Nr. 128 I April 2019 - Schutzgebühr 2,00 €

Schwerpunktthema: Naturschutz in der Kulturlandschaft

Schwerpunktthema: Naturschutz in der Kulturlandschaft (Seite 36)

Die Entwicklung des ländlichen Raums als Instrument des Arten- und Biotop- schutzes (Seite 36) Kann mit Landtechnik das Leben der Wildtiere in der Agrarlandschaft gefördert werden (Seite 50) Kommentar: Agrarrefrom - Wohin geht der Weg? (Seite 53)

Strom vom Dach! (Seite 58) Umsetzung der EU-Verordnung Nr. 1143/2014 zu den invasiven gebietsfrem- den Arten in RLP - aber wie?! (Seite 62)

GNOR Info 128 1 Vorwort

Liebe Mitglieder, liebe Freundinnen und Freunde der GNOR,

Sie halten dieses Mal ein besonders dickes GNOR- Info in Ihren Händen. Wir haben uns entschlossen, die bevorstehende EU-Agrarreform zum Schwer- punktthema dieser Ausgabe zu machen. Im Mit- telpunkt steht eine Fachinformation von Dr. Peter Keller, der den Naturschutz in der Kulturlandschaft beleuchtet und eine Übersicht über die europäi- schen und landestypischen Fördermaßnahmen bietet. Die Landwirtschaftspolitik ist sehr umstrit- ten; deshalb gehört eine politische Einschätzung gerstandorten! Solaranlagen gehören auf die Dä- aus unserer Sicht dazu. Und außerdem ist wichtig, cher und sonstigen bereits befestigten Flächen, mit welchen technischen Mitteln eine naturver- wie z. B. Großparkplätze. So haben wir uns beim träglichere Bewirtschaftung möglich ist. Thema „Flächenphotovoltaik“ positioniert. Wir hof- fen auf Einsicht, auch bei den Kommunen. In Zei- Allein dieses Thema hätte bereits für den Umfang ten des Insektensterbens ist es unverantwortlich, einer Ausgabe des GNOR-Info ausgereicht! Aber immer mehr Blühflächen zu überdachen. andere Themen stehen dem nicht nach: So kön- nen Sie sehr interessante Beiträge unter anderem Wir können hartnäckig sein und fast verbissen dis- über Wildbienen, Schmetterlinge, Heuschrecken, kutieren – aber humorlos sind wir nicht. Finden Sie Molche, Knopperngallwespe, Dungpilze, Hasel- heraus, wie es dazu kam, dass wir beim großarti- huhn, Zugvögel und die Ausbildung als Junior- gen Grundlagenwerk „Die Vogelwelt von Rhein- Ranger lesen. Sogar das Wetter und die Auswir- land-Pfalz“ eine besonders in der Pfalz vorkom- kungen des Dürresommers 2019 nehmen wir un- mende häufige Art - Bestia palatinensis - verges- ter die Lupe. Sie sehen, das Themenspektrum der sen haben. GNOR ist groß, und wir sind sehr froh und auch Und zum Schluss ein Appell: Die Europawahlen stolz, kompetente Expert*innen in unseren Reihen und die Kommunalwahlen stehen vor der Tür. zu wissen! Wählen gehen, engagieren, mitmachen ist wichtig. Dies gilt natürlich besonders für die Ornithologie. Ein Beispiel: „Fridays For Future“ der Schüler. Wäh- Das Vogelmonitoring ist derzeit das wichtigste len sie Kandidatinnen und Kandidaten und Partei- Projekt. Über den Fortgang informieren wir - und en, die dem Naturschutz und dem Umweltschutz hoffen auf weitere „Mitmacher“ für das „Monito- einen hohen Stellenwert geben. ring häufiger Brutvögel“, der Wasservogelzählung In diesem Sinne wünsche ich neben der „guten sowie dem „Monitoring seltener Brutvögel“, wel- Unterhaltung“ bei der Lektüre dieses Heftes auch ches auch für Einsteiger geeignet ist. gelegentlich einen Schuss Empörung. Aber wir haben – ich möchte sagen wie immer – Herzliche und naturfreundliche Grüße auch Sorgen. Wir bräuchten eigentlich eine groß- angelegte „Solaroffensive“, um bei der alternati- Ihr Heinz HESPING ven Energieerzeugung voranzukommen. Aber Vorsitzender GNOR eben nicht auf naturschutzfachlich wertvollen Ma-

Ein Hinweis in eigener Sache ...

Für die Veröffentlichung der Manuskripte übernehmen wir keine Gewähr; mit der Abgabe des Manuskripts versichern die Autor- innen und Autoren, dass sie über die urheberrechtlichen Nutzungsrechte verfügen und der Beitrag (einschl. des Bild- und Gra- fikmaterials) keine Rechte Dritter verletzt. Namentlich gekennzeichnete Beiträge müssen nicht mit der Meinung der Redaktion oder der GNOR übereinstimmen. Wir begrüßen es aber, wenn uns persönliche Einschätzungen zu Problemen, Projekten oder bestimmten Begebenheiten in sachlicher Form mitgeteilt werden. Wir sehen dies auch als Anregung, eine Diskussion anzusto- ßen bzw. diese weiterzuführen. Alle veröffentlichten Beiträge in dieser GNOR-Info sind urheberrechtlich geschützt. Nachdruck nur mit Quellenangabe und schriftlicher Genehmigung der Redaktion.

2 GNOR Info 128 Inhaltsverzeichnis IMPRESSUM

2 Vorwort Gesellschaft für Natur- 3 Inhaltsverzeichnis schutz und Ornithologie Rheinland-Pfalz e. V. GNOR Intern (GNOR) 4 Aus dem Vorstand (Anerkannter Naturschutzverband) 4 Aus der Landesgeschäftsstelle 6 Aus der Wappenschmiede Landesgeschäftsstelle Projekte Osteinstraße 7-9 55118 8 Einsatz für den Schutz der heimischen Vogelwelt - Pilotprojekt Tel.: 06131 - 671480 zum Vogelmonitoring in Rheinland-Pfalz gestartet Fax: 06131 - 671481 Arbeitskreise Email: [email protected] 11 AK Avifauna Geschäftsstelle Süd 18 AK Haselhuhn Trippstadter Straße 25 20 AK Heuschrecken 67663 Kaiserslautern 21 AK Nahetal Tel.: 0631 - 310 90 224 24 AK Schmetterlinge Email: [email protected]

Faunistik

28 Jäger und Beute - Beobachtungen im Hausgarten Geschäftskonten 29 Die Knopperngallwespe (Andricus quercuscalicis) Postbank Ludwigshafen IBAN: DE40 5451 0067 0047 Mykologie 5146 77 30 Pilze auf Dung - Unbekannte Vielfalt und wenig beachtete Natur- BIC: PBNKDEFF nähezeiger Sparkasse Mainz IBAN: DE65 5505 0120 0000 Das Wetterjahr 0133 00 33 Das Wetterjahr 2018 BIC: MALADE51MNZ

Schwerpunktthema: Naturschutz in der Kulturlandschaft Spendenkonto 36 Naturschutz in der Kulturlandschaft - Die Entwicklung des ländli- Sparkasse Mainz chen Raums als Instrument des Arten- und Biotopschutzes IBAN: DE03 5505 0120 0000 50 Kann mit Landtechnik das Leben der Wildtiere in der Agrarland- 0117 00 schaft gefördert werden? BIC: MALADE51MNZ 53 Kommentar: Agrarreform - Wohin geht der Weg? 58 Strom vom Dach! 62 Umsetzung der EU-Verordnung Nr. 1143/2014 zu den invasiven Redaktion gebietsfremden Arten in RLP - aber wie?! Holger Schanz -sc- (verant- wortlich, Layout), c-sign (Um- 63 Bücherschau schlagsgestaltung), Heinz He- sping -he-, Dr. Peter Keller -pk- Michael Schmolz -ms-

Titelfoto Die GNOR ist nicht verantwortlich Vorderseite: Feldlerche (Alauda arvensis), Aufnahme 16.7.2015 / Fotos: Mathias SCHÄF für die Inhalte namentlich ge- Rückseite: Bienenfresser (Merops apiaster) / Fotos: Mathias SCHÄF kennzeichneter Artikel.

GNOR Info 128 3 GNOR Intern

Aus dem Vorstand Dr. Philipp Reutter in der Mitglieder- versammlung zum neuen Schatzmeis- ter gewählt

Dr. Philipp Reutter wurde auf der Mitgliederver- sammlung im vergangenen Herbst zum neuen Schatzmeister gewählt. Er ist Diplom-Meteorologe, verheiratet, hat ein Kind und wohnt in Sulzheim/ Rheinhessen. Seinen ersten Kontakt mit dem Na- turschutz bekam er während seiner Zeit als Zivil- dienstleistender bei der Stuttgarter Ortsgruppe des NABU (1999- 2000). Zum Studium der Meteo- auch die institutseigene Wetterstation. Seit 2015 rologie zog er im Jahre 2000 nach Mainz und er- ist er Mitglied der GNOR, dabei auch Autor des langte dort das Diplom. In seiner anschließenden Kapitels „Klima in Rheinland-Pfalz“ der Avifauna. Doktorarbeit (2006-2009) befasste er sich mit den Seine persönlichen Interessen liegen neben der speziellen Eigenschaften von Wolken über Wald- Meteorologie auch in der Ornithologie, Fotografie bränden. Es folgten zwei Jahre in der Klimafor- und Musik. schung an der ETH Zürich. Seit 2011 ist er wieder zurück an der Uni Mainz im Institut für Physik der (ms) Atmosphäre. Dort forscht er an Zirren und betreibt

Aus der Landesgeschäftsstelle ... Unsere Termine und Veranstal- tungen finden Sie unter Veranstaltungen der GNOR gnor.de/veranstaltungskalender

Das ganze Jahr über bietet die GNOR (teilweise in Bitte beachten Sie auch, dass kurzfristige Termin- Zusammenarbeit mit anderen Verbänden) eine änderungen in der Regel nur über das Internet Vielzahl interessanter Veranstaltungen, wie Exkur- verbreitet werden können. sionen oder Vorträge, an. Ein Großteil der Veran- E-Mail-Verteiler staltungen steht schon länger fest, und diese Ter- mine haben wir in einer kleinen Broschüre veröf- Lassen Sie sich doch auf unseren Verteiler setzen, fentlicht (siehe QR-Code bzw. auf gnor.de unter um immer über die neusten Angebote informiert der Rubrik „Termine“), die wir Ihnen gerne per E- zu sein bzw. an eine Führung erinnert zu werden. Mail zusenden, oder auch per Post (falls keine E- An- und Abmeldungen zum Newsletter unter Mail vorhanden ist). Wenden Sie sich dazu bitte an [email protected] die Landesgeschäftsstelle in Mainz. Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) Aktuelle Veranstaltungen auf gnor.de oder ipola.de Noch ein Wort zur DSGVO. Bei unseren Veranstal- tungen werden regelmäßig Fotos angefertigt, z. T. Da auch das Jahr über neue Veranstaltungen hin- zu Dokumentationszwecken oder für Mitteilungen zukommen, ist der beste Platz, sich über das Ver- und Berichte in den vereinseigenen Medien. Soll- anstaltungsangebot der GNOR zu informieren, das ten Sie nicht wünschen auf einem Foto abgebildet Internet. Auf der Seite gnor.de werden vor allem zu werden, wenden Sie sich bitte direkt an den die GNOR-eigenen Veranstaltungen beworben, Fotografen. während auf ipola.de ein breitgefächertes Ange- bot vieler Verbände zu finden ist. (ms)

4 GNOR Info 128 GNOR Intern

Vielen Dank! — An die zahl- den nachfolgenden Spenden-Link ist sicher und reichen Unterstützer transparent. Alle Spender erhalten eine Spenden- bescheinigung, die sie steuerlich geltend machen Seit Beginn unseres Auftritts bei gooding.de ha- können. ben wir dank der 211 Unterstützer*innen und ins- gesamt 1.263 „guten Taten“ schon eine Summe https://spenden.gooding.de/gesellschaft- von insgesamt fast 2.800 Euro Spenden generiert - fuer-naturschutz-und-ornithologie-rhein- Geld, das dem Naturschutz zugutekommt. Machen land-pfalz-e-v-gnor-21735 auch Sie mit und unterstützen Sie uns mit Ihren Online-Einkäufen oder sagen Sie es im Bekannten- An die Amazon-Kunden und Freundeskreis weiter; denn alle weiteren Un- Amazon ist auch über gooding als terstützer*innen erhöhen nochmals unsere Spen- Shop auswählbar oder direkt über smi- deneinnahmen aus den teilnehmenden Shops. Sie le.amazon.de zu finden: zahlen keinen Cent mehr. Es ist ganz einfach - pro- bieren Sie es aus. https://smile.amazon.de/ref=smi_ext_ch_26? _encoding=UTF8&ein=26-674-08930&ref_=smi_chpf_redi- https://einkaufen.gooding.de/gesellschaft- rect&ref_=smi_ext_ch_26-674-08930_cl fuer-naturschutz-und-ornithologie-rhein- land-pfalz-e-v-gnor-21735 Über Amazon wurden für die GNOR bereits 168 € Spenden generiert. Auch dafür vielen Dank! Spenden-Link von gooding (sc) Das Spenden an Gesellschaft für Naturschutz und Ornithologie Rheinland-Pfalz e. V. (GNOR) über

Fauna und Flora in Rheinland-Pfalz 14 (1), [email protected]). Ggf. in den Text 15. 2019 eingebundene Fotos oder Abbildungen Jul stellen Sie bitte zusätzlich in geeigneter Vorgesehener Redaktionsschluss ist der 15. Juli Auflösung zur Verfügung. Bezüglich der 2019. Wir bitten Sie, Ihre Publikationswünsche redaktionellen Richtlinien orientieren Sie sich bitte frühzeitig dem Schriftleiter mitzuteilen. Die Manu- an den zuletzt erschienenen Heften. skripte schicken Sie bitte an den Schriftleiter Dr. habil. Manfred Niehuis, Im Vorderen Großthal 5, (sc) 76857 Albersweiler (06345-1880 bzw. per E-Mail an

Miete mich! Der Veranstaltungsraum in der neuen Landesgeschäftsstelle der GNOR in Mainz kann auch für eigene Veranstal- tungen gemietet werden. Es steht ausreichend Platz für bis zu 40 Personen (ohne Tische) bzw. 20 Personen (mit Tischen) sowie Whiteboard, Beamer und anderes Zubehör zur Verfügung. Eigene AKs zahlen natürlich nichts, bei Nicht-GNOR-Veranstal- tungen wird ein kleiner Unkostenbeitrag erhoben. Interessierte wenden sich bitte an: (ms)

GNOR e. V., Landesgeschäftsstelle, Osteinstraße Zu vermieten: Der Veranstaltungsraum der Landesge- schäftsstelle / Foto: Holger SCHANZ 7-9, Tel. (06131) 671480, Fax (06131) 671481, [email protected]

GNOR Info 128 5 NaturErlebnisZentrum Wappenschmiede

Vom Stubenhocker zum Junior Ranger in nur einer Woche ! 25 Junior Ranger 2018 ausgezeichnet

In der Luchsschule können die Luchskinder so einiges lernen / Foto: Theresa ROHRBACHER

Am Freitag den 12. Oktober 2018 zeigten 25 stol- vat Pfälzerwald und Nordvogesen“, mit all seinen ze frisch ausgezeichnete Junior Ranger ihren El- Besonderheiten, erfahren. Am Ende eines jeden tern, Großeltern und Freunden gekonnt, was sie in erlebnisreichen Tages wurden die Kinder, die nicht einer Woche alles gelernt haben. übernachtet haben, um 17 Uhr abgeholt. Für die Übernachtungskinder gab es nach dem gemein- Doch schauen wir erstmal zurück. Am 8. Oktober samen Abendessen tolle Abendprogramme mit 2018 startete das erste Junior Ranger Entdecker - Spielen, Basteln, Märchenerzählen u. v. m. Camp des NaturErlebnisZentrums Wappen- schmiede. 25 neugierige Jungen und Mädchen Weiter ging es um die „Bäume im Pfälzerwald“. Es zwischen sieben und zwölf Jahren haben mit den wurden die wichtigsten Baumarten und deren Betreuer*innen eine spannende und ereignisrei- Funktionen besprochen. Bevor es abends gemein- che Woche rund um den Lebensraum Pfälzerwald sam mit allen Kindern auf Nachtwanderung ging, und dessen Bewohner erlebt. Elf mutige Kinder wurden phantasievolle Kunstwerke geschnitzt, der haben sich sogar dazu entschlossen, in der Wap- Baumwipfelpfad des Biosphärenhauses besucht penschmiede zu übernachten. und am Lagerfeuer Stockbrot und Würstchen ge- grillt. In der Campwoche legten wir großen Wert darauf, viel Zeit an der frischen Luft zu verbringen. Durch Auf den dritten Tag freuten sich die Kinder ganz alle Themen zogen sich tolle Spiele, Aktivitäten besonders. Sie bekamen Besuch von einem Förs- und kreative Aspekte. Auch wurde täglich mit den ter, der nicht nur vieles erzählen konnte, sondern Kindern gemeinsam das Mittagessen vorbereitet. einen ganzen Anhänger voll mit präparierten Tie- ren aus dem Pfälzerwald mitgebracht hatte. Hier Am ersten Camp-Tag stand zunächst das gegen- konnten die Kinder staunen und mutig sein, als es seitige Kennenlernen im Vordergrund. Nach ei- hieß: „Wer traut sich einen Igel zu streicheln?“. Der nem gemeinsamen Mittagessen haben die Kinder Nachmittag gehörte ganz dem Luchs. Mit vielen spielerisch die wichtigsten Verhaltensregeln in der Spielen, Bildern und Videos haben die Kinder die- Natur und im Wald kennengelernt. Auch haben sie sen besonderen wieder neu angesiedelten Be- den Pfälzerwald nicht nur als großen Wald, son- dern als „grenzüberschreitendes Biosphärenreser-

6 GNOR Info 128 NaturErlebnisZentrum Wappenschmiede wohner des Biosphärenreservates schnell in ihr den somit zu richtigen Junior Rangern ausge- Herz geschlossen. zeichnet, waschechten Botschaftern des Biosphä- renreservats Pfälzerwald und Nordvogesen! Ein weiterer wichtiger Baustein der Woche war das Kennenlernen von verschiedenen Methoden, um Bei dem Junior Ranger-Programm handelt es sich sich im Gelände zu orientieren. Auf einer Waldral- um eine im Jahr 2002 von der EUROPARC Födera- lye konnte das Gelernte der vergangenen Tage tion ins Leben gerufene Initiative. Diese soll dazu noch einmal an verschiedensten Stationen wie- beitragen, junge Menschen für die Arbeit von derholt werden, bevor für den Eltern-Nachmittag Schutzgebieten zu sensibilisieren und ihnen die als Abschlussveranstaltung am folgenden Tag ge- heimatlichen Regionen näher zu bringen. übt und gebastelt wurde. Dies ist dem NEZ gelungen, Kinder, Betreuer*in- Am letzten Camp-Tag hieß es für die Kinder in 2er nen, Eltern, Freunde und Großeltern waren von oder 3er Teams ihr neu erworbenes Wissen unter dem Camp sichtlich begeistert. Viele haben be- Beweis zu stellen. In einer kleinen Abschlussprü- reits verkündet in den Herbstferien 2019 wieder- fung mussten Fragen und Aufgaben zu allen The- kommen zu wollen! menfeldern beantwortet und gelöst werden. Alle Kinder haben mit Bravour bestanden und konnten Die Preise für die Freizeit staffeln sich wie folgt: sogar mehr erzählen als ursprünglich gefordert • Preis ohne Übernachtung: 99,- € war. • Preis mit Übernachtungen: 199,- € Auf dem gemeinsamen Eltern-Nachmittag zeigten die Kinder gekonnt ein selbst geschriebenes Thea- Im Preis sind jeweils alle Veranstaltungen, Materia- terstück, ein eigens komponiertes Ranger-Lied lien und der Besuch im Biosphärenhaus mit sowie tolle Plakate den zahlreichen begeisterten Baumwipfelpfad enthalten. Ebenfalls inklusive sind Zuschauern. Mittagessen an allen Tagen. Im Übernachtungs- preis ist zusätzlich zur Übernachtung das Frühstück Nun ist es ganz offiziell: Mit der Urkundenverlei- für Dienstag bis Freitag, sowie Abendessen von hung erhielten die Kinder auch T-Shirts und wur- Montag bis Donnerstag enthalten.

Das NaturErlebnisZentrum Wappenschmiede wird in der zweiten Herbstferienwoche, vom 7.-11. Ok- tober 2019, wieder ein Junior Ranger Entdecker Camp anbieten. Die Betreuer*innen freuen sich schon jetzt auf interessierte Jungen und Mädchen zwischen 7 und 12 Jahren.

Für weitere Informationen oder zur Anmeldung wenden Sie sich bitte an die Mitarbeiter*innen des NEZ Wappenschmiede unter 06393-993406 oder per Mail an [email protected]. Ansprechpartnerinnen sind Lena Reinhard und Theresa Rohrbacher.

Theresa ROHRBACHER

GNOR NaturErlebnisZentrum Wappen- schmiede, Am Königsbruch 2, 66996 Fischbach bei Dahn, Tel. (06393) 993406, Fax (06393) 993706, [email protected]

Es gab viel zu bestaunen / Foto: Theresa ROHRBACHER

GNOR Info 128 7 Projekte

Einsatz für den Schutz der heimischen Vogelwelt Pilotprojekt zum Vogel-Monitoring in Rheinland-Pfalz gestartet

den Arten- und für den Le- bensraumschutz, weil es

• hilft, den Erhaltungszustand von Arten, Natur und Land- schaft zu ermitteln,

• als ein Frühwarnsystem im Artenschutz dient,

• die Datengrundlage für viel- fältige Indikatoren liefert,

• hilft, den Schutzbedarf zu er- kennen sowie Schutzkonzepte zu entwickeln und auf ihre

Die Uferschwalbe (Riparia riparia) - Schwerpunktart im Vogelmonitoring 2019. Tür- Wirksamkeit hin zu überprü- kei, Nizip, 4.5.2011 / Foto: Mathias SCHÄF fen und

• Grundvoraussetzung für die Was ist „Monitoring“ und wofür erforderlichen Daten. Für den Erfüllung internationaler Na- ist es notwendig? effizienten Schutz unserer Vo- turschutzübereinkommen gelarten ist es unerlässlich, de- (z. B. Vogelschutzrichtlinie) ist. Über den Rückgang der Be- ren Bestandsentwicklung mög- stände vieler Vogelarten ist der- lichst genau zu kennen. Moni- Auf Antrag der GNOR und mit zeit regelmäßig zu lesen. Zahl- toring ist daher ein ganz we- finanzieller Unterstützung des reiche Beobachterinnen und sentlicher Grundbaustein für Ministeriums für Umwelt, Ener- Beobachter sind auch in Rhein- gie, Ernährung und Forsten land-Pfalz tagtäglich mit dieser Realität konfrontiert. Dennoch reden manche Interessenvertre- ter diese Entwicklungen gerne klein oder leugnen sie gänzlich. Tatsächlich fehlen in der Dis- kussion dann auf Naturschutz- seite oft belastbare Daten – ge- rade, wenn es um die soge- nannten „Allerweltsarten“ geht. Wie genau steht es also um die Vogelbestände in Rheinland- Pfalz? Welche Arten sind be- sonders betroffen? Wie wirken ggf. die Schutzmaßnahmen?

Programme zur langfristigen Bestandserfassung nach ein- heitlicher Methodik (= Monito- Der geplante Aufbau eines gemeinsamen Datenpools aus dem Vogel-Monitoring ring) widmen sich der Beant- soll Naturschutzverbänden, Behörden und Interessenvertretern eine einheitliche wortung genau dieser und an- und zuverlässige Datengrundlage für den Arten- und für den Lebensraumschutz bereitstellen, so dass alle Beteiligten auf Augenhöhe im Sinne des Naturschutzes derer Fragen bzw. sie liefern die agieren können. / Grafik: Dr. Christian DIETZEN

8 GNOR Info 128 Projekte

Rheinland-Pfalz (MUEEF) läuft im Rahmen der „Aktion Grün“ aktuell ein Pilotprojekt im Ar- tenschutz zum Auf- und Ausbau einer angemessenen Organisa- tionsstruktur des Vogel-Monito- rings in Rheinland-Pfalz. Ein wichtiges, übergeordnetes Ziel ist hierbei, mittelfristig belast- bare Daten zum Erhaltungszu- stand einheimischer Vogelarten für im Vogelschutz engagierte Personen, Naturschutzverbände und Behörden gleichermaßen bereitstellen zu können. Fach- lich unterstützt wird das Projekt von einer projektbegleitenden Zaunammer (Emberiza cirlus). Aufnahmedatum: 14.4.2012 / Foto: Mathias SCHÄF Arbeitsgruppe, in die sich unter anderem auch verschiedene Naturschutzverbände und die bereitstellen, so dass alle Betei- Ausbau des MhB lassen sich Vogelschutzwarte mit ihrem ligten auf Augenhöhe im Sinne beispielsweise Bestandstrends Sachverstand einbringen. Alle des Naturschutzes agieren kön- für die Feldlerche – Vogel des zur Berechnung von Bestands- nen. Jahres 2019 – ermitteln und trends geeigneten Daten sollen Schutzmaßnahmen entwickeln. in einen zentralen Datenpool Wie kann ich beim Vogel-Moni- Zwar nehmen wir für viele Arten einfließen und für die Beant- toring helfen? Bestandsrückgänge an, für wortung artenschutzrelevanter Alle Personen, denen unsere Rheinland-Pfalz fehlen jedoch Fragen zur Verfügung stehen. Vogelwelt am Herzen liegt und/ Daten, die das eindeutig bele- Ebenfalls geplant ist eine re- oder die gerne Vögel beobach- gen. Wir konnten für die Kar- gelmäßige Rückmeldung an die ten, können durch Teilnahme an tiersaison 2019 bereits einige Mitarbeiter in Form jährlicher den Monitoring-Programmen neue Mitarbeiterinnen und Mit- Berichte mit Auswertungen und einen sehr wichtigen Beitrag für arbeiter begrüßen. Dennoch aktuellen Entwicklungen in der Erhalt und Schutz unserer Vo- muss der Vergabestand in den Vogelwelt. gelarten leisten. Aufgrund der kommenden Jahren weiter Vielzahl der Erfassungspro- ausgebaut werden, um belast- Noch reichen die vorhandenen gramme kann sich unabhängig bare Bestandstrends für Rhein- Daten bei den meisten Arten von Vorerfahrungen grundsätz- land-Pfalz bestimmen zu kön- nicht aus, um den zuvor be- lich jede Beobachterin und je- nen. Ein Minimum von 60–70 % schriebenen Anforderungen der Beobachter am Monitoring bearbeiteter Probeflächen (n = gerecht zu werden. Für die Um- beteiligen. 150) pro Saison ist anzustreben. setzung der Projektziele sind Melden Sie sich gerne schon die Naturschutzverbände auf Aus Naturschutzsicht besonders jetzt für die Bearbeitung einer die Mithilfe ihrer ehrenamtli- wichtig ist ein Ausbau der Be- Probefläche in Ihrer Nähe ab chen Mitglieder angewiesen. teiligung am Monitoring häu- 2020. figer Brutvögel (MhB), bei Der geplante Aufbau eines ge- dem in Rheinland-Pfalz noch Ebenfalls im Aufbau befindet meinsamen Datenpools aus zahlreiche Probeflächen nicht sich das Monitoring seltener dem Vogel-Monitoring soll Na- vergeben sind. Das MhB be- Brutvögel (MsB). Hierbei geht turschutzverbänden, Behörden fasst sich insbesondere mit weit es um alle Arten, die mittels und Interessenvertretern eine verbreiteten Vogelarten („Al- MhB nicht ausreichend zu erfas- einheitliche und zuverlässige lerweltsarten“), die quasi über- sen sind. Im Fokus des Pilotpro- Datengrundlage für den Arten- all zu finden sind. Durch den jekts stehen 2019 schwer- und für den Lebensraumschutz

GNOR Info 128 9 Projekte

halten Sie auch grundsätzliche Informationen zum Pilotprojekt „Vogel-Monitoring“ sowie Ant- worten auf Ihre Fragen zum Thema, insbesondere wie und wo Sie sich einbringen können. Gerne informieren wir auch vor Ort – zum Beispiel bei Orts- gruppen oder Arbeitskreisen – über das Projekt.

