinesen von der Mehrheit.

200 HEIDHUES 1974: a.a.O., S. 85. 201 LIM/GOSLING: a.a.O., S. 297 f. . Ethnizität: Die chinesische Minderheit Indonesiens Kapitel 6— 27.Seite von 39 Seiten . Daß der Nachfolger Suhartos, B.J. Habibie, zum Machtkartell seines Vorgängers gehörte, dürfte für die Chinesen von großem Wert sein. Obwohl er als ehemaliger Vorsitzender der muslimischen In- tellektuellen-Vereinigung ICMI sich für eine intensivere Pribumisasi-Politik ausgesprochen hatte202, be- suchte er nach den antichinesischen Brandschatzungen, Plünderungen und Vergewaltigungen de- monstrativ Jakartas Chinatown.203 Der Grund dafür dürfte neben eigenen persönlichen Verbindun- gen mit chinesischen Unternehmern204 das Wissen der Abhängigkeit der indonesischen Wirtschaft von der chinesisch-stämmigen Bevölkerung sein. Den gleichen Grund machte die internationale Presse205 auch für den ersten offiziellen Staatsbe- such des neuen Präsidenten Abdurrahman Wahids verantwortlich, der neben dieser Visite noch Kwik Gjian Gie als Wirtschaftskoordinator in seine Regierung aufgenommen hat sowie öffentlich sich mit der Bemerkung, er selbst habe chinesisches Blut in den Adern, mit der chinesischen Minderheit sei- nes Landes solidarisiert. Chinesisches Geld scheint also wichtig zu sein. Doch was sagt die Literatur zum Stellenwert chine- sischer Wirtschaftsmacht?

Für R. ROEDER haben die Überseechinesen immer noch eine „starke, wenn nicht dominierende Rolle“.206 Auch der „Indonesien Report“ im Internet konstatiert, daß „die chinesische Minderheit [...] über- proportional den Handel und die Wirtschaft“ kontrolliert.207

Genauso sieht es M. FREMEREY in seinem Beitrag im „Handbuch der Dritten Welt“. Die Übersee- chinesen hätten „trotz wiederholter staatlicher Interventionsversuche ihre Schlüsselrolle in der Bin- nenwirtschaft lediglich während Sukarnos gelenkter Wirtschaft verloren“, dafür aber ihre Position im Großhandel verstärkt.208 Und die FEER bezieht sich auf das Centre for Information and Development Studies aus Jakarta und bet- ont, daß „the Chinese control half of the national economy, and an even larger percentage of the pri- vate sector“.209

U. JERUMIN ist der Auffassung, daß die Chinesen „kaum die gleiche Stellung“ wie „vor der Revo- lution“ haben, sie sich aber auch hier relativ gut angepaßt haben und ihr „äußerer Einfluß“210 und „die alte Stellung der chinesischen Kaufleute im Handel“ „kaum gebrochen“211 sei.

202 „Turning Point“, FEER, 30.7.1998, S. 15. 203 Ebd. 204 ADITJONDRO, G.J.: „Indonesia: The Myth of Chinese Domination“, JAKARTA POST vom 14.8.1998. 205 Vgl. z.B. „The Observer“ vom 30.Januar 1999, S. 3. 206 ROEDER, Rolf: „Das Chinesenproblem“, in: ROEDER, Rolf (Hrsg.): Indonesien, Hamburg 1979, S. 243-245. 207 Internetseite der FU Berlin: a.a.O. 208 FREMEREY, Michael: „Indonesien“, in: NOHLEN, Dieter/NUSCHELER, Franz (Hrsg.): Handbuch der Dritten Welt. Südasien und Südostasien, Band 7, 3. Aufl., Hamburg 1994, S. 319. 209 „Ready, Set ...“, FEER, 19.2.1998, S. 47. 210 JEROMIN: a.a.O., S. 145 f. 211 Ebd., S. 171. . Ethnizität: Die chinesische Minderheit Indonesiens Kapitel 6— 28.Seite von 39 Seiten .

