ANDREAS HERZAU / LAIFANDREAS TIM WEGNER Fondsmanager Krenz, Huth, Übernahmeobjekt ProSiebenSat.1 (in Unterföhring): Mächtiger als viele Top-Manager Der große Schlussverkauf Ob Fernsehsender, Maschinenbauer oder Autozulieferer: Internationale Finanzinvestoren kaufen immer größere Teile der deutschen Wirtschaft auf. Die neuen Herren verfolgen vor allem drei Ziele: Profit. Profit. Profit. Doch die Kritik an den „Heuschrecken“-Methoden wächst.

as Auffälligste an Männern wie gewaltigste Fonds, den es in Europa gibt. zahlen. Wenn Öffentlichkeit, dann nur das Thomas Krenz ist wahrscheinlich Der viertgrößte weltweit. Wer so viel Geld Nötigste. Dihre professionelle Unauffälligkeit. bewegt, kann in jedem Industriezweig mit- Die beiden Käuferfirmen gehören zu Meist scheuen sie Kameras und das grelle reden, wenn er nur will. Und je weniger jenen internationalen Finanzinvestoren, Licht des öffentlichen Interesses. darüber Bescheid wissen, umso besser fürs die – ausgestattet mit vielen Milliarden – Manchmal taucht der Name von Krenz Geschäft. durch die Welt stromern, um noch mehr in der Finanzpresse auf, was er nicht ver- Manchmal indes lässt sich ein bisschen Geld zu machen. Landläufig werden sie hindern kann. Aber das geht vorüber. Er Öffentlichkeit nicht vermeiden. Am Freitag Heuschrecken genannt. steht nicht im Feuer der Kritik. Er muss war so ein Tag. Da verkündete Thomas Oft sind sie ein Segen – weil sie dringend sich nicht rechtfertigen für Job-Abbau oder Krenz zusammen mit seinem Permira- benötigtes Kapital mitbringen. Oft sind sie Gehaltssprünge. Partner Götz Mäuser und seinen Mitstrei- aber auch ein Fluch – wenn sie die Objek- Er heißt ja nicht Klaus Kleinfeld, Dieter tern Johannes Huth und Lord Clive Hollick te ihrer Begierde bedenkenlos auspressen. Zetsche oder René Obermann. Der 47- von (KKR) die Zu den Erfindern des Gewerbes gehört Jährige ist weder Vorstandschef von Sie- mehrheitliche Übernahme von Deutsch- die Firma KKR, die in diesem Jahr ihr mens oder DaimlerChrysler noch von der lands größtem kommerziellen Fernsehan- 30-jähriges Bestehen feiert und jetzt bei Telekom. bieter, der ProSiebenSat.1 Media AG mit ProSiebenSat.1 mit zum Zuge kam, Mit- Und doch ist der unscheinbare Herr ihren Kanälen ProSieben, Sat.1, Kabel eins, gründer Henry Kravis ist eine der Ikonen Krenz viel mächtiger und einflussreicher N24 und Neun Live. Die Herren aus der der Branche. Erst in diesem Sommer konn- als viele deutsche Top-Manager. Hochfinanz luden dazu nicht wie im te man verkünden, mit mehr als 15 Mil- Das Wirken im Verborgenen ist Teil sei- Mediengeschäft und anderswo üblich zu liarden Dollar den weltgrößten Fonds auf- nes Erfolgs, der wiederum viel mit Geld zu einer Pressekonferenz. Sie verlautbarten gelegt zu haben. tun hat. Krenz sitzt zurzeit auf einem den Medien-Mega-Deal per Telefonschalte Die Ziele, die Krenz und der KKR-Eu- Schatz von elf Milliarden Euro. Es ist der – so wie andere ihre neuesten Quartals- ropa-Chef Johannes Huth am Freitag aus-

64 der spiegel 51/2006 ULRICH BAUMGARTEN / VARIO IMAGES (L.); CASPIAN (R.) (L.); CASPIAN IMAGES / VARIO BAUMGARTEN ULRICH Jahrestreffen der Private-Equity-Branche (in London): Aus viel Geld noch viel mehr machen riefen, sind denn auch alles andere als be- Doch die Verantwortlichen der RTL- Bundesstaat einzahlen. Dazu zählen aber scheiden. Durch eine Zusammenführung Mutter Bertelsmann nehmen die Ankün- auch die Regierung von Singapur oder eine mit der Sendergruppe SBS Broadcasting, digungen ernst – schließlich verfügen Per- amerikanische Elite-Universität wie Har- die Permira und KKR schon im vorigen mira und KKR über die notwendigen Mil- vard sowie ein buntes Sammelsurium noch Jahr für 2,1 Milliarden Euro inklusive Schul- liarden für weitere Zukäufe. Krenz und zurückhaltenderer Superreicher. den erworben hatten, wolle man „zum eu- Huth können nicht nur viel ausgeben, ir- Sie alle eint über Länder- und Glau- ropäischen Fernsehkonzern Nummer eins“ gendwie müssen sie es sogar. bensgrenzen hinweg, dass sie aus ihrem aufsteigen, sagte KKR-Mann Huth. Ein am- Das Geld wird ihnen derzeit geradezu vielen Geld noch mehr machen wollen, bitioniertes Vorhaben – immerhin erreicht aufgedrängt von Investoren, die ebenso viel mehr. Leute wie Krenz und dessen die RTL Group bislang deutlich mehr Haus- global wie bunt zusammengewürfelt sind. Firma Permira locken mit dem Verspre- halte und macht über zwei Milliarden Euro Zum Kreise seiner Anleger zählt Krenz ka- chen, aus drei Euro vier zaubern zu kön- mehr Umsatz als SBS und ProSiebenSat.1 lifornische Pensionskassen, in die Lehrer, nen. Mindestens 20-prozentige Renditen zusammen (siehe Kasten Seite 68). Beamte und Feuerwehrleute aus dem US- gehören in der umstrittenen Branche zum

797** Die neue 800 262 EINGESAMMELTES MITARBEITER KAPITAL 261 von Unternehmen in Deutschland, 704 Geldmacht der Private-Equity-Fonds in die Private-Equity-Firmen investiert haben* 700 weltweit, in Mrd. ¤ in tausend Quellen: EVCA, PWC, PEI 600

177 500 154 400 133 131 312 108 300 93 87 200 *nur Mitgliedsunternehmen des BVK **alle Private-Equity-Firmen 100

Quelle: Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK)

1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 1995 2000 2005

der spiegel 51/2006 65 66 der spiegel Titel 51/2006 gereicht werden. ren Investor weiter- men aneinen ande- soll dasUnterneh- lenhersteller. Jetzt am MünchnerBril- dieMehrheit 2004 Permira kaufte RODENSTOCK tionsmarke Iglo. inklusive derTradi- die Tiefkühlsparte konzern Unilever Lebensmittel-schen britisch-niederländi- nahm Permira vom Im Augustüber- IGLO den Kauf begrüßt. den Kaufbegrüßt. Betriebsrat hatte Der übernommen. Kingsbridge Capital Investorbritischen im Mai vom bahnbauer wurde Der Modelleisen- MÄRKLIN