Melden sollen sich zudem alle Arbeitskreise, Ortsgruppen oder Einzelpersonen, die be- reits eigenständig langjährige Erfassungsreihen durchführen, Nistkolonie mit Saatkrähen (Corvus frugilegus). Aufnahmedatum: 1.4.2015 / Foto: um zu prüfen, ob und wie sich Mathias SCHÄF die Daten im Sinne des Vogel- schutzes ggf. in den Datenbe- stand einbinden lassen. Hier punktmäßig zunächst die Kolo- disch in enger Abstimmung mit kann jede(r) Vogelbegeisterte niebrüter Graureiher, Saatkrähe dem DDA (Dachverband Deut- einen sehr wichtigen Beitrag und Uferschwalbe. Wer Brut- scher Avifaunisten), um Ver- zum Schutz der einheimischen vorkommen dieser Arten in der gleichbarkeit der Daten auf na- Vogelwelt leisten. Bitte unter- Nähe seines Wohnortes kennt, tionaler Ebene zu gewährleis- stützen Sie das Projekt und kann mit vergleichsweise ge- ten. Auf der Internetpräsenz damit den Artenschutz in ringem Zeitaufwand einen Bei- des DDA finden Sie vertiefende Rheinland-Pfalz! trag zum Monitoring leisten. Informationen sowohl zum MhB Die Eingabe der Ergebnisse als auch zum MsB unter https:// Dr. Christian DIETZEN kann nach entsprechender Ab- www.dda-web.de/index.php? stimmung mit der Projektlei- cat=monitoring&subcat=aktu- tung direkt unter ornitho.de ell. erfolgen und es sind keine zu- sätzlichen Auswertungsarbeiten Alle an einer Mitarbeit an die- erforderlich. Ebenfalls in die- sen Programmen oder an der Dieses Projekt sem Jahr laufen die Vorberei- Erfassung weiterer Arten inter- wird gefördert tungen für weitere Zielarten, essierte Beobachterinnen und aus Mitteln der wie Zaunammer (Erfassungsbe- Beobachter in Rheinland-Pfalz Aktion Grün des Ministeriums ginn 2019) und ab 2020 die sind gebeten, sich direkt an den für Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten Rheinland-Pfalz. Spechte (Grau-, Grün-, Schwarz-, Projektleiter Dr. Christian Diet- Mittel-, Kleinspecht). Alle Zähl- zen zu wenden (E-Mail: christi- programme erfolgen metho- [email protected]). Dort er-

Interesse an einer Mitarbeit?

Ansprechpartner für alles rund um das Vogel- Unsere Schwerpunkte 2019: Graureiher, Saat- Monitoring in Rheinland-Pfalz ist: krähe, Uferschwalbe, Zaunammer;

Dr. Christian Dietzen, Friedhofstr. 10, 54550 Daun, In Vorbereitung für 2020: Spechte (Grau-, Grün-, Tel. + 49 175 4729 888, Schwarz-, Mittel-, Kleinspecht). E-Mail: [email protected]

10 GNOR Info 128 AK Avifauna

AK Avifauna Aufruf zur Mitarbeit: Auf Bruten des Erlenzeisigs achten

Über Brutverbreitung und -be- stände des Erlenzeisigs (Spinus spinus) wissen wir in Rheinland- Pfalz nur unzureichend Be- scheid. Schwierigkeiten sind unter anderem territoriales Ver- halten (Gesang, Balz) auch von Durchzüglern sowie die gene- relle Schwierigkeit der Erbrin- gung von Brutnachweisen in unübersichtlichen Nadelwald- Für den Erlenzeisig-Aufruf hier noch ein Foto. Fotograf ist Bernd Konrad. Er hat der gebieten. Die Schwerpunkte Verwendung des Fotos zugestimmt. Aufnahmeort ist das Trauntal im Hunsrück (BIR) 27.2.2019 / Foto: Bernd KONRAD der Brutverbreitung werden in den höheren Lagen der Mittel- chen) mit Nistmaterial beobach- die es durch sorgfältige Doku- gebirge vermutet. Für weitere tet. Dieser Aufruf soll die Beob- mentation auszuschließen gilt. Informationen seien interessier- achterinnen und Beobachter Ursache(n) für das mutmaßlich te Leserinnen und Leser auf sensibilisieren, in diesem Früh- verstärkte Auftreten könnten Band 4.2 unserer Landesavifau- jahr und Sommer verstärkt auf die starke Fruktifikation der na verwiesen. Erlenzeisige zu achten sowie Fichte und/oder die Auflichtung konkrete Bruthin- (anhaltendes der Fichtenbestände durch den Im Frühjahr 2019 deutet sich Territorialverhalten, Tragen von Borkenkäferbefall in Kombina- vielerorts ein möglicherweise Nistmaterial, Familien mit flüg- tion mit der extremen Trocken- verstärktes Brutzeitaufkommen gen Jungen) und Brutnachwei- heit im Jahr 2018 sein. des Erlenzeisigs in Rheinland- se (Nestfunde, nicht flügge Pfalz an. Die Gesangs- und Jungvögel) genau zu dokumen- Melden Sie Ihre Beobachtun- Balzaktivitäten sind deutlich tieren und zu melden. Dabei ist gen bitte mit genauer Ortsan- ausgeprägter als in normalen jedoch zu beachten, dass noch gabe unter ornitho.de oder di- Jahren, und in Eifel und Huns- bis in den Mai hinein Durchzüg- rekt an die GNOR. rück haben Beobachter wie- ler bei uns erscheinen können, derholt Vögel (vor allem Weib- Dr. Christian DIETZEN

Haubenlerche im Tief- Die Situation der Art ist ge- Paare (2012). Die Bestände ge- flug! kennzeichnet durch extrem hen zurück und sind von Dis- starke Rückgänge während der junktion betroffen. Am 22. Februar fand auf Einla- letzten 30 Jahre im Bereich von Haubenlerchen besiedeln dung des Landesamtes für über 80 %. Außerhalb Ost- schütter bewachsene Flächen, Umwelt bei der SGD Süd ein deutschlands existiert im Wes- wie sie insbesondere auf Rude- Termin zur Situation und zum ten nur noch eine nennenswer- ralflächen, Bauerwartungsland, Schutz der Haubenlerche statt, te Population am Oberrhein im Ackerbrachen u. a. sonnenex- an dem auch verschiedene Ar- Bereich zwischen Karlsruhe und ponierten und vegetationsar- tenspezialisten aus Hessen und Mainz. Der aktuelle Bestand men Standorten mit sandigem, Baden-Württemberg teilge- betrug in Hessen 2018 ca. kiesigem oder steinigem Sub- nommen haben. Dazu erging 40-60 Brutpaare, in Baden- strat zu finden sind. Der Raum- ein Protokoll, das wir hier im Württemberg 2017 68 Reviere Kern (verkürzt) wiedergeben: und in Rheinland-Pfalz 20-40

GNOR Info 128 11 AK Avifauna

konkreten Brutnachweise) vor (diverse Quellen: Staatliche VSW, SGD Süd, LUBW, RP KA, LfU, GNOR, NABU, ornitho.de u. a.):

Die Beständigkeit der Vorkom- men ist i. d. R. unbekannt, der exakte Ort zumeist auch. Nach dem Muster von Baden-Würt- temberg ist im ersten Schritt aufgrund der prekären Situation der Art eine zeitnahe Brutbe- standserfassung noch 2019 notwendig. Mittelfristig soll die Erhebung in das Vogelmonito- Haubenlerche (Galerida cristata). Rhein-Neckar-Kreis, 7.6.2015 / Foto: Michael ring (Monitoring seltener Brut- SCHMOLZ vögel) integriert werden.

2. Mit der Revierkartierung ein- bedarf pro Paar beträgt ca. 3. Brutplätze auf Parkplätzen hergehen sollen eine Lebens- 1 ha. gehen durch parkende Autos raumanalyse und ein „Einklin- verloren. Die besondere Problematik der ken“ in die Bebauungsplanung. Art liegt in der raschen Dyna- 4. Der in den meisten Habitaten Relevante Akteure in Landkrei- mik und Nutzung dieser Stand- herrschende Freizeitbetrieb sen mit aktuellen Brutvorkom- orte, so dass der Bruterfolg (Hunde, Spaziergänger, Frei- men (Kommunen, untere Natur- meist sehr gering ist. zeitsportler) mindert ebenfalls schutzbehörden etc.) sollen den Bruterfolg. über die kartierten Vorkommen Zu nennen sind dabei insbe- informiert und für Schutzmaß- sondere: 5. Bei Eingriffsvorhaben wird nahmen sensibilisiert werden. die zur Brutzeit unauffällige Art Dabei sind im Dialog mit den 1. Bei naturschutzfachlichen oftmals übersehen, Gutachter Kommunen CEF-Maßnahmen Untersuchungen im Rahmen und Behörden sind für das (continuous ecological functio- der Bebauungsplanung sind Thema Haubenlerche bisher nality-measures - auch: zeitlich die späteren Lebensräume kaum sensibilisiert. vorgezogene Ausgleichsmaß- meist noch intensiv genutzt, die nahme) vorzusehen, die den Haubenlerche deshalb noch Die Überlegungen aus Hessen Bruterfolg der Art als Schlüssel- gar nicht vor Ort. Sie besiedelt (Dr. M. Werner) und die ersten faktor sichern sollen (läuft der- den Raum erst mit dem ersten Ergebnisse aus Baden-Würt- zeit modellhaft in der Stadt Brachfallen oder entsprechen- temberg (Vortrag S. Olschew- Landau). Im Regierungsbezirk den Erdbewegungsarbeiten, ski) geben Hoffnung, dass ein Karlsruhe wird bei Betroffenheit laufen so aber in eine ökologi- Artenschutzprojekt zum Erfolg der Haubenlerche im Zuge von sche Sackgasse, da diese Flä- führen kann. Eingriffsvorhaben regelmäßig chen schnell weniger und in- das Vorhandensein der Voraus- tensiv überarbeitet werden. Um den Erfolg zu garantieren, bedarf es folgender Rahmen- setzungen für die Durchführung 2. Bruten in Ackerflächen fallen bedingungen: von CEF-Maßnahmen verneint in der Regel landwirtschaftli- (geringe Prognosesicherheit chen Arbeiten zum Opfer. 1. Die Datensituation in Rhein- der CEF-Maßnahmen). Eine land-Pfalz ist schlecht, aus den Bewältigung ist nach Ansicht letzten 5 Jahren liegen 18 der zuständigen ONB i. d. R. nur Nachweise zur Brutzeit (keine

12 GNOR Info 128 AK Avifauna

über die Erteilung einer arten- 3. Berufung und Schulung von tion der Schritte gem. den Nrn. schutzrechtlichen Ausnahme Artbetreuern im Rahmen des 2 und 3. inklusive Durchführung von Vogelmonitoring zum Aufbau FCS-Maßnahmen (favorable eines Netzes von Ehrenamt- Die GNOR hofft, dass es allen conservation status - auch: lern, die die Vorkommen be- Betroffenen gemeinsam ge- Maßnahmen zur Sicherung des obachten und Schutzvorschlä- lingt, das Projekt zeitnah umzu- Erhaltungszustandes), Monito- ge kommunizieren. Hier ist die setzen und so die Art vor dem ring und Risikomanagement GNOR gefragt! Aussterben bei uns zu retten. möglich. Eine Nestersuche Helfen Sie mit bei der Kartie- bzw. die Dokumentation des 4. Durchführung einer Arten- rung und bei der Initiierung Bruterfolges sind anzustreben. schutzveranstaltung für Behör- konkreter Maßnahmen vor Ort! den und Kommunen nach Er- Michael SCHMOLZ ledigung von Nr. 1 zur Installa-

Beitrag zu „Auswirkungen des Steppensommers“ Brutverluste der Rohrweihe in Rheinhessen aufgrund trockengefallender Nistplätze

junger Rohrweihen auf dem Ober-Hilbersheimer Plateau ein guter Indikator für den Bruterfolg in der Umgebung, da die diesjährigen Rohrweihen das Ackerplateau bis zum Wegzug als Nahrungs- habitat nutzen. Normalerweise liegt hier der Bruterfolg in Jahren mit vergleichbarer Anzahl be- gonnener Bruten bei rund drei Jungvögeln pro Paar. Aufgrund der begonnen Bruten war also eine Jungvogelanzahl von ca. 24 Individuen zu erwar- ten. Die lang anhaltende Trockenheit führte 2018 allerdings dazu, dass die zunächst von Wasser

Männliche Rohrweihe (Circus aeruginosus) im Flug. Ka- umgebenen Bruten nach und nach buchstäblich sachstan 28.5.2017 / Foto: Michael SCHMOLZ auf dem Trockenen saßen. So war für Prädatoren (z. B. Rotfuchs, Wildschwein etc.) der Zugang zu den Nestern etwa ab Mitte Juni zunehmend ein- Noch zur Ankunftszeit der Rohrweihen (Circus fach möglich. Die meisten Gelege bzw. Bruten aeruginosus) aus dem Winterquartier, also im April dürften ihnen zum Opfer gefallen sein. Den Beob- und im Mai 2018, waren die Feuchtgebiete in der achtungen nach zu urteilen wurde nur in den Be- Umgebung des Vogelschutzgebietes „Ober-Hil- reichen Schwabenheim, Sprendlingen und Parten- bersheimer Plateau“/Rheinhessen durchgängig heim jeweils ein einziger Jungvogel flügge. Neben mit sehr guten Wasserständen gesegnet. Die da- der trockenheitsbedingten Prädation dürfte auch mals günstigen Verhältnisse wurden von über- der Nahrungsmangel auf dem Plateau selbst für durchschnittlich vielen Rohrweihen-Paaren zu Re- erschwerte Bedingungen gesorgt haben, unter vierbesetzungen und zum Nestbau genutzt. Ent- denen es den Altvögeln kaum gelang, ausrei- sprechend besetzte Gebiete waren zu Beginn der chend Beute für die Jungvogelaufzucht zu schla- Brutzeit z. B. einige Naturschutzgebiete im Selztal gen. Unterm Strich stellen die insgesamt drei flüg- um Stadecken-Elsheim und Schwabenheim, das ge gewordenen Jungvögel also nur etwa ein Ach- Partenheimer Bachtal, ein Bachtal bei Gau-Wein- tel des Bruterfolges dar, der bei normalen Wasser- heim, das Aspisheimer Tal und ein Rückhaltebe- standsbedingungen zu erwarten gewesen wäre. cken bei Sprendlingen. Insgesamt begannen hier mindestens acht Paare definitiv eine Brut. In nor- Hans-Georg FOLZ malen Jahren ist die nach-brutzeitliche Anzahl

GNOR Info 128 13 AK Avifauna

Der Inselrhein bei Niedrigwasser. Bingen-Gaulsheim, 10.10.2018 / Foto: Lisa KLOSTERMANN

Des Einen Freud, des Anderen Leid

Nach dem Ende der Brutsaison Alpenstrandläufer Waldwasserläufer wird Vogelbeobachtung lang- Schmarotzerraubmöwe Bruchwasserläufer weilig? Keine Spur! Heringsmöwen Mittelmeermöwen Während die große Dürre in Steppenmöwen Aber auch einige am Rhein re- den Sommermonaten für viele gelmäßiger erscheinenden Ar- Arten stark negative Auswir- u. v. m. (siehe auch Online-Por- ten waren teilweise in großen kungen hatte (siehe GNOR Info tal ornitho.de). Mengen vertreten, wie 127), freuten sich zahlreiche Zum Leidwesen dieser Nah- Zugvögel über die trocken ge- Schnatterenten rungsgäste wurden die Natur- fallenen Schlick- und Kiesbänke Pfeifenten schutzgebiete stark von erho- des Rheins. So konnten zwi- Krickenten lungssuchenden Kajakfahrern, schen Ende Juli und Ende Ok- Steh-Paddlern, Windsurfern und tober 2018 in den Naturschutz- Spießenten Motorbootfahrern frequentiert. gebieten „Fulderaue-Ilmenaue“ Knäkenten Die Folge waren ständig aufge- und „Rüdesheimer Aue“ zahl- Löffelenten schreckte Vogeltrupps. Durch reiche rastende Vögel beobach- Tafelenten diese gravierenden Störungen tet werden, die viele vor allem gingen wichtige Energiereser- von den Wattflächen der Nord- Reiherenten ven für den Weiterzug in Rich- see kennen, wie Zwergtaucher tung Süden verloren. Sollte Haubentaucher man angesichts dieser Tatsache Brandgänse Fischadler nicht über eine Ausweitung und Kiebitzregenpfeifer Kiebitze eine Kontrolle des Befahrungs- Sandregenpfeifer verbotes der Wasserflächen Flussregenpfeifer Brachvogel innerhalb der Naturschutzge- Bekassine Dunkle Wasserläufer biete nachdenken? Flussuferläufer Zwergstrandläufer Nico FLÜGEL, Lisa KLOSTERMANN Grünschenkel

14 GNOR Info 128 AK Avifauna

Bekassinen (Gallinago gallinago). Bingen-Gaulsheim, Brachvogel (Numenius arquata) Bingen-Gaulsheim, 6.10.2018 / Foto: Lisa KLOSTERMANN 28.8.2019 / Foto: Nico FLÜGEL

Flussuferläufer (Actitis hypoleucos). Bingen-Gaulsheim, Fischadler (Pandion haliaetus). Bingen-Gaulsheim, 30.8.2019 / Foto: Nico FLÜGEL 30.8.2018 / Foto: Nico FLÜGEL

Mitteilungen der Avifau- Beobachterinnen und Beobach- ihre Zuständigkeit übernimmt. nistischen Kommission ter ihre außergewöhnlichen Das sind: Sichler, Triel, Doppel- Rheinland-Pfalz (AKRP) Feststellungen über das ent- schnepfe, Eismöwe, Taigazilp- sprechende Meldeformular inkl. zalp, Zitronenstelze und Zwerg- Am 02. Februar 2019 hat sich eventuell vorhandener Belege ammer. Bitte melden Sie diese die AKRP zu ihrem jährlichen einzureichen. Ein Eintrag bei Arten zukünftig direkt an die Treffen versammelt, um offene ornitho.de kann eine Dokumen- AKRP. Im Rahmen der Aktuali- Fragen zu diskutieren und die tation nicht ersetzen. Dokumen- sierung der rheinland-pfälzi- Bearbeitungsabläufe anzupas- tationspflichtige Arten werden schen Meldeliste hat die AKRP sen. Im Jahr 2018 waren insge- bei ornitho.de automatisch mit beschlossen, den Sperlingskauz samt 155 Meldungen einge- einem entsprechenden Symbol zum 1.1.2019 aus der Meldelis- gangen und bearbeitet worden, markiert, das den Melder auf te zu entlassen. Alle Beobach- davon allerdings ein großer die Notwendigkeit einer Do- tungen vor diesem Datum, soll- Anteil (75,5 %) Meldungen aus kumentation hinweist. Bitte hel- ten aber – sofern noch nicht zurückliegenden Jahren (2017 fen Sie mit, zeitaufwändige geschehen – nachträglich do- und früher), die gezielt einge- Nachforderungen durch die kumentiert werden. Die aktuelle fordert wurden. Trotz dieses AKRP zu vermeiden. Version der Meldeliste ist auf zeitaufwändigen Einforderns der Internetseite der AKRP ein- Im Zuge der Überarbeitung der von Dokumentationen sind im- zusehen (ak-rlp.de). nationalen Meldeliste hat die mer noch über 600 Einträge auf Deutsche Avifaunistische Kom- Ein Bericht zur Arbeit der AKRP der Beobachtungsplattform mission (DAK) einige Arten ge- mit den Ergebnissen und einer ornitho.de bisher nicht doku- strichen, die nun die AKRP in Auflistung der ausreichend do- mentiert. Die AKRP bittet alle

GNOR Info 128 15 AK Avifauna kumentierten Nachweise für die Jahre 2016–2018 befindet sich in Vorbereitung und soll im Sommer 2019 fertiggestellt werden. Damit dieser Bericht eine möglichst umfassende Übersicht bieten kann, sind alle Beobachterinnen und Beobachter gebe- ten, noch nicht eingereichte Feststellungen aus diesem Zeitraum möglichst bald bei der AKRP vor- zulegen. Das Meldeformular finden Sie unter http://ak-rlp.de/publikationen/.

Bitte senden Sie Ihre Dokumentationen an den Schriftführer Dr. Christian Dietzen ([email protected]). Melden Sie sich ebenso bei Fragen zur Dokumen- Sperlingskauz (Glaucidium passerinum). 22.2.2012 / Foto: Mathias SCHÄF tation von Seltenheiten oder zur Arbeit der AKRP.

Dr. Christian DIETZEN

Nachtrag zur „Avifauna fast sicher. Nach den Aussagen Das Verbreitungsgebiet der von Rheinland-Pfalz“ von einheimischen Experten Trittschen ist zum Teil de- liegen die Bestandszahlen des ckungsgleich mit der ehemali- Dem aufmerksamen Leser des Vogels allerdings im Promille- gen Kurpfalz. Es reicht vom öst- epochalen Standardwerkes bereich. Die Zahl der nachweis- lichen Rand des Pfälzerwaldes „Die Avifauna von Rheinland- lich gesichteten Elwetrittschen (Haardtrand) über die Rhein- Pfalz“ ist sicherlich aufgefallen, soll vor allem zur Zeit der Wein- ebene bis in den südhessischen dass darin eine in der Pfalz en- feste in der Region ungeheuer Odenwald. Nach Süden strahlt demisch vorkommende Art mit hoch sein. die Art bis in die Oberpfalz, keinem Satz erwähnt wird. Wie Nordbaden und Nordwürttem- • Lebensraum ist dies möglich? Liegt es an der berg aus. Eine eigene Unterart (palatinensis saxo montana) ist sehr unübersichtlichen Daten- Das nominotypische Taxon be- aus dem südwestlichen Pfäl- lage zu dieser pfälzischen Ver- siedelt, als Bodenbrüter, vor zerwald mit Schwerpunkt im antwortungsart, oder sollte im- allem halboffene Weinbergsla- Dahner Felsenland bekannt. mer noch ein Restzweifel an der gen und ihre Randbereiche. Existenz dieses Vogels in orni- Der flugunfähige Vogel benö- Bestandsentwicklung thologischen Fachkreisen vor- tigt zum Nahrungserwerb ab- handen sein? Wie auch immer – wechslungs- und strukturreiche Die Elwetrittsche wurde als wer eine vollständige Ausgabe Rebzeilen, vor allem mit Ries- Agrarschädling in den Wein- der „Avifauna von Rheinland- ling- und Silvanertrauben. Als bergen über Jahrhunderte hin- Pfalz“ besitzen möchte, sollte Bruthabitat nutzt die Trittsche, weg unkontrolliert bejagt. Dass sich das nachfolgende Artkapi- neben Grauzonen und dichten die Trittsche nicht das gleiche tel ausschneiden und neben sonnigen Waldbeständen auch Schicksal wie der Dodo von Band 4 ins Bücherregal stellen. gerne verlassene Wingertshüt- Mauritius teilt und ausstarb, ten und verfallene Weinkeller. liegt wohl in der pfälzischen Artkapitel Cleverness des Vogels begrün- Elwetrittsche (Bestia palatinen- Gänzlich unterschiedlich davon det, aufgrund derer er immer sis) stellt sich der Lebensraum der wieder neue Lebensräume er- breitfüßigen Wasgautrittsche schließen konnte. Auch wurde Fantastische Ausnahmeerschei- dar. Diese hat sich, ähnlich den die Jagd im 20. Jahrhundert auf nung Darwinfinken, durch morpholo- eine rein wissenschaftliche gische Anpassung an das Le- Ebene verlagert. Schließlich Bestand ben am Sandsteinfelsen adap- konnte sich der Bestand der tiert. Das Vorkommen der Elwetritt- Trittsche, auch dank der aufop- ferungsvollen Hilfe von Elwtritt- sche im Verbreitungsraum ist • Verbreitung

16 GNOR Info 128 AK Avifauna

dem Menschen ein wie die Elwetrittsche. Trotzdem ist die Biologie der Art weitestgehend unbekannt.

Fast gesichert scheint, dass die Art dämmerungs- und nachtaktiv ist. Obwohl wahrscheinlich flugun- fähig muss die Trittsche trotzdem alle anderen zum Leben notwendigen Eigenschaften und Ver- haltensweisen besitzen.

• Fortpflanzung

Die Reproduktion der Art findet im Dunkeln in un-

Typischer Lebensraum der pfälzischen Unterart der Elwe- zugänglichen Naturarealen statt. Aus Gründen der trittsche (Bestia palatinensis saxo montana). Teufelstisch, Diskretion und des hohen ethischen Standards, Hinterweidenthal, 3.7.2012 / Foto: Michael SCHMOLZ den sich die Trittscheforschung selbst auferlegt hat, werden aus diesem Forschungsbereich bis auf weiteres keine Erkenntnisse zu erwarten sein. sche-Vereinen und Privatpersonen auf die heuti- gen Zahlen einpendeln. Gefährdung und Schutz

Zug und Rast Obwohl sich der Bestand der Elwetrittsche durch Umwandlung der Jagd und massive Maßnahmen Auch wenn die Elwetrittsche, aufgrund ihrer man- in ihrem Lebensraum gefestigt zu haben scheint, gelnden Flugfähigkeit, kein klassischer Zugvogel ist die Art weiterhin gefährdet. So wird die Popula- ist, kann ihr denn ein gewisses Zugverhalten nicht tion durch das Vordringen von Neozooen, wie z. B. abgesprochen werden. Aufgrund der Sichtbeob- dem bayerischen Wolpertinger oder dem Thürin- achtungen weist die Elwetrittsche insbesondere im ger Rasselbock bedroht. Für einen umfassenden Herbst einen signifikanten Zug auf. Schutz der Art müssen zwingend fachkundige • Rastgebiete Trittschebeobachter im Brutgebiet die ungestörte Aufzucht der Jungen gewährleisten. Die Rastgebiete liegen vor allem in direkter Um- gebung von Weinfesten und Weinprobierständen, Offene Fragen sowie auf deren Zu- und Abwegen. Die Benennung weiterer Unterarten der Elwetritt- • Rastbestand sche, wie es vereinzelt in der Literatur gefordert wird, kann z. Zt. noch nicht mit abschließender Si- Die Rastbestände sind nicht sicher zu verifizieren. cherheit verifiziert werden. Hierbei sind vor allem Dies liegt zum einen an der nachtaktiven Lebens- die Altrheintrittsche und die Chauseegrabentritt- weise der Trittsche, zum anderen ist die sichere sche zu nennen. Umfassende genetische Untersu- Ansprache von Einzeltieren, selbst unter Verwen- chungen wären hier zielführend. dung einer speziellen Optik, dem „Schoppenglas“, nicht möglich. Das Vorkommen einer weiteren eigenständigen Unterart, der „Burgundertrittsche“, muss jedoch ins • Jahresrhythmus Reich der Fabel verwiesen werden. Sie entstammt wohl nur dem geistreichen Diskurs eines weinseli- Sobald die ersten Trauben gepresst werden, gen Abends in der Pfalz. kommen auch die Elwetrittsche um sich zu sam- meln. Der Höhepunkt des Zuges liegt im Oktober Ulrich DIEHL und setzt sich bis in den November fort.

