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Bad Gode.berg I • Postfach 300 • Telefon Bad Godeiberg 6013240 A1 liJCIlM'i IH'S XIII.Jahrgang. Nr. 26 1. Juli 1960

INHALTSVERZEICHNIS

»VELTRAUMFORSCHUNC DAS TRANSIT-II-A-PROJEKT Auftakt zu größerer internationaler Zusammenarbeit (58 Zeilen, 1 Bild) Seite 1

VON KUNST UND KÜNSTLERN COSTANTINO NIVOLA; SANDSKULPTUREN Moderne Reliefatrukturen erinnern an geheimnisumwobene Nuraghen Sardiniens Von Dore Ashton (86 Zeilen, 3 Bilder) Seite 3 LITERATUR DIE AHNEN DER TASCHENBÜCHER Auch vor hundert Jahren wurden schon Groschenromane verschlungen Von Lynn Poole (68 Zeilen) Seite 7

KURZNACHRICHTEN NEUE GIAN-CARLO-MKNOTTI-FERNSEHOPER (10 Zeilen) Seite 6 ZWANZIG JAHRE "INVITATION TP LEARNING" (10 Zeilen) Seite 9

ANHANG OSTBLOCK BRACH GENFER ABRÜSTUNGSVERHANDLUNGEN AB 1 . Wortlaut der Erklärung des amerikanischen Chefdelegierten Frederick M. Eaton vom 27. Juni 196O 2. Wortlaut des Kommuniques der Abrüstungskonferenz 3. Wortlaut der Erklärung des US-Außenministeriums 4. Der neue amerikanische Abrüstungsplan 5. Chronologische Zusammenfassung der jüngsten Entwicklungen in Genf PRÄSIDENT EISENHOWER BERICHTET ÜBER SEINE FERNOSTREISE Wortlaut der Rundfunk- und Fernsehansprashe des amerikanischen Präsidenten vom 27. Juni 196O

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XIII. Jahrgang. Nr. 27 8. Juli 1960

INHALTSVERZEICHNIS

ERZIEHÜNGSWESEN FERNSEHSTUDENTEN LERNEN BESSER 46 amerikanische "Schulfernsehstationen" senden für Tausende Lehranstalten Von H.B. Garland (100 Zeilen) Seite 1 DAS MUSIKMOBIL KOMMT IN DIE SCHULE Ein Beispiel ländlicher Musikpflege in den USA (36 Zeilen, 1 Bild) Seite 5

VON KUNST UND KÜNSTLERN ICH HAB' EIN MULI... Amerika erlebt eine Blüte seiner Volksmusik Von Norman Smith (90 Zeilen) Seite 7 JAZZ-SOMKER IN DEN STERLING FOREST GARDENS ERÖFFNET (11 Zeilen) Seite 10

DIE WISSENSCHAFT NOTIERT ZU FRÜH GELERNT - ZU SCHNELL VERGESSEN Talente können "blockiert" werden (55 Zeilen) Seite 11

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XIII. Jahrgang. Nr. 28 15. Juli 1960

INHALTSVERZEICHNIS

ELEKTRONIK "LASER" - NEUARTIGER VERSTÄRKER FÜR MONOCHROMATISCHES LICHT (42 Zeilen) Seite 1

OZEANOGRAPHIE UNTERWASSERGEBIRGE IM GOLF VON ALASKA (26 Zeilen) Seite 3 UNTERWASSER-SCKALLKANAL UM DEN HALBEN ERDBALL (52 Zeilen) Seite 4 KONTINENTALSCHELF ALS BERGWERK DER ZUKUNFT (18 Zeilen) Seite 5

VON KUNST UND KÜNSTLERN NIVEAU IST KEIN VERLUSTGESCHÄFT Außergewöhnliche Filme finden ihr Publikum Von Norman Smith (80 Zeilen) Seite 6

CHINA MAO TSE-TUNG - HALBGOTT DES CHINESISCHEN KOMMUNISMUS Die Gehurt eines neuen Persönlichkeitskults Von V.l. Denin (110 Zeilen, 1 Bild) Seite 9

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Bad Godesberg I • Postfach 300 • Telefon Bad Codesberg 6013240 Allgemeines XIII. Jahrgang. Hr. 29 22. Juli 1960

INHALTSVERZEICHNIS

ATOM TATSACHEN UND MEINUNGEN Radioaktiver Niederschlag eine Rechnung mit vielen Unbekannten Von Merril Eisenbud (175 Zeilen) Seite 1

LEBEN IN DEN USA FLUCHT IN DIE VORORTE Bevölkerungsprobleme der amerikanischen Städte Von John Kerigan (74 Zeilen) Seite 7

VON KUNST UND KÜNSTLERN VON MARY PICKFQRD ZU MARILYN MONROE Hollywoods Filmheldinnen gestern und heute Von Gerald Weales (110 Zeilen, 3 Bilder) Seite 10

CARL SANDBURG ARBEITET AN CHRISTUS-FILM MIT (8 Zeilen) Seite 14

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Bad Godesberg I • Postfach 300 • Telefon Bad Godetberg 6013240 Allgemeines XIII. Jahrgang. Nr. 50 2°. Juli 1960 INHALTSVERZEICHNIS VON KUNST UND KÜNSTLERN DIE BILANZ EINES FERNSEEJAHRE5 Beifall und Kritik zur Verleihung der amerikanischen Fernseh-"Emmys" Von Norman Smith (98 Zeilen, 5 Bilder) Seite 1 KULTURNACHRICHTEN AUS DEN USA (53 Zeilen) Die New York Philharmonie kommt nach Berlin Seite 5 Zwei neue Biographien über Frost und Wolfe Balanchine-Ballette in Hamburg Henry-James-Roman wird Broadway-Musical "Das Buch Job" - ein erfolgreiches Theaterexperiment "A Raisin in the Sun" wird verfilmt ASTRONOMIE ASTRQGRAPH FÜR SÜDLICHE HALBKUGEL (50 Zeilen) Seite 8 NEUE RADIOSTERNE ENTDECKT (9 Zeilen) Seite 9 RUBIN-VERSTÄRKER FÜR SCHWÄCHSTE SIGNALE AUS DEM WELTENRAUM (40 Zeilen, 2 Bilder) Seite 10 GEDENKTAGE IM AUGUST 1960 Seite 12 GEDENKTAGE IM SEPTEMBER 1960 Seite 14

ANHANG FRIEDE:; DURCH ABRÜSTUNG Der neue amerikanische Vorschlag

WIR MACHEN ALLE UNSERE BEZIEHER DARAUF AUFMERKSAM. DASS DIE NÄCHSTE AUSGABE UNSERES DIENSTES "ALLGEMEINES" ERST WIEDER AM 2. SEPTEMBER ERSCHEINT

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XIII. Jahrgenft. Nr. 51 2. September i960

INHALTSVERZSICHNIS

DIE WISSENSCHAFT NOTIERT SOZIOLOGIE DER FISCHE Umweltfaktoren bestimmen Verhaltensweisen Von Frances Gudemann (85 Zeilen) Seite 1 KARPFEN SPRECHEN DIALEKT (12 Zeilen) Seite 4

LEBEN IN DEN USA SECHSUNDSECHZICTAU3END KILOMETER AUTOBAHN "Interstate System" - ein Großprojekt des amerikanischen Straßenbaus Von John Kerigan (56 Zeilen) leite 5

VON KUNST UND KÜNSTLERN PA5SE-PART0ÜT AUF LEBENSZEIT Brooks Atkinson zieht sich nach 35 Jahren als Theaterkritiker der New York Times ins Privatleben zurück Von Norman Smith (85 Zeilen, 1 Bild) Seite 7 JANE ADDAMS - eine Auswahl ihrer Schriften (8 Zeilen) Seite 10 THERLSA KELBURN - Memoiren eines Theaterlebens (7 Zeilen) Seite -10

ANHANG D\S GEDULDSSPIEL IN GENF Seit 22 Monaten Verhandlungen über Einstellung von Atomversuchen

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yill. Jahrgang. Nr. 32 9. September i960

INHALTSVERZEICHNIS

yi^MPHYSIKALISCHE FORSCHUNQ 3UPER-SYNCHR0TR0N VON BR00KHAVEN IN BETRIEB USA verfügen über stärksten Teilchenbe­ schleuniger der Welt (100 Zeilen, 1 Bild) Seite 1

LEBENSDAUER DES PI-NULL-MES0N3 EXPERIMENTELL BESTIMMT Bas kurzlebigste Elementarteilchen wurde gestellt (43 Zeilen) Seit«

158 000 RADIOISOTOPIH-SENDUNGEN AUS QAK RIDQI (7 Zeilen) Seite

UBSM IN JEN USA EINSICHT UND VERNUNFT Fortschritte in einer Bürgerrechtsfrage (76 Zeilen) Seite

VOM.KUNST UND KÜNSTLERN DIR FILMHELD GESTERN UND HEUTE Der Hollywoodstar ist mündig geworden (150 Zeilen, 1 Bild) Seit« 10

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B.d Gode.berg I • Poitf.ch 300 • Telefon Bad Godeiberg 6013240 Allgemeines XIII. Jthrwa«. Nr. 55 16. September 1960

INHALTSVERZEICHNIS

PH WISSENSCHAFT NOTIERT "DIE LIEBE IST ES. DIE DIE WELT BEWEGT" Tierpsychologische Experimente zur Untersuchung der Bindungen zwischen Mutter und Kind (92 Zeilen, 1 Bild) Seite 1

_LLUZINATI0NEN BEI HÖHENFLIEQIRI * 18 Zeilen) Seite 5 FLUOR - BESTER ZAHNSCHUTZ RS Zeilen) Seite 5

IISWAS511 GEGEN VERBRENNUNGEN ' (10 Zeilen) Seite 7

DIE WELT DIR TRAU DE. FRANCES E. WILLIS US-Botschafterin und Mitglied der amerikanischen UNO-Delegation (46 Zeilen) Seite

UMSANG MIT DIR JUGEND HJLT JUNG Mutter von neun Kindern wird "Mutter des Jahres 196O" Ton Georgia (62 Zeilen, 1 Bild) Seite 10

GESCHICHTEN UM DIE KONSERVENDOSE Vor 150 Jahren gah es das erste Büchsenfleisch (80 Zeilen) , Seite 13

KURZ BERICHTET DIE AMERIKANER LEBEN LANGER (10 Zeilen) Seite 12

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XIII. Jahrgang. Nr. 34 23. September 196O

INHALTSVERZEICHNIS

DIE WISSENSCHAFT NOTIERT STRAHLUNGSMESSUNG IN 2000 KILOMETER HÖHE (25 Zeilen) Seite 1 UNTERSUCHUNGEN ZUR STRUKTUR DES PROTONS (12 Zeilen) Seite 2 STRAHLENUNEMPFIHDLICHE FERNSEHKAMERA (8 Zeilen) Seite 2 KRITISCHER VERSUCH IN DER GROSSREAKTORSTATION ROWE (23 Zeilen) Seite 3 NEUE KLEINREAKTOR-TYPEN (46 Zeilen) Seite 4 HERABSETZUNG DER HÖCHSTZULÄSSIGEN STRAHLENDOSIS IN DEN USA (10 Zeilen) Seite 5 AUFSEHENERREGENDE MINERALFUNDE IM NÖRDLINGER RIESKESSEL (56 Zeilen) Seite 6

WELTPOLITIK ... RAUM FÜR FREIE DISKUSSION Rotchineaische Presse greift Professor Schangs "falsche Ansichten" an (78 Zeilen) Seite 8

VON KUNST UND KÜNSTLERN JAZZ IM MUSEUM Jazzkonzerte sind eine willkommene Variante der in den USA überaus beliebten Museumskonzerte Von Norman Smith (63 Zeilen) Seite 11 AMERIKANISCHES STIPENDIUM FÜR DÜSSELDORFER TÄNZER (9 Zeilen) Seite 13 FUNK- UND FERNSEHKURZNACHRICHTEN AUS DEN USA Programme und Techniken (34 Zeilen) Seite 14 * * * * * AMERIKA DIENST

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XIII. Jahrgang« Nr. 35 30. September i960

INHALTSVERZEICHNIS

DIE WISSENSCHAFT NOTIERT HOCHSAISON FÜR HURRIKANE UND DEN US-WETTERDIENST Wirksame Frühwarnung durch Radar und Patrouillenflüge Von John Kerigan (74 Zeilen, 1 Bild) Seite 1 FORTSCHRITTE IN DER INSULIN-SYNTHESE Seite 4 VERBESSERTES SCHILDDRÜSENHORMON DURCH CHEMISCHE VERÄNDERUNG Seite 4 IMPFSTOFF GEGEN MASERU Seite 5 GOLDKRONEN VERRATEN "STRAHLUNGSUNFALL" Seite 5 TIERKNOCHENFILTER GEGEN STRONTIUM-90 Seite 6 IMMUNTHERAPIE BEI SCHWEREN VERBRENNUNGEN Sei te 7 NEUES MEDIKAMENT GEGEN RHEUMA UND ARTHRITIS Seite 8

WAHLJAHR 1960 DER WAHLKAMPF LÄUFT AUF VOLLEN TOUREN Die Rolle der Minderheitsparteien in den USA (84 Zeilen) Seite 9 LEBEN IN DEN USA GEBURTSJAHRGANG 1838 Amerikas älteste Pensionäre kennen keine Langeweile Von Lynn Poole (65 Zeilen) Seite 12

GEDENKTAGE IM OKTOBER 1960 Seite 15

ANHANG FRIEDEN UND GERECHTIGKEIT FLR ALLE Wortlaut der Rede des US-Präsidenten Dwight D. Eisenhower vom 22. September 196O vor der 15. Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York

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XIII. Jahrgang. Nr. 56 7. Oktober i960

INHALTSVERZEICHNIS

RAUMFLUG WASSERSTOFF UND FLUOR ALS NEUE RAKETENTREIBSTOFFE (28 Zeilen) Seite WELTWEITE WETTERBEOBACHTUNG MIT TIROS II (27 Zeilen) Seite STAND DIR ENTWICKLUNG THERMISCHER ATOMTRIIBWERKE IN DEN USA (42 Zeilen) Seite 3 VIERSTUFIGE FESTSTOFFRAKETEN ERPROBT (42 Zeilen, 1 Bild) Seite 4

WAHLJAHR 1960 WAHLVERSAMMLUNG MIT MILLIONENBETEILIGUNG Nixon und Kennedy vor der Fernsehkamera • Von John Kerigan (60 Zeilen) Seite 6

AMERIKAS PRÄSIDENTEN KAMEN AUS ALLEN BEVÖLKERUNGSSCHICHTEN Washington war Gutsbesitzer, Lincoln wurde im Blockhaus geboren, Wilson lehrte als Universi­ tätsprofessor (80 Zeilen) Seite 8

VON KUNST UND KÜNSTLERN DIE WELT DER KINDERMUSEEN Von Dorothy Barclay (72 Zeilen) Seite 11

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XIII. Jahrgang. Nr. 57 14. Oktober 196O

INHALTSVERZEICHNIS

MEDIZIN

WELTWEITE ERFOLGE IM KRIEG GEGEN DIE MALARIA (110 Zeilen) Seite

VEREINTE NATIONEN DIE BEITRÄGE DER UDSSR ZU DEN UN-HILFEPROGRAMMEN SIND NACH WIE VOR GERING (65 Zeilen) Seite

ARCHITEKTUR GLASHAUS UND SCHIRMDACH Der New Yorker Flughafen Idlewild besitzt ein neues modernes Abfertigungsgebäude (40 Zeilen, 2 Bilder) Seite

KULTURNACHRICHTEN AUS DEN USA MUSEUM OF MODERN ART ZEIGT "VISIONÄRE ARCHITEKTUR" (20 Zeilen) Seite 10 FILM UND FERNSEHEN WERDEN PARTNER (15 Zeilen) Seite 11 AMERIKANISCHE THEATERTOURNEE FÜR EUROPA GEPLANT (9 Zeilen) Seite 11

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XIII. Jahrgang. Nr. 58 21 . Oktober i960

INHALTSVERZEICHNIS

DAS PORTRAT DIE DAME KENNT IHRE RAKETEN Dr. Dorothy Simon ist einer der führenden Raumflugexperten der USA (Aus "The Saturday Evening Post") (120 Zeilen) Seite 1

WAHLJAHR 1960 DIE WAHLMASCHINE VERDRÄNGT DEN STIMMZETTEL In 42 von 50 US-Staaten werden Wahlmaschinen verwendet (62 Zeilen, 1 Bild) Seite 6

ZEHN MILLIONEN NEGER IN DEN USA WAHLBERECHTIGT (10 Zeilen) Seite 8

VON KUNST UND KUNSTLERN CRANBR00K: WERTBEGRIFF EINER PFLEGESTÄTTE DER BILDENDEN KUNST (82 Zeilen, 2 Bilder) Seite 9

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XIII. Jahrgang, Nr. 59 28. Oktober 1960

INHALTSVERZEICHNIS

WISSENSCHAFT UND TECHNIK DAS FRANKLIN-INSTITUT IN PHILADELPHIA Einst Maschinenbauschule - heute Museum und Forschungszentrum (88 Zeilen, 1 Bild) Seite

WAHLJAHR 1960 DIE ROLLE DER FRAU IM WAHLKAMPF 1960 Es gibt dreieinviertel Millionen mehr wahlberechtigte Frauen als Männer in den USA (60 Zeilen) Seite

REKORDiVAHLBETEILIGUNG IN DEN USA ZU ERWARTEN (12 Zeilen) Seite

VON KUNST UND KÜNSTLERN AUFTAKT ZUM KONZERTWINTER 1960/61 Von Norman Smith (76 Zeilen) Seite

WELTPOLITIK CHRUSCHTSCHOW UND DAS REGELBUCH AUS DEM JAHR 1920 Vor 40 Jahren wurde die kommunistische Taktik gegenüber parlamentarischen Institutionen festgelegt (100 Zeilen) Seite 11

GEDENKTAGE IM NOVEMBER 1960 Seite 15

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XIII. Jahrgang. Hr. 40 4. November i960

INHALTSVERZEICHNIS

WELTPOLITIK UNGARN - VIER JAHRE DANACH Resignation und geheime Opposition Von Paul Landy (100 Zeilen, 2 Bilder) Seite 1

DAS PORTRÄT "... NIEMALS FÜR SICH SELBST" Mary McLeod Bethune - Amerikas bedeutende Negerpädagogin (70 Zeilen) Seite 5

DIE WISSENSCHAFT NOTIERT VOM KRISTALL-DETEKTOR ZUM TRANSISTOR Entwicklung von Halbleiter-Bauelementen (Nach "Science World") (130 Zeilen) Seite 8 KULTURNACHRICHTEN AUS DEN USA PADEREWSKI-GEDENKKONZERT IN NEW YORK (12 Zeilen) Seite 13 AMERIKANISCHE INDUSTRIESTADT ERÖFFNET NEUES KULTURZENTRUM (16 Zeilen) Seite 13 KRIMINALSTÜCK WIRD IN ZEICHENSPRACHE AUFGEFÜHRT (7 Zeilen) Seite 14 BOSTONER VIOLINIST GEWINNT HÖCKSTDOTIERTEN MUSIKPREIS (10 Zeilen) Seite 15 VERTRETER DER AMERIKANISCHEN KIRCHEN UND JUGENDPFLEGE IN DEUTSCHUND (12 Zeilen) Seite 15

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XIII. Jahrgang. Nr. 41 11. November 196O

INHALTSVERZEICHNIS

AUS DER MEDIZINISCHEN FORSCHUNG IMPFEN - BESTER SCHUTZ GEGEN KINDERLÄHMUNG Großaktionen mit Lebendvakzin nach Dr. Sabin 1961 in den USA (86 Zeilen) Seite 1 SCHACH DEM KOPFSCHMERZ (26 Zeilen) Seite RÖNTGENOLOGISCHE DIAGNOSE VON BRUSTKREBS ERLEICHTERT (33 Zeilen) Seite 5 IMMUNMILCH GEGEN RHEUMATISCHE ERKRANKUNGEN (14 Zeilen) Seite 6

AGRARPOLITIK KOMMUNISTEN MISSBRAUCHEN BODENREFORM ZUR ENTEIGNUNG DER BAUERN (96 Zeilen) Seite 7

KURZNACHRICHTEN SECHS FRAUEN AUSGEZEICHNET (14 Zeilen) Seite 10

VON KUNST UND KÜNSTLERN ARCHITEKTONISCHE MODERNE UND IHRE INTERPRETEN Von Norman Smith (95 Zeilen, 2 Bilder) Seite 11

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XIII. Jahrgang. Nr. 42 18. November 196O

INHALTSVERZEICHNIS

DIE WISSENSCHAFT NOTIERT 55 MILLIONEN GRAD - ABER NOCH ZUWENIG Neue Experimente in den USA auf dem Gebiet der kontrollierten Kernfusion (36 Zeilen) Stit« FLUORESZENZ-DETEKTOR FÜR ATMOSPHÄRISCHE ÜBERWACHUNG VON KERNEXPLOSIONEN (24 Zeilen) Seite 110 MILLIONEN WÖRTER IN EINEM MONAT (10 Zeilen) Seite DIE GEFAHREN GROSSER HÖHEN S tress-S.ituationen bei Piloten (54 Zeilen) Seite

DIE WELT DER FRAU VIERZIG JAHRE US-AMT FÜR FRAUENFRAGEN Dreiundzwanzig Millionen berufstätige Frauen (55 Zeilen) Seite VON KUNST UND KÜNSTLERN NEUE STRÖMUNGEN IM JAZZ Von Norman Smith (87 Zeilen, 1 Bild) Seite AMERIKANISCHE KÜNSTLER IN POLEN UND RUSSLAND GEFEIERT (9 Zeilen) Seite 11

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XIII. Jahrgang. Nr. 43 25. November 196O

INHALTSVERZEICHNIS

DIE WISSENSCHAFT NOTIERT TEILCHEN UND ANTITEILCHEN Unser Kosmos im Spiegel seiner selbst Von Emilio Segrfe Nobelpreisträger für Physik 1959 (90 Zeilen) Seite 1

DAS PORTRÄT DER MANN. DER 500 MILLIONEN DOLLAR VERSCHENKTE Zum 125. Geburtstag des amerikanischen Philanthropen Andrew Carnegie am 25. November i960 (95 Zeilen) Seite

FERNSEHEN AMERIKANISCHES FERNSEHEN - NAH BETRACHTET Struktur des Fernsehens als privater Wirtschaftszweig Von Gilbert Seldes Direktor der Annenberg School of Communications, Philadelphia (90 Zeilen) Seite 9

KURZ BERICHTET BEVÖLKERUNGSZAHL DER USA AUF 179,3 MILLIONEN ANGESTIEGEN (22 Zeilen) Seite 8

GEDENKTAGE IM DEZEMBER 1960 Seite 13

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XIII. Jahrpane;. Nr. 44 2, Dezember 196O INHA LTS VERZEICHNI3

POLITIK BÜRDE UND WJJjtPE DER AMERIKANISCHEN PRÄSIDENTSCHAFT Von John F. Kennedy Auszüge aus einer Rede vom 14» Januar 196O (130 Ze len) Seite 1 DIE PHILIPPINEN / Aufstieg einer jungen Nation zu Freiheit und Souveränität Von Eunice Towle (80 Zeilen, 2 Bilder) Seite 6 DIE WISSENSCHAFT NOTIERT THERMOELEKTRISCHER WÄRMEREGLER (16 Zeilen) Seite 10 NEUES GERÄT ZUR LAUFENDEN 'BESTIMMUNG DES SALZGEHALTS IM MEER (10 Zeilen) Seite 11 SEISMOGRAPH MISST SCHRUMPFBEWEGUNGEN DER ERDRINDE (10 Zeilen) Seite 11 GESICHTSMASKE FÜR MUND-ZU-MUND-BEATMUNG (23 Zeilen) Seite 12 EINZELKOMPONENTEN IM KOMBINATIONSIMPFSTOFF WIRKSAMER (11 Zeil e n~] Seite 12 CHROMüSOMENVERÄNDERUNG DURCH KREBS? (8 Zeilen) Seite 1 3 BLUTSAUERSTOFF-ANALYSE DURCH DIE INJEKTIONSNADEL (12 Zeilen) Seite 13

KÜLTÜRNACHRICHTEN AUS DEN USA (26 Zeilen) RODGERS ALS FERNSEHKOMPONIST Seite 14 HANDELS "MESSIAS" IN DER MET Seite 14 UNIVERSITÄTSORCHESTER RÜSTET FÜR EUROPATOURNEE Seite 15 "RASHOMON" ALS FERNSEHSPIEL Seite 15

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XIII. Jahrgang. Nr. 45 9. Dezember 196O

INHALTSVERZEICHNIS

WEIHNACHTEN IN DEN USA SANTA CLAUS ZIEHT ÜBER EINEN KONTINENT Amerikanische Weihnachtsbräuche aus aller Welt (90 Zeilen, 2 Bilder) Seite 1

"STERNENZEIT WEIHNACHT" - ein Weihnachtsprogramm des amerikanischen Farbfernsehens (20 Zeilen) Seite

EINEN GOLDFISCH FÜR DEN HERRN LEHRER Amerikanische Waisenkinder kaufen Weihnachtsgeschenke (26 Zeilen) Seite 6

VON KUNST UND KÜNSTLERN TRADITIONSPFLEGE IN VIRGINIA Das Werk des amerikanischen Malers Edward Hicks Von Norman Smith (75 Zeilen, 2 Bilder) Seite

DIE WISSENSCHAFT NOTIERT AUF DEM WEGE ZU EINEM WELTWETTERDIENST Verbesserungen der Voraussagemöglichkeiten durch Erdsatelliten Von John Kerigan (78 Zeilen) Seite 10

* * * * * Gemeinschaftsau8gäbe ALLGEMEINES/WIRTSCHAFT UND ARBEIT

XII./XIII.. Jahrgang. Hr. 46 16. Dezember 1960

INHALTSVERZEICHNIS

POLITIK DIE ABRÜSTUNGSVERHANDLUNGEN IM JAHRE i960 (58 Zeilen) Seite ZUR FRAGE DER RASSENINTEGRATION IN DEN USA (106 Zeilen) Seite

WIRTSCHAFT ENTWICKLUNGSHILFE ERHIELT NEUE IMPULSE (54 Zeilen) Seite WIRTSCHAFT HIELT SICH AUF EINEM: HOHEN NIVEAU (54 Zeilen) Seite 10

WISSENSCHAFT UND TECHNIK IN DEN USA - 1960 (300 Zeilen) RAUMFLUG Seite 12 ASTRONOMIE Seite 14 GEOPHYSIK Seite 15 PHYSIK UND CHEMIE Seite 16 MEDIZIN Seite 18 ATOM UND TECHNIK Seite 20 DAS BILD DES JAHRES Seite 22

VON KUNST UND KÜNSTLERN RÜCKBLENDE 1960 - KULTURELLE GLANZLICHTER EINES JAHRES Theater - Film - Fernsehen - Musik - Literatur - Tanz (270 Zeilen) Seite 23

GEDENKTAGE IM JANUAR 1961 Seite 33

* * * * * AMERIKA DIENST

Mit der vorliegenden Gemeinschaftsausgabe unserer Dienste

ALLGEMEINES und WIRTSCHAFT UND ARBEIT, die in Jahresrückblicken

Themen aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur behandeln,

schließen wir den Jahrgang i960 ab.

Wir möchten die Gelegenheit benutzen, allen unseren Beziehern

für das Interesse zu danken, das sie unseren Diensten auch in diesem

Jahre zugewandt haben, und ihnen ein frohes Weihnachtsfest und viel

Erfolg im Neuen Jahr zu wünschen.

Die nächste Ausgabe des AMERIKA DIENSTES wird in der gewohnten Form am 6. Januar 1961 zum Versand kommen.

Redaktion AMERIKA DIENST "AMERIKA DIENST" 1 . Juli 196O Die Artikel des AMERIKA DIENSTES sind honorarfrei und neben der Verwendung durch Rundfunk und Fernsehen ausschließlich zum Abdruck in Zeitungen und Zeitschriften und sonstigen Publikationen bestimmt, die sich direkt an den Leser wenden. WELTRAUMFORS CHÜNG

DAS TRANSIT-II-A-PROJEKT Auftakt zu größerer internationaler Zusammenarhei t Von John Kerigan

(58 Zeilen) Der Versuch, mit nur einer Raumrakete zwei Satelliten gleichzeitig in eine Kreisbahn um die Erde zu schießen, ist den Vereinigten Staaten am 22. Juni von Cape Canaveral aus gelungen. Dieser erfolgreiche Start ist nicht nur für die Wissenschaft bedeutungsvoll, sondern leitet auch eine neue Phase der Weltraumforschung ein.

Die wissenschaftliche Bedeutung dieses Experiments kann kaum über­ schätzt werden. Zwar haben in letzter Zeit sowohl die USA wie die Sowjet­ union zwei Weltraumkörper mit einer Startrakete gleichzeitig aufgelassen, doch handelte es sich bei dem zweiten Teilstück bisher immer um die nutz­ lose Endstufe der Trägerrakete und nicht um einen mit wissenschaftlichen Instrumenten ausgestatteten Satelliten.

Insofern ist der jetzige Satelliten-Doppelstart etwas Neues. An dem größeren, dem Transit II-A - er hat einen Durchmesser von 90 cm und wiegt über 100 Kilogramm -, wurde ein kleinerer, knapp zwanzig Kilogramm schwerer Satellit befestigt, der nach Erreichung der Bahnhöhe durch einen Federmecha­ nismus von dem größeren getrennt und abgestoßen wurde.

Beide Satelliten sind Navigationssatelliten. Transit II-A insbesondere darf als Vorläufer eines aus insgesamt vier Raumkörpern bestehenden Allwet- ter-Navigationssystemsangesehen werden. Dieses neue Ortungssystem wird we­ sentlich genauer arbeiten als die bekannten Verfahren, genauer auch als LORAN, das bisher zuverlässigste unter den Funkmeßverfahren. Die Berech­ nungsgrundlage für das neue System liefern die sogenannten Doppier-Verschie­ bungen der Signalfrequenzen, die von der Geschwindigkeit, mit der sich der Satellit der Beobachtungsstation nähert bzw. von ihr entfernt, abhängig sine Schon "AMERIKA DIENST" 1. Juli i960 Schon die mit dem im April 196O gestarteten Transit I-B gesammelten Informationen waren vielversprechend. Die Auswertung der nun zu erwarten­ den neuen Beobachtungsdaten von Transit II-A lassen auf eine erfolgreiche "Fixierung" der Erkenntnisse hoffen. Dennoch bleibt noch immer viel zu tun. Noch umfangreichere Erkenntnisse sind beispielsweise auch hinsichtlich Ge­ stalt und Ausdehnung der Erde, ihres Gravitationsfeldes und dessen Auswir­ kungen auf die Satellitenbahnen nötig. llU die vier geplanten "Raumbarken" jedoch erst in ihre Umlaufbahn ge­ bracht sein werden - voraussichtlich 1962 -, dann wird man zu Lande, zu Was­ ser, in der Luft bei jedem Wetter Positionen bis auf eine zehntel Meile (l60m) genau errechnen können. Heutige Navigationsinstrumente ermöglichen wesentlich ungenauere Ortungen, und sie sind weitgehend vom Wetter abhängig. Bei bedecktem Himmel und unsichtigem Wetter versagen sie oft ganz. Wenngleich der kleinere Satellit auch noch keinen Namen hat, so ist seine Mission doch nicht weniger fest umrissen als die seines großen Bruders: eine sich über große Zeiträume hin erstreckende Beobachtung der Strahlungs­ einflüsse in der Ionosphäre. Bis heute sind 26 Erdsatelliten in den Weltraum gestartet worden, von denen 21 amerikanischen Ursprungs sind. Elf der amerikanischen Satelliten umkreisen derzeit noch in stark elliptischen bis nahezu kreisförmigen Bahnen die Erde. Von den vier auf amerikanischer Seite in den Weltraum entsandten Raumsonden sind zwei verglüht; die beiden anderen dagegen - Pionier IV und V - haben die sogenannte zweite kosmische Geschwindigkeit erreicht und sind als künstliche Planeten in eine Umlaufbahn um die Sonne eingetreten. Neben der wissenschaftlichen Bedeutung, die dem kürzlich erfolgten Sa­ tellitenstart zukommt, ist das Ereignis auch insofern bemerkenswert, als hier erstmals Wissenschaftler zweier Nationen bei der Instrumentierung eines Erd­ satelliten zusammengearbeitet haben. Transit II-A ist mit einem kanadischen Radioempfänger ausgestattet, dessen Aufgabe die Registrierung kosmischer Ge­ räusche ist. So gesehen, könnte das Transit-II-A-Projekt sehr wohl der Auf­ takt zu einer größeren internationalen Zusammenarbeit auf dem Gebiete der Weltraumforschung sein.

ACHTUNG 1 Auf Anforderung der Redaktionen übersendet der AMERIKA DIENST an Zeitungen und Zeitschriften kostenlos folgendes Bild: Zeichnerische Darstellung des von Cape Canaveral aus am 22. Juni 1960 mit nur einer Trägerrakete gestarteten Satellitenpaars. Transit II-A (unten) und sein kleinerer»bisher unbenannter Bruder gehören zu einer im April gestarteten Versuchsreihe mit Naviga­ tionssatelliten . * * * * * - 2 - "AMERIKA DIENST" 1 . Juli 1960 Die Artikel des AMERIKA DIENSTES sind honorarfrei und neben der Verwendung durch Rundfunk und Fernsehen ausschließlich zum Abdruck in Zeitungen und Zeitschriften und sonstigen Publikationen bestimmt, die sich direkt an den Leser wenden.

VON KUNST UND KÜNSTLERN

COSTANTINO NIVOLA: SANDSKULPTUREN Moderne Reliefstrukturen erinnern an geheimnisumwobene Nuraghen Sardiniens Von Lore Ashton

Die Verfasserin dieses Artikels, der in gekürzter Form der amerikanischen Zeitschrift "Craft Horizons" entnommen wurde, ist Kunst­ kritikerin der "New York Times" und Mitarbei­ terin anderer Zeitschriften. Nachdruck ist nur mit Angabe des Verfassers, der Quelle und dem Vermerk "(c) 1959 by Craft Horizons, Inc." gestattet.

( 86 Zeilen)

Heimweh nach der Zeit, da sich ein Künstler in der Architektur glei­ cherweise zu Hause fühlte wie in der Kunst des Entwurfs, in der Dichtung und sogar der Städteplanung, durchzieht als unerfüllte Sehnsucht die ver­ gangenen hundert Jahre. Wir haben uns hoffnungslos zersplittert, heißt es heute nicht selten; dennoch wächst dieses Heimweh, und immer wieder hören wir den Ruf nach "Ganzheit". Zu den wenigen, die in den Vereinigten Staaten die Philosophie der Ganzheit in der Praxis anwenden - besonders in Kunst und Architektur -, gehört Costantino Nivola, der erklärt, Kunst habe über­ all ihren Platz. "In der Architektur fehlt heute die Hand des Künstlers, der ihr Leben gibt", sagt er. "Bauwerke werden mit dem Lineal entworfen. Natürlich wird ein Gebäude dann nur eine mechanische Landschaft. Aber das braucht nicht so zu sein", fügt Nivola hinzu. "Denn die Hand eines Malers oder Bildhauers vermenschlicht ein Bauwerk. Welchen Beitrag Farbe und Form zur Lösung des Problems Raum leisten können, ist noch kaum erforscht." Nach Ansicht Nivolas, der als Handwerker ausgebildet wurde, als Ent­ wurf sarchitekt arbeitete und heute auch als Bildhauer einen Namen hat, ist

- 3 - "AMERIKA DIENST" 1 . Juli 1960 ist das Problem "Ganzheit" nur künstlich geschaffen. Für ihn gibt es keine Scheidung zwischen dem Planen eines Bauwerks und dem Gestalten eines dazugehörigen Brunnens, Gartens oder Wandreliefs. Nivola vermag sich in ungezwungenem, natürlichem Rhythmus auf die jeweilige archi­ tektonische oder künstlerische Situation einzustellen. Nivolas Arbeit hat ihre Bezugspunkte in zwei Zivilisationskreisen - Amerika und Europa. Er wurde in Orani, einem mittelalterlichen Dorf auf Sardinien, geboren, erlernte von seinem Vater das Maurerhandwerk, den Um­ gang also mit einfachem Material wie Kalk, Lehm, Backsteinen und Sand, und später auch das Stuckhandwerk. Mit fünfzehn Jahren kam er als Maler­ gehilfe nach dem Städtchen Sassari, wo er seinem Meister bei der Aus­ schmückung der Universität half. Nicht viel später reiste er von Sardi­ nien nach Monza bei Mailand, wo ihm das Istituto Superiore d'Arte ein Stipendium gewährte.

"In Monza stützte man sich auf die Freizügigkeit des Bauhauses", er­ innert sich Nivola, "aber wir waren uns nie ganz sicher, was wir zu tun hatten, da sich niemand die Mühe machte, das Bauhausprogramm ins Italienische zu übersetzen." Trotzdem wirkten einzelne Bauhaustheorien - streng und kom­ promißlos funktionell - auf Nivola, der sie allerdings instinktiv ab­ lehnte, da sie seinem Temperament fremd waren. Das Institut lehrte Be­ wunderung für abstrakte Linien und Strukturen; Nivola hielt an einer Wür­ digung der künstlerischen Qualität stets unter Berücksichtigung des Ob­ jektes selbst fest. Allerdings besteht nach seiner Ansicht heute die Ge­ fahr, daß in der Praxis nur die Lösung vorgegebener Probleme versucht wird. "Isolierte Einzelprobleme gibt es aber in Wirklichkeit nicht. Ein Künstler muß unabhängig von Problemen schaffen, so daß, wenn sich ihm eines stellt, es zum Teil schon gelöst ist. Kunst muß ein unbefangener Akt des Erfindens, Erklärens und Enthüllens sein. Anwendung ist erst die zweite Phase."