Zurückhaltender schätzt es M.F. Somers HEIDHUES ein: „Although still strong, in many respects it is weaker than before 1940.“212

Eine noch schlechtere Bewertung der chinesischen Stellung nimmt K.-H. RAPP vor: Die Chinesen „beherrschen [...] keinen Sektor der indonesischen Wirtschaft allein, sondern – wenn überhaupt – nur in Kooperation mit Pribumis oder dem indonesischen Staat“.213 90 % der indonesischen Wirtschaft seien inzwischen verstaatlicht und somit von Pribumis bestimmt. Die restlichen 10 % müssen sich die Chinesen mit autochthonen Indonesiern und Ausländern teilen.214 „Der chinesische Bereich erscheint nur deshalb so groß, weil viele Pribumi-Eigentümer ihre Unternehmen von Chinesen leiten lassen.“215

Y.-S. LIEM sieht die chinesische Dominanz über die indonesische Wirtschaft schon weit vor der Machtübernahme Suhartos nicht mehr gegeben.216 Er vermutet, wie auch RAPP217, hinter dem Fest- halten an dieser nirgendwo festzumachenden These der chinesischen Wirtschaftsbeherrschung rassis- tische und auf eigenen ökonomischen Vorteil bedachte Argumentationsmotivationen der Gegner der chinesischen Minderheit218, die hiermit nach G.J. ADITJONDRO einen „convenient and racist way of blaming the victims“ einschlagen219. An den teilweise sehr schwammigen Äußerungen über die Stellung der Chinesen in der Wirtschaft ist erkennbar, daß genaue, durch Zahlen belegbare Angaben nicht machbar sind. Daran mögen insbe- sondere die vielen von den Chinesen genutzten Schlupflöcher zur Umgehung von Gesetzen schuld sein.220 Dennoch sprechen auch diejenigen, die den chinesischen Einfluß auf die Wirtschaft eher für begrenzt halten, den Überseechinesen die Bedeutung für die Ökonomie Indonesiens nicht ab. Auch die Tatsache, daß bei jedem gegen die Chinesen gerichteten Gesetz und vor allem bei dem nach den letztjährigen Pogromen einsetzenden Exodus einiger Überseechinesen sich die wirtschaftlichen Prob- leme noch verstärken, spricht für sich.221

