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01_06 29.08.2006 11:13 Uhr Seite 1 StadtkinoZeitung 431431 – In Zusammenarbeit von Kulturamt der Stadt Wien, Viennale und Club Bank Austria Martina Kudláˇcek Notes on Marie Menken Kino, Verleih, Videothek Österreich 2006 ______________________________________________________ Regie Martina Kudláˇcek Buch Martina Kudláˇcek Kamera Martina Kudláˇcek Stadtkino Wien, Zusätzliche Kamera Wolfgang Lehner Jonas Mekas Joerg Burger Schnitt Henry Hills Musik John Zorn Ton Judy Karp Zusätzlicher Ton Regina Höllbacher Jaime Reyes Produzentin Martina Kudláˇcek Produktion Mina Film Verleih Stadtkino Wien _______________________________________________________ Mitwirkende Kenneth Anger, Stan Brakhage, Peter Kubelka, Alfred Leslie, Gerard Malanga, Jonas Mekas, Joseph J.Menkevich, Billy Name, Mary Woronov _______________________________________________________ 35mm (Blowup von Digitalvideo und 16mm) Farbe und Schwarzweiß / 1:1,37 Länge: 97 Minuten Amerikanische Originalfassung mit deutschen Untertiteln _______________________________________________________ 01_06 29.08.2006 11:13 Uhr Seite 2 Menkens Neffen, Joseph Menkevich, eine versperrte Tür öff- Christian Höller nen, hinter der Menkens Hinterlassenschaft lagert. Die an- schließende Großaufnahme seiner Hände beim Mustern von Fotografien und anderen Archivalien signalisiert jene physi- Notes on Marie Menken sche Handhabe, wie sie in der Folge wiederholt auftaucht: wenn Gerard Malanga einen säurezerfressenen Film auf dem „I consider all of Marie’s films as part of one extended note- Schneidetisch einspannt oder Peter Kubelka liebevoll, ja feti- book“. Mit dieser lakonischen Bemerkung leitet Martina schistisch eine alte Bolex-Kamera streichelt. Blicke in den La- Kudláˇcek ihre Annäherung an die litauisch-amerikanische gerraum der Anthology Film Archives, wo sich unzählige Film- Künstlerin und Filmemacherin Marie Menken ein. Als dosen stapeln, ergänzen diese materielle Erkundung, die das „großes, erweitertes Notizbuch“ nimmt sich nicht nur das Experimentelle und Flüchtige von Menkens Kunst immer wie- lyrische, teils tagebuchartige Filmschaffen von Menken aus, der in eine konkrete, raumzeitliche Umgebung zurückholen. sondern auch Kudláˇceks Zugang zu deren Werk und Leben. Ein zentrales Element dieser gleichermaßen materiellen wie Wobei biografische Fragmente und Filmausschnitte ebenso ge- künstlerischen Verortung stellt Menkens Beziehung zu dem meinsame Schnittflächen bilden, wie Kudláˇceks Archiv-Öff- Schriftsteller und Filmemacher Willard Maas dar, die den nung und die darin zum Vorschein kommenden Gemmen in ei- ganzen Film hindurch immer wieder aus unterschiedlichsten nen Dialog miteinander treten. Innig und gebrochen zugleich. Perspektiven angesprochen wird. Menken und Maas hatten So könnte man die Struktur des Films beschreiben, der 1937 geheiratet, sie assistierte zunächst bei seinen Filmen, bis zunächst durch seine konsequente Zweiteilung besticht: Ori- sich zwischen ihnen ein immer unabhängigeres, gleichzeitig ginaldokumente, vor allem Ausschnitte aus Menkens zwischen aber auch innigeres und unauflösbareres Verhältnis auszubil- 1957 und 1966 entstandenen Filmen, in Farbe (und 16mm); den begann. So kommt wiederholt Maas’ Homosexualität zur Zeugnisse und Aussagen über die Künstlerin in schwarzweißen Sprache, die von Menken – wie Malanga und Mary Woronov Videosequenzen. Nicht nur tritt die Kunst der Porträtierten, ausführen – gleichmütig akzeptiert wurde. Gleichzeitig herr- gleichsam „freigestellt“ und von ihrem Außen abgelöst, damit schte zwischen beiden eine anhaltend turbulente, alkoholge- deutlicher zutage als dies in einer großen gemeinsamen Farb- triebene Tête-à-tête-Situation, das der Legende zufolge Ed- und Formmischung der Fall wäre. Auch wird den Interview- ward Albees „Who’s Afraid Of Virginia Woolfe?“ inspiriert passagen und Archiverkundungen dadurch ein eigener Wert haben soll. Spuren von Menkens und Maas’ berüchtigten beigemessen, der sich in vielen kleinen Abschweifungen noch Schreiduellen, bis hin zu kleinen Handgemengen, finden sich weiter verdichtet. Nicht daß damit einer „Ars longa, vita noch in Warhols The Gerard Malanga Story (Rolle acht von brevis“ das Wort geredet würde, ganz im Gegenteil: Die „le- The Chelsea Girls, 1966), worin Menken ihr spätes Coming-out benden“ Zeugnisse über Marie Menken, vorgebracht von als Undergroundschauspielerin feierte, die den unzüchtigen illustren Granden der Avantgardefilmgeschichte wie Jonas „Ziehsohn“ Malanga mit der Peitsche bändigt. Mekas, Kenneth Anger oder Gerard Malanga, sind nicht ein- Dabei war Menken zuvor auf Warhol (und nicht umgekehrt) fach nur Marginalien, sekundäre Kommentare gegenüber ei- aufmerksam geworden und hatte ihn 1963/64 bei der Arbeit nem erratischen, aber nichtsdestotrotz