Nivolas eigene Arbeiten sind eine Illustration dieser Auffassung. Vor Jahren bereits wurde es ihm klar, daß Skulpturen, die sich der Architektur in vollkommener Harmonie einfügen sollen, ohne Übereinstimmung in Material und Technik kaum möglich sind. Kunst muß in den Bauplänen einen ebenso wesentlichen Bestandteil des Entwurfs bilden wie beispielsweise die

Klempnerinstallation. T„ r Im - 4 - "AMERIKA DIENST" -1 . juü 1960

Im Einklang mit diesem Streben nach Ganzheit entwickelte Nivola seine berühmte Technik der Sandskulpturen. Im Sand seiner Werkstatt auf Long Island (New York) hebt er mit der Hand Negativformen aus, die er dann mit Beton vergießt. Wenn die so entstehenden Flachreliefs beim Bau grö­ ßerer Gebäude -z.B. für das der Mutual Insurance Company von Hartford (Connecticut) - verwandt werden sollen, werden sie als einzelne Teil­ platten gegossen, die von den Bauarbeitern transportiert und am Bauplatz zusammengesetzt werden können. Auf diese Weise erfüllt Nivola die For­ derung, "Kunst und Handwerk mit industrieller Präzision, Konstruktion und Produktion zu kombinieren". Wenn Nivola andererseits dreidimensionale, unabhängige Skulpturen schafft, werden die Blöcke einzeln gegossen und in monolithischen, winkligen Mustern zusammengefügt.

Die tektonische Qualität in Nivolas Skulpturen, das Ergebnis des ein­ fachen Zusammenspiels blockartiger Strukturen, erinnert an die geheimnis­ umwobenen Monumente seiner Ahnen. In der zerrissenen Landschaft Sardiniens akzentuieren hochaufragende Turmbauten, deren Mauerblöcke ohne Mörtel fest gefügt sind, das Steigen und Fallen der Bergzüge. Diese "nuraghi" leben in Nivolas schöpferischer Phantasie ebenso weiter wie die graziösen, zeit­ losen Steinbauten seines Heimatdorfes Orani. Er projiziert in seine mo­ dernen Strukturen die ausdrucksvolle Einfachheit, die alten Formen inne­ wohnt .

Hinter Nivolas zahlreichen Projekten steht seine Überzeugung, daß der Mensch das "Gefühl für die Dinge" verloren habe und lernen müsse, sich seines Daseins in der Beziehung zu Leben und Natur wieder bewußt zu werden. Der Traum, den poetischen Sinn der Natur und ihren Rhythmus wiederzuge­ winnen, kristallisiert sich in Nivolas ständigem Versuch, die lebendigen Elemente Wind, Luft, Sonnenlicht und Wasser in seine Arbeiten einzubeziehen.

Seine größte Sehnsucht jedoch ist, Schöpfer von Monumenten zu sein. Seine Skulpturen sollen die Ausmaße von Bauwerken erhalten. Diese Monumente würden nicht Ausdruck nüchterner, kalter Ideen sein, sondern "Feiern des Lebens". Auch hier spiegelt sich der mediterrane Hintergrund seines Denkens und Fühlens, die jene Regionen um das Mittelmeer prägten, in denen sich das Leben mit Festen und Feiern schmückt.

ACHTUNG! "AMERIKA DIENST" 1. Juli i960

ACHTUNG! Auf Anforderung der Redaktionen übersendet der AMERIKA DIENST an Zeitungen und Zeitschriften kostenlos folgende Bilder:

1) Nivola bereitet Holzrahmen vor, in denen er mit Sand das Ne­ gativ für seine Betonguß-Skulpturen ausformt. 2) Im Vordergrund Sandformen bereit zum Betonguß; im Hintergrund Sektionen eines Flachreliefs. 3) Fassade der Mutual'Insurance Company, Hartford (Connecticut), rund 36 Meter lang und 9 Meter hoch, deren Einzelteile als Betongußplatten von Nivola hergestellt wurden.

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EINE NEUE GIAN-CARLO-MENOTTI-FERNSEHOPER

NEW YORK - (AD) - Gian Carlo Menotti, Komp onist mehrerer Opern­ musiken, u.a. der Opern "Das Medium" und "Der Konsul", erhielt vom Columbia Broadcasting System den Auftrag, für die nächste Fernsehspiel­ zeit ein 60-90 Minuten dauerndes "Spiel mit Musik" zu schreiben. Die Themenwahl ist Menotti freigestellt. Seine bisher berühmteste Fernseh­ oper ist das Weihnachtsspiel "Amahl und die nächtlichen Besucher", das Menotti im Auftrag der National Broadcasting Company schrieb und das 1951 uraufgeführt wurde. Zwei weitere Opernwerke, "Maria Golovin" und "The Old Maid and the Thief", sind ebenfalls Aufträge der National Broadcasting Company gewesen.

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- 6 - AMERIKA DIENST" 1 . Juli 1960 . Die Artikel des AMERIKA DIENSTES sind honorarfrei und neben der Verwendung durch Rundfunk und Fernsehen ausschließlich zum Abdruck in Zeitungen und Zeitschriften und sonstigen Publikationen bestimmt, die sich direkt an den Leser wenden.

LITERATUR

DIE AHNEN DER TASCHENBÜCHER Auch vor hundert Jahren wurden schon Groschenromane verschlungen Von Lynn Poole Johns-Hopkins-Universität

(68 Zeilen) Im vergangenen Jahr wurden 300 Millionen Taschenbücher, die soge­ nannten "paperback books", in den Vereinigten Staaten verkauft. Dieses Massenangebot an informierendem und bildendem Lesestoff in Form billiger Bücher hat man als neue Entwicklung von großer Bedeutung bezeichnet. Bedeutend ist diese Entwicklung ohne Zweifel, doch ist sie nicht neu. Denn vor einem Jahrhundert, im Sommer 1860, brachte ein Mann namens Era- stus Beadle in New York seine ersten "Dirne Novels" heraus, Groschenroman­ hefte in leuchtend orangefarbigen Umschlägen. Sie hatten sofort durch­ schlagenden Erfolg, und im Laufe der nächsten fünf Jahre, während des amerikanischen Bürgerkrieges also, wurden über vier Millionen Exemplare davon verkauft. Erastus Beadles Bestseller hieß "Seth Jones", eine Ge­ schichte aus der Wildnis um New York, die es 1765 dort noch gab. Bis 1865 hatte er fast eine halbe Million Exemplare an den Mann gebracht.

Die Soldaten des Bürgerkrieges verschlangen buchstäblich Millionen dieser handlichen kleinen Hefte. Sie tauschten sie untereinander aus, lie­ ßen sie von Hand zu Hand wandern, bis sie zerlesen und zerfledert wegge­ worfen wurden. Rund 80 Jahre später war die Situation nicht viel anders, als im zweiten Weltkrieg amerikanische Soldaten die seit 1939 erscheinen­ den Pocket Books (Taschenbücher) in ähnlichen Mengen konsumierten wie einst ihre Vorfahren.

Mr. Beadle veröffentlichte fast 2000 Titel während der über 30 Jahre, in denen sein Verlag das Feld beherrschte. Und genau wie die Taschenbü­ cher heutzutage erschienen sie in den verschiedensten Farben: orange.

- 7 - "AMERIKA DIENST" 1. Juli 1960

orange, braun, ockerbraun, blau, rot und gelb. Im allgemeinen kam in ihnen der Pioniergeist Amerikas zum Ausdruck. Sie zeichneten die Kämpfe, Heldentaten, Anfechtungen, Gefahren und Mühen und das Alltagsleben der amerikanischen Pioniere seit den Tagen der Puritaner nach.

Vielfalt wurde im Laufe der Jahre Grundton in der Verlagsarbeit von Beadle und Co. Den "Groschenromanen" schlössen sich die "Taschenromane" an, und später gab es auch noch die "Knaben-Sportbibliothek", "Geschichten und Abenteuer" und die "Neuen Groschenromane". "Amerikanische Erzählungen" vervollständigten die Verlagsliste, auf der auch Beadles "Half Dirne Library" (Halbgroschenbibliothek) zu finden war, deren Hefte, wie es sich gehörte, auch nur halb soviel wie die Groschenromane, nämlich fünf Cent, kosteten.

Die Titel waren ebenso vielfältig wie die Serien selbst. Sie hießen zum Beispiel: "Sam Sheridan, der Geheimagent, oder Rummel in der Bar zum Frühen Vogel", "Die rauhen Reiter oder Scharfäuge, die Seminolenplage", "Der Lebensretter", "Feuerkopf-Saul", "Ein Neuengland-Detektiv in Nevada", "Garry Kean, ein Mann mit Rückgrat". Daneben gab es "Buffalo Bill"- und "Deadwood Dick"-Serien.

Aber nicht alle Bücher waren reine Abenteuergeschichten. Um das Jahr 1870 gab Beadle eine Serie "Leben großer Amerikaner" heraus, die Biogra­ phien bedeutender Persönlichkeiten der amerikanischen Geschichte umfaßte. Leben und Wirken George Washingtons und Abraham Lincolns, des ersten und des sechzehnten Präsidenten der Vereinigten Staaten, wurden dargestellt. Der amerikanische Seeheld John Paul Jones wurde ebenso in die Serie auf­ genommen wie die Helden des amerikanischen Freiheitskrieges Ethan Allen und Marquis de Lafayette. Beadle bot auch Lebensbeschreibungen der be­ rühmten Indianerhäuptlinge Tecumseh und Pontiac, der die Stämme der Ottawa und Odschibwä im Aufstand gegen die Engländer führte, oder des Grenzers Kit Carson, der in Trapperexpeditionen den unerschlossenen Westen Amerikas durchforschte, und Daniel Boones, des Vorbildes unseres unver­ gessenen "Lederstrumpf".

Mr. Beadle AMERIKA PIEKST" 1 . Juli 1960

Mr. Beadle brachte auch Liederhefte, Witzesammlungen und Bücher über Sport heraus. Bei ihm konnte man einen "Briefsteller der Damen", einen Ratgeber für die Hausfrau, Bücher über die Kunst des Debattierens und der freien Rede sowie "Bücher der Kurzweil" finden.

Der Wilde Westen war nicht die einzige Region, die Beadles Dutzen­ den Autoren ihre Romanstoffe lieferte. Auch New York war der Hintergrund einiger Geschichten, die die vielsagenden Titel "Die Wölfe von New York" oder "Die Gespensterhand oder Die Erbin aus der Fünften Avenue" trugen.

Trotz ihrer Titel und manchmal wild aussehenden Einbandillustrationen waren Mr. Beadles Bücher im allgemeinen in gehobener Sprache geschrieben. Ein Rezensent drückte es einmal so aus: "Sie waren erbaulich in ethischer Hinsicht". Und Erastus Beadle war stolz darauf, daß Menschen jeden Altera seine Bücher lasen, sogar Abraham Lincoln.

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ZWANZIG JAHRE "INVITATION TO LEARNING"

Das zwanzigste Jahr ihrer literarischen Sendereihe "Invitation to Learning" (Einladung zum "Literatur"-Studium) eröffnete die Rundfunk­ abteilung des Columbia Broadcasting System mit einer Sonderreihe über das Thema Krieg und Frieden. Dreizehn Bücher, die einen Zeitraum von zwei­ tausend Jahren umspannen, bilden die Grundlage dieser literarischen Sendung. Dazu gehören beispielsweise: Leo Tolstois "Krieg und Frieden"; Erich Maria Remarques "Im Westen nichts Neues"; Aristophanes' "Der Friede"; Carl von Clausewitz' "Vom Krieg"; Niccol6 Machiavellis "Der Fürst" und "Diskurse"; George Bernard Shaws "Helden"; und William Penns "Essay über den Frieden in Europa".

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- 9 - "AMERIKA DIENST" 8, Juli i960

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BRZISHUNQSWESEN

FERNSEHSTUDENTEN LERNEN BESSER 4-6 amerikanische "Schulfernsehstationen" senden für Tausende Lehranstalten Von H. B. Garland

(100 Zeilen)

Manchen skeptischen Voraussagen zum Trotz hat das Fernsehen als Unterrichtsmittel in den USA in den vergangenen Jahren ständig an Bedeutung gewonnen. Während es 1951 nur eine einzige höhere Schule in Amerika gab, die Fernsehkurse als "gleichberechtigt" in ihr Lehrprogramm aufgenommen hatte, sind es heute rund 250 Colleges und Universitäten, die ihren Hörern zusammen mehr als 100 Fernsehvorlesungen bieten. Insgesamt bedienen sich gegenwärtig nahezu 600 Schulbezirke in allen Teilen der USA des Fernsehens als Unterrichtsmittel.

Zur Zeit strahlen 46 "Schulfernsehstationen" ihre Spezialprogramme für Gemeinschafts- und Heimunterricht aus; sieben weitere Stationen sollen dem­ nächst in Betrieb genommen werden, zehn befinden sich noch im Planungssta­ dium. Außerdem arbeiten fünf kommerzielle Fernsehstationen vertraglich für Universitäten und andere Bildungsinstitute.

In New Tork allein sehen während der Schulzeit schätzungsweise 300 000 Schüler in rund 500 Schulen die Programme des "Regents Educational Televisio Project", das täglich sieben Stunden lang Schulsendungen ausstrahlt. Die Bild- und Tonübertragung erfolgt hierbei nicht über Antenne. Ein sogenanntes "closed circuit System" (geschlossenes Netz) bringt die Sendungen vom Studio über Xabel direkt in die Klassenzimmer und Hörsäle. Im Jahre 1959 waren beim amerikanischen Schulfernsehen über 200 Einrichtungen dieser Art in Betrieb. Alabama

1 "AMERIKA DIENST" 8. Juli 196O

Alabama ist der erste amerikanische Bundesstaat mit einem umfas­ senden, speziell auf Erziehung und Bildung abgestellten Fernsehnetz und kann sich rühmen, mit seinen Programmen, die neben dem regelrechten Schulunterricht auch kulturell wertvoller Sendungen für alle ei»fchließen, etwa 80 Prozent der Bevölkerung anzusprechen. Die Schulsendungen werden von über 430 Lehranstalten in Alabama übernommen.

Natürlich wird noch immer experimentiert, und gelegentlieh werden auch normale Unterrichtsstunden für andere Schulen oder zum Mitlernen zu Hause übertragen. Bei der Mehrzahl der Sendungen handelt es sich aber um Fernsehvorlesungen, die durch Illustrationen und Experimente sehr lebendig wirken. Schüler und Klassenlehrer verfolgen sie gemeinsam auf dem Bildschirm und besprechen nach der Sendung die behandelten Themen. Eine dritte Möglichkeit ist die Verwendung des Fernsehens zum Zeigen ganz bestimmter, sonst kaum verfügbarer Objekte im Klassenunterricht.

Als besonders geeignet hat sich das Fernsehen u.a. für Fachgebiete wie Chirurgie und Zahnheilkunde erwiesen. Heute können auf dem Weg über den Bildschirm hundert Hörer gleichzeitig den Demonstrationen eines Pro­ fessors in allen Phasen genau folgen.

Eine sensationelle Neuerung plant die New Yorker Universität: den Bau eines wissenschaftlichen Labors mit "Fernsehausstattung". Die Studenten werden hier ihre Arbeitsplätze an der Innen- und Außenseite einer großen, ringförmigen "Werkbank" haben und mit dem in der Mitte be­ findlichen Dozenten durch eine Sprechanlage verbunden sein. Sollte ein Student bei seiner Arbeit Hilfe brauchen, so wird eine ferngesteuerte, fahrbare Fernsehkamera auf einem Schienenring über der "Werkbank" bis zu seinem Arbeitsplatz wandern und von dort ein Bild seines Experiments zum Bildschirm auf dem Tisch des Dozenten übertragen. Dieser ist dann in der Lage, dem Studenten an Ort und Stelle bei der Lösung seines Problems behilflich zu sein.

Besondere Aufmerksamkeit wird in den USA einem großangelegten Fernsehschulexperiment gewidmet, das bereits vor Jahren im Bundesstaat Maryland angelaufen ist. Insgesamt 48 Schulen sind dort einem Fernsehnetz angeschlossen, über das Unterricht in 40 verschiedenen Fächern erteilt wird. Jeder Schüler hat mindestens einmal pro Tag "Fernsehunterricht". Klassenlehrer 2 "AMERIKA DIENST" 8. Juli 196O Klassenlehrer und Schüler sehen die Übertragung gemeinsam und disku­ tieren anschließend über den Lehrstoff. Mit den vortragenden Lehrern des Fernsehstudios wird ständiger Kontakt aufrechterhalten. Dieses Experiment wird zum Teil von der Ford-Stiftung finanziert, ebenso wie ein einjähriger Fernsehkurs über "Physik im Atcmzeitalter", der gegenwärtig über mehr als 150 amerikanische Fernsehstationen fünf­ mal wöchentlich vor schätzungsweise 400 000 Zuschauern (darunter etwa 15 000 Schullehrer) läuft. Neben diesem Programm, das seit Oktober 1958 ausgestrahlt wird, gibt es noch einen Fernsehkurs über moderne Chemie, bei dem gelegentlich auch Nobelpreisträger Gastvorlesungen halten. Fin­ dige Köpfe haben errechnet, daß es 1300 Jahre dauern würde, wollten die Dozenten des "Continental Classroom"-Programms ihre Hörerschaft nicht über den Bildschirm, sondern in normalen Klassenzimmern unterrichten. Ein ähnliches Programm, das sogenannte "Sonnenaufgangssemester", wird seit einiger Zeit für New Yorker Studenten gesendet und erfreut sich wachsen­ der Beliebtheit.

Daß sich mit dem Schulfernsehen eindeutige erzieherische Erfolge erzielen lassen, geht aus einer Untersuchung hervor, bei der die Schüler von 110 "Fernsehklassen" mit gleichaltrigen und gleichbegabten Schülern aus 110 "Normalklassen" verglichen wurden. Hierbei stellte sich heraus, daß die "Tele-Studenten" bei Prüfungsarbeiten in 68 Fällen besser ab­ schnitten. Nach einem Jahr Chemie-Unterricht per Television ergab eine Überprüfung der Studenten an vier Colleges in Oregon, daß ihre Noten über dem Durchschnitt lagen und daß sie außerdem bessere Lerngewohnheiten entwickelt hatten.

Dennoch sind viele Erzieher der Ansicht, daß das Schulfernsehen den Lehrer niemals ganz verdrängen soll und kann. Andere aber weisen darauf hin, daß es im Jahre 1970 an den amerikanischen Colleges und Universitäten schätzungsweise 6 400 000 Studierende geben dürfte - etwa 100 Prozent mehr als heute - und daß dem zu erwartenden Lehrermangel nur durch Fern- sehunterricht abgeholfen werden könne; der TV-Unterricht werde außerdem wesentlich billiger sein, da man mit weniger Lehrern eine weitaus größere Studentenzahl ansprechen könne.

Auf "AMERIKA DIENST" 8. Juli 196O Auf technischem Gebiet experimentiert man beim amerikanischen Schulfernsehen zur Zeit mit revolutionierenden Neuerungen. So hat die Purdue-Universität im Bundesstaat Indiana ein Projekt in Angriff ge­ nommen, bei dem die Übertragung des Fernsehunterrichts über zwei Sen­ der erfolgt, die in Flugzeugen installiert sind und dadurch den gleich­ zeitigen Empfang der Programme für rund 13 000 Colleges und andere Schu­ len mit insgesamt 5 Millionen Studenten in sechs verschiedenen Bundes­ staaten ermöglichen. Die beiden Sendeflugzeuge sollen während der Über­ tragungen in rund 80 Kilometer Entfernung vom Universitätsstudio in Lafayette kreisen und ständig Schleifen von etwa 16 km Durchmesser fliegen.

Abschließend sei noch erwähnt, daß über das eigentliche Schulfern­ sehen hinaus viele amerikanische Fernsehstationen regelmäßig - speziell in den Morgenstunden - Sendereihen ausstrahlen, die eine Art ins Heim gelieferter Volksbildungskurse darstellen. "Prinzipien der Freiheit", "Schriftsteller von heute", "Besuch beim Bildhauer", "Die Sprache der Musik", "Die Religionen der Menschheit", "Die Kunst des Theaters1?, "Scheinwerfer auf die Oper", "Ärzte im Weltraum", "Shakespeare auf dem Fernsehschirm" waren einige der populärsten TV-Sendereihen der letzten Jahre.

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. y "AMERIKA DIENST" 8. Juli 1960

Die Artikel des AMERIKA DIENSTES sind honorarfrei und neben der Verwendung durch Rundfunk und Fernsehen ausschließlich zum Abdruck in Zeitungen und Zeitschriften und sonstigen Publikationen bestimmt, die sich direkt an den Leser wenden.

DAS MUSIKMOBIL KOMMT IN DIE SCHULE Ein Beispiel ländlicher Musikpflege in den USA

( 36 Zeilen) SHREWSBURY (Vermont) - (AD) - Eine nicht alltägliche Einrichtung gibt es im Landschulbezirk Shrewsbury im Staate Vermont. Dort kommt zu den rund 300 Schülern der acht Grundschulen jeden Monat einmal das Musikmobil. Und immer wieder ist es eine neue Sensation. Das Musikmobil gibt es seit 1953« Es ist Teil der 1950 ins Leben ge­ rufenen "Antonie1s-Music - Shelf"-Stiftung. Sie geht auf Antonia Salois zu­ rück, eine warmherzige Frau, die in Shrewsbury nicht nur wegen ihres strah­ lenden Soprans, sondern auch durch das, was sie für die Musikpflege in ihrem Heimatort getan hat, bekannt geworden ist. Mit diesem Vermächtnis wollte sie der Musik, die ihr im Leben so viel bedeutete, bis über das Grab hinaus dienen.

Zuerst wurden auf Anraten der Lehrerschaft eine größere Anzahl Lieder­ bücher angeschafft; dann kamen Aufnahmegeräte, Plattenspieler, und einfache Blasinstrumente hinzu, die von Kindern leicht gemeistert werden konnten und die ihnen auch Spaß machten. Heute füllen eine reichhaltige Musikaliensammlung, Fachzeitschriften und die Biographien berühmter Musiker und Komponisten die Borde der Musik­ leihbibliothek in Shrewsbury, während die Schränke Musikinstrumente, Platte Spieler und Aufnahmegeräte beherbergen. Ferner gehört dazu eine wundervolle Diskothek klassischer Meisterwerke, gehobener Unterhaltungsmusiken sowie von Volks- und Kinderliedern aus aller Welt. Plattenspieler werden an die Schulen ausgeliehen oder können von diesen zum halben Kaufpreis erworben werden. Ausgeliehen werden ferner Aufnahmegeräte, Klarinetten und Geigen. Manche Schulen bestreiten ihren gesamten Musikunterricht mit Mitteln aus "Antonia's Music Shelf". Eine "AMERIKA DIENST" 8. Juli 196O

Eine Leihgebühr wird nicht erhob en. Alle anfallenden Bibliotheks­ arbeiten sowohl wie auch Unterhaltung und Betrieb des Musikmobils werden in selbstloser Weise von Mitgliedern der Stiftung übernommen. Obgleich die Einrichtung hauptsächlich den Kindern des Bezirks zugute kommen soll, ist doch noch kein Erwachsener, der' sich ernsthaft für Musik interessierte und etwas ausgeliehen haben wollte, bisher abgewiesen worden. Hauptkunden der Musikbibliothek sind insbesondere Vereine und Klubs, die ihre Zusammen­ künfte musikalisch bereichern wollen.

Im Jahre 1955 wurde das "Antonia1s-Music-Shelf"-Programm um einen Stipendienfonds für begabte Kinder erweitert. Die Stipendien sind klein, aber ausreichend, um einigen Kindern für begrenzte Zeit Musikunterricht erteilen zu können, der sie anspornt, ihr Talent zu pflegen. Die Stipen­ diaten werden jeweils von den Lehrern vorgeschlagen.

ACHTUNG1 Auf Anforderung der Redaktionen übersendet der AMERIKA DIENST an Zeitungen und Zeitschriften kostenlos folgendes Bild:

Rund 300 Schüler des Landschulbezirks Shrewsbury in Vermont werden im Rahmen der "Antonia' s-ilüsic-SV.el f'r-J tiftung durch ein- Musikmobil betreut und.kostenlos mit Noten, Schallplatten, Musik­ instrumenten und Musikliteratur versorgt. Hier werden die Kinder einer Schulklasse in Mount Holly von ihrer Lehrerin dazu angeregt, zu Schallplattenmusik den Takt zu schlagen. Alle Arbeiten in der Musikbibliothek in Shrewsbury und auch die Rundfahrten mit dem Musikmobil werden v*n. freiwilligen Helfern übernommen.

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- 6 - "AMERIKA DIENST" 8. Juli 1960 Die Artikel des AMERIKA DIENSTES sind honorarfrei und neben der Verwendung durch Rundfunk und Fernsehen ausschließlich zum Abdruck in Zeitungen und Zeitschriften und sonstigen Publikationen bestimmt, die sich direkt an den Leser wenden»

VON KUNST UND KÜNSTLERN ICH HAB* EIN MULI... Amerika erlebt eine Blüte seiner Volksmusik Von Norman Smith

( 90 Zeilen) Nif YORK - (AD) - Überall in den Vereinigten Staaten blüht in diesen warmen Sommertagen Volksmusik. Schenkten ihr einst nur Folkloristen ihr Interesse - und selbstverständlich die vielen unbekannten Troubadoure, deren Erbe sie ist -, so fesselt sie seit einigen Jahren die Phantasie einer ganzen Nation*

Anfang Juni fand in Washington das 34. Nationale Sängerfest statt, das vom deutschamerikanischen "Nordöstlichen Sängerbund" getragen wurde und 2500 Sänger aus nah und fern zusammenführte. Ihm folgte Ende desselben Monats das zweite Newport Folk Festival in Newport (Rhode Island), dem einst so mondänen Seebad, dessen jährliches Jazz-Festival ihm aber erst leltruhm eintrug. Und überall in den USA schießen Volksmusikfeste wie Pilze aus dem Boden* Woher rührt dieses intensive Interesse Amerikas an seiner musikali­ schen Überlieferung? Vielleicht ist diese Rückwendung eine natürliche Reaktion auf die Industrialisierung und Verstädterung unserer Tage. Doch mehr Wahrscheinlichkeit liegt in der Vermutung, daß es gerade die Erzeug­ nisse unseres Zeitalters - Radio, Plattenspieler, Tonband und Fernsehen - sind, die Amerika sich des kulturellen Besitzes bewußt werden lassen, der im Schöße seiner Vergangenheit ruht.

Die große Beliebtheit des Volksliedes läßt es heute fast unverständ­ lich erscheinen, wieso vor 50 Jahren noch Folkloristen darüber klagen konnten, daß die Zeit dieser Musik offensichtlich vorüber sei. Die alten Leute, meinten sie, erinnerten sich ihrer zwar noch, aber mit ihnen

7- - "AMERIKA PIEKST" 8. Juli 196O ihnen zusammen würden auch ihre Lieder sterben. Irgendwann jedoch - Experten fixieren das Datum auf die Mitte der dreißiger Jahre - erhielt das Volksliedersingen wieder neuen Auftrieb. Ein Teil der Experten vertritt die These, daß diese Wiedererweckung als eine kulturelle Bewegung mit sozialreformerischen Obertönen begonnen habe, wie es sich in einigen Liedtexten deutlich nachweisen ließe. Andere schreiben sie einzig und allein der grenzenlosen Neugier der Amerikaner für ihr kulturelles Erbe zu, dessen vielfältige völkische Ursprünge eben­ so wie das Yertrautwerden auf Auslandsreisen mit fremden Volksmusiken zweifellos genug Anreiz böten.

Wie dem auch sei - was so bescheiden als das Sammeln und Aufnehmen von Balladen und Volksliedern durch einige wenige hingebungsvolle Volks­ kundler - wie John Lomax und der Dichter Carl Sandburg - begann, entfaltet heute seine Blüten in den zahlreichen einzelstaatlichen und regionalen Volksmusikfesten. Eines der frühesten war das White Top Folk Festival, das seit 29 Jahren am White Top Mountain im Südstaat Virginia stattfindet.

Im Süden schlägt eigentlich auch das Herz der amerikanischen Volks­ musik. Denn obwohl jedes Gebiet seinen eigenen Schatz an bodenständigem Liedgut besitzt, vermag keines die Ursprünge seiner Melodien so weit zurückzuverfolgen wie der Süden. Hier, in den abgelegenen Bergregionen, leben die Abkömmlinge der ersten britischen Siedler des 17* Jahrhunderts, in deren Sprache selbst heute noch jene ferne Zeit nachklingt. Von dort stammen sehr viele der Volksballaden, die Amerika so vertraut sind. Dies ist jedoch nur eine der zahlreichen Wurzeln der amerikanischen Volksmusik. Eine andere bildet Amerikas Ausdehnung nach dem Westen. Es sind die Lieder der Pioniere, Cowboys, Eisenbahnarbeiter, Holzfäller und Bergleute, es sind die Hegro-Spirituals, die Lieder über Krieg und Frieden, Kindheit und Liebe, in denen sich die Kraft, die Vielfalt und Weite der wachsenden Staaten widerspiegeln.

Ein Beispiel mag für viele stehen - ein Lied, das die Arbeiter beim Bau des Erie-Kanals sangen-, der 1823 New York mit den Großen Seen verband. Allerdings wird sich dem Auge der Reiz dieser einfachen Verse nur schwer erschließen, deren Wirkung aufs innigste mit Melodie, Rhythmus und Vor­

tragsweise des Liedes verflochten ist. rtva "AMERIKA DIENST" 8. Juli i960

I've got a mule and her name is Sal Fifteen miles on the Erie Canalj She's a good worker and a good old pal, Fifteen miles on the Erie Canal.

Ich hat ein Muli, und ict nenn ts Sal Fünfzehn Meilen am Erie-Kanal; Es ist so fleißig und ein guter Kerl, Fünfzehn Meilen am Erie-Kanal.

Jede neue Welle von Siedlern brachte die Lieder anderer Nationen mit herüber. Langsam wurden sie Teil des einheimischen Repertoires, das auch die Balladen umfaßte, die von den Neuankömmlingen um die Abenteuer des Pionierlebens in ihrer neuen Welt gesponnen wurden. Sie alle - alte wie neue Lieder und Balladen - bilden heute die "amerikanische Volksmusik".

Da die Lieder auf ihrem Weg von Generation zu Generation, von Mund zu Mund Änderungen und Zusätze erfuhren, gibt es fast ebenso viele Varian­ ten wie geographische Regionen. Gerade dies macht das Studium der Volks­ lieder so faszinierend und verwickelt. Folkloristen blieben diese Verhält­ nisse natürlich keineswegs verborgen, wenn sie mit ihren Tonbandgeräten die Berge und das Land durchstreiften, auf der Jagd nach überlieferten Liedern, die bei der täglichen Arbeit, beim Gottesdienst und beim Spiel gesungen werden. Statt zu zerstören, hilft unser technisches Zeitalter also,diese kulturellen Quellen zu bewahren. Eine große Zahl der Aufnahmen - über 40 000 - befinden sich im Archiv für Amerikanische Volkslieder, einer Unterabteilung der Washingtoner Kongreßbibliothek.

Es konnte nicht ausbleiben, daß auch die akademische Welt hier ein faszinierendes Studienobjekt entdeckte. Amerikanische Hochschulen boten im vergangenen Jahr über 200 Vorlesungen und Seminare in Volkskunde und Volksmusik. Weiteste Verbreitung fanden die Volkslieder jedoch durch ihre über 250 professionellen Liedersänger; Burl Ives, Harry Belafonte, Susan Reed und Theodore Bikel, die als ausgebildete Konzertsänger das Volks­ liedmaterial einem eingehenden Studium unterzogen, zählen ebenso zu ihnen wie Jean Ritchie und Jimme Driftwood, die aus Landstrichen mit

9 "AMERIKA DIENST" 8. Juli 1960

mit reichen folkloristischen Schätzen stammen und sich mit den Liedern ihrer Heimat in die Herzen vieler Millionen Amerikaner sangen. Ihre Konzerte und Schallplattenaufnahmen, ihr Auftreten bei Volkslieder- Festivals, lassen den großen Charme echter Volksmusik lebendig werden, der unvergänglich zu sein scheint. Noch heute üben viele der alten Lieder einen schwer erklärbaren Zauber auf ihre Hörer aus - so wie jene Weise vom schneebedeckten Old Smoky, auf dem ein Mädchen ihren wahren Geliebten verlor, weil er mit seiner Werbung zu spät kam.

On top of old Smoky All covered with snow I lost my true lover Come a-courtin' too slow.

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JAZZ-SOMMER IN DEN STERLING FOREST GARDENS ERÖFFNET

NEW YORK - (AD) - In diesen Tagen wurden im großen Staatspark der Sterling Forest Gardens - auf der Grenze zwischen New York und New Jersey gelegen - mit einem Gershwin-Konzert der Kapelle Paul Whiteman die Sommer­ musikspiele 196O eröffnet. Diese Sommerspiele sind seit 1949 eine liebe Einrichtung geworden, doch zum ersten Male finden sie von unter dem neuer* grün-orangefarbenen großen Schirmzelt statt, das innerhalb seines Runds für 1600 Besucher und draußen auf dem Rasen für 1200 weitere Gäste Platz hat. Der diesjährige Sommer ist ganz dem Jazz gewidmet; das Programm ver­ zeichnet bekannte Namen wie George Shearing, Louis Armstrong, Dave Brubeck, Dizzy Gillespie, Maynard Ferguson, Chris Connor und Gerry Mulligan mit ihren Combos.

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- 10 "AMERIKA DIENST" 8. Juli 196O Die Artikel des AMERIKA DIENSTES sind honorarfrei und neben der Verwendung durch Rundfunk und Fernsehen ausschließlich zum Abdruck in Zeitungen und Zeitschriften und sonstigen Publikationen bestimmt, die sich direkt an den Leser wenden.

DIE WISSENSCHAFT NOTIERT

ZU FRÜH GELERNT - ZU SCHNELL VERGESSEN Talente können "blockiert" werden

Nach "Medical News"

( 53 Zeilen) Der Versuch, einem jungen Lebewesen Fähigkeiten anzuerziehen, für die es noch nicht die nötige Reife besitzt, wird unweigerlich fehlschla­ gen - selbst wenn das "dressierte" Individuum durch energisches Training dazu gebracht wurde, bestimmte Aufgaben recht und schlecht auszuführen. Diese Erfahrung machte Dr. Harry F. Harlow, Zoologe der amerikanischen Universität Wisconsin, bei Experimenten mit Rhesusaffen; schon kurz nach der Geburt wurden die Tierbabies in besonderen Käfigen isoliert, wo sie unter genau kontrollierten Bedingungen aufwuchsen.

Rhesusäffchen erlangen im dritten bis vierten Lebensjahr ihre körper­ liche Reife und entwickeln bis dahin auch ihre volle Intelligenz. Man kann sie aber, wie Dr. Harlow im Verlauf seiner Versuche feststellte, schon im Alter von 20 Tagen dazu anlernen, zwischen zwei Gegenständen von verschie­ dener Form, Größe oder Farbe zu unterscheiden. Der amerikanische Verhal­ tensforscher stellte den Tierkindern jede Woche 20 solcher Aufgaben, wobei er jeweils zwei Gegenstände mit ganz bestimmten Merkmalen für sechs Ein­ zelexperimente benutzte. In den meisten Fällen bestanden die Rhesusäff­ chen zwar den Test, aber sie machten auch sehr viele Fehler; auffallend war dabei, daß sich Jungtiere im Alter von 60 bis 90 Tagen trotz inten­ siven Trainings keineswegs geschickter zeigten.

Dr. Harlow stellte parallel dazu älteren Jungtieren und erwachsenen Rhesusäffchen die gleichen Aufgaben. Diese "Schülergruppen" waren viel anstelliger. Sie begriffen die richtige Lösung häufig schon beim ersten

- 11 - "AMERIKA DIENST" 8. Juli 196O ersten Versuch und wählten hei allen Wiederholungsexperimenten ohne Zögern den richtigen Gegenstand aus. Bei den zu früh dressierten Tieren dagegen änderte sich an der Zahl der richtigen Lösungen bzw. der Zahl der Fehlleistungen beim zweiten Versuch jeder Testserie praktisch nichts, auch dann nicht, als die Äffchen bereits 600 solcher Tests hinter sich hatten. Und im Alter von 260 Tagen blieben ihre Leistungen bereits merk­ lich hinter denen älterer,bedeutend weniger trainierter Rhesusaffen zurück. Der amerikanische Verhaltensforscher zieht aus seinen langjährigen Beobachtungen an den Rhesusäffchen den Schluß, daß ein Individuum durch zu frühes Anerziehen von Fertigkeiten, denen es geistig noch nicht ge­ wachsen ist, geradezu gegen das spätere Erlernen "immunisiert" wird.