212 HEIDHUES 1974: a.a.O., S. 27. 213 RAPP: a.a.O., S. 91 f. 214 Dem widerspricht eine nicht näher spezifizierte jüngere Untersuchung, die von Rolf HANISCH im Handbuch der Dritten Welt, a.a.O., im Beitrag „Struktur- und Entwicklungsprobleme Südostasiens“ auf S. 91 angeführt wird, die den Anteil der Staatsunternehmen bei 8%, den von PRIBUMI-Privatunternehmern bei 42 % und den der Chinesen bei 50 % sieht. Allerdings sind mir die Angaben im o.g. Beitrag zu unkonkret, als daß ich ihnen Repräsentativität zusprechen würde. 215 Vgl. RAPP: a.a.O., S. 74. 216 LIEM: a.a.O., S. 482. 217 RAPP: a.a.O., S. 92. 218 LIEM: a.a.O., S. 528. 219 Vgl. ADITJONDRO: a.a.O., JAKARTA POST vom 14.8.1998. 220 Siehe Anm. 161. 221 „Ready, Set ...“, FEER, 19.2.1998. . Ethnizität: Die chinesische Minderheit Indonesiens Kapitel 7— 29.Seite von 39 Seiten . „If people took special notice of red automobiles, and believed that the redness of automobiles was connected inseparably with their mechanical effectiveness, then red automobiles would constitute a real and important category.“222 7 „Orang Cina“ als typische middleman minority: Fazit Die Ausschreitungen von 1998 verdeutlichten erneut, daß die Chinesen in Indonesien vor allem in Zeiten der Krise und des Übergangs gefährdet und noch weit entfernt von einem gleichberechtigten Miteinander sind. In Sprache, Habitus, Name, Nationalität und manchmal sogar schon Religion unterscheiden sich die Überseechinesen, vor allem die Peranakans, in den meisten Fällen wenig oder gar nicht mehr von den Pribumis. Bei vielen sind selbst keine physischen Unterschiede gegeben.223 Oberflächlich betrach- tet also wenig objektive Unterschiede – jedenfalls keine, die die Chinesen Indonesiens daran hindern würden, es z.B. den in ihrer neuen Heimat völlig akzeptierten Sino-Thais gleichzutun und ihrerseits in der indonesischen Gesellschaft integriert zu werden. Doch so sehr sie auch Assimilierungsbereit- schaft zeigen mögen bzw. durch die Neue Ordnung zur Assimilation gezwungen wurden, bleiben sie in den Augen der Einheimischen und in ihrer Eigenwahrnehmung immer eine fremde Ethnie. An diesem ethnischen Konflikt läβt sich erkennen, wie – trotz relativer Assimilierung – Ethnizität konstruierbar, manipulierbar und benutzbar ist. Sie ist eine soziale Produktion, die natürlich auf ob- jektiven Besonderheiten einer bestimmten Gruppe beruht. Die Konstruktion von Ethnizität und in diesem Fall einer ethnischen Minderheit beinhaltet aber eine negative Auslegung der festgestellten, oftmals eingebildeten Unterschiede zwischen Mehr- und Minderheit. Durch diese Arbeit sollte es verständlich geworden sein, warum die restlichen Indonesier, deren Perzeption wiederum für das Selbstverständnis der chinesischen Minorität wichtig ist, die chinesisch- stämmigen Indonesier als Ausländer sehen möchten und welche Faktoren zur Entstehung der ange- feindeten Gruppe der „Orang Cina“ beitrugen. Wie gezeigt liegen die Ursachen dafür zeitlich schon 400 Jahre zurück. Anstatt die Position der chinesischen Minderheit, in die sie von den Kolonialherren gesetzt wurde, für die Ziele der neuge- gründeten indonesischen Republik auszunutzen, setzten die indonesischen Nationalisten darauf, den chinesischen Einfluß als Verkörperung des alten Systems zu minimieren. Die Frage der Staatsbürger- schaft machte es den Chinesen zusätzlich schwer, als vollwertiges Mitglied der Gesellschaft anerkannt zu werden. Und schlieβlich führte der Versuch, die Diskriminierungen der Neuen Ordnung mit Hilfe des Cukongismus teilweise zu umgehen, zu noch gesteigerter Unbeliebtheit bei den Pribumis. Der Antisinismus hat also vielfältige Ursachen, die sich – wie mit dieser Arbeit beabsichtigt und getan – anhand des geschichtlichen Verlaufs anschaulich aufzeigen lieβen.