zentralen Werk. Viel- porträtiert. Solchen Umkehrungen und Verschiebungen geht mehr haben sie eine Mischung aus dokumentarischer und Kudláˇcek einerseits historiografisch – anhand von Erinnerun- poetischer Qualität einzig um ihrer selbst willen – so wie die gen und Zeugenberichten –, andererseits stilistisch nach. Originalfilme hier nicht als heiliger, auratischer Gral gehandelt Sie greift Menkens charakteristisches „Tanzenlassen“ der Ka- werden, sondern gleichfalls eine bestimmte Gemengelage aus mera, ihr sensibles Gespür für Rhythmus und Bewegung, auf, Zeitdokument und Lyrismus verkörpern. um das Fortwirken dieser Art von Vision, etwa in den selbst Aber die Ordnungen des Sichtbaren und Sagbaren durch- gedrehten Stadtansichten, unter Beweis zu stellen. Über die kreuzen sich nicht alleine auf der Ebene der Machart des Films. Entstehung dieses Kamera-Tanzes berichten Kubelka und vor Auch in den Details der einzelnen Doku-Episoden ist dies im- allem Kenneth Anger, der sie einst nach Spanien begleitete, mer wieder der Fall. Wenn etwa Alfred Leslie (gemeinsam um ihr in Granada bei Filmarbeiten zu assistieren. Eines der mit Robert Frank Regisseur des Beatnik-Klassikers Pull My Ergebnisse, Arabesque for Kenneth Anger, ist in voller Länge Daisy) über Marie Menkens malerisches Werk spricht, und da- zu sehen und verdeutlicht Menkens Methode, aus Ornamenten bei die Kamera den Schneefall vor Leslies Fenster bzw. den ab- der Dingwelt, in diesem Fall der Alhambra, ein fließendes, bröckelnden Lack des Heizkörpers filmt, dann verdeutlicht rhythmisiertes, ja choreografiertes Filmbild entstehen zu las- sich hier eines: nämlich daß dem Sprechen über Kunst, dem sen. Welche Arabesken des Sehens aus dem Zusammenspiel Diskurs über das/die andere, immer schon eine Eigenwertig- von Lichtern, Farben und Oberflächen destillierbar sind – keit innewohnt, die nicht auf die Kleinheit von Fußnoten oder sozusagen die Lektion von Menkens Filmen –, demonstriert nachgereichten Kommentaren reduzierbar ist. In Leslies raum- Kudláˇcek, wenn sie etwa Billy Names Rauschebart als ein zeitlicher Situation (in seinem Apartment zu einem bestimm- glitzerndes Gewirr aus weißen Lichtsteifen erscheinen läßt. ten Zeitpunkt in New York City) lassen sich durchaus ver- Gleichzeitig bricht Kudláˇcek solch’ vermeintliche Essenzia- gleichbare ästhetische Qualitäten wie in Menkens Malereien lisierungen – was macht den stilistischen Kern von Menkens entdecken, die, wie Leslie ausführt, von rauhen Oberflächen Kunst aus? – durch konsequent praktiziertes Abschweifen. So und reflektierenden Materialien geprägt waren. Vorausset- darf Gerard Malanga beim Besuch von Menkens Grab gleich zung dafür ist ein vorbehaltloses, an Menken geschultes Sehen, auch nach der Begräbnisstätte seines eigenen, von ihm kaum das nicht der Versuchung eines möglichst neutralen dokumen- gekannten Vaters suchen – nicht zuletzt um damit zu zeigen, tarischen Blicks erliegt. wessen (ideeller) Nachfolger er in Wirklichkeit ist. Auch Visuelle Notizen zu den über Menken gesagten Dingen, so Stan Brakhage, der hier posthum in einer Einspielung aus wie umgekehrt die von ihr gesammelten Aussagen – und nicht Kudláˇceks In the Mirror of Maya Deren zu sehen ist, erklärt zu vergessen die Musik von John Zorn – Notizen zu den groß- sich als entscheidend unter dem Einfluß der Menken stehend. teils stummen Bildern der Filmemacherin darstellen. Kudláˇcek Und Jonas Mekas, der Menken unter anderem die Idee des Ta- operiert hier gemäß einer Logik, die das gewählte Thema nicht gebuchfilms sowie das Editieren in und mit der Kamera ver- einfach deskriptiv umreißt, sondern vielerlei Transformatio- dankt, steuert seinen eigenen kleinen „Videoletter“ bei. Darin nen damit vollführt. Von den nachträglichen Vertonungen von bietet er der heimlichen Mutter der New Yorker Avantgarde Menkens Filmen über die davon ausgehenden intellektuellen verschämt ein litauisches Kinderlied dar. Ein kleines Mädchen, „Emanationen“ bis hin zu den daran angelehnten visuellen das wie eine Rose in einem Garten blüht, muß wissen, wie man Nachdichtungen – etwa wenn Kudláˇcek den Mond wie in Men- einen jungen Mann anlockt, heißt es darin. Auch das eine kens Eye Music in Red Major auf der Bildfläche herumhüpfen Notiz, die wie so viele in Notes on Marie Menken innig und ge- läßt, oder sie den Jahrmarkt von Coney Island in flirrende brochen zugleich wirken. Lichtpartikel auflöst so wie Menken dies mit Stadtansichten Gebrochen, weil Menken gerade durch ihre Filme belegt hat, von New York in Go! Go! Go! getan hat. Ausgangspunkt daß sie keineswegs auf die Rolle des kleinen Mädchens ange- sind dabei stets die gleitenden, an das Körperliche rückgebun- wiesen war, wiewohl sie in ihrem Werk eine Art unverstelltes denen Sehbewegungen, die Menken über so Alltägliches wie Sehen erkundet hat.