Die Parallele zur geistigen Entwicklung des Menschen im Kindesalter will Dr. Harlow allerdings nicht zu weit ziehen. Denn abgesehen davon, daß die Jungtiere in seinem Laboratorium unter ganz anderen Bedingungen aufwachsen als Menschenkinder, fehlen bei den Rhesusäffchen ja zwei we­ sentliche Faktoren - die Sprache und das Vermögen, logisch zu denken. Wo es jedoch auf die Erlernung von Fertigkeiten ankommt, die auf einfa­ cheren geistigen Prozessen beruhen, lassen sich nach Dr. Harlows Meinung aus diesen Experimenten sehr interessante Schlüsse ganz allgemein auf die Entwicklung junger Lebewesen ziehen.

An seinen Versuchstieren konnte er jedenfalls beweisen, daß die Fähig­ keit "zu generalisieren", das heißt, die an verschiedenen Lernaufgaben ge­ wonnenen Erfahrungen zueinander in Beziehung zu setzen und für die Lösung neuer, schwierigerer Aufgaben zu benützen, bei Rhesusaffen erst im zweiten Lebensjahr in Erscheinung tritt. Vorher wird jedes Problem nur einzeln und für sich erfaßt, ohne daß das Tier daraus "lernt" und später auf Grund seiner "Erfahrung" entsprechend intelligent reagiert. Obwohl natürlich bei den Versuchstieren - und in noch höherem Maße beim Menschen - ganz indi­ viduelle Anlagen und ein unterschiedliches Tempo der Entwicklung berück­ sichtigt werden müssen, bleibt nach Dr. Harlows Ansicht die Tatsache bestehen, daß eine "Dressur" in einem zu frühen Stadium nur schädlich sein kann.

Nach "Medical News" ***** "AMERIKA DIENST" 15» Juli 1960 Die Artikel des AMERIKA DIENSTES sind honorarfrei und neben der Verwendung durch Rundfunk und Fernsehen ausschließlich zum Abdruck in Zeitungen und Zeitschriften und sonstigen Publikationen bestimmt, die sich direkt an den Leser wenden.

ELEKTRONIK

"LASER" - NEUARTIGER VERSTÄRKER FÜR MONOCHROMATISCHES LICHT

(42 Zeilen) Ein auf der Elektronenbewegung in einem synthetischen Rubin basie­ rendes Gerät zur Lichtverstärkung wurde an der Forschungsanstalt der amerikanischen Hughes Aircraft Company unter der Leitung von Dr. Theo­ dore H. Maiman entwickelt und kürzlich in New York der Presse vorgeführt. Es trägt die Bezeichnung "LASER" (aus: _l_ight amplification by _s_timulated _emission of r_adiation • Lichtverstärkung durch induzierte Emission von Strahlung) und ist eine Weiterentwicklung der "MASER"-Mikrowellenver- stärker, die auf eine Erfindung von Dr. Charles H. Townes (Columbia- Universität, New York) aus dem Jahr 1955 zurückgehen. MASER-Geräte haben inzwischen auf dem Gebiet der Verstärkung sehr schwacher Radiowellen, wie sie beispielsweise von Radioteleskopen aus Milliarden Lichtjahre von uns entfernten Sternenwelten empfangen werden, ferner als neuartiger Röhrentyp für höchste Frequenzen, in der Funkortung sowie zur Erzielung höchster Meßgenauigkeiten bei Experimenten zur Einsteinschen Relativi­ tätstheorie große Bedeutung erlangt. Der LASER ist dem MASER (aus: microwave amplification by s_tiraulated _emission of radiation = Mikrowellenverstärkung durch induzierte Emission von Strahlung) ähnlich und arbeitet folgendermaßen:

Da3 "Herz" des Geräts, ein synthetischer roter Rubin, wird mit grünem Licht bestrahlt, wodurch Energie zu den Elektronen im Rubinkristall gepumpt wird. Die dadurch stark angeregten, mit großer Geschwindigkeit herumwirbelnden Elektronen geraten nun in einen instabilen Zustand und haben die Tendenz, bei der nächstbesten Gelegenheit wieder eine geringere Energiestufe anzunehmen. Diese "AMERIKA DIENST" 15. Juli 196O

Diese Gelegenheit erhalten sie, indem man den Ruhin rotem Licht aussetzt. Sie heginnen in einen Zustand geringerer Bewegungsenergie überzugehen, wohei sie die Energiedifferenz in der Form reinen mono­ chromatischen roten Lichts abgehen.

Der Rubin ist jedoch, mit Ausnahme einer winzigen Öffnung an jedem Ende, mit Silber überzogen. Das Silber wirkt als Spiegel und reflektiert unaufhörlich die Lichtwellen innerhalb des Rubins, wodurch immer mehr Elektronen veranlaßt werden, in den Grundzustand überzugehen und da\>ei Energie abzugeben. Dies alles geschieht aber so schnell, daß der Beobach­ ter weiter nichts wahrnimmt als einen starken, scharf gebündelten Strahl ultrareinen Rotlichts, der aus einer Öffnung in der Spiegelauflage dringt.

Nach Ansicht Dr. Maimans müßte es bei Weiterentwicklung des Verfahrens möglich sein, auch das Licht anderer Spektralfarben zu verstärken. LASER- Geräte könnten, wie der Wissenschaftler ausführte, für Präzisionsunter­ suchungen über den Aufbau der Materie, zur Erzielung störungsfreier Punk­ verbindungen, für die Lichtverstärkung an Teleskopen zur Beobachtung bisher nicht sichtbarer Himmelskörper, ja sogar zur Beleuchtung kleiner Ausschnitte der Oberfläche des Mondes von der Erde aus verwendet werden.

* * * * * "AMERIKA DIENST" 15. Juli 1960 Die Artikel des AMERIKA DIENSTES sind honorarfrei und neben der Verwendung durch Rundfunk und Fernsehen ausschließlich zum Abdruck in Zeitungen und Zeitschriften und sonstigen Publikationen bestimmt, die sich direkt an den Leser wenden.

OZEANOGRAPHIE

• UNTERWASSERGEBIRGE IM GOLF VON ALASKA

(26 Zeilen) Mit der Entdeckung eines 2645 Meter hohen Bergkegels 1211 Meter unter dem Meeresspiegel im Golf von Alaska erhöht sich die Zahl der in diesem Raum vom US-Bundesamt für Küsten- und Landvermessung registrierten bzw. schon genau vermessenen Unterwassererhebungen auf 160. Aber trotz der be­ reits vorgenommenen Untersuchungen in dem 2,6 Millionen Quadratkilometer großen Seegebiet zwischen dem nordamerikanischen Kontinent und der Insel­ kette der Aleuten ist noch ein gut Teil wissenschaftlicher Arbeit zu lei­ sten, um den Charakter des Meeresbodens in diesem Raum genau zu erforschen. Das US-Bundesamt für Küsten- und Landvermessung schickt regelmäßig im Frühjahr und Herbst Vermessungsschiffe auf den Weg, die den weiten Raum des Nordpazifiks im Bereich der Aleuten, der Beringsee und westlich und nördlich Alaskas befahren. Das Vermessungsnetz wird durch systemati­ sches Abtasten des Meeresbodens mit den modernsten Tiefenlotverfahren immer enger gezogen; die Meßergebnisse sowohl in bezug auf Erhebungen unter Wasser als auch auf Einbrüche im Meeresboden liefern die wichtig­ sten Unterlagen für die Seekarte vom Golf von Alaska, die 1952 erstmals erschien und seitdem laufend ergänzt wird.

Das neu entdeckte Bergmassiv hat an der Basis 19*2 km, am Gipfel 2 km Durchmesser; das Gipfelplateau ist eben und zeigt nur in der Mitte eine leichte Erhebung. Obgleich in diesem Gebiet schon andere Unterwasser­ gebirge mit Höhen bis zu 3200 m entdeckt wurden, bildet dieser Berg, der sich bei 56 Grad nördlicher Breite und 143»2 Grad westlicher Länge be­ findet, doch ein wichtiges Glied in einer Gebirgskette, die sich unter der Meeresoberfläche, 160 km östlich der Insel Kodiak beginnend, etwa 1000 km weit quer durch den Golf von Alaska in Richtung Vancouver Island, an der pazifischen Westgrenze zwischen Kanada und den USA, hinzieht. *

- 5 - "AMERIKA DIENST 15. Juli 1960

UNTERWASSER-SCHALLKANAL UM DEN HALBEN ERDBALL

(32 Zeilen) Die Detonationageräusche von drei von dem amerikanischen Forschungs­ schiff VEMA vor der australischen Küste unter Wasser ausgelösten Explo­ sionen wurden 144 Minuten später von einer 19 200 km davon entfernten Station auf den Bermudas registriert. Dies meldete kürzlich die Columbia- Universität in New York, die eine Gruppe von Wissenschaftlern unter der Leitung von Dr. Maurice Ewing zu einer sich über ein ganzes Jahr erstrecken­ den ozeanographischen Expedition entsandt hat. Dr. Ewing, der vor 15 Jahren unter Ausnutzung der Leitfähigkeit ozeanischer Wassermassen für Schallwel­ len das Schallortungsverfahren SOFAR (s_ound f_ixing a_nd .ranging) entwickelte, untersucht zur Zeit die Möglichkeiten zur Anwendung des SOFAR-Verfahrens für Navigationszwecke. Im Rahmen der von 16 Nationen, darunter auch der Bundesrepublik Deutschland, ausgerüsteten Expedition in den Indischen Ozean, die von Ende 196O bis 19&4 zahlreiche meereskundliche Untersuchungen durch­ führen wird, sollen auf Vorschlag Dr. Ewings ebenfalls SOFAR-Geräte benutzt werden.

In einer in große Tiefe führenden schalleitenden Wasserschicht waren am 21. März 196O im Abstand von 5 Minuten drei 22,5-kg-Lädungeri zur Explo­ sion gebracht worden. Unbehindert durch große Landmassen pflanzten sich die Schallwellen durch den südlichen Indischen Ozean, den Südatlantik bis in den Nordatlantik fort. Die Aufzeichnung auf Tonband ergab ein stän­ diges langsames Anschwellen und Abklingen der Impulse bis zur völligen Stille,

Der Schall durchlief in einem verhältnismäßig engen "Kanal" einen wei­ ten Kreisbogen, wobei bestimmte Wasserschichten als eine Art Rohrleitung wirkten. Die einen solchen Kanal passierenden Schallwellen können sich nicht nach allen Richtungen gleichmäßig ausbreiten, da sie von den angren­ zenden Wasserschichten mit anderen Temperatur- und Druckverhältnissen zu­ rückgeworfen werden. So beginnt beispielsweise der "Schallkanal" zwischen Australien und den Bermuda-Inseln vor Australien in flachem Wasser, erreicht jedoch in Xquatornähe, wo die oberen Wasserschichten wesentlich wärmer sind, 1260 Meter Tiefe. Dr. Ewing

- 4 - "AMERIKA PIEKST" 15. Juli 1960

Dr. Ewing ist überzeugt, daß sechs SOFAR-Schallortungs-Stationen am Rande des Indischen Ozeans, über Schallkanälen postiert, den an der internationalen Expedition teilnehmenden Schiffen die Positionsbe­ stimmung wesentlich erleichtern könnten.

*

KONTINENTALSCHELF ALS BERGWERK DER ZUKUNFT

(18 Zeilen) Die große Bedeutung der Schelfe, der Kontinentalsockel unter dem an das Festland angrenzenden Flachseegürtel, als Reservoir von Mineralien aller Art wurde in einem Bericht des Beirats für Ozeanographie der amerikanischen Nationalen Akademie der Wissenschaften hervorgehoben. Seit Jahrmillionen lagern sich in diesen Zonen, die etwa 31 Millionen Quadrat­ kilometer umfassen, infolge der natürlichen Auswaschung des Festlandes wertvolle Mineralien und organische Stoffe ab.

Der Reichtum der Schelfgebiete an Erdöl ist allgemein bekannt und wird zum Teil bereits für die Erdölproduktion in Anspruch genommen. Allein aus dem Flachseegürtel um die Vereinigten Staaten könnten mit den heute üblichen Förderungsmethoden etwa 61 Milliarden Tonnen Rohöl und 4»2 Milliar­ den Kubikmeter Erdgas gewonnen werden. Dies sind ungefähr 20 Prozent der gesamten öl- und Erdgasvorkommen der USA. Aber auch Kupfer, Kobalt, Nickel und Seltene Erden sind, wenn auch in geringer Konzentration, in großen Mengen im Schelf vorhanden. Der Bericht weist darauf hin, daß auf Grund bis­ heriger Untersuchungsergebnisse diese Lager als durchaus abbauwürdig an­ zusehen sind; zuvor seien jedoch noch einige aus dieser neuen Art von "Bergbau" sich ergebende technische Probleme zu lösen.

* * * * *

- 5 - "AMERIKA DIENST 15. Juli 1960

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VON KUNST UND KÜNSTLERN

NIVEAU IST KEIN VERLUSTGESCHÄFT Außergewöhnliche Filme finden ihr Publikum Von Norman Smith

(80 Zeilen)

NEW YORK - (AD) - Eines der interessantesten Phänomene auf dem Unter­ haltungssektor in den Vereinigten Staaten ist die rasche Ausbreitung der sogenannten "Art Theatres". Zunächst scheint die wörtliche Übersetzung "Kunsttheater" auf Bühnen hinzudeuten, die sich der Aufführung künstlerisch hervorragender Schauspiele widmen. In Wirklichkeit entsprechen die amerika­ nischen "Art Theatres" etwa den deutschen "Filmstudios", jenen intimen Licht­ spielhäusern, deren Programme außergewöhnliche Filme des In- und Auslands bieten.

Die Größe der Art Theatres hält sich in bescheidenem Rahmen; gewöhn­ lich fassen sie etwa 500 Besucher. Ihren intimen Charakter unterstreicht eine gewisse Eleganz, die jedoch weit von jener übertriebenen Pracht der Spiegel und des Golddekors der älteren, großen Lichtspielhäuser entfernt ist. Statt gigantischer Plakate, die kommende Attraktionen ankündigen, hängen an den Wänden dieser modernen Filmstudios oft Gemälde junger, begabter Künst­ ler - alles Äußerlichkeiten, die aber mit dem Ziel der Art Theatres, einem kritischen Publikum originelle und ungewöhnliche Filme aus aller Welt vor­ zuführen, im Einklang stehen.

Ein Blick auf die laufenden Programme bestätigt, daß die amerikanischen Art Theatres im großen und ganzen halten, was sie versprechen. In New Tork z.B. kann der verwöhnte Kinogänger - um nur einige Filme aus dem reichhaltigen Angebot zu nennen - unter "Ikiru" ("Leben"; Japan), "Das Mädchen Rosemarie" (Deutschland), "Orfeu Negrö" (Frankreich), "A Lesson in Love" ("Eine Lekti­ on Liebe"; Schweden) und "Expresso Bongo" (England) wählen. Dieselben Filme \ "AMERIKA DIENST 15- Juli 1960

Filme sind aber auch in anderen Städten zu sehen, denn Art Theatres gibt es nicht nur in New York. Sie sprießen überall wie die sprichwörtlichen Pilze nach dem Regen aus dem Boden, und jüngste, Zahlen sprechen von knapp 500 Studios dieses Genres.

Besonders bemerkenswert erscheint das rasche Anwachsen aber angesichts der Tatsache, daß gleichzeitig die Zahl der Filmtheater alten Stils immer mehr abnimmt. Gegenwärtig gibt es etwa 10 000 Lichtspielhäuser innerhalb der Vereinigten Staaten. Ihnen sind noch rund 8500 Auto-Kinos hinzuzu­ rechnen - eine imposante Ziffer, die sich aus dem allgemeinen Zug in die Vorstädte erklärt; trotzdem vermochten auch sie in keiner Weise die stei­ gende Beliebtheit der Art Theatres zu beeinträchtigen.

Allerdings besitzt nicht unbedingt jeder in einem Filmstudio gezeigte Streifen hervorragende Qualität - genauso wenig, wie jeder Film, der in einem "kommerziellen" Lichtspielhaus läuft, automatisch unter die Kate­ gorie "mittelmäßig" fällt. Einige der besten Hollywood-Produktionen, die nur in den großen Häusern zu sehen waren, haben sich gerade wegen ihres hohen künstlerischen Niveaus sehr viel Anerkennung errungen. Was die Film­ studios bieten, ist eine verlockende Kollektion von Filmstreifen, in denen fast jede Weltsprache, Kultur, Ansicht und dramatische Diktion unserer Ge­ genwart ihren Ausdruck findet - offensichtlich Elemente, die im Zeitalter der Düsenflugzeuge und enger internationaler Kontakte starke Anziehungskraft ausüben.

Kulturelle Neugier erstreckt sich indessen auch auf alles, was Amerika selbst an Frischem und Neuem in der Welt des Films hervorbringt. Art Theatre räumen den Werken von Hollywoods störrischen Individualisten, die wie Elia Kazan, John Huston und Paddy Chayefsky ihren eigenen künstlerischen Visionen nachgehen, oder den Filmen der immer zahlreicheren Avantgarde unter den jungen Filmproduzenten einen bedeutenden Platz in ihren Programmen ein. Zwei interessante Beispiele für den avantgardistischen Film laufen zur Zeit in den Art Theatres. Der erste, "Pull My Daisy", verdient Erwähnung nur wegen seines experimentellen Charakters. Es ist der 29 Minuten dauernde Versuch, die Stimmungen und Gefühle einer Gruppe von Dichtern und Musikern nachzuempfinden. Das Drehbuch stammt von Jack Kerouac - dem inoffiziellen Poeta laureatus der sogenannten "beat"-Bewegung, deren Anhänger sich am besten als puerile Eskapisten beschreiben lassen, die der Realität _zu

- 7 - "AMERIKA DIENST" 15. Juli 196O zu entfliehen suchen. Der Film selbst ist in seiner Technik recht ama­ teurhaft und in der Substanz ziemlich fade. Dennoch besitzt er einen Anflug von Humor und subtilem Spott, abgesehen von dem Grotesken des Themas selbst, das an sich schon fasziniert.

Sehr gelungen ist demgegenüber das eloquente Bild- und Tonporträt des berühmten Newporter Jazz-Festivals unter dem Titel "Jazz on a Summer1s Day" (Jazz an einem Sommerabend). Der erfolgreiche junge Berufsphotograph Bert Stern versteht es, mit seinem Erstlingswerk die Jünger der Filmkunst zu fesseln - selbst jene, die sonst nicht dem Zauber des Jazz verfallen. Denn er und seine Mitarbeiter haben in diesem Streifen nicht nur die Ge­ sichter der beteiligten Musiker und den Klang ihrer Instrumente einge­ fangen, sie lassen darüber hinaus vor unseren Augen das ganze facetten­ reiche Bild eines jazzbeschwingten Sommertages erstehen.

Liebevoll schwebt die Kamera über die Newport Bay mit ihren anmuti­ gen Jachten, sie hüpft durch die gewundenen Straßen und läßt einen Blick erhaschen von den Musikern bei der Probe zu Hause, in den Gärten und am Pier. Zuletzt skizziert sie das Festival selbst, wo im Spiel der fünfzig Künstler - von Louis Armstrong bis zur Gospel-Sängerin Mahalia Jackson - die ganze Reichweite des Jazz lebendig wird. Vom Bild her gesehen, ist dieser Musikfilm überaus lohnenswert - sensible Verwendung der Farbe, rhythmischer Fluß de3 Bildwachseis, köst­ liche Augenblicke voll Humor. Nicht minder eindrucksvoll ist die Musik, die geboten wird. Und obwohl die Regie fast zu sehr Form vermissen läßt (um dem Thema gerecht zu werden, verlegte sie sich ganz absichtlich, auch in der Kameraführung, aufs Improvisieren), erweist sich "Jazz an einem Sommerabend" als das Werk eines neuen und starken schöpferischen Talents, das1 man im Auge behalten sollte.

* * * * * "AMERIKA DIENST" 15. Juli 1960 Di« Artikel des AMERIKA DIENSTES sind honorarfrei und neben der Verwendung durch Rundfunk und Fernsehen ausschließlich zum Abdruck in Zeitungen und Zeitschriften und sonstigen Publikationen bestimmt, die sich direkt an den Leser wenden.

CHINA

MAO TSE-TUNG - HALBGOTT DES CHINESISCHEN KOMMUNISMUS Die Geburt eines neuen Persönlichkeitskults Von V. A. Denin

( 110 Zeilen) An jeder Straßenecke, auf jedem öffentlichen Platz blickt von Plakaten und großformatigen Photographien ein rundes, breitwangiges Gesicht mit zurücktretender Stirn und etwas tiefliegenden Augen auf die 65O Millionen Menschen Rotchinas herab - Mao Tse-tung, Vorsitzender der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) und, allen Anzeichen nach, Halbgott der rotchinesischen Philosophie.

Neben Marx und Lenin ist es Mao Tse-tung, der im heutigen China am mei­ sten gelesen, am häufigsten zitiert und am höchsten verehrt wird. Maos Er­ klärungen und Ansichten sind, wenigstens kommunistischer Propaganda zufolge, unfehlbar. "Auf allen Gebieten der Philosophie, der politischen Ökonomie, des wissenschaftlichen Sozialismus, der Kunst und Literatur", schrieb die Pekinger Volkszeitung, offizielles Organ der KPCh, "sind Mao Tse-tungs Gedanken die einzig richtigen Gedanken."

Jeder chinesische Arbeiter ist deshalb angehalten, Mao Tse-tung zu stu­ dieren, um wirksamer zu produzieren. Bauern haben seine Schriften zu lesen, um reiche Ernte einzubringen. Bergarbeiter müssen 3ich an seinem Denken kräf­ tigen, um angemessene Förderleistungen zu erreichen. Schriftsteller und Künst­ ler lassen sich von seinen Grundsätzen durchdringen, um die rechten Werke zu schaffen. Soldaten vertiefen sich in seine Bücher, um tapfer und schlag­ kräftig zu werden. Die Jugend lernt seine Sätze auswendig, um gute Chinesen zu sein. Und Parteimitglieder sind das Echo seiner Worte, um Parteimitglieder zu bleiben.

Natürlich

- 9 "AMERIKA DIENST" 15. Juli 196O

Natürlich steht Mao Tse-tung bereits seit 1935, als er die Führung der KPCh übernahm, im Mittelpunkt rotchinesischer Propagandaarbeit. Aber noch nie wurde ihm so viel Verherrlichung zuteil wie in den vergangenen zwei Jahren und besonders seit Anfang 1960. In den letzten Monaten haben Presse und Rundfunk Rotchinas ihre Kampagne zur Popularisierung seiner politischen und literarischen Schriften intensiviert. "Über 300 000 Ex­ emplare der Werke Präsident Maos wurden abgesetzt", hieß es kürzlich in der nordchinesischen Zeitung Shansi Jih-pao, "Bestellungen liegen für rund 220 000 Bände von 'Mao Tse-tungs Ausgewählten Werken1 und für mehr als 1,3 Millionen Exemplare seiner übrigen Schriften vor."

Verlagshäuser veröffentlichen in verstärktem Maße Literatur, in der Bich der Einfluß von Maos Schriften widerspiegelt, Bücher, die "revolutionäre Reminiszenzen" zum Inhalt haben, sowie Übersetzungen von Mao Tse-tungs Wer­ ken in den Sprachen der verschiedenen Minderheitsgruppen. Rotchinesische Schriftsteller überbieten sich in Lobpreisungen seiner Philosophie, etwa nach dem Motto: "Tragt höher das Banner der Gedanken Mao Tse-tungs über Kunst und Literatur!" Kommunistische Historiker schließlich haben ihre Ge­ schichtsbücher umgeschrieben, um Mao Tse-tungs Rolle in der rotchinesischen Revolution hervorzuheben. Sie beweisen, daß es einzig und allein Präsident Mao war, der in den Bauern die stärkste Macht Chinas erkannte, daß er allein in jeder Lage die richtige Strategie anzugeben wußte.

überall in China werden Millionen von Menschen gezwungen, eine Stunde täglich dem Studium seiner Werke zu widmen. "Mangelndes Verständnis für die Gedanken Mao Tse-tungs", erklärte Radio Yünnan seinen Hörern, "bedeutet mangelndes Verständnis für die Politik. Das vielzitierte Wort 'Laßt die Politik das Kommando übernehmenl', heißt im Grunde nichts anderes als 'Laßt Mao Tse-tung das Kommando übernehmen!'."

Diese Verherrlichung Mao T»«-tungs wurde von einem bemerkenswerten Wandel in seinem Verhältnis zum chinesischen Volk begleitet. 1-958, bei Beginn der Popularisierungskampagne, schilderten ihn die ständigen Berichte über seine Reisen durch China als einen Mann des Volkes. Sie sprachen von der "unaus- drückbaren Freude", die Maos Besuch den Arbeitern brachte, von seiner nimmer­ müden Freundlichkeit und seinem verständigen Interesse für die Probleme der Werktätigen, während er sich leutselig mit einer alten Frau unterhielt und Kindern übers Haar strich, ,

- 10 - "AMERIKA DIENST" 15- Juli 196O

Im Gegensatz dazu ist Mao Tse-tung heute fast vollkommen aus der Öffentlichkeit verschwunden. Die Massen hören keine Geschichten mehr von jenem "Strom der Wärme, der den ganzen Körper durchfloß", wenn ein Arbeiter seine Hand schütteln durfte. Offenbar ging die rotchinesische Propaganda von der Überlegung aus, daß allzu große Vertraulichkeit Ver­ achtung erzeugt, als sie Mao Tse-tung den Massen entrückte und ihn mit übernatürlichen Kräften der Weisheit, Vorausschau und Unfehlbarkeit aus­ stattete •

Was steht hihter dieser Kampagne, die Mao Tse-tung zu einem Halbgott des rotchinesischen Systems erhebt? Kenner der Verhältnisse weisen darauf hin, daß die chinesische Kommunistische Partei 1957 ernste Rückschläge erlitt. Es gab eine schwere Krise in der Landwirtschaft, die Partei wurde von Intellektuellen einer scharfen Kritik unterzogen, und manche Anzeichen lassen größere Meinungs­ verschiedenheiten innerhalb der obersten Führungsspitze vermuten. Unter Maos Führung kam es zur Errichtung der Kommunen und zu jenem sogenannten 'großen Sprung vorwärts", der Chinas wirtschaftliche Entwicklung beschleu­ nigen sollte.

Im April 1959 wurde es dann offenkundig, daß diese wirtschaftlichen Maßnahmen, die dem chinesischen Volk schwere Lasten aufbürdeten, weit hinter den gesteckten Zielen zurückbleiben würden. Kritiker in den Reihen der Partei ließen ihre Forderung nach mehr Mäßigung und Ausgewogenheit in den Plänen zur wirtschaftlichen Entwicklung Chinas laut werden. Die Folge war eine Erschütterung der Parteieinheit. Wie gerechtfertigt diese Kritik an Mao Tse-tungs Theorien jedoch war, machte das Eingeständnis der KPCJi deutlich, die im August 1959 grobe Übertreibungen in den veröffentlichten Produktions­ berichten zugab. Allerdings fielen die Urheber dieser Kritik in Ungnade; sie wurden im Verlauf einer Kampagne zur Ausschaltung des Einflusses von "Rechtsopportunisten" Ende des vergangenen Jahres aus der Partei entfernt.

Diese Meinungsverschiedenheiten - und besonders der Streit um die "Rechtsopportunisten" - innerhalb der Partei verwirrten und demoralisierten die Kader in der Provinz und schwächten die Position der KPCh im Inland wie im Ausland. Um den Schaden zu beheben und Pekings Unabhängigkeit von Moskau zu unter streicheln (der Kreml legte gegenüber Maos Theorien keine große Begeisterung an den Tag), entschloß sich Mao Tse-tung zur Intensivierung "AMERIKA DIENST" 15. Juli 196O Intensivierung der Kampagne, die ihn zum legitimen und unfehlbaren Deuter des Marxismus-Leninismus machen sollte. "Genosse Mao Tse-tung ist ein großer lebender Marxist", verkündete die Fukien Jih-pao. "Mao Tse-tungs Gedanken stellen eine Vervollkommnung der universalen Wahrheit des Marxismus-Leninismus dar." Maos Forderung nach Gleichstellung mit Marx und Lenin stützt sich auf das Argument, daß er den Marxismus-Leninismus durch seine Neuinterpretation den in Rotchina herrschenden Gegebenheiten angepaßt habe. "Mao Tse-tungs Gedanken als die umfassendste und tiefschürfendste Weiterentwicklung des Marxismus-Leninismus unter 'neuen historischen Bedingungen1", erklärte die Pekinger Jugendzeitschrift Tlchungkuo Tchhingnien", "sind der kostbarste Schatz unseres Volkes.Wo immer unsere Arbeit im Lichte der öedanken Mao Tse-tungs geleistet wird, ist ihr der Erfolg sicher."

In jüngster Zeit erlebt Mao Tse-tung die Ausweitung seiner Rolle als einziger unfehlbarer Theoretiker der kommunistischen Philosophie in die internationale Sphäre. Immer wieder fordert Rotchina die kommunistischen Parteien der neu aufsteigenden und weniger entwickelten Lä»der auf, nach Peking zu blicken.

Mao Tse-tungs Aufstieg in der kommunistischen Welt und sein Versuch, die Rolle eines Halbgottes zu spielen, erinnern an den Persönlichkeitskult Josef Stalins. Mancher Chinese wird sich angesichts der extravaganten Bericht« über Mao Tse-tung an die in der Pekinger Volkszeitung vom 5« April 1956 ver­ öffentlichte offizielle Stellungnahme der KPCh erinnern, in der es damals hieß: "Der Kult eines einzelnen ist ein widerliches Überbleibsel aus der langen Geschichte der Menschheit... Stalin berauschte sich am eigenen Ruhm und spielte seine persönliche Machtfülle gegen die kollektive Führung aus... Wir müssen ständig wachsam sein und die Erhöhung des einzelnen über die brei­ ten Massen,die Heldenverehrung und den Persönlichkeitskult unablässig be­ kämpfen." ACHTUNG! Auf Anforderung der Redaktionen übersendet der AMERIKA DIENST an Zeitungen und Zeitschriften kostenlos folgendes Bild: Schanghaier Schülerinnen tragen während eines Propagandamarsches ein mächtiges Porträt Mao Tse-tungs durch die Straßen Ihrer Stadt.

* * * * * "AMERIKA DIENST" 22. Juli i960

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ATOM

TATSACHEN UND MEINUNGEN Radioaktiver Niederschlag - eine Rechnung mit vielen Unbekannten Von Merril Eisenbud

( 175 Zeilen) Dr. Merril Eisenbud ist Professor für Indu­ striehygiene am Bellevue Medical Center der Universität New York und wissenschaftlicher Berater der US-Atomenergiekommission in Washington. Er unternimmt im vorliegenden Artikel den Versuch, Realitäten und Inter­ pretationen in der Diskussion um das Problem des radioaktiven Niederschlags klar zu trennen. Der von uns gekürzt wiedergegebene Artikel erschien in " Magazine". Bei Nachdruck sind Nennung des Verfassers und der Vermerk "Copyright 196O by The New York Times Company" unbedingt erforderlich.

Tod und Verderben größten Ausmaßes würden durch einen Atomkrieg in die '.Veit gebracht. Radioaktiver Niederschlag mit verhältnismäßig großen, hechaktiven Detonationsrückständen gewisser Typen nuklearer Kampfmittel sinkt innerhalb weniger Stunden in Richtung der gerade herrschenden Luft­ strömung zu Boden und vernichtet dort alles Leben.

Im Gegensatz dazu sind bei dem anderen, dem verzögerten "Fallout", wie radioaktiver Niederschlag allgemein bezeichnet wird, sehr viel ge­ ringere Mengen radioaktiver Stoffe im Spiel. Seine winzigen Staubpartikeln verbleiben lange genug in der Atmosphäre, um sich um den ganzen Erdball verteilen zu können. Noch Jahre nach großen nuklearen oder thermonuklearen Explosionen hält dieser "Fallout" an. Er bedroht das Leben von Mensch, Tier und Pflanze; nicht unmittelbar. Seine Auswirkungen - falls es sie überhaupt gibt - würden sich unmerklich über viele Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte verteilen. Gerade diese zweite Art künstlicher Radioaktivität "ALIERIKA DIENST" 22. Juli i960 Radioaktivität aber ist heute Gegenstand hitziger Debatten.

Was wissen wir vom Fallout, und - was noch wichtiger ist - was nicht? Die Diskussion dieses vielschichtigen Problems wird wesentlich erleichtert^ wenn wir zunächst einmal die Tatsachen umreißen, über die Einigkeit besteht und die auch von jenen '.Vissenschaftlern anerkannt werden, die scheinbar an­ derer Meinung sind.

Radioaktive Substanzen sind Stoffe, deren Atome von Natur aus instabil sind und die bei ihrem Zerfall Ströme energiereicher Teilchen oder energie­ reicher Strahlen aussenden. Normalerweise können wir Radioaktivität ebenso­ wenig wie Radiowellen mit unseren Sinnen wahrnehmen; bei sehr starker Kon­ zentration erzeugt sie jedoch Wärme - als Beispiel sei nur die Sonne ge­ nannt - und Licht, wie es Madame Curie an dem schwachen Leuchten der aus vielen Tonnen Gestein und Erz isolierten winzigen Menge reinen Radiums beobachtete. Infolge ihrer hohen Energie vermögen radioaktive Strahlen in das Gewebe des menschlichen Körpers einzudringen und chemische Veränderungen in den Zellen hervorzurufen.

Die Radioaktivität ist nicht erst mit den Atombomben in die Welt ge­ kommen. Seit Urbeginn ist sie überall vorhanden - im Gestein, im Boden, in der Nahrung, und auch unser Körper enthält viele natürlich radioaktive Sub­ stanzen. Das aktivste natürliche Element im menschlichen Körper ist Kalium; in allen Lebewesen sind außerdem radioaktiver Kohlenstoff, Uran, Radium und andere strahlende Elemente nachweisbar. Auch von außen sind wir einem stän­ digen Bombardement mit radioaktiver Strahlung ausgesetzt, etwa durch kos­ mische Strahlen oder die Ausstrahlungen instabiler Elemente im Erdboden. Die Intensität dieser natürlichen Radioaktivität, auch Umweltstrahlung ge­ nannt, ist von Ort zu Ort verschieden und hängt von der Höhe über dem Meeres­ spiegel sowie von der Beschaffenheit des Bodens ab. Darüber hinaus wurde mit der Entwicklung der Röntgentechnik und der Verwendung von Radium für medi­ zinische Zwecke seit der Jahrhundertwende in zunehmendem Maße von künstlich erzeugter Radioaktivität Gebrauch gemacht. Man schätzt, daß in vielen Län­ dern durch die verbreitete Anwendung von Strahlung in der Medizin die durch­ schnittliche Gesamtdosis für die Bevölkerung ebenso hoch ist wie die aus natürlichen Quellen stammende Strahlenmenge. Nun

2 ' - AMERIKA DIENST" 22. Juli 1960

Nun ist in den letzten Jahren noch die Radioaktivität aus Atom- bomhenversuchen hinzugekommen. Bei solchen Experimenten werden große Mengen radioaktiven Staubes produziert. Wenn er zur Erde sinkt, lagert er sich auf den Pflanzen oder im Boden ab, wo er langsam von Wurzeln absorbiert wird und auf diesem Umweg in die tierische und menschliche Nahrung gelangt. Gegenwärtig befindet sich noch etwa die gleiche Menge Atombombenstaub in der Luft wie auf der Erdoberfläche bereits abgelagert wurde. Wenn nun die jetzige Staubmenge in der Atmosphäre in den nächsten zwei oder drei Jahren niedergeschlagen wird, ist damit zu rechnen, daß der Aktivitätsspiegel auf den doppelten Wert steigt, selbst wenn keine weiteren nuklearen Explosionen mehr vorgenommen werden.

Die Dosis für die Bevölkerung in den Vereinigten Staaten wird sich bis dahin so weit erhöht haben, daß sie etwa 5 Prozent der Dosis aus der natür­ lichen Umweltstrahlung entspricht. Um einen Begriff von den Größenordnungen zu vermitteln, können wir zum Beispiel diese Dosiaerhöhung mit den örtlichen Unterschieden in der natürlichen Radioaktivität vergleichen. Dabei ergäbe sich eine Dosissteigerung um weit mehr als 5 Prozent für jemanden, der sich innerhalb des Staates New York von Long Island oder Brooklyn - also aus Gegenden mit Sandboden und in Meereshöhe gelegen - in das Bergland begibt, wo der Untergrund aus stärker aktivem Gestein besteht und außerdem infolge der Höhenlage die kosmische Strahlung stärker ist.