222 Anthropologist Robert Redfield, zit.n. Marger: a.a.O., S. 25. 223 So werden immer wieder Pribumis mit vermeintlich typisch chinesischem Aussehen versehentlich Opfer von gegen Chinesen gerichteten Ausschreitungen. . Ethnizität: Die chinesische Minderheit Indonesiens Kapitel 7— 30.Seite von 39 Seiten . Die Motivationen und Rechtfertigungen für antichinesische Vorurteile lassen sich in drei Gruppen zusammenfassen: A) Wirtschaftliche Faktoren: • Bekämpfung der chinesischen Ausbeutung • Wirtschaftlicher Wettbewerb mit den konkurrierenden Chinesen B) Religiös-kulturell-soziale Faktoren: • Chinesen als außenstehende fremde Ethnie • Chinesen als Nichtgläubige/Nichtmoslems • Chinesen sind nicht anpassungswillig und betreiben Exklusivismus C) Politische Faktoren: • Versuchte Verbesserung der Bedingungen der Einheimischen durch ethnische Politik • Der Antinationalismus der Chinesen ist gegen die indonesische Nation gerichtet • Chinesen als Sündenbock, um von eigenen Fehlern abzulenken • Sie lassen sich gut instrumentalisieren und sind als schwache Gruppe einfach zu manipulieren • Die Loyalität der Chinesen zu ihrem „Gastland“ ist zweifelhaft • Chinesen waren bei jedem Wechsel Träger des alten Systems Die vermeintlich in Gegnerschaft zur imaginären „indonesischen Nation“ stehenden Chinesen werden als Konkurrenten im Kampf um die staatlichen Ressourcen, zu denen wirtschaftlicher, kultu- reller oder politischer Einfluβ gehören, gesehen. Die meisten anderen indonesischen Ethnien schweiβt der gemeinsame Glaube sowie der gemeinsame Feind, die chinesische Minderheit, zusam- men. Ihr Ziel ist, sie kulturell und politisch einfluβlos zu lassen sowie ihre wirtschaftliche Macht zu brechen. Gerade die chinesische Position als handelstreibende Minderheit, die stets in einer unsicheren Mit- telposition der Wut der ausgebeuteten Massen und dem Schutz der sie benutzenden Elite ausgesetzt war, macht es der Mehrheit einfach, die ungeliebte Minorität weiterhin gesellschaftlich auszu- schlieβen. Schwer bis unmöglich ist es hingegen, den Antisinismus zum Verschwinden zu bringen. Zu fest, zu tief und zu lange sind seine Vorurteile schon in den Köpfen der meisten Indonesier verwurzelt. Die Stereotypen als irreal und imaginär zu entlarven ist bei der jetzigen indonesischen Sozialstruktur unmöglich. Die chinesische Stellung in Gesellschaft und Wirtschaft sowie die innere und äuβere Wahrnehmung als abgeschlossene und ausgegrenzte Ethnie lassen die Chinesen fast automatisch zu Sündenböcken werden. . Ethnizität: Die chinesische Minderheit Indonesiens Kapitel 8— 31.Seite von 39 Seiten . Wie den Juden im Deutschen Reich vor 1941224 werden den Chinesen Indonesiens bestimmte „rassische“ Eigenschaften zugeschrieben, die von kapitalistischer Ausbeutung zur kommunistischen Subversion, zwei völlig gegensätzliche Vorwürfe, reichen. Vieles, von ethnie-spezifischen von der Allgemeinheit eher verachteten Berufen über den Status der middlemen minority mitsamt ihrer Ausnut- zung als Sündenböcke bis hin zu den Vorurteilen und Ressentiments, läβt sich an diesen beiden Diaspora-Gruppen vergleichen.225 Das Ende der Juden in Deutschland zeigt allerdings der chinesi- schen Minderheit die Notwendigkeit, den Antisinismus zu überwinden. Doch wie, wenn überhaupt, ist das zu bewerkstelligen? Antworten sind schwer, spekulativ und un- sicher, sollen im folgenden aber dennoch zu geben versucht werden.

„Wir sind wie Gras. Man kann darauf herumtram- peln, man kann es verbrennen, man kann es aus- trocknen, aber wenn der Regen kommt, sprießt es wieder grün und saftig hervor.“226 8 Ausblick Wollen die ethnischen Chinesen eine Verbesserung ihrer Situation erreichen, müssen sie alle än- derbaren – im letzten Kapitel aufgezählten – Faktoren bekämpfen, auch, wenn sie noch so unzutref- fend sind. Vorurteile sind immer irrational; dieser Irrationalität müssen Fakten und öffentlich gegen- teiliges Verhalten entgegengesetzt werden. Dieses wird ein langer Weg sein, denn es war ebenfalls ein langer Weg, die Ressentiments in den Köpfen der Pribumis zu verankern. Doch genügt es nicht, die Symptome zu bekämpfen; die Ursachen müssen angegangen werden. Mit der scheinbar einfachsten und bequemsten, von vielen Chinesen angestrebten Lösung werden die Vorbehalte gegen die chinesische Minderheit noch verstärkt und keinesfalls abgebaut: Schutz vor dem Antisinismus stellt eine Fortsetzung der Instrumentalisierung durch die Herrschenden dar; denn solange die Chinesen noch „funktionieren“, ist ihre Existenz relativ gesichert. Ihr nun benötigter An- teil am Aufbau der Wirtschaft kann sie jetzt auch unter Präsident Abdurrahman Wahid erneut in die- se Position bringen. Seine Bemühungen um das Kapital der chinesischen Minderheit weisen in diese Richtung. Diese Möglichkeit vermag aber nichts gegen den Antisinismus auszurichten. Im Gegenteil: sie hält ihn latent, kann aber nicht verhindern, daß er bei einem erneuten Machtwechsel, bei einer er- neuten Krise umso stärker ausbricht. Um den Antisinismus wirksam zu bekämpfen muβ die schon unter den Holländern praktizierte ethnische Politik zurückgedrängt werden, nicht indem man die Chinesen zur Assimilation zwingt,