Biologie GNOR Arbeitskreis Avifauna, Landesgeschäfts- Kaum eine andere Tierart geht so viele Wechsel- stelle, Osteinstraße 7-9, 55118 Mainz, (06131) wirkungen mit ihrer natürlichen Umgebung und 671480, [email protected]

GNOR Info 128 17 AK Haselhuhn

Teilnehmer an einer gemeinschaftlichen Haselhuhn-Exkursion im französischen Jura unter Leitung von Marc Montadert (stehend 2. von links) und Markus Handschuh (stehend 2. von rechts), 17. Februar 2019. / Foto: Alisa KLAMM

AK Haselhuhn Neues aus dem Arbeitskreis Haselhuhn

Bei der Suche nach dem vom widmen sich dem Status in den werden können. Die Nahrungs- Aussterben bedrohten „Westli- Nachbarländern und möglichen suche erfolgt bevorzugt in chen Haselhuhn“ (Tetrastes bo- Erhaltungsmaßnahmen. nächster Nähe zu dichter De- nasia rhenana) hat sich in den ckung (meist Haselsträucher in letzten Monaten einiges getan. An einem Wochenende Mitte unmittelbarer Nachbarschaft zu Ein zweifelsfreier Nachweis Februar wurde für interessierte tief beasteten Fichten). Trittsie- steht aber – trotz z. T. intensiver Beobachterinnen und Beobach- gel im Schnee waren immer (!) Nachsuchen – in Deutschland ter eine Gemeinschaftsexkursi- durch Losungsfunde zu bestäti- und in Luxemburg immer noch on ins französische Jura unter gen, wobei die Spuren nie aus. Kürzlich ist der Tagungs- Leitung von Marc Montadert mehr als 10 m verfolgt werden band eines internationalen angeboten. Hier konnten sich mussten, um Losung zu finden. Symposiums zum Schutz des zwölf deutsche und luxembur- Abgerundet wurde die Exkursi- „Westlichen Haselhuhns“ im gische Haselhuhn-Interessierte on durch eine beeindruckende Pfalzmuseum für Naturkunde auf Schneeschuhen in nach- verschneite Winterlandschaft, (POLLICHIA-Museum) in Bad weislich besetzten Revieren den lehrreichen Erläuterungen Dürkheim (Dezember 2017) (Unterart styriaca) von den des französischen Experten erschienen und kann hier ein- Möglichkeiten der Feststellung Montadert und den interessan- gesehen werden (https://ww- über indirekte Nachweise über- ten Diskussionen. Weitere Win- w.pollichia.de/index.php/down- zeugen. Wesentliche Erkennt- ter-Exkursionen sind geplant, load/category/64-symposium- nisse der Revierbesichtigungen um einheimischen Beobachte- westliches-haselhuhn-bad-du- vor Ort waren, dass in den be- rinnen und Beobachtern die erkheim-2017-colloque-gelinot- setzten Territorien an typischen Lebensweise des Haselhuhns te-des-bois-de-l-ouest-2017? Schlaf- und Nahrungsplätzen in näherzubringen und das Auge start=0). Kapitel 6 beschreibt kürzester Zeit große Mengen an für die Suche nach indirekten die Situation im westlichen Losung (inkl. Blinddarmlosung Hinweisen in den rheinland- Deutschland, weitere Kapitel unter Schlafbäumen) gefunden pfälzischen Regionen zu schu-

18 GNOR Info 128 AK Haselhuhn

Typische Winterlosung und Blinddarm- losung unter Schlafbäumen des Hasel- huhns (Tetrastes bonasia rhenana) im französischen Jura, 16. Februar 2019 (Fotos oben u. Mitte li.), Entlang von Fußspuren fand sich immer bereits nach wenigen Metern auch Losung, die die Artbestimmung bestätigte, 17. Fe- bruar 2019 (Foto Mitte re.) / Fotos: Christian DIETZEN

Typischer Äsungsplatz: Hasel- strauch in Deckung bietender Fichtendickung mit Artnachweis anhand von Losungsfunden, 17. Februar 2019 / Foto: Christian DIETZEN

GNOR Info 128 19 AK Heuschrecken len. Hoffentlich gelingt es, in naher Zukunft den geeignet erscheinenden Lebensräumen diskutiert ersehnten eindeutigen Nachweis zu erbringen, und festgelegt. Schwerpunkt der Suche wird 2019 dass das enigmatische „Westliche Haselhuhn“ auf dem südlichen Hunsrück liegen (Naturschutz- doch noch irgendwo in unseren Wäldern überlebt großprojekt „Bänder des Lebens“, s. https://snu.rl- hat. p.de/de/projekte/baender-des-lebens/), während gleichzeitig die Suchgebietskulisse in anderen Re- An dieser Stelle sei noch einmal auf die Notwen- gionen (Mosel, Mittelrhein, Westerwald) für die digkeit einer sehr sorgfältigen Dokumentation im nächsten Jahre eingegrenzt werden soll. Falle eines mutmaßlichen Fundes hingewiesen. Ein zweifelsfreier Nachweis des „Westlichen Hasel- Dr. Christian DIETZEN & huhns“ ist ausschließlich durch ein aussagekräfti- Markus HANDSCHUH ges Foto oder Funde von Losung oder Federn ak- zeptabel (Letztere sind sicherzustellen und ausge- wiesenen Artexperten zur Bestätigung vorzulegen). GNOR Arbeitskreis Haselhuhn, c/o Dr. Christian Im Rahmen zweier Treffen in der Vogelschutzwarte Dietzen, Friedhofst. 10, 54550 Daun, Tel. (06592) für Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland in Frank- 9843357, (0175) 4729888, furt, wurden Pläne für die großflächige Suche in [email protected]

29. AK Heuschrecken Jun Exkursion ins Mayener Grubenfeld am Samstag, 29.6., 18:30 Uhr. Exkursionsleitung: Andereas Kiefer und Alban Pfei- fer,Tel. (06239) 929515 Im Mayener Grubenfeld lebt nicht nur die größte Fledermauskolonie Deutschland, sondern auch Alban PFEIFER die sehr seltene Höhlenschrecke.

Treffpunkt: Erlebniszentrum Mayener Grubenfeld GNOR Arbeitskreis Heuschrecken, c/o Alban (Terra Vulcania). An den Mühlensteinen 7, Mayen Pfeifer, Bahnhofsplatz 5, 67240 Bobenheim-Rox- heim, [email protected] Bitte Taschenlampe mitbringen.

Die GNOR ist jetzt auch bei

Seit kurzem hat auch die GNOR - man will fast gelungen ist. Für die professio- sagen: endlich - ihren eigenen Videokanal bei nelle und dennoch ehrenamtliche YouTube. Von Zeit zu Zeit möchten wir hier Videos Umsetzung (Drehbuch, Drehar- mit GNOR-Themen einstellen. Schaut mal rein beiten, Schnitt, Ton, Farbmischung usw.) danken und abonniert uns! wir Bernd Güßbacher von Vortex-Video und sei- nen Kollegen sehr herzlich. Unser erster Film portraitiert die Arbeit unserer FÖJ und soll Interesse an einem FÖJ bei der https://m.youtube.com/channel/UCCc-m5Dmkt- GNOR wecken. Wir denken, dass uns das sehr gut NPmBcpilq7hyA (ms)

20 GNOR Info 128 AK Nahetal

Der Bergmolch (Ichthyosaura alpestris), hier Männchen in Wassertracht, zählt noch zu den häufigen Amphibienarten in Rhein- land-Pfalz – dennoch lässt die aktuelle Datenlage keine genauen Aussagen zu! Waldtümpel bei Oberhausen bei , 6.4.2016 / Foto: Sascha SCHLEICH

AK Nahetal Der Bergmolch (Ichthyosaura alpestris) – Lurch des Jahres 2019

Zum vierzehnten Mal hat die Deutsche Gesell- sollen den Schwerpunkt dieser Aktion darstellen schaft für Herpetologie und Terrarienkunde e. V. und werden sowohl in der breiten Öffentlichkeit (DGHT) ein Reptil bzw. ein Lurch des Jahres ge- als auch innerhalb der Naturschutzverbände wählt. Bei der diesjährigen Wahl hat sich der kommuniziert. Für die ansprechende Öffentlich- Bergmolch (Ichthyosaura alpestris) durchgesetzt. keitsarbeit sind in traditioneller Weise wieder ver- Unterstützt wird die Kampagne in bewährter Form schiedene Begleitmaterialien erschienen: Poster, von den österreichischen und schweizerischen Flyer und Leitfaden. Die digitale Version ist zu fin- Fachverbänden ÖGH und KARCH, dem NABU den unter: amphibienschutz.de. Erstmals ist im Bundesfachausschuss Feldherpetologie und Rahmen der Kampagne auch eine Kinderbroschü- Ichthyofaunistik sowie von dem Naturhistorischen re erschienen. Zusätzlich und auch fast abschlie- Museum Luxemburg. In abwechselnder Reihen- ßend im Jahr des Bergmolchs wird eine Interna- folge betrifft diese Wahl jährlich mal heimische tionale Fachtagung dieses Jahr im November ver- Amphibien und mal heimische Reptilien. Letztes anstaltet (voraussichtlich in Österreich – weitere Jahr war der Grasfrosch (Rana temporaria) Mittel- Informationen zur Tagung werden sobald bekannt punkt dieser Kampagne und so ist erstmals in zwei unter amphibienschutz.de veröffentlicht. aufeinander folgenden Jahren jeweils ein Amphib gewählt worden. Hintergrund dafür ist natürlich, Der Bergmolch zählt neben dem Teichmolch (Lis- dass es in Deutschland mehr Amphibien- als Repti- sotriton vulgaris), dem Fademolch (Lissotriton hel- lienarten gibt. Mit dieser Nominierung wird eine veticus) und dem Kammmolch (Triturus cristatus) der bekanntesten Schwanzlurcharten, die sogar zu den vier Molcharten, die in Rheinland-Pfalz vor- noch zu den häufigsten Amphibienarten in Mittel- kommen. Diese zählen zu den Schwanzlurchen, zu europa zählt, in den Fokus des Arten- und Natur- denen weiterhin auch der Feuersalamander (Sa- schutz gerückt. lamandra salamandra) gehört.

Die Informationen über die aktuelle Gefährdung Bergmolche kommen häufig zusammen mit Fa- der Art und entsprechende Schutzmaßnahmen denmolchen, nicht ganz so häufig auch mit Teich-

GNOR Info 128 21 AK Nahetal molchen, in einem Gewässer vor. Syntope Vor- kommen mit dem Kammmolch sind eher selten und die Ausnahme. Verwechslungen der bei uns vorkommenden Molcharten sind meist nur zwi- schen Teich- und Fadenmolch häufig. In Landtracht werden gelegentlich Berg- und jüngere Kamm- molche verwechselt. Ähnlich ist dies bei den vier Arten auch während der Larvalform. Der Berg- molch besitzt jedoch eindeutige Merkmale die zur sicheren Bestimmung herangezogen werden kön- nen, insbesondere die farbprächtigen Männchen zur Laichzeit. Die Männchen haben in dieser Zeit einen großen Blauanteil im Farbkleid und einen Bergmolch, Männchen (oben) und Weibchen (unten) (Oberhausen bei Kirn, 6.4.2016) sowie … niedrigen, meist schwarz-weiß gebänderten Rü- ckenkamm sowie ein schwarz-weißes Gittermuster an dem Seitenband. Zum meist fleckenlosen oran- ge leuchtenden Bauch grenzt seitlich ein hellblau- es Längsband. Die Kloake ist während der Fort- pflanzungszeit stark erbsenförmig gewölbt. Dem Weibchen hingegen fehlt der Rückenkamm und die farbauffällige Seitenmusterung. Diese sind meist nur mit einer bläulichen, grünlichen oder bräunlichen Marmormusterung auf der Oberseite und den Körperflanken versehen. Wie die Männ- chen besitzen die Weibchen auch eine leuchtend orangene Bauchunterseite. Die Kloake ist im Ge- gensatz nicht stark gewölbt und eher linsenförmig. … ein Männchen in Landtracht im Singenden Tal (Erbes- kopf), 25.5.2008 / Fotos: Sascha SCHLEICH Außerhalb der Fortpflanzungszeit ist die Land- tracht bei beiden Geschlechtern nicht mehr so ren. In Gewässern mit (Raub-)Fischbestand sind intensiv von Farbe und Musterung. Beim Männ- dagegen Flachwasserbereiche mit ausreichend chen erkennt man zwar weiterhin einen Rücken- Versteckmöglichkeiten oder hoher Vegetations- kamm, dieser ist jedoch niedriger und nicht so in- dichte zum Überleben notwendig. Neben Fischen tensiv gefärbt wie in der Wassertracht. Das Seiten- zählen Ringelnattern, Schwimmkäfer, Libellenlar- band wirkt undeutlicher und die Kloake ist nicht ven, Wasseramseln, Graureiher, Wasserspitzmäuse, mehr stark gewölbt. Die Weibchen werden zum Wiesel, Marder, Igel und viele andere zu den Teil nahezu dunkelgrün bis schwarz auf der Ober- Prädatoren. Als Abwehrverhalten wird die Schreck- seite und den Flanken. Die Marmorierung ist kaum stellung häufig beobachtet. Hierbei biegt sich der zu erkennen. Körper etwas seitlich weg und die leuchtend orangene Warnfarbe der Bauchunterseite wird In Rheinland-Pfalz besiedelt der Bergmolch vor sichtbar. allem bewaldete Landschaften. Der Bergmolch ist nicht sehr wählerisch was seine Aufenthalts- und Derzeit gilt der Bergmolch in der Roten Liste für Fortpflanzungsgewässer betrifft. Er nimmt von Deutschland noch als ungefährdet (*), in Rhein- wassergefüllten Wurzeltrichtern und Wagenspuren land-Pfalz ist er bereits auf der Vorwarnliste. Wie über Wildsuhlen bis zu größeren Teichen und bei allen anderen Amphibienarten wird auch bei Seen alles an. Auch neu angelegte und entstande- dieser Art zumindest ein mäßiger Rückgang ange- ne Gewässer werden schnell besiedelt. Vegetati- nommen. Die Datengrundlage für diese Art in RLP on, Falllaub oder Versteckmöglichkeiten müssen ist als äußerst bescheiden zu bezeichnen. Aktuelle nicht zwangsläufig in den Gewässern vorhanden Daten fehlen fast bundeslandweit, die vorhande- sein. Selbst in vegetationslosen Gewässern in Ab- nen datieren meist über 20 Jahre! Die aktuelle Kar- baubetrieben kann die Art erfolgreich reproduzie- te der Deutschlandverbreitung dieser Art macht es

22 GNOR Info 128 AK Nahetal

Juveniler Bergmolch in Landtracht, im Singenden Tal (Er- beskopf), 14.9.2008 / Foto: Sascha SCHLEICH deutlich: Rheinland-Pfalz ist ein fast ein weißer Fleck - nur mit Daten, die älter als 20 Jahre sind (vgl. DGHT 2018). Somit sind aktuell keine Aussa- gen über mögliche Bestandsrückgänge bei dieser Art flächig für Rheinland-Pfalz möglich. Eine fast vergleichbar schlechte aktuelle Datenlage findet man leider auch bei anderen Amphibien und auch Reptilien in Rheinland-Pfalz.

Aktuelle Fundmeldungen sind somit dringend notwendig, um die aktuelle Verbreitung und Ent- wicklung des Bergmolchs beurteilen und ggf. Schutzmaßnahmen ergreifen zu können.

Wenn Sie also bei ihrer Freilandarbeit, Gartenar- beit, Spaziergängen oder dergleichen einen Bergmolch entdecken – bitte melden Sie diese Zufallsfunde! Fundmeldungen sollten als Min- destangabe Funddatum, genauen Fundort, Anzahl und Name des Fundmelders enthalten. Ein zusätz- licher Fotobeleg ist zur Bestätigung und Freigabe der Meldung sehr hilfreich. Bitte beachten Sie je- doch auch die gesetzlichen Vorschriften beim Auf- suchen und im Umgang mit geschützten Arten.

Meldungen gerne an: E-Mail: [email protected]

Sascha SCHLEICH

Verbreitungskarte des Bergmolches / Grafik: DGHT e. V. Quelle:

DGHT e. V. (Hrsg. 2018): Verbreitungsatlas der Amphibien und Reptilien Deutschlands, auf Grundlage der Daten der Länderfachbehörden, Facharbeitskreise und NABU-Landesfachausschüs- GNOR Arbeitskreis Nahetal, c/o Sascha Schleich, se der Bundesländer sowie des Bundesamtes für Königsberger Str. 17, 55606 Oberhausen bei Kirn, Naturschutz. (Stand: 1. Aktualisierung August [email protected] 2018)

GNOR Info 128 23 AK Schmetterlinge

Goldener Scheckenfalter (Euphydryas aurinia). Contwig im Zweibrücker Westrich, 25.5.2010 / Foto: Gerhard SCHWAB

AK Schmetterlinge Die Schmetterlinge im Dürresommer 2018

2018 war es von April bis November ungewöhn- cken verbrachten, so wie das auch für Populatio- lich trocken und warm, was sich auf Häufigkeit und nen im Mittelmeerraum gemeldet wird. Phänologie unserer Schmetterlinge auswirkte. Bis einschließlich April war das Jahr noch recht Vom Segelfalter (Iphiclides podalirius) waren bis- schmetterlingsarm. Erfreulich zahlreich flogen her bei uns nur 2 Generationen bekannt. 2018 dann im Mai Goldene Scheckenfalter (Euphydryas konnte sich noch eine partielle 3. Generation ent- aurinia) an der letzten pfälzischen Flugstelle im wickeln, die von Ende August bis Mitte September Zweibrücker Westrich. Ähnlich häufig waren die festgestellt wurde. Es ist allerdings eher unwahr- Scheckenfalter im extrem trockenen Frühjahr 2011 scheinlich, dass deren Nachkommen sich im noch an 3 Stellen geflogen. 2012 wurden die Fal- Herbst noch bis zur Puppe, dem Überwinterungs- ter jedoch nur noch an einer Stelle vereinzelt be- stadium, weiter entwickeln konnten. obachtet. Die beiden anderen Flugstellen sind bis Vom Grünen Zipfelfalter (Callophrys rubi), einer heute verwaist. Möglicherweise waren die meisten Frühjahrsart, konnte nochmal am 9. September Jungraupen schon 2011 wegen verdorrter Futter- von A. WIESE ein Exemplar bei Pirmasens fotogra- pflanzen verhungert. fiert werden. Vom normalerweise einbrütigen Klei- Häufiger als gewöhnlich war 2018 der Kaiserman- nen Eisvogel (Limenitis camilla) wurde im August tel (Argynnis paphia). Die Flugzeit zog sich über 4 eine 2. Generation, und das etwa einen Monat frü- Monate hin, deutlich länger als üblich. Anfang her als bei vergangenen Malen, beobachtet. Dunk- September tauchten vermehrt weibliche Falter auf, ler Dickkopffalter (Erynnis tages) und Kleines Wie- die offenbar den heißen Sommer inaktiv in Verste- senvögelchen (Coenonympha pamphilus) brach- ten noch eine 3. Generation hervor, die in Jahren mit normaler Witterung nicht beobachtet wird.

24 GNOR Info 128 AK Schmetterlinge

Die sonst individuenarme Herbstgeneration des doch auch in kühleren Regionen wie dem Huns- Mehrbrütigen Würfel-Dickkopffalters (Pyrgus ar- rück stellenweise in großer Zahl festgestellt. moricanus) war im September 2018 sehr zahlreich – die zahlreichste Generation überhaupt dieses Obwohl einige Arten wegen des trockenen und Schmetterlings, die jemals dokumentiert worden heißen Sommers zahlreicher als üblich flogen, ist ist – und er konnte auch in Naturräumen beobach- nicht von einer Trendwende des allgemeinen In- tet werden, wo er zuvor noch nicht nachgewiesen sektensterbens auszugehen, da die Gefährdungs- worden war, wie dem Taunus. ursachen wie intensive Landwirtschaft und Flä- chenverbrauch weiter bestehen. Der aus Asien eingeschleppte Buchsbaumzünsler Gerhard SCHWAB (Cydalima perspectalis) war bisher vor allem aus den wärmebegünstigten Landesteilen wie der Oberrheinebene und den Flusstälern gemeldet worden. Die Sommergeneration wurde 2018 je-

Tagfalterarten mit hohem Aussterberisiko in Rheinland-Pfalz Eine kommentierte vorläufige Liste

Das Aussterben von Insekten geschieht vielfach Brauner Eichen-Zipfelfalter (Satyrium ilicis Esper, unbemerkt. Im Extremfall bei einer Mückenart, be- 1779) vor sie das erste Mal wissenschaftlich beschrieben Kaum noch Nachweise, im Aussterben begriffen. wird – aber auch bei spektakuläreren Arten: In Mangel an Eiablagemöglichkeiten – es gibt kaum Deutschland, konkret in Sachsen, ist vor etwa zehn noch lichte Schonungen mit Jungeichenpflanzun- Jahren der Östliche Quendel-Bläuling (Pseudophi- gen, die Tiere erreichen sie wegen Auflösung ihrer lotes vicrama) ausgestorben. Ein besseres, behörd- Metapopulationsstrukturen auch nicht mehr; Ver- lich auf möglichst unkomplizierte Weise unterstütz- knappung "natürlicher" Larvalhabitate mit selb- tes Monitoring und ein strukturell gefestigter Aus- ständig sich verjüngenden Eichenbeständen in tausch von Spezialisten mit dem eventuellen Er- lichten Waldmänteln und Waldwegsäumen; gebnis gemeinsamer Fördermaßnahmen hätten Durchwachsen der spontan aufkommenden Jung- das vielleicht verhindert. Die nachfolgende Liste eichen; falsche Mahd der Wegsäume: Nektarver- soll in diesem Sinne als ein Statement dienen: knappung. Roter Apollo (Parnassius apollo Linnaeus, 1758) Kahlschläge als Naturschutzprojekte selektiv wie- Hohes Risiko des Erlöschens der – die große der durchführen (siehe auch Baumpieper, Zie- Mehrheit bildenden – kleineren Populationen in genmelker …); den verbliebenen Braunen Eichen- den nächsten 3 Jahren. (Unnatürliche) Knappheit Zipfelfaltern vor Ort Eiablagemöglichkeiten ver- an Nektar in fast allen Fluggebieten; signifikant schaffen. hohe Mortalität, wenn die Tiere auf Nektarsuche Blauschillernder Feuerfalter (Lycaena helle [Denis Straßen- und Schienenwege durchqueren; Larval- & Schiffermüller], 1775) habitate – freie Felsen und Trockenmauern mit Weißer Fetthenne (Sedum album) - verbuschen Wenige, stagnierend kleine, zunehmend isolierte und verfallen (siehe auch Abb. nächste Seite). Populationen, die in den niedrigeren Lagen des Hohen Westerwaldes erlöschen (Klimawandel). Sicherung der Nektarversorgung durch Einpflan- Larvalhabitate sind "dynamische", nach ein paar zen (trockenheitsresistenterer) autochthoner Blü- Jahren partiell wieder gemähte Brachen mit tenpflanzen; Werbung in der Öffentlichkeit und Schlangen-Knöterich (Bistorta officinalis), vor Wind bei den Winzern für die Förderung von Blühhori- geschützt in Feuchtgebüschsäumen – nicht unbe- zonten. dingt verträglich mit einem "kosteneffizienten" Biotoppflegekonzept.

GNOR Info 128 25 AK Schmetterlinge

Westlicher Quendel-Bläuling (Pseudophilotes ba- Goldener Scheckenfalter (Euphydryas aurinia Rot- ton Bergsträsser, 1779) temburg, 1775)

Keine (uns bekannten) Nachweise in Rheinland- Hohes Aussterberisiko in den kommenden 1 Pfalz nach 2014 – die Bestandssituation im vormals (Südwestpfalz) bis 5 Jahren (Nordwesteifel, Wes- wichtigsten Verbreitungsgebiet bei Baumholder terwald). Fehlende Orientierung der Nutzung/ ist nach deutlichem Schwund seit 2011 unklar. Pflege von Grünland selbst in FFH-Gebieten an den Entwicklungsanforderungen der Raupen. Abbau von artenreichen Thymianrasen durch Pferde in Koppelhaltung (Pfälzerwald); die (stets "Rotationsbrachen" – Trockenrasenbereiche mit xerothermen) Larvalhabitate führen bei extremer Tauben-Skabiose (Scabiosa columbaria) ein bis Frühjahrstrockenheit annähernd zu Totalausfällen. mehrere Jahre selektiv ungemäht lassen; bei ein- Hilfe: Restbestände des Falters auffinden (Nord- setzender Verbuschung im Spätherbst mähen und pfälzer Bergland?) und in Dürreperioden eine andere Rasenbereiche mit Raupennahrung (und Auswahl geeignet stehender Eiablagepflanzen gefundenen Raupennestern) stehen lassen; in gießen! Feuchtgebiet-Populationen des Scheckenfalters können die unmittelbaren Larvalhabitate (mit Teu- Fetthennen-Bläuling (Scolitantides orion Pallas, felsabbiss, Succisa pratensis) in den Flächen zu 1771) einem bestimmten, jedes Jahr neu zu bestimmen- Kritischer Bestandsrückgang in 4 von 5 Populatio- den Zeitpunkt gemäht werden. nen, 80 % der Fundstellen nur jahrweise besetzt (Ei- und Raupenfunde); hohes Aussterberisiko der rechtsrheinischen Vorkommen in den nächsten 3 bis 5 Jahren.

Die Faktoren Lebensraumgröße, -komplexität und -vernetzung sowie das Angebot und die räumliche Verteilung von Nektar- und Raupennahrungspflan- zen kombinieren sich zunehmend selten in günsti- ger Weise – das gilt für alle hier aufgeführten Schmetterlingsarten!

Heller Wiesenknopf-Ameisenbläuling (Maculinea teleius Bergsträsser, 1779)

Fortgesetzter Rückgang in allen rheinland-pfälzi- schen Naturräumen; hohes Aussterberisiko in den kommenden 10 Jahren (in der Pfalz 3–5 Jahre).

Nach wie vor zulässige Nutzungsänderungen in seinen Lebensräumen, mit fehlender Abstimmung der Mahd-/Beweidungstermine mit der Ökologie des Falters (oder mit direkter Habitatzerstörung – Erpolzheim, Birkenheide).

Reproduktionsmöglichkeiten des Bläulings müs- sen endlich nachhaltig gesichert werden; Kom- pensationszahlungen an die Landnutzer (Anreizva- rianten eines Vertragsnaturschutzes ausprobieren) haben wahrscheinlich Schlüsselbedeutung.

Roter Apollo (Parnassius apollo). Ausonisstein bei Kattenes an der Mosel, 21.6.2011 / Foto: Gerhard SCHWAB

26 GNOR Info 128 AK Schmetterlinge

Roter Scheckenfalter (Melitaea didyma Esper, Zusätzliche Lebensräume im Westerwald entwi- 1779) ckeln (Moorflächen mit Wollgras (Eriophorum spp. und verwandten Arten) bzw. Pflege in Teilflächen In den vergangenen 15 Jahren aus allen Natur- auf C. tullia ausrichten; eventuell aktive Ansied- räumen außer dem Moseltal verschwunden; of- lung des Falters in geeigneten Lebensräumen. fenbar akuter Zusammenbruch einer starken Me- tapopulation im Oberen Nahebergland – chroni- Ockerbindiger Samtfalter (Hipparchia semele Lin- scher Aussterbeprozess seit den 1950er Jahren naeus, 1758) ohne für uns handfeste Gründe. Rückgang der Individuenzahl in den wenigen Po- Verjüngung und Neuschaffung von Sandrasen- pulationen; hohes Aussterberisiko in den kom- und Zwergstrauchbiotopen im südlichen Dahner menden 10 Jahren. Verknappung der Larvalhabi- Felsenland ermöglicht eine Wiederbesiedlung des tate und zuweilen des Nektarangebots. Gebiets durch lothringische Bestände. Verjüngung von sandigen Zwergstrauchheiden Großes Wiesenvögelchen (Coenonympha tullia O. durch partielles Mulchen/Abtragen des Oberbo- F. Müller, 1764) dens und von verbuschenden Steinbrüchen durch Freistellung ist nötig. Eine einzige Reliktpopulation im Hohen Wester- wald mit hohem Risiko des Aussterbens in den Gelbbindiger Mohrenfalter (Erebia meolans De kommenden 5 Jahren. Isoliertheit des Bestands; Prunner, 1798) Verbuschung der wenigen Lebensräume. Aussterben der Talpopulationen (bis 400 m) im Pfälzerwald durch den dortigen Lebensraumver- lust und durch Einflüsse des Klimawandels auf die Raupenüberwinterung.

Die in den Kammlagen noch bestehende Popula- tion (ab 480 m) lässt sich durch die Verjüngung zugewachsener (verbuschter), besonnter Bö- schungspartien von Waldwegen und durch die weitere Gewährleistung eines ausreichenden dor- tigen Nektarangebots (Bedeutung der Brombeere Rubus fruticosus agg.) im modernisierten Waldbau fördern. Die rheinland-pfälzischen Angehörigen dieser eher auf die montane bis subalpine Stufe der Alpen fixierten Art sind die nördlichsten der Weltpopulation.