NORBERT FÖRSTERLING / PICTURE-ALLIANCE/ DPA FRANK MÄCHLER / DPA MAXIMILIAN STOCK / BW PHOTOAGENTUR leihen. Und allesganzlegal. ordentlichAbleben seinenHenker für be- und seineLebensversicherung vor dem tinen-Gebühr berappen, Sterbehonorar ein zumTode Verurteilter nochGuillo- tier kommen einem dabeivor, alsmüsseda Cognis studieren (sieheSeite 74). an derÜbernahme derHenkel-Tochter Folterinstrumente lässtsichwunderbar ganze finanztechnischer Instrumentarium men seinerchaotischenÜbernahme des verlangt. Blackstone etwa kassierte im Rah- Firmen Beratungsgebühren allerArtab- riskieren. fen, ohneallzuvieleigenes Kapital zu geschäfte. DiePE-Leute können aufkau- denn esverheißt auchihnengute Zins- Banken spielen dasSpielnurzugern mit, quasi ihren eigenen Verkauf bezahlen. nehmen zulassen,mitdenendiedann schlag weiterverkauft. Soweit derIdealfall. gelagert undumgebaut, amEndemitAuf- komplette Unternehmen. Dannwird aus- sie erklärt. schaft“. DieVokabel kaschiertmehr, als in Deutschlandals„Beteiligungsgesell- rende Krenz-Firma Permira sich definiert schenes Etikett. Auch operie- dieglobal istnichtvielmehralseinverwa-Begriff wie „privates Beteiligungskapital“. Der chen (PE), was sovielheißt Manche derGeschichten ausdemMe- Gern auchwerden denübernommenen Am liebsten kaufen dieFondsmanager nen Verantwortung dafür. Das de, derBelegschaft unddereige- vom Objektdereinstigen Begier- Gewinn verabschieden kann– nach wenigen Jahren mitdeftigem sich dieBeteiligungsgesellschaft aus denBilanzen gepresst, bevor waren esweitere 45Millionen. „Beratungshonorar“. ImFolgejahr im Jahr200465MillionenDollar Chemiekonzerns Celaneseallein dem Dealüberhöhte Kredite auf- die übernommenen Betriebe nach gerichtet. geräuschloselem aufs Auspressen Ihre ganze Kreativität ist vor al- räumen diePE-Profis überall ab. DasGeld nagementmethoden. Resultat bisweilen brachialer Ma- dabei keine Hexerei, sondern ihren Investoren verheißen, sind das Gewerbe dergroßen Verspre- SiebenSat.1. und seineCo-Investoren beiPro- mensverkäufer wieHaimSaban traumhafte Unterneh- Zeiten für Anlagedruck. Essinddeshalb den Fonds wächst aberauchder Casino-Glückssträhne klingen. Mit lich mehr. EssindZahlen,dienach guten Ton. Manchmalsogardeut- Und eswerden stilleReserven Sehr beliebtistbeispielsweise, Die Traum-Renditen, diesie Im Angelsächsischen nenntsich Ohne dass die Bundesbürger es recht merken, übernehmen Krenz & Co. die Sammler und Jäger Das Geschäft der Private-Equity-Unternehmen Kontrolle über Unternehmen und Arbeits- plätze, Leben und Alltag. Die Dusch- Mittelaufkommen europäischer 1. Fonds auflegen Pensions- armaturen von Grohe und die Autobahn- Private-Equity-Fonds restaurants von Tank & Rast, die Werk- Private-Equity-Unternehmen legen 2005, nach fonds stattkette ATU, die Mietwagen von Hertz ständig neue Fonds auf und werben Herkunft Sonstige 24,8 % dafür weltweit Kapital ein. 17,5% und Europcar? Jede Woche werden neue 2006 flossen schätzungsweise rund Private Übernahmen gemeldet. Investoren 6,0% Allein am vorigen Freitag hatten Permi- 300 Milliarden Dollar Staatliche 9,9% Banken ra und KKR die Schlagzeilen der Wirt- in diese Anlageform. Einrichtungen 17,6 % schaftsblätter mit ihrer ProSieben-Über- 11,1% nahme keineswegs für sich allein. Gleich- Versicherungen 13,1 % zeitig wurde die Übernahme der australi- schen Fluggesellschaft Qantas und der Quelle: EVCA Fondsgesellschaften österreichischen Gewerkschaftsbank Ba- wag bekannt – und alle gehen an Finanz- Eigenkapital- investoren. 2. Unternehmen kaufen Was darf’s denn sein? Die Sportstudios anteil bei 36 Mit dem eingesammelten Kapital kaufen Übernahmen von Fitness First, die Kaufhäuser von in Prozent die Investoren Unternehmen oder Beteili- 34 Karstadt Kompakt, die Autotürschlösser gungen. Ein großer Teil der Kaufsumme Quelle: EVCA von Kiekert oder die Gartengeräte von wird dabei über Kredite finanziert. 32 Gardena? 2000 2001 2002 2003 2004 2005 All diese Firmen – Marktgrößen, Mit- telständler und Imperien – sind bereits im Besitz verschwiegener Beteiligungsgesell- 3. Gewinne hochtreiben ... Gewinnentwicklung am Beispiel schaften. Wie letztlich sogar der bundes- z. B. durch: der ProSiebenSat.1 Media AG deutsche Müll, denn auch das Duale Sys- • Personalabbau und Rationalisierung Betriebsergebnis in Mio. ¤ 455 tem hat einen Besitzer aus dem Investo- • Verkauf defizitärer Bereiche Pro- rengewerbe. Es ist niemand anders als • Zusammenlegung von Bereichen 384 gnose KKR. • Sparprogramme Geld dafür ist weltweit in rauen Mengen 286 Übernahme durch vorhanden. Nach dem Zusammenbruch ... oder ausschlachten Investoren um der Börsen vor einigen Jahren wurde im z. B. durch: Haim Saban globalen Stil umgeschichtet. Raus aus Ak- tien oder Fonds – rein ins Hoffnungs- • Abräumen des Firmenvermögens 131 • Zerschlagung des Unternehmens und 108 geschäft der vermeintlichen Geldregen- Verkauf lukrativer Unternehmensteile 2002 2003 2004 2005 2006 macher von Permira & Co. • Stopp von Investitionen Private-Equity-Gesellschaften sind nichts • teure Beraterverträge der Investoren anderes als Verwalter, die im Auftrag Drit- ter tätig sind. Nur eben mit etwas rabiate- ren und riskanteren Methoden als her- 4. Ausstieg mit Profit Durchschnittliche jährliche Rendite kömmliche Investmentfonds. Vor allem aber – solange es gutgeht – mit deutlich Nach der Sanierung wird das Unternehmen Internationale Aktienfonds (20 Jahre) mit oft riesigen Gewinnmargen verkauft oder höheren Renditen. an die Börse gebracht. 6,1% Es ist definitiv keine Anlageform für Die Kredite werden abgelöst, und der Gewinn Kleinsparer, auch wenn viele Banken jetzt fließt an die Investoren. Europäische Private-Equity-Fonds seit 1980 mit entsprechenden Fonds und Zertifika- 10,3% ten werben. Die bekannteren Beteili- Bei zuvor ausgeschlachteten Firmen gungsgesellschaften verlangen inzwischen werden die restlichen Unternehmens- davon: reine Übernahmefonds Mindesteinlagen von mehreren Millionen Dollar. Entsprechend sind es vor allem in- teile veräußert – im schlimmsten Fall 13,7% bleibt nur noch der Konkurs. stitutionelle Anleger wie große Pensions- kassen, Versicherungen, Stiftungen und Quelle: Börsen-Zeitung, EVCA sehr wohlhabende Einzelpersonen oder Familien, die den Fonds ihr Geld anver- Sonderdividenden und phantasievolle Permira, KKR oder Apax, Blackstone oder trauen. Und auch sie haben kein allzu Gebühren, horrende Beratungshonorare Texas Pacific dirigiert. 800000 Jobs hän- großes Interesse, darüber zu reden. und Cash-Katheter zu den Neu-Eigentü- gen bereits vom Wohlwollen solcher Fir- Es ist ja auch paradox: Ausgerechnet su- mern – die Möglichkeiten des Gewerbes menjäger ab. Ihre Umsätze entsprechen per-konservative Pensionskassen wie die sind ebenso kompliziert wie wirkungsvoll. sieben Prozent des hiesigen Bruttoinlands- kalifonische Calpers, in die unter anderem So kauft sich die Private-Equity-Branche produkts. die Feuerwehrleute des Sonnenstaates ein- momentan quer durch die gesamte deut- Der Nähmaschinenhersteller Pfaff und zahlen, befeuern das Geschäft mit dem sche Wirtschaft. Und dabei geht es nicht die Modellbahnbauer von Märklin, die Tief- Risikokapital. Calpers allein verwaltet der- mehr um ein paar notleidende Klitschen. kühlgröße Iglo, der Brillenproduzent Ro- zeit insgesamt 218 Milliarden Dollar. Noch Es geht um den Schluss- und Ausverkauf denstock oder die verblassende Mode-Per- skurriler: Gut möglich, dass der Fließ- der Deutschland AG. le Jil Sander? Alles schon in der Hand ver- bandarbeiter, der fleißig für seine Alters- Mehr als 5700 Unternehmen werden al- schwiegener Investoren, die vor allem drei versorgung einzahlt, damit letztendlich ei- lein hierzulande schon von PE-Firmen wie Ziele verfolgen: Rendite, Rendite, Rendite. nen Private-Equity-Fonds finanziert, der

der spiegel 51/2006 67 Titel Euro-Vision aus Unterföhring Die neuen Herren von ProSiebenSat.1 planen einen paneuropäischen Medienkonzern.