über die biologischen Auswirkungen hoher Dosen von Radioaktivität wissen wir bereits eine ganze Menge, unter anderem auch, daß bestimmte Organe, vor allem Augen, blutbildendes Gewebe und Fortpflanzungszellen, besonders strahlen­ empfindlich sind. Grauer Star, Leukämie und Knochenkrebs sind häufig die Krankheiten, die bei unzureichendem Schutz gegen intensive Strahlung auf­ treten. Von den vielen Spaltprodukten im radioaktiven Niederschlag sind zwei von besonderer Bedeutung. Das eine ist Strontium-90, chemisch dem Kalsium verwandt, das sich vorzugsweise im Skelett ablagert und infolge seiner Wir­ kung auf Knochenmark und Knochengewebe Leukämie oder Knochenkrebs verursachen kann. Das andere ist Zäsium-137» chemisch dem Kalium verwandt, dessen durch­ dringende Strahlung Mutationen in den Fortpflanzungszellen und damit Erb­ veränderungen auszulösen vermag. Beide Elemente kommen in der Natur nicht

- 3 - "AMERIKA DIENST" 22. Juli i960 nicht vor - sie stammen gewissermaßen aus der Müllgrube des Atomzeit­ alters. Vor 20 Jahren noch nicht vorhanden, sind sie heute schon so verbreitet, daß sie in winzigen Mengen im Körper jedes einzelnen von uns nachgewiesen werden können.

Alle Strahlungseffekte treten bei Verminderung der Strahlungsinten­ sität entsprechend weniger häufig auf. Aber das beobachten wir ja bei allen Giften. Die Strahlungspegel, die wir in der Natur oder infolge der Nie­ derschlagsaktivität aus nuklearen Versuchsexplosionen antreffen, sind nur ein winziger Bruchteil der Mindestdosen, die bei Versuchstieren wahrnehm­ bare Schädigungen hervorzurufen vermögen.

Aber hier sind wir auch schon nahe der Grenze jenes Bereichs angelangt, in dem die Meinungen der Wissenschaftler übereinstimmen. Auf alle anderen Fragen gibt es keine eindeutige Antwort. So wissen wir noch immer nicht, auf welche Weise die lebende Zelle geschädigt wird. Das Hauptproblem in diesem Zusammenhang ist die Frage, ob sehr niedrige Strahlungsdosen - wie sie sich eben aus Versuchsexplosionen, natürlicher Aktivität oder medizi­ nischer Anwendung ergeben - schädliche Wirkungen auf den Menschen haben. Manche Wissenschaftler behaup ^u, daß Strontium-90 in sehr kleinen Dosen Leukämie hervorrufen könne. Jedoch ist die endgültige Beantwortung dieser Frage in absehbarer Zeit wohl nicht zu erwarten. Es gibt bisher keinen Beweis dafür, daß sich Unterschiede in der na­ türlichen Umweltstrahlung beim Menschen irgendwie auswirken. Falls die natürliche Radioaktivität für den Menschen tatsächlich nachteilig ist, handelt es sich dabei um einen Grad von Schädigung, mit dem sich die Menschheit entweder abzufinden hat oder gegen den sie eben sehr drastische und den Aufwand wohl nicht lohnende Schutzmaßnahmen ergreifen müßte. So­ lange wir jedoch nicht gewillt sind, unsere ganze Lebensweise deshalb total umzustellen, sind die künftigen Generationen gezwungen, mit mindestens den gleichen winzigen, aber doch meßbaren Dosen von Radioaktivität zu leben, mit denen alle Lebewesen auf diesem Planeten bisher existiert haben.

Zur Untersuchung der Strahlungswirkung auf Versuchstiere müssen relativ hohe Dosen angewandt werden. Feststellungen, inwieweit auch so kleine Dosen wie die aus der natürlichen Radioaktivität oder aus dem Niederschlag von Versuchsexplosionen irgendwelche Auswirkungen haben, sind praktisch kaum

- 4 - "AMERIKA DIENST" 22. Juli 196O kaum durchzuführen, da man unter 100 000 bis 1 000 000 Tieren vielleicht ein einziges mit sichtbaren Veränderungen fände. Hier ist es ganz ähn­ lich wie mit dem Nachweis der tatsächlichen Auswirkungen von Luftverun­ reinigungen, Nahrungsmittelzusätzen, Schädlingsbekämpfungsmitteln, Medi­ kamenten und vielen anderen Substanzen, die der Körper laufend aufnimmt.

Obgleich die Debatte über den radioaktiven Niederschlag gerade wegen des Fehlens genauer Unterlagen immer von neuem aufflammt, gehen die Mei­ nungen der Wissenschaftler gar nicht so weit auseinander, wie man häufig die Öffentlichkeit glauben gemacht hat. Die Mißverständnisse bei der All­ gemeinheit rühren unter anderem daher, daß es sich hier um ein komplizierte« und vielschichtiges Thema handelt, das sich für die öffentliche Diskussion wenig eignet.

Über die Häufigkeit der durch Fallout-Strahlung verursachten Schä­ digungen streiten sich die Gelehrten, obgleich sie sich über das mögliche Höchstmaß des Auftretens solcher Schädigungen einig sind. So variieren beispielsweise die Schätzungen der Mitglieder des aus 15 Nationen gebilde­ ten wissenschaftlichen UN-Beirats zum Studium der Wirkungen von Atomstrah­ len zwischen null und 2000 neuen Fällen von Leukämie pro Jahr, die auf die bis Ende 1958 durchgeführten Versuchsexplosionen zurückzuführen seien. Bei einer Weltbevölkerungszahl von fast 3 Milliarden bedeutet das, daß selbst unter ungünstigsten Voraussetzungen die Gefahr für den einzelnen, an Leu­ kämie zu erkranken, noch geringer ist als 1 : 1 000 000. Nach Meinung der Wissenschaftler, die zusätzliche Leukämie-Fälle als Folge des Fallout für unwahrscheinlich halten, gibt es einen sogenannten Schwellenwert schäd­ licher Strahlungsdosis, den wir noch nicht erreicht haben. Andere wieder glauben, daß jede Dosis, auch die geringste, von Schaden ist.

Xhnlich gehen die Schätzungen in bezug auf mögliche Erbveränderungen auseinander. Aber auch in den pessimistischsten Voraussagen über eine Stei­ gerung der normalen Häufigkeit wird sowohl in bezug auf Krankheitsfälle als auf Mutationen weniger als 1 Prozent angenommen. Es erscheint aussichÄos, Größenordnungen dieser Art durch Massenuntersuchungen am Menschen demon­ strieren zu wollen. Dafür sind die Untersuchungsmethoden der Humanmedizin noch lange nicht empfindlich und genau genug. Wenn aber das Risiko für eine Schädigung so klein ist, daß es sich einer genauen Bestimmung entzieht. "AWEHTKA DIENST" 22. Juli 196O entzieht, so ist auch nicht anzunehmen, daß der einzelne für sich oder seine Familie wirklich Befürchtungen hegt.

Offensichtlich große Meinungsverschiedenheiten zum Problem des Fallout sind nicht mit unterschiedlichen wissenschaftlichen Ansichten gleichbedeutend, sondern ergeben sich ausschließlich aus der Formulierung der einzelnen Schlußfolgerungen. Der eine Wissenschaftler, der die mög­ liche Gefährdung auf das Individuum bezieht, behauptet, das Strahlen­ risiko sei bedeutungslos. Der andere wiederum sieht darin - obgleich auch er das Risikoverhältnis 1 : 1 000 000 bedacht hat und weiß, daß die Wahrscheinlichkeit für den einzelnen gering ist, eben jener Millionste au sein -.bereits eine besorgniserregende Entwicklung. Beide sind sich über die Grundtatsachen einig, und ihre scheinbar sich widersprechenden Folgerungen sind miteinander vereinbar, obgleich dies aus ad-hoc-Erör- terungen ihrer Meinungen nicht hervorgeht.

Eine umfassende Erklärung der Gründe für die ganze Diskussion müßte auch eine Analyse der weitreichenden politischen und moralischen Fragen einbeziehen, die die moderne Waffentechnik mit sich bringt. Dies geht jedoch über den Rahmen dieses Artikels hinaus. Es stand hier nur der radioaktive Niederschlag aus Versuchsexplosionen, die bis Ende des Jahres 1958 vorgenommen wurden, zur Debatte. Wie aber, wenn die Versuche wieder aufgenommen werden? Falls es tatsächlich einen Schwellenwert gibt, so wird der "Sicherheitsbereich" mit jeder neuen Explosion, die die Atmosphäre mit Radioaktivität anreichert, mehr eingeengt. Und sobald seine Grenze überschritten ist, wird jede neue Explosion die Zahl schädlicher Aus­ wirkungen für die Weltbevölkerung erhöhen. Falls man die Versuche im Welt­ raum oder unter der Erde wieder aufnimmt, werden zwar die möglichen Ge­ fahren, die wir hier erörterten, vermieden, aber es könnten neue Problem« daraus erwachsen.

Radioaktiver Niederschlag aus Versuchsexplosionen mit Kernwaffen iist nur eine Seite der tatsächlichen Gefahr, die jeden von uns angeht - der Gefahr eines Krieges. Auch das winzigste radioaktive Teilchen aus dem Fall­ out sollte uns daran erinnern, daß Atom- und Wasserstoffbomben in furcht­ erregender Menge existieren, die, würden sie in einem Krieg eingesetzt, Millionen von Quadratkilometern auf der Erde unbewohnbar machen und dort alles Leben auslöschen würden. Aug „The New Tork Timefl 1^.^«. Bei Nachdruck sind Nennung des Verfassers und der Vermerk "Copyright 196O by The New York Times Company" unbedingt erforderlich, - 6 - "AMERIKA DIENST" 22. Juli 1960 Die Artikel des AMERIKA DIENSTES sind honorarfrei und neben der Verwendung durch Rundfunk und Fernsehen ausschließlich zum Abdruck in Zeitungen und Zeitschriften und sonstigen Publikationen bestimmt, die sich direkt an den Leser wenden.

LEBEN IN DEN USA

FLUCHT IN DIE VORORTE Bevölkerungsprobleme der amerikanischen Städte Von John Kerigan

( 74 Zeilen) WASHINGTON - (AD) - Ist Amerika wirklich fähig, sich dem Zeitalter des Automobils anzupassen? Nach einem halben Jahrhundert der Abhängig­ keit vom Automobil als Verkehrsmittel mag diese Frage recht ungewöhnlich klingen. Doch mit jeder neu veröffentlichten Zahl über das Anwachsen der Vorstädte erhält sie frische Aktualität, besonders jetzt, da ein Resultat nach dem anderen von den Rechenmaschinen der Volkszählung 1960 ausgespien wird. Überall in den Vereinigten Staaten versuchen die Städte sich auf Grund dieser Statistiken über die eigene Lage klarzuwerden. Was sie feststellen, ist eine Abwanderung ihrer Einwohner in die Außenbezirke, so wie es in der Schlagzeile einer Bostoner Zeitung zum Ausdruck kommt: "Boston schrumpft - die Vororte wachsen". Allerdings ist dieses Ins-Kraut-Schießen der "Suburbs" - die neusten Angaben sprechen von 47 Prozent während der ver­ gangenen zehn Jahre - für niemanden,eine Überraschung, der sich in der Hauptverkehrszeit einmal seinen Weg nach Hause erkämpfen mußte.

Neuen Impuls erhielt der Strom in die Vorstädte durch das rasche An­ wachsen der Bevölkerung und die wirtschaftliche Prosperität nach dem zwei­ ten Weltkrieg, die fast jedem Arbeitenden den Besitz eines eigenen Wagens ermöglichte. Dieser Strom trat über die Ufer, und es bildeten sich Trauben von Wohnsiedlungen mit Einkaufszentren, stellenweise sogar Industrieanlagen, bis sohließlich einzelne Städte durch eine Kette von Siedlungen miteinander verbunden waren. Das augenfälligste Beispiel liefern die Neuenglandstaaten im Nordosten der USA, wo sich eine riesige "Bandstadt" mit fast 30 Millionen Einwohnern von Boston aus südwärts 96O Kilometer weit bis nach Washington

7 - )

"AMEBIKA DIENST" 22. Juli 196O

Washington hin erstreckt. Ähnlich sind die Yerhältnisse längs der Großen Seen, am Solf von Mexiko und an der Pazifikküste zwischen San Francisco und San Diego in Kalifornien.

Experten, Soziologen, Wirtschaftsfachleute und Staatswissenschaftler stehen dieser Situation mit einiger Besorgnis gegenüber. Wenn nicht weit- reichende Maßnahmen zur Erhaltung von Freilandgebieten ergriffen werden, • könnte Chaos am Ende dieser Entwicklung stehen - ein endloser Wirrwarr von Asphaltstraßen, Telegraphenmasten und Fernsehantennen, nirgendwo unter­ brochen von Parks oder Wäldern. Die Bedeutung einer durchdachten Planung ist glücklicherweise immer mehr Gemeinden klargeworden. Sie verlangt selbst­ verständlich mehr als nur das Ersinnen neuer Projekte, die das Geld des Steuerzahlers verbrauchen. In verstärktem Maße werden professionelle Städteplaner mit der Lösung der verschiedensten Probleme - von der Altstadtsanierung bis zur Ausbreitung der Vorortgebiete - beauftragt. Die Zahl der Angestellten in den Stadtbau­ ämtern hat sich in den vergangenen zehn Jahren mehr als verdoppelt} über 200 private Beratungsfirmen sind mit Planungsarbeiten für kleinere Städte, die sich für diesen Zweck keinen eigenen Angestelltenstab leisten können, ausgelastet. Der starken Nachfrage nach Fachleuten versuchen 25 Universi­ täten gerecht zu werden, die Gelegenheit zu einem Spezialstudium bieten; rund 250 Studenten pro Jahr legen an ihnen ein Examen der Fachrichtung Städteplanung ab.

Großstädte wie Philadelphia arbeiten an Großprojekten, die einen Zeit­ raum von 25 Jahren umfassen und zumeist aus öffentlichen Mitteln finanziert werden. Doch selbst Pendlersiedlungen haben umfangreiche Pläne für die Zu­ kunft aufgestellt, und 1140 kleinere Städte, deren Einwohnerzahl meist unter 25 000 liegt, entwickeln z.Zt. langfristige Pläne im Rahmen eines Programme», bei dem die amerikanische Bundesregierung die Hälfte der Planungskosten trägt,

Der Entwurf eines Generalplanes für das Wachstum einer Gemeinde ist eine äußerst schwierige Aufgabe. Viele Faktoren müssen berücksichtigt werden, um die "geordnete Entwicklung ausgewogener Gemeinden" sicherzustellen. Her­ vorragende Beispiele hierfür bietet der Bundesstaat Wisconsin, wo die

8 'AMERIKA DIENST 22. Juli 1960 die wirtschaftlichen Hilfsquellen und künftigen Entwicklungsmöglichkeiten der Gemeinden Basis und Bezugspunkt jeder Planung bilden. In einer Ge­ meinde z.B. wurde als ideale Bevölkerungszahl 60 000 festgesetzt bei einer erwünschten Zuwachsrate von jährlich 8 Prozent. Für das industri­ elle und kommerzielle Wachstum der Gemeinde sowie die Ausdehnung ihrer Wohnbezirke wurden in gleicher Weise Idealziele aufgestellt, auf die der Plan als Ganzes eigens ausgerichtet ist. Die genaue Einhaltung der Zwischen­ stufen, die Erweiterung des Wasserleitungs- und Kanalisationsnetzes zum geeigneten Zeitpunkt, der Ausbau der staatlichen Versorgungsbetriebe und die Gliederung der Siedlungszellen spielen dabei eine bedeutende Rolle,

Integraler Bestandteil jeder Städteplanung ist das System der Auto­ bahnen und Verkehrsstraßen, die die Vorortgemeinden mit ihrer Mutterstadt verbinden. Nach den Vorschlägen der Städteplaner sollte hier auch der Ansatzpunkt zur Neuformung der Städte der Zukunft liegen. In der Besei­ tigung des erstickenden Verkehrs der Innenstädte, die in ein Fußgänger­ paradies verwandelt werden sollten, von dem Schnellstraßen strahlenförmig nach den Außenbezirken führen, sehen die Städteplaner eine der wichtigsten Maßnahmen, die dazu beitragen, die Flucht in die Vororte einzudämmen und der Innenstadt ihre frühere Bedeutung wiederzugeben.

9 "AMERIKA DIENST" 22. Juli 1960 Die Artikel des AMERIKA DIENSTES sind honorarfrei und neben der Verwendung durch Rundfunk und Fernsehen ausschließlich zum Abdruck in Zeitungen und Zeitschriften und sonstigen Publikationen bestimmt, die sich direkt an den Leser wenden.

VON KUNST UND KÜNSTLERN

VON MARY PICKFORD ZU MARILYN MONROE Hollywoods Filmheldinnen gestern und heute Von Gerald Weales

( 110 Zeilen) Die amerikanische Filmheldin hat in den letzten 50 Jahren wiederholt Kleidung und Make-up gewechselt, und wenn man die Bilder von Mary Pickford und Marilyn Monroe nebeneinanderlegt, scheint dazwischen ein endloser Weg zu liegen. Dennoch zeigt die Entwicklung der "Stars" unter den erfolgrei­ chen Schauspielerinnen manche Ähnlichkeit. Filmheldinnen lassen sich in zwei große Gruppen einteilen: das unschuldige, naive junge Mädchen und die erfahrene, häufig grundschlechte Frau von Welt. Daneben gibt es natürlich noch andere Kategorien» die Mütter­ liche, die Intelligente, die Kameradin - und Schauspielerinnen wie , die sich in gar keine Gruppe einordnen lassen.

Der "Vamp" und die "fatalen Frauen" Beginnen wir mit dem schlechten Frauenzimmer, jenem Typ, der ein neues englisches Wort kreiert hat: "Vamp". Alice Hollister, die erste Maria Magdalena der Leinwand (1911)> hob ihn aus der Taufe, als sie 1915 in dem Streifen "Der Vampir" die Titelrolle spielte. Zum ersten echten "Vamp" aber wurde die heute längst vergessene Theda £<*ra, die als Cleopatra (1917) ihren ersten großen Erfolg hatte. Ob sie in historischem Kostüm oder im modernen Kleid spielte, ihre Aufmachung war immer die gleiche: verführerische Hüllen, die mehr zeigten als verbargen, und als wichtig­ stes Detail ihres Make-up tiefe Schatten um die Augen, mit denen sie die Männerherzen knickte. Die zwanziger Jahre liebten eine andere Art von Verworfenheit: das junge, schon verdorbene Mädchen. Clara Bow, in dem Film "It" (1927)> war

10 AMERIKA DIENST 22. Juli i960 war die erste dieses Typs, und auch Joan Crawford, die später so oft das Rollenfach gewechselt hat, war als frühreifer Backfisch einmal sehr erfolgreich.

Was diesen Filmheldinnen jedoch fehlte, war das Flair der Frau von Welt. Drei Schauspielerinnen, die diesen Typ in idealer Weise verkörper­ ten, mußte man erst aus Europa importieren: Pola ITegri, Marlene Dietrich und Greta Garbo. Pola Negri wurde zur ersten "femme fatale". Aber nicht sie, sondern Marlene Dietrich, die nach ihrem Welterfolg als Lola im "Blauen Engel" zum amerikanischen Film übergewechselt war, machte diesen Typ weltberühmt, und sie ist bis heute seine beste Verkörperung geblieben. Die Namen ihrer erfolgreichsten frühen Filme * "Marokko" (l9J0) un(i "Schanghai-Express" (1922) - deuteten an, in welchem Milieu sich die "femme fatale" mit Vorliebe bewegte: in Spionagekreisen, unter Fremden­ legionären und unter den Halbweltdamen Europas und Asiens.

Greta Garbo allerdings ließ sich nur schlecht in dieses Schema pressen und war in jeder Weise einmalig. Sie war nicht nur außergewöhnlich schön, sondern auch eine große Schauspielerin, während Marlene Dietrich weniger durch ihr Spiel als vielmehr durch ihre eigenwillige Persönlichkeit wirkte. Dennoch gab es auch Garbo-Filme, z.B. "Das Fleisch und der Teufel" (1928), in denen die "Göttliche" eine perfekte "femme fatale" verkörperte.

In den frühen dreißiger Jahren machten dann ein paar amerikanische Vamps große Karriere, darunter Norma Shearer und Miriam Hopkins, vor allem aber die platinblonde Jean Harlow, die sich mit ihrem Film "Engel der Hölle" (1930) die Gunst des Publikums errang und seither oft und erfolg­ reich nachgeahmt wurde: in den vierziger Jahren durch den Revmestar Betty Grable und heute durch die Brünetten Ava Gardner und Jane Russell und die Blondinen Kim Novak, Jayne Mansfield und - am erfolgreichsten - Marilyn Monroe.

In Marilyn mischte, sich der Typ des Vamps mit einem anderen Typ der dreißiger Jahre, der "dummen Blonden", und das Ergebnis war ein Mädchen, verführerisch und unschuldig, schlau und naiv zugleich. Hier liegt das Geheimnis des ungeheuren Erfolges, den Marilyn Monroe seit ihrem Film "The Asphalt Jungle" (1950) immer wieder für sich verbuchen kann. Man erinnere sich nur an ihre Erfolgsfilme "Bus Stop" oder "Der Prinz und

11 "AMERIKA DIENST" 22. Juli 196O und die Tänzerin".

Inzwischen waren von Europa die "kühlen Schönen"herübergekommen. Ingrid Bergman hatte in mancher Hinsicht die Nachfolge der Garbo ange­ treten. Hedy Lamarr war 1938 an der Seite von Charles Boyer wie ein Komet aufgestiegen. Auch ihre Schönheit - die Wienerin Lamarr hatte als Hedy Kiesler ihre Karriere begonnen - war außerordentlich, aber kalt. Selbst wenn sie in den Armen der berühmtesten Filmhelden dahinschmolz, wirkte sie re­ serviert und unnahbar. Ihre Nachfolgerin wurde Grace Kelly, die in ihrer noblen, zurückhaltenden Art unter den amerikanischen Filmstars einzig da­ stand und als kühler "Schwan" größte Publikumswirkung besaß.

Die süßen kleinen Mädchen... Nun aber wieder zurück an den Anfang der Filmkunst von Hollywood und zum Entwicklungsgang der "Naiven" unter den Filmheldinnen. Ihrer aller Mutter war das "Amerikanische Sweetheart", Mary Pickford. Sie war der erste echte Filmstar und wurde, noch ehe es sich einbürgerte, die Namen der Schau­ spieler im Filmvorspann anzugeben, bereits vom Publikum liebevoll "Little Mary" genannt. Ihre "herzige" Art, ihre Kindlichkeit, ja sogar ihre Locken­ frisur wurden weltberühmt, und es störte niemanden, daß sie von ihrem ersten Film, "Pollyanna" (1920), an immer den gleichen Rollentyp spielte. Mary Pickfords beste Nachfolgerin wurde , die es ein wenig leichter hatte, weil sie als echtes kleines Mädchen kleine Mädchen spielen durfte. Bei den Erwachsenen war die sentimentale Lillian Gish lange Zeit die erfolgreichste Naive des amerikanischen Films, gefolgt von den Heldinnen der Charlie-Chaplin-Filme. Diese süßen Mädel hatten allerdings immer etwas von einem Gassenmädchen an sich und waren arme, einsame Schat- tenpflänzchen. Ciaire Bloom hat in einem der letzten großen Chaplin-Erfolge, "Rampenlicht", noch einmal diesen Typ erfolgreich verkörpert.

Das unschuldige kleine Mädchen feierte mit Joan Fontaine als Mrs. de Winter in "Rebekka" (1940) fröhliche Urständ, und während des zweiten Weltkrieges hatte es Hochbetrieb, denn es war genau der Typ, den jeder Sol­ dat im Film sehen wollte. Diesem Zeitgeschmack verdankten Jennifer Jones ("Since You Went Away"), Judy Garland ("The Clock") und Teresa Wright ("Die besten Jahre unseres Lebens") ihre Karriere. Am

- 1.2 - h

"AMERIKA DIENST" 22. Juli 196O ACHTUNG 1 Auf Anforderung der Redaktionen übersendet der AMERIKA DIENST an Zeitungen und Zeitschriften kostenlos folgende Bilder:

1) Mary Pickford mit dem Charakterdarsteller Claude Gillingwater in einer Szene aus dem Stummfilm "Der kleine Lord" (1921). Wieder einmal verstand es "Little Mary" in ihrer "herzigen" Art als der kleine Lord Fauntleroy Millionen begeisterter Kinogänger zu bezaubern.

2) Greta Garbo als perfekte "femme fatale" in "Das Fleisch und der Teufel". Ihr Partner John Gilbert war damals, 1928, einer der beliebtesten amerikanischen Filmschauspieler.

3) Marilyn Mo nroe und Laurence Olivier in dem Erfolgsfilm "Der Prinz und die Tänzerin". Der Film erzählt die heitere Liebes­ romanze zwischen einem Prinzen vom Balkan und einem amerika­ nischen Showgirl.

* * * * *

CARL SANDBURG ARBEITET AN CHRISTUS-FILM MIT

HOLLYWOOD - (AD) - Die Twentieth Century Fox gab bekannt, daß der amerikanische Dichter Carl Sandburg an der geplanten Verfilmung des Christus-Buches von Fulton Oursler "The Greatest Story Ever Told" mitar­ beiten wird. Es ist der erste Film, an dessen Entstehung Carl Sandburg beteiligt ist. Wie Produzent George Stevens erklärte, wird Sandburg seinen vollen Beitrag auf allen schöpferischen Gebieten der Produktion leisten und bis zur Beendigung der Dreharbeiten dem dramatischen Unternehmen seine gesamte Zeit zur Verfügung stellen.

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- 14 - "AMERIKA DIENST" - 29. Juli 196O Die Artikel des AMERIKA DIENSTES sind honorarfrei und neben der Verwendung durch Rundfunk und Fernsehen ausschließlich zum Abdruck in Zeitungen und Zeitschriften und sonstigen Publikationen bestimmt, die sich direkt an den Leser wenden.

VON KUNST UND KÜNSTLERN

DIE BILANZ EINES FERNSEHJAHRES Beifall und Kritik zur Verleihung der amerikanischen Fernseh-"Emmys" Von Norman Smith

(98 Zeilen)

NEW YORK - (AD) - Für das amerikanische Fernsehen war es die "Nacht der Nächte", als sich Ende Juni die 6000 Mitglieder der Academy of Televi- sion Arts and Sciences in Hollywood und New York zur Verleihung der dies­ jährigen "Emmys" zusammenfanden. Zum zwölften Mal in der kurzen Geschichte des Fernsehens wurden die zierlichen Statuetten - "telegene" Ebenbilder der weltberühmten Film-Oscars - jenen Künstlern überreicht, deren Leistun­ gen als die besten der Fernsehspielzeit 1959/60 gelten. Und wie üblich gab es unter den Millionen Freunden des Bildschirms nicht wenige, nach deren Ansicht einige Preise quer gelaufen sind. Sie werfen der Akad'emie auch vor, daß viele hochbegabte Talente nicht einmal nominiert worden seien.

Angesichts dieses Zwiespalts der Meinungen sollte man beide Seiten hören. Immerhin hatte das Fernsehen im vergangenen Jahr den Hauptpreis­ trägern einige unvergeßliche Augenblicke zu verdanken. Denn nicht umsonst wurden Ingrid Bergman und Sir Laurence Olivier für ihr Spiel in "Die sün­ digen Engel" (Henry James) bzw. "Silbermond und Kupfermünze" (William Somerset Maugham) ausgezeichnet. und die New Yorker Philharmoniker haben für ihre Musikreihe eine "Emmy" ebenso verdient wie der Volksliedersänger Harry Belafonte für sein Buntes Programm oder die Autoren von "The Population Explosion" (Die Bevölkerungsexplosion) für ihre Dokumentarsendung über Indien. Weitere "Emmys" fielen an den Schrift­ steller Rod Serling für "The Twilight Zone" (Die Zone im Zwielicht), eine

1 "AMERIKA DIENST" 29. Juli 1 96O

eine phantasievolle Programmserie über alltägliche Ereignisse, denen ein Hauch des Übernatürlichen anhaftete; an den Schauspieler Art Carney für sein schonungslos satirisches Programm "VIP" (Very Important Person - Hohes Tier); und an die brillant gestaltete Unterhaltungssendung "The Fabulous Fifties" (Die sagenhaften fünfziger Jahre). Auch an diesen Ent­ scheidungen der Akademie ist kaum etwas auszusetzen.

Dennoch wollen sich die ewig Unzufriedenen nicht geschlagen geben. Zu viele Preise! knurren sie, zu viele Kategorien! (24 waren es in diesem Jahr - so wenig wie nie zuvor). Ihre Klage ist bis zu einem gewissen Grade sogar verständlich. Zahllos sind im amerikanischen Fernsehen die Gespräche am runden Tisch, die Programme mit Publikumsbeteiligung, die Wild-West-Stories oder "Westerners", die Kriminalgeschichten und die " soap " (romantische Programmserien ,die ihren Namen "Seifenopern" der Tatsache verdanken, daß die meisten von Waschmittelherstellern finan­ ziert werden) . Ein Unterhaltungsmedium, das Tag für Tag fast ohne Pause Stoff verschlingt, macht es eben recht schwer, nur Auserlesenes zu bieten.

Nach allem Für und Wider erweist es sich jedoch, daß weder die "banalen Shows noch die Sendungen, die mit einer "Emmy" ausgezeichnet wurden, an sich schon ein wirklichkeitsgetreues Bild der gegenwärtigen Situation vermitteln. Ein Blick auf die Fernsehspielzeit als Ganzes läßt eine weit treffendere Diagnose stellen.

Die Fernsehspiele des Jahres 1959/60 schlössen z.B. nicht nur die Pro­ grammserie "Playhouse 90" ein, der eine "Emmy" zuteil wurde, sondern auch eine hervorragende wöchentliche Sendereihe: "The Play of the Week", die ur­ sprünglich nur in New York ausgestrahlt wurde, mittlerweile aber in 40 Städten zu sehen ist. Daneben gab es Programme, die einmal im Monat Klassiker, bewährte zeitgenössische Stücke und experimentelle Dramen auf den Bildschirm brachten. Insgesamt boten sie die Möglichkeit, mindestens zwei größere Fernsehspiele pro Woche zu sehen. Nicht immer fanden die Aufführungen ungeteilten Beifall. Hemingways "The Killers" beispielsweise war lange nicht so eindrucksvoll wie die Filmversion, die vor einigen Jahren in den Lichtspielhäusern lief. Aber erstklassige Dramen wie "Cradle Song" ("Wiegenlied", nach einem Theaterstück von G. Martinez-Sierra), "Ethan Frome" (nach Edith Whartons Roman "Die Schlittenfahrt") und Shakespeares "Sturm" zeigten deutlich, wie erregend Fernsehen sein kann. „, "AMERIKA DIENST" 29. Juli 196O Ebenso bemerkenswert war die Programmreihe "Tälevision Workshop", die sich dem Experiment widmete und wöchentlich einmal neue Ideen, Tech­ niken und Fernsehspiele brachte. Zu den erfolgreichsten Experimenten ge­ hörten "Brown Girl, Brownstones" (Braunes Mädchen, Braunsteine), die Geschichte einer Familie aus Jamaika, die sich dem New Yorker Leben anzu­ passen sucht, und "Afterthought" (Nachgedanke), ein halbstündiges Fern­ sehspiel ohne sichtbare Akteure, ohne gesprochenen Text. Die Fabel des Stückes wurde, und darin lag der besondere Reiz, nur durch Requisiten und Geräuscheffekte anschaulich gemacht.

Was die Musikprogramme betrifft, so könnte man angesichts der zahl­ reichen Auszeichnungen, mit denen Leonard Bernstein überhäuft wurde, den Schluß ziehen, daß er allein "anspruchsvolle" Sendungen bringt. So einzig­ artig Leonard Bernstein als Persönlichkeit, Künstler und Musikpädagoge auch sein mag - es gab noch einige andere Musiksendungen, die weit über dem Durchschnittsniveau lagen, z.B. die Opernaufführungen der NBC Company oder die von einer Telephongesellschaft getragenen Fernsehkonzerte sowie eine Reihe ausgezeichneter Einzelprogramme.

Besonders die Fernsehoper verzeichnete in ihrer elften Spielzeit einige bemerkenswerte Erfolge: Beethovens "Fidelio" in einer eindring­ lichen Fernseh-Einstudierung, ferner eine großartige Aufführung von "Don Giovanni", in der Cesare Siepi, Leontyne Price, Judith Raskin und ein Ensemble hervorragender Sänger Mozarts Meisterwerk ausgezeichnet interpretierten. Die Komödie - oder was man dafür hält - ist längst schon zur Stapel­ ware des amerikanischen Fernsehens geworden. Trotzdem brachte der Bild­ schirm einige erfrischende literarische Skizzen und Programme, und immer häufiger tauchte zum Vergnügen des Publikums auch die Satire auf. Der Monologist Mort Sahl, die Neuentdeckung Bob Newhart (der sich ganz ne­ benbei den heiteren Teil der Emny-Feierlichkeiten "stahl"), das Schau­ spielerteam und Elaine May sowie der Komödiant Sid Caesar waren ganz augenscheinlich die besten Vertreter dieses Fachs.

Die eindrucksvollsten Leistungen zeigte das Fernsehen der vergangenen Spielzeit jedoch auf dem Gebiet der Information. Und zwar sind es nicht nur die Nachrichten- und Kommentarsendungen, die ein Sonderlob verdienen -

- 3 - "AMERIKA DIENST" 29. Juli 196O verdienen - Höhepunkte bildeten Chruschtschows Amerika-Besuch und die Pariser Gipfelkonferenz -, sondern auch die zahlreichen, regelmäßigen Dokumentarsendungen und Fernsehreportagen, die das vielfältige Spektrum menschlichen Lebens vor Augen führten.

Die Bilanz der Pernsehspielzeit 1959/60 schließt mit einem klaren Plus ab. "Westerners" werden möglicherweise im Laufe des nächsten Jahres ihr Leben aushauchen, wenn man der Tatsache, daß ihnen keine "Emmy" zufiel, eine Deutung geben will. Andererseits finden immer mehr kulturelle Pro­ gramme ihre "Sponsors", ihre Geldgeber - ebenfalls ein Hinweis darauf, wie sehr das Pernsehpublikum Programme mit Niveau zu schätzen weiß. Und schließlich hat der Sponsor eines der besten TV-Programme einen ständigen Autorenwettbewerb ausgeschrieben, mit dessen Hilfe er neuen Stoff für seine Fernsehspiele zu gewinnen hofft. All diese Tendenzen erscheinen vielversprechend, und vielleicht werden bei der nächsten Emmy-Verleihung selbst die ewig Unzufriedenen etwas weniger Grund zur Kritik finden.

ACHTUNG! Auf Anforderung der Redaktionen übersendet der AMERIKA DIENST an Zeitungen und Zeitschriften kostenlos folgende Bilder:

1) "Tonight with Belafonte" - eine phantasievoll gestaltete Fernseh­ sendung mit Emmy-Preisträger Harry Belafonte und seiner Musik- und Tanzgruppe. 2) Balle rina Maria Karnilova und der Komödiant Dick Van Dyke paro­ dieren die Tänze der "Sagenhaften fünfziger Jahre" - eine geistreiche Fernseh-Revue, die als beste Unterhaltungssendung eine "Emmy" erhielt.

3) Mozarts "Don Giovanni" war der großartige Schlußpunkt d-er dies­ jährigen Pernseh-Opernsaison. Die Titelrolle sang Cesare Siepi, Bass, der dem Ensemble der New Yorker "Met" angehört (links)j Judith Raskin, Sopran, spielte die kecke Zerlina (Mitte) und Jofcß Reardon, Tenor, ihren bäuerlichen Bewunderer (rechts).

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4 - "AMERIKA DIENST" 29. Juli 196O Die Artikel des AMERIKA DIENSTES sind honorarfrei und neben der Verwendung durch Rundfunk und Fernsehen ausschließlich zum Abdruck in Zeitungen und Zeitschriften und sonstigen Publikationen bestimmt, die sich direkt an den Leser wenden.

KÜLTÜRNACHRICHTEN AUS DEN USA

DIE KOMMT NACH BERLIN

(6 Zeilen) NEW YORK - (AD) - Ende September werden die New Yorker Philharmoniker unter ihrem Dirigenten Leonard Bernstein zur Teilnahme an den Musikfestspie­ len in West-Berlin nach Deutschland kommen. Die Gastspielreise wird von den Ford-Werken finanziert und ist Teil eines umfangreichen Sommerprogramms, in dessen Mittelpunkt Konzerte in 26 Städten der USA und auf verschiedenen Musikfestspielen im In- und Ausland stehen.

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ZWEI NEUE BIOGRAPHIEN ÜBER FROST UND WOLFE

(10 Zeilen) NEW YORK - (AD) - "Robert Frost" und "Thomas Wolfe", zwei kürzlich veröffentlichte Biographien, die beide von Frauen geschrieben wurden, sind von ihren Rezensenten überall sehr positiv beurteilt worden. Elizabeth Shepley Sergeant, Verfasserin der Frost-Biographie, ist Essayist und lang­ jährige Freundin des heute 86jährigen Dichters aus Neuengland. Ihr Buch beschreibt das Leben des Nestors der amerikanischen Literatur. Elizabeth Newells Buch über Thomas Wolfe - sie führte einst für ihn die Verhandlungen mit seinen Verlagen - ist ein ausführlicher und aufrichtiger Bericht über die persönlichen und literarischen Auseinandersetzungen des amerikanischen Roman­ ciers, der stets selbst die Zentralfigur seiner Romane war.