Oliver ELLER

GNOR Arbeitskreis Schmetterlinge, c/o Oliver Eller, Neue Schulstraße 69, 68549 Ilvesheim, [email protected]

GNOR Info 128 27 Faunistik

Ruhendes Individuum des 4-5 mm großen, zu den Webespinnen zählenden Ameisenjägers Zodarion cf. rubidum, Flörsheim- Dalsheim, 1.8.2014 / Foto: Gerd REDER

Jäger und Beute – Beobachtungen im Hausgarten Jedermanns Garten, und dies zumeist im Verbor- genen unweit der Wohnung. Bei vielen Menschen rufen Spinnentiere einen Spinnen der Familie der Ameisenjäger (Fam. Zo- kaum zu erklärenden Ekelfaktor oder eine gewisse dariidae) – über die hier kurz berichtet wird – kön- Furcht hervor. Dabei geht von Spinnen eine völlig nen von aufmerksamen Naturbeobachtern auch unterschätze „Nützlichkeit“ aus – jedenfalls aus im urbanen Umfeld aufgespürt werden. Dies ge- menschlicher Sichtweise. Denn sie fangen u. a. mit lang dem Verfasser im August 2014 in seinem Gar- ihren Netzen – zum Wohle von uns allen – allerlei ten in Flörsheim-Dalsheim. Die kleinen, max. 5 mm lästig werdendes Getier. Allerdings werden Spin- großen Spinnen konnten dabei beobachtet und nen, in Bezug zur Schädlingsbekämpfung im Haus, fotografiert werden, wie sie den sogenannten nicht geduldet, sind nicht erwünscht. Trotz dieser Sklavenameisen (Ordnung Hymenoptera) nach- für uns absolut positiven Eigenschaften enden stellten und als Beute (Eigenbedarf) überwältigten sehr viele dieser interessanten Tiere gezielt im und aussaugten. Staubsauger oder werden anderweitig ausge- merzt. In der kleinen umseitigen Fotoserie werden einige Verhaltensweisen dieser Spinnenart, vom Belauern Bei den Spinnentieren (Ordnung Arachnida) un- des Beutetieres bis zum Überwältigen, dargestellt. terscheidet man viele Familien; dies sind Laufspin- nen, Springspinnen, Radnetzspinnen, Weber- Gerd REDER knechte, Wolfsspinnen und einige mehr. Die al- lermeisten dieser Spinnen leben ausschließlich im Freiland und existieren möglicherweise auch in

28 GNOR Info 128 Faunistik

Das ausgewählte Beutetier, eine Arbeiterin der Rotrückigen Zodarion rubidum belauert Formica cunicularius am Sklavenameise (Formica cunicularius). Flörsheim-Dalsheim, Nesteingang. Flörsheim-Dalsheim, 2.8.2014 2.8.2014

Zweiter Angriff von Zodarion cf. rubidum auf Formica cuni- Zodarion cf. rubidum überwältigt Formica cunicularius und cularius. Flörsheim-Dalsheim, 3.8.2014 saugt sie später aus. Flörsheim-Dalsheim, 3.8.2014 / Fotos: Gerd REDER

Die Knopperngallwespe (Andricus quercuscalicis)

In zwei Waldgebieten Rheinhessens bei Ober-Olm und Worms-Herrnsheim fand ich die abgebildeten Wucherungen an Eicheln. Diese sind auch aus Wäldern zwischen Soonwald und bekannt.

Die Verursacherin ist die Knopperngallwespe (An- dricus quercuscalicis), die an den Eicheln der Stiel- Eiche (Quercus robur) ein auffälliges und charakte- ristisches Schadbild hervorruft, Knoppern ge- nannt. Im Duden wird Knopper als „Gallapfel, z. B. Die Knopperngallwespe (Andricus quercuscalicis) parasi- an grünen Eichelkelchen“ beschrieben. Der latei- tiert in einer Knopper an der Sieleiche (Quercus robur). nische Name sagt dasselbe aus: Quercus für Eiche, Rheinhessen, 2.8.2018 / Fotos: Joscha ERBES calicis bedeutet „Kelch, Pokal, Becher, Topf, Schüs- Knoppern findet man bei uns eher selten, da die sel“. Auch Wikipedia erwähnt die Bezeichnung Gallwespe einen Wirtswechsel zwischen Zerr-Eiche „Knoppern“: (Quercus cerris) im Frühjahr und Stiel-Eiche im https://de.wikipedia.org/wiki/Gallapfel

GNOR Info 128 29 Mykologie

Sommer durchführt. Es gibt laut Internetquellen https://www.dega-galabau.de/Pflanzenschutz- aber wohl auch Knoppern, ohne dass Zerr-Eichen Knoppern-kein-Fruehstueckchen,QUlEPTI2NzE1N- in der Nähe bekannt sind. Eventuell funktioniert es jkmTUlEPTUwMjc4.html also auch ohne Wirtswechsel. QR-Code zum Video: Oak tree and Interessant: Die Knoppern haben einen besonders wasp eggs - Life in the Undergrowth - hohen Gerbstoffanteil (bis zu 30 %) und wurden BBC Attenborough (5:05 min, in engl. deshalb früher gesammelt und in der Gerberei Sprache) verwendet. Joscha ERBES Im Netz fand sich neben der Quelle dieser Infos auch ein hervorragendes Video mit Zeitraffer, bei dem der Lebenszyklus der Gallwespe gezeigt wird.

Pilze auf Dung Unbekannte Vielfalt und wenig beachtete Naturnähezeiger

Der Dung von Tieren stellt eine Ressource dar, die von Vertretern verschiedener Organismengruppen als Lebensraum und Nahrungsquelle erschlossen wurde. Wenig bekannt und auch von vielen Pilz- freunden eher unbeachtet sind Pilzarten, die sich dieses nährstoffreiche, aber kurzlebige Habitat erschlossen haben. Das mag einerseits damit zu tun haben, dass verschieden alter Kot großer Pflanzenfresser, wie Rinder oder Pferde, nur noch selten auf Weiden und Wiesen anzutreffen sind. Rinder müssen heute ihr Leben häufig im Stall fris- ten, die Koppeln der Freizeitpferde werden „ab- geäppelt“, um die Tiere vor Krankheiten zu schüt- zen. Andererseits gehören zu den dungliebenden, coprophilen Pilze viele Angehörige „schwieriger“, artenreicher Gattungen, zu deren erfolgreicher Bestimmung Spezialliteratur und eine gehörige Portion Frustrationstoleranz gehören. Allerdings ist die Beschaffung der Spezialliteratur und die Dis- kussion von Funden heute deutlich einfacher, da sich die wenigen Spezialisten in Internetforen tref- fen und Anfänger tatkräftig unterstützen [i, ii]

Wer sich unter „Pilzen auf Dung“ hauptsächlich Arten „mit Hut und Stiel“ vorstellt, bei denen sich Pilobolus umbonatus, NSG Borkenberge in Lüdinghausen, Kreis Coesfeld, 15.12.2018 / Foto: Björn SOTHMANN die Frage „Kann man den essen?“ stellt, der wird enttäuscht sein. Die größte Gruppe der Dungpilz- arten sind wenige Millimeter große Vertreter der erst unter dem Mikroskop entfalten und auch bei Schlauchpilze (Ascomyceten), die ihre ganze den dungbewohnenden Hutpilzen überwiegen Schönheit und ihre faszinierenden Besonderheiten zarte und schnell vergängliche Formen. [iii]

30 GNOR Info 128 Mykologie

Dungpilze werden deshalb auch weniger im Feld gefun- den, sondern auf aufgesammel- tem Kot in der „feuchten Kam- mer“ kultiviert. Hinter diesem ehrfurchterweckenden Begriff verbirgt sich eigentlich nicht viel mehr als diverse Kunst- stoffdöschen oder Schächtel- chen, in denen der Dung auf etwas feuchtem Zellstoff oder Küchenpapier vor Austrock- nung geschützt und hell bei Zimmertemperatur gehalten wird. Mit einer Stereolupe las- sen sich die Dungpilze dann bei täglichen Kontrollen beobach- Sporormiella longisporopsis, NSG Borkenberge in Lüdinghausen, Kreis Coesfeld, 15.12.2018 / Foto: Björn SOTHMANN ten und reife Fruchtkörper zur weiteren Untersuchung ent- hat, sondern lassen ihn ihre Becherlingsarten, meist Vertre- nehmen. Bei der Beschäftigung Sporen bereits mit der Nahrung ter der Gattungen Ascobolus mit Dungpilzen beschränkt man aufnehmen. Dazu muss der Pilz und Saccobolus mit wunder- sich in aller Regel auf den Kot dafür sorgen, dass seine Sporen schön ornamentierten Sporen, von pflanzenfressenden Säu- ausreichend weit vom besiedel- deren Vertreter fast vollständig gern, wie Reh, Hase, Pferd oder ten Kothaufen entfernt auf auf Dung angewiesen sind. Schaf. Fleischfresser wie Fuchs Pflanzen landen, da Tiere in der Nach der Blüte der wenige Mil- oder Katze entwickeln häufig Regel nicht in unmittelbarer limeter großen Becherlinge er- unangenehme Gerüche, Kot Nähe des eigenen Dungs fres- scheinen über die nächsten von Pflanzenfressern stinkt in sen. Deshalb verfügen dung- Tage verschiedene Pyrenomy- aller Regel nicht, sondern riecht bewohnende Pilze über Me- ceten (Kernpilze), eine unsyste- nach wenigen Tagen lediglich chanismen, ihre Sporen vom matische Gruppe von Schlauch- nach Erde, auch weil man keine Fruchtkörper wegzuschleudern. pilzen, die meist kleine, dunkel großen Proben benötigt, ein Das geschieht teils mit enor- gefärbte, kugel- oder birnen- oder zwei Pferdeäpfel oder ei- mem Druck und Geschwindig- förmige Fruchtkörper bilden. nige wenige Rehköttel reichen keit in Richtung des Lichtes. Diese Arten zeigen unter dem völlig aus. Schleimige Anhängsel oder Mikroskop eine beeindrucken- Hüllen sorgen dafür, dass die de Vielfalt der Sporenformen – Die Dungpilze erscheinen je Sporen an Pflanzen kleben von einfachen ovalen Sporen nach Alter des eingesammelten bleiben, womit eine gute Chan- bis zur mehrzelligen, mehrfach Kots in einer bestimmten Rei- ce besteht, dass sie von wei- geschnürten Sporen ist alles henfolge, als erstes taucht meist denden Tieren mit der Nahrung dabei, und auch bei der Form Pilobolus, der Pillenwerfer [iv, v], aufgenommen werden. Die und Größe der schleimigen auf. Pilobolus verdeutlicht eini- Sporen brauchen die Darmpas- Anhängsel hat sich die Evoluti- ge wichtige Anpassungen, die sage um auszukeimen. Der on ausgetobt. so ähnlich bei den meisten co- Wettlauf beginnt quasi bereits prophilen Pilzen auftreten: Es im Reh oder Pferd. Dabei kon- Nach etwas längerer Zeit über- gilt das Prinzip: „Zeitiges Kom- kurriert eine erstaunliche Zahl nehmen Tintlinge und ähnliche, men sichert gute Plätze.“ Um von Pilzarten um den Lebens- meist kurzlebige Hutpilze den sich diesen optimalen Startplatz raum Kot. Es ist nicht unge- Dung. Die Mechanismen dieser zu sichern, besiedeln die meis- wöhnlich, von einer einzelnen Sukzession sind noch nicht ten coprophilen Pilze den Dung Probe 15 oder 20 Arten zu kulti- komplett verstanden, diskutiert nicht erst, nachdem der freund- vieren [vi]. Nach den Pilolobus- werden unterschiedlich leicht liche Lieferant ihn abgesetzt Arten erscheinen häufig kleine zugängliche Bestandteile des

GNOR Info 128 31 Mykologie

Dungs, verschiedene Wachstumsgeschwindigkei- Quellen: ten oder eine Art chemischer Kriegführung, mit [i] der die Hutpilze ihre Konkurrenten vernichten. [iii] http://www.bender-coprinus.de/anfang/startsei- te.html Auf sehr altem Dung können dann im Gelände [ii] echte Raritäten, wie die Porenscheibe Poronia https://www.pilzforum.eu/board/board/25-co- punctata [vii] erscheinen – ein Pilz, der auf Kot sich prophile-pilze/ „wildpferdähnlich“ ernährender Pferde angewie- [iii] DOVERI, F. (2007): Fungi fimicoli italici, A Guide sen ist, im 19. Jahrhundert noch als häufig ange- to the recognition og Basidiomycetes and Acomy- sehen, galt dieser Pilz in Deutschland und Mittel- cetes living on faecial material, Trento europa zwischenzeitlich als verschollen [viii, ix], wird aber in den letzten Jahren gelegentlich auf Dung [iv] https://av.tib.eu/media/10375, abgerufen am extensiv weidender Pferde, Esel oder Schafe wie- 27.01.2019 dergefunden. Insgesamt kann eine große Vielfalt dungbewohnender Pilze als Zeichen „intakter“ Na- [v] https://www.123pilze.de/DreamHC/Download/ tur im Untersuchungsgebiet gesehen werden. Pillenwerfer.htm

Dies gilt übrigens nicht nur für aktuelle Verhältnis- [vi] P. W ELT, N. HEINE (2006): Beiträge zur Kenntnis se: die charakteristischen Sporen der Gattung coprophiler Pilze (2), Dungbewohnende Pilze Thü- Sporormiella bleiben in Sedimenten - ähnlich Pol- ringens: Teil 1 Hoher Artenreichtum coprophiler len - gut erhalten. Die Häufigkeit ihres Auftretens Pilze in einem Schutzgebiet – Indikator für eine in einzelnen Sedimentschichten lässt Rückschlüsse intakte Natur?, Boletus, Band 29, Heft 2, Seite auf die Bestandsdichten und Bestandsänderungen 81-92, Online verfügbar: https://www.pilzfo- pflanzenfressender Großtiere im jeweiligen Unter- rum.eu/attachment/254050-beitr%C3%A4ge-zur- suchungsgebiet zu und wird genutzt, um z. B. die kenntnis-coprophiler-pilze-2-1-welt-heine-boletus- Aussterbewelle am Ende der Eiszeiten zu doku- 29-2006-pdf/ mentieren. [vii] https://www.123pilze.de/DreamHC/Download/ Die extensive Beweidung unterschiedlichster Flä- Loecherscheibchen.htm chen mit Großtieren wie Pferden, Eseln oder Rin- [viii] LOHMEYER, T. R., BENKERT, D. (1988): Poronia erici dern, wie sie auch von der GNOR durchgeführt – eine neue Art der Xylariales, (Ascomycetes). Zeit- wird, fördert zweifellos auch die Biodiversität die- schrift für Mykologie, Band 54 (1), https://ww- ser Organismengruppe. Leider ist die systemati- w.dgfm-ev.de/publikationen/artikelarchiv/poronia- sche Erfassung und Kartierung von Pilzen gegen- erici-eine-neue-art-der-xylariales-ascomycetes/ über z. B. von Pflanzen oder Vögeln arg im Rück- download stand, insbesondere fehlen historische Datensätze, wie sie von andren Organismengruppen bekannt [ix] MATOCEC, N. (2000): The endangered European sind. Auch coprophile Pilze sind extrem unterkar- species Poronia punctata (Xylariales, Ascomycoti- tiert, was mit ihrer Unauffälligkeit und den Schwie- na), still alive and well in Croatia. In: Nat. Croat. rigkeiten bei ihrer Bestimmung zu tun haben mag. Band 9, Nr. 1, S. 35–40, (http://hrcak.srce.hr/file/ Selbst sporadische Untersuchungen können daher 72915) Überraschungen in Form von Erstfunden von bis- her in Deutschland nicht nachgewiesenen Arten [x] P. WELT, N. HEINE (2008): Beiträge zur Kenntnis bringen [x]. Systematische Untersuchungen vor al- coprophiler Pilze (4) Coprophile Pilze im Hart- lem der Beweidungsprojekte wären wünschens- schimmelgebiet bei Andechs und weitere bayeri- wert, stoßen jedoch bei der geringen Zahl versier- sche Dungpilzfunde, Mycologica Bavarica, Band ter Spezialisten an kapazitive Grenzen. 10, S.63- 83

Hagen GRAEBNER

32 GNOR Info 128 Das Wetterjahr

Abb. 1: Regenrückhaltebecken in Sulzheim / Rheinhessen. Der Wasserstand ist vom Schilf bereits weit entfernt. Aufnahme vom 21. Oktober 2018 / Foto (c): Philipp REUTTER

Das Wetterjahr 2018 nördlich des Azorenhochs lenkt. Ein weiterer Teil der feuchte Meeresluft zu uns Strömung wird auch nach Sü- „Schockierender Anblick. Alles transportieren, konnte sich nicht den umgeleitet. Während Mit- vertrocknet und braun, was ei- durchsetzen. teleuropa also mit ruhigem gentlich grün sein sollte." Mit Wetter zu rechnen hat, stellt dieser Twitterbotschaft vom 6. Liegt das Hochdruckgebiet je- sich dagegen im Mittelmeer- August 2018 schickte der deut- doch über Mitteleuropa, stellt raum eine unbeständige Witte- sche Astronaut Alexander Gerst sich die sogenannte "Omega"- rung ein. Manch einer erinnert seine Eindrücke aus dem All auf Wetterlage ein. Bei solch einer sich noch an die Berichte über die Erde. Zu diesem Zeitpunkt Konstellation werden die Tief- schwere Unwetter auf den Ba- herrschte schon über Monate druckgebiete weit an Deutsch- learen oder in Italien. hinweg eine große Dürre über land vorbei nach Norden abge- Mitteleuropa. An der Messstati- on des Instituts für Physik der Atmosphäre an der Universität Mainz ist diese Trockenheit vor allem ab Juni sehr deutlich zu sehen (s. Abb. 2).

Der Grundstein für diese Ent- wicklung wurde jedoch schon im April gelegt. Zu diesem Zeit- punkt stellte sich zum ersten Mal in diesem Jahr die für den restlichen Sommer und Herbst bestimmende Wetterlage ein. Hochdruckgebiete über Mittel- europa oder Skandinavien ver- hinderten, dass uns Tiefdruck- gebiete vom Atlantik mit Nie- Abb. 2: Regensummen der Jahre 2009 bis 2018, gemessen an der Wetterstation derschlag versorgen. Die sonst des Instituts für Physik der Atmosphäre der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, im Vergleich. Das Jahr 2018 ist fett markiert. Der entsprechende Jahresnieder- dominierende Westwetterlage, schlag kann der Legende entnommen werden / Abb. (c): INSTITUT FÜR PHYSIK DER bei der die Tiefdruckgebiete ATMOSPHÄRE, JGU MAINZ

GNOR Info 128 33 Das Wetterjahr

Abb. 3a: Häufigkeitsverteilung der Windrichtung des Jahres Abb. 3b: Häufigkeitsverteilung der Windrichtung des Jah- 2017 / Abb. (c): INSTITUT FÜR PHYSIK DER ATMOSPHÄRE, JGU res 2018 / Abb. (c): INSTITUT FÜR PHYSIK DER ATMOSPHÄRE, JGU MAINZ MAINZ

Da der großflächige Niederschlag durch Tiefaus- Doch nicht nur die Trockenheit war im Jahr 2018 läufer ein sehr seltenes Ereignis im Sommerhalb- außergewöhnlich. Nach den Aufzeichnungen des jahr 2018 darstellte, entstand im Laufe der Zeit ein Deutschen Wetterdienstes (DWD) war es deutsch- Niederschlagsdefizit. Signifikante Regenfälle stan- landweit auch das wärmste und sonnenreichste den daher meist mit Gewittern in Verbindung. Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen im Gewitter sind allerdings immer sehr lokale Ereig- Jahr 1881. Für Rheinland-Pfalz verzeichnete der nisse, die in kurzer Zeit hohe Regenmengen pro- DWD mit einer Jahresdurchschnittstemperatur von duzieren können. Durch den hohen Anteil an ver- 10,8°C ebenfalls das wärmste Jahr seit Aufzeich- siegelten Flächen wird jedoch auch viel Nieder- nungsbeginn. Damit war das Jahr 2018 2,2°C schlag durch Kanalisationen schnell abgeführt. wärmer verglichen mit dem langjährigen Mittel von 1961 bis 1990. Bei langanhaltender Trockenheit kommt auch der Punkt, an dem die Verdunstung aus Boden und Betrachtet man die klimatologischen Kenntage, Vegetation nur noch sehr wenig Wasserdampf lie- aufgezeichnet an der Messstation der Mainzer fern kann. Wenig Wasserdampf in der Atmosphäre Universität (s. Abb. 4), so wird auch hier die Be- führt dann in der Folge natürlich auch zu weniger sonderheit des Jahres 2018 deutlich. Im langjähri- Wasser, das als Regen zu Boden fallen kann - eine gen Mittel sind in Rheinhessen 44 Sommertage, sich selbst verstärkende Rückkopplung. also Tage mit Temperaturen von über 25°C, zu er- warten. 2018 wurden hingegen mit 94 Sommerta- Ein Beleg für das außergewöhnlich häufige Auftre- gen mehr als doppelt so viele erreicht. Noch dra- ten eines Hochdruckgebiets über Mitteleuropa matischer wird es beim Blick auf die Anzahl der liefert auch ein Blick auf die Verteilung der Wind- heißen Tage, also Tage mit Temperaturen von über richtungen (s. Abb. 3a und 3b). Für das Jahr 2017 30°C. In Rheinhessen liegt das langjährige Mittel ist klar die vorherrschende Windrichtung Südwest bei etwa 9 Tagen, 2018 waren es mit 29 Tagen zu erkennen. Betrachtet man jedoch das Jahr dreimal so viele. Weitere klimatologische Informa- 2018, so fällt sofort auf, dass die östlichen Wind- tionen können der Seite kwis-rlp.de entnommen richtungen deutlich dominanter vertreten sind. werden. Rheinhessische Bewohner unter der Einflug- schneise des Frankfurter Flughafens können dies Global gesehen gehört das Jahr 2018, zusammen ebenfalls bestätigen. mit den Jahren 2015, 2016 und 2017 zu den vier wärmsten Jahren seit der Wetteraufzeichnung.

34 GNOR Info 128 Das Wetterjahr

Abb. 4: Temperaturen, Niederschlag und klimatologische Kenntage in Mainz / Abb. (c): INSTITUT FÜR PHYSIK DER ATMOSPHÄRE, JGU MAINZ

2018 ist dabei das viertwärmste Jahr. Der Klima- nicht. Das Klima beschreibt den mittleren Zustand wandel ist also auch hier sichtbar. der Atmosphäre über einen Zeitraum von mindes- tens 30 Jahren. So gab es stabile Hochdrucklagen Als Abschlussbemerkung sei noch gestattet: kein auch schon zu früheren Zeiten. Jedoch steigt die Wetterextrem ist mit dem Etikett „Klimawandel“ Wahrscheinlichkeit in einem wärmeren Klima für gekennzeichnet. In der öffentlichen Diskussion ist solche Witterungen, wie wir sie im vergangenen es immer öfter zu beobachten, dass einzelne Wet- Jahr beobachten konnten, an. Das Jahr 2018 hat tereignisse wie z. B. ein starkes Gewitter oder eine uns also gezeigt, wohin die Reise gehen wird. langanhaltende Dürre direkt dem Klimawandel zugeschrieben werden. So einfach ist es leider Dr. Philipp REUTTER

Damit wir lange noch die großen und kleinen Wunder der Natur be- staunen können!

Ohne das Engagement der GNOR wäre die Natur Spendenkonto: GNOR e. V. von Rheinland-Pfalz um einiges ärmer. Für ihre Sparkasse Mainz IBAN: DE03 Arbeit ist die GNOR mehr denn je auf Spenden 5505 0120 0000 0117 00, BIC: MALADE51MNZ angewiesen! Wir sagen jetzt schon: DANKE!

GNOR Info 128 35 Naturschutz

Naturschutz in der Kulturlandschaft

Die Entwicklung des ländlichen Raums als Instrument des Arten- und Biotopschutzes Vorwort Die Fläche in unserem Bundesland wird durch eine ganze Reihe von Flächennutzungen in An- spruch genommen. Mit 41,2 % rangiert die Land- wirtschaft an erster Stelle, knapp gefolgt vom Wald mit 40,6 %. Mit geringeren Anteilen sind Siedlung (8,5 %), Verkehr (6,1 %) und Gewässer (1,4 %) ver- treten. Als größtem Flächennutzer kommt der Die Feldlerche (Alauda arvensis) ist eine der aktuell am stärksten rückläufigen Feldvogelarten in Deutschland. Fel- Landwirtschaft damit eine ganz besondere Bedeu- senbrunnerhof, 18.7.2018 / Foto: Peter KELLER tung zu, zumal eine direkte, mehr oder weniger intensive Bearbeitung stattfindet, gepaart mit dem Ein wichtiger Aspekt ist hierbei die Subventions- Ausbringen von Düngern und den Mitteln, die politik, die u. a. durch die Direktzahlungen (Nähe- dem Pflanzenschutz dienen sollen. Diese Art der res s. u.) umgesetzt wird. Von Seiten des Natur- Nutzung ist natürlich dem Streben nach gesunden schutzes befürworten wir die bäuerlichen Famili- Lebensmitteln geschuldet. Die Marktmechanis- enbetriebe, die in einer reich strukturierten Land- men, die durch Angebot und Nachfrage reguliert schaft wirtschaften und damit wesentlich zur Biodi- werden, tun ihr übriges. Aber nicht nur der Markt versität beitragen. Nicht zuletzt die Milchvermark- selbst gibt die Richtung der Landbewirtschaftung tungskrise im Jahr 2017hat den Familienbetrieben vor. Nein, es ist auch die Politik! Und das nicht nur stark zugesetzt und zu einem regelrechten „Höfe- auf Länder- oder Bundesebene sondern vor allem sterben“ geführt. Wenn 80 % der Subventionen seit der Gründung der damaligen Europäischen am Ende bei nur 20 % der Betriebe (in der Regel Wirtschaftsgemeinschaft auch auf europäischer sind das nicht die Familienbetriebe) landet, dann Ebene. hat die Politik versagt. Auch dem Bauernverband ist es nicht gelungen, bessere Bedingungen für Indirekt wird dadurch auch auf die Biodiversität als seine familiär geführten Betriebe auszuhandeln. Ganzes, inklusive der Agro-Biodiversität, durch die Politik Einfluss genommen. In den folgenden Aus- Jetzt ist vor allem die Bundeslandwirtschaftsminis- führungen sollen die Hintergründe der EU-Land- terin in der Verantwortung. Denn sie muss in Brüs- wirtschaftspolitik erläutert werden. Ebenso die di- sel endlich dafür sorgen, dass die Betriebe, die die rekten und indirekten Einflüsse auf die ländlichen höchsten Beiträge für das Gemeinwohl liefern Räume, vor allem aber auch auf den Naturschutz. (nämlich die Familienbetriebe) gegenüber den Großbetrieben (bis hin zu den „Agrarfabriken“ und

Durch Wiesenumbruch geht die Intensivierung der Land- Traditionell genutzte zweischürige Wiesen stellen noch wirtschaft ungehindert fort. Kandel, 22.2.2017 / Foto: Peter artenreiche Lebensräume dar: Heuernte in den Queichwie- KELLER sen, Bellheim. Holzwiesen, 28.8.2009 / Foto: Peter KELLER

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In den meisten Naturschutzgebieten bleibt die ordnungs- Selbst in intensiver genutzten Flächen, wie hier in einem gemäße Landwirtschaft ohne Einschränkungen erlaubt. Getreidefeld, können kleine Lebensräume von der Nutzung Landau, Ebenberg, 20.5.2012 / Foto: Peter KELLER ausgespart bleiben (z. B. „Lerchenfenster“). Dudenhofen, 1.8.2016 / Foto: Peter KELLER sonstigen „Subventionsabgreifern“) besser gestellt Europäischen Landwirtschaftsfonds zur Entwick- werden. lung des ländlichen Raums (ELER).

In Rheinland-Pfalz landen fast 200 Mio. Euro an Im Folgenden soll die Förderpolitik der Europäi- Direktzahlungen bei den Landwirten. Da ist es le- schen Union, des Bundes und des Landes näher gitim, dass durch diese Gelder der Lebensraum- erläutert werden. Es handelt sich um eine verein- verlust und das Artensterben nicht noch weiter fachte Darstellung, die sich im Einzelfall oft viel forciert, sondern dass deutlich gegengesteuert komplexer darstellt. Der Einfachheit halber wird an wird. Vorschläge für eine Neugestaltung der EU- dieser Stelle aber nicht auf Details eingegangen. Förderung haben z. B. der Deutsche Verband für Wer weitergehende Informationen benötigt, kann Landschaftspflege (DVL) oder auch verschiedene sich an die zuständigen Ministerien, den Berufs- Naturschutzverbände in einem gemeinsamen stand (Bauern- und Winzerverband, Landwirt- „Verbändepapier“ zusammengetragen (Näheres schaftskammer) oder an die Umwelt- oder Natur- siehe auf den Webseiten von NABU, BUND, DVL schutzverbände wenden. Hierzu sind am Ende die u. a.) entsprechenden Internet-Adressen angegeben.