er Spielfilm kommt aus der edlen gesetzt. Heute kann er den hiesigen Kar- Gemeinsam hatten die 1976 gegründe- US-Fernsehschmiede HBO („Sex tell- und Medienkonzentrationswächtern te KKR und die seit 1986 in Deutschland Dand the City“), er gewann einen dankbar sein, dass sie den beschlossenen aktive Permira im vorigen Jahr für rund Emmy und zwei Golden Globes, und er Verkauf der Hälfte der hiesigen Privat- 2,1 Milliarden Euro nämlich die europäi- lief in den neunziger Jahren mehrfach senderlandschaft Anfang dieses Jahres sche Senderkette SBS erworben – mit auf ProSieben und Kabel eins. Ob er auf mit ihrem Veto verhinderten. Ihre Absage zahlreichen TV-, Radiosendern und Pay- den Kanälen der ProSiebenSat.1 Media war für Saban und seine Co-Investoren TV-Kanälen (siehe Grafik). AG künftig noch einmal zu sehen sein letztlich viele Millionen wert. In der elfseitigen Präsentation („streng wird, ist eher fraglich. KKR und Permira bezahlen 28,71 Euro vertraulich“) ist von einem „aus Deutsch- Denn das TV-Movie mit dem eher pro Stammaktie, der Axel-Springer-Kon- land heraus agierenden, europäischen spröden deutschen Titel „Der Konzern“ zern hatte 23,37 Euro geboten. Saban und und integrierten TV-, Radio und Print- behandelt eine wahre Begebenheit: die seine Partner selbst hatten bei ihrem Ein- konzern“ die Rede, „der sich wie kein legendäre Übernahmeschlacht um den stieg ein Jahr nach der spektakulären anderes europäisches Medienunterneh- US-Lebensmittelriesen RJR Nabisco men geografisch und inhaltlich er- (Salem-Zigaretten), aus der eine Be- gänzt“. Tatsächlich kommen zu den teiligungsgesellschaft namens Kohl- Angriff auf RTL in Deutschland, Österreich und der berg Kravis Roberts & Co. siegreich Schweiz 5 frei empfangbaren Kanä- hervorging – kurz KKR. UMSATZ AKTIVITÄTEN ERREICHTE len der ProSiebenSat.1-Senderfami- Der Originaltitel war irgendwie in Mrd. Euro HAUSHALTE lie nun 19 weitere werbefinanzierte griffiger: „Barbarians at the Gate“ – 2005 in Mio. Sender in den Niederlanden, in Bel- „Barbaren vor den Toren“. So hieß 19 TV-Sender gien, Skandinavien und auf osteuro- auch der Buchbestseller, der als Vor- 0,88 4 Pay-TV-Bouquets päischen Märkten. Intensiver als lage diente. 24 Radiosender 40 ProSiebenSat.1 mit den zwei neuen Am vorigen Donnerstag fielen die in 10 europäischen Bezahlkanälen (Sat.1 Comedy, Ka- Ländern beschriebenen Barbaren bei den bel eins classics) ist SBS vor allem Bajuwaren ein. Zusammen mit den 5 TV-Sender in Skandinavien mit Canal+ auch Private Equity-Kollegen von Permira 1,99 2 Pay-TV-Kanäle 44 im Pay-TV aktiv, zudem hält der übernimmt KKR über eine gemeinsa- in Deutschland Konzern ein paar Programmzeit- me Gesellschaft namens Lavena Hol- schriften. ding 4 Deutschlands größten kom- zum Vergleich: Das Ziel der Zusammenführung, merziellen Fernsehanbieter mit Sitz 39 TV-Sender die nach den Worten des Permira- in München-Unterföhring für rund 3,1 33 Radiosender Managers Götz Mäuser so schnell Milliarden Euro – dazu kommen noch in 11 europäischen wie möglich erfolgen soll, sind Ländern; Kosten eines freiwilligen Übernahme- 5,12 TV-Produktionsfirmen 172 neben erhofften Synergieeffekten angebots für die übrigen Aktionäre. etwa beim Rechteeinkauf laut Prä- 3 Pay-TV-Kanäle Das Szenario löste in Bayern indes in Deutschland sentation vor allem höhere Umsatz- eher Erleichterung als Entsetzen aus. renditen: „Die kombinierte Gruppe Ministerpräsident Edmund Stoiber verspricht eine weitere Margenver- freute sich schon über den Aufstieg des Kirch-Insolvenz für das Papier einst 7,50 besserung.“ Aktuell liegt die Rendite dem Medienstandorts München in die erste Euro bezahlt. Papier zufolge bei ProSiebenSat.1 bei europäische Liga des Fernsehgeschäfts. Saban hat seinen Eigenkapitaleinsatz etwa 23,2 Prozent, bei SBS bei rund 20,2 Das erinnert an den letzten Verkauf und den seiner Mitinvestoren damit ver- Prozent. Damit liege man „im Vergleich vor dreieinhalb Jahren an den amerika- vielfacht. Er verabschiedete sich gewohnt mit den direkten Wettbewerbern als nisch-israelischen Medieninvestor Haim jovial per Telefonschalte: „Ich liebe die kombinierte Gruppe deutlich unter dem Saban und seine sieben weiteren German deutschen Kartellbehörden.“ Durchschnitt“. Media Partners – ebenfalls allesamt Die neuen Eigentümer setzten sich ge- Wie genau sie die Rendite maximieren Finanzinvestoren. Auch damals gab es gen die konkurrierenden Bietergruppen und somit auch den mehr als sportlichen warme Worte, gemeinsame Diners in der Apax/Goldman Sachs und zuletzt vor Kaufpreis rechtfertigen wollen, dazu hiel- Staatskanzlei und glamouröse Auftritte allem gegen die türkische Dogan Medien- ten sich die neuen ProSiebenSat.1-In- bei Branchenveranstaltungen wie den gruppe laut Verhandlungskreisen nicht haber am Freitag bedeckt. Dafür lieferten Medientagen München. Die Leidenschaft nur mit ihrer finanziellen Offerte durch, sie eine klare Kampfansage an die RTL kühlte indes rasch deutlich ab – auf bei- sondern auch durch ihr Konzept – das Group – die bislang noch mehr als dop- den Seiten. sie im Vorfeld neben den Verkäufern und pelt so viele Haushalte erreicht wie die Saban hatte trotz aller öffentlichen dem ProSieben-Management auch der Kombination aus ProSiebenSat.1 und Beteuerungen, am Medienstandort nach- Bayerischen Staatskanzlei zur Kenntnis SBS. Erklärtes Ziel sei es, „die Nummer haltig und langfristig wirken zu wollen, brachten: Es ist die Blaupause eines euro- eins in Europa zu werden“, so KKR-Eu- im vorigen Jahr schon einmal seine päischen Medienkonzerns, eine Euro- ropa-Chef Johannes Huth. Ohne weitere Unterschrift unter einen Verkaufsvertrag Vision aus Unterföhring sozusagen. Akquisitionen ist das nicht zu schaffen.

68 der spiegel 51/2006 seine Firma übernimmt und seinen Arbeitsplatz ins Ausland verlagert. Bis vor kurzem spielte der Bereich „Private Equity“ für die Renten- riesen und Versicherun- gen noch eine marginale Rolle – wegen der enor- men Risiken steckten sie allenfalls ein oder zwei Prozent ihres Kapitals in solche Fonds. Doch die enormen Renditen ma- chen auch die mächtigen Entscheider bei Calpers und Co. immer gieriger: Viele Kassen weiteten ihr PE-Engagement massiv aus, manche auf bis zu zehn Prozent und sogar darüber. Ein riskantes Spiel mit den Altersbezü- gen, wie zuletzt die Plei-

HOLLANDSE HOOGTE / LAIF HOOGTE HOLLANDSE te des Hedgefonds Ama- SBS-Konzernsitz in Amsterdam: „Wir wollen die Nummer eins in Europa werden“ ranth zeigte: Die Renten- kasse der Bezirks San Diego verlor dabei Gelegenheiten gäbe es genug. Derzeit Auch in Sachen Management verspre- 105 Millionen Dollar. gilt etwa der britische TV-Konzern ITV chen die neuen Eigner Stabilität. Im Um- Doch der Boom ist ungebrochen, im Ge- als Übernahmekandidat. feld der Investoren ist zu erfahren, dass genteil: In diesem Jahr dürfte das Private- Insgesamt waren die neuen Eigen- sie – wie bei Private-Equity-Übernah- Equity-Gewerbe weltweit Firmen im Wert tümer am Freitag bemüht, Bedenken vor men nicht unüblich – für leitende Mit- von 600 Milliarden Dollar übernommen möglichen negativen Folgen eines Ver- arbeiter ein breites Aktienbeteiligungs- haben. Das ist fast doppelt so viel wie kaufs von Finanzinvestoren an Finanz- programm anbieten werden, um sie auf noch 2005. investoren („Secondary Buy-out“) zu den gemeinsamen Kurs einzuschwören. Im Sommer fädelte ein Konsortium drei- zerstreuen und sich von klassischen Heu- Von den TV-Programmen und deren er Finanzinvestoren die Übernahme des schrecken-Methoden zu distanzieren. Inhalten war am Freitag so gut wie gar US-Klinikbetreibers HCA ein. Die Rekord- So gaben KKR und Permira, die nicht nicht die Rede, darum geht es beim Pri- Transaktion kostete 33 Milliarden Dollar. mit Problemen bei den Kartellbehörden vatfernsehen, das zunehmend zum Pri- Kürzlich erst lotete KKR eine Übernahme rechnen und deshalb davon ausgehen, vate-Equity-Fernsehen mutiert, nur noch des französischen Medienriesen Vivendi den Kaufprozess Anfang 2007 abschlie- am Rande. aus – es kursierten Transaktionssummen ßen zu können, weitgehende Arbeits- Konsequenterweise wurden die neuen um 40 Milliarden Euro. platz- und Standortgarantien ab. Eigner schon mal nach ihren Exit-Plä- Deutschland ist in dem weltweiten Ge- nen befragt. Dafür sei es schacher aus mehreren Gründen zu einem vielleicht noch ein biss- der Hauptkriegsschauplätze geworden: Die chen früh, schließlich habe alte Deutschland AG mit ihren einst eng- man die Aktien technisch maschigen Beteiligungsnetzen der großen noch gar nicht im eige- Banken und Konzerne hat sich in wenigen nen Besitz, so die neuen Jahren fast vollständig aufgelöst. Die neue Eigentümer. Der Invest- Freiheit und Selbständigkeit macht aber menthorizont von KKR auch anfällig für Angreifer. erstrecke sich aber für Zudem haben sich in den Jahren der gewöhnlich auf etwa fünf Flaute nach dem Börsenkater viele hiesige Jahre. Firmen durchaus ordentlich selbst saniert. Man kann es wohl auch Etliche stehen wieder blendend da. Nur so sehen: Der nächste an Eigenkapital fehlt es oft. Und so sind Verkaufsprozess hat ge- auch gesunde Weltmarktführer außeror- rade begonnen. Bleibt zu dentlich günstig zu haben. hoffen, dass er anders Dazu kommen die Nachfolgeprobleme ausgeht als die zu Holly- vieler Familienbetriebe. Was sollen die al- wood-Ehren gekommene ten Gründer tun, wenn da plötzlich junge Nabisco-Übernahme. Für smarte Manager aus London oder Frank- den Lebensmittelriesen furt mit dem Ende aller Finanzsorgen win- begann nach dem Kauf ken? Es gibt wirklich furchtbarere Schick- durch KKR eine Krisen- sale, als plötzlich mit Geld zugeschüttet zu