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- 5 - "AMERIKA DIENST" 29. Juli 196O

BALANCHINE-BALLETTE IN HAMBURG

(9 Zeilen) NEW YORK - (AD) - George Balanchine, künstlerischer Leiter und Choreo­ graph des Ballet, erweitert sein vor einigen Monaten gestar­ tetes kulturelles "Pacht- und Leihprogramm". Er wird europäischen Tanz- ensembles weitere vier Ballette kostenlos zur Verfügung stellen. Ballett­ meisterin Una Kai ist bereits nach Europa abgereist, um mit dem London Festival Ballet "Bourree fantasque", mit dem Ballett der Mailänder Scala "Schwanensee" und "Concerto harrocco" und an der Hamburgischen Staatsoper "Serenade" und "Concerto baroccö" einzustudieren. Die Schlußproben in Hamburg und Mailand werden unter Balanchines persönlicher Lei tung stehen.

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HENRY-JAMES-ROMAN WIRD BROADWAY-MUSICAL

(10 Zeilen) NEW YORK - (AD) - "The Ambassadors" ("Die Gesandten"),ein Roman von Henry James, wird während der Broadway-Spielzeit 1961/62 als Musical seine Wiedergeburt erleben. Worthington Miner, Produzent und Regisseur zahlreicher Erfolgsstücke("Both Your Houses") und des bemerkenswerten Fernsehprogramms "Play of the Week", schreibt das Libretto, Don Gohman komponiert die Musik und Tal Hackaday liefert die Liedtexte. Obwohl Henry James selbst nur Fehlschläge als Bühnenschriftsteller erlitt, hatten andere mit Bühnenbe­ arbeitungen seiner Romane in jüngster Zeit mehr Erfolg ("The Innocents" nach "The Turn of the Screw" - Die sündigen Engel -; "The Heiress" nach "Washing­ ton Square"; "The Aspern Papers").

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"DAS BUCH JOB" - EIN ERFOLGREICHES THEATEREXPERIMENT

(15 Zeilen) PINEVILLE (Kentucky) - (AD) - Als unerwartet erfolgreich hat sich ein amerikanisches Theaterstück erwiesen, das nach dem Vorbild der grie­ chischen Tragödie aufgebaut ist und gegenwärtig hier im Pine-Mountain- Staatspark seine zweite Sommerspielzeit erlebt. "Das Buch Job" wurde 1958 von Orlin Corey, damals Lehrbeauftragter am Georgetown College, für die Aufführung in einer örtlichen Kirche geschrieben und einstudiert. Die Spielzeit, die ursprünglich nur acht Tage dauern sollte, mußte seither immer wieder verlängert werden. Aufführungen fanden im Rahmen der Brüsse­ ler Weltausstellung statt, der sich Gastspielreisen nach England, Schott­ land und Kanada anschlössen. Seinen Erfolg verdankt Orlin Corey der An­ erkennung einiger Kritiker, die "Das Buch Job" (nach der alttestamentari­ schen Geschichte von Hiob) ein einzigartiges und neues Experiment im amerikanischen Theaterleben genannt haben.

"A RAISIN IN THE SUN" 7/IRD VERFILMT

(5 Zeilen) HOLLYWOOD - (AD) - Das erfolgreiche Bühnenstück "A Raisin in the Sun" der amerikanischen Negerschriftstellerin Lorraine Hansberry, die 1959 den Preis der New Yorker Theaterkritiker erhielt, wird demnächst in Hollywood verfilmt werden. Bis April 1 96O hatte es bereits 500 Aufführungen auf dem Broadway erlebt.

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ASTRONOMIE

A3TR0GRAFH FÜR SÜDLICHE HALBKUGEL

(50 Zeilen) Für.eine umfassende Durchmusterung des Sternenhimmels von der südlichen Erdhalbkugel aus wird die amerikanische Yale-Universität aus Mitteln der Ford-Stiftung, die 750 000 Dollar für dieses Projekt zur Verfügung gestellt hat, einen Astrographen in Chile oder Argentinien errichten. Das neue Obser­ vatorium, an dem Wissenschaftler der Yale- und der Columbia-Universität ar­ beiten, soll 1962 in Betrieb genommen werden und die Aufnahmen des einzigen bisher vorhandenen Astrographen im Lick-Observatorium auf dem Mount Hilton in Kalifornien ergänzen. Man hofft, mit Hilfe der neuen Aufnahmeserien den Aufbau der Milchstraße und die Bewegungen der ihr zugeordneten Sterne besser erforschen zu können.

Mit dem Astrographen sollen etwa 4000 Aufnahmen des südlichen Sternen­ himmels gemacht und gegen den Hintergrund sehr weit entfernter fremder Milch­ straßensysteme genaue Positionsbestimmungen der Sterne unserer eigenen Milch­ straße vorgenommen werden. Diese Aufnahmen werden später mit einer zweiten Bildserie, die in etwa 25 Jahren aufgenommen wird, verglichen. In der dazwi­ schenliegenden Zeit wird sich die Position der Sterne unseres Milchstraßen­ systems merklich ändern, während sich die Galaxien im Hintergrund scheinbar überhaupt nicht bewegt haben, was mit den unvorstellbar großen Entfernungen zwischen der Erde und diesen Sternenwelten zusammenhängt.

Im Lick-Observatorium wurde die erste Aufnahmeserie dieser Art Ende der vierziger Jahre gemacht; die zweite Serie soll um 1970 folgen. Der Astrograph erfaßt etwa zwei Drittel des Firmaments, jedoch erscheinen die Sternabbildungen im äußeren Bereich seines Blickfeldes etwas verzerrt. Mit dem neuen Astrographen auf der südlichen Halbkugel soll nicht nur der bisher unzugängliche Teil des Sternenhimmels, sondern auch der mit dem Lick-

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Lick-Astrographen nur unzulänglich zu erforschende Randbereich aufge­ nommen werden. Da sich die Bildfelder beider Geräte verhältnismäßig weit überlappen, dürften auf den neuen Aufnahmen auch die Sterne in den Randzonen klar herauskommen.

Zur genauen Vermessung der Positionen von etwa einer Million Sterne werden z.Z. Spezialrechengeräte entwickelt, wofür die amerikanische "Na­ tionalstiftung für die Wissenschaft' 300 000 Dollar bereitgestellt hat. Durch die Verwendung dieser automatisch arbeitenden Geräte werden Fehler­ quellen in der Beurteilung reduziert, die Auswertung selbst wird wesent­ lich beschleunigt.

Obgleich bei diesem wissenschaftlichen Projekt nur ein Bruchteil unserer Milchstraße erfaßt werden; kann, zu der etwa 100 Milliarden Sterne zählen, dürfte sein Resultat doch das bisher klarste Bild von der Bewegung des gigantischen Sternensystems liefern, das sich wie ein schwerfälliges Rad um einen Zentralpunkt dreht. Wahrscheinlich ist die Bewegungsgeschwin­ digkeit je nach der Position der Sterne verschieden. Unsere Sonne beispiels­ weise, die sich im äußeren Drittel der Strecke zwischen Zentrum und Rand der Milchstraße befindet, braucht für einen einzigen Umlauf wahrscheinlich 200 Millionen Jahre.

Die Astrographen, deren wirksame Öffnung 50»8 cm beträgt,unterschei- den sich von großen modernen Teleskopen wie dem 5-m-Teleskop auf dem Mount Palomar dadurch, daß sie einen außerordentlich großen Bildwinkel haben; Aufgabe der großen Teleskope dagegen ist es, soviel Lichtquellen wie irgend möglich aus einem verhältnismäßig kleinen Himmelsbereich einzufangen.

NEUE RADIOSTERNE ENTDECKT

( 9 Zeilen)

Mit Hilfe der beiden riesigen Radioteleskope der Technischen Hoch­ schule Kalifornien, mit denen im Januar 196O der volle Betrieb aufgenommen wurde, gelang die Positionsbestimmung von neun Radiosternen außerhalb un­ seres eigenen Milchstraßensystems. Angesichts der Tatsache, daß bis Ende Dezember 1959 niit allen auf der Erde vorhandenen Radioteleskopen nur fünf

. 9 - "AMERIKA DIENST" 29. Juli 196O fünf außergalaktische "Radiosender" im Weltall identifiziert werden konnten, sind die bisherigen Ergebnisse des Radio-Observatoriums in Kalifornien von großer Bedeutung für die Astronomie. Die neun Radiosterne sind bis zu 1 Milliarde Lichtjahre von der Erde entfernt.

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RUBIN-VERSTÄRKER FÜR SCHWÄCHSTE SIGNALE AUS DEM WELTENRAUM

(40 Zeilen) Ein neues, außerordentlich empfindlich reagierendes "elektronisches Ohr" zur Aufnahme von Radiosignalen aus dem Weltenraum wurde in der Ver­ suchsanstalt der Hughes Aircraft Company in Culver City (Kalifornien) ent­ wickelt und vom Nachrichtenkorps der US-Armee erfolgreich erprobt. Wich­ tigster Teil des neuen Gerätes ist ein zweikarätiger synthetischer Rubin, der durch flüssiges Helium auf minus 269 Grad Celsius unterkühlt ist.

Der Rubin-Detektor gehört zur Gruppe der MASER-Geräte (MASER ist die Abkürzung für "niicrowave amplification by _stimulated _emission of _radiation" • Mikrowellenverstärkung durch induzierte Emission von Strahlung). Er vermag, als Verstärker für Radio- und Radarwellen verwendet, die Empfindlichkeit von Empfangsgeräten zur Aufnahme schwächster Radiosignale von Raumflug­ körpern, die Millionen von Kilometern von der Erde entfernt sind, oder auch der Radiowellenemission von Gasen oder Sternen im Universum erheblich zu verstärken und gleichzeitig den Rauschpegel zu verringern. Der Radio­ astronomie eröffnen sich damit neue Möglichkeiten, in noch fernere Welten als die bisher mit Radioteleskopen erreichbaren vorzudringen und auf diese Weise vielleicht das Geheimnis der Ausdehnung des Universums zu lüften. Die bisher unerreichte Empfindlichkeit des Rubin-Masers rührt daher, daß durch die Superkälte die Bewegung der Atome und Elektronen im Rubin­ kristall nahezu zum Stillstand kommt. Durch diesen Umstand wird auch das durch Kollisionen atomarer Teilchen innerhalb des Rubins bei Raumtempera­ tur verursachte Störgeräusch nahezu ausgeschaltet, so daß wir es hier mit einem praktisch rauschpegelfreien Verstärker zu tun haben, der sich in die­ ser Hinsicht von der Vakuumröhre, viele Jahre lang der meistgebrauchte Ver­ stärker, wesentlich unterscheidet. Eine Vakuumröhre arbeitet mit einem

10 "AMERIKA DIENST" 29. Juli 1960 einem Strom "erregter" Elektronen, die von der Kathode gewissermaßen "auskochen" und auf eine Kollektorplatte prallen. Allein dieser Vorgang ist zum großen Teil an den Störgeräuschen schuld, die bei hoher Verstär­ kerleistung auftreten.

Beim Maser dagegen gibt es überhaupt keine Elektronenströme. Statt dessen nutzt er die spezifischen Schwingungen, die Materieteilchen von Natur aus vollführen, für die Verstärkung von Radiowellen aus. Der Rubin- Maser ist leicht zu bedienen, wiegt nur 12 kg und nimmt so wenig Raum ein, daß alle Teile mit Ausnahme der Antenne in einem transportablen Kasten von der Größe eines Radiotisches untergebracht werden können. Bisher war ein Maser-Gerät ein Objekt, das einen festen Standort benötigte und nur mit einer großen Vakuum-Pumpe und einem kostspieligen Magneten von 250 kg Gewicht betrieben werden konnte. Der Rubin-Detektor dagegen ist transpor­ tabel, billiger, braucht keine Pumpe und arbeitet mit einem 536 Gramm schwe­ ren Magneten, der nur 10 Dollar kostet.

ACHTUNG! Auf Anforderung der Redaktionen übersendet der AMERIKA DIENST an Zeitungen und Zeitschriften kostenlos folgende Bilder:

1) Das "Herz" des neuen Maser-Verstärkers, der sehr schwache Radio­ signale von Sternen und Raunflugkörpern nahezu störungsfrei aufzunehmen vermag, ist ein kleiner synthetischer Rubin (von der Pinzette gehalten). Rechts im Bild das Übergangsstück aus Kupfer, darunter der Dauermagnet.

2) Die gesamte Ausrüstung für den Rubin-Detektor wiegt nicht mehr als 12 kg - das Arrangement samt Rubin und Dauermagnet (am unteren Ende des Gerätes links im Bild) wird in den Kühlbehäl­ ter (rechts) eingesetzt, wo der winzige Rubin auf minus 269 Grad Celsius gekühlt und so die thermische Bewegung der Materieteil­ chen in seinem Innern nahezu zum Stillstand gebracht wird.

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GEDENKTAGE IM AUGUST 1960

1. August 1819 Herman Melville, amerikanischer Schriftsteller, in New York gehören (gest. 23.9«1891 in New York). 1. " 1950 Guam erhält hegrenzte Selbständigkeit, seine Bewohner werden amerikanische Staatsbürger. (10. Jahrestag) 2. " 1920 Errichtung des Internationalen Gerichtshofes in den Haag, 1946 Neubestellung durch die Vereinten Nationen. (40. Jahrestag) 4. " 1735 John Peter Zenger, Zeitungsredakteur und Verleger in New York, von der Anklage der Verleumdung frei­ gesprochen (eines der wichtigsten Daten in der Ge­ schichte der Pressefreiheit in Amerika). (225.Jahrestag) 5. " 1858 Fertigstellung der ersten transatlantischen Kabelver­ bindung. 5. " 1925 Ratifikation in Washington der Neun-Mächte-Abkommen über die Begrenzung der Rüstungen. 7. " 1845 Gründung der amerikanischen Flottenakademie in Annapolis, 10. " 1874 Herbert Hoover, 31. Präsident der USA, in West Branch (Iowa) geboren. 10. " 1885 Erste elektrische Straßenbahn in den USA in Baltimore eröffnet. (75* Jahrestag) 11. " 1919 Andrew Carnegie, amerikanischer Industrieller und Philanthrop, in Lenox (Massachusetts) gestorben (geb. 25.11. 1835 in Dunfermline, Schottland). 12. " 1877 Thomas A. Edison gibt die Erfindung des Phonographen bekannt. 12. " 1898 Unterzeichnung des Friedensvertrages zwischen den Ver­ einigten Staaten und Spanien; Hawaii wird auf eigenen Wunsch Territorium der Vereinigten Staaten. 12. " 1948 Anerkennung der Republik Korea durch die USA. 12. " 1949 57 Staaten unterzeichnen die Konventionen des Roten Kreuzes der "Diplomatischen Konferenz in Genf". 14. " 1935 Präsident Franklin D. Roosevelt unterzeichnet das Sozialversicherungsgesetz. (25. Jahrestag) 14. " 1941 Verkündung der Atlantik-Charta. 14^ " 1945 Bedingungslose Kapitulation Japans (am 2.9.45 auf Schlachtschiff "Missouri" unterzeichnet). (15 .Jahrestag) 15» " 1914 Panama-Kanal dem Verkehr übergeben. 17. August 1807

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17. August 1807 Erste größere Fahrt eines Dampfschiffs, der "Clermont" Robert Fultons; 32 Stunden von New York nach Albany. 20. 1870 Bernard M. Baruch, ehemaliger Finanzberater der amerikanischen Regierung, in Camden geboren. 22. 1787 Vorführung des ersten Schaufelraddampfers auf dem Delaware durch John Fitch. 24. 1949 Der Nordatlantikpakt tritt in Kraft. 26. 1920 Die amerikanischen Frauen erhalten das Wahlrecht. (40. Jahrestag) 27. • 1928 Unterzeichnung des Kellogg-Paktes in Paris. 28. 1859 Die erste Ölquelle in Nordamerika erschlossen (Titusville, Pennsylvanien).

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GEDENKTAGE IM SEPTEMBER 1960

1. September 1921 Erstes Schiff der ÄRA (American Relief Administration) landet mit 700 t Lebensmitteln an Bord in Petersburg. 2. 1945 Ende des zweiten Weltkriegs: Japan unterzeichnet Waffenstillstandsvertrag auf dem amerikanischen Schlachtschiff "Missouri". (15> Jahrestag) 1774 Zusammentritt des 1. Kontinentalkongresses in Philadelphia. 5. • 196O Labor Day in den USA. 6. 1860 Jane Addams, Vorkämpferin für die amerikanische Sozialreform, in Cedarville (Illinois) geboren (gest. 21.5.1935 in Chicago). (100. Geburtstag) 6. 1954 Erster Spatenstich für den Bau des ersten amerikani­ schen Atomkraftwerks in Shippingport (Pennsylvanien). 7. 1860 "Grandma Moses" (Anna Mary Robertson Moses! bei Greenwich (N.Y.) geboren. (100. Geburtstag) 0. 1883 Feierliche Eröffnung der nördlichen Pazifik-Eisenbahn, der dritten Verbindung zwischen dem Atlantischen und dem Stillen Ozean. 8. 1950 Das Technische Hilfsprogramm der Vereinten Nationen tritt in Kraft. (10. Jahrestag) 8. 1951 Unterzeichnung des Friedensvertrages zwischen den Alliierten und Japan in San Francisco. 12. 1880 Henry Louis Mencken, amerikanischer Journalist und Schriftstellerin Baltimore geboren (gest. 29.1.1956 in Baltimore). (80. Geburtstag) 15. 1860 John Joseph Pershing, bei Laclede (Missouri)geboren, Oberbefehlshaber der US-Armee im ersten Weltkrieg (gest. 15.7.1948,Washington). (100. Geburtstag) 13.-14. 1814 Francis Scott Key schreibt den Text der amerikanischen Nationalhymne während-eines Bombardements von Fort McHenry. 15- 1789 James Fenimore Cooper, amerikanischer Schriftsteller, in Burlington (New Jersey) geboren (gest. 14»9»1851 in Cooperstown). 15. 1857 William Howard Taft, 27. Präsident der USA, in Cincinnati (Ohio) geboren, (gest. 8.3. 1930 in Washingtoi 15. 1858 Erste Überlandpostverbindung St. Louis - San Francisco in Betrieb genommen. 15. 1938 Thomas Wolfe, amerikanischer Schriftsteller in Baltimore gestorben (geb. 3-10. 1900 in Asheville, Nordkarolina). 17. 1730 Friedrich '.Vilhelm von Gtsuben, amerikanischer General deutscher Herkunft, in Magdeburg geboren (gest. 28.11. 1794 in Oneida County, N.Y.). (230.Geburtstag) 16. September 18( - 14 - "AMERIKA DIENST 29. Juli 1960

16. September 1890 Ottmar Mergenthaler erhält das Patent für die erste Linotype-Setzmaschine . (70.Jahrestag) 17. Seit 1952 Staatsbürgertag - zur Erinnerung an die Unterzeichnung der Verfassung in Philadelphia am 17. September 1787. 17» " 1949 Erste Sitzung des TTordatlantikrates in Washington. 17« " 1954 Amerikanische Gedenkbibliothek in Berlin eingeweiht. 18. " 1851 "New York Times" erscheint zum ersten Mal. 19« " 1950 Vertreter der 18 OEEC-Staaten unterzeichnen in Paris das Abkommen über die Europäische Zahlungsunion (EZTJ) . (10. Jahrestag) 21. " 1784 "The Pennsylvania Packet and Daily Advertiser" erscheint in Philadelphia als erste Tageszeitung der USA. 24. " 1789 Der Oberste amerikanische Bundesgerichtshof tritt zur ersten Sitzung zusammen. 25. " 1789 Amerikanischer Kongreß billigt "Bill of Rights". 25. " 1897 William Faulkner, amerikanischer Schriftsteller und Nobelpreisträger (1950)» in New AlLany (Mississippi) geboren. 28. " 1949 Der amerikanische Kongreß verabschiedet das 'iVaffenhilfsprogramm für Europa. 29. " 1789 Gründung des stehenden Heeres der Vereinigten Staaten. 30. /' 1949 Berliner Luftbrücke mit dem 277 264. Füug offiziell beendet, nachdem bereits am 12. Mai 1949 die Blockade Berlins aufgehoben worden war.

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DIE WISSENSCHAFT NOTIERT;

SOZIOLOGIE DER FISCHE Umweltfaktoren bestimmen Verhaltensweisen Von Frances Gudemann

Aua "Science World". Bei Nachdruck sind Nennung des Verfassers und der Vermerk "Copyright 196O by Scholastic Magazines, Inc. New York City U.S.A. unbedingt erforderlich

( 85 Zeilen)

An der Korallenküate einer Insel der Bermudas steht eine hübsche junge Frau im Sporttaucheranzug, den Preßluftkanister auf dem Rücken, in der Hand eine Filmkamera für Unterwasseraufnahmen. Sie ist startbereit für ihr nächstes Tauchunternehmen, das aber, ebenso wie die vorangegangenen, mit Abenteuerlust oder dem jetzt modern gewordenen Tauchsport nichts zu tun hat, sondern ausschließlich wissenschaftlichen Zwecken dient. Es ist Dr. Evelyn Shaw, Biologin und enge Mitarbeiterin des Amerikanischen Museums für Naturgeschichte in New York, die sich seit einigen Jahren eingehend mit dem Studium der Verhaltensweisen von Fischen befaßt. Jedes Jahr im Herbst arbeitet sie für einige Wochen an der biologischen Forschungssta­ tion in St. George auf den Bermudainseln, um dort die Fischwelt in ihrer natürlichen Umgebung zu beobachten und Experimente in den riesigen Aqua­ rien durchzuführen, über die nur dieses Institut verfügt.

Meeresbiologie, einer der interessantesten Zweige der Naturwissen­ schaften, ist in ihrem eigenen Rahmen schon so weitgespannt, daß die Wis­ senschaft nicht umhin kann, sie in viele Unterabteilungen zu gliedern. Eine davon ist die Verhaltensforschung bei Fischen, insbesondere bei den in Schwärmen lebenden Arten. Es hat den Anschein, daß die Verhaltensweisen der

1 "AMERIKA DIEKäT" 2. September 1960 der einzelnen Arten in der Ausdrucksform zwar verschieden sind, jedoch alle auf dasselbe Gruniverhalten zurückgehen. Ein Grundverhalten, das übrigen« ganz anders geartet ist als bei den sogenannte. Schulen bil­ denden Walen, die als Wassersäugetiere mit den Fischen nur das Lebens­ element gemeinsam haben.

Über den Zusammenschluß der Fische zu Schwärmen war dagegen relativ wenig und dieses wenige auch nur Fachleuten bekannt. Die Forschungen von Frau Dr. Evelyn Shaw auf diesem Gebiet haben nun das vorliegende Material ungemein bereichert; darüber hinaus mußten geltende Ansichten auf Grund ihrer Untersuchungen zum Teil erheblich korrigiert werden.

Evelyn Shaw, aus Jersey City gebürtig, hatte zunächst an der Uni­ versität New York Biologie studiert und war nach ihrer Promotion zum Dr. phil. im Jahr 1952 als Dozentin an die Newark Colleges der Rutgers- Staatsuniversität in New Brunswick (New Jersey) gegangen. 1957 wurde sie als wissenschaftliche Hitarbeiterin an das berühmte American Museum of Natural History berufen, an dem sie bereits 1949 i» Zusammenhang mit ihrer Prometionsarbeit Untersuchungen durchgeführt hatte.

Zu ihrem Spezialgebiet war sie über das Studium der Embryologie und der Entwicklungsgeschichte von Meereslebewesen gekommen. Dabei begann sie auch dem eigenartigen, für die gesamte Fischereiwirtschaft so wichtige Phänomen nachzuforschen, wie sich ein "Schwärm" bildet. Er besteht immer aus einer beträchtlichen Anzahl von Fischen gleicher Größe, die sich alle in derselben Richtung mit jeweils gleicher Geschwindigkeit fortbewegen, ohne daß es - selbst bei Schwärmen mit mehreren tausend Fischen - als solche erkennbare Leittiere gibt. Die einzelnen Individuen innerhalb des Schwanns reagieren auf das Verhalten der anderen ungemein schnell, geradezu unmittelbar.

Um die vielen aus solchen Beobachtungen resultierenden Fragen klären zu können, war es vor allem erforderlich, herauszufinden, ob diese Ver­ haltensweisen angeboren sind oder erlernt werden. Im Aquarienhaus inmit­ ten des Dachgartens des Museum of Natural History sonderte Dr. Shaw des­ halb eine Anzahl Jungfische aus einem Schwärm von den übrigen ab und züchtete sie einzeln in isolierten Behältern weiter. Die Seitenwände "AMERIKA DIENST" 2. September i960

Seitenwände dieser Behälter waren mit Wachs überzogen, damit das Ver­ suchstier nicht einmal sein eigenes Spiegelbild sehen konnte. Sobald der Fisch ausgewachsen war, kam er wieder zu dem eigentlichen Schwärm zurück, wo er binnen weniger Stunden lernte, sich in diesen völlig einzuordnen. Der Versuch schien zu beweisen, daß diese Fische zumindest fähig sind, sich der Verhaltensweise ihrer Artgenossen sehr schnell an­ zupassen.

So studierte sie das Verhalten einer Gruppe von Fischen, die zwar in einem großen Becken belassen, aber einmal durch das Einsetzen ven ein­ fachen Klarglasscheiben, das andere Mal durch geschwärzte Glasscheiben voneinander getrennt worden waren. Im letzteren Fall gab es keinerlei Koordination des Verhaltens, jeder einzelne schwamm in beliebiger Rich­ tung. Bei dem Versuch mit den durchsichtigen Scheiben benahmen 8ie sich jedoch ganz ähnlich wie im Schwärm - mit dem einen Unterschied, daß sie merklich langsamer reagierten. Die Gründe dafür sucht Dr. Shaw nun zu erforschen. Sicherlich spielt das Sehen bis zu einem gewissen Grade eine wichtige Rolle. Aber werden durch die Bewegung und Richtungsänderung eines Fisches nicht auch Wirbel und Strömungen verursacht, die die an­ deren wahrnehmen und auf die sie sich blitzartig einstellen? Bisher unter­ nommene Versuche scheinen diese Theorie zu bestätigen.

Für die Versuche zum Studium der Lichteinwirkung auf die Schwarm- bildung benutzt Frau Dr. Shaw einen besonders konstruierten Ringbehälter, über dem eine große kreisförmige Fluoreszenzlampe angebracht ist. Von der Decke des Raumes strahlt dabei gleichzeitig eine Glühlampe von 500 Watt. Die Wissenschaftlerin beobachtete, daß sich die Fische erst zu einem Schwärm zusammenfinden, sobald die Fluoreszenzlampe eingeschal­ tet istj schaltet man sie aus, löst sich der Schwärm trotz der weiterhin brennenden Deckenleuchte auf. Dieses Verhalten der Versuchstiere entspricht ganz dem Verhalten von Fiachen in ihrer natürlichen Umgebung: mit hereinbrechender Dunkel­ heit lösen sich die Schwärme auf und bilden sich erst wieder mit Anbruch des neuen Tages. Darüber hinaus scheinen an sonnigen, klaren Tagen die Reaktionen innerhalb der Schwärme viel schneller abzulaufen als bei

- 3 - AMERIKA PIEKST" 2. September 196O bei wolkenverhangenem Himmel. Daraus schließt Cr. Shaw, daß Wellen­ länge und Intensität des Lichts die Schwarmbildung und das Verhalten der Tische in der Gemeinschaft wesentlich beeinflussen - Faktoren, die in der Praxis ebenso wie Witterung und Strömungsverhältnisse von gro­ ßer Bedeutung für das Fischfangergebnis sind.

Aus "Science World". Bei Machdruck sind Nennung des Verfassers und der Vermerk "Copyright 196O by Scholastic Magasinea, Inc., New Yerk City, U.S.A." unbedingt erforderlich.

KARPFEN REDEN DIALEKT

( 12 Zeilen)

"Stumm wie ein Fisch" hat als Vergleich kein« Gültigkeit mehr, seit man mit Hilfe von Mikrophonen festgestellt hat, daß auoh die Fische Laute erzeugen und ihre eigene "Art-Sprache" haben. Dazu berichtete kürzlieh Dr. E.A. Delco von der Universität Texas (Austin) auf Grund seiner Versuche mit Süßwasserfischen, daß die Lockrufe, die von den Weibchen ausgestoßen werden, stets nur Männchen der gleichen Artzugehörigkeit beantworten. Ferner hat der Wissenschaftler bei Untersuchungen an Karpfen aus verschiedenen amerikanischen Gewässern die Erfahrung gemacht, daß es sogar unter den in diesen Gewässern heimischen Karpfenarten sehr feine "Dialekf'-Unterschiede gibt. So sind beispielsweise die Lockrufe von Karpfen aus dem Colorado-Fluß anders als die der Karpfen aus dem etwa 160 km entfernten Brazos-Fluß.

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LEBEN IN DEN USA

SECHSUNDSECHZIGTAUSEND KILOMETER AUTOBAHN "Interstate S.rstem" - ein Großpro.iekt des amerikanischen Straßenbaus Von John Kerigan

(56 Zeilen) WASHINGTON - (AD) - Die amerikanische Bundesregierung hat einen neuen Bericht über den Stand der Arbeiten an einem gewaltigen Straßen­ bauprojekt veröffentlicht, über das sich praktisch jeder Amerikaner im Lauf der letzten Jahre aus eigener Anschauung informieren konnte. Als Teil des neuen "Interstate System", das als zusammenhängendes Autobahn­ netz ganz USA umspannen soll, sind inzwischen weitere 400 Kilometer Straße dem Verkehr übergeben worden. Damit ist mehr als ein Fünftel des im Jahr 1956 von der amerikanischen Bundesregierung und den Einzelstaaten gemein­ sam in Angriff genommenen Straßenbauprojektes fertiggestellt. Und schon heut« sorgen 14 570 Kilometer des auf 66 000 Kilometer geplanten Systems von Super-Highways für eine Entlastung des reichlich strapazierten norma­ len Straßennetzes,

Vor vier Jahren begannen Amerikas Autofahrer in Form von erhöhten Kraftstoffsteuern ihren Obolus für dieses Projekt zu entrichten. Jetzt, da sie mit ihren Familien die'Sommerferien genießen und auf den Auto­ bahnen maximale Verkehrsdichten registriert werden, schenken ihnen die neuen Super-Highways dafür nicht nur das Vergnügen einer stockungsfrei­ en und sicheren Reise, sondern auch einen von Werbeplakaten und Reklame­ schildern ungestörten Blick auf die Landschaft ringsum»

Das neue Autobahnsystem soll bis 1972 fertiggestellt sein. Zufahrts­ straßen wird es nur in beschränkter Zahl geben, um Verkehrsstockungen so weit wie möglich zu vermeiden. Dennoch dürften die geplanten Super-

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Super-Highwaye überall ohne größere Umwege zu erreichen sein. Wie die bereite vorhandenen, gebührenpflichtigen Autobahnen bieten sie breite, Tier-, sechs- oder achtspurige Fahrbahnen, die keine Plankreuzungen mit ihren Gefahren kennen. Luxusmotels, Raststätten und Tankstellen befin­ den sich an den parallelverlaufenden Zubringerstraßen. Das gesamte Auto­ bahnnetz des "Interstate System" wird nach seiner Fertigstellung 90 Pro- sent der amerikanischen Städte über 50 000 Einwohner miteinander ver­ binden.

Verkehrsexperten sind davon überzeugt, daß sie die Erfordernisse des Straßenverkehrs im Jahr 1975» auf die ihre Pläne abgestimmt sind, keineswegs überschätzt haben. Eher könnte die ständig wachsende Anzahl von Kraftfahrzeugen und ihre Beliebtheit als Transportmittel selbst über weite Strecken hinweg (für die sich ja Eisenbahn-, Omnibus- und Fluglinien anbieten) einige der Super-Highways, noch ehe das Gesamtnetz selbst überhaupt ausgebaut ist, veraltet erscheinen lassen. Grundlage der Planungen bildet eine für 1975 angenommene Bevölkerungszahl von 2JC Millionen Amerikanern. Sie schließt 154 Millionen Menschen der Alters­ gruppe 17-74 «in, die als potentielle Autofahrer gelten können. Letzte Statistiken aus dem Jahr 1959 geben als Gesamtzahl der registrierten Kraftfahrzeuge 71,5 Millionen an. Für 1976 rechnet man mit 114 Millionen.

Zieht man ferner die Erfahrungen mit den sehr stark befahrenen ge­ bührenpflichtigen Autobahnen in Betracht, dann erscheint auch die Annahme gerechtfertigt, daß das neue "Interstate System" 20 Prozent des amerika­ nischen Straßenverkehrs aufnehmen wird, obwohl seine 66 000 Kilometer nur 1,2 Prozent des gesamten Straßennetzes ausmachen. Die Anlage des "Interstate System' und der Ausbau normaler Highways in einer Gesamt­ länge von 1,12 Millionen Kilometern wird schätzungsweise 50 Milliarden Dollar kosten« Sicherheit und Bequemlichkeit des neuen Autobahnnetzes sind Gegenlei­ stungen, für die der amerikanische Autofahrer zu zahlen bereit ist. Die zusätzlichen Steuern, die seit 1956 auf Treibstoff, Schmierstoff und Kraft­ fahrzeugzubehör erhoben werden, fließen einem besonderen Foods in Washing­ ton zu, dessen Gelder je nach Bedarf zur Finanzierung des Großprojektes verbraucht werden. * * * * * - 6 - "AMERIKA DIENST" 2. September i960

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VOM KUNST UND KÜNSTLERN

PASSE-PARTOUT AUF LEBENSZEIT Brooks Atkinson sieht sich nach 35 Jahren als Theaterkritiker der New York Times ins Privatleben zurück Von Norman Smith

(85 Zeilen) NEW YORK - (AD) - Ein ungekrönter König hat einer Welt, die er liebte und in der er herrschte, Valet gesagt. Mit Ehrungen überhäuft, gab Brooks Atkinson naeh 35 Jahren seinen Posten als Theaterkritiker der bekannten amerikanischen Tageszeitung THE NEW YORK TIMES mit Beendigung der letzten Spielzeit auf.

Mehr als J000 New Yorker Premieren hat der Gentleman der Presse wie man ihn gerne zu bezeichnen pflegte, miterlebt. Das Premierenpublikum wird ihn vermissen. Es war zu sehr daran gew&hnt, nach seinem Sit» am Ende einer Reihe im Parkett zu schielen, um vielleicht schon während des Spiels, Zu­ stimmung oder Ablehnung dort ablesen zu können. Und die Theaterleute brau­ chen nicht mehr mit Ungeduld nach den Morgenzeitungen zu greifen, um aus Atkinsons Besprechung den Urteilsspruch hinzunehmen, der so oft entschei­ dend für den Erfolg oder Mißerfolg eines Stückes war.

Brooks Atkinson legte seinem Urteil bei weitem nicht diese Bedeutung bei. In bescheidener Offenheit wies er zu gerne auf alle jene negativen Kritiken hin, die den Erfolg eines Stückes dennoch nicht beeinträchtigt haben, wie z.B. kürzlich im Falle des Musical "BYE BYE BIRDIE" - eine Satire auf die Rock'n Roll Sänger - das ein ziemlicher Publikumserfolg geworden ist. Brooks Atkinson war für seinen raschen Tadel bekannt, dennoch wog sein Urteil am Broadway in der Regel das von vier oder fünf anderen Kritikern auf. Zugegeben, daß sein Einfluß auf die amerikanische Bühne, zum Teil dem Ansehen der "New York Time«" zu danken ist, zum anderen

- 7 - "AMERIKA DIENST" 2. September 1960 t anderen aber bestimmt auf der Treffsicherheit seines sachlichen Urteils beruht. Stets war Atkinson bemüht, aufrichtig zu sein. Seiner Ansicht nach kann ein Kritiker keinen größeren Fehler begehen als nicht zu schreiben, was er wirklich empfindet und denkt. Seine Anforderung an ein Theaterstück ist indes nicht höher geschraubt als die eines jeden Theaterbesuchers, nämlich, einen angeregten Abend zu verbringen. Völlig unvoreingenommen und ganz offene Bereitschaft, ging Brooks Atkinson an seine Aufgabe heran. Sein Urteil lange zu überdenken, dazu blieb ihm nie viel Zeit. In 45 Minuten mußte sein Artikel stehen, oft gingen seine bleistiftgeschriebenen Manuskripte satzweise in die Setzerei« Immer waren sie Spiegelbild seiner klaren, ehrlichen Meinung und nicht selten enthielten sie eine typisch Atkinson1sehe Redewendung wie etwa die im Kommentar zu einem großen Ausstattungsmusical und einer stimmge­ waltigen Sängerin, wo es hießt "... jedermann im Publikum sah benommen und glücklich drein."

Ben negativen Kritiken merkte man deutlich die Sorge an, die Brooks Atkinson bewegte, wenn er ein Stück "verreißen" mußte. Erinnert sei hier an das im vergangenen Winter uraufgeführt« Bürgerkriegsdrama THS ANDERSONVII TRIAL von Saul Levitt. Nachdem Atkinson die Leistung der Schauspieler weitschweifig gelobt hatte, stellte er schließlich die Fraget "Was ist der Andersonville Trial? Ein Stück vollendetes Theater oder eine drama­ tisierte Suche nach der Wahrheit?... Der Rezensent ist der Ansicht, daß hier das Theater - weil es durchaus showy und scharfsinnig sein wollte, über die Wahrheit triumphiert."