1. Einleitung 2. Entwicklungsplan Ländlicher Raum Die Gestaltung unserer Umwelt geschieht nach Im Entwicklungsplan ländlicher Raum wird auf der genauen gesetzlichen Vorgaben. Die regionale Landesebene von Rheinland-Pfalz ein Paket von Raumordnungsplanung bestimmt, wo sich Sied- Einzelmaßnahmen zusammengestellt. In der aktu- lungen erweitern dürfen, wo Gewerbe- und Indus- ellen Finanzierungsperiode der EU, die von 2014 triegebieten neu entstehen oder wo neue Ver- bis 2020 läuft, ist dies der Entwicklungsplan EUL- kehrswege hinzukommen. Auch für die freie Natur LE. Die Vorgänger waren PAUL und FUL gibt es konkrete gesetzliche Vorgaben: Regionale Grünzüge, so genannte Grünzäsuren, dann Vor- 2.1 Entwicklungsplanung in der historischen ranggebiete für den Naturschutz, die Landwirt- Betrachtung schaft oder die Rohstoffsicherung. Die gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EU hat eine lange Geschichte. Sie wurde in einem EWG- Neben den Vorgaben der Regionalplanung gibt es Vertrag 1957 festgelegt und ab 1962 umgesetzt. als Umsetzungsinstrument der Landwirtschaftspo- Damals lag der Fokus auf der Versorgungssicher- litik den Entwicklungsplan für den ländlichen heit der Bevölkerung mit Lebensmitteln. Inzwi- Raum (EPLR). schen geht es vor allem um die Förderung von Anbaumethoden, die gesunde und sichere Le- Der EPLR ist ein umfangreiches Förderprogramm, bensmittel gewährleisten und zudem die Umwelt das auf Länderebene angeboten wird. Die Euro- schonen. Die gemeinsame Agrarpolitik fußt auf päische Union fungiert als Ko-Finanzierer über den zwei entscheidenden Schwerpunkten:

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1. den Marktordnungen PAUL (Programm Agrarwirtschaft Umweltmaß- nahmen Landentwicklung), Laufzeit 2007 bis 2013. 2. der Entwicklung des ländlichen Raums Zurzeit wird in Rheinland-Pfalz das Entwicklungs- programm, Umweltmaßnahmen, Ländliche Ent- Hintergrund ist die Unterstützung der Landwirt- wicklung, Landwirtschaft, Ernährung (EULLE) an- schaft, die ihre Wurzeln in der Zeit nach dem zwei- geboten (Laufzeit 2014-2020). Da ab 2021 ein ten Weltkrieg hat. In dieser Zeit war es wichtig, neuer EU-Haushalt zu verabschieden ist, laufen dass genügend Nahrung für die wachsende Be- aktuell die Diskussionen, wie die einzelnen För- völkerung produziert wurde. Weiterhin sollte das derprogramme auszugestalten sind. Dabei geht es Ungleichgewicht der lokalen Preise für landwirt- u. a. um die Inhalte der Programme, die Antrag- schaftliche Produkte im Vergleich zu den Welt- steller und natürlich die Förderhöhe. marktpreisen ausgeglichen werden (SCHRADER 2008). Die Gelder der EU werden über den Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft (EGFL), den Mit der Gemeinsamen Agrarpolitik gibt die EU Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Ent- den Mitgliedsstaaten einen umfänglichen Rahmen wicklung des ländlichen Raums (ELER) sowie den vor. Verantwortlich für die Umsetzung ist dann je- Europäischen Meeres- und Fischereifonds (spielt der Mitgliedsstaat selbst. Da in der Bundesrepu- hier keine Rolle!) zur Verfügung gestellt. Der Voll- blik Deutschland die Bundesländer für die Agrar- ständigkeit halber sei erwähnt, dass es noch die politik zuständig sind, entwerfen diese entspre- Strukturförderung gibt, die aus dem Europäischen chende Entwicklungspläne für den ländlichen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE), dem Eu- Raum. Das heißt dann aber auch, dass es bundes- ropäischen Sozialfonds (ESF) und dem Kohäsions- weit keine einheitliche Förderung gibt. Vorteil die- fonds besteht. ser Regelung ist die Tatsache, dass auf regionale Besonderheiten Rücksicht genommen werden 2.2 Wie wird die Landwirtschaft aktuell ge- kann (z. B. Salzwiesen an der Küste, Almwirtschaft fördert? im Hochgebirge oder die Förderung des Wein- baus in klimatisch begünstigten Gebieten). 2.2.1 Betriebsprämie Derzeit fußt die Förderung der Landwirtschaft auf Das Land Rheinland-Pfalz stellte im Jahr 2000 zwei Säulen. Säule 1 ist die Betriebsförderprä- erstmals ein Förderprogramm auf, in dem sowohl mie. Die so genannten Direktzahlungen (pauscha- landwirtschaftliche als auch umwelt- und natur- le Subventionen) für landwirtschaftlichen Betriebe schutzfachliche Aspekte zusammen geführt wur- werden pro Hektar bewirtschaftete Fläche (=beihil- den. Es handelte sich um das Förderprogramm fefähige Fläche) ausgezahlt. Die Direktzahlungen umweltschonende Landbewirtschaftung, kurz FUL. dienen als Einkommens- und Risikoabsicherung Es hatte eine Laufzeit von 2000 bis 2006, d. h. sie- der landwirtschaftlichen Betriebe und sind unab- ben Jahre, da der EU-Haushalt immer für sieben hängig von der eigentlichen Produktion (so ge- Jahre aufgestellt wird. Abgelöst wurde FUL von nannte entkoppelte Prämie). Früher gab es dem- gegenüber Prämien für bestimmte Feldfrüchte (z. B. Maisprämie, Tabak) oder für Tiere (z. B. Kopf- prämie für Rinder, Schafe). Diese fehlgeleitete Poli- tik führte zu Überproduktionen („Butterberge“, „Milchseen“) und wurde durch die aktuelle Ausge- staltung der GAP korrigiert.

Die Höhe der Betriebsprämie beträgt aktuell knapp 300 €/ha und setzt sich folgendermaßen zusammen:

• Basisförderung: Grundförderung • Greeningprämie: Zusatzprämie für bestimmte Ein Steinbruch als Lebensraum. Albersweiler, 11.1.2013 / Umweltauflagen (Anbaudiversifizierung, Erhalt Foto: Peter KELLER von Dauergrünland, Anlage von so genannten

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Tab. 1: Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen: Landwirtschaftliche Programmteile

Programmteil Förderung (die exakten Fördersätze sind auf der Webpage des DLR zu finden, www.dlr.rlp.de)

Ökologische Wirtschaftsweise im Einführung 1. und 2. Jahr, Beibehaltung 3. bis 5. Jahr Unternehmen 200 bzw. 300 €/ha jährlich (Ackerbau) 300 bzw. 700 €/ha jährlich (Gemüsebau) 720 bzw. 930 €/ha jährlich (Obstbau) 580 bzw. 900 €/ha jährlich (Weinbau) 300 €/ha jährlich (bei Teilnahme an der Steil- und Steilslagenfördrung) 50 €/ha Kontrollkostenzuschuss bis max. 600 € je Unternehmen

Anlage von Gewässerrandstreifen – 760 €/ha jährlich (bei Anerkennung als Greeningfläche erfolgt ein Abzug von Ackerbau 380 €/ha)

Beibehaltung von Untersaaten und 75 €/ha förderfähige Ackerfläche Zwischenfrüchten über den Winter 45 €/ha in Kombination mit Ökologischer Wirtschaftsweise keine Beihilfe für Flächen, die für die Greeningauflage verwendet werden

Saum- und Bandstrukturen im 390 – 640 €/ha bei Anerkennung Folgeverpflichtung Ackerbau 750 – 1.000 €/ha bei Neueinsaat jährlich in Abhängigkeit der EMZ (s. u.) 490 – 740 €/ha bei Neueinsaat mehrjährig in Abhängigkeit der EMZ (s. u.) bei Anerkennung als Greeningfläche erfolgt ein Abzug von 380 €/ha

Alternative Pflanzenschutzverfahren 200 €/ha jährlich (Apfelwicklerbekämpfung) 345 €/ha jährlich (Mechanische Barrieren gegen Schädlinge) 40 €/ha jährlich (Maiszünslerbekämpfung)

Umweltschonende Grünlandbe-wirt- 110 €/ha jährlich schaftung im Unternehmen 40 €/ha jährlich Zusatzmodul Extensivierung der Tierhaltung 250 €/ha Zusatzmodul Umwandlung Ackerland in Grünland

Umwandlung einzelner Ackerflä- 350 – 600 €/ha jährlich in Abhängigkeit von der EMZ chen in Grünland

Grünlandbewirtschaftung in den 140 €/ha jährlich Talauen der Südpfalz

Umweltschonender Steil- und Steilst- 765 €/ha jährlich Steillagen lagenweinbau ... 2.555 €/ha jährlich Steilstlagen

Biotechnische Pflanzenschutzver- 50 €/ha jährlich fahren im Weinbau bei folgenden Produkten: RAK 1 +2 M

Vielfältige Kulturen im Ackerbau 90 €/ha förderfähige Ackerfläche 55 €/ha in Kombination Programmteil Ökologische Wirtschaftsweise im Un- ternehmen 70 €/ha sofern Leguminosenflächen als Greeningfläche angerechnet werden

EMZ = Ertragsmeßzahl Sie beschreibt die natürliche Ertragsfähigkeit einer Fläche in Abhängigkeit von der zu wertenden Fläche EMZ [m2] = Fläche x Acker- oder Grünlandzahl/100

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Tab. 2: Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen: Naturschutzfachliche Programmteile - Vertragsnaturschutz

Programmteil Förderung (die exakten Fördersätze sind auf der Webpage des DLR zu finden, www.dlr.rlp.de)

Vertragsnaturschutz Acker – Lebens- 300 – 450 €/ha jährlich, in Abhängigkeit von der EMZ raum Acker

Vertragsnaturschutz Acker – Acker- 890 €/ha jährlich wildkräuter

Vertragsnaturschutz Grünland – Ar- 250 €/ha jährlich tenreiches Grünland

Vertragsnaturschutz Grünland – 200 €/ha jährlich Mähwiesen und Weiden

Vertragsnaturschutz Grünland – 420 – 745 €/ha jährlich Umwandlung von Ackerland in ar- (abhängig von der EMZ: 30 – 80/6,50/EMZ) tenreiches Grünland

Vertragsnaturschutz Grünland – Mähwiesen und Weiden – Kennarten 4 Kennarten 250 €/ha jährlich Artenreiches Grünland 8 Kennarten 300 €/ha jährlich

Vertragsnaturschutz Streuobst – 6,50 €/Baum Pflege von Neuanlagen (227,50 - 390 €/ha ) Neuanlage und Pflege von Streu- 5,00 €/Baum Pflege von Altbeständen (75 -300 €/ha) obst 50 €/Baum einmalig Pflanzung von Streuobstbäumen

Vertragsnaturschutz Weinberg – 580 €/ha ab 50 % Hangneigung Freistellungspflege in Weinbergsla- 120 €/ha Zuschlag für erschwerte Bearbeitung gen

EMZ = Ertragsmeßzahl Sie beschreibt die natürliche Ertragsfähigkeit einer Fläche in Abhängigkeit von der zu wertenden Fläche EMZ [m2] = Fläche x Acker- oder Grünlandzahl/100

Ökologischen Vorrangflächen) teilen mit Förderprogrammen, die zum einem aus • Umverteilungsprämie: höhere Förderung der dem Landwirtschaftsministerium, zum anderen aus ersten Hektare, dadurch sollen die kleinen Be- dem Umweltministerium finanziert werden triebe besser gestellt werden gegenüber den (s. Tab. 1 u. Tab. 2). Großbetrieben 2.3 Beratung • Junglandwirteförderung: für Landwirte, die das 41. Lebensjahr noch nicht vollendet haben Landwirtschaftsberatung Früher wurden Ackerflächen höher als das Grün- Die landwirtschaftliche Beratung (auch Offizialbe- land bewertet, was z. B. zu einem verstärkten ratung genannt) wird im Landwirtschaftsministeri- Grünlandumbruch geführt hat. Inzwischen sind die um koordiniert. Ausführende Beratungsbehörden Förderhöhen angeglichen worden, sodass beide, sind die Dienstleistungszentren ländlicher Raum wie oben angegeben, bei ca. 300 €/ha liegen. (DLR) mit ihren jeweiligen Schwerpunkten (Nähe- res hierzu siehe www.dlr.rlp.de). 2.2.2 Förderprogramme Die zweite Säule setzt sich aus sehr unterschiedli- chen Einzelmaßnahmen zusammen. In Rheinland- Pfalz besteht die zweite Säule aus zwei Programm-

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Bunt blühender Unterwuchs in einem Getreidefeld – klassi- Die Kornblume (Centaurea cyanus) gilt als Sympathieträger scher Ackerrandstreifen. Donnerberg, 13.7.2010 / Foto: für ungespritzte Ackerränder. Kandel, 3.11.2017 / Foto: Peter KELLER Peter KELLER

Vertragsnaturschutzberatung 3. Weiterentwicklung

Für die Vertragsnaturschutzprogramme gibt es Wie bereits oben erwähnt, wird die nächste För- landkreisweise eigene Berater, die so genannten derperiode 2021 beginnen. Vor dem Hintergrund, Vertragsnaturschutzberater. Sie begutachten die dass Groß-Britannien voraussichtlich aus der EU von den Landwirten beantragten Flächen und ausscheiden und damit ein „Netto-Zahler“ ausfal- handeln die jeweiligen naturschutzfachlich not- len wird und dass dadurch weniger Geld im Haus- wendigen Vertragsgestaltungen aus. Die geeigne- halt zur Verfügung stehen wird, laufen derzeit um- ten Flächen werden dann der Kreisverwaltung für fangreiche Diskussionen um die Ausgestaltung einen Vertragsabschuss vorgeschlagen. Der Ver- des neuen Haushalts hinsichtlich Umfang und In- trag mit einer Laufzeit von 5 Jahren wird dann zwi- halt. schen der Kreisverwaltung und dem Landwirt ge- In diesem Jahr übernimmt der rheinland-pfälzi- schlossen (https://lfu.rlp.de/de/naturschutz/flae- sche Landwirtschaftsminister Dr. Volker Wissing chennutzungen-und-biotoppflege/vertragsnatur- den Vorsitz bei der Agrarministerkonferenz. Das schutz/). bedeutet, dass Rheinland-Pfalz ganz entscheidend Partnerbetrieb Natur- bei der Ausgestaltung der neuen Agrarpolitik mit- schutz wirken und auch lenkend eingreifen kann. Insofern sind die Beiträge aus dem Naturschutz essentiell Das Beratungsange- und für die Entwicklung des ländlichen Raums un- bot beim Partnerbe- erlässlich. trieb Naturschutz beruht auf der gemeinsamen Beratung von Landwirtschafts- und Vertragsnatur- Das ist umso wichtiger als wir aktuell, durchaus schutzberatern. Für den interessierten Betrieb wird auch selbst-kritisch, feststellen müssen, dass trotz eine Potenzialanalyse erstellt und die Maßnahmen der Förderprogramme und vieler begleitender besprochen, die eine naturschutzfachliche Aufwer- Maßnahmen die Biodiversität gerade im Offenland tung bewirken. Bei erfolgreicher Anerkennung (Äcker und Wiesen) stetig abnimmt. Außerdem darf sich der Betrieb Partnerbetrieb Naturschutz stürzen die Bestände der „Feldvögel“, wie Feldler- nennen (http://www.partnerbetrieb-naturschutz.rl- che oder Kiebitz, dramatisch ab. Auch früher sehr p.de). häufige Vögel, wie Goldammer oder die Grasmü- cken, werden stetig weniger, da die Landnutzung Mit dem Jahr 2018 wurde in Rheinland-Pfalz das zunimmt, was mit dem Verlust an Landschaftsele- Naturschutzmanagement eingeführt. Darin hat menten oder Biotopstrukturen verbunden ist. Zu- man die Beratung zum Vertragsnaturschutz (inkl. dem gehen Lebensräume durch Bau- und Gewer- Partnerbetrieb Naturschutz und Arbeitsgruppe begebiete oder durch den Straßenbau verloren. Agrarwirtschaft und Naturschutz) mit der Biotop- betreuung (verantwortlich für die Schutzgebiete, Eine Bewertung der „Greeningauflagen“ (s. o.) hat wie NSG oder Natura 2000) zusammengefügt. sehr deutlich aufgezeigt, dass diese Maßnahme nur einen Mitnahmeeffekt bei den Landwirten be-

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Viele verschieden farbige Blüten fördern auch bei Insekten Weideflächen sind meist blütenärmer, bieten dafür aber die Artenvielfalt. Büschelberg, 1.6.2018 / Foto: Peter KELLER viele Mikro-Strukturen, in denen sich z. B. Brutgänge für Wildbienen oder Wespen finden. Landau Horstwiesen, 4.7.2018 / Foto: Peter KELLER

extra honoriert. So könnte man z. B. eine zweite Orchidee als „Bonuskennart“ zur Kennartenliste hinzufügen. Dadurch wären gute, artenreiche Wie- sen mit „nur“ 3 Kennarten aufzuwerten und mehr Landwirte können am Programm teilnehmen. Eine Erweiterung würde die Hinzunahme von faunisti- schen Kennarten bedeuten. Gefährdete Tiere wie Bodenbrüter, Schmetterlinge, Heuschrecken und weitere Arten könnten die Kennartenliste ergän- zen.

Die Streuobstwiesen bieten vielfältige Strukturen und zäh- Dringender Handlungsbedarf besteht bei der Si- len zu den artenreichsten Landnutzungen. Büschelberg, cherung der „Weinbergsgeophyten“. Vor allem die 3.5.2018 / Foto: Peter KELLER stark gefährdete Wildtulpe oder andere Arten wie die Traubenhyazinthen oder die Milchsterne soll- wirkte. Echte positive Auswirkungen auf die Bio- ten in ein Förderprogramm aufgenommen wer- top- und Artenvielfalt waren nicht zu konstatieren den. (OFFENBERGER 2018), insofern ist eine Neue För- derpolitik dringend geboten. Zur Sicherung der Bestände von Bodenbrütern brauchen wir dringend ein spezielles Förderpro- 4. Vorschläge gramm. In den Niederlanden wird seit vielen Jah- Nachfolgend sind verschiedene Vorschläge aufge- ren der Brutplatzschutz von Bodenbrütern hono- führt, wie vorhandene Programmteile in Rhein- riert. Ornithologen kartieren zu Beginn der Brut- land-Pfalz weiterentwickelt werden könnten. saison die Nester auf den Wiesen und Weiden, die Landwirte sparen diese Bereiche bei der Bewirt- Erweiterung Vertragsnaturschutz Kennarten schaftung aus und erhalten am Ende der Saison Bisher gab es die Möglichkeit mit 4 oder 8 Kennar- einen angemessenen Ausgleich für ihren Aufwand. ten eine Förderung zu erhalten. Das Programm Ein ähnliches Projekt ist aus der Schweiz bekannt könnte man künftig dreigeteilt in 4, 6, und 8 Kenn- (SCHIFFERLI et al 2009). arten aufschlüsseln. Ein Mehraufwand ergibt sich 5. Best practice bei den Agrarumwelt- und dadurch nicht, die Leistung des Landwirts wird Klimaschutzmaßnahmen: Fördermöglichkei- aber besser honoriert. In Sachsen ist diese Varian- ten aus anderen Bundesländern te bereits realisiert und sollte auch in Rheinland- Pfalz möglich sein. Da, wie bereits oben erwähnt, die Landwirt- schaftspolitik Ländersache ist, gibt es in den Bun- Eine weitere Verbesserung ist dadurch zu errei- desländern verschiedene Agrarumwelt- und Kli- chen, dass man besonders herausragende Arten maschutzmaßnahmen. Diese dienen manchmal

42 GNOR Info 128 Naturschutz tatsächlich dem konkreten Arten- oder Biotop- Broschüre: Kurzfassungen der Agrarumwelt- und schutz. Nachfolgend werden einige Beispiele ge- Naturschutzprogramme: https://www.bfn.de/fi- nannt, die schon in der laufenden Legislatur bei leadmin/BfN/service/Dokumente/skripten/Skrip- der EU notifiziert und daher auch kofinanziert sind, t491.pdf d. h. ohne weiteres auf unser Bundesland zu über- Bauern- und Winzerverbände; Landwirtschafts- tragen wären. Bei der Darstellung handelt sich um kammer einen Extrakt aus den Verordnungen der Länder. https://www.bwv-rlp.de Details sind einer Veröffentlichung des Bundesam- https://www.bwv-net.de/ tes zu entnehmen (BFN Skript 491, s. u.) https://www.lwk-rlp.de Dr. Peter KELLER Naturschutzverbände https://www.bund.net/aktuelles/detail-aktuelles/ Literatur news/eu-agrarpolitik-nach-2020-eine-erste-analy- se/ OFFENBERGER, Monika (2018): Schlechte Noten im Fitness-Check: Gemeinsame Agrarpolitik verfehlt https://www.nabu.de Ziele zum Erhalt der Biodiversität. ANLiegen Natur https://www.lpv.de/themen/agrar-und-regionalpo- 40 (2), online preview 4 S. litik/gemeinwohlpraemie.html Ministerien PABST, Holger, Bea ACHTERMANN, Ursula LANGEN- DORF, Thomas HORLITZ & Jörg SCHRAMEK (2018): https://mwvlw.rlp.de/de/startseite/ Kurzfassungen der Agrarumwelt- und Klima- https://mueef.rlp.de schutzprogramme. BfN-Skript 491, 302 S. (pdf-Ver- https://www.bmel.de sion s. u.) https://www.bmu.de/ SCHIFFERLI, Luc, Olivia RICKENBACH, Andreia KOLLER & Martin GRÜEBLER (2009): Nest protection from Glossar agriculture and predation to improve nest and EPLR Entwicklungsplan Ländlicher Raum chick survival of the Northern Lapwing Vanellus ELER Europäischen Landwirtschaftsfonds zur vanellus in Swiss farmland. Ornithologischer Be- Entwicklung des ländlichen Raums obachter 106, S. 311–326. GAP Gemeinsame Agrarpolitik (der Europäi- schen Union) SCHRADER, Jörg-Volker (2005): Zur Reform der EU- BfN Bundesamt für Naturschutz Agrarpolitik: Umbau statt Abbau von Subventio- EULLE Entwicklungsprogramm Umweltmaßnah- nen,. Zeitschrift für Wirtschaftspolitik, H. 1/2005, S. men, Ländliche Entwicklung, Landwirtschaft, 115-132. Ernährung PAUL Programm Agrarwirtschaft, Umweltmaß- nahmen, Landentwicklung Geeignete Internet-Adressen für weitere In- FUL Förderprogramm Umweltschonende Land- bewirtschaftung formationen EGFL Europäischen Garantiefonds für die Land- www.agrarumwelt.rlp.de wirtschaft EFRE Europäischer Fonds für regionale Entwick- https://add.rlp.de/de/themen/foerderungen/in- lung der-landwirtschaft-agrarfoerderungen/ ESF Europäischer Sozialfonds www.ipola.de/naturschutzprogramme DLR Dienstleistungszentrum ländlicher Raum NSG Naturschutzgebiet https://www.landwirtschaftskammer.de/foerde- NATURA 2000 Europäisches Netz von Schutzgebieten, rung/direktzahlungen/flaechen.htm bestehend aus Fauna-Flora-Habitat-Gebie- Broschüre: Umsetzung der EU-Agrarreform in ten und Vogelschutzgebieten Deutschland: http://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/Bro- Anhang: siehe nächste Seiten schueren/UmsetzungGAPinD.pdf?__blob=publi- cationFile

GNOR Info 128 43 Naturschutz

Bundesland Ziel und Gegenstand der Förderung

Förderprogramm (genaue Angaben zu den einzelnen Förderhöhen sind dem BfN-Skript 491 (s.o.) zu ent- nehmen

Baden-Württemberg

Arten- und Biotopschutz • Artenschutz, Biotopgestaltung und -neuanlage, Biotop- und Landschaftspflege. • Erwerb eines Grundstücks oder eines grundstücksgleichen Rechts im Rahmen einer (Förderung der Artenvielfalt sowie Biotopentwicklungsmaßnahme durch Dritte. der Anlage, Gestaltung und Pflege • Entschädigung für die Aufgabe einer Anlage oder deren Verlagerung (Ablösung von Biotopen) eines Störfaktors)

Ziel der Maßnahme ist die Erreichung • Investition für Landschaftspflege oder naturschutzfachlicher Ziele bzw. der • Investition des Landes oder einer Einrichtung mit Landesbeteiligung: Bauliche Anla- Pflege und der Erhalt der Kulturland- gen einschließlich technischer Einrichtungen, schaft im öffentlichen Interesse. • Fahrzeuge, Maschinen, Geräte oder technische Hilfsmittel, • Ausstellungen, Lehrpfade, Besucherlenkung, Besucherinformation.

Mecklenburg-Vorpommern

Erhaltung und Entwicklung von na- 1. Die Planung von Projekten zum Schutz, zur Pflege und Entwicklung von Natur und turnahen und historischen Kulturland- Landschaft, schaften, insbesondere deren charak- 2. Projekte zum Schutz, zur Pflege und Entwicklung von Natur und Landschaft, teristischen Landschaftselemente und 3. die Anlage von Lehrpfaden und sonstigen Besuchereinrichtungen, wertvollen Biotope. Dazu gehören 4. die Herstellung von Druckerzeugnissen, Informationstafeln, Internetpräsentationen auch denkmalgeschützte Garten- und und sonstigem Informationsmaterial, Parkanlagen sowie Freiflächen. 5. die Durchführung von Fachveranstaltungen zur Information der Öffentlichkeit sowie die Präsentation auf Messen und Ausstellungen.

Zahlungen im Rahmen von Natura Gegenstand der Zuwendung ist der Ausgleich von Erschwernissen bei der rechtmäßi- 2000 und der Wasserrahmenrichtlinie gen und nach den Grundsätzen der ordnungsgemäßen Forstwirtschaft ausgeübten Die Förderung dient der Erhaltung, Bewirtschaftung von Waldflächen in FFH- oder Europäischen Vogelschutzgebieten. Sicherung und Entwicklung der Auszugleichende Erschwernisse sind erhöhte Bewirtschaftungsaufwendungen und Schutzgebietskulisse Wald und der verminderte Bewirtschaftungserträge: jeweiligen relevanten Schutzgüter in • für Waldflächen in FFH-Gebieten oder bei Wald-Lebensraumtypen mit Beschränkun- Natura 2000-Gebieten in Mecklen- gen durch die Baumartenwahl, die Verlängerung von Umtriebszeiten, die Erhaltung burg-Vorpommern. von Biotopbäumen und Biotopbaumanwärtern • für bestimmte Arten in FFH-Gebieten mit Beschränkungen durch die Erhaltung von Habitatbäumen und Habitatbaumanwärtern, Alt- und Totholz, Altholzinseln

• Laub- und Nadelholzbestände (ab 120 Jahre, in Erlen- und Birkenbeständen ab 60 Jahre): Restvorrat oder -schirm von mindestens sechs lebensraumtypischen Bäu- men des Oberstandes je ha mit Mindestbrusthöhendurchmesser von 40 cm. • Befahren der Bestände mit Holzernte- und Rückemaschinen nur auf Rückegassen, die einen Mindestabstand von 20 m nicht unterschreiten. • Das Einbringen von lebensraumuntypischen Gehölzen ist untersagt. • Abgestorbene Bäume sind im Bestand zu belassen (Fällung aus Gründen der Ver- kehrssicherung zulässig - nach Fällung verbleibt Totholz im Bestand).

Für Eremit-Habitatflächen • Je ha sechs heimische geeignete Laubbäume mit Brusthöhendurchmesser von > 40 cm. • Bei Flächen, auf denen die Anzahl der Bäume mit den geforderten Mindestbrusthö- hendurchmessern nicht vorhanden ist, ist die verbleibende Differenz durch das Belas- sen von bis zu sechs potenziell für die Art geeigneten, heimischen Laubbäumen des Oberstandes je ha auszugleichen.

Für Fledermaus-Habitatflächen • Je ha sechs für die Arten geeignete Laub- oder Nadelbäume mit Brusthöhendurch- messer von > 40 cm.