TIMM SCHAMBERGER / DDP zeit. Später wurde er zer- werden. Scheidender Investor Saban: Ich liebe die Behörden schlagen. Inzwischen sind es nicht mehr nur klei- nere oder größere Mittelständler, die über- nommen werden. Angesichts des vielen

der spiegel 51/2006 69 FRANK MAY / PICTURE-ALLIANCE / DPA / PICTURE-ALLIANCE MAY FRANK Potentielles Übernahmeobjekt Lufthansa: Solch große Ziele sind keine Frage des Geldes, eher des öffentlichen Aufschreis

Geldes, das die PE-Branche anhäuft, dien-Erfahrung“ machte ihm offenbar Lust ta. Seine Bilanzen sind hervorragend. mischt sie in immer größeren Dimensionen auf deutlich mehr. Noch. mit – und dabei in immer sensibleren Be- Sie sind also längst überall. Und sie Im Fall der Gabelstapler gibt es Job-Ga- reichen. fangen an, aus der Bundesrepublik einen rantien, durchaus langfristige Geschäfts- Seit dem Frühjahr hält die US-Private- Hort unverhohlenen Effizienzdenkens zu pläne und sogar die beruhigenden Worte Equity-Firma Blackstone 4,5 Prozent an machen. von Betriebsräten – die sich im Bieterver- der Deutschen Telekom – und wird damit Ja – und? Ist das denn so schlimm? Man fahren übrigens vehement gegen ein in die- sogar dem eigenen Branchen-Grundsatz könnte doch auch argumentieren, dass es sem Fall konkurrierendes Angebot von untreu, eigentlich nur klare Mehrheiten zu letztlich egal ist, wem eine Firma gehört. Permira eingesetzt hatten. Aber selbst hier erobern. Die 80000 Wohnungen der Im- Hauptsache, sie ist gesund, wetterfest in wird ein Teil der Kreditlast gleich dem Un- mobiliengesellschaft Gagfah gingen 2004 den Stürmen der Globalisierung und aus- ternehmen selbst aufgebürdet. in den Besitz von Fortress über. Andere gestattet mit einer anständigen Produkt- Die Belegschaft fürchtet sich vor den Wohnungsbaukonglomerate werden fol- palette. Aber genau da fangen die Proble- möglichen Folgen. Je höher der Preis, gen, denn auch viele deutsche Städte brau- me an. Denn darum geht es gar nicht. umso aggressiver und schneller muss wo- chen dringend frisches Geld. Die übernommenen Unternehmen tau- möglich das Unternehmen selbst nach dem Und das ist noch lange nicht alles. Ge- gen den Eroberern nur noch als Transmis- Kauf ausgequetscht werden. rade das Mediengeschäft lockt – neben ih- sionsriemen ihrer Profitversprechen. Sie „Buy it, strip it, flip it“, so das Credo der rer wachsenden Marktmacht kumulieren sind ihnen nicht verpflichtet. Sie verfolgen PE-Branche. Kauf es, zieh es aus, wirf es weg! Finanzinvestoren auch zunehmend Mei- keine langfristige Strategie. Also Oft sind Firmen nach solchen nungsmacht, und das nicht nur im über- wird in immer rasanteren Zyklen Crashkursen in puncto Turbo- wiegend werbefinanzierten Fernsehen der ein- und wieder ausgestiegen. Wer plant kapitalismus nicht mehr wie- ProSiebenSat.1 Media AG: Die Nachrich- Auch die Beteiligungsfirmen noch derzuerkennen: Bis nah an den tenagentur DDP ist ebenso in der Hand sind Getriebene – der eigenen langfristige Hungertod verschlankt, drohen von Beteiligungsfirmen wie das Bezahl- Versprechen wie der Erwartun- Ziele, wenn sie unter der Last jener Kredite fernsehen von Arena. Der britische Inves- gen des fremden Kapitals, aber nur noch zusammenzubrechen, die ihnen tor David Montgomery hat mit Hilfe von auch des wachsenden Konkur- die neuen Besitzer zugemutet Fonds erst die „Berliner Zeitung“ gekauft, renzdrucks ihres Gewerbes. Quartalszah- haben. Weit verheerender noch dann die „Hamburger Morgenpost“ und Geld ist noch immer da. Auf len zählen? sind in dem gigantischen Geld- schaut sich nun nach weiteren Blättern um. rund drei Billionen Dollar schät- vermehrungszauber aber ganz Permira-Boss Krenz war auch hier einer zen Experten das weltweit ver- andere Folgen. der Pioniere. Aus der Insolvenzmasse des fügbare Kapital inklusive Fremdkapital. Denn wo zum Beispiel bleiben in den untergegangenen Medienimperiums von Aber weil die interessanten Übernahme- Geschäftsmodellen der neuen Besitzer so Leo Kirch hatte er 2003 für insgesamt rund objekte immer knapper werden, steigen schwer berechenbare Größen wie For- 220 Millionen Euro mehrheitlich dessen auch die Preise. schung und Entwicklung? Wieso soll eine größtes Sorgenkind übernommen, den Die Gabelstapler-Sparte der Linde Firma riskante Innovationen bezahlen, Pay-TV-Anbieter Premiere. Sofort nach Group ging gerade für vier Milliarden Euro deren Ertragskraft sich bisweilen erst Ablauf der Sperrfristen nach dem Börsen- an ein PE-Konsortium – auch hier mit von Jahre später erschließt? Wer plant über- gang 2005 verkaufte er das Gros der An- der teuren Partie: KKR. haupt noch langfristig und strategisch teile wieder, vor wenigen Wochen auch Das deutsche Unternehmen mit dem unternehmerische Schritte, wenn doch noch den kleinen Rest – insgesamt für ein Kunstnamen Kion ist auf dem Welt- nur noch Quartalszahlen von Bedeu- Vielfaches seines Einsatzes. Diese „Me- markt die Nummer zwei hinter Toyo- tung sind?

70 der spiegel 51/2006 Titel

Das große Fressen des Finanzmarkts hat le abschließenden Urteile fällen zu kön- ten und am Aktienkurs, der den Plänen auch eine makroökonomische Komponen- nen – aber die ersten Opfer sind bereits zu der Investoren davongeeilt war. te. Denn was wird aus einer Volkswirt- besichtigen. Grundsätzlich aber sind solche Ziele kei- schaft, in der alle Manager, Ingenieure Dazu gehört die extrem verschuldete ne Frage des Geldes mehr – eher eine des oder Firmen nur noch dem kurzfristigen Celanese, das alte Chemiegeschäft der öffentlichen Aufschreis, den man mit ein- Cash-Gewinn hinterherhecheln? Wann Hoechst AG. Der Telekommunikations- preisen müsste. Außerdem könnten kla- also erstickt diese einst so stolze deutsche dienstleister Tenovis und der Autozuliefe- gende Kleinaktionäre eine Übernahme un- Industrie unter dem Diktat der neu- rer Kiekert wurden gar an den Rand des kalkulierbar verzögern. verordneten Kurzatmigkeit? Und, vor Was wird aus der deutschen Wirt- allem: Welche gesamtgesellschaftlichen schaft, wenn sich das Geschäftsmodell Konsequenzen hat es eigentlich, wenn der Beteiligungsgesellschaften immer derart bedeutende Teile der deutschen mehr durchsetzt? Wenn kurzfristiger Wirtschaft auf dem Grabbeltisch lan- Erfolg zum alleinigen Maßstab wird? den? Schlimme, prophezeit Dieter „Heuschrecken“ nannte der dama- Heuskel. lige SPD-Vorsitzende Franz Müntefe- Der Mann ist kein apokalyptischer ring die marodierenden Wesen der mo- Sozialdemokrat oder bornierter Ge- dernen Hochfinanz vor der jüngsten werkschafts-Betonkopf. Er ist promo- Bundestagswahl. Der Begriff machte vierter Volkswirt und noch bis Ende Karriere. des Jahres Deutschland-Chef der re- Zeitungen veröffentlichten danach nommierten Unternehmensberatung Listen mit den bekanntesten Akteu- Boston Consulting. Heuskel warnt da- ren. Sie sahen aus wie Fahndungsauf- vor, dass sich die hiesige Unterneh- rufe. Auch Permira-Chef Krenz fand menskultur durch die neuen Finanz- sein Bild darin wieder und war not jongleure dramatisch ändern wird. amused. Er sieht die Zeichen einer „tiefgrei- Krenz hat recht – Müntefering auch. fenden Neuordnung der Eigentümer- Nur: Der SPD-Mann hatte auch kein strukturen“. Und er befürchtet „eine probates Gegenmittel. Und vor allem massive Umverteilung von Wert und steht er unter dem Generalverdacht Gewinn aus der Zukunft in die Ge- DARCHINGER MARC des Populismus, denn selbst seine ei- genwart“. gene Regierung kollaboriert mit die- Kurz: Private Equity lebt seiner An- sen „Heuschrecken“, wenn es denn sicht nach davon, dass das Morgen passt. schon heute versilbert wird. Es ist schon eine besondere Ironie, Heuskel tut dabei etwas fast schon dass der SPD-Fraktionschef Peter Romantisches: Er proklamiert die ge- Struck die finanzmarktfreundliche Un- sellschaftliche Verantwortung der ternehmenspolitik des Telekom-Mana- Unternehmen und ihr langfristiges gements kritisiert. Denn es war der Engagement. Er weiß zugleich, dass Bund, der Blackstone in den Kreis der viele von denen gar keine Chance Telekom-Aktionäre holte, um für fri- mehr bekommen werden, sich für schen Wind zu sorgen. derart altmodische Werte starkzu- Als Verkehrsminister hat Müntefe- machen. ring 1998 die staatliche Restaurant- und Mit seiner Warnung steht der Bos- Zapfsäulen-Kette Tank & Rast vom ton-Consulting-Chef nicht allein: Der Bund an PE-Firmen verkauft. deutsche Rechtswissenschaftler Uwe Noch weniger Berührungsängste vor H. Schneider wettert gegen die neue der Branche hat der frühere Finanz- Generation der „Eigenkapitalräuber“. minister Theo Waigel – er hat mit der Das liberale US-Wirtschaftsmaga- Texas Pacific Group ausgerechnet das zin „Business Week“ beschrieb die PE-Unternehmen beraten, das durch Private-Equity-Ära als „Geschichte die Umstände seiner Grohe-Übernah-