224 Der Antisinismus in Indonesien ist nicht mit dem vor allem nach 1941 einsetzenden systematischen Genozid der Deutschen an den Juden gleichzusetzen. 225 Für diesen Vergleich wäre eine ausführlichere Untersuchung vonnöten. Einige sehr interessante Essays sind in CHIROT, Daniel/REID, Anthony (HRSG.): Essential Outsiders. Chinese and Jews in the Modern Transformation of Southeast Asia and Central Europe, University of Washington Press, Seattle 1997 zu finden. 226 Ein Chinese, zitiert in „‘In Liebe, Krieg und Geschäft ist alles erlaubt‘. SPIEGEL-Report über die Auslandschi- nesen in Südostasien“, DER SPIEGEL, 18/1974, S. 100-109, S. 100. . Ethnizität: Die chinesische Minderheit Indonesiens Kapitel 8— 32.Seite von 39 Seiten . sondern indem man ihnen eine Möglichkeit zur freiwilligen Akkulturation entsprechend der anderen indonesischen Ethnien gibt. Einheit in der Vielfalt sollte in Zukunft auch die Indonesier chinesischen Ursprungs einschließen. Dazu ist es natürlich essentiell, daß Diskriminierungen von Regierungs- und Verwaltungsseite un- terlassen werden: Die vor kurzem veranlaßte Aufhebung der speziellen Codierung für die Pässe der ethnischen Chinesen, anhand derer sie oftmals Opfer von antichinesischer Behördenwillkür wurden, stellt einen ersten Schritt in die richtige Richtung dar.227 Durch eine Einstellung der diskriminieren- den administrativen Maβnahmen kann die fortwährende Invention of Chineseness unterbunden werden und den Chinesen das Gefühl der Gleichheit vor dem Gesetz gegeben werden. Chinesischer Ethno- zentrismus könnte auf diesem Wege abgebaut werden. Eine gut funktionierende Wirtschaft, Zufriedenheit und relativer Wohlstand innerhalb der autoch- thonen Bevölkerung sind weitere Voraussetzungen für einen interethnischen Frieden. Geht es der Wirtschaft und dem Volk gut, haben die Chinesen wenig zu befürchten. Geht es der Ökonomie schlecht, haben die Chinesen als Sündenböcke darunter zu leiden, sind sie es doch, die als Händler oftmals das einzig sichtbare Glied der ökonomischen Distribution sind und damit für Preissteigerun- gen und Produktengpässe verantwortlich gemacht werden. Eine zu strikte Pribumisasi-Politik wäre verheerend, nicht nur, da sie den Integrationswillen der Chinesen verringern würde, sondern insbesondere, da sie der indonesischen Wirtschaft immensen Schaden zufügen würde. Schon die Vergangenheit hat gezeigt, daß für die Chinesen Indonesiens In- vestitionen, besonders langfristige Industrieinvestitionen, zu riskant sind und daher weitgehend ver- mieden werden.228 In Zeiten offener Diskriminierung fließt ihr Kapital, soweit noch vorhanden, ver- stärkt ins Ausland, wo viele wohlhabende Chinesen schon einen Wohnsitz haben.229 Genau dorthin, nach Australien, Kanada, ins restliche Südostasien oder anderswohin, wo sie durch Studium oder Be- ruf Beziehungen aufbauen konnten, könnte auch eine Massenauswanderung der indonesischen Chi- nesen erfolgen, sollte sich das gesellschaftliche und ökonomische Klima noch mehr verschlechtern.230 Dennoch ist eine stärkere Partizipation der einfachen Indonesier an der Wirtschaft und ihren Er- trägen unabdingbar. Ausbeutung muß auch von den Chinesen angeprangert werden, um die undif- ferenzierte Vermischung in der öffentlichen Meinung vom Handeln einzelner chinesischer Tycoons mit dem der mittelständischen chinesischen Majorität zu unterbinden. Gemeinsam sollten Chinesen und Pribumis eine kooperative Wirtschaft ohne den Nepotismus einer Führungselite errichten. Das kann vor allem durch eine umfassende Demokratisierung, die die autochthonen Indonesier für ihre Ökonomie selber und unmittelbarer als bisher verantwortlich macht, gewährleistet werden. Anders als LIM/GOSLING in ihrem 1997 erschienenen Essay, in dem sie die Demokratie als Gefahr