44 GNOR Info 128 Naturschutz

Bundesland Ziel und Gegenstand der Förderung

Förderprogramm (genaue Angaben zu den einzelnen Förderhöhen sind dem BfN-Skript 491 (s.o.) zu ent- nehmen

(Fortsetzung von vorheriger Seite: • Bei Flächen, auf denen die Anzahl der Bäume mit den geforderten Mindestbrusthö- Mecklenburg-Vorpommern): hendurchmessern nicht vorhanden ist, ist die verbleibende Differenz durch das Belas- sen von bis zu sechs potenziell für die Arten geeigneten Bäumen des Oberstandes je ha, auszugleichen. • Bei Wiederaufforstungsmaßnahmen max. 40 % Nadelholz.

Für Schreiadler-Schutzareale • Ab Bestandesalter von 40 Jahren darf Bestockungsgrad des Oberstandes nicht unter einen Bestockungsgrad von 1,0 abgesenkt werden. • Befahren der Bestände mit Holzernte- und Rückemaschinen nur auf Rückegassen, die einen Mindestabstand von 40 m nicht unterschreiten. • Einzelregelungen zur langfristigen Verjüngung können durch die Bewilligungsbehör- de vereinbart werden.

Bayern

Nicht-produktive Investitionen zur Zum Beispiel: Umsetzung umwelt- und klimarele- • Erneuerung von Hecken und Feldgehölzen vanter Zielsetzungen • Wiederaufbau von beschädigten Steinmauern in Weinbausteillagen

Niedersachsen/Bremen

Investitionen in materielle Vermö- 1. Spezielle Biotopschutzmaßnahmen genswerte Spezieller Arten- und Bio- Gefördert wird die Durchführung spezieller räumlich und zeitlich wechselnder inves- topschutz tiver Biotopschutzprojekte. Ziel ist die Sicherung, Entwicklung und Wiederherstel- Der Schwerpunkt der Förderung liegt lung des charakteristischen Bilds der Agrarlandschaft und der vielfältigen Lebens- auf der Sicherung des „europäischen raumstrukturen mit ihren typischen Lebensgemeinschaften an Tier- und Pflanzenar- ökologischen Netzes Natura 2000“, ten. der Naturschutzgebiete sowie der 2. Spezielle Arten- und Artenhilfsmaßnahmen Großschutzgebiete. Die Förderung Gefördert wird die Durchführung von zielgenauen sowie vielfältigen und/oder hete- unterstützt somit insbesondere den rogenen Artenschutz- und Artenhilfsprojekten für typische Arten der Agrarlandschaft. Erhalt und die Verbesserung der bio- 3. Projektmanagement logischen Vielfalt in Niedersachsen Zur ziel- und handlungsorientierten Durchführung der Vorhaben gemäß den Num- und in der Freien Hansestadt Bremen. mern 1. und 2. sind auch die Ausgaben für ein externes Projektmanagement förder- fähig.

Mehrjährige Schonstreifen für den • Auf Ackerflächen des Betriebes sind mehrjährige Schonstreifen mit einer Breite von Feldhamster mindestens 6 und maximal 30 m anzulegen (andere Flächenzuschnitte sind zulässig, wenn eine Bestätigung der zuständigen UNB über die besondere naturschutzfachli- che Bedeutung vorliegt). • Bestellung mit Wintergetreide (außer Mais) oder einem Wintergetreide-Legumino- sen-Gemenge als Hauptfrucht (Im 1. Anbaujahr ist auch die Bestellung mit Sommer- getreide (ohne Mais) oder einem Sommergetreide (ohne Mais)-Leguminosen-Ge- menge zulässig). • Aussaat bis 15. März (Im 1. Anbaujahr bis 15. April möglich). • Keine Nutzung des Aufwuchses. • Abhäckseln des Aufwuchses ab dem 16. August möglich (Stoppelhöhe mind. 20 cm). • Umbruch und Neueinsaat erst ab dem 1. Oktober. • Untersaat mit Klee möglich.

Mehrjährige Schonstreifen für den Variante 1: Ortolan • Keine mineralischen oder organischen Düngemittel, mechanische Bodenbearbei- Mehrjährige Schonstreifen für den tung, Pflegemaßnahmen, Mähen oder Nachsäen zwischen dem 16. März und 20. Juni. Rotmilan

GNOR Info 128 45 Naturschutz

Bundesland Ziel und Gegenstand der Förderung

Förderprogramm (genaue Angaben zu den einzelnen Förderhöhen sind dem BfN-Skript 491 (s.o.) zu ent- nehmen

(Fortsetzung von vorheriger Seite: • Beweidung mit: 1, 2 oder 3 Tieren Niedersachsen/Bremen): • max. 3 Tieren, ab dem 2. Juni Einhalt einer Frühjahrsruhe: Zusatz- förderung 'Naturschutzgerechte Be- Variante 2: wirtschaftung in bestimmten Schwer- • Keine mineralischen oder organischen Düngemittel, mechanische Bodenbearbei- punkträumen des Wiesenvogelschut- tung, Pflegemaßnahmen, Mähen oder Nachsäen zwischen dem 16. März und 15. Juni. zes • Beweidung mit: 2 Tieren oder mit Pferden ab 16.06.

Zusatzoptionen: a) Anstauprotokoll und Zuwässerung • vom 1. Januar bis 31. Mai sind auf Grundlage eines Anstauprotokolls, dem die zu- ständige UNB zugestimmt hat, Maßnahmen zur erhöhten Wasserstandshaltung durchzuführen; • vom 1. März bis 31. Mai sind auf der Grundlage eines Einstauprotokolls, dem die zuständige UNB zugestimmt hat, Maßnahmen zur aktiven Zuwässerung durchzufüh- ren. b) Vom 1. Oktober bis 15. November ist ein zusätzlicher Pflegeschnitt mit Abräumen des Mähgutes durchzuführen; c) Die Beteiligung der UNB muss mit einer vorgegebenen Anlage zum Förderantrag nachgewiesen werden.

Weidenutzung in Hanglagen – Grund- förderung

Nordische Gastvögel – naturschutzgerechte Bewirtschaftung auf Ackerland

Nordische Gastvögel – Anbau winter- harter Zwischenfrüchte

Nordische Gastvögel – naturschutzge- rechte Bewirtschaftung auf Dauer- grünland außerhalb von Schwer- punkträumen des Wiesenvogelschut- zes

Nordische Gastvögel – naturschutzge- rechte Bewirtschaftung auf Dauer- grünland innerhalb von Schwerpunkt- räumen des Wiesenvogelschutzes

Landschaftspflege und Gebietsma- Zweck der Förderung ist es, durch eine kooperative Zusammenarbeit verschiedener nagement Akteure im ländlichen Raum zum Erhalt und zur Förderung der biologischen Vielfalt in der Kulturlandschaft beizutragen, einschließlich der Flächen der Agrarlandschaft mit hoher Bedeutung für den Naturschutz sowie für die Ziele von Natura 2000. 1. Schaffung von neuen Netzwerken zur gemeinsamen Durchführung von Projekten und Ausweitung des Tätigkeitsfeldes bestehender Netzwerke. 2. Management der Zusammenarbeit zur Umsetzung von naturschutzbezogenen Pro- jekten und Konzepten für Naturschutz- und Agrarumweltmaßnahmen 3. Erarbeitung von regionalen Konzepten und Praxisleitfäden zur Verbesserung der Wirkung von Naturschutz- und Agrarumweltmaßnahmen auf Natur und Landschaft.

46 GNOR Info 128 Naturschutz

Bundesland Ziel und Gegenstand der Förderung

Förderprogramm (genaue Angaben zu den einzelnen Förderhöhen sind dem BfN-Skript 491 (s.o.) zu ent- nehmen

(Fortsetzung von vorheriger Seite: 4. Projektentwicklung, Erstellung und Fortschreibung von Studien und Entwicklungs- Niedersachsen/Bremen): konzepten insbesondere in Natura 2000-Gebieten und in sonstigen Gebieten mit besonderer Bedeutung für die Biodiversität einschließlich der dafür erforderlichen Bestandsaufnahmen und Effizienzkontrollen. 5. Kommunikations-, Kooperations- und Interaktionsprozesse zur Akzeptanzförderung und verbesserten Umsetzung von Naturschutz- und Agrarumweltmaßnahmen. 6. Öffentlichkeitswirksame Darstellung der geförderten kooperativen Projekte bzw. Konzepte zur Förderung der Biodiversität in der Kulturlandschaft und zur Erhaltung des ländlichen Naturerbes.

Nordrhein-Westfalen

Schutz- und Bewirtschaftungskonzep- Ziel der Förderung ist die Erhaltung, Verbesserung beziehungsweise Wiederherstellung te Naturschutz der Lebensgrundlagen von gefährdeten oder bedrohten Tier- und Pflanzenarten und Kulturelles Erbe Naturschutz die Verhinderung einer für den Naturhaushalt schädlichen Entwicklung durch • 1a: Maßnahmen des Biotop- und Artenschutzes im Offenland • 1b: Maßnahmen zur Förderung des Umweltbewusstseins in den Natura 2000-Gebie- ten und Gebieten mit hohem Naturwert • 2: den Grunderwerb von Offenlandflächen, Wald- und sonstigen Flächen zur Heraus- nahme aus der Nutzung bzw. zur naturschutzfachlich bedingten Nutzung

Vertragsnaturschutz auf Ackerflächen Extensive Nutzung von Äckern zum Schutz des Kiebitz u. a. • Paket 5023 • Paket 5042 Kiebitz-gerechte Einsaat von Ackerflächen

Extensive Nutzung von Äckern zum Schutz des Feldhamsters

Verzicht auf Rodentizide • Paket 5042 Feldhamster-gerechte Einsaat von Ackerflächen mit Klee/Kleegras oder Luzerne

Saarland

Zahlungen im Rahmen von Natura 2000 und der Wasserrahmenrichtlinie

Sachsen

Qualifizierung Naturschutz für Land- Angebot einer konkreten Vor-Ort-Information und Begleitung von Landnutzern mit dem nutzer Ziel der Qualifizierung für die naturschutzgerechte Nutzung ihrer Flächen und weiterer Betriebsressourcen. • Qualifikation und Information von Landnutzern im Hinblick auf spezifischeSchutzziele und Anforderungen des Naturschutzes zum Schutz von Biotopen,Lebensraumtypen, Arten und Lebensstätten sowie deren Kohärenz(Biotopverbund); • Schutzgutbezogene Information und Empfehlung spezieller, auf die Erreichungkon- kreter Fachziele ausgerichteter Bewirtschaftungs- oder Pflegemaßnahmensowie sons- tiger Naturschutzprojekte für und mit Landnutzern; • Fachliche Qualifizierung und Information von Landnutzern hinsichtlich der erfolgrei- chen Beantragung von Finanzierungsmitteln zum Schutz der natürlichenbiologischen Vielfalt beziehungsweise zur Erreichung der Schutzziele; • Fachliche Begleitung von Landnutzern zur Gewähr einer fachgerechten Umsetzung naturschutzgerechter Bewirtschaftungs- oder Pflegemaßnahmen.

GNOR Info 128 47 Naturschutz

Bundesland Ziel und Gegenstand der Förderung

Förderprogramm (genaue Angaben zu den einzelnen Förderhöhen sind dem BfN-Skript 491 (s.o.) zu ent- nehmen

(Fortsetzung von vorheriger Seite: Sachsen): Im Rahmen der Maßnahmen werden gefördert: Biotopgestaltungs- und Artenschutz- • A.1: Biotopgestaltungsvorhaben vorhaben sowie Anschaffung von naturschutzfachliche Aufwertung von Flächen, Managementeingriffe zum Erhalt von Technik und Ausstattung Biotopen, • A.2: Artenschutzvorhaben: Projekte zur Sicherung, Wiederherstellung und Entwicklung von Lebensstätten ge- schützter oder gefährdeter Arten sowie bestandsunterstützende Vorhaben. • A.3: Technik und Ausstattung zur Sicherung der biologischen Vielfalt: Anschaffung von Technik und Ausstattung zur Vorbereitung, Durchführung oder Nach- bereitung naturschutzgerechter Bewirtschaftungs- oder Pflegemaßnahmen sowie zur Prävention vor Schäden durch geschützte Arten (z. B. Wolf).

Biotopgestaltungs- und Artenschutz- Im Rahmen der Maßnahmen werden gefördert: vorhaben im Wald ELER-Artikel • A.4: Biotopgestaltungsvorhaben im Wald (i. d. R. max. zweimal durchgeführt): Nachpflanzung, Neuanlage und Sanierung von Streuobstwiesen, naturschutzfachliche Aufwertung von Flächen, Managementeingriffe zum Erhalt von Biotopen,

Naturschutzgerechte Ackerbewirt- • Mindestschlaggröße 0,3 ha. schaftung • Auf mind. 5 ha der betrieblichen Ackerfläche sind Feldlerchenstreifen oder Feldler- chenfenster anzulegen (digitale Vorankündigung bis zum 14. Oktober des Jahres vor der Antragstellung bei der Bewilligungsbehörde). • Führung schlagbezogener Aufzeichnungen.

Naturschutzgerechte Hütehaltung oder Beweidung

Sachsen-Anhalt

Richtlinien zur Förderung von Natur- Ziele dieser Naturschutzförderung sind insbesondere der Schutz der Biodiversität, die schutz- und Landschaftspflegeprojek- Umsetzung des Netzwerks Natura 2000, der Aufbau des Biotopverbundsystems, die ten Erhaltung und Entwicklung der Kulturlandschaft, die Sensibilisierung für den Umwelt- schutz sowie die Erhaltung und Entwicklung des natürlichen Erbes.

Natura 2000-Gebiete oder Gebiete mit hohem Naturschutzwert ohne die Gemeindege- biete Magdeburg und Halle (Saale)

Maßnahmen zur Verbesserung der Gefördert werden praktische Vorhaben für den Artenschutz und das Artenmanagement Biodiversität und für das Schutzge- in Natura 2000-Gebieten und sonstigen Gebieten mit hohem Naturschutzwert. bietssystem Natura 2000 Dazu zählen: • Alle im Sinne des Artenmanagements erforderlichen oder damit in engem Zusam- menhang stehenden Ausarbeitungen und Handlungen • Vorhaben der in diesem Sinne praktischen Umsetzung des Überwachungssystems zur Sicherung der Reproduktion und Populationsstabilisierung und -vergrößerung. Dabei sind vornehmlich die Arten zu berücksichtigen, für die das Land Sachsen-Anhalt eine besondere Verantwortung zum Erhalt und Schutz trägt. • Gebietsbetreuung in Natura 2000-Gebieten und Gebieten mit hohem Naturschutz- wert zur Erhaltung und Verbesserung des ländlichen Erbes. • Vorhaben zur Förderung des Umweltbewusstseins, die im Zusammenhang mit der biologischen Vielfalt, Gebieten mit hohem Naturschutzwert oder dem Schutzgebiets- system Natura 2000 stehen. • Studien und Investitionen im Zusammenhang mit der Erhaltung, Wiederherstellung und Verbesserung des natürlichen Erbes von Natura 2000-Gebieten und Gebieten mit hohem Naturschutzwert, wie: Pflege und Wiederherstellung von

48 GNOR Info 128 Naturschutz

Bundesland Ziel und Gegenstand der Förderung

Förderprogramm (genaue Angaben zu den einzelnen Förderhöhen sind dem BfN-Skript 491 (s.o.) zu ent- nehmen

(Fortsetzung von vorheriger Seite: natürlichen Lebensräumen, Stabilisierung und Entwicklung von Populationen gefähr- Sachsen-Anhalt): deter Arten, Wiederherstellung, Entwicklung und Schaffung von Lebensräumen hei- mischer wildlebender Tier- und Pflanzenarten und von Lebensraumtypen, Bewahrung und Entwicklung von Schutzgebieten und Schutzobjekten, Wiederherstellung von Lebensräumen und Habitaten durch Integration gezielter Flächennutzungsvarianten und Pflegemaßnahmen in die Schutzbemühungen, Erwerb von Grundstücken, Um- setzung und Entwicklung eines funktionsfähigen Biotopverbundes.

Freiwillige Naturschutzleistungen - Hamster fördernde Bewirtschaftung von Ackerland Freiwillige Naturschutzleistungen - Beweidung mit Schafen und/oder Ziegen Freiwillige Naturschutzleistungen - Beweidung mit Rindern

Waldumwelt- und Klimadienstleis- tungen und Erhaltung der Wälder

Weitere Maßnahmen, die eine poten- ziell positive Wirkung auf die biologi- sche Vielfalt entfalten können

Schleswig-Holstein

Naturschutz und Landschaftspflege Umsetzung der von der Kommission festgelegten Anforderungen an das europaweite Netz Natura 2000 einschließlich der Umsetzung der FFH- und Vogelschutzrichtlinie mit den artenschutzrechtlichen Verpflichtungen. Einen besonderen Schwerpunkt bildet der Moorschutz. 1. Naturschutzinvestitionen für a. Flächensicherung durch Erwerb von Grundstücken oder Rechten anGrundstücken b. biotopgestaltende Maßnahmen, Restaurationsmaßnahmen, Schutz- undEntwick- lungsmaßnahmen in Natura 2000-Gebieten. 2. Monitoring zur Erfüllung der Berichtspflichten zur FFH- undVogelschutzrichtlinie

Thüringen

Rotmilanschutz • Anbau von Luzerne, Klee oder Kleegras, Einsaat bis zum 30. April. • Verzicht auf Umbruch der Verpflichtungsfläche und den Einsatz von Rodentiziden. • Durchführung der ersten Mahd im Zeitraum vom 15. Mai bis zum 15. Juli. Auf mind. 30 % der Verpflichtungsfläche zeitversetzte Mahd im Abstand von mind. 14 Tagen • Abstimmung und Bestätigung der Maßnahme durch die UNB. • Führung der Thüringer Ackerschlagkarte für die Verpflichtungsflächen.

GNOR Info 128 49 Naturschutz

Abb. 1: Mit Drohnen erkannte Rehkitze (im Bild links: farbig gekennzeichneter Kreis) können rechtzeitig vor der Mahd aus dem Feld getragen werden / Quelle: wildretter.de

Kann mit Landtechnik das Leben der lich, sehr hohe Ertragserwartung und schön dicht Wildtiere in der Agrarlandschaft geför- damit kein „Unkraut“ mehr Licht bekommt. Aber dert werden? welcher Vogel kann in einem derartigen Feld lan- den, Nahrung suchen und vielleicht sogar brüten? Wir Menschen verändern laufend unsere Umwelt. Große, ausgeräumte landwirtschaftliche Strukturen Wir bauen Häuser, Straßen, erschließen neue In- sind leichter zu bewirtschaften. Aber die ausge- dustriegebiete. Und in der Landwirtschaft werden räumte Landschaft bietet Tieren immer weniger meistens jährlich andere Früchte auf den Flächen Deckung und Nahrung und somit weniger Le- angebaut, die Flächen umgestaltet und zusam- bensräume. mengelegt, Wegraine und Gehölze entfernt, Neben der Intensitätszunahme in der Form ist das manchmal aber auch angelegt. Größer und Schneller der eingesetzten Maschinen Mit unseren Kulturlandschaften haben wir auch und Geräte auf Wiesen und Feldern eine deutliche neue Lebensräume, neue Biotope, geschaffen. Bedrohung für unsere Wildtiere. Große und Daran angepasste Flora und Fauna besiedelt diese schnelle Arbeitsmaschinen erschweren die recht- Lebensräume, hat sie in Besitz genommen. Und für manche dieser Kulturlandschaften, wie z. B. die Wacholderheiden auf der Schwäbischen Alb, müs- sen wir heute einen besonderen Aufwand betrei- ben, um diese mit ihren Pflanzen und Tieren zu erhalten.

Nun hat aber die Geschwindigkeit, mit der wir Än- derungen in der Natur vornehmen, in den letzten Jahrzenten immer mehr zugenommen. Viel gravie- render für die Tiere in der Agrarlandschaft ist ne- ben dem Wandel die Zunahme der Intensität der Bewirtschaftung. Sie nimmt zu in der Form: die Felder werden immer größer und immer einheitli- Abb. 2: Individuell ansteuerbare Einzelreihenabschaltung cher. Ein großer, gleichmäßig gewachsener Be- an pneumatischen Sämaschinen, zum Anlegen von Fahr- gassen und auch von Inhomogenitäten in Beständen / stand kann dem Landwirt gefallen: sehr einheit- Quelle: poettinger.at

50 GNOR Info 128 Naturschutz

Abb. 3: Ideen für das Vertreiben von Insekten vor Mähwerken / Abb.: Stefan BÖTTINGER zeitige Flucht der Tiere. Aber neben diesen Be- Landwirte können durch entsprechende Bearbei- drohungen durch die Landtechnik sind auch Lö- tungsstrategien ihrer Felder Fluchtmöglichkeiten sungen mit Hilfe der Technik machbar. Vieles ist für Wildtiere bieten. Das Mähen von innen nach möglich, manches schon realisiert, aber es bleibt außen, wie es durch entsprechende Aufkleber auf noch einiges zu tun. Zu tun für die Landwirte und manchen Mähwerken unterstützt wird, ermöglicht die Landtechnikhersteller. Und natürlich auch für vielen Tieren die Flucht. Noch günstiger ist die die Politik und für uns als Konsumenten. Denn vie- Kombination mit einer Staffel- oder Mosaikmahd. le der Maßnahmen kosten mehr Zeit und Geld - Durch sie werden Rückzugsräume auf den Wiesen und irgendjemand muss es auch bezahlen. belassen. Der Mehraufwand für den Landwirt kann sehr gut mit modernen GPS-gestützten Verfahren Viele Landwirte, Jäger und Naturschützer wollen dokumentiert werden. Diese Aufzeichnungen sich mit der Bedrohung der Wildtiere durch die können zum Nachweis einer durchgeführten Na- moderne Landwirtschaft und Landtechnik nicht turschutzmaßnahme und zur Kalkulation des mo- abfinden und engagieren sich für Lösungen, um netären Aufwandes genutzt werden. Lebensräume für die Tiere in der Agrarlandschaft zu erhalten bzw. zu verbessern. Moderne Agrar- Die Dokumentation von freiwilligen Maßnahmen technik kann bei diesen Bemühungen helfen. und von gesetzlichen Auflagen lässt sich mit der GPS-Technik durchführen. Hier besteht aber weite- Das Verscheuchen von Tieren durch optische und rer Entwicklungsbedarf, damit diese Technik pro- akustische Reize aus zu bearbeitenden Wiesen blemlos durch jeden Landwirt eingesetzt werden und Feldern ist möglich. Entsprechende Scheu- kann. Mit ihr kann das Anlegen von Vorrangflä- chen werden teilweise für die Vergrämung von chen wie Blühstreifen oder die Einhaltung Stillle- Rehen mit ihren Kitzen vor der Wiesenmahd ein- gungsmaßnahmen exakt dokumentiert werden. gesetzt. Dieses Verfahren ist sehr aufwändig in der Lästiges Nachmessen durch Kontrolleure kann ent- Arbeit und in der Absprache mit dem Landwirt, da fallen, wenn diese Technik konsequent und durch- die Scheuchen am besten einen Tag vor dem Ar- gängig angewendet wird. beitseinsatz aufgestellt und danach wieder einge- sammelt werden müssen. Ein großes, noch viel zu wenig genutztes Potenzial bietet das Anlegen von Inhomogenitäten in den Das Finden und Bergen von Rehkitzen am Morgen Beständen der Landwirte. Bekannt sind die Feld- vor der Wiesenmahd mit hand- oder drohenge- lerchenfenster, die durch das Nicht-Bearbeiten von führten Sensoren ist technisch möglich (s. Abb. 1). mindestens 10 x 10 m großen Flächen z. B. im Ge- Aber auch dieses Verfahren erfordert eine gute treide angelegt werden. Diese Fenster werden Absprache mit dem Landwirt. Zudem müssen die gerne von Bodenbrütern angenommen und bie- Menschen, die diese Methode einsetzen, sehr fle- ten Wildtieren auch gute Möglichkeiten für die xibel hinsichtlich der Arbeitszeit bei ihrer Erwerbs- Nahrungssuche in den sonst sehr dicht stehenden arbeit sein. Beständen. Ein noch größeres Potenzial bietet die Anlage von sogenannten „Weiten Reihen“. Denn in

GNOR Info 128 51 Naturschutz manchen Beständen steht das Getreide so dicht, oder ansaugt und tötet. Hier sind verschiedene dass Wildtiere sich fast nur in den Fahrgassen auf- Weiterentwicklungen möglich zum Vertreiben der halten und bewegen können. Durch das Auslassen Insekten vor dem Mähwerk (s. Abb. 3). oder der jeder zweiten Drillspur im Getreide werden lichte- Reduktion der Saugwirkung dieser Mähwerke, re Bestände angelegt. Darin können sich Wildtiere damit Amphibien und Insekten unterhalb der besser aufhalten und finden immer noch genug Schnittebene nicht angesaugt und von den Mes- Deckung. Licht, Wasser und Nährstoffe im Boden sern erfasst werden. Die dem Mähwerk nachge- werden durch die geringere Anzahl an Pflanzen schalteten Aufbereiter knicken und quetschen die besser genutzt, so dass nur eine Ertragsdepression Halme und Blätter und ermöglichen ein deutlich von ca. 20 bis 25 % auftritt. Dieser Verlust durch schnelleres Abtrocknen für die nachfolgende Sila- die Naturschutzmaßnahme könnte, bei Nachweis ge- oder Heugewinnung. Inwieweit die schädi- der durchgeführten Arbeiten, durch noch zu ent- gende Wirkung dieser Aufbereiter auf die Fauna wickelnde Zahlungen ausgeglichen werden. Neu- durch Anpassung von Drehzahlen und Abständen este Entwicklungen bei Sägeräten ermöglichen reduziert werden kann, bedarf ebenfalls weiterer das Abschalten von Drillspuren an beliebiger Stel- Untersuchungen. le im Bestand (s. Abb. 2). Somit können individuell geplante Unregelmäßigkeiten auf Teilflächen der Fazit: Heute kann und wird schon viel für die Wild- Felder angelegt und automatisch dokumentiert tiere in der Agrarlandschaft gemacht. Meistens werden. geht dies nur durch das Engagement einzelner Personen. Technische Lösungen unterstützen diese Natürlich besteht in einigen Bereichen Weiterent- Engagements. Es bedarf aber noch weiteren Ent- wicklungsbedarf seitens der Landtechnik-Industrie wicklungen durch die Landtechnik-Industrie, um für deren Maschinen und Geräte, um faunascho- noch einfacher Naturschutzmaßnahmen mit den nendere Bewirtschaftung von Wiesen und Äckern Geräten und Maschinen durchzuführen und zu zu ermöglichen. Beispiele hierfür ergeben sich aus dokumentieren. der gesetzlichen Anforderung an eine Gülleaus- Prof. Dr.-Ing. Stefan BÖTTINGER bringung mit Schleppschlauch, Schleppschuh Institut für Agrartechnik, Universität Hohenheim oder Grubber. Diese zusätzliche ganzflächige Be- arbeitung ist eine weitere Gefährdung von Wie- senbrütern. Oder die Mahd mit Rotationsmähwer- ken mit Aufbereitern, die in der heutigen Form den Großteil der Insekten auf den Halmen erfasst

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52 GNOR Info 128 Naturschutz

Agrarreform – Wohin geht der Weg?