eines Exzesses“. Und sogar in der UNGER MARC-STEFFEN me Müntefering erst zu seinem Insek- durchaus zum Größenwahn neigenden Koalitionspolitiker Steinbrück, Merkel, Müntefering ten-Vergleich inspirierte. Branche selbst mehrt sich die Selbst- Merkwürdig arg- und kritiklos Und die Deals zwischen öffentlicher kritik. Hand und privatem Beteiligungskapital „Wir glauben wieder, dass wir alles in Exitus gemanagt. Beide erwiesen als Fehl- haben gerade erst begonnen. Nur am Veto Gold verwandeln können“, sagte Arthur investition für die Investoren. des Bundespräsidenten scheiterte vor we- Levitt, Berater der US-Beteiligungsgesell- Die Angst in der deutschen Wirtschaft nigen Wochen der geplante Verkauf der schaft Carlyle unlängst bei einer Bran- wächst. Die Kassen der Beteiligungsgesell- Deutschen Flugsicherung. Neben der Luft- chenkonferenz in Genf. Levitt war früher schaften sind so dick gefüllt, da scheint es hansa waren auch etliche Fonds inter- Chef der amerikanischen Wertpapierauf- nur noch eine Frage der Zeit, bis sie sich an essiert. sicht und hat als Orakel einen untadeligen die Großen der deutschen Wirtschaft her- Selbst der Deutsche Gewerkschaftsbund Ruf. In den neunziger Jahren warnte er anwagen – an Siemens, Telekom, Daim- ist nicht frei von dieser Doppelzüngigkeit. frühzeitig vor einer Börsen-Blase. Mit der lerChrysler oder die Lufthansa. Im Sep- Einerseits geißelt er den „Spekulations- gleichen Düsternis tadelt er nun, dass die tember hatte ein Konsortium um den US- verkauf“ von Immobilien der Stadt PE-Branche „starke Anreize für unmorali- Finanzinvestor Bain erstmals versucht, ein Dresden an die PE-Gesellschaft Fortress. sches Verhalten“ schaffe. Dax-Unternehmen zu kapern. Die Über- Andererseits verkaufte die Gewerkschafts- Die Ära der neuen Bilanzakrobaten ist nahme des Reifenherstellers Continental holding vor einem Jahr über 20000 Woh- in Deutschland noch zu jung, um allzu vie- scheiterte, am Unvermögen der Beteilig- nungen für eine Milliarde Euro an die

der spiegel 51/2006 71 Titel Chronik einer Plünderung Wie Finanzinvestoren mit allen Tricks die einst gesunde Henkel-Tochter Cognis auspressten

m rheinischen Monheim setzen Mana- Bereits kurz nach der Übernahme war nisiert – wofür Millionenhonorare fällig ger gern auf den Wohlfühlfaktor. Die die Eigenkapitalquote so auf schwind- wurden. IChefs des Chemiekonzerns Cognis süchtige 4,1 Prozent gefallen. Die Kre- Im Januar 2005 wiederholte sich das machen Babyshampoos milde, sorgen dite, die das Unternehmen bedienen muss- Schauspiel. Wieder war es die Investment- beim Fensterputzen für streifenfreien te, lagen dagegen plötzlich doppelt so bank und Cognis-Eigentümerin Goldman Glanz und glauben gar, „die perfekte hoch: bei 1,8 Milliarden Euro. Die Zinslast Sachs, die gegen stolze Gebühren am Waffe gegen die Hautalterung“ gefunden verwandelte den hohen Vorjahresgewinn Finanzmarkt ein hochriskantes und bei zu haben. Alles steht im Zeichen des neu- im Dezember 2001 in einen Verlust von Hedgefonds beliebtes Schuldenpapier pla- en „Well-being-Verständnis von Cognis mit dem Namen Feelosophy“, verheißt die Werbung. Bei der Belegschaft kommen die Sprüche aus dem eigenen Marketing noch nicht so richtig an. Seit die Beteiligungs- gesellschaft Permira und die US-Invest- mentbank Goldman Sachs bei der ehe- maligen Henkel-Tochter das Sagen haben, drücken wachsende Schulden und blut- rote Bilanzen auf die Stimmung. „Aus Sicht der Beschäftigen wird die Finanzstruktur sehr kritisch gesehen“, sagt Betriebsratschef Thomas Hergarten vor- sichtig. Cognis ist eine Art Blaupause für das Brachial-Management der Private- Equity-Branche. Vor sechs Jahren war noch alles im Lot. Der Düsseldorfer Waschmittelriese Henkel hatte Ende der neunziger Jahre seine Chemiesparte ausgegliedert – und ganz solide finanziert. Cognis-Anlage in Düsseldorf: Bis an die Grenzen ausgereiztes Schönwettermodell Im Geschäftsjahr 2000 verfügte Cognis über ein kräftiges finanzielles Rückgrat. 25 Millionen Euro. Cognis begann auszu- zierte und dafür Cognis 530 Millionen Die Eigenkapitalquote lag deutlich über bluten. Euro besorgte. 30 Prozent, der Gewinn vor Steuern und Zweiter Akt des Schuldendramas: Gold- Auch diese zweite Rekapitalisierung Zinsen bei 221 Millionen Euro. Unter dem man und Permira, die sich nebenbei auf füllte vor allem die Kassen der Aktionäre Strich blieb ein Gewinn von 109 Millionen Kosten von Cognis jährliche Beratungs- weiter auf. Permira und Goldman holten Euro in der Kasse hängen. gebühren in Millionenhöhe gönnten, be- für ihre Großanleger also von den ur- Dennoch wollte Henkel die Ertrags- reiteten für ihre Investoren die Ausschüt- sprünglich investierten Eigengeldern von perle aus strategischen Gründen verkau- tung einer ersten Sonderdividende vor. 450 Millionen Euro beinahe das Doppelte fen. Nach monatelangen Verhandlungen Diese sogenannten Recaps seien „wie zurück: 850 Millionen. standen Preis und Käufer fest. Permira Kokain für die Private-Equity-Branche“, Die Rendite lag bei knapp hundert Pro- und Goldman Sachs boten für Cognis kommentierte Konkurrent und Carlyle- zent in vier Jahren. Und die Firma gehör- 2,5 Milliarden Euro. Der Deal sollte aus- Mitgründer David Rubenstein schon vor te ihnen immer noch. gerechnet am 11. September 2001 unter- einem Jahr. Für die Investoren lief alles nach Plan. schrieben werden, musste aber wegen Tatsächlich saugten die Investoren eine Dank boomender Konjunktur und nied- der Terroranschläge in New York um riesige Summe aus dem Unternehmen. riger Zinsen funktionierte ihr bis an die einen Tag verschoben werden. Jeden- Der neue Finanzchef brachte nach seinem Grenzen ausgereiztes Schönwettermodell falls galt für Cognis ab sofort eine neue Amtsantritt im Frühling 2004 in Luxem- fast perfekt. „Man ist zum Erfolg ver- Zeitrechnung. Klassische Regeln der burg zwei neue Anleihen in Höhe von fast dammt“, schildert ein Ex-Manager die Betriebswirtschaft wurden außer Kraft 600 Millionen Euro an die Börse. Davon dunkle Seite der Schlacht. „Schon bei der gesetzt, Selbstbedienungsmechanismen flossen 320 Millionen Euro nicht in die kleinsten Flaute oder einem Zinsanstieg installiert. Firma, sondern als Sonderdividende di- gibt es ein Riesenproblem.“ Erster Akt der Plünderaktion: Weil die rekt in die Schatullen der Aktionäre. Das tägliche Geschäft von Cognis neuen Eigentümer Permira und Goldman Die dafür aufgenommenen Kredite brummte auch im Jahr 2005 und konnte Sachs zum Kaufpreis nur 450 Millionen führten bei Cognis zu einer neuen Re- mit Ach und Krach den Schuldendienst Euro eigenes Kapital beigesteuert hatten, kordverschuldung von beinahe zwei Mil- erfüllen. Vor allem die immensen Zins- musste der Rest mit neuen Schulden fi- liarden Euro. Die Plazierung der Anleihe kosten sorgten allerdings für einen neuen nanziert werden – auf Kosten von Cognis. an der Börse hatte Goldman Sachs orga- Rekordverlust von 136 Millionen Euro.