227 „Turning Point“, FEER, 30.7.1998, S. 15. 228 JERUMIN, a.a.O., S. 171. 229 RAPP, a.a.O., S. 97. 230 „Ready, Set...“, FEER, S. 46. . Ethnizität: Die chinesische Minderheit Indonesiens Kapitel 9— 33.Seite von 39 Seiten . für ein stärkeres Ausbrechen des Antisinismus bezeichnen231, halte ich die Demokratisierung auch für die chinesische Minderheit für unentbehrlich. Mit ihr gibt es die Chance, der in die Politik hinein- wirkenden Ethnizität etwas entgegenzusetzen, vorausgesetzt es gelingt, mit der Demokratie eine Zi- vilgesellschaft und einen Rechtsstaat zu etablieren, mit dem eben auch ein Minderheitenschutz ge- währleistet wäre. Leicht ist dieses nicht, gibt es doch auf Seiten der Chinesen keine Erfahrung mit politischem Han- deln, da man in den letzten Jahrzehnten sich nicht in die Politik eingemischt hatte.232 Der neue Wirt- schaftsminister Kwik Gjian Gie sowie die Bemühungen der PDI-P233 um die Stimmen der ethnischen Chinesen sind ein Anfang. Vor allem kann die Errichtung eines gemeinsamen demokratischen Gemeinwesens sicher kom- mende Emanzipierungsbestrebungen der Arbeiterschaft vor einem antichinesischen Einschlag be- wahren. Hatte es unter Suharto keine unabhängige Gewerkschaft gegeben, um die Arbeiter unmündig zu halten, veränderte sich dieses aber bereits unter Habibie. Läuft alles weiter wie bisher, wird der Gegner der Arbeiter, ob nun berechtigt oder nicht, die chinesische Unternehmerschicht sein, denen, wie schon dargestellt, schon immer die Schuld an der sozialen Schieflage gegeben wurde. Forderun- gen nach sozialer Gerechtigkeit und gegen die Chinesen gerichteter Rassismus liegen in Indonesien nah beieinander. Das darf sich nicht fortsetzen. Die Chinesen Indonesiens haben also nur die eine Chance, die sich ihnen gerade jetzt in Zeiten des Wechsels bietet: Demokratisierung, eigene politische Partizipation, Forcierung wirklicher öko- nomischer Teilhabe der Einheimischen, Mithilfe am Aufbau eines entethnisierten modernen Natio- nalstaates. Sollte ihnen und ihren indonesischen Landsleuten dieses nicht gelingen, ist der Status der chinesi- schen Minderheit Indonesiens gefährdeter denn je.

9 Literaturverzeichnis

9.1 Allgemeine Informationen zur Landeskunde

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231 LIM/GOSLING (a.a.O., S. 300) nennen aus ihrem 1997er Blickwinkel zwei Faktoren, die einen Ausbruch des la- tenten Antisinismus verhindern könnten: Zum einen ist es das enorme Wirtschaftswachstum, von dem auch die Pribumis profitieren, zum anderen die nur – wenn überhaupt – sehr langsam voranschreitende Demo- kratisierung, denn mit ihrer zahlenmäßig kleinen Minderheit werden die Chinesen in einem demokrati- schen Indonesien womöglich gar nicht mehr vernommen, geschweige denn repräsentiert werden. 232 „Turning Point“, FEER. 30.7.98. S. 14. 233 Partai Demokrasi Indonesia – Perjanguan/Demokratische Partei Indonesiens – Kampf, der Wahlsieger der Parlamentswahlen 1999. . Ethnizität: Die chinesische Minderheit Indonesiens Kapitel 9— 34.Seite von 39 Seiten .

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