Eine politische Bewertung von Heinz He- sping, Vorsitzender der GNOR Eine große Mehrheit der Menschen in Deutsch- land will grundsätzliche Veränderungen in der Landwirtschaft und der Nahrungsmittelproduktion. Umfragen, aber auch Demonstrationen („Wir ha- ben es satt“) zeichnen ein eindeutiges Meinungs- bild. Verständlich, denn die Probleme sind einfach zu groß: Massentierhaltung, Artensterben, Verseu- chung von Boden, Grundwasser, Bächen und Flüs- triebe und nicht selten gebiets- und landwirt- sen erzeugen einen hohen politischen Hand- schaftsfremde Investoren. Benachteiligt sind klei- lungsdruck. Die Politik aber erscheint gelähmt, nere Bauern und die Artenvielfalt. Somit ist klar, wo gefangen zwischen Beschwichtigung, gegensätzli- die Reise hingehen muss: Fördermittel als pau- cher Interessenlage, Rücksichtnahme auf Lobby- schale Zuwendung sind nicht mehr zeitgemäß. Sie verbände, Komplexität der Lösungsvorschläge. sind an eine gesellschaftliche Leistung zu binden. Aber sie wird sich zu nachhaltigen und akzeptier- Nur die Tatsache, dass der Boden landwirtschaft- ten Lösungen durchringen müssen. Die Reform lich bearbeitet wird, mag früher bei Lebensmittel- der europäischen GAP (Gemeinsame Agrarpolitik) knappheit ein ausreichender Fördertatbestand ist nicht verschiebbar, da die Agrarförderung aus- gewesen sein. Heute reicht das nicht mehr. läuft, und die Menschen werden auch keine Ruhe mehr geben. Preisdiktat des Handels als Erzeugerpreis-Dum- ping Und die Bauern? Viele sehen die Probleme ähn- lich, wissen und wollen, dass es so nicht weiterge- Aus Steuergeldern finanzierte staatliche Förde- hen kann. Jedenfalls diejenigen, die dem Leitbild rungen müssen immer wieder grundsätzlich hin- einer bäuerlichen Landwirtschaft im Einklang mit terfragt werden. Der Landwirt ist zunächst ein Un- der Natur anhängen – unter Einbezug aller techni- ternehmer, der eine Ware unter Beachtung der schen und digitalen Möglichkeiten. Natürlich gibt geltenden Gesetze herstellt, sie verkauft und vom es auch eine lautstarke Minderheit, nämlich Vertre- Erlös lebt. Im Bereich Landwirtschaft wird das aus ter einer industrialisierten Nahrungsmittelproduk- meiner Sicht allzu oft „vergessen“. Rund 40 % be- tion mit dem alleinigen Fokus auf Rentabilität. Die trägt der durchschnittliche „Staatsanteil“, man kann möchte ich in diesem Beitrag außeracht lassen, auch sagen Steuerzahleranteil, am Einkommen der denn auf Dauer würde eine naturfremde Landwirt- Landwirte. Die dauernde Gewöhnung führt zu ei- schaft von der Bevölkerung nicht akzeptiert. ner Art Anspruchshaltung, die nicht gerechtfertigt ist. Die Bauernverbände als die Gewerkschaften Umwelt-Dumping der Landwirte kämpfen mehr an der Front staatli- cher Zuschüsse als gegen den Handel, der den Da ist schon mal beruhigend, dass Landwirt- Bauern die Vergütung ihrer Arbeit aufdiktiert. Zu schaftsministerin Julia Klöckner kein „Umwelt- besichtigen alljährlich, wenn mal wieder eine Dür- Dumping“ will (Allgemeine Zeitung Mainz v. re oder Nachtfröste oder zu viel Regen oder zu 29.1.19). Aber die ministerielle Warnung davor ist wenig Sonne oder umgekehrt oder auch zu viele schon Alarm genug. Dass die 58 Milliarden EURO Gänse, Kormorane, Feldhamster und sonstige an Steuermitteln, mit denen alljährlich die Landwir- produktionseinschränkende Naturereignisse den te unterstützt werden, anders als bisher verteilt Bauern das Leben schwer und den Verbänden die werden müssen, ist eigentlich schon allgemeiner Arbeit leicht machen. Die Forderung nach steuer- Konsens. Zumindest den „Gutwilligen“, so möchte zahliger Hilfe ist schnell wohlfeil; von einem Auf- ich sie bezeichnen, ist klar, dass die pauschalen stand gegen das Preisdiktat des Handels hört man Zuwendungen je nach Größe der bearbeiteten vergleichsweise wenig. Die ökologische Verant- Fläche aufhören müssen. Denn sie bevorzugen wortung der Landwirtschaft wird ständig bemüht, industriell aufgestellte Landwirtschafts-Großbe- zu Recht, von der ökologischen Verantwortung des

GNOR Info 128 53 Naturschutz

Handels hört man hingegen wenig. Politik und streifen, jede kleinteiligere Fruchtfolge ein poten- Medien sollten diese Verwerfung beenden. zielles Produktionshindernis. Folglich nehmen die Monokulturen zu, die Landschaft wird strukturär- Spätestens an dieser Stelle gilt es einem Missver- mer und verödet. ständnis vorzubeugen. Die Ausgestaltung der poli- tischen Agrar-Rahmenbedingungen muss zwar in Der Handel rechtfertigt das Preisdumping mit dem Richtung „höhere Erzeugerpreise – weniger Staats- Wunsch der Verbraucher nach immer preiswerte- leistungen“ gehen. Die äußerst komplexe Gemen- ren Lebensmitteln. Das ist nur bedingt richtig. Vie- gelage zwischen internationalen und globalen le Verbraucher würden gern den kleineren Apfel Handelsbeziehungen und Abhängigkeiten sowie und die krumme Möhre kaufen, aber die gibt es in der Unzulänglichkeit einzelstaatlicher Insellösun- den Supermärkten nicht. Ein Hinweis, dass sich gen macht aber weitere Hilfen erforderlich, sonst auch am Kaufverhalten etwas ändert, ist der wach- zieht der einzelne Bauer den Kürzeren. Das ist sende Anteil von Ökoprodukten im Laden. Und aber nicht gewollt, denn dann leiden auch die Na- vernünftige Kennzeichnungen würden diese für tur und die Arten. Vielmehr kommt es auf eine Bauern und Natur positive Entwicklung beschleu- neue Legitimation staatlicher Förderung an. nigen. Die Politik kündigt solche einfachen Kenn- zeichen (Labels) seit Jahren an, handelt aber nicht, Neue Legitimation staatlicher Förderung sodass die Lebensmittelketten bereits eigene La- bels entwickelt haben. Eigentlich eine politische Es ist einsichtig, dass Leistungen für die Allge- Blamage! meinheit, in diesem Fall für die Umwelt, von eben dieser Allgemeinheit vergütet werden sollten. In- Übertriebene Qualitätsstandards sofern ist gerechtfertigt, Steuergelder für genauer definierte Umweltleistungen an Landwirte zu zah- Ein weiteres Hindernis auf dem Weg zu einer na- len – beispielsweise für Grünstreifen, Verzicht auf turverträglichen und gleichzeitig auskömmlichen Kulturpflanzen zugunsten von Blühwiesen, oder Landwirtschaft sind die so genannten „Qualitäts- auch für ökologisch vorteilhafte Bewirtschaf- standards“, die die europäische Landwirtschafts- tungsmethoden. Nicht dagegen für „Leistungen“, politik den Bauern verordnet hat – meist unter ak- die mit „normaler“ Landwirtschaftstätigkeit im Sin- tivem Mitwirken der eigenen Verbände. Hatte die ne „guter fachlicher Praxis“ zu tun haben oder ein- normale Pflaume früher ein Mindestmaß von fach nur gesetzeskonform sind. Diese Unterschei- 22 mm, muss sie jetzt mindestens 28 mm dick sein. dung ist notwendig, weil sonst jeder, der eine Warum eigentlich? Ähnliches gilt für alle Obstsor- Ware produziert, Anspruch auf Förderung anmel- ten, für viele Feld- und Strauchfrüchte. Bei Äpfeln den könnte. Es geht also um (ökologische) Zusatz- zählt nicht nur die Größe, sondern sogar der Pro- leistungen, die sonst nicht erbracht würden. Dass zentanteil der Rot- und Gelbfärbung(!). Es wurden dies ebenfalls komplex und schwierig zu händeln Güteklassen eingeführt, erst eine, dann zwei, dann ist, ist klar. Gleichwohl ist die Unterscheidung Sonder- und Extraklassen. Am Ende war nur noch wichtig, auch um deutlich zu machen, wie proble- die Extraklasse verkäuflich. So schaufelt man sich matisch die bisherige Pauschalförderung ist. sein eigenes Grab. Zur Erntezeit sieht man reihen-

Ich möchte behaupten, dass das eigentliche Pro- blem der Landwirtschaft die zu niedrigen Erzeu- gerpreise sind. In den 1950er/60er Jahren lag der Anteil des Erzeugerpreises am Ladenpreis noch bei etwa 63 %. Er ist heute auf weniger als ein Drit- tel gesunken. Viele kleine Betriebe halten das Preisdumping nicht aus und geben auf. Die Flä- chen übernehmen größere Betriebe, und die nied- rigen Erzeugerpreise müssen durch mehr Umsatz, also Masse, kompensiert werden. Das geht nur mit mehr und größerem Maschineneinsatz und vor allem größeren „Schlägen“ (Fläche für die einzelne Feldfrucht). Da ist dann jede Hecke, jeder Grün- Kleine Äpfel schmecken meist genauso gut. Hat er wohl die richtige Farbe? Stuttgart, 13.9.2006 / Foto: Michael SCHMOLZ

54 GNOR Info 128 Naturschutz weise Bäume, unter denen gute Kirschen, Pflau- • Um bei den Äpfeln zu bleiben: Die CO2-Bilanz men, Äpfel dicht an dicht liegen und verfaulen, nur bei Produktion von Äpfeln aus Neuseeland im weil sie die verordneten Maße nicht einhalten. Vergleich zu hier produzierten Äpfeln ist zwar in Vernichtung von Nahrungsmittel bereits auf dem etwa gleich. Aber sie kosten im Supermarkt ge- Acker. Aufsammeln verboten, immer mehr Dün- nauso viel (bzw. wenig) als solche aus der Regi- gung und Einsatz von Pestiziden erlaubt – oder on, trotz weitem Transport. Marktwirtschaft? sogar erwünscht? Neuseeland ist kein Niedriglohnland, somit ist der Transport offensichtlich zu billig. Beispiele für Fehlentwicklungen • Stichwort Transport: Wer in Schleswig-Holstein Es bedarf drastischer Beispiele, um Fehlentwick- urlaubsmäßig unterwegs ist, entdeckt im Regal lungen deutlich zu machen. des Supermarktes Milch aus dem Allgäu. Im All- gäu ist Milch aus Schleswig-Holstein zu finden. • Die Ergebnisse falscher Prioritätensetzung in der Dazwischen liegen rund tausend LKW-Kilometer. Agrarförderung sind in Rheinland-Pfalz (und an- Regionalisierung? Vermutlich hat wieder irgend- derswo) wie folgt zu besichtigen: Die Zahl der eine der Großmolkereien die Landwirte um ein landwirtschaftlichen Betriebe wurde halbiert paar Cent gedrückt, und schon wird die Milch (1999 rund 34.000, 2016 noch 17.600). Den über weite Strecken hin und her transportiert. stärksten Rückgang mussten die Kleinbetriebe Die Autobahnen sind auch deshalb so voll, weil bis 5 ha hinnehmen. Die durchschnittliche Be- es zu viel unnötigen Verkehr gibt (gilt natürlich triebsgröße verdoppelte sich von 20 auf 40 ha nicht nur für den Landwirtschaftsbereich). (Bundesdurchschnitt 60 ha), weil die aufgege- • Ein Fernsehbeitrag berichtete über den Event benen Flächen in der Regel von den größeren einer rheinland-pfälzischen Großmolkerei mit Betrieben übernommen wurden. Die Großen Politikern. Der Geschäftsführer stellte die Erfolge schlucken die Kleinen. Naturschutzfachlich über- der Großmolkerei dar und berichtete stolz, dass setzt: Strukturreicher Anbau wird ersetzt durch 80 % ihrer Erzeugnisse weltweit exportiert wür- monotone Einheitskultur. den und man global wettbewerbsfähig sei. Wie • Ich kaufte Mostäpfel bei einer landwirtschaftli- viele Kleinbauern in Afrika werden durch billiges chen Vertriebsgenossenschaft, das Kilo für Milchpulver kaputt gemacht? Wie viele Milch- 30 Cent. Wenig später sprach ich mit einem bauern in Deutschland werden durch Preisdruck Bauern, der seine Äpfel aus oben genannten zum Aufgeben gezwungen? Aber die Politiker Gründen als Mostäpfel an ebendiese Genossen- geben sich bei der Großmolkerei die Klinke in schaft verkaufen musste. Er bekam 8 Cent das die Hand, kriegen sich vor lauter Lob nicht mehr Kilo (Nachweis liegt vor!). Für die Erzeugung des ein und schwafeln von einer Großtat für die Re- Obstes gab es 8 Cent, für Lagerung und Vertrieb gion. Ist immer mehr, immer größer, Wachstum 22 Cent. Verhältnis also 27 % Herstellung, 73 % über alles wirklich der richtige Weg? Handel. Das ist fast schon moralisch verwerflich, • Unnötig, ja hanebüchen ist auch der „Rosen- auch weil es sich nicht um irgendeine Ware, Markt“. Mehr als 60 % der Rosen, die in Deutsch- sondern um Lebensmittel handelt. land verkauft werden, werden in Kenia produ- ziert – unter teils schlimmen Bedingungen für Mensch und Umwelt. Abgesehen davon, dass dort, wo Rosen wachsen, auch Kartoffeln oder andere Nahrungsmittel angebaut werden könn- ten, läuft das so: Flugzeuge bringen Tag für Tag Millionen Rosen von Nairobi nach oder Den Haag. Von dort werden sie per LKW, eben- falls Tag für Tag, in Deutschland und Europa ver- teilt. Welch ein Wahnsinn! • Eine ähnliche Bezeichnung verdient das vielzi- tierte Soja-Thema. Wir exportieren Fleisch, ha- ben aber wegen viel zu vieler Tiere nicht genü- Anlieferung von Äpfeln in einer Mosterei. Reutlingen, gend „eigenes“ Futter. Folglich wird Soja in gro- 27.9.2007 / Foto: Michael SCHMOLZ

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ßen Mengen importiert. Fast alle Soja-Importe Landwirtschaft zulassen, gleichzeitig dort die In- sind gentechnisch verändert, stammen meistens tensiv-Bewirtschaftung herausdrängen. Kling hart, aus Südamerika, die Anbauflächen sind größten- dem wird heftig widersprochen werden, aber aus teils durch Regenwald-Rodung entstanden. In meiner Sicht geht es nicht anders. Es sei denn, den Anbauländern haben viele Menschen Hun- man akzeptiert das Artensterben. Das will ich nicht ger, sind auf internationale Hilfe angewiesen. hoffen, und es entspräche nicht dem Willen der Das Thema „Regionalisierung“ ist in aller Munde, weit überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung. die Realität ist aber Globalisierung. Ich gebe zu, Aber ginge das? Ja, denn wir haben eine Weg- den Widerspruch aufzulösen ist sehr schwer. Um werfquote an Lebensmitteln von 40 %, und die hier sinnvolle Änderungen zu erreichen, bedürfte Exportquote beträgt rund 30 %. Abstrakt gesagt es weltweit wirkender politischer Rahmenbedin- produzieren wir zu viel. Beides könnte - besser gen plus verändertem Verbraucherverhalten – eine sollte - um mindestens die Hälfte reduziert wer- anscheinend aussichtslose Sache. Dennoch führt den. Dann stünden genügend Flächen zur Verfü- kein Weg an grundlegenden Änderungen vorbei. gung, die entweder nur für den Naturschutz reser- Wie bei anderen weltweiten Problemen, etwa Kli- viert würden (neue Naturschutzgebiete ohne mawandel, helfen keine wohltönenden Absichts- landwirtschaftliche Betätigung!) und/oder Um- erklärungen für den St. Nimmerleinstag. Sondern widmung von Intensiv-Flächen in Ökolandwirt- es gilt: Anfangen im Hier und Jetzt! schaft bzw. Kreislaufwirtschaft. Eine solche Um- Nachhaltigkeit widmung führt zu deutlich weniger Ertrag je ha. Dies müsste selbstverständlich den Bauern aus- Das Nachhaltigkeitsthema wird in den kommen- geglichen werden. Dafür Steuergelder zu verwen- den Monaten wieder brandaktuell, wenn es um den, wäre gerechtfertigt, denn es handelt sich um die Agrarreform geht. Auf der Ebene Europa geht eine Leistung für die Gesellschaft. es um Verteilung der Gelder bzw. eine grundsätz- liche Reform der Förderung in Richtung Umwelt Gegen mehr Naturschutzflächen wird eingewandt, oder um eine Beibehaltung des alten Systems. es würden dadurch mehr Brachen entstehen, da Eine Ebene darunter ist absehbar, dass die Natio- sie nicht mehr bearbeitet würden und eine Pflege nalstaaten und damit die Bundesländer einen mangels Kapazität der Naturschutzverbände meis- größeren Spielraum hinsichtlich Einsatz der För- tens ausbleibe. Ja, da ist was dran. Aber wäre das dermittel bekommen (2. Säule Agrarförderung). so schlimm? In unbearbeiteten, der Sukzession Da gibt es jede Menge Begehrlichkeiten, und man überlassenen Brachen wird nicht gedüngt und kann keinesfalls sicher sein, dass die Verteilung nicht gespritzt, Boden und Naturinventar können nach Nachhaltigkeitskriterien erfolgt. sich erholen und sich wieder entwickeln – im Ge- gensatz zur naturfernen Monokultur. Es besteht eine ziemlich breite Übereinstimmung, dass Regionalität zu fördern ist. Dem liegt die Vor- Ziel der Landesregierung ist es, den Öko-Landbau stellung zugrunde, dass die Regionen (wie auch an der gesamten Landwirtschaftsfläche von ge- immer sie größenmäßig gefasst sind) sich selbst genwärtig rund 9 % auf 20 % mehr als zu verdop- ernähren können sollen. Im Umkehrschluss bedeu- peln. Sehr lobenswert! Ein vergleichender Blick tet das aber auch, dass die Regionen „eigentlich“ auf die Situation in Europa bestätigt dies: Öster- nicht mehr produzieren, als die darin lebenden reich liegt bereits bei 20 %, Schweden 17,1 %, ei- Menschen verbrauchen. Eine Ausnahme von die- nigermaßen gut noch Estland, Tschechien, Lett- ser Regel betrifft die Hungerländer, wo so wenig land. Am unteren Ende sind England, Bulgarien, wächst, dass Importe notwendig sind. Das sind Niederlande, Ungarn, Rumänien, Irland und Malta weniger als man vermutet, wenn man Marktver- (Scala von 2,9 bis 0,3 %) zu finden. Sieht also nicht werfungen mal außeracht lässt. gut aus in Europa, andererseits zeigen die Daten die enorme Eilbedürftigkeit. Mehr Flächen für die Natur Sind 20 % erreichbar, und wenn in welcher Zeit? Die Richtung muss lauten: 1. mehr Flächen als Haben die Arten noch diese Zeit? Die letzte Frage bisher naturnäher und artenschutzgerechter be- zumindest ist eindeutig zu beantworten. Alle Ar- wirtschaften und 2. in Naturschutzgebieten und tendaten belegen, dass es für die Feld- und Acker- Natura 2000-Gebieten nur noch ökologische

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Mehrnutzungssystem: Streuobstwiese. Maintal, Hessen 11.4.2019 / Foto: Holger SCHANZ vögel schon fast zu spät ist. Und wenn bei den In- Deutschen gemessen am verfügbaren Einkommen sekten bereits ein Rückgang von rund 80 % einge- und im Vergleich mit anderen Nationen mit am treten ist, wer wollte da noch „auf Zeit“ setzen? Wenigsten für Lebensmittel aus. Sofern Verände- rungen maßvoll und langsam erfolgen, sind sie

Was ist die Alternative? akzeptabel; schlimm wird es, wenn erst Katastro- phen passieren müssen, ehe sich etwas ändert. Im Lichte der politischen Diskussion erscheint eine Eine Katastrophe ist bereits da, nämlich das Ster- Realisierung der bisher erhobenen Forderungen – ben der Insekten und Feldvögel. Die Ursache ist – mehr Naturschutzgebiete plus Herausdrängen der grob zusammengefasst – die Vernichtung ihrer Intensiv-Bewirtschaftung aus eben diesen Flächen Lebensräume. Folglich muss man hier ansetzen. – als utopisch. Aber wer das nicht will, muss zwin- Nur eine vorausschauende, aber dann auch kon- gend alle staatlichen Leistungen für die Landwirt- sequente Politik ist in der Lage, solche Entwicklun- schaft an konkrete Umweltleistungen und Arten- gen verträglich zu gestalten. Daran hapert es, lei- schutz koppeln. Also keine pauschale Förderung der. mehr wie etwa Betriebsprämien ohne Auflagen. Sondern beispielweise Förderung nur noch nach Beim Landwirtschaftsthema geht es nicht um ir- Anzahl und Entwicklung definierter Arten. Oder gendeine Naturromantik, nicht um ein „Zurück“ in etwa eine Vervielfachung der Förderung für Be- vergangene Jahrhunderte. Es geht um harte Reali- triebe mit zertifizierter ökologischer Kreislaufwirt- tät, um das Einkommen der Landwirte und das schaft. Im Beitrag von Peter Keller in diesem Heft Auskommen der Natur. Landwirte und Natur ge- sind viele Möglichkeiten aufgezeigt. Interessant hen nämlich gemeinsam den Bach runter, befürch- sind auch die Beispiele aus anderen Bundeslän- te ich. Es ist ein Missstand, wenn jede naturnahe dern. Es gibt etliche, die auch in Rheinland-Pfalz Struktur, jede Hecke, jede Brache, jeder Blühstrei- realisiert werden könnten. fen zum potenziellen Produktionshindernis wird. Das Ende ist eine Entwicklung, die einige wenige Fazit Bauern zu börsennotierten Großproduzenten und Das alles kostet Geld. Nachhaltigkeit, Regionalität viele andere zu Sozialhilfeempfängern macht oder von Erzeugung und Verbrauch, Artenschutz durch zum Aufgeben zwingt. Das will kein Naturschützer, naturnahe Produktion werden zu höheren Le- und es ist auch vermeidbar. Man muss es nur wirk- bensmittelpreisen führen. Auch dies ist höchst um- lich wollen. stritten. Wer nicht viel verdient, wird die Aussage Heinz HESPING als Affront empfinden. Andererseits geben die

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Solarpark Neukirchen I - Windwärts Energie GmbH, April 2010 / Foto: Windwärts Energie (CC BY-NC-ND 2.0) https://www.flickr.- com/photos/windwaerts/7038695077

Strom vom Dach! das Gebiet und zerstören weitgehend die vorhan- dene ökologische Wertigkeit. Der Versuch, dies Der Landesregierung dürften die Ohren geklingelt herunterzuspielen, ja eine naturschutzfachlich be- haben, als Mitte Februar das Bundesamt für Natur- sondere Eignung solcher Anlagen darzustellen, schutz (BfN) seine Studie „Erneuerbare Energien- misslang. Dennoch trat die Verordnung mit eini- Report“ vorstellte. Es ging um die häufigen Kon- gen kleineren Ergänzungen zugunsten der Natur flikte zwischen Energiewende und Naturschutz in Kraft. und wie man sie lösen oder mildern kann. „Solar- anlagen auf die Dächer statt auf die grüne Wiese“ Ist die GNOR gegen Solaranlagen? Keinesfalls! Wir so leitete die Allgemeine Zeitung Mainz ihren Be- plädieren im Gegenteil für eine regelrechte Solar- richt ein. Offensive. Keine andere Form der Stromerzeu- gung im Bereich der Energien ist so naturverträg- Genau dies hatte die GNOR gefordert, als es um lich – wenn die Anlagen auf bereits überbauten eine Landesverordnung zu Photovoltaik-Freiflä- und versiegelten Flächen errichtet werden. Mo- chenanlagen ging, die den Bau solcher Anlagen derne Solarzellen sind mittlerweile nicht nur für ermöglicht. Vorgesehen auf „ertragsarmem Grün- die Südseiten, sondern auch für die West- und land“ – also nicht etwa auf intensiv bearbeiteten Ostseiten von Dächern geeignet. Durch einfache Äckern, sondern dort, wo aus landwirtschaftlicher Konstruktionen könnten Großparkplätze von Fir- Sicht ohnehin nichts wächst. Fatal nur, dass genau men und Einkaufszentren sowie Flächen in Ge- diese Flächen ganz häufig, Hotspots der Artenviel- werbe- und Industriegebieten mit Solarpaneelen falt sind. Sie haben für Natur und Umwelt eine versehen werden. Gebäudefassaden eignen sich, immense Bedeutung. Es handelt sich meistens um und sogar als Straßenbelag werden Solarpaneelen blütenreiche, sonnenexponierte Magerstandorte getestet. Die zur Verfügung stehende Flächenku- und trockenwarme Biotope mit einer hohen Ar- lisse ist riesig, man müsste nur (finanzielle) Anreize tenvielfalt und um Rückzugsräume für besonders setzen und das Erneuerbare-Energien-Gesetz bedrohte Arten. Großflächige Solaranlagen wirken (EEG) von 2017 entsprechend ändern. wie andere Bodenabdeckungen, sie verschatten

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Genau dies war bzw. ist das Problem der Landes- sagen die Gemeinderäte, da bauen wir eine Flä- regierung. Für das EEG ist der Bund zuständig, chensolaranlage drauf. Das Gelände wird einem und der zeigt keinerlei Neigung, etwa die Einspei- Investor übereignet oder an ihn vermietet. Der severgütung für Solaranlagen zu erhöhen – was baut die Anlage, beteiligt vielleicht sogar die Ge- notwendig wäre, um den Zubau zu beschleunigen. meinde am Ertrag. So hat sie ohne einen einzigen Andererseits will die Landesregierung die Ener- Euro zu investieren dauerhaft Einnahmen akqui- giewende massiv vorantreiben und hat sich ehr- riert. Nun kommt die GNOR, die darauf verweist, geizige Ziele gesetzt, die nicht einfach zu errei- dass das Gelände einen hohen naturschutzfachli- chen sind. Und denen ganz sicher im Grundsatz chen Wert hat, denn der Magerstandort befindet zugestimmt werden sollte. Die Diskussion entzün- sich inmitten ausgeräumter, intensiv bewirtschafte- det sich weniger an Grundsätzlichem, sondern ter Weinbaulage. Zu schade für eine Überdachung daran, welche Wege einzuschlagen sind, um diese mit Solarmodulen, zumal ein Vielfaches an Fläche Ziele zu erreichen. ja auf den Dächern des Ortes zur Verfügung stün- de. Die wiederum sind aber nicht im Eigentum der Es sieht so aus, dass die Landesregierung beim Gemeinde; um die gleiche Anzahl von Solarmodu- Stichwort „Freiflächenphotovoltaik“ das gleiche len zu realisieren, müsste die Gemeinde durch Zu- Rezept anwenden will wie bei der Windenergie. schüsse an die Eigentümer den Bau massiv sub- Der Ausbau von Windenergieanlagen wurde – üb- ventionieren, was viel Geld kostet. Klar, dass die rigens unter deutlicher Kritik fast aller Natur- Einwände „wegabgewogen“ werden, verbunden schutzverbände! – den Kommunen in die Hand mit manch hämischen Kommentaren zum wirt- gegeben. Diese sahen darin ein willkommenes schaftlichen Sachverstand von Naturschützern. Instrument der Sanierung ihrer meist defizitären Ergebnis: Die Natur hat – wieder einmal – das Haushalte. Bevor diese Möglichkeit eröffnet wur- Nachsehen. de, waren die kommunalen Diskussionen ganz überwiegend von Ablehnung von Windrädern So läuft das, wenn Politik die falschen Rahmenbe- geprägt. „Verspargelung der Landschaft“, „Vogel- dingungen setzt und dies auch noch untermauert schredderanlage“ – so hörte man es landauf, land- mit zweckgerichteten, fast „lyrisch“ anmutenden ab. Dann plötzlich, innerhalb von gefühlt 2 Mona- Beschreibungen eines naturschutzfachlichen Nut- ten, war alles ganz anders. Viele Bürgermeister zens von Solarparks. Zitat aus dem „Umweltjournal und Gemeinderäte waren zu leidenschaftlichen Rheinland-Pfalz, Heft 60 Dezember 2018, Seite 36, Energiewendern konvertiert. Es ist zu befürchten, herausgegeben vom Umweltministerium: „Für die dass die Refinanzierung von Kommunalschulden Artenvielfalt haben sich Solarparks (gemeint sind durch Freiflächen-Photovoltaik den gleichen Freiflächenanlagen) als Zugewinn in der Kultur- Schub auslösen wird. landschaft erwiesen. Vögeln und Insekten bietet die Vegetation zwischen den Solarpaneelen einen Es gibt somit ein gewisses Verständnis für das wertvollen Lebensraum. Durch eine am Natur- Vorgehen der Landesregierung. Man hat dort an- schutz orientierte Pflege der Flächen lässt sich der gesetzt, wo des Menschen größte Motivation zu Erhalt seltener Pflanzenarten sichern“ (siehe auch suchen ist: Beim Geld. Intelligent gemacht, könnte https://umdenken.rlp.de/fileadmin/um_denken/ man sagen – wenn es nicht wieder einmal zu Las- sonstige_Projekte/Umweltjournal_-_Taetigkeitsbe- ten der Natur ginge. An dieser Stelle müsste nicht richte/Umweltjournal_60_web.pdf). Aber diese erneut das Insektensterben, der Rückgang vor al- schöne, mit einem entsprechenden Foto garnierte lem der Feldvogelarten und die immer umfängli- Botschaft eines Mehrwertes an Natur trifft nur dann cheren Roten Listen erwähnt werden. Dennoch, zu, wenn die betreffende Fläche vorher intensiv die Lage ist so ernst, dass die Frage der Naturver- bewirtschaftet, gedüngt und mit Glyphosat und träglichkeit auch von Einrichtungen der Energie- Pestiziden behandelt war, also aus der Intensiv- wende dringender und eindringlicher gestellt Bewirtschaftung herausgenommen wurde. Gerade werden muss. solche Flächen sind aber lt. Landesverordnung zum Schutz landwirtschaftlicher Interessen von Für eine beliebige Gemeinde stellt sich die Situa- einer Überbauung mit Solarmodulen ausgenom- tion wie folgt dar – ein Beispiel aus der Praxis. Da men (Vorrangflächen Landwirtschaft in Regionalen gibt es einen nicht mehr benötigten und längere Raumordnungsplänen, Beschränkung auf ertrags- Zeit nicht mehr benutzten Sportplatz. Wunderbar,