74 der spiegel 51/2006 US-Beteiligungsfirma Cerberus (in der AG. Das Geld sollte ihm die Türen öffnen griechischen Mythologie der Höllenhund). zu verkaufswilligen deutschen Firmen-In- Was früher ein Fall für den Insolvenz- Nach einer klaren Linie sollte man in die- habern. Es musste ja nicht gleich ein Riese richter war, heißt heute „financial engi- sem riesigen Poker gar nicht mehr Aus- sein wie der US-Nahrungsmittel-Multi Na- neering“. Als einziger deutscher Milliar- schau halten. bisco, der 1988 für 25 Milliarden Dollar in denkonzern hatte Cognis mehr Schulden Einerseits wird heftig und monatelang PE-Besitz überging – eine frühe und lang als Vermögen – und lebte erstaunlicher- darum gestritten, die Gehälter der Top- anhaltende Rekordmarke. Einer wie Krenz weise immer noch. Manager zu veröffentlichen, um mehr scheiterte meist schon am Telefon, in den Jetzt war die Zeit reif für den drit- Transparenz zu schaffen. Andererseits Vorzimmern der alten Macht. Sie nahmen ten Akt. Doch der im Frühling dieses weiß man bei Hedgefonds und Private ihn nicht ernst – oder gar nicht erst wahr. Jahres angekündigte Verkauf scheiter- Equity oft nicht einmal, wer mit wessen Vor 20 Jahren gehörte es noch zum gu- te überraschend. Niemand wollte den Geld da gerade welchen Konzern angreift. ten Ton, dass man – wenn überhaupt – sei- von Permira und Goldman geforderten Einerseits verbieten Kartellamt und ne Firma an den Stärksten verkauft, an Preis zahlen, dessen Finanzierung für Konzentrationskontrolleure hierzulande den Marktführer. Jedenfalls nicht an ir- Cognis wohl eine noch höhere und mit Hinweis auf drohende Markt- und Mei- gendwelche Milchbubis mit Schecks in den vermutlich tödliche Verschuldung zur nungsmacht, dass zum Beispiel ein Verlag Alu-Koffern. Das hätte ja ausgesehen, als Folge gehabt hätte. „Ein Ladenhüter“, wie Axel Springer beim TV-Geschäft von wäre man auf das Geld angewiesen. „Für uns blieben die leftovers“, erinnert sich Krenz im branchenüblichen Deng- lisch-Kauderwelsch. Die Reste also, die La- denhüter, jene Firmen, die wirklich nie- mand haben wollte. Krenz kann darüber heute nur noch lächeln. Er sitzt jetzt in einem schmucklo- sen Neubau am Rande des Frankfurter Uni-Viertels Bockenheim. Die einzige Ex- travaganz im Foyer ist eine Skulptur mit ei- nem Globus. So müssen sie sich fühlen wie die neuen Könige des Universums: allge- genwärtig und allmächtig. Krenz übernahm in den vergangenen sieben Jahren unter anderem die Takko- Modemärkte, die Chemieproduzenten TFL und Cognis, das Brillenimperium von Ro- denstock, den Telekom-Anbieter Debitel und das TV-Geschäft von Premiere. Für die Tiefkühlsparte des britisch-niederlän-

ALEX KRAUS / VARIO IMAGES / VARIO KRAUS ALEX dischen Lebensmittelmultis Unilever und Banker Dibelius (M.) mit Partnern: Riesige Summen aus dem Unternehmen gesaugt die dazugehörende Traditionsmarke Iglo bezahlte er dieses Jahr 1,73 Milliarden spottete die „Frankfurter Allgemeine ProSiebenSat.1 einsteigt. Andererseits kön- Euro. Und sein größter Coup ist jetzt, zu- Zeitung“. nen Fonds wie KKR und Permira jetzt sammen mit KKR, die Übernahme von Die einst stolze Henkel-Tochter verfällt wohl problemlos einen paneuropäischen ProSiebenSat.1. Jetzt lacht niemand mehr derweil immer mehr. Vor zwei Jahren Medienkonzern errichten – und damit den über Krenz. fielen einer Restrukturierung erste Jobs zweitgrößten TV-Konzern Europas. Krenz ist einer dieser Master of the Uni- zum Opfer. Cognis beginnt mittlerweile, Die Gier greift wieder um sich. Und sie verse geworden. Einer, der in der Nah- Unternehmensteile zu veräußern oder la- ist mindestens so gefährlich wie jene, die rungskette des globalen Fressens und Ge- gert sie in Gemeinschaftsunternehmen einst die Internet-Blase aufblähte. Diesmal fressenwerdens weit oben steht. Und er be- mit anderen Chemiefirmen aus. Was wird nicht mit virtuellen Werten findet sich in bester Gesellschaft. keine 20- oder 30-prozentigen Renditen gespielt, dieses Mal geht es um Etliche Managementlegenden schafft, „muss raus“, schildert ein Insider Hunderttausende Jobs, um jahr- Viele haben die Seiten gewechselt. PE die schleichende Zerlegung. zehntelang gewachsene Bran- Manager ist sehr schnell sehr schick ge- Ist es vertretbar, dass die Investoren chen und reale Unternehmen, wechseln ins worden. Es verspricht nicht nur durch die Rekapitalisierungen mehr als die nicht nur Tradition, sondern Gewerbe des Geld, sondern auch neuen Re- ihren Einsatz zurückbekommen und auch glänzende Zahlen und Zu- schnellen spekt. gleichzeitig das Unternehmen derart kunftsaussichten vorzuweisen Der einstige GE-Boss Jack mit Schulden belasten? Wird das Unter- haben. und großen Welch tummelt sich heute in der nehmen am Ende gar zum Spielball Und das alles hat man einem Geldes. Branche ebenso wie der frühere von Schuldenhändlern? Goldman Sachs, Metier zu verdanken, das vor 20 IBM-Chef Louis Gerstner, der dessen Deutschland-Geschäft von Alex- Jahren hier noch kaum jemand heute die einflussreiche Carlyle ander Dibelius geleitet wird, will keine kannte – ja, das sich damals überhaupt erst Group anführt. Zu deren 390 Mitarbeitern Stellung nehmen. „Bei dieser Finan- selbst erschuf. Permira-Chef Krenz kann gehörten auch Ex-US-Präsident George zierungsstruktur trägt nicht Cognis das sich noch gut daran erinnern, wie das alles Bush senior und der frühere britische Pre- höchste Risiko, sondern die Eigenkapi- anfing – und was für eine kleine Nummer mierminister John Major. Von den 400 ver- talgeber und ein Teil der Kreditgeber“, er selbst damals darstellte. mögendsten Amerikanern hat schon jeder verteidigt sich Permira-Chef Thomas Er war Ende zwanzig und ein junger Be- zwanzigste seinen Reichtum dem Geschäft Krenz. triebswirt aus Hamburg, als er mit seinem mit Private Equity zu verdanken. ersten kleinen Fonds unterwegs war in der Auch hierzulande wechseln deshalb vie- damals noch florierenden Deutschland le Top-Manager ins Gewerbe des schnellen