Zum anderen aber genoß niemand ein Stück - wenn es ihm gefiel - mehr und vorbehaltsloser als Atkinson. Noch letzthin schrieb er über das Mär­ chenspiel "Greenwillow"..."guter Geschmack ist eines unserer seltensten Güter -,. insbesondere auf der musikalischen Bühne - Greenwillow ist ein Musical, das der Bühne zum Ruhm gereicht und das den Leuten reines Ver­ gnügen bereitet." Ebensolches Lob fand er für die moderne Orestie des jungen Dramatikers Jack Richardson "TEE PRODIGAL", von dem er sagt: "ein an sich schon faszinierender Stoff, erreicht hier eine noch weit tiefer greifende Bedeutung. Hier ist ein Dramatiker mit Mut zur eigenen Meinung - eine ermutigende Feststellung für uns alle." Solche AMERIKA DIENST" 2. September 196O

Solche Urteile, voller Wärme, Yerständnie und Hochachtung für die Theaterkunst waren es, die Brooks Atkinson zu dem überragenden Kritiker in den dreieinhalb Jahrzehnten seiner Tätigkeit werden ließen«

Di ose Vorzüge zeichnen indes nicht nur seine journalistische Ar­ beit aus, sie kennzeichnenauch sein gesamtes schriftstellerisches Werk. Brooks Atkinson hat sieben Bücher geschrieben, in der Hauptsache Essay­ sammlungen und gelegentlich liebenswerte Betrachtungen über New York. Bekannt geworden sind ferner seine Reportagen, die er als Korrespondent der New York Times in China (1942/45) und in Moskau (1945/46) verfaßt hat. Für letztere ist er mit einem Pulitzerpreis ausgezeichnet worden.

Was hat der König der Kritiker nun vor? Er wird nicht ganz aus dem Redaktionsstab der NYT ausscheiden; er wird weiterhin Kunstkritiken schreiben. Seine Interessen verlagern sich jedoch auf Pilm, Fernsehen. Musik und vor allem Bücher, waren sie es doch, die seine Laufbahn be­ gründet haben. Seine ersten journalistischen Sporen verdiente sich Brooks Atkinson nämlich als Mitarbeiter der Literaturboilage der New York Times. Und er wird auch späterhin'ins Theater gehen, aber nur noch in seiner Eigenschaft als Besucher.

Die Theaterwelt New Yorks ist ihm zu großen Dank verpflichtet. Sie weiß es, und sie dankte es ihm mit einem Passe-partout auf Lebenszeit für sämtliche New Yorker Theater und die Shakespearebühne in Stratford (Ontario). Ebenfalls "lebenslänglich" gilt die Ehrenmitgliedschaft, die ihm die Schauspielergilden'Tlayers' Union^und "Actors Equity Association" angetragen haben. Ferner ist beabsichtigt, ein New Yorker Theater auf seinen Namen umzubenennen.

Zum Schluß noch Brooks Atkinson selbst zur Aufgabe des Kritikers! "... es gibt kein Richtig oder Falsch in bezug auf die Beurteilung des Wertes eines Kunstwerks. Es gibt nur Meinungen.•• ihren Wert oder ihre Gültigkeit bestimmt allein die Qualifikation dessen, der ins Theater geht und sich dazu schriftlich äußert."

ACHTUNG!

- 9 - "AMERIKA DIENST" 2. September 1960

ACHTUNG 1 Auf Anforderung der Redaktionen übersendet der AMERIKA DIENST an Zeitungen und Zeitschriften kostenlos folgendes Bild:

Brooks Atkinson, der Gentleman der Presse, der König der Kritiker und als solcher eine der einflußreichsten Person» lichkeiten am Broadway, hat nach 35jähriger Tätigkeit sein Amt als Theaterkritiker der New York Times nieder­ gelegt. Die Theaterwelt New Yorks zeichnete ihn durch Überreichung eines Passe-partouts für alle Bühnen auf Lebenszeit aus und wird ein Theater auf seinen Namen umbenennen.

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JANE ADDAMS - EINE AUSWAHL IHRER SCHRIFTEN

NEW YORK - (AD) - Vor hundert Jahren wurde Jane Addams, die amerika­ nische Sozialreformerin und Trägerin des Friedensnobelpreises 1931» ge­ boren. Aus Anlaß ihres hundertsten Geburtstages wird das New Yorker Verlagshaus "Hacmillan Publishing Company" am 6. September eine von Emily Cooper Johnson besorgte Auswahl ihrer Schriften unter dem Titel "Jane Addams: A Centennial Reader" herausgeben. Das Buch enthält Jane Addams' Ansichten zur Sozialarbeit, zu den Gewerkschaften, zur Kinderfürsorge, zu den staatsbürgerlichen Freiheiten und zum 7/eltfrieden,

TEERESA HELBURN - MEMOIREN EINES THEATERLEBENS

NEW YORK - (AD) - Ende August hat das Verlagshaus "Little, Brown & Company" die Memoiren der Gründerin der Theatre Guild, Theresa Helburn, veröffentlicht. Unter dem Titel "The Wayward Quest" erzählen sie nicht nur Theresa Helburns persönliche Lebensgeschichte, sondern geben auch eine Chronik ihrer Theatererfolge. Daneben enthält das Buch u.a. unver­ öffentlichte Briefe, von St. John Ervine, George Bernard Shaw und Eugene O'Heill.

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- 10 - "AMERIKA DIENST" 9. September 196O

Die Artikel des AMERIKA DIENSTES sind honorarfrei und neben der Verwendung durch Rundfunk und Fernsehen ausschließlich zum Abdruck in Zeitungen und Zeitschriften und sonstigen Publikationen bestimmt, die sich direkt an den Leser wenden.

KERNPHYSIKALISCHE FORSCHUNG

SUPER-SYNCHROTRON VON BROOKHAVEN IN BETRIEB USA verfügen über stärksten Teilchenbeschleuniger der Welt

( 100 Zeilen) Nach knapp fünf Jahren Bauzeit konnte am 29. Juli 196O auf dem Gelände des amerikanischen Kernforschungszentrums Brookhaven National Laboratory der bisher größte Teilchenbeschleuniger der Welt in Betrieb genommen werden. Es ist ein Synchrotron mit einer Nominalleistung von 30 Milliarden Elektronenvolt, was bedeutet, daß es elektrisch geladenen Atomteilchen, beispielsweise Protonen (Kernen von Wassers icffatoiren), eine kinetische Energie zu geben vermag, wie sie Elektronen infolge einer Beschleunigung durch 30 Milliarden Volt erfahren; die Geschwin­ digkeitszunahme eines Elektrons beim Passieren einer Spannungsdifferenz von 1 Volt gilt als Maßeinheit für die Energie eines beschleunigten Elementarteilchens.

Atomteilchen mit einer Bewegungsenergie im Bereich \on Milliarden Elektronenvolt werden, wenn man sie auf Atome und Atomkerre der chemi­ schen Elemente richtet, zu Geschossen von unerhörter Wucht, die inrer- atomare Bindekräfte aufzuheben vermögen, wobei die "Zielscheiber" zer­ trümmert werden. Diese Atomtrümmer aber sind für die Forscher von größ­ tem Interesse. Denn aus der Größe der Bruchstücke - sofern man hier über­ haupt von "Größe!1 sprechen kann -, ihren elektrischen und magnetischen Eigenschaften, ihrer Richtung und Geschwindigkeit erhält der Wissen­ schaftler Hinweise auf die Natur der Materie in ihren kleinsten Einhei­ ten und auf die Wechselwirkungen der in ihr gebundenen Kräfte. Während des Zertrümmerungsvorgangs wird ja nicht nur das Atom in seine Bausteine zerlegt, sondern auch der umgekehrte Prozeß ausgelöst - Materie wird _in

1 • "AMERIKA DIENST1 9. September i960

im Energie und Energie in Materie verwandelt. Immer größere und stärkere Experimentiermaschinen werden gebaut, die als "kosmische Mi­ kroskope" dazu beitragen sollen, der subatomaren Welt ihre Geheimnisse zu entreißen und schließlich auch eine Antwort auf die Frage nach dem Ursprung der Materie und des Universums zu finden.

Mit mehr als 50 Milliarden eV ist das neue Synchrotron von Brookhaven um etwa 1 Milliarde eV stärker als das Protonen-Synchrotron des Europäischen Kernforschungsrates CERN in Genf und hat die fünffache Leistung des Bevatrons im Strahlenforschungsinstitut der Universität Kalifornien. Man hofft, mit dem Gerät auch die Mesonen und Hyperonen, die "mittelschweren" und "überschweren" Materieteilchen, und die ver­ schiedenen "Antiteilchen" untersuchen zu können. Mit dem Bau der An­ lage war Ende 1955 nach Abschluß mehrjähriger Vorbereitungen begonnen worden. Sie hat 24O riesige Magnete, die in einem ringförmig angelegten Tunnel von 5»4 ni lichter Weite untergebracht sind, wobei der Durchmesser der Tunnelring-Anlage etwa 25O m beträgt. Einschließlich der Werkstätten und Laborgebäude mit 56OO qm und der Experimentieranlage' mit fast 8000 qm Nutzfläche belaufen sich die Baukosten dieser jüngsten Forschungs­ stätte der US-Atomenergiekommission auf etwa 31 Millionen Dollar. Der Teilchenbeschleuniger ist ein Synchrotron mit alternierendem Gradienten, wie die Physiker das dabei angewandte Prinzip der Fokussierung des Protonenstrahls nennen, das im Jahr 1952 von Wissenschaftlern des Brook­ haven National Laboratory entdeckt und erstmals beim Protonen-Synchro­ tron des CERN angewandt wurde. Ohne dieses Fokussierungssystem müßte der Magnet für einen Teilchenbeschleuniger der hier angestrebten Leistung so riesengroß sein, daß sich der Bau einer solchen Anlage praktisch kaum durchführen ließe.

Die Arbeitsweise des "Alternating Gradient Synchrotron", kurz AGS genannt, läßt sich am besten daran erläutern, daß man einmal den Weg eines Protonenstrahls von seiner Entstehung bis zur Erreichung der ge­ wünschten Bewegungsenergie von 25-30 GeV (GeV ist die Abkürzung für "Giga"-, d.h. Milliarden-Elektronenvolt) verfolgt. Die Protonen werden durch drei verschiedene Geräte beschleunigt. In der ersten Phase benutzt man einen Cockcroft-Walton-Generator, wo Protonen, durch eine elektrische

- 2 - "AMERIKA DIENST" 9. September i960 elektrische Entladung in einer mit Wasserstoffgas gefüllten Röhre erzeugt, eine Energie von 750 000 eV erhalten. Im angeschlossenen Linearbeschleu­ niger, in dem sie eine gerade, 33» 4 m lange Vakuumröhre durchlaufen und 124 durch hochfrequente Ströme aktivierte Elektroden passieren müssen, wird die Energie auf 50 Millionen eV gesteigert. Erst jetzt wird der Strahl zum Hauptmagnetring des Synchrotrons geleitet und un- \mx Anwendung komplizierter Techniken zur Entbündelung (Ausgleich der aus dem Linearbeschleuniger kommenden Impulse), Ablenkung und Fokussie- runf bei ständiger Bahnkontrolle in diesen eingeschossen. Der in einen Betonmantel eingebettete Tunnel befindet sich 4 n» tief unter der Erd­ oberfläche. Seine 240 Magnetsegmente, von denen jedes 16 Tonnen wiegt, haben die Aufgabe, die Protonen in einer Vakuumröhre von 15»3 cm Breite und 7 cm Höhe auf eine kreisförmige "Rennbahn" zu zwingen und so starke Fokussierungskräfte zu erzeugen, daß die von der Kreisbahn fortstreben­ den Partikeln in diese zurückgeholt werden. Da der Querschnitt der Vakuumröhre nur einen kleinen Bruchteil des Magnettunnel-Querschnitts ausmacht, müssen die Magnetsegmente mit größter Präzision angeordnet sein, will man ein Höchstmaß an Fokussierung erreichen.

Der Magnet selbst steigert die Strahlenergie nicht. Dies geschieht vielmehr durch 12 um den Ring gruppierte Radiofrequenz-Beschleuniger­ stationen, von denen jede dem Strahl bei jeder Passage einen "Stoß" erteilt, durch den sich seine Geschvindigkeit um 8000 Elektronenvolt erhöht. Damit er die gewünschte Endenergie, die nur ein zehntel Prozent geringer als die Lichtgeschwindigkeit ist, erhält, muß er in der Sekunde 300 OOOmal die Kreisbahn durchrasen, fixe in der Einsteinschen Relativi­ tätstheorie vorausgesagt, beträgt die Masse des Protons bei dieser Ge­ schwindigkeit das Dreißigfache des Normalwertes.

Der Protorenstrahl wird nun auf Substanzen gerichtet, die sich als "Zielscheiben" eignen und in denen sie Reaktionen hervorrufen, die dann auf Grund der gleichzeitig emittierten Strahlungen untersucht werden können. Man hofft, den Primärstrahl schließlich zwiefach nutzen zu können, indem man während der letzten Beschleunigungsphase Protonen durch magnetische Ablenkung aus der Vakuumkammer abzieht und mit ihnen gesonderte Experimente ertiang der Ringbahn durchführt. Bisher "AMERIKA DIENST" 9. September 196O Bisher sind 30 Elementarteilchen bekannt. Die meisten von ihnen, die durch die Wechselwirkung energiereicher Protonen mit den Kernen von "Zielatomen" entstehen, haben außerhalb des Atoms eine äußerst kurze Lebensdauer, da sie schon nach Bruchteilen einer millionstel Sekunde unter Energieabgabe entweder in andere Partikeln zerfallen oder ihre Masse sich völlig in Energie umwandelt. Trotz dieser kurzen Be­ obachtungsdauer ist es möglich, sie mit geeigneten Hilfsmitteln - Zählgeräten, Blasenkammern oder Kernspurplatten - zu registrieren und ihre Masse, ihre elektrische Ladung und andere Merkmale zu bestimmen; auch aus ihren Reaktionen mit anderen Substanzen, sogenannten Sekun­ därtargets, vermag der Wissenschaftler Hinweise auf ihre Beschaffen­ heit und ihr Kräftepotential zu bekommen.

Die in den modernsten Maschinen beschleunigten Atomteilchen errei­ chen jedoch noch lange nicht die Energien kosmischer Korpuskularstrah­ lung. Wie Dr. John Lindsley und Dr. Livio Scarsi vom Massachusetts Institute of Technology kürzlich im Zusammenhang mit den Ergebnissen ihrer regelmäßigen Messungen der Intensität kosmischer Strahlung be­ richteten, kann die Energie der aus dem Weltraum kommenden und auf die Luftatome der Erdatmosphäre aufprallenden Atomteilchen gelegentlich bis zu 40 Trillionen Elektronenvolt betragen. Die Forscher nehmen an, daß derart energiereiche Korpuskeln von Räumen außerhalb unserer Milchstraße kommen.

ACHTUNG! Auf Anforderung der Redaktionen übersendet der AMERIKA DIENST an Zeitungen und Zeitschriften kostenlos folgendes Bild: Diese Luftaufnahme, die vom Gelände des jetzt in Betrieb ge­ nommenen AGS-Synchrotrons von Brookhaven während der mehr­ jährigen Bauzeit gemacht wurde, läßt das Ausmaß der ringför­ migen Protonen-Beschleunigungsbahn (Hintergrund Mitte) er­ kennen. Im Vordergrund der Reaktorbau des Brookhaven National Laboratory.

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- 4 "AMERIKA DIENST" 9. September 196O

LEBENSDAUER DES PI-NULL-MESONS EXPERIMENTELL BESTIMMT Das kurzlebigste Elementarteilchen wurde gestellt

(43 Zeilen) Mit der Messung der Lebensdauer des elektrisch neutralen Elemen­ tarteilchens Pi-Null, die geringer als 1 billiardstel Sekunde ist, ge­ lang nach einem Jahrzehnt vergeblicher Bemühungen amerikanischen Physi- ktrm die Bestimmung einer neuen physikalischen Konstante. Wie Dr. A.V. Toll«»trup von der Technischen Hochschule Kalifornien (Pasadena) auf der 10. Internationalen Konferenz über Hochenergie-Physik in Rochester (New York) berichtete, konnte aus den Ergebnissen einer Anzahl von Ver­ suchen in Pasadena und am Marineforschungsamt in Washington die Zeitdauer zwischen Entstehung und Zerfall eines Pi-Null-Mesons mit 0,000 000 000 000 000 23 Sekunden errechnet werden.

Der Zerfall einer Pi-Null-Partikel ist insofern bemerkenswert, als sie sich einfach in zwei elektrische Ladungsteilchen mit verschiedenen Vorzeichen - in ein Elektron und ein Positron - spaltet. Auch andere Elementarteilchen geben bei ihrem Zerfall Ladungen ab, bilden aber gleich­ zeitig neue Partikeln. Nicht so Pi-Null, das deshalb millionenmal rascher zerfällt als das kurzlebigste Teilchen unter den übrigen bisher bekannten Kernpartikeln.

Untersuchungen und Messungen dieser Art sind zwar für die angewandte Physik oder gar die Technik ohne praktische Bedeutung, helfen aber der physikalischen Grundlagenforschung, Natur und Verhalten von Atomkernen besser verstehen zu können. Und eine physikalische Konstante gefunden zu haben,heißt, daß die darin ausgedrückte Zahl ein Elementargesetz der Natur verkörpert.

Obgleich die zu den mittelschweren Mesonen zählenden Pi-Null-Tei1- chen infolge ihrer elektrischen Neutralität auf Kernspurplatten selbst nicht sichtbar sind, läßt sich mit diesem Hilfsmittel zum Nachweis von Elementarteilchen ihre Entstehung und ihr Zerfall beobachten. Kernspur­ platten sind Photoplatten mit besonderen Emulsionen, auf die sehr energie­ reiche Teilchen aus Partikelbeschleunigern gerichtet werden. Diese treffen

- 5 - "AMERIKA DIENST 9. September 196O treffe» auf Atome in der Emulsion und lösen an diesen Kernreaktionen unter Freisetzung einer Reihe von "Kernbausteinen" aus, die je nach ihrer Art und Energie auf der Platte Bahnspuren in Form von Spiralen, Bogen, Sternen oder geraden Linien hinterlassen.

Bei der mikroskopischen Auswertung der Platten, die zur Untersu­ chung von Pi-Null-Mesonen benutzt wurden, war zu erkennen, daß ein K- Meson in die Emulsion eingedrungen war, dort zu "taumeln" begann, ab­ gebremst wurde und in ein elektrisch positives Pi-Meson (Pi-Plus) und ein elektrisch neutrales Pi-Meson (Pi-Hull) zerfiel. Die Pi-Null-Spur war nicht sichtbar. Daß das Teilchen dagewesen sein mußte, erkannte man an dem plötzlichen Auftauchen zweier von einem gemeinsamen Aus­ gangspunkt ausgehenden Bahnen eines Elektrons und eines Positrons, den Zerfallsprodukten des Pi-Null-Teilchens. Seine Lebensdauer ließ sich aus seiner Geschwindigkeit, die bekannt ist, und der Länge der bis zu seinem Zerfall zurückgelegten, ebenfalls bekannten Strecke ermitteln.

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1 38 000 RADIOISOTOPEN-SENDÜNGEN AUS OAK RIDGE

Das Oak Ridge National Laboratory im amerikanischen Bundesstaat Tennessee hat seit der ersten Abgabe eines radioaktiven Präparats am 2. August 1946 1J8 000 Sendungen von Radioisotopen an Bezieher in 57 Ländern verschickt. Oak Ridge ist der größte Radioisotopenproduzent der Welt und liefert gegenwärtig pro Monat durchschnittlich 1100 Isotopen Sendungen an Forschungsinstitute der verschiedensten Fachgebiete sowie an Kliniken und Industriefirmen im In- und Ausland.

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LEBEN IN DEN USA

EINSICHT UND VERNUNFT Fortschritte in einer Burgerrechtsfrage

( 76 Zeilen)

Der Integrationsprozeß der Negerbevölkerung in den Vereinigten Staaten hat in den letzten sechs Monaten eine deutliche Schwerpunktver­ lagerung erfahren. Man hat erkannt, daß diese Angelegenheit nicht länger mehr eine Sache der Gerichte sein darf, sondern der menschlichen Vernunft und Einsicht bedarf, um zu einem guten Ende geführt werden zu können.

Seit der Oberste Bundesgerichtshof der Vereinigten Staaten am 17» Mai 1954 in einer Grundsatzentscheidung die Rassentrennung in den öffent­ lichen Schulen der USA als verfassungswidrig erklärt hat, haben zwölf der 17 betroffenen Staaten, in denen es getrennte Schulen für Schwarz und Weiß gab, sowie der District of Columbia (der Verwaltungsbezirk der Bundeshauptstadt Washington) ihre Schulen zum Teil bereits integriert. Bei Schluß des Schuljahres 1959/60 war bei rund einem Viertel der Schul­ distrikte in den Südstaaten die Aufhebung der Rassentrennung abgeschlos*- sen; im August hatten weitere Schulen die Schulintegration für das im September beginnende neue Schuljahr angekündigt.

Der Anstoß zur Wandlung der Gesamtsituation in der amerikanischen Negerfrage gab nicht allein das vom Kongreß im Mai dieses Jahres verab­ schiedete "Civil-Rightsl'-Gesetz,das den Negern in den USA verstärkte Bürgerrechtsgarantien sicherte, auch nicht allein die in den Parteipro­ grammen stark hervorgehobene künftighin verstärkte Beachtung der Neger­ frage, sondern insbesondere wohl ein Vorfall, der sich am 1. Februar 196O in Greensboro im Staate Nordkarolina ereignete und die sogenannte "Sit-in"-Bewegung auslöste, die in den kommenden Monaten ganz Amerika erfassen sollte. .

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An jenem bewußten Tage hatten vier Studenten des North Carolina Agricultural and Technical College in dem nur für Weiße reservierten Erfrischungsraum eines 5-und-10-Cent-Ladens Platz genommen und erklärt, nicht eher weichen zu wollen, als bis man sie ordnungsgemäß bedient habe.

Ihrem Beispiel folgten mit ähnlichen Demonstrationen Studenten in Winston-Salem (Nordkarolina), Hampton (Virginia), in New York City, New Haven (Connecticut) und in Waltham (Massachusetts). Das Überraschendste an der Sache aber war das Verhalten der weißen Studentenschaft, der ver­ schiedenen Professorenkollegien, der Stadtväter und Gemeindevorsteher und auch der Presse, die sich vielfach schützend vor die Demonstranten stellten und ihr Verlangen berechtigt fanden. Doch ist es hier und dort vorgekommen, daß junge Leute, obwohl sie nur eine Taktik der passiven Resistenz verfolgten, auf Veranlassung der Ladeninhaber vorübergehend festgenommen wurden. Es half den schwerhörigen Geschäftsleuten indessen nur wenig, da die weißen Studenten die Sache der Negerstudenten in den Südstaaten zu der ihren machten und überall dort, wo Lrugstore-BeBitzer und Kettenlädenmanager ihre Praxis der Diskriminierung weiter verfolgten, zum Boykott dieser Unternehmen aufriefen. Sie führten ferner auch Geld- Sammelaktionen zur Gründung eines Stipendienfonds für die Kreuzfahrer der "Sit-in"-Bewegung durch.

EPIC, eine von Studenten in Neuengland gegründete Selbsthilfe- Organisation, sandte Vertreter ihrer Studentenverbände nach Washington, wo sie, mit Schildern bewaffnet, für die gerechte Sache der "Sit-in"-Be- wegung und das Anliegen der Neger in den Südstaaten vor dem Weißen Haus schweigend demonstrierten.

Stäadig gewann die Idee der "Sit-in"-Bewegung an Boden. Gegen Ende der ersten Augustwoche war der getrennte Service an vielen "lunch counters" in mindestens 25 Städten und Landkreisen des Südens abgeschafft worden einschließlich San Antonio, Houston, Austin (Texas), Nashville (Tennessee), Winston-Salem (Nordkarolina) sowie Arlington und Fairfax County (Virginia).

Die

8 - 'AMERIKA DIENST" 9. September 196O

Die katholische Zeitschrift "The Sign" schrieb dazu in ihrer Mai- Ausgabe: "... Weiße College-Studenten des Nordens protestierten dagegen, daß ihren dunkelhäutigen Studienbrüdern im Süden ein Teil ihrer ange­ stammten Rechte vorenthalten wird... Sie haben sich für sie aus eigenem Entschluß eingesetzt, und ohne selbst einen Vorteil davon zu haben... Sie sollten öffentliche Anerkennung dafür finden..."

Die U.S. National Student Association, in der die Studentenverbände von 375 amerikanischen Colleges und Universitäten zusammengeschlossen sind, hatte im Frühjahr 196O eine Konferenz über die "Sit-in"-Bewegung einberufen. Konferenzsprecher waren u.a. die Schriftstellerin Lillian Smith, Reverend Wyatt Walker und Samuel Bowles, der 20jährige Sohn des Kongreßmitglieds und früheren US-Botschafters in Indien ehester Bowles. Max Heirich vom American Friends' Service Committee erörterte mit den 184 Studentenführern die verschiedenen Aspekte und vielfältigen Aus­ wirkungen der "Sit-in"-Bewegung, die so weite Kreise zog und überall dort Unterstützung fand, wo man sich die Pflege der zwischenmenschlichen Beziehungen zur besonderen Aufgabe gemacht hat. Die Presse, vor allem die Studentenpresse, leistete dabei großartige Aufklärungsarbeit. Ganz allgemein war auch bei den verantwortlichen Herren in den Behörden eine größere Bereitschaft spürbar, sich mit den Vertretern der Negerausschüsse an einen Tisch zu setzen und die Probleme auf persönlicher und lokaler Ebene beizulegen denn sie als feindliche Partner vor den Schranken eines Gerichts auszuhandeln.

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- 9 - "AMERIKA DIENST" 9. September 1 96O

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VON KUNST UND KÜNSTLERN

DER FILMHELD GESTERN UND HEUTE Der Hollywoodstar ist mündig geworden Von Herbert G. Luft

( 150 Zeilen) Männlich, stark, vital waren die Männer, die in den Wildwestfilmen des Hollywood von vor über 40 Jahren die Herzen höher schlagen ließen. Es waren die ersten "Filmhelden" der amerikanischen Leinwand: Broncho Billy, William S. Hart, Francis X. Bushman und Dustin Farnum.

Weltberühmt wurde dann Douglas Fairbanks, sen. In seinen ersten Rollen - noch ohne den Schnurrbart, der sein Erkennungszeichen werden sollte - porträtierte er "The Americano" und ähnliche Gestalten, den fixen Yankee, der voll Selbstvertrauen alles mit einem Lächeln nimmt. Heldenrollen in historischen Filmen, die sich einer wachsenden Popu­ larität erfreuten, schienen Fairbanks auf den Leib geschrieben. Eine seiner Glanzrollen war der d'Artagnan in "Die drei Musketiere". Fairbanks starb 1939 im Alter von 56 Jahren. Es hat seither viele Fechter gegeben, in Technicolor und auf Breitwand, aber keinen mit dem jungerhaften Charme Fairbanks'.

Rudolph Valentino war aus einem völlig anderen Holz geschnitzt. Nicht so muskulös wie die früheren Stars, wurde der Schmelz seiner exotischen Er­ scheinung zu einer unwiderstehlichen Versuchung für das schwache Geschlecht. Der geborene Italiener war die ideale Besetzung für die Rolle des Julio Desnoyers in "Die vier apokalyptischen Reiter" nach dem berühmten Roman von Blasco Ibanez. Valentino wurde zum Traum und zur Sehnsucht von Verkäuferinnen und Hausfrauen. Bereits fünf Jahre nach seinem Aufstieg zum Ruhm, in denen Filme wie "Der Scheich" gedreht und in jedem Kino Amerikas

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Amerikas gespielt wurden, starb er 1926 unerwartet im Alter von 31 Jahren,

Ramon Novarro, ein Mexikaner, ersetzte den "großen Liebhaber" in "Ben Hur" und wurde im Tonfilm Partner von Greta Garbo. Mit ihm kam eine Flut leidenschaftlicher Akteure aus Südamerika nach Norden.

Mit AI Jolsons "Jazzsänger", dem ersten abendfüllenden Tonfilm, begann 1927 eine neue Ära des Films: Der Stummfilm verschwand, die Stars von gestern gingen unter, und nur einigen wenigen, die Bühnen­ erfahrung hatten, gelang es, sich in den Tonfilm hinüberzuretten. Hastig wurde am Broadway eine neue Generation von Schauspielern an­ geworben, um die Lücke zu füllen.

Am tragischsten war das Schicksal John Gilberts, der in "Parade des Todes" einen kometenhaften Aufstieg feierte und mit Greta Garbo in "Königin Christine" und "Es war..." spielte. Als der Ton das stumme Bild ergänzte, zerstörte seine Stimme, ein dünnes Falsett, die so hoff­ nungsvoll begonnene Karriere.

John Barrymore, dem berühmten Bühnenschauspieler und Don Juan par excellence, aber gelang der Sprung zum Tonfilm. Er agierte in "Beau Brummell" und war ein besessener Ahab in Herman Melvilles "Moby Dick". Im Jahre 1932 spielte er zusammen mit Greta Garbo in Vicky Baums "Menschen im Hotel".

"Apachen", womit 1927 die Reihe der Gangsterfilme begann, brachte einen überaus vielseitigen Charakterdarsteller der Stummfilmzeit in den Vordergrund: den bulligen George Bancroft, der ein Held im negativen Sinn genannt werden könnte. Paul Muni schuf in "Der Mann mit der Narbe" einen neuen, mehr intellektuellen Typ des Bandenführers, ohne jemals stereotyp zu werden. Seine nächste Rolle zeigte ihn als einen Unschuldi­ gen, der für ein Verbrechen verurteilt wird und flieht. Nach diesem Film wandte er sich einer Reihe faszinierender Charakterrollen zu - Louis Pasteur, Emile Zola und Benito Juarez.

Ein weiterer "Held" der Gangsterfilme Anfang der dreißiger Jahre war Edward G. Robinson. Aber wie Muni ließ auch er sich nicht typisieren. Er spielte in historischen Filmen, er spielte Schurken und Helden, Liebhaber,

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Liebhaber, denen der Laufpaß gegeben wurde, und liebende Väter. Zuletzt sah man ihn in Cecil DeMilles Superfilm "Die zehn Gebote".

Auch James Cagney begann seine Karriere als "Gangster-Held", ob nun als "Held" der Unterwelt oder als Polizist. Er offenbarte jedoch in seinen letzten Filmen, daß ihm die rauhe Schale nur als Maske dient, um sein weiches Herz zu verbergen.

Seit Anfang der dreißiger Jahre wandelte sich der Publikumsgeschmack rapid. Zuerst verblaßte die Begeisterung für Romantik und damit für die südländischen Liebhaber mit den schwärmerischen Augen. Die in vielen Kriminalreißern zum Ausdruck gekommene Desillusionierung wich einem neuen, gesunden Optimismus. Energische Männer, die mit beiden Füßen auf der Erde standen, sollten das Filmidol werden.

Die Zeit war reif für Clark Gable und Richard Arien. Gable ist das typische Beispiel eines Individualisten, eines Selfmademan amerikanischer Prägung.

Der Film-Held ist nicht so festgelegt wie die Heldin. Viele seit langem namhafte Schauspieler haben nebenbei Schufte, Schwächlinge und komische Rollen gespielt. Humphrey Bogart stellte sich allmählich vom verurteilten Gangster zum Verteidiger der Rechte der Benachteiligten um. "Casablanca" zeigt diesen Wandel in einer einzigen Handlung.

Wie Clark Gable ist eine ganze Reihe der Stars von heute seit einem ViertelJahrhundert in Hollywood tonangebend. Da ist Spencer Tracy, der aussieht wie der Mann von nebenan und praktisch schon jede Art Mann ge­ spielt hat mit Ausnahme des sanften und schwachen. Zu derselben Gruppe gehört Cary Grant, der auch unverwüstlich ist und während seiner langen Laufbahn als gut angezogener Salonlöwe - bei gelegentlichen Eskapaden in das Gebiet des Melodramas - seinen Charme bewahrt hat.

Gary Cooper, der Typ des rauhen, schlaksigen Mannes aus dem Mittel­ westen mit dem ehrlichen Gesicht, das keine Gemütsbewegung zeigt, feier­ te sein Debüt in "Marokko", wo er als Offizier der Fremdenlegion den Reizen Marlene Dietrichs erliegt. Seinen zweiten "Oscar", den begehrten Akademiepreis, erhielt er für seine Rolle in "12 Uhr Mittag". Gary

12 - "AMERIKA DIENST" 9. September 196O Gary Cooper ist sich immer treu geblieben. All die vielen Typen, die er im Laufe der Zeit dargestellt hat, spiegeln seine sympathische Per­ sönlichkeit. Er ist sparsam in den Mitteln. Aber er ist da, ein auf­ rechter, schwer arbeitender Mensch in vielen Lebenslagen.

Auch James Stewart ist stets er selbst geblieben, seit man ihn zum erstenmal als einen schüchternen, jungen Mann, dem ohne seine Schuld häufig ein Mißgeschick passiert, gesehen hat. Im Gegensatz zu Gary Cooper, der ohne Humor spielt, hat Stewart, mit der Zunge in der Wange bohrend, uns einige amüsante Vignetten zum Kapitel menschliche Schwächen geschenkt. Stewart präsentiert eine Mischung der besten Eigenschaften des Amerikaners von heute; er ist kein Supermann, sondern voller menschlicher Unzulänglichkeiten und ein Mensch, der sich seiner Grenzen bewußt ist.

Ein Wildweststar, der einen ausgezeichneten Schauspieler aus sich gemacht hat, ist John Wayne. Er bevorzugt Rollen von ausgekochten, sar­ kastischen Männern, die das Leben herumgestoßen hat, harte Charaktere, die einen Funken Gefühl erst einen Sekundenbruchteil vor dem Ende er­ kennen lassen. , der eine vollkommene Wandlung vom populären Sänger in Musikkomödien zum tragischen Helden in "Verdammt in alle Ewigkeit", der ihm einen "Oscar" einbrachte, durchgemacht hat, teilt einige von John Waynes negativen Helden-Eigenschaften. Auch Tyrone Power war stark gefragt. Robert Taylor, der 1934 seinen ersten Film drehte, hat viele historische Gestalten geformt. Jose Ferrer, der aus Puerto Rico stammt und der auch eine Reihe historischer Rollen spielte, hat eine erstaunliche Vielseitigkeit bewiesen. Als Toulouse- Lautrec in "Moulin Rouge" und als Verteidiger in "Die Caine war ihr Schick­ sal" steht er noch in bester Erinnerung.

Nicht nur der Publikumsgeschmack hat sich in den letzten 50 Jahren viele Male gewandelt. Neue Strömungen machten sich bemerkbar und tauchten wieder unter. Viele beliebte Stars haben eine komplette Wandlung ihres Fachs durchgemacht. Man denke nur an Henry Fonda und seinen Weg vom ge­ jagten Verbrecher um die Mitte der dreißiger Jahre bis zu seiner Rolle

- 13 - "AMERIKA PIEKST" 9. September 196O Rolle des Pierre in "Krieg und Frieden" oder in "Die zwölf Geschworenen"; und man denke an Joseph Cotten, Gregory Peck, Burt Lancaster und .

Der he-man des heutigen Films ist William Holden. Er wurde in einer äußeret unsympathischen Rolle in "Sunset Boulevard", die seine Männlich­ keit und innere Kraft zum Ausdruck "brachte, zu einem der glänzendsten Hollywood8tars; mit "Stalag 17" gewann er den Akademiepreis von 1953 und «pielte dann in "Ein Mädchen vom Lande", "Picknick" und "Die Brücke am Kwai", immer Charme und Vitalität vereinend,

Visit neu« Gesichter sind aufgetaucht,die dem ständig wachsenden Wunsch nach einem frischen Zug entgegenkommen: Richard Burton, Alan Ladd, Richard Basehart, Montgomery Clift, Rock Hudson, Anthony Perkins, Don Murray, Tony Curtis, John Kerr, Paul Newman, Glenn Ford and James MacArthur.

Sex, in den Stummfilmtagen von Thomas Meighan eingeführt, wurde 1951 durch Marlon Brando in "Endstation Sehnsucht" auf die Leinwand zurückge­ bracht. Brando hat seither eine Reihe von Charakteren gestaltet. Mit seinem persönlichen Ausdruck, seiner lässigen Sprache würzte er die geschichtliche Kulisse von "Viva Zapata!" und "Julius Cäsar". Im Jahre 1954 gewann er einen "Oscar" für "Die Faust im Nacken". James Dean, der 1955 im Alter von 24 Jahren durch einen Autounfall ums Leben kam, wurde durch nur zwei Filme zum Star. Beide, "Jenseits von Eden" und "Der Rebell", zeigten ihn als schüchternen jungen Mann, der voll Hunger auf das Leben ist und versucht, ein Ventil für seine gebändigte Kraft zu finden, als einen, der in unschuldigem Eifer hofft und träumt. "Giganten", sein dritter und letzter Film, stellte in der Rolle eines Cowboys in Texas, der durch ölfunde zu einem Millionenvermögen gelangt, einen ganz anderen James Dean vor. So ist der Filmheld, wenn auch jung und ständig neu personifiziert, mündig geworden. Rückblickend betrachtet, erscheint der gefühlsbetonte, exaltierte Mime der Stummfilmtage ein wenig lächerlich. Allerdings war der Leinwandstar von damals ausschließlich auf visuelle Mittel angewiesen, ihm fehlten die Macht und der Zauber der menschlichen Stimme. Der Filmheld von heute kann es sich leisten, einfach zu sein, weniger kraftstrotzend und we­ niger glanzvoll als sein Vorgänger. ACHTUNG! Auf Anforderung der Redaktionen übersendet der AMERIKA DIENST an Zeitungen und Zeitschriften kostenlos folgendes Bild: Clark Gable und Vivien Leigh in "Vom Winde verweht" (1939)» einem der erfolg reichsten Filme, die jemals in Hollywood gedreht worden sind. - 14 - "AMERIKA DIENST" 16. September 1 96O Die Artikel des AMERIKA DIENSTES sind honorarfrei und neben der Verwendung durch Rundfunk und Fernsehen ausschließlich zum Abdruck in Zeitungen und Zeitschriften und sonstigen Publikationen bestimmt, die sich direkt an den Leser wenden.