GNOR Info 128 59 Naturschutz schwache Standorte mit Ertragsmesszahl kleiner gen erforderlich. Und dieser Teil muss nicht mehr 35)! Wird dagegen eine zwar „ertragsarme“, aber anderweitig produziert werden, weder durch dann fast immer naturschutzfachlich reichhaltige Braunkohlekraftwerke noch durch Windräder. Und Fläche mit Solarmodulen überbaut, sinkt selbst- es gibt einen großen finanziellen Vorteil für den verständlich die vorhandene naturfunktionale Vita- Eigentümer: Wer Strom von Solaranlagen ins öf- lität einer Fläche dramatisch. Die Fläche wird groß- fentliche Netz einspeist, erhält eine Einspeisever- flächig verschattet und damit naturschutzfachlich gütung von aktuell 9,96 bis 11,83 Cent je Kilowatt- entwertet, in welchem Ausmaß auch immer. Da stunde, je nach Größe der Anlage. Wird der er- helfen weder Natur-Lyrik noch naturschutzfachli- zeugte Strom aber direkt selbst verbraucht, hat che Pflege. dies eine Einsparung in Höhe der Kosten für eine Kilowattstunde zur Folge – das sind zurzeit rund 30 Das Bundesamt für Naturschutz sieht in seinem - 34 Cent/KWh, also rund das Dreifache. Kein Erneuerbare Energien-Report (siehe auch https:// Wunder, dass vor allem die großen Stromerzeuger www.bfn.de/fileadmin/BfN/erneuerbareenergien/ und häufig auch die Stadtwerke dagegen sind, Dokumente/BfNErneuerbareEnergienRepor- denn deren Geschäftsmodell ist ja die Produktion t2019_barrierefrei.pdf) die Situation dagegen rea- und der Verkauf von Strom. listischer, man kann auch sagen sachverständiger: „Zur Schonung der freien Landschaft und um zu- An dieser Stelle ist – bei aller sonstigen Kritik – der gleich die energiepolitischen Ausbauziele zu er- Landesregierung ein Kompliment zu machen. Sie reichen, ist die verstärkte Entwicklung und Nut- will Batteriespeicheranlagen in Privathaushalten zung der Solarenergie im bauplanungsrechtlichen besonders fördern. Solche Speicheranlagen be- Innenbereich bzw. auf versiegelten Flächen drin- günstigen natürlich zusätzlich die Variante „Direkt- gend erforderlich“ (Seite 5); „Photovoltaikanlagen verbrauch“, weil überschüssiger Strom gespeichert sollten bevorzugt nur auf Dachflächen und bereits und später verbraucht werden kann – sozusagen versiegelten Flächen errichtet werden, um so we- eine Pufferung zwischen sonnenreichen und son- nig Freifläche wie möglich in Anspruch zu neh- nenarmen Tagen oder auch für die Nachtstunden. men“ (Seite 32); „Ausschluss von vielfältig struktu- rierten Flächen und Grünlandstandorten“ (Seite Eine Solaroffensive ohne Zerstörung von Naturflä- 32); “Der Ausbau der erneuerbaren Energien muss chen ist machbar und würde eine hohe Zustim- gezielt auf Flächen gelenkt werden, die keine oder mung der Bürger erfahren. Man darf hier durchaus geringe Konfliktpotenziale mit dem Naturschutz an das Volksbegehren „Artenvielfalt“ in Bayern aufweisen. Dazu zählt auch die deutlich intensivere erinnern. Ein besseres Naturschutzgesetz wurde Nutzung von Dachflächen und bereits versiegelten gefordert, und innerhalb kurzer Zeit kamen Flächen für Photovoltaikanlagen (….) Weitere An- 1,7 Millionen Unterschriften zusammen, obwohl reize wären über eine gesonderte Ausschreibung/ nur eine Million gebraucht wurden. Die Menschen Förderung von Dachflächen-PV-Anlagen gesetz- sind sensibler geworden in Sachen Natur, das ist lich möglich“ (Seite 34). offensichtlich und an vielen Beispielen und Ent- wicklungen festzumachen. Die Zeit ist reif für eine Dem ist nichts hinzuzufügen. Wir brauchen eine naturnahe Solar-Offensive. Solaroffensive mit Natur-Augenmaß. Bleibt noch das Argument, die Produktion von Dazu gehört der Hinweis, dass Solaranlagen auf Strom durch Solarzellen sei umweltpolitisch in Dächern und befestigten Flächen einen unschätz- Ordnung, nicht aber die Produktion der Solarzel- baren Vorteil haben, nämlich die Möglichkeit des len selbst. Das ist in der Tat, wie bei den Batterien so genannten „Direktverbrauchs“. Der durch die für Elektroautos, ein schwieriges Thema. Die Kom- Dachsolaranlage erzeugte Strom wird zunächst ponenten für Solarzellen, Silizium und seltene Er- direkt im eigenen Haushalt verbraucht; nur die den, werden häufig unter umweltschädlichen und Strommenge, die über den eigenen Gebrauch schlechten Arbeitsbedingungen abgebaut bzw. hinaus erzeugt wird, wird in das örtliche Stromnetz hergestellt, und zum Teil ist auch die Fertigung eingespeist. Die Vorteile sind gewaltig: Für einen stark verbesserungsbedürftig. Hier muss es drin- beträchtlichen Teil des Stroms sind keine Leitun- gend Änderungen geben. Das müssen die Regie-

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Blick über die seinerzeit weltgrößte Dachphotovoltaikanlage (5 MW) auf dem Dach der Fiege-Spedition in Bürstadt, Hessen 2005 / Foto: Von German Wikipedia Benutzer MichaJost, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php? curid=4878767 rungen der betreffenden Länder leisten, und den, wird allenfalls achselzuckend unter wirt- gleichzeitig müssen international agierende Kon- schaftsfreundlicher Globalisierung verbucht. zerne an die Kandare genommen werden. Auffäl- lig ist bei der Diskussion jedoch, dass diese eher Alles ist relativ. Und muss unter dem Aspekt von ethisch/moralischen Entrüstungen vorzugsweise Verhältnismäßigkeit und Alternativen betrachtet bei den Themen auftreten, die mit Klimawandel, werden. Ich meine, unter Abwägung aller Ge- Energiewende und E-Mobilität zu tun haben. Dass sichtspunkte ist Solarenergie auf bereits versiegel- die Herstellung eines T-Shirts durchschnittlich etwa ten Flächen die beste Form der Stromerzeugung, 2.700 Liter Wasser verbraucht, ganz abgesehen die zurzeit möglich ist. Also: Solarmodule aufs von den Arbeitsbedingungen, interessiert kaum Dach, nicht in die Natur! jemanden. Und dass täglich Millionen Rosen aus Heinz HESPING Kenia mit dem Flugzeug nach Frankfurt gebracht und per LKW in ganz Europa herumgefahren wer-

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Umsetzung der EU-Verordnung Nr. Was die GNOR mit ihren Artenspezialisten leisten 1143/2014 zu den invasiven gebiets- kann, ist die gezielte Sammlung und Meldung von fremden Arten in RLP – aber wie?! Daten zu Arten, die durch die Verordnung erfasst sind. Darunter sind solche, die bereits weit verbrei- Die GNOR hat dem Land mit ihren Artenspezialis- tet sind. Hier ist eine Meldung sinnvoll, eine erfolg- ten zugearbeitet, damit RLP seine Berichtspflicht reiche Eliminierung ist jedoch nicht mehr zu erwar- gegenüber der EU 2019 erfüllen kann. Wie sooft ten, weil die Organismen weit verbreitet sind (z. B. und fast überall fehlt in RLP ein Monitoring und Waschbär oder Drüsiges Springkraut). Viel wichti- damit verlässliche Daten zum Auftreten der Arten. ger ist die Erfassung und Meldung von Arten, die Während andere Länder Millionen für ein Monito- noch nicht als weit verbreitet gelten, die deshalb ring ausgeben, hinkt RLP auch hier hinterher. Bei aber noch durch gezielte Maßnahmen in den Griff FFH gibt es nur den Minimumstandard, beim Vo- zu bekommen sind, bevor sie im Ökosystem grö- gelmonitoring befinden wir uns noch in der pro- ßeren Schaden anrichten (z. B. Gewöhnliche Sei- jekthaften Erprobungsphase und bei den invasi- denpflanze, Ochsenfrosch). ven Arten gibt es noch gar nichts. Die dramatische Die GNOR wird sich dem Thema künftig intensiver Personalsituation in der Naturschutzverwaltung ist widmen und nimmt Anregungen und Hinweise in nahezu schon sprichwörtlich, auch hier gebührt der Landesgeschäftsstelle gerne entgegen. RLP bei den Flächenländern im Ranking der letzte Platz. (sc)

Auf der Internetseite des Bundesamtes GNOR e. V., Landesgeschäftsstelle, Osteinstraße für Naturschutz finden Sie Informatio- 7-9, Tel. (06131) 671480, Fax (06131) 671481, nen zum Thema „Gebietsfremde [email protected] Arten“: https://neobiota.bfn.de/

Im Jahr 2017 neu in die Unionsliste aufgenommen: Gewöhnliche Seidenpflanze (Asclepias syriaca). Secuieni, Rumänien, 7.8.2015 / Foto: Hans-Jürgen DECHENT

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konnte bislang erwartungsge- kolben (Typha minima), Arten, mäß nicht durchbrochen wer- deren Gefährdung seit sehr den, d. h. es ergeben sich wei- langer Zeit bekannt ist und es tere Verschlechterungen der sehr unverständlich ist, dass Erhaltungssituationen der Arten nicht geeignete Maßnahmen seit der letzten Auflage 1998. zur Verhinderung des Ausster- So wurden Bestandszunahmen bens unternommen wurden. durch Naturschutzmaßnahmen Aus der Sicht des Naturschutzes nur bei 19 Arten registriert, sollten die Roten Listen sicher- demgegenüber stehen reale lich nicht nur den Artenrück- negative Veränderungen, die zu gang dokumentieren und ver- Umstufungen in der Gefähr- walten, sondern die Prioritäten dungseinschätzung führten, bei des Artenschutzes aufzeigen. 577 Arten! Hier besteht ein immenser Handlungsbedarf. Das Ausster- Bestandsrückgänge wurden in ben der Arten ist mit Sicherheit den letzten Jahren für 1.200 das Schlimmste und es sollte BfN (Bundesamt für Natur- Arten, Bestandszunahmen da- verhindert werden, zumal es schutz) (2018): Rote Liste gegen nur für etwa 100 Arten vielfach irreversibel ist. Von vie- gefährdeter Tiere, Pflanzen ermittelt. Der Anteil bestands- len Pflanzen ist bekannt, dass und Pilze Deutschlands, gefährdeter Arten liegt bei sie auch im Gegensatz zu vielen Band 7: Pflanzen, 784 Sei- 30 %, zusammen mit den ex- Wirbeltieren vergleichsweise ten, Naturschutz und Biolo- trem seltenen Arten bei 39 %. leicht zu schützen sind, weil sie gische Vielfalt 70 (7) Auf die Vorwarnliste (zukünftig nicht riesige Raumansprüche Band 7 der Roten Liste gefähr- ggf. gefährdete Arten) setzte stellen. Aus diesem Grunde deter Tiere, Pflanzen und Pilze man ca. 7 %. sind Artenschutzprogramme Deutschlands behandelt die zumindest für die vom Ausster- Als ungefährdet werden nur Pflanzengruppen der terrestri- ben bedrohten Arten vordring- etwas über 40 % (ca. 1.600 Ar- schen, limnischen und marinen lich, darunter sind zwei Arten in ten) angesehen. Neu als ausge- Lebensräumen ohne die mari- diese Kategorie neu aufgerückt, storben (RL 0) seit der letzten nen Makroalgen. die in Rheinland-Pfalz vorkom- Auflage 1998 werden 24 Arten men und um deren Erhaltung Damit ist die Gefährdungsana- angegeben, davon werden nur man sich besonders bemühen lyse der Pflanzen abgeschlos- neun mit einem Kommentar muss: Acker-Ringelblume sen. versehen, d. h. die Umstände (Calendula arvensis) und werden nicht erläutert, warum Sumpf-Knabenkraut (Orchis Die Gefäßpflanzen werden mit es zum Aussterben kam und palustris). Dass die allgemeine 4.305 Taxa (Arten und Unterar- man selbiges nicht verhindern Artenvernichtung nur durch ten), die Moose mit ca. 1.200 konnte oder wollte. Dies er- eine grundlegende Änderung Taxa sowie vier Algen-Gruppen scheint sehr eigentümlich und der unverantwortlichen Agrar- mit 3.150 Taxa (60 % der deut- es ist ein Zeichen für eine völlig politik gestoppt werden kann, schen Algen) behandelt. verkorkste Naturschutz-Politik in ist ja selbstverständlich. Auf Deutschland. Keine Art sollte in Bei den Gefäßpflanzen erhöht dem Titelbild des Buches wird Deutschland mehr aussterben. sich die Anzahl der Taxa im der Leser mit stimmungsvollen Auf 130 Seiten wird immerhin Vergleich zur alten Liste (1996) Bildern auf die verheerende eine weitgehend sinnfreie, auf- von 3.319 um fast 1.000 auf Bilanz eingestimmt: man sieht geblähte Synonymliste abge- 4.305, vor allem bedingt durch ein trostloses Maisfeld, einen druckt .Unter den neu als aus- taxonomische Aufspaltungen düngerstreuenden Traktorfah- gestorben verzeichneten sind (Rubus, Taraxacum). Die neue rer, ein abgetorftes Moor und auch so prominente Arten wie Rote Liste ist die 7. Auflage seit eine Düngung (Kalkung) einer der Moor-Steinbrech (Saxifraga der ersten Version von 1974. Nadelholzmonokultur. hirculus) und der Zwerg-Rohr- Der anhaltende Negativtrend

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Die Roten Listen informieren ten. Dadurch ergibt sich eine über die Bestandssituation, Ge- außerordentlich hohe Bedeu- fährdung der Arten sowie Ver- tung für die Biodiversität. Der antwortlichkeit Deutschlands für Hauptautor Dr. A. SEGERER ar- die weltweite Erhaltung, sie beitet als Entomologe an der sind damit eine unentbehrliche Zoologischen Staatssammlung Grundlage für die Naturschutz- München und ist einer der we- praxis. Neben den gefährdeten nigen hauptamtlichen Entomo- Arten werden Gesamtartenlis- logen in Deutschland. Im Buch ten vorgelegt. Aus diesem werden die Bedeutung der In- Grunde ist der Liste eine weite sekten im Naturhaushalt und in Verbreitung und Berücksichti- der Landwirtschaft, der Rück- gung zu wünschen. gang der Insektenbestände weltweit und in Deutschland, Dr. Rolf SCHNEIDER die Bestandsentwicklung in Teilgebieten, die Ursachen der lernen, bei denjenigen Arten Bestandsrückgänge, der drin- ab, die auch oder sogar aus- gende Handlungsbedarf und schließlich am Tag fliegen – und geeignete Maßnahmen zur Er- das sind immerhin schon ein haltung der Arten und Lebens- Drittel aller Nachtfalter. Es ist räume, die Defizite bei For- der erste Bestimmungsführer schung, Bildung und Informati- für die tagaktiven Nachtfalter, on sowie der Umwelt-und der in Mitteleuropa erschienen Agrarpolitik behandelt. In über ist. Und beeindruckt schon auf 100 Anmerkungen werden den ersten Seiten durch seine Quellen und weiterführende hervorragende Ausstattung und Literatur aufgeführt, die zur Ver- die sorgfältig durchdachte Sys- tiefung der Thematik geeignet tematik. 179 Arten werden dar- sind. in mit Freilandfotos ausführlich besprochen mit prägnanten Wer sich mit dem Thema be- Angaben zu ihren Bestim- fasst, dem sei das Buch aus- mungsmerkmalen, den Regio- drücklich empfohlen. nen und den speziellen Lebens- SEGERER, Andreas H. und Eva Dr. Rolf SCHNEIDER räumen, in denen sie vorkom- ROSENKRANZ (2018): Das men, und zu ihrem besonderen große Insektensterben, oe- Verhalten. Es fehlt nicht an kom Verlag, 205 Seiten, 100 U LRICH, Rainer (2018): wertvollen Hinweisen zu ähnli- Bilder und 5 Graphiken Tagaktive Nachtfalter. Stutt- gart: Franckh-Kosmos Ver- chen Arten, bebildert mit Durch die Ergebnisse der lang- lags-GmbH. 312 Seiten, Sammlungsexemplaren. jährigen Untersuchungen der über 600 Fotos. ISBN 978-3- Krefelder Entomologen, nach 440-15827-2 Ergänzt wird der zentrale, zu- denen die Biomasse der Flug- sammen mit den Tafeln 250 Sei- Zehnmal so viele Nachtfalter insekten selbst in Schutzgebie- ten einnehmende Bestim- wie Tagfalter gibt es, aber ten um durchschnittlich 76 % mungsteil durch Abschnitte, die selbst vielen an Schmetterlin- zurückgegangen ist, ist das In- auf sehr ansprechende Weise gen sehr interessierten Men- sektensterben in den Medien einerseits persönliche Begeg- schen sind sie unzugänglich präsent. Auch das vorliegende nungen des Autors mit den Fal- und werden, wenn sie nicht ge- Buch befasst sich sehr einge- tern und andererseits eine Fülle rade spektakulär gezeichnet hend mit dieser Thematik. Die von Wissen über die Nachtfalter sind, eher ignoriert. Das Buch Insekten zählen mehr als 33.000 im Allgemeinen vermitteln. von Rainer ULRICH holt uns, da- Arten in Deutschland und damit mit wir ihre Attraktivität kennen- Oliver ELLER rund 70 % der ca. 48.000 Tierar-

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Hans-Günther BAUER als neuer häufiger Arten sind Daten bis Bearbeiter macht nämlich zu- einschließlich 2016 ausgewer- nächst (S. 7-12) rückblickend tet; sie werden vielfach nach mit vielen Hemmnissen be- Regionen differenziert vorge- kannt, die dem zügigen Er- stellt. Rheinland-pfälzische Ab- scheinen des Gesamtwerkes schnitte des Oberrheins sind entgegenstanden. Vor allem die vom Landkreis Germersheim im massiven Umbrüche in der Da- Süden bis nach Alzey und tenerhebung, -verwaltung und – Worms immer wieder in die auswertung sind herausgestellt. Betrachtung einbezogen. All das hätte lähmend wirken können, doch in BW haben vie- Die Artkapitel sind klar geglie- le den Mut aufgebracht, sich dert und folgen dem nachste- neu zu orientieren, konzeptio- hend am Beispiel des Grau- nelle Einschnitte vorzunehmen gans-Kapitels vorgestellten HÖLZINGER, Jochen (†) und und sogar den bisher herange- Schema: Übersicht, Taxonomie/ Hans-Günther BAUER (2018): zogenen Datenbestand nicht Nomenklatur/Brutareal, Brut- Die Vögel Baden-Württem- mehr in vollem Umfang zu nut- verbreitung in BW (mit Über- bergs. Band 2.1.1: Nicht- zen. Das alles in klarer Ausrich- sichten nach Regionen), Brut- Singvögel 1.2. Dendrocygn- tung an dem Ziel, eine aktuelle bestand, Bestandsentwicklung, idae (Pfeifgänse) – Anatidae und umfassende Übersicht zur Habitat, Fortpflanzung, Mauser, (Entenvögel). 664 S., 598 Situation der Wasservögel in Jahreszeitliches Auftreten/ Abb., 72 Farbfotos. Verlag BW zu bieten. Wanderungen und Überwinte- Eugen Ulmer, Stuttgart. ISBN rungsgebiete, Nahrung (!), Zu- 978-3-8001-3168-6. Herausgekommen ist ein 664 sammenfassung von Jahreszy- Ende letzten Jahres gelangte Seiten umfassendes Werk, das klen, Bewertung der Vergrä- der die Entenvögel abhandeln- 98 Arten behandelt. Zum Ver- mungsabschüsse, Parasiten und de Teilband der Avifauna Ba- gleich: Band 2 der Avifauna von Krankheiten. Statt der beiden den-Württembergs in den Han- Rheinland-Pfalz handelt 51 Taxa letztgenannten Kapitel werden del. Das seit der Spätantike be- eingehend ab, hinzu kommen bei anderen Arten Gefähr- kannte Zitat, wonach Bücher 17 „Gefangenschaftsflüchtlin- dungsursachen und notwendi- ihre Schicksale haben, lässt sich ge“; 274 Seiten nimmt das ein. ge Schutzmaßnahmen vorge- nicht nur variabel auslegen, es BW ist nicht nur fast doppelt so stellt. kann in seiner Gültigkeit auch groß wie RLP, es hat auch eine Was ist besonders hervorzuhe- auf vielbändig angelegte Ge- ungemein vielfältige Gewässer- ben? Das Werk besticht durch samtwerke bezogen werden. 37 landschaft, sodass ganz unter- seine großzügige grafische Ge- Jahre sind seit dem Erscheinen schiedliche Bedingungen für staltung. Mir haben die groß- des ersten Teilbandes der „BW- Brut und/oder Rast der Wasser- formatigen farbigen Weltver- Avifauna“ verstrichen, der letzte vögel vorliegen. Den Umfang breitungskarten zu allen Arten vor dem hier anzuzeigenden des Werkes weitet es auch aus, gefallen, die einen aktuell er- Band kam sieben Jahre zuvor dass selbst die „Gefangen- hobenen Kenntnisstand präsen- heraus. Jochen HÖLZINGER schaftsflüchtlinge“ umfassend tieren. Auch die Ringfundkarten (1942-2015) als jahrzehntelan- und mit detaillierter Dokumen- und die Karten zu Markie- ger Hauptbearbeiter ist zwi- tation vorgestellt werden. rungsablesungen (z. B. für Ka- schenzeitlich verstorben. Die Angaben zur Brutverbrei- nadagans, Höckerschwan oder Wie manche Menschen keine tung resultieren aus den Erhe- Nilgans) sind gut zu erschließen Gebrauchsanweisungen lesen, bungen zu ADEBAR und sich und können mit Gewinn stu- so überschlagen andere Vor- 2010-2017 daran anschließen- diert werden. Handbuchcharak- worte von Büchern. Das sollten den Folgeuntersuchungen. Zur ter gewinnt der Band z. B. im sie in diesem Fall nicht tun! Darstellung der Phänologie Hinblick auf die vielen Daten

GNOR Info 128 65 Bücherschau zur Fortpflanzungsbiologie, achtet oder erfasst oder für den man sie kopfschüttelnd zu lesen wobei die Daten zur Brutphäno- Schutz ihrer Lebensräume zu- versuchen. Um den Dialekt logie, zum Bruterfolg oder zur ständig ist bzw. wirkt, für den ist hochzuhalten, hätte man in ei- Dauer von Führungszeiten auch dieser Band als Nachschlage- ner Dokumentation der regio- im Hinblick auf Schutzerforder- werk ein Muss! nalen dialektalen Vogelnamen nisse der Arten von herausra- ein besseres Arbeitsfeld finden gender Bedeutung sind. Den Keine kritischen Anmerkungen? können. Gefährdungsursachen und er- Doch! „Wir können alles. Außer forderlichen Schutzmaßnahmen Hochdeutsch.“ – dieser griffige Hans-Günther BAUER und 16 widmen die Artkapitel breiten Slogan zur Bewerbung des weiteren Mitarbeitern – in deren Raum. Hier ist als weit über die Bundeslandes BW hat die Be- Reihen sich auch GNOR-Ge- Grenzen BWs Bedeutung er- arbeiter und Mitarbeiter des schäftsführer Michael SCHMOLZ langend die Behandlung der Bandes dazu verführt, auf S. 14- findet - ist ein großartiges Werk Jagdzeiten herauszustellen. 16 die kurzen Angaben zu ihrer gelungen. Die daran verwende- Deren Regelung stellt nämlich Person in lautlicher Umschrift im te Mühe und der beharrliche einen Anachronismus dar, des- Dialekt zu präsentieren. Weil ich Einsatz für den Abschluss des sen Abänderung oder besser selbst Hochdeutsch als erste G e s a m t w e r ke s v e rd i e n e n noch Beseitigung viel zu wenig Fremdsprache gelernt habe, höchste Anerkennung. Bringen Einsatz zugewendet wird. – Wer erschließen sich mir diese Texte Sie das zum Ausdruck, indem in RLP avifaunistisch aktiv ist, noch recht leicht. Aber schon Sie sich den Band anschaffen! regelmäßig Wasservögel beob- im Norden der Republik wird Antonius KUNZ

Nationale Akademie der der Agrarlandschaft: Was Hauptsächlich werden hier die Wissenschaften Leopoldina, wissen wir und was können Zunahme bewirtschafteter acatech – Deutsche Akade- wir tun? Halle (Saale). 28 Ackerbauflächen, die vorbeu- mie der Technikwissenschaf- Seiten, 5 Abbildungen, ISBN: gende und flächendeckende ten, Union der deutschen 978-3-8047-3932-1 Nutzung von Pflanzenschutzmit- Akademien der Wissenschaf- In einer interdisziplinären Ar- teln, Überdüngung und die sin- ten (2018): Artenrückgang in beitsgruppe „Biodiversität in kende Strukturvielfalt der Land- der Agrarlandschaft“ fasst ein schaft genannt. Sie empfehlen 16-köpfiges Team aus Expertin- daher die jetzt anstehende Re- nen und Experten der Fachrich- form der Gemeinsamen euro- tungen Agrarwissenschaft, Bo- päischen Agrarpolitik für Maß- tanik, Ethik, Kulturwissenschaf- nahmen zum Schutz der biolo- ten, Naturschutz, Ökosystemfor- gischen Vielfalt zu nutzen. schung, Pflanzenschutz, Umwelt- Die Publikation kann recht und Zoologie zusammen, auf http://gnor.de/ dass die biologische Vielfalt in neues/ oder über der Agrarlandschaft in den ver- den nebenstehen- gangenen 25 Jahren stark zu- den QR-Code kostenfrei herun- rückgegangen ist. In einer Stel- tergeladen werden (knapp 1 lungnahme beleuchten sie das MB). Zusammenspiel vieler Faktoren als Ursache für den Rückgang (sc) an Tier- und Pflanzenarten.

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LibellengemeinschaftenLibellen- gemeinschaften Libellengemein- StiftungschaftenLibellengemeinschaften proNATUR Rheinland-Pfalz

Im April 2004 gründete die Gesellschaft für Natur- schutz und Ornithologie Rheinland-Pfalz (GNOR e. V.) eine eigene Stiftung: die Stiftung proNA- TUR Rheinland-Pfalz. Durch den Nachlass einer großzügigen Stifterin war der Grundstein für ein gemeinnütziges Erbe gelegt. Damit kann sich die GNOR nachhaltig für die Belange des Naturschut- zes in Rheinland-Pfalz einsetzen. Die Natur zu schützen bedeutet, ihre einzigartige Schönheit zu bewahren. Leider sind bereits heute viele Lebens- räume für Tiere und Pfanzen bedroht, zahlreiche Tier- und Pfanzenarten gefährdet und in ihrer Verbreitung stark eingeschränkt. Unsere Stiftung möchte Verantwortung überneh- men und sich für eine lebenswerte Umwelt einset- zen. Helfen Sie uns mit einer großzügigen Spende oder einer Zustiftung, die Leistungsfähigkeit der Stiftung auszubauen. Erwerben Sie dafür die Ga- rantie, den Zielen des Naturschutzes zu dienen! Haben Sie Fragen? Sprechen Sie uns an! Wir informieren Sie gerne in einem persönlichen Gespräch über die Möglichkeiten Ihres fnanziellen Engagements.

Heinz Hesping Vorsitzender des Stiftungsvorstandes

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