der spiegel 51/2006 75 Titel und vor allem großen Geldes: Ex-Mannes- Vor allem das große Heer der Mittel- rektvertrieb übers Internet ein und lan- mann-Chef Klaus Esser arbeitet in einem ständler ist schlicht zu klein, um sich am cierten neue Produkte. Das ehrwürdige Büro an der Düsseldorfer Flaniermeile Kö Kapitalmarkt neues Geld holen zu kön- Modellbahnmuseum wurde schon in einen für die amerikanische PE-Gesellschaft Ge- nen. 32 Milliarden Euro Eigenkapital ha- notdürftig aufgehübschten Zweckbau aus- neral Atlantic. Und Ron Sommer fädelte ben PE-Firmen so in den vergangenen 20 gelagert, in dem bis vor wenigen Wochen ausgerechnet den Einstieg von Blackstone Jahren meist in kleine und mittlere Firmen noch Fliesen und Badewannen präsentiert bei seinem alten Arbeitgeber Telekom ein. gepumpt. wurden. Plötzlich geht alles sehr schnell. Andere wie der frühere Kaufhof-Chef Jens Der brancheneigene Verband BVK, der Die Übernahme der ebenfalls zum Verkauf Odewald gründen gleich selbst eine Fonds- zu den Verschuldungsexzessen seiner we- stehenden Garten-Modellbahn LGB wird Firma. nigen Mitglieder aus der Weltliga gern geprüft. Es ist ein kleiner, exklusiver Zirkel von schweigt, brüstet sich mit positiven volks- Man weiß noch nicht genau, was der verschwiegenen Spitzenverdienern. Über wirtschaftlichen Effekten. Die Umsätze ganze Aktionismus bringen wird. Aber der den sogenannten Carried Interest oder von Beteiligungsunternehmen seien in der Märklin-Belegschaft ist das allemal lieber Carry partizipieren die Partner, Berater Vergangenheit viermal schneller gestiegen als die alte Agonie, die womöglich gerade- wegs zum Insolvenzrichter ge- KIEKERT führt hätte. Der Hersteller von Oft aber läuft es wie bei Cognis Autotürschlössern oder, wenn es ganz schlimm wurde im Jahr 2000 kommt, sogar wie bei Kiekert. von einem Vorläufer Das Unternehmen dominierte bis von Permira über- vor kurzem den Weltmarkt für nommen. Heute Autotürschlösser. Vor dem Rat- haben die Gläubiger haus am Firmensitz im rheini- das Sagen. schen Heiligenhaus steht ein stählerner Schmied, der auf einen riesigen Amboss eindrischt. Seit 1604 schon werden dort Schlösser pro- duziert. Noch immer ist fast jeder BMW und Mercedes mit Kiekert-Produkten be- stückt. Das Geschäft lief so gut, dass Permira im Jahr 2000 530 Millionen Euro für das Un- ternehmen zahlte. Das war viel Geld. Kurz darauf verlor Kiekert den Großkunden Ford. Ein Drittel des Umsatzes brach weg – wie auch das gesamte Finanzkonstrukt der Permira-Profis. Drei der vier Werke in der Stammre- gion werden dichtgemacht. In Heiligen- haus parken nun Laster, die Billigteile aus

EDGAR R. SCHÖPAL / PHOTOPOOL EDGAR R. SCHÖPAL Tschechien heranschaffen. Der Unterneh- menssitz, wo Anfang des Jahres noch 1500 oder Investment Professionals, wie sie als im Durchschnitt der Wirtschaft, zitieren Menschen arbeiteten, soll verkauft wer- sich auf ihren Visitenkarten nennen, an die Funktionäre „empirische Untersu- den. Die Kiekert-Belegschaft hat einer der Wertentwicklung ihrer Fonds. Nach- chungen“. Die Beschäftigtenzahlen hätten Verlagerung der Produktion an den Stadt- wuchssorgen gibt es denn auch keine. „Wir sich gar um 5 bis 15 Prozent pro Jahr er- rand ebenso zugestimmt wie Entlassun- können uns unter den Elite-Absolventen höht, „während in der Wirtschaft insge- gen und dem Abschied von Urlaubsgeld die Besten der Besten aussuchen“, sagt samt kaum Entlastungen am Arbeitsmarkt bis 2009. Schon unter regulären Bedin- Jens Reidel, Chef von BC Partners. Wer sichtbar waren“. gungen hätte es Kiekert schwer. Doch mit mit 40 noch arbeiten muss, gilt als hoff- Es gibt durchaus Beispiele dafür, dass den hohen Schulden stellte sich schnell nungsloser Fall. Private-Equity-Firmen vor der Pleite und die Existenzfrage. So rücksichtslos viele Heuschrecken bei Belegschaften vor der Arbeitslosigkeit ret- „Permira hat einen Mondpreis bezahlt. ihren Geschäften vorgehen: Es gibt auch die tete. Es gibt diese Fälle, wo die neuen Be- Nun müssen es die Beschäftigten ausba- nützliche Spezies. In den Augen vieler Öko- sitzer nicht nur frisches Geld, sondern auch den“, heißt es bei der IG Metall. Permira- nomen spielt PE eine entscheidende Rolle frischen Wind mitbrachten und am Ende Chef Krenz lässt das so nicht gelten. Er fe- als Motor des volkswirtschaftlichen Um- alle Beteiligten gewannen. dert aus seinem Konferenzsessel und malt baus. „Private-Equity-Gesellschaften erfül- So wurden etwa die Drogeriekette Ihr das ganze Kiekert-Konstrukt in Sekun- len eine wichtige Aufgabe bei der Restruk- Platz oder der Bankautomatenproduzent denschnelle auf ein Flipchart-Blatt. Schuld turierung von konsolidierungsbedürftigen Wincor Nixdorf saniert. Bei Märklin in sind immer die anderen. Und die müssen Industrien“, sagt die Münchner Professo- Göppingen machte sich sogar der Be- es nun eben richten. rin Ann-Kristin Achleitner – Ehefrau von triebsrat dafür stark, dass die alten, unter- Krenz hat die Firma abgeschrieben, Paul Achleitner, Finanzchef des verstärkt einander heillos zerstrittenen Eigentümer- mittlerweile haben die Gläubiger das Sa- in PE investierenden Allianz-Konzerns. familien endlich an einen schneidigen gen. Ein anderes Objekt muss jetzt eben Tatsächlich entsorgen PE-Manager oft Finanzinvestor verkauften. Bei den Bahn- zum Ausgleich 40 Prozent Rendite liefern, den Mief aus Markenunternehmen, sie bastlern stieg Kingsbridge ein – wie zuvor ProSiebenSat.1 vielleicht. Dann ist das De- bauen durch Zukäufe neue, schlagkräftige schon bei der Strumpfdynastie Kunert. bakel verdaut. Unternehmensgruppen – wie etwa die Ver- Nun sind die Familien weg und die neu- „Das Geschäft dreht sich vor allem um bindung aus ProSiebenSat.1 und SBS. Sie en Investoren an Bord. Sie drücken ein das Risiko“, sagt Krenz. Er zieht an sei- liefern vor allem frisches Kapital. neues Preissystem durch, führten den Di- nem Zigarillo. „Der Preis für das Risiko

76 der spiegel 51/2006 Titel ist die Rendite.“ Es klingt ganz einfach. Es los. Zwar schimpft SPD-Chef Kurt Beck, Werksobjekte vom Energieriesen E.on klingt nach Lohn der Angst. ganz in der Tradition des Vizekanzlers übernommen hat. Aber an wem bleibt dieses ominöse Ri- Müntefering: „Das ist nicht die Wirtschaft, In zehn Jahren sollen es eine Million siko am Ende wirklich kleben? An den Be- die wir haben wollen.“ Aber die schwarz- sein. Bereits jetzt haben sich PE-Firmen in teiligungsgesellschaften? An den Banken? rote Regierung unter Kanzlerin Angela Deutschland mehr als 550 000 Wohnungen An den übernommenen Firmen? Beim Merkel will sich im Zeitalter der Globali- einverleibt. Bund, der nach so manchem Rausch der sierung nicht als Bremser des freien Mark- Der Markt kommt gerade erst in Beteiligungsbranche ein paar hundert oder tes brandmarken lassen. Schwung: Berlin, Kiel und Dresden haben tausend neue Arbeits- lose alimentieren muss? Wer bezahlt wirklich? Und wer könnte über- haupt was dagegen tun? Bislang macht es Deutschland den An- greifern leicht. Das zeigt das Beispiel der deut- schen TV-Kabelnetze, die zu Zeiten des Tele- kom-Monopols mit Mil- liarden aus den Telefon- gebühren quer durch die gesamte Republik ver- legt wurden. Im Jahr 2003 übernahmen die PE-Firmen Apax und Providence gemeinsam mit der Investmentbank Goldman Sachs das Un- ternehmen. Preis: 1,73 Milliarden Euro. Eigen- einsatz der neuen Her- ren: minimal. Innerhalb von zwei-