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"DIE LIEBE IST ES, DIE DIE WELT BEWEGT" TierpsTchologigche Exptrimente zur Untariuchung dar Bindungen zwischen Mutter und Kind Ton Francat Gudamann

Aus "Science World". Bei Nachdruck sind Angabe des Verfassers, der Quelle und der Vermerk "Copyright 196O by Scholastic Magazines, Inc., New York City, U.S .A."' unbedingt erforderlich. Das Nachdruck­ recht erlischt am 25. März 1965» (92 Zeilen) Seit dan Tagen der alten Griechen versuchen Dichter und Philosophen vergeblich, das Phänomen der "Liebe, die die Welt bewegt" zu erklären und zu verstehen. Selbst das Problem der Bindungen zwischen Mutter und Kind ist von der psychologischen Seite her noch immer ungelöst, so viel darüber zu allen Zeiten auch geschrieben und schöngeredet wurde. Ausge­ sprochen methodisches, wissenschaftliches Beobachten von Aktionen und psychischen Reaktionen des Kindes hat ebenfalls noch nicht zu greifbaren, wirklich eindeutigen Ergebnissen geführt, da die das frühkindliche Ver­ halten bestimmenden Faktoren ja nur sehr schwer im Sinne eines exakten Experiments variiert werden können.

Diese Möglichkeiten sind jedoch in weitaus größerem Maße in der Tier­ psychologie gegeben. Bei der Deutung der hier gewonnenen Versuchsergeb­ nisse darf aber nie außer acht gelassen werden, daß die menschliche und die tierische Psyche voneinander verschieden sind. Das einzige, was der Wissenschaftler zur Klärung der noch ungelösten Probleme auf diesem Gebiet tun kann, ist, Verhaltensweisen bei Tieren zu studieren und zu Vergleichen mit den bekannten menschlichen Verhaltensreaktionen, die oft erhebliche Ähnlichkeit zeigen, heranzuziehen. Einen "AMERIKA PIEKST 16. September i960

Einen Vorstoß in dieser Richtung hat der Leiter der Primaten- Versuchsstation an der amerikanischen Universität Wisconsin in Madison, Dr. Harry F. Harlow, mit einer Gruppe von Mitarbeitern unternommen und dabei bemerkenswerte Erfolge erzielt. Der jetzt 55jährige Wissenschaft­ ler, der sich als Psychologe viele Jahre mit der Entwicklung und den Verhaltensweisen von Tieren befaßt hat, hält für vergleichende psycho­ logische Studien zwischen Menschen- und Tierbabys Rhesusaffen für be­ sonders geeignet. Das Gehirn des Rhesusaffen scheint bei der Geburt etwa so weit entwickelt zu sein wie das Gehirn eines Menschenbabys im Lebensalter von fünf Monaten. Und da das Jungtier laufen und seine Hände gebrauchen kann, ist es leicht, seine Frühreaktionen zu beobachten und zu vergleichen.

Das besondere Interesse Dr. Harlows an dem Fragenkomplex Mutter- Kind-Relation war bei einem Experiment mit Jungaffen geweckt worden, von denen eine bestimmte Anzahl unmittelbar nach der Geburt von den Müttern getrennt und künstlich ernährt worden waren, um festzustellen, ob sie unter diesen Umständen überhaupt lebensfähig seien. Das Ergebnis überraschte insofern, als sich herausstellte, daß diese Babys sogar besser gediehen und gesünder waren als die bei den Müttern verbliebenen Kontrolltiere.

Richtig wohl fühlten sie sich aber nur dann, wenn sie etwas Weiches und Schmiegsames - etwa eine der Windeln, mit denen ihre Käfige aus­ gelegt waren - erhaschen konnten. Sobald man diese entfernte, fühlten sie sich offenbar unbehaglich und beunruhigt. "Auf Grund dieser einfa­ chen, elementaren Reaktion glaubten wir zu erkennen", so erklärt Dr. Harlow, "daß wir etwas beobachten und 'messen1 konnten, was bis dahin nicht definierbar und nicht meßbar war - die Liebe eines Kindes zur Mutter." Viele Psychologen sind der Meinung, diese Kindesliebe ergebe sich aus der Tatsache, daß die Mutter das Kind nährt. Dr. Harlow fand jedoch - und erhärtete diese seine Ansicht durch die Ergebnisse weiterer Versuche -, daß ihr vielmehr der Drang des Kleinkindes zugrunde liegt, sich an etwas anzuklammern, sich anzuschmiegen und sich so Geborgenheit und Wärme zu verschaffen. T„„

2 "AMERIKA DIENST" 16. September 1960

Zur Prüfung der Gültigkeit dieser Hypothese fertigte Dr. Harlow zwei Typen seltsamer "Ersatzmütter" in der natürlichen Größe von Rhesusaffen-Müttern an. Beides waren zylindrische Drahtgestelle mit einem Kopf aus Holz und einem nur grob angedeuteten Gesicht; einige Gestelle waren mit einem weichen, samtartigen Stoff bedeckt, die anderen nicht. In acht Einzelkäfigen brachte Harlow nun acht neugeborene Rhesus- äffchen unter, von denen jedes Zugang zu einer "Stoff"- und einer "Draht- Mutter" hatte. Die Nährvorrichtung war in vier Fällen an der "Stoff-Mutter" und in vier Fällen an der "Draht-Mutter" angebracht.

Das Verhalten sämtlicher Tiere bestätigte seine Theorie, daß das Kleinkind die "Kontaktwärme" braucht - Dr. Harlow nennt dies "contact comfort" -,aufs glänzendste. Denn alle Versuchstiere, einschließlich jener, die von der "unbekleideten" Mutter genährt wurden, bei der sie sich aber insgesamt höchstens eine Stunde am Tag aufhielten, verbrachten 17 bis 18 Stunden in engstem Kontakt mit dem Samtfell der "bekleideten" Mutter.

Schon dieser Versuch schien die Meinung, daß das Nähren - in jeder Form - ein ausschlaggebender Faktor für die Entwicklung der Mutter-Kind- Beziehung sei, zu widerlegen. Das wurde noch deutlicher, wenn man die Affenkinder erschreckte, etwa durch lärmmachende Figuren mit furchterre­ genden Fratzen und blitzenden Augen. Alle flüchteten dann nämlich voller Angst zu ihrer Stoff-Mutter, in deren Schutz sie sich so sicher fühlten, daß sie sich bald neugierig nach der Ursache ihrer ersten Angst umschauten und dann manchmal das Schreckgespenst sogar furchtlos zu untersuchen begannen.

Steckte man nun diese Jungtiere in einen sehr viel größeren Käfig als den gewohnten, in dem sie ihnen fremde Dinge wie einen kleinen künstlichen Baum, Metall- und Holzklötzchen und zerknülltes Papier vorfanden, so flüch­ teten sie sich in eine Ecke oder warfen sich ängstlich kreischend auf den Boden und zeigten alle Zeichen von Beunruhigung. Stellte man ihnen darauf­ hin den Drahtkörper in den Käfig, äußerten sich die Zeichen ihrer Angst noch stärker. Sobald man ihnen aber die "bekleidete" künstliche Mujter zuge­ sellte, klammerten sie sich fest an'sie an, beruhigten sich und wurden wie­ der zu "normalen, neugierigen und glücklichen Kindern". Auch wenn man das eine oder andere Versuchstier längere Zeit - manchmal bis zu sechs Monaten - von seiner Stoffmutter getrennt gehalten hatte, vergaß es sie nicht. Sobald man sie ihm wiedergab, kuschelte es sich zufrieden bei ihr ein,, - 3 - Ganz "AMERIKA DIENST" 16. September 1960

Ganz anders benahmen sich dagegen die Affenkinder, die man völlig ohne natürliche und ohne künstliche Mutter aufgezogen hatte. Sie schie­ nen sich stets unbehaglich zu fühlen und zeigten sich unruhig. Wenn sie dann nach acht Monaten eine "Stoffmutter" bekamen, vermochten sie nicht, zu dieser irgendwelche Zuneigung zu entwickeln. Dr. Harlow schließt aus diesen Beobachtungen und vergleichenden Beobachtungen am Menschen, daß sich die Zuneigung des Kindes zur Mutter innerhalb eines ganz bestimmten Zeitraumes ausbildet - beim Affen nach dem ersten bis zum vierten Lebensmcnat, beim Menschen im ersten Lebensjahr nach dem dritten Lebensmonat. Wenn das Kind in dieser Zeit nicht zu lieben gelernt hat, wird es das - nach Dr. Harlow - niemals tun.

Aus "Science World" . Bei Nachdruck sind Angabe des Verfassers, der Quelle und der Vermerk "Copyright i960 by Scholastic Magazines, Inc., New York City, U.S.A." unbedingt erforder Das Nachdruckrecht erlischt am 25. März 1

ACHTUNG! Auf Anforderung der Redaktionen übersendet der AMERIKA DIENST an Zeitungen und Zeitschriften kostenlos folgendes Bild:

Die "Kontaktwärme" an der stoffbekleideten Ersatzmutter gibt dem Affenkind in einer Umwelt mit fremden und beunruhigenden Gegenständen Sicherheit und Geborgenheit.

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HALLUZINATIONEN BEI HÖHENFLIEGERN

(18 Zeilen) über Halluzinationen und Zwangsvorstellungen bei Höhenfliegern be­ richtete auf dem Jahreskongreß der Amerikanischen Psychologischen Gesell­ schaft in Chicago Dr. D.O. Habb von der McGill-Universität in Montreal (Kanada). Empfindungen wie die, sich außerhalb seines Flugzeuges zu be­ finden oder aber mit dem Flugzeug, mit anderen Objekten im Raum, ja sogar mit dem ganzen Weltraum eins zu sein,seien bei Piloten, die in großen Höhen fliegen, eine häufig anzutreffende Erscheinung. Es handle sich dabei keineswegs um Erzählungen von Phantasten, sondern um nüchterne und meist nur zögernd gemachte Berichte von durchaus realistisch einge­ stellten Menschen. Diese Spaltung im Ich-Erleben, die Entfremdung gegen­ über dem eigenen Ich und der Umwelt, läßt erkennen, welcher Art die psychischen Probleme sein werden, mit denen sich künftige Astronauten auseinanderzusetzen haben.

Habb führte u.a. als Beispiel das Erlebnis eines Piloten an, der einen routinemäßig durchgeführten Testflug in große Höhen abbrechen mußte, weil er "das Gefühl hatte, zur Erde und zu seiner Maschine keine Verbindung mehr zu haben; er sah plötzlich sich selbst und seine Maschine als etwas Fremdes, Fernes und hatte das Empfinden, die Maschine sei ein winziges Spielzeug irgendwo im Weltraum".

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FLUOR - BESTER ZAHNSCHUTZ

( 42 Zeilen) Auf dem 5. Weltkongreß über Ernährungsfragen, der am 1. September 1960 unter der Teilnahme von 25OO Ernährungsspezialisten aus aller Welt in Washington begann, berichteten amerikanische Wissenschaftler u.a. über verschiedene in den USA durchgeführte Aktionen zur Bekämpfung von Karies. Als besonders erfolgreich erwies sich demnach das Experiment einer Speziali stengruppe von der Staatsuniversität Louisiana, das sich über viereinhalb 5 - "AMERIKA DIENST" 16. September 1960

viereinhalb Jahre erstreckte. In diesem Zeitraum war Schulkindern täg­ lich 1 Milligramm Natriumfluorid in einem Viertelliter FrühstueksmiIch verabreicht worden, wodurch im Vergleich zu Kontrollgruppen, die nicht- fluorisierte Milch erhielten, das Auftreten von Zahnfäule um 80 Prozent reduziert werden konnte. Angesichts der Schulspeisungsprogramme, die von den USA und den Vereinten Nationen in vielen Ländern der Welt durchgeführt werden, ist mit dem Zusatz von Fluor zur Trinkmilch eine einfache und billige Möglichkeit für einen wirksamen Zahnschutz gegeben.

Das Ergebnis des Versuchs bestätigt im wesentlichen die Resultate zahlreicher anderer Aktionen. So entschloß sich der Magistrat der Stadt Evanston schon vor 13 Jahren als eine der ersten Gemeindevertretungen in den USA, dem Trinkwasser Natriumfluorid zuzusetzen. Einem statistischen Bericht in der Julinummer 196O der Zeitschrift der amerikanischen Zahn­ ärztevereinigung ist zu entnehmen, daß diese prophylaktische Maßnahme tatsächlich zu einem drastischen Rückgang der Zahnkaries geführt hat. Wie zu erwarten war, wirkte sich die Schutzkraft des Fluorzusatzes am stärksten bei den Kindern aus, die erst nach Einführung der Trinkwasser- fluorisierung geboren wurden: Bei ihnen sind kaum halb soviel kariöse Stellen in den Zähnen zu behandeln, als es bei ihren Eltern im gleichen Lebensalter der Fall war.

Unter je 75 zwölfjährigen Kindern weisen heute neun völlig gesunde Zähne auf - vor der Fluorisie rung des Trinkwassers hatte in Evanston hin­ gegen nur eines von 75 zwölfjährigen Kindern ein ganz kariesfreies Ge­ biß. Insgesamt ist die Karieshäufigkeit unter den nach 1947 geborenen Einwohnern von Evanston um 91»3 Prozent gesunken.

Die Fluorisierung des Trinkwassers, die in Ewanston auf Initiative des Zahnchirurgen Dr. Blayney von der Universität Chicago eingeführt worden war, ist heute in 1850 Städten und Gemeinden in den USA üblich. Auf diese Weise trinken über 35 Millionen Amerikaner regelmäßig fluorhal- tiges Wasser. An den National Institutes of Health in Bethesda bei Washing­ ton sind inzwischen Untersuchungen über weitere Möglichkeiten der Karies­ prophylaxe bei Kindern im Gange. Nachdem man festgestellt hatte, daß Versuchstiere wesentlich weniger anfällig für Zahnfäule sind, wenn man

- 6 - "AMERIKA DIENST" 16. September 1 960 man ihrer Nahrung regelmäßig eine kleine Menge von basischem Kalzium­ phosphat zusetzt, erhalten nun in einigen Schulinternaten die Kinder nur Spezialbrot, das dieses Phosphat enthält. In Bethesda befaßt man sich außerdem mit Untersuchungen zum Problem der karieserregenden Bak­ terien, die vor einiger Zeit bei Tierexperimenten entdeckt wurden.

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EISWASSER GEGEN VERBRENNUNGEN

(10 Zeilen) Bei Verbrennungen hat sich die Anwendung von Eiswasser als die beste Maßnahme zur ersten Hilfeleistung erwiesen. Es nimmt den stechen­ den Schmerz, blockiert den Prozeß der sekundären Entzündung und be­ schleunigt den Heilungsvorgang. Wie Dr. Alex G. Shulman (Los Angeles) in der Ausgabe vom 27. August 196O der Zeitschrift der Amerikanischen Medizinischen Gesellschaft berichtet, verfuhr er im Verlauf der letzten fünf Jahre bei 150 Patienten nach dieser Methode. In jedem Fall gab es sofort Erleichterung für den Kranken. Dr. Shulman empfiehlt die Anwen­ dung des Eiswasser-Verfahrens bei jeglicher Verbrennung, sofern nicht mehr als 20 Prozent der Körperoberfläche betroffen sind.

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- 7 - "AMERIKA DIENST" 16. September i960 Die Artikel des AMERIKA DIENSTES sind honorarfrei und neben der Verwendung durch Rundfunk und Fernsehen ausschließlich zum Abdruck in Zeitungen und Zeitschriften und sonstigen Publikationen bestimmt, die sich direkt an den Leser wenden.

DIE WELT DER FRAU

DR. FRANCES E. WILLIS US-Botschafterin und Mitglied der amerikanischen UNO-Delegation

(46 Zeilen) NEW YORK - (AD) - Für Botschafterin Frances E. Willis, die von Prä­ sident Eisenhower kürzlich zum stellvertretenden Mitglied der amerika­ nischen Delegation für die 15. UNO-Vollversammlung (i960) ernannt wor­ den ist, bedeutet eine Tätigkeit bei den Vereinten Nationen keine neue Erfahrung. Bereits 1955» während der 10. Vollversammlung, waren ihr die Funktionen eines Beraters für Europäische Angelegenheiten innerhalb der amerikanischen Delegation übertragen worden. Miss Willis - sie hört es nicht besonders gern, wenn man sie mit ihrem Doktortitel anredet - ist seit 33 Jahren Berufsdiplomatin, und eigentlich beinahe wider Willen. Denn als sie 1927 dem Auswärtigen Dienst der Vereinigten Staaten beitrat, tat sie es nur deshalb, weil sie glaubte, daß praktische Erfahrungen im Regierungsdienst einer Professorin für po­ litische Wissenschaften sehr von Nutzen sein könnten. Ziemlich bald je­ doch fand sie Geschmack an ihrem neuen Beruf und gab ihre akademische Karriere auf. Zwar erscheint ihr das Leben im Dienste der Diplomatie keineswegs als besonders glanzvoll oder sehr bequem, aber sie hält es für "so interessant, wie es ein Leben überhaupt sein kann".

Ihr erster Auslandsauftrag führte Frances Willis als Vizekonsul nach Valparaiso in Chile, und ehe sie schließlich 1953 - damals 54 Jahre alt - zum ersten Mal ein Botschafteramt in der Schweiz übernahm, hatte sie Santiago de Chile, Stockholm, Brüssel, Luxemburg, Madrid, London und Helsinki kennengelernt und im Washingtoner Außenministerium als stell­ vertretende Leiterin der Abteilung für Westeuropäische Angelegenheiten und

8 "AMERIKA DIENST" -| 6 . September 1 96O und als Assistentin des Staatssekretärs Joseph Grew gearbeitet.

Miss Willis war nicht der erste weibliche Botschafter der USA überhaupt, aber alle ihre Vorgängerinnen - zwei Botschafterinnen und drei Gesandtinnen - kamen praktisch "von draußen", d.h., sie waren nicht über die Stufenleiter der Berufsdiplomatie in ihr bedeutendes Amt aufge­ stiegen. In der Schweiz (wo Frauen bis vor kurzem nirgendwo politisches Wahlrecht besaßen und auch keine Regierungsstellen bekleideten) vermochte Miss Willis durch ihre Freundlichkeit, Offenheit und Hingabe an ihre Arbeit sich bald sehr viel Sympathie und Respekt zu erringen. Nicht minder groß ist ihr Ansehen in Norwegen, wo sie die Vereinigten Staa­ ten seit 1957 als Botschafterin vertritt. Sie spricht fließend Franzö­ sisch und Spanisch und findet sich mittlerweile auch im Norwegischen gut zurecht. Denn es gehört zu ihren Grundsätzen, die Sprache ihres Gast­ landes zu lernen und sich auf Reisen und Empfängen mit Land und Leuten vertraut zu machen. "Je weiter der Kreis der Menschen ist, die Sie kennen und verstehen lernen", sagt sie, "von desto größerem Nutzen sind Sie für Ihre Regierung."

Man hat Miss Willis manchmal eine "geborene Diplomatin" genannt. Sie selbst meint? "Wenn man in der Diplomatie einigermaßen Erfolg ha­ ben will, sind bestimmte Eigenschaften notwendig. Das Geschlecht eines Diplomaten hat damit nichts zu tun. Am meisten, glaube ich, braucht man dazu Anpassungsfähigkeit, Intelligenz und Ausdauer" - Eigenschaften, die ihre Mitarbeiter ihr gern bestätigen.

9 - "AMERIKA DIENST" 16. September 196O

UMGANG MIT DER JUGEND HÄLT JUNG Mutter von neun Kindern wird "Mutter des Jahrea 1960" in Georgia

(62 Zeilen)

ALBANY (Georgia) - (AD) - "Große Familien können sehr glückliche Familien.sein", versichert die 65jährige Kathleen Acree Whiting aus Albany (Georgia), die dort kürzlich zur "Mutter des Jahres 196O" ge­ wählt wurde. Die weißhaarige, gütige Frau mit den haselnußbraunen Augen ist seit 2} Jahren Witwe. Sie hatte naoh dem Tode ihres Mannes ihre sechs Töchter und drei Söhne unter nicht leichten Umständen aufgezogen, hatte sie auf gute Schulen geschickt und obendrein eine Farm bewirt­ schaftet, auf deren Äckern sie Pecan- und Erdnüsse, Mais, Baumwolle und Tabak anbaute.

Eine Farm bewirtschaften heißt Jahr um Jahr und Tag um Tag um fünf Uhr morgens aufstehen und bis in die Nacht hinein arbeiten. Dennoch war sie nie verdrießlich und verzagt. "Die Grundlage eines guten Familien­ lebens ist nicht das leichte Leben", erklärt sie schlicht, "sondern der innere Zusammenhalt und ein hohes Maß an Verantwortungsgefühl bei allen."

Zusammenhalt und Verantwortungsgefühl waren überhaupt die großen Stichworte im Hause der Whitings. Die heranwachsenden Kinder - das jüngste war erst drei Jahre alt - hatten alle ihrem Alter angemessene häusliche Aufgaben zu erfüllen. Vieles wurde selbst angefertigt. So insbesondere alle Näharbeiten wie auch die Hemden für die Buben, Kleider und Kostüme für die Mädchen. Später lernten auch die Mädchen nähen, d.h., sie schau­ ten der Mutter die Kniffe und Tricks der HausSchneiderei ab, so wie sie selbst dies einst bei ihrer Mutter getan hatte.

Eine große Rolle bei den Whitings spielte eine innige Frömmigkeit. "In einer Familie, die zusammen betet, kann nicht viel schiefgehen", erzählt Mutter Whiting. "Wir haben es immer so gehalten, schon als mein Mann noch lebte."

Wie sie es zuwege gebracht hat, mit einer so großen Familie fertig zu werden? Sie hatte kein Spezialrezept. Doch hält sie es für unerläß­ lich, daß Eltern sich das Vertrauen der Kinder erringen und es zu

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xu bewahren wissen. "Ich gehöre nicht zu denen, die dafür sind, daß Kindern ihr Willen gelassen wird", 30 spricht sie, "aber ich bin dafür, dai man ihr« Ansichten hören und berücksichtigen soll. Ist es dann tretzdtm notwendig, eine andere Entscheidung zu treffen, muß diese auf jede» Fall begründet werden. Ich hatte es mir zur Regel gemacht, immer xweimal nachzudenken, bevor ich eine Antwort gab. Wenn ich indessen •it einem Nein entschieden hatte, dann blieb es dabei. Und die Kinder wußten es. "

Acht der neun Kinder besuchten ein College, mußten sich aber als Werkstudenten ihr Studium mitverdienen. Religion und Kirche aber sind beständige Faktoren im Leben der Whitings geblieben: Ein Sohn ist ffarrer, drei Töchter sind mit Pfarrern verheiratet, und die übrigen sind ausnahmslos aktiv in der kirchlichen Sozialarbeit tätig.

Obgleich alle Whitingkinder auf der Farm aufgewachsen sind, wollte deeh keines von ihnen Farmer werden. Die Mutter verkaufte das Anwesen und sog in die Nähe ihrer beiden Söhne in Albany. Etwa die Hälfte ihrer 19 Enkelkinder wohnt nahe genug, so daß sie diese oft sehen kann. Ob­ wohl ihr die große Familie schon ein wenig fehlt, hat sie es doch vor­ gezogen, nicht ständig im Haushalt eines ihrer Kinder zu leben. Sie be­ wohnt ein Sechszimmerhaus, "das kleinste in ihrem Leben bisher", für sie aber hat es Raum genug. Ihr Tagewerk ist keineswegs eintönig: Die Arbeit in Haus und Garten macht ihr Freude, sie näht und sie gibt Unterricht im Bibellesen und im Klavierspiel. Vierzehn Schülern im Alter von 8-12 Jahren ist sie eine verständnisvolle Lehrerin. Der Umgang mit der Jugend hält jung.

Als das Amerikanische Mütterkomitee von Georgia Kathleen Acree Whiting zur "Mutter des Jahres 196O" vorschlug, eine Auszeichnung, die alljährlich an Frauen auf Grund ihrer geistigen, nachbarlichen und häuslichen Tugenden verliehen wird, geschah dies mit dem Hinweis, daß wohl keine Frau dieser Ehrung würdiger sei als sie. Sie habe in ihrem Leben hinreichend bewiesen, daß sie Mut, heitere Gelassenheit, Geduld, Liebe, Milde und Verständnis besitze und obendrein eine ausgezeichnete Hausfrau sei. ACHTUNGl "AMERIKA DIENST" 16. September 1960

ACHTUNG 1 Auf Anforderung der Redaktionen übersendet der AMERIKA DIENST an Zeitungen und Zeitschriften kostenlos folgendes Bild:

"Mutter des Jahres 196O" von Georgia wurde die 63jährige Kathleen Acree Whiting aus Albany (Georgia), Mutter von neun Kindern und 19fache Großmutter. Wir sehen sie hier in ihrem Garten mit einem ihrer Enkel auf dem Arm. Das Mütterkomitee des Staates Georgia verlieh Mutter Whiting die alljährlich einmal zu vergebende Auszeichnung auf Grund ihrer geistigen, nachbarlichen und häuslichen Tugenden«

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DIE AMERIKANER WERDEN ÄLTER

(10 Zeilen) WASHINGTON - (AD) - Einem Bericht des amerikanischen Public Health Service zufolge betrug in den USA im Jahre 1959 die durchschnitt­ liche Lebenserwartung 69,7 Jahre. Mit anderen Worten, jedes in diesem Jahr geborene Kind kann ein durchschnittliches Lebensalter von 69,7 Jahren erreichen im Vergleich zu 69,6 Jahren in den Jahren 1954 und 1956. Die aufsteigende Tendenz der Lebenserwartungskurve erfuhr im letzten Jahrzehnt lediglich in den Jahren 1957 und 1958 durch die damals epidemisch auftretenden Grippeerkrankungen eine vorübergehende Unterbrechung. Die Vergleichsziffern für diese beiden Jahre liegen bei 69,4 bzw. 69,5 Lebens­ jahren .

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12 "AMERIKA DIENST" 16. September i960

GESCHICHTEN UM DIE KONSERVENDOSE Vor 150 Jahren gab es das erste Büchgenfleisch Von Lynn Poole Johns-Hopkins-Universität

(80 Zeilen)

BALTIMORE (Maryland) - (AD) - Von Jahr zu Jahr wird sie attrak­ tiver, unsere allgegenwärtige Konservendose, und kaum jemand sieht ihr das stattliche Alter von 150 Jahren an. Sogar ihr genaues Geburtsdatum steht fest. Es war jener 25. August 1810, an dem King George III. sei­ nen . englischen Untertan ihren Geburtsschein in Gestalt einer Patent­ urkunde überreichen ließ. Aber auch hier gibt es eine Vorgeschichte (über die sich die Gelehrten - wie so oft - allerdings nicht ganz einig sind).

Im Jahr 1795 setzte das fünfköpfige Directoire, damals die oberste Regierungsbehörde Frankreichs, einen Preis von 12 000 Franc für denjeni­ gen aus, der ein neues, wirksames Verfahren der Lebensmittelkonservierung vorschlagen konnte. Francjois Appert, seines Zeichens Küchenmeister, Brauer, Essiggemüsehersteller und Weinbauer, im übrigen aber ein ziemlich unbekannter Bürger der Seinemetropole, hatte eine Idee: Warum sollte man Lebensmittel nicht in Flaschen füllen können wie Wein?

Appert arbeitete fünfzehn Jahre an der Verwirklichung dieser Idee. Monarchien und Direktorien kamen und gingen in Frankreich. Napoleon ge­ langte zur Macht. Und 1810 hatte Appert Erfolg. Der Kleine Kaiser ließ den ausgesetzten Preis an Francois Appert auszahlen, der bewiesen hatte, daß Nahrungsmittel in Flaschen konservierbar waren und noch Monate nach dem Einmachen verzehrt werden konnten. Für Napoleon war es gerade die richtige Methode, um den Lebensmit­ telnachschub für seine Armeen nicht stocken zu lassen - womit er gleich­ zeitig bewies, daß er recht hatte, wenn er behauptete: "Armeen reisen

13 - "AMERIKA DIENST" 16. September 196O reisen per Magen". Als Napoleon dann nach St. Helena in Verbannung geschickt wurde, erhielt er sein Essen - aus Dosen.

Francois Appert hatte nämlich eine Schrift über seine Methode des Einmachens von Nahrungsmitteln in Flaschen unter dem Titel "Art de conserver les substances animales et vegetales" (Kunst des Konservierens tierischer und pflanzlicher Substanzen) veröffentlicht. Sie war in die Hände des Engländers Peter Durand gelangt, der weiter experimentierte und an Stelle von Flaschen Behälter aus Weißblech benutzte. Auch er ging wie Appert vor, indem er die Behälter schon vor dem Eintauchen in kochendes Wasser luftdicht verschloß.

Am 25. August 1810 erhielt Durand dann sein Patent. Allerdings zog er nicht selbst praktischen Nutzen daraus, sondern verpachtete es gegen eine Lizenzgebühr an zwei Engländer namens Bryan Donkin und John Hall, die ihrerseits eine Konservenfabrik gründeten. Die britische Armee und Marine testeten die Dosen und stellten fest, daß ihr Inhalt einwandfrei und schmackhaft war.

Es dauerte nicht mehr lange, und die Konservendose war Königin im Reich der Lebensmittel. Klempner in Deutschland gingen daran, als Neben­ beschäftigung am Wochenende Lebensmittel einzudosen. Die Forscher und Abenteurer der Welt bestellten Konserven für ihre Entdeckungszüge. Auch bei der Erforschung der amerikanischen Nordwestpassage bildeten Konserven den notwendigen Proviant. 1812 war Thomas Kensett aus England in die Vereinigten Staaten ein­ gewandert. Er konservierte Obst und Essiggemüse in Dosen und erhielt 1825 von Präsident James Monroe ein amerikanisches Patent für sein Konservie­ rungsverfahren. Als dann der Goldrausch einen Strom von Glücksrittern nach Kalifornien lockte, machten diese si.ch mit Konservenbüchsen beladen auf den Weg in den Goldenen Westen.

überall in der Welt waren inzwischen kleine Konservenfabriken ent­ standen, in denen Lebensmittel noch von Hand eingedost wurden. Die indu­ strielle Revolution des 19. Jahrhunderts schaffte auch hier Wandel und mechanisierte den Prozeß des Konservierens. Ende der siebziger Jahre pro­ duzierten klobige Maschinen noch 60 Dosen pro Stunde, ein Ausstoß, der

H - "AMERIKA DIENST" 16. September 196O der sich in den achtziger Jahren bereits auf 25OO Dosen pro Stunde erhöhte.

Der amerikanische Sezessionskrieg (1861-65) hatte die Nachfrage nach Lebensmittelkonserven ungeheuer ansteigen lassen. Nordstaaten wie Südstaaten drängten bei den Dosenherstellern auf mehr Dosen, bei den Lebensmittellieferanten auf mehr Lebensmittel, bei den Konserven­ fabriken auf mehr Konserven. Bei Beendigung des Krieges waren insgesamt 50 Millionen Dosen eingefüllt, luftdicht verschlossen und sterilisiert worden.

Daneben gab es aber immer wieder erfinderische Köpfe, die neue Ideen entwickelten. Bereits 1856 hatte Gail Borden, Landmesser, Journa­ list und Erfinder des Prozesses der Milchkondensierung, sein Erzeugnis als Säuglingsnahrung in Büchsen abzufüllen begonnen. Der Zahnarzt I.W. Lyons erfand eine Spezialdose, aus der sich sein Zahnpulver bequem heraus­ streuen ließ. Gerhard Mennen stanzte Löcher in den Deckel einer Büchse mit Schraubverschluß und verkaufte sie als Streudose, ideal dazu geeignet, duftendes Körperpuder auf zappelnde Babys zu streuen.

So rollte die Weißblechdose im Laufe ihrer 150jährigen Geschichte in jedes Heim, jeden Bauernhof, jeden Industriebetrieb und ist aus un­ serem Leben kaum mehr wegzudenken. Ihr größter Konkurrent war das Einmach­ glas, dem gegenüber sie keinen leichten Stand hatte. Immerhin kann sie ein großes Plus für sich verbuchen: In den Vereinigten Staaten ist der Verbrauch pro Kopf und Jahr mittlerweile auf 250 Dosen angestiegen, und das bedeutet, daß täglich nicht weniger als 115 Millionen Konserven­ büchsen zum Verzehr geöffnet werden.

• "AMERIKA DIENST" 23. September i960

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DIE WISSENSCHAFT NOTIERT

STRAHLUNGSMESSUNO IN 2000 KILOMETER HÖHE

(25 Zeilen)

Mit der neuartigen, aus vier Stufen bestehenden Forschungsrakete ARGO D-8 unternahm am 19• September 196O da3 US-Bundesamt für Aeronau- tik und Weltraumforschung (NASA) vom kalifornischen Marinestützpunkt Point Arguello aus den Versuch, eine Meß-Sonde in 2000 km Höhe zu schie­ ßen. Zweck des Experiments ist die Bestimmung von Art und Stärke der Strah­ lung im inneren Van-Allen-Gürtel, der als "Strahlenglocke" über dem größ­ ten Teil des Erdballs liegt und nur im Bereich der beiden Pole strahlungs­ arm« "Durchlässe" besitzt.

Nahe dem Scheitelpunkt der Flugparabel stieß die Endstufe der 18,6m langen Rakete eine 37»6 kg schwere Kapsel aus, die zahlreiche Meßgeräte enthielt und drei Stunden nach dem Start durch einen Zerstörer geborgen wurde. Daa Herzstück dieser Nutzlast war ein Paket von Kernspurplatten, deren strahlenempfindliche Emulsion den Aufprall atomarer Teilchen der verschiedensten Energiestufen registriert. Die Platten werden nach Ablie­ ferung der Kapsel in San Diego (Kalifornien) auf schnellstem Wege zu dem bei Washington gelegenen Goddard-Institut der NASA gebracht, wo sie ent­ wickelt und mit Hilfe von Kernspurmikroskopen unter verschiedenen Gesichts­ punkten, wie Anzahl, Geschwindigkeit, Verteilung, Abprallwinkel und Rich­ tungen der Teilchen, ausgewertet werden. Wie ein NASA-Sprecher erklärte, wird allein der Entwicklungsprozeß etwa 2 Wochen in Anspruch nehmen. Die­ ses Meßverfahren gab auch dem Experiment seinen Namen; es läuft unter der Bezeichnung "Nuclear Emulsion Recovery Vehicle", abgekürzt NERV.

Außer Strahlenmeßgeräten befand sich in der Kapsel auch eine Kultur von Pilisporen, die auf strahleninduzierte Mutationen hin untersucht werden sollen*

1 - "AMERIKA DIENST" 23. September 196O

UNTERSUCHUNGEN ZUR STRUKTUR DES PROTONS

( 12 Zeilen) Beim Proton, einem Hauptbestandteil des Atomkerns - der Atomkern des Wasserstoffatoms besteht nur aus einem Proton -, lassen sich nach neuesten Forschungen zwei Regionen genau unterscheiden. Wie Prof. Robert Hofstadter(üniversität Stanford, , Kalifornien) auf der 10. Internationalen Konferenz über Hochenergie-Physik in Rochester (New York) berichtete, kann man sich das Modell eines Frotons als eine diffuse magnetische Wolke, um­ geben von einer harten Schale elektrischer Ladung, vorstellen. Ein wich­ tiger Bestandteil der magnetischen Wolke sei ein Schwärm von Mesonen - Elementarteilchen, die man als die Bindekraft im Atomkern betrachtet. Hofstadter formulierte seine Theorie auf Grund der Meßergebnisse aus Ver­ suchen, bei denen ein Elektronenstrahl von 1 Milliarde Elektronen-volt Energie auf Protonen als Zielsubstanz gerichtet und durch diese in typischer Weise gestreut wurde.

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STRAHLENUNEMPFINDLICHE FERNSEHKAMERA

(8 Zeilen) Eine Fernsehkamera, die hohe Dosen atomarer Strahlung vertragen kann, wird zur Nahbeobachtung von Experimenten verwandt, die von der US-Atomener­ giekommission im Rahmen ihres Programms zur Entwicklung eines Flugzeugreak­ tors durchgeführt werden. Die Kamera, die Aufnahmen vom Reaktor zu einem mehrere Kilometer davon entfernt gelegenen Beobachtungsbunker überträgt, besteht aus Titan, Zirkonium, Silizium und anderen Spezialstoffen; sie wurde von der International Telephone & Telegraph Corporation (San Fernando, Kalifornien) gebaut.