einhalb Jahren saugten KARL HOFFMANN / VISUM sie 1,6 Milliarden aus Beteiligungsobjekt Telekom (in Bonn): Dem eigenen Branchengrundsatz untreu dem Unternehmen, das dadurch tief in die roten Zahlen rutschte. Im Gegenteil: Die steuerliche Absetz- große Tranchen ihrer Bestände schon ver- Beim anschließenden Komplettverkauf an barkeit der Kreditfinanzierung wird vor- kauft. Kleinere Städte wie Halle und Providence sahnten Apax und Goldman aussichtlich weniger eingeschränkt als Schwerin dürften folgen. Allein Nordrhein- Sachs nach Berechnungen der „Bör- ursprünglich geplant. Und 2008 soll ein Westfalen möchte sich mit der Privatisie- sen-Zeitung“ weitere 300 Millionen ab – Private-Equity-Gesetz kommen, es soll rung der Landesentwicklungsgesellschaft jeweils. Deutschland als Sitz für Beteiligungska- LEG bald auf einen Schlag von 100 000 Es war ein wunderbares Geschenk in pital-Gesellschaften attraktiver machen. Wohnungen trennen. Doch es formiert sich einem wunderbaren Land, das Firmenjä- Bislang sind deutsche Gesellschaften ge- auch Widerstand: In Freiburg im Breisgau gern geradezu den Tisch deckt: Die einst- genüber fast allen ausländischen Konkur- stimmten die Bürger kürzlich gegen einen mals mit Gebührengeldern bezahlte Infra- renten steuerlich im Nachteil, Steinbrück Verkauf der kommunalen Wohnungen. struktur wurde regelrecht verschenkt. will das ändern. Ein derart großangelegter Eigentümer- Der Fiskus hatte beim Geschäft mit Die Private-Equity-Branche übernehme wechsel ist in der deutschen Geschichte Kabel Deutschland das Nachsehen: Die „eine wichtige volkswirtschaftliche Funk- ohne Beispiel. auch in diesem Fall künstlich geschaffe- tion bei der Vermittlung von Kapitalange- Nur: Wie sollen nüchterne Plattenbau- nen Schulden sind abzugsfähig. Die Betei- bot und Kapitalnachfrage“ , heißt es in ei- ten und Mietskasernen eigentlich über ligungsfonds haben ihre Sitze in Steuer- ner Antwort der Bundesregierung auf eine Nacht die angestrebten Wahnsinnsrendi- oasen wie auf der Kanalinsel Guernsey Anfrage der FDP-Fraktion. Von den Ex- ten liefern? Über welches Geheimwissen oder auf den karibischen Cayman Islands. zessen ist nicht die Rede. verfügen die neuen Besitzer? Und die damalige rot-grüne Regierung half Von der Politik haben die Finanzinves- Das Beispiel Fortress zeigt es anschau- kräftig mit, indem sie schon vor dem toren demnach kaum etwas zu befürchten. lich. Die amerikanische PE-Firma hat in den Kabelnetz-Deal für Unternehmensver- Kein Wunder: Städte und Gemeinden, vergangenen drei Jahren 160000 Wohnun- käufe strikte Steuerbefreiung beschlos- Länder und Bund brauchen selbst drin- gen aus dem Besitz der Bundesversiche- sen hatte. gend frisches Geld. Öffentliche Hand und rungsanstalt für Angestellte, der Norddeut- „Oma-Deals“ nennen die PE-Profis so privates Kapital gehen seit wenigen Jahren schen Landesbank und der Stadt Dresden etwas. Todsichere Geschäfte. Als würde ganz neue Verbindungen ein: im Immobi- gekauft. Gesamtpreis: 6,7 Milliarden Euro. man sein Geld abends unters Kopfkissen liengeschäft. Das Geschäft wurde in einer Holding legen, und morgens hätte es sich ver- „Die meisten Städte und Länder sind gebündelt, die ihren Sitz steuersparend in doppelt. doch fast pleite“, bilanziert David Pascall, Luxemburg hat. Schon Mitte Oktober „Eigentum verpflichtet“, heißt es im Deutschland-Chef der Beteiligungsfir- brachte Fortress das Unternehmen namens Grundgesetz. Aber im Fall der Beteili- ma Terra Firma, die über die Tochter Deut- Gagfah an die Börse und verkaufte 20 Pro- gungsbranche gerierte sich die Berliner Po- sche Annington bereits 65 000 frühere zent der Aktien im Wert von 850 Millionen litik bislang merkwürdig arg- und kritik- Eisenbahner-Wohnungen sowie 150 000 Euro. Schon seit dem Börsengang be-

78 der spiegel 51/2006 zeichnen Analysten das Papier als überbe- ne Asiatin den Managern die Leviten: „Es bei seinen mehr als 140 Transaktionen wertet. gibt ein Problem der Fettleibigkeit. Die nicht einmal eine Sonderdividende aus- Die Gagfah-Zukunft soll von drei Ge- Beteiligungsfonds fressen und fressen bezahlt. schäftsfeldern dominiert werden: Erhö- und fressen“, wetterte Wanching Ang, Tatsächlich sind auch andere Große der hung der Mieten, Verkauf von Wohnun- eine zierliche Lady aus Singapur, die Branche bestrebt, sich von den Heiß- gen sowie Zukauf neuer Objekte. Hinzu über vier Milliarden Euro wacht, die der spornen möglichst zu distanzieren. Doch kommt ein bisschen Bilanzakrobatik. Der Münchner Allianz-Konzern in PE-Fonds mit der zunehmenden Konkurrenz steigen Wert der Immobilien in den Büchern dank angelegt hat. die Preise. Weil parallel auch noch die Zin- sen nach oben gehen, wird Fremdkapital im- mer teurer – und damit gerät das Geschäftsmo- dell der Fonds unter Druck. Früher war ihr Le- ben noch einfach. Die Fonds hatten zwar ver- gleichsweise weniger Mittel. Damit kauften sie sich indes günstig in schlecht geführte Fir- men ein, peppten sie auf und reichten sie schließlich nach fünf bis sieben Jahren mit Gewinn weiter. Heute ertrinken die Fonds fast in den Milliarden, in diesem Sommer wurden Monat für Mo- nat neue Rekorde ver- kündet. Bis zum Jahresende könnten PE-Gesell-

PAUL LANGROCK / ZENIT PAUL schaften bis zu 300 Mil- Finanzplatz Frankfurt am Main: Kreditausfälle in Höhe von 30 Milliarden Euro? liarden Dollar zuge- flossen sein. KKR-Ma- neuer Buchhaltungsregeln kurzerhand Die Nervosität ist so groß geworden, dass nager Huth spricht inzwischen von einer hochgeschraubt. die Profis mittlerweile etwas versuchen, „Liquiditätsblase“, die Bundesbank warnt Der Verkauf der Wohnungen funktio- was sie früher strikt ablehnten: Sie gehen vor einer Überhitzung. niert bisher nur schleppend. Zudem wurde an die Öffentlichkeit. „Wir sind keine Heu- Die Private-Equity-Firmen kaufen ge- der Etat für Renovierungen zusammenge- schrecken“, sagte etwa Terra-Firma-Mana- sunde Unternehmen zu immer absurde- strichen. Wenn die neuen Gagfah-Eigentü- ger Pascall kürzlich auf einer Podiumsdis- ren Preisen mit immer riskanteren Finan- mer aber zu wenig in die Instandhaltung kussion in München. Die Finanzjongleure zierungen und müssen ihren Einsatz in stecken, könnten bald noch merken, dass sie für sich werben immer kürzeren Zyklen von nur noch mehr Wohnungen leerstehen. müssen. Dass sie sich auf andere zwei, drei Jahren wieder herauspressen, Schwere Zeiten erlebt derzeit Die Finanz- Zugeständnisse einlassen müssen um ihre Renditeversprechen erfüllen zu auch das Personal der ehemals jongleure als noch vor kurzem. Dass auch können. gewerkschaftseigenen Holding, merken Vertrauen Kapital ist. Das kann nicht gutgehen. Roman Zeller, die mit ihren 20 000 eigenen plötzlich, Auch die Telefonschalte zur Geschäftsführer der Beratungsgesellschaft Wohnungen Ende vergangenen dass auch Übernahme von ProSiebenSat.1 AlixPartners, rechnet in den nächsten bei- Jahres von Cerberus übernom- sollte deshalb am Freitag schon den Jahren mit Kreditausfällen in Höhe men wurde. Von den alten Ma- Vertrauen fast zu einer Art vertrauensbil- von bis zu 30 Milliarden Euro. Vergangene nagern ist kaum noch jemand Kapital ist. dender Maßnahme geraten. Woche machten deutsche Kreditversiche- da. Der Stellenabbau ist in vol- Die Permira-Männer Krenz rer gar publik, dass die Anzahl von PE-fi- lem Gang. Die hannoverschen und Mäuser und ihr KKR-Kolle- nanzierten Unternehmen mit finanziellen Arbeitsrichter kriegten dieses Jahr gleich ge Huth bekannten sich zum Standort Schwierigkeiten in diesem Jahr „deutlich mehrere Streitfälle auf den Tisch. München, dem bestehenden Management, zugenommen“ hat. Der neue Chef bringt besondere Erfah- und betonten, das Geschäft sei „sehr kon- Schon jetzt wird ein schwunghafter Han- rung mit: Er arbeitete vorher in der Ent- servativ“ finanziert – sie würden insge- del mit Schulden betrieben, die wie heiße sorgungswirtschaft. samt immerhin deutlich mehr als 30 Pro- Maronen immer weitergereicht werden. Noch sind die PE-Manager schneller als zent der Kaufsumme als Eigenkapital ein- Die Dresdner Bank warnt in einer Studie die eigenen Misserfolge. Noch immer ha- bringen. Vertretern von KKR war es in vor einem möglichen „Blutbad“ bei den ben die Beteiligungsfirmen unglaubliche Hintergrundgesprächen mit Journalis- übernommenen Firmen. Mengen Geld zur Verfügung. So viel, dass ten im Vorfeld wichtig zu betonen, das Der Titel der Studie klingt wie eine Be- sie manchen Investor sogar dankend ab- Unternehmen sei anders als andere Pri- schreibung des Geschäftsmodells der Bran- lehnen können. vate-Equity-Fonds nicht für exzessive Son- che: „Gier übertrifft Angst“. Beim letzten Jahrestreffen der Branche derdividenden (sogenannte Recaps) und Beat Balzli, Christoph Pauly, in einem Genfer Luxushotel las eine klei- Gebührenexzesse bekannt: KKR habe sich Marcel Rosenbach, Thomas Tuma

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