- 2 "AMERIKA DIENST" 23. September 196O

KRITISCHER VERSUCH IN DER GROSSREAKTORSTATION ROWE

(23 Zeilen) Der Druckwasserreaktor des von der Yankee Atomic Electric Company bei Rowe (Massachusetts) errichteten Atomkraftwerks, das eine Kapazität von 134 000 Kilowatt besitzt, ist kürzlich kritisch geworden; der volle Betrieb wird noch in diesem Jahr aufgenommen. Die neue Reaktorstation der 1954 von 11 Kraftwerksgesellschaften der Neuenglandstaaten gebildeten Yankee Company ist die erste, die im Rahmen des Leistungsreaktoren-Demon­ strationsprogramms der US-Atomenergiekommission fertiggestellt wurde.

Unter diesem im Januar 1955 ins Leben gerufenen Programm gewährt die AEC Privatunternehmen finanzielle Beihilfe zur Forschung und Entwicklung sowie einen mehrjährigen Erlaß der Pachtgebühren für Kernbrennstoffe bei Projekten, die geeignet sind, die Leistungsreaktor-Technik zu fördern und die Entwicklung rentabler, konkurrenzfähiger Reaktorstationen zu beschleu­ nigen. Neun weitere Verträge, die die AEC zusätzlich zu dem Abkommen mit der Yankee Company mit anderen Einzel- oder Gruppenunternehmen der ameri­ kanischen Privatwirtschaft abschloß, sehen die Errichtung von Reaktorsta­ tionen in Hallam (Nebraska), Lagoona Beach (Michigan), Elk River (Minnesota), Piqua (Ohio), Punta Higuera (Puerto Rico), Sioux Falls (Süddakota) Pierce (Florida), Parr (Südkarolina) und Peach Bottom (Pennsylvanien) vor.

Zu dem auf 57 Millionen Dollar veranschlagten Projekt des Atomkraft­ werks Rowe, mit dessen Bau 1957 begonnen wurde, steuerte die AEC 5 Millionen Dollar für Forschung und Entwicklung bei; der Erlaß der Kernbrennstoff-Pacht­ gebühren für die ersten 5 Betriebs jähre entspricht einem Zuschuß von wei­ teren 3 Millionen Dollar.

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- 3 - "AMERIKA DIENST" 25. September i960

NEUE KLEINREAKTOR-TYPEN

(46 Zeilen)

Der von der US-Atomenergiekommission für die US-Armee entwickelte, gasgekühlte Versuchsreaktor - kurz GCRE-I genannt - wurde erstmals bei voller Leistung 48 Stunden lang praktisch erprobt; die Wärmeleistung betrug 1850 Kilowatt. Mit diesem Experiment auf dem Gelände der Reaktoren- Versuchsstation Idaho Falls (Idaho) ist nach fast fünfjährigen Vorarbei­ ten ein wesentliches Ziel in der Entwicklung eines Reaktorsystems mit direktem, geschlossenem Gas-Kühlkreislauf erreicht. Dieses System beruht auf dem Prinzip, im Reaktor durch die Reaktionswärme erhitztes Gas zum Antreiben einer Turbine zu benutzen und es danach wieder in den Reaktor zurückzuleiten. Die Turbine ist mit einem Generator gekoppelt.

GCRE-I ist Teil eines Forschungs- und Entwicklungsprogramms für transportable Reaktorstationen, das die Aerojet-General Corporation im Auftrage der AEC und der US-Armee durchführt. Die Inbetriebnahme eines Prototyp-Aggregats - Mobile Low-Power Nuclear Power Plant No. 1 (ML-1) - ist für 1961 vorgesehen. ML-1 hat einschließlich Turbogenerator ein Ge­ samtgewicht von 38 Tonnen und kann - zerlegt und in vier Behälter ver­ packt - an jeden beliebigen Ort transportiert werden. Die Stromleistung liegt bei etwa 300 Kilowatt, die ungefähr ein Jahr lang mit dem ersten Satz von Brennstoffelementen aufrechterhalten werden kann. Der Reaktor ist innerhalb von 12 Stunden nach der Ankunft am Standort betriebsbereit; dank seinen Abschirmvorrichtungen kann er bei einer Verlegung 24 Stunden nach dem Abschalten abtransportiert werden.

Ein Reaktionsaggregat für einen Kleinreaktor, der ohne Kraftüber­ tragung durch bewegliche Teile elektrischen Strom direkt aus Wärme er­ zeugt, wurde ebenfalls erfolgreich erprobt. Las System ist von Atomics International, einem Zweigunternehmen der North American Aviation, Inc. in Canoga Park (Kalifornien), im Auftrag der AEC entwickelt worden. Das für Versuchszwecke konstruierte Aggregat ist 178 mm hoch, hat 178 mm Durch­ messer und wiegt knapp 90 kg. Während des bis November 196O laufenden "AMERIKA DIENST" 23. September 196O laufenden Experiments sollen physikalische Daten ermittelt werden, die für die Entwicklung des kompletten Kompakt-Reaktors benötigt werden. Dieser Reaktor - SNAP-10 genannt - wird samt dem thermoelektrischen Energieumwandler Anfang 1961 erstmals erprobt werden.

Als Brennstoff und Moderator im Versuchsaggregat dient eine homogene Mischung aus Uran-235 und Zirkoniumhydrid. Die Wärmetransport- und Reflektor- Elemente bestehen aus Beryllium. Die Vorrichtung ist in zwei identische Einheiten unterteilt, die zur Auslösung einer sich selbsttätig fortsetzen­ den Kettenreaktion durch Fernbetätigung aufeinander zubewegt werden. Jede Hälfte besteht aus mehreren Schichten, in denen Kernbrennstoff-Moderator- und Wärmeableitungsplatten innerhalb eines Reflektors miteinander abwechseln

Im kompletten SNAP-10-3ystem wird der Reaktorkern von Thermoelementen umgeben sein, in denen unter der Einwirkung der aus dem Reaktor abfließen­ den Wärme ein Stromfluß entsteht. Die für die Stromerzeugung nicht genutzte Wärme wird nach Passieren der Thermoelemente zu Kühlrippen weitergeleitet und an die Atmosphäre abgegeben. Man rechnet mit einer Stromleistung von 300 Watt. *

HERABSETZUNG DER HÖCHSTZULÄSSIGEN STRAHLENDOSIS IN DEN USA

( 10 Zeilen) Mit Wirkung vom 1. Januar 1961 hat die US-Atomenergiekommission die Schutzmaßnahmen für strahlenexponierte Personen in Atombetrieben verschärft. Die höchstzulässige Dosis beträgt nach den neuen Bestimmungen nur noch ein Drittel des bisherigen Maximalwertes, der bei 0,3 rem pro Woche oder etwa 15 rem pro Jahr liegt. Die Maßeinheit "rem"(roentgen equivalent man) ist die Dosis jeglicher Art ionisierender Strahlung, die die gleiche biologische Wirkung hat wie 1 r (= 1 Röntgen) Röntgenstrahlung. Über 18 Jahre alte Per­ sonen, die in der Atomindustrie oder in Isotopenlaboratorien beschäftigt sind, dürfen dann pro Jahr durch äußere Strahleneinwirkung nicht mehr als insgesamt 5 rem, in einem Quartal höchstens 3 rem erhalten.

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- 5 - "AMERIKA DIENST" 23. September i960

AUFSEHENERREGENDE MINERALFUNDE IM NÖRDLINGER RIESKESSEL US-Wissenschaftler stützt Theorie über Entstehung durch Meteoriteneinschlag

(56 Zeilen) Coesit, eine seltene Erscheinungsform von Siliziumdioxyd mit hoher spezifischer Dichte und von sehr großer Beständigkeit, wurde kürzlich von dem amerikanischen Geologen Dr. Eugene Shoemaker im sogenannten Rieskes­ sel bei Nördlingen in Bayern entdeckt. Coesit, nach dem amerikanischen Wissenschaftler Dr. Loring Coes jr. benannt, wurde erst vor ein paar Jah­ ren von diesem bei Untersuchungen über die Wirkung hoher Temperaturen und Drücke auf verschiedene Mineralien aus Quarz erstmals gewonnen. Wegen des ungemein hohen Drucks, den Dr. Coes für die Umsetzung von Quarz in die neue Zustandsphase benötigte, glaubte man damals, daß das Mineral in der Natur höchstens tief im Erdinnern zu finden sei. Als dann die Suche nach Coesit in südafrikanischen Diamantenminen und in anderen Gruben, die Si­ liziumminerale fördern, ergebnislos verlief, kam man zu der Überzeugung, daß Coesit in der Natur überhaupt nicht vorkommt. Seine Auffindung im großen Meteorkrater von Arizona (l,2'km Durchmesser und 174 m Tiefe) durch Mitarbeiter des amerikanischen Geologischen Bundesamtes im Frühsom­ mer 196O war eine große Überraschung für die Geologen.

Dr. Shoemaker vom Geologischen Bundesamt sah in dieser Entdeckung den schlüssigen Beweis für die Annahme, daß der Arizona-Krater durch den Aufprall eines riesigen Meteoriten entstanden sein müsse, da im Bereich einer solchen Aufschlagstelle Energie in Form von sehr hohem Druck und hoher Temperatur freigesetzt wird. In seinem für den Internationalen Geolo­ genkongreß in Kopenhagen ausgearbeiteten Referat behandelte er den mutmaß­ lichen Ablauf dieses Ereignisses, das sich wahrscheinlich erst im Quartär abspielte und somit nicht länger zurückliegt als 1 Million Jahre.

Auf dem Wege nach Kopenhagen machte Dr. Shoemaker einen Abstecher nach Nördlingen, um den von Geologen aus aller Welt aufgesuchten "Kessel", dessen Entstehung man einem riesigen Vulkanausbruch zuschrieb, in Augen­ schein zu nehmen, überrascht stellte er eine große Ähnlichkeit zwischen den glasigen und aus zertrümmertem Granit bestehenden Ablagerungen im Ries

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Ries und im Arizona-Krater fest; am Geologischen Bundesamt in Washington inzwischen vorgenommene Untersuchungen an Gesteinsproben aus dem Ries bestätigten tatsächlich das Vorhandensein von Coesit.

Der Rieskessel mit dem Hauptort Nördlingen ist ein Einbruch von etwa 25 km Durchmesser zwischen der Schwäbischen Alb und dem Fränkischen Jura. Unter einer Lößschicht findet sich ein chaotisches Durcheinander von Granittrümmern, dazwischen Ablagerungen von Trias- und Juraformationen. Obgleich an manchen Stellen die Kesselränder durch Verwitterung so stark abgetragen sind, daß ein Kraterrand kaum mehr erkennbar ist, besteht nach Dr. Shoemaker keinerlei Mangel an coesithaltigen Mineralien und Sinter­ stoffen, die vielfach zum Bauen verwendet wurden. Er nimmt an, daß allein in den Mauern der im 15« Jahrhundert erbauten St.-Georgs-Kirche in Nörd­ lingen mehr als 1 Tonne Coesit enthalten ist.

Im Gegensatz zum Arizona-Krater ist der Rieskessel wesentlich älter; man schätzt, daß er schon vor 12-25 Millionen Jahren, also noch vor dem Pleistozän, entstanden ist; eines der stärksten Argumente gegen eine Theorie über die Entstehung des Rieske3sels durch Meteoriteneinschlag war bisher jedoch die Behauptung, daß keinerlei Beweise über Meteoriteneinschläge vor dem Pleistozän (Altsteinzeit), in dem schließlich auch der Mensch erscheint, auf dem Erdball zu finden seien. Der Ries-Coesit, der ebenso wie der Arizona-Coesit bei einem derartigen Ereignis entstand, führt aber diesen Beweis. Dr. Shoemaker stützt mit seiner Entdeckung die Hy­ pothesen einiger deutscher Wissenschaftler, allen voran E. Werner und Otto Stutzer, die die schon seit über 100 Jahren unter Geologen heftig debattierte Entstehung des Rieskessels nicht auf eine Explosion vulka­ nischen Ursprungs, sondern auf den Einschlag eines mit ungeheurer Wucht zur Erde niedergegangenen Riesenmeteoriten zurückführen.

* * * * * "AMERIKA DIENST 23. September 196O

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WELTPOLITIK

... RAUM FÜR FREIE DISKUSSION Rotchinesische Presse greift Professor Schangs "falsche Ansichten" an

(78 Zeilen) HONGKONG - (AD) - Professor Schang Yüeh, einer der prominentesten Historiker Rotchinas, sieht sich gegenwärtig dem schärfsten Tadel von Seiten des kommunistischen Regimes ausgesetzt. Anlaß zu der neusten Breitseite, die kürzlich in der rotchinesischen Presse gegen einen ihrer international angesehenen Gelehrten abgefeuert wurde, ist Professor Schangs Forderung, Geschichte müsse sich auf Tatsachen gründen und sollte nicht zur Stützung kommunistischer Theorien umgeschrieben werden.

So selbstverständlich diese Forderung klingt, so wenig paßt sie in das Denkschema kommunistischer Dogmatik. Es blieb nicht aus, daß eine Gruppe rotchinesischer Parteitheoretiker den Historiker öffentlich an­ klagte und ihm vorwarf, er lehne das "proletarische Prinzip" ab, nach dem im Studium der Geschichte die Theorie Vorrang vor den historischen Tatsachen habe. Schang Yüehs Protest gegen diesen und andere Lehrsätze des marxistischen Dogmas sei nichts anderes als "offenkundiger Revi­ sionismus" .

Ähnlich wie Professor Ma Yin-tschu, der kürzlich wegen seiner un­ orthodoxen Ansichten als Präsident der Universität Peking seines Amtes enthoben wurde, genießt auch Professor Schang internationales Ansehen. 1956 ernannte ihn die indische Regierung zum korrespondierenden Mit­ glied der Indian Historical Records Commiss'ion (Kommission für histo­ rische Urkunden), und bis vor kurzem noch war er Leiter der Lehr- und Forschungsabteilung der Chinesischen Volksuniversität, der obersten Parteihochschule im kommunistischen China.

• Überaus

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Überaus bezeichnend für die Art und das Niveau der Angriffe ge­ gen Professor Schang ist ein Aufsatz, der vor einigen Wochen in der kommunistisch kontrollierten Kwangming Jihpao erschienen ist, einer Tageszeitung, die sich besonders mit Fragen der Kultur und Erziehung auseinandersetzt. Als Verfasser zeichnet die Ersce Arbeitsgemeinschaft für Akademische Kritik der Lehrerbildungsanstalt Peking, deren Mitglie­ der sich ebenfalls getroffen fühlten, als Professor Schang die bisher lautgewordene Kritik seiner Ansichten als "Manifestationen des Dogma­ tismus und der Metaphysik" apostrophierte. Entsprechend war die Reaktion: "Selbstverständlich kann Schang Yüeh, da er nun einmal historischem Tatsachenmaterial den Vorrang vor der Theorie einräumt und da er die führende Rolle des Marxismus im Studium der Geschichte geringschätzt, die ernsthafte und korrekte Kritik, die seine Genossen auf Grund der marxistischen Theorien an ihm geübt haben, auch nicht akzeptieren."

Hauptgrund für die Presseangriffe gegen Professor Schang ist aber die Deutung, die der Historiker der von Mao Tse-tung 1956 verkündeten Politik "Laßt hundert Blumen blühen und hundert Gedankenrichtungen mit­ einander wetteifern" gegeben hat. Er wollte sie dahingehend verstanden wissen, daß es im kommunistischen China noch Raum für nützliche und freie Diskussion geben sollte. In der Kwangming Jihpao heißt es hierzu allerdings, daß diese Interpretation und die Auffassung der Partei so weit voneinander entfernt lägen wie die beiden Pole. Zwar sei Schang Yüeh ein Marxist, stellt der Aufsatz fest, doch nehme er "den Standpunkt der bourgeoisen Klasse" ein, und es geschehe vom Blickwinkel des Revi­ sionismus aus, wenn er diese Politik in eine Politik der bourgeoisen Liberalisierung verdrehe.

In gleicher Weise ketzerisch ist sein Vorschlag, der Klassenkampf sollte jetzt, da Peking auf dem Weg zum Kommunismus recht weit fort­ geschritten sei, gemildert werden. "Da der Widerspruch zwischen dem Feind und dem Volk eine Realität im Reich der Geschichtswissenschaft ist, wird es notwendig sein, unseren Kampf noch für beträchtliche Zeit weiter­ zuführen", erklärt der Artikel der Kwangming Jihpao und fährt fort: "Es gibt keinen Neuaufbau, ehe nicht Zerstörung stattgefunden hat. Und eine Geschichtswissenschaft von marxistischem Format erwächst nur aus "AMERIKA DIENST" 23. September 196O aus dem ständigen Kampf gegen Gedanken, die zu ihr in Widerspruch stehen." Lieser Kampf müsse besonders nachdrücklich gegen Leute wie Schang Yüeh geführt werden, die "falsche Ansichten" vertreten. Solange diese Ansichten nicht ausgerottet sind, heißt es weiter, "werden wir unser Ziel, die hundert Blumen des Sozialismus blühen zu lassen und das giftige Unkraut des Antisozialismus im Reiche der Geschichtswissen­ schaft auszujäten, nicht erreichen können".

Professor Schang Yüeh mußte noch eine weitere Zurechtweisung einstecken. Er hatte nämlich vorgeschlagen, seine Widersacher sollten sich ein wenig der Selbstkritik befleißigen, bevor sie ihn geißelten. Selbstkritik ist zwar eine kommunistische Lieblingspraktik, in diesem Falle aber scheint sie fehl am Platze. Denn Professor Schangs Kritiker erklären: "Sie ist vollkommen überflüssig, wo Kritiker im Besitze der Wahrheit Bind."

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YOK KUNST UND KÜNSTLERN

JAZZ IM MUSEUM Jazakoaaerte Bind eine willkommene Variante der in den USA so sehr beliebten Museumskonzerte Ton Norman Smith

(63 Zeilen)

Jazz unter freiem Himmel ist für die Vereinigten Staaten nichte Neues - dasselbe gilt für musikalische Veranstaltungen in Museen. Aber Jazz im Gar­ ten des 'Museum of Modern Art' war für die New Yorker neu in diesem Sommer - wohl ein wenig unkonventionell, aber doch recht reizvoll.

Tatsächlich erscheint das Nebeneinander von moderner Kunst und moder- 111 Jazz oder gar altem Dixieland vollkommen natürlich. Das Publikum, das zu den Donnerstagabendkonzerten in Massen zum Museum strömte, schien je­ denfalls durchaus einverstanden. Schnell füllten sich die zur Verfügung »tehenden Plätze, und wer keinen bekam, machte es sich am Beckenrand deB Brunnens bequem oder lustwandelte durch den Garten und die Kunstausstellung, während er der hellen, bouncenden Musik lauschte; alle Anzeichen deuteten darauf hin, daß man dieses zwanglose Zusammensein genoß.

Auch musikalisch lohnten sich die meisten Konzerte durchaus - ganz gleich, ob die Veranstalter das "Storyville-Sextett", eine Gruppe mit einem "leese style"und einem Repertoire aus den dreißiger Jahren, oder den "neuen" Jimmy Giuffre präsentierten.

Das Auftreten dieses Klarinettisten, Saxophonisten und Komponisten ist in der Tat für diejenigen, die ihn kürzlich gehört haben, eine der großen Überraschungen dieses Jazz-Jahres. Einst identifizierte man ihn mit einem auf subtile Weise spannungslosen Stil und volksmusikhaften Melodien, aber plötzlich lehnt er sich immer mehr an Männer wie Thelonius Monk und Ornette Coleman an. Die Einfachheit und Geradlinigkeit von

1t . "AMERIKA DIENST" 23. September 196O von Giuffres Musik heute, sein aggressiverer Ton und sein nahezu un­ begrenztes Vertrauen auf Improvisation sind überraschend.

Die Verbindung von Musik und Museen in den Vereinigten Staaten ist indessen keineswegs neu. Seit man zum ersten Mal entdeckte, wie großartig Streichquartette und alte Meister miteinander harmonieren, sind Konzerte mit Vorliebe in Kunstgalerien und Museen verlegt worden. Auch Jazzkonzerte. Das Worcester (Massachusetts)-Kunstmuseum brachte Jazz, noch bevor das Museum of Modern Art diesen Schritt wagte.

Schrittmacher der Museumskonzerte war jedoch das Metropolitan Museum of Art in New York. Die älteren Musikfreunde erinnern sich noch gerne an die Orchesterprogramme unter der Stabführung des ver­ storbenen David Mannes in den Jahren nach dem ersten Weltkrieg. Später begannen u.a. auch das Cleveland (Ohio)-Museum und das Virginia-Museum in Richmond mit regelmäßigen Konzertreihen. Heute sind Museumskonzerte praktisch in jeder Stadt eine bekannte Einrichtung. Führend aber ist nach wie vor das Metropolitan Museum of Art, das den New Yorkern in jeder Saison mit über vierzig Konzerten, und den Darbietungen hervorragender Solisten einen bemerkenswerten musikalischen Genuß bereitet. Berühmte Orchester, auch Kammerorchester, wie zum Beispiel das Wiener Oktett, das Quartetto Italiano, die New Yorker Chamber Soloists und die kürzlich gegründete Orchestervereinigung Camera Concerti,sind dabei. Großer Belieb-theit erfreut sich außerdem die vom Metropolitan Museum veranstaltete Konzert­ reihe junger Künstler, in der begabten Virtuosen Gelegenheit gegeben wird, sich einem verständigen Publikum vorzustellen.

Neben dem Metropolitan Museum of Art hat sich insbesondere auch die National Gallery of Art, in Washington, hervorgetan, deren Musik­ programme von der Phillips Gallery und der Corcoran Gallery of Art unter­ stützt werden. Angeregt durch die Klavierkonzerte der Pianistin Dame Myra Hess in der National Gallery in London während der Kriegszeit, begann auch die National Gallery in Washington bereits Anfang 1942 mit ihren Konzerten, die sie bis heute beibehalten hat.

Die

12 "AMERIKA DIENST" 23. September i960

Die vierzig Konzertprogramme, einschließlich eines "American Music Festival", werden nicht allein vom Nationa.1 Gallery Orchestra, unter Richard Bales, bestritten, sondern verzeichnen u.a. auch be­ gabte Debütanten, von denen viele späterhin nationale Anerkennung fin­ den konnten, so die Sängerin Shirley Verrett-Carter (Mezzosopran) und die Pianisten William Masselos und Natalie Hinderas.

Alle diese Konzerte finden in dem schönen Marmorhof des Ostgartens statt und können - wie es in den meisten Kunstmuseen der Fall ist - bequem auch in den anschließenden Museumsräumen von allen jenen mit­ gehört werden, die mit Aug' und Ohr gleichzeitig genießen wollen.

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AMERIKANISCHES STIPENDIUM FÜR DÜSSELDORFER TÄNZER

NEW YORK - (AD) - Werner Ulbrich von der Düsseldorfer Oper gehört zu fünf Tänzern, denen im Rahmen des "Young Artists Project '60-61" vom Institut für Internationale Erziehung ein Stipendium zum Studium in den Vereinigten Staaten zur Verfügung gestellt wird. Die Stipendien, die aus den Mitteln der Ford-Stiftung stammen und eine Ausbildung auf dem Gebiet der Choreographie ermöglichen, fielen ferner an Fredbjöm Bjömsson vom KgL Däni­ schen Ballett Kopenhagen, Herman Baldrich ?us Santiago de Chile, Antonio Truyol vom Teatro Colon in Buenos Aires und Norman Morrice vom Londoner Ballet Rambert.

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13 "AMERIKA DIENST 23. September 196O

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FUNK- UND FERNSEHKURZNACHRICHTEN AUS DEN USA

EUGENE O'NEILL IM AMERIKANISCHEN FERNSEHEN

(34 Zeilen)

Eugene O'Neills Drama "Der Eiamann kommt", wird in dieser Herbst­ saison von amerikanischen Fernsehstationen als Fernsehspiel in eigener Einstudierung gesendet werden. Das auf der Bühne über vier Stunden dauernde Stück ist mit Genehmigung der Witwe des Dramatikers für das Fernsehen auf eine Sendezeit von drei Stunden und 44 Minuten gekürzt worden. Verantwortlicher Sendeleiter ist Sidney Lumet. Jason Robards jr., dar in der New Yorker Bühnenaufführung die Rolle des Hickey spielte, spielt diese Rolle auch in der Fernsehfassung.

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US-FERNSEHPROGRAMME AUSGEZEICHNET

"Small World" (Kleine Welt), ein Diskussionsprogramm der Television des Columbia Broadcasting System, New York, wurde mit einem der acht all­ jährlich von der National Association for Better Radio and Television ver­ gebenen Ehrentitel "Programm des Jahres" ausgezeichnet. Den Television- Lramapreis erhielt die überaus erfolgreiche Theatersendereihe "Hallmark Hall of Farne" der National Broadcasting Company; die Sendereihe "Our American Heritage" der gleichen Gesellschaft wurde als beste bildende Programmreihe ausgezeichnet. Den Fernsehpreis für klassische Musikprogramme erhielten Leonard Bernstein und die Konzerte der New York Philharmonics im Rahmen der CBS-Sendeprogramme.

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- 14 - "AMERIKA DIENST" 23. September 196O

NEUE HAND-FERNSEHKAMERA

Das Columbia Broadcasting System, New York, verwendete auf den beiden großen Iationalkonventen der Demokraten und der Republikaner im Juli dieses Jahres für ihre Live-Übertragungen erstmals eine Hand- Ternsehkamera, die ohne Kabel arbeitet. Die Fachleute nennen die mit 65 Transistoren und einem dreifachen Revolverobjektiv ausgestattete Neuheit auf dem Televisionsmarkt, die insgesamt nur 10 Kilogramm wiegt, "Eyewitness", das heißt "Augenzeuge".

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FARBIGES SCHULFERNSEHEN

Da Ute (Texas) besitzt das erste für farbige Übertragungen einge­ richtete Schulfernsehstudio der USA. Die Station hat sich dem Netzwerk National Educational Televiaion angeschlossen, dessen nunmehr 48 Mitglie-d- »tttionen vom National Educational Television and Radio Center in New York gespeist werden.

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GARY COOPER ERZÄHLT VOM AMERIKANISCHEN WESTEN

Gary Cooper, Amerikas Cowboyheld Nr. 1, hat die Rolle des Erzählers in der Herbstsendung der National Broadcasting Company (New York) "The Real West", übernommen, die die Geschichte des amerikanischen We­ stens von 1849 bis 1900 originalgetreu widerspiegeln soll. Phil Reisman jr schrieb das Textbuch.

* * * * * "AMERIKA DIENST" 30. September i960 Die Artikel des AMERIKA DIENSTES sind honorarfrei und neben der Verwendung durch Rundfunk und Fernsehen ausschließlich zum Abdruck in Zeitungen und Zeitschriften und sonstigen Publikationen bestimmt, die sich direkt an den Leser wenden.

DIE WISSENSCHAFT NOTIERT

HOCHSAISON FÜR HURRIKANE UND DEN US-WETTERDIENST Wirksame Frühwarnung durch Radar und Patrouillenflüge Von John Kerigan

( 74 Zeilen) Man mag sich fragen, weshalb ausgerechnet wohlklingende Mädchen­ namen zur Kennzeichnung der Orkane dienen, die alljährlich aus dem Raum des Atlantik, des Golfes von Mexiko und des Karibischen Meeres hervor­ brechen und dann die Schiffahrt, die Inseln und Küstengebiete in jenem Gebiet, meist auch die Süd- und Oststaaten der USA gefährden und oft schwer heimsuchen. Denn zweifellos legen diese Orkane keine der Tugenden des sanf­ ten Geschlechts an den Tag, obgleich natürlich nicht alle so verheerende Wirkungen haben wie der Hurrikan "Donna" und der ihm folgende, allerdings schwächere Hurrikan "Ethel" - ganz einfach deshalb, weil ihnen die Puste ausgeht, ehe sie größere Landgebiete erreichen. Der Orkan "Donna" hatte seinen furchterregenden Weg über die karibi- schen Inseln und den Staat Florida, dann weiter nordwärts entlang der gan­ zen Gstküste der USA genommen, bis er schließlich im St.-Lorenz-Golf in Kanada zur Ruhe kam. Er brachte nicht nur starke Winde mit Geschwindigkei­ ten bis zu 240 km/st, sondern auch sintflutartige Regengüsse, hohen Seegang und abnorme Fluthöhen an den Küsten über einen ungewöhnlich großen Raum. Der angerichtete Schaden war demgemäß hoch, und es wundert niemanden, wenn Dr. Reicheldarfer, der Leiter des amerikanischen Meteorologischen Bundes­ amtes, diesen S:turm als den "nachweislich schlimmsten und verderblichsten" seit mindestens 74 Jahren, d.h. seit es in den USA überhaupt Wetterberichte gibt, bezeichnete. Dem Orkan sind in den Vereinigten Staaten 30, auf den karibischen Inseln, von denen Puerto Rico am härtesten betroffen wurde, 120 Menschenleben zum Opfer gefallen. Der Hurrikan "Ethel" dagegen hatte

1 "AMERIKA DIENST" 30. September 1960

hatte nach seinem Einschwenken aus dem Golf von Mexiko auf das Landes­ innere, vor allem in Richtung auf die amerikanischen Bundesstaaten Mississippi und Alabama, schon viel an Heftigkeit verloren; er konnte in diesem Stadium schon kaum mehr als "Hurrikan" angesprochen werden, dessen Geschwindigkeit bei 120 km/st und darüber liegt.

So tragisch diese Naturereignisse für die Betroffenen sind, hält sich, allgemein gesehen, der durch sie angerichtete Schaden doch in Grenzen. Daß dem so ist und daß der Schaden de facto sogar weit unter den Erwar­ tungen lag, ist einzig und allein der Arbeit des amerikanischen Wetter­ dienstes und seiner Entwicklung in den letzten Jahren zu verdanken. Er hat, auch auf internationaler Basis, alle Hebel in Bewegung gesetzt, um sein im Jahre 1956 begonnenes Hurrikan-Forschungsprojekt voranzutreiben, vor allen Dingen das Beobachtungs- und Warnsystem auszuweiten und zu ver­ bessern. Die regelmäßig durchgeführten Flugpatrouillen und die Errichtung leistungsfähiger Wetter-Radar-Stationen entlang den Küsten des Golfs von Mexiko und der Atlantikküste der Vereinigten Staaten im Herbst 1959 und in diesem Frühjahr haben sich, wie der G:hef des amerikanischen Wetter­ dienstes betont, im Fall der Hurrikane "Donna" und "Ethel" bereits bezahlt gemacht•

Niemand vermöchte dies zu bezweifeln, der die Vorausberichte über "Donna** und "Ethel" in Zeitung, Rundfunk und Fernsehen aufmerksam verfolgt hat und so Zeuge der umfassenden, frühzeitig genug gegebenen Warnungen und Ratschläge an die Bevölkerung der betroffenen Gebiete wurde. Ein Ereig­ nis, das noch vor fünf Jahren Hunderte von Menschenleben, Tausende von Ver­ letzten und schier unübersehbare Verluste an Sachwerten gefordert hätte, wurde jetzt dank sachgemäßer Sicherheitsvorkehrungen - einschließlich der Bereitstellung von Vorratslagern an Lebensmitteln, Notunterkünften und der Evakuierung besonders gefährdeter Gebiete - zu einem von Behörden und Bevöl­ kerung gemeinsam gemeisterten vorübergehenden Notstand.

Dr. Reichelderfer spart nicht mit Lob für die Hurrikan-Jäger der US-Marine und der Luftwaffe, die zu "Donnas" kurzen, aber spektakulären Lebzeiten ein Dutzendmal und öfter riskante Flüge in die Sturmfront, ja sogar bis zum Zentrum des Hurrikans unternommen haben. Sie sammelten so viele Unterlagen wie nur irgend möglich, damit die Berechnungen von Stärke

- 2 "AMERIKA DIENST" 30. September 196O

Stärke und Richtung des Orkans immer wieder nachgeprüft und ergänzt werden konnten.

Diese Plugzeuge sind mit meteorologischen Spezial-Meßinstrumenten ausgestattet. In jeder Hurrikan-Saison, die normalerweise vom 15« Juni bis zum 15» November dauert, patrouillieren sie auf weiten Strecken über dem Karibischen Meer und dem Atlantik, um tropischen Wetterstörungen auf die Spur zu kommen, die eine große Gefahrenquelle für die bewohnten In­ seln und Festlandsgebiete in diesem Raum darstellen. Vielleicht haben sich die Besatzungen allmählich an diese Aufgabe gewöhnt. Der Kommentar eines Zeitungsreporters aus Miami zu einem solchen waghalsigen und sehr strapaziösen Flug, den er interessehalber mitgemacht hat, lautet jedoch» "Nie wieder."

"Donna" und "Ethel" sind Orkan Nummer vier und fünf in der diesjähri­ gen Liste. Die komplette Reihenfolge für die Saison 196O lautet! Abby, Brenda, Cleo, Donna, Ethel, Florence, Gladys, Hilda, Isbell, Janet, Katy, Lila, Molly, Nita, Odette, Paula, Roxie, Stella, Trudy, Vesta und Winny. Dies ist mehr als genug. Dem Roten Kreuz und den Behörden, die vor dem Zuschlagen von "Donna" mobilisiert wurden, den Notdienst während der Orkane "Donna" und "Ethel" versahen und jetzt mit der Beseitigung der angerichteten Schäden beschäftigt sind, liegt wahrlich nichts daran, auch noch die Be­ kanntschaft von "Florence" und den übrigen Damen zu machen. Wollen wir hoffen, daß sie ihnen erspart bleiben.

ACHTUNG ! Auf Anforderung der Redaktionen übersendet der AMERIKA DIENST an Zeitungen und Zeitschriften kostenlos folgendes Bildi

Der am 1. April 1960 gestartete amerikanische Wetterbeobachtungssatellit TIRQS I photographierteam 19. Mai 196O etwa über dem Grenzgebiet von Texas und Oklahoma ein seltsames, fast quadratisches Gebilde aus Kuraulonimbus- Wolken, ^den typischen Gewitterwolken (unten rechts). Vergleichemit Wetter­ dienstmeldungen aus diesem Raum ergaben, daß dort in drei Städten an der Grenze von Texas genau zur Aufnahmezeit schwere Gewitter niedergingen| zwei Stunden später aber wüteten nordostwärts davon über größeren Gebieten Oklahomas heftige Wirbelstürme, von Gewittern und Hagel begleitet. Die Meteorologen nehmen an, daß mit der Aufnahme der quadratischen Wolkenformation zufällig die "Geburt" einer Tornado-Front im Bild festge­ halten wurde, die sich dann ausdehnte und nordostwärts zog. Sie halten es für möglich, daß später einmal die Meteorologen auf Grund auffälliger Wol­ kenformationen, die künftige Wettersatelliten entdecken, auch rechtzeitig vor schweren lokalen Unwettern warnen können. Natürlich müssen dann gleich­ zeitig die geographischen und klimatologischen Verhältnisse sowie die gerade herrschenden meteorologischen Bedingungen in dem betreffenden Gebiet berück­ sichtigt werden. ***** - 3 - "AMERIKA DIENST" 30. September 196O

FORTSCHRITTE IN DER INSULIN-SYNTHESE

( 15 Zeilen)

über erfolgreiche Experimente zur Synthese des Bauchspeicheldrüsen­ hormons Insulin, die er zusammen mit dem japanischen Gastforscher K.T. Suzuki durchführte, berichtete kürzlich der amerikanische Chemiker Dr. Panayotis Katsoyannis von der Universität Pittsburgh. Den beiden Wissen­ schaftlern gelang es, zwei Gruppen des komplizierten Insulin-Moleküls darzustellen, von denen eine 13, die andere 10 Aminosäuren als Verbin­ dungsglieder hat. Sie arbeiten zur Zeit an der Synthese der dritten Gruppe, um dann den Zusammenbau des gesamten Molekülverbandes zu versuchen.

Wenn es gelingt, die 51 Aminosäure-MBausteineM des Insulins auf syn­ thetischem Wege so miteinander zu verbinden, wie es die Natur im Hormon­ molekül tut, bedeutete dies die erste Synthese eines Proteins, überdies würden damit die Arbeiten des britischen Wissenschaftlers Dr. Frederick Sanger, der im Jahr 1958 für die genaue Darstellung der Molekülstruktur von Insulin mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet wurde, experimentell bestätigt.

VERBESSERTES SCHILDDRÜSENHORMON DURCH CHEMISCHE VERÄNDERUNG

( 12 Zeilen)

über Möglichkeiten, das Schilddrüsenhormon Thyroxin chemisch zu verändern und so seinen Anwendungsbereich als Medikament - vor allem bei der Kropfbehandlung - wesentlich zu verbreitern, berichtete Dr. Eugene C. Jorgenson, Chemieprofessor an der Universität Kalifornien. In Tier­ versuchen hat man dieses verfeinerte Thyroxin bereits erfolgreich erprobt.

Die Veränderungen bestehen darin, daß man dem Hormon einen Teil des Jodgehalts entzieht, der allgemein als Schlüsselsubstanz in der Kropf­ bekämpfung betrachtet wird. Umfassende Forschungen ergaben jedoch, daß zwei der vier Jod-Atome im Thyroxin-Molekül entweder passiv sind oder sogar den beiden anderen Atomen entgegenwirken. Diese beiden Atome werden jetzt

- 4 - "AMERIKA DIENST" 30. September 196O

jetzt aus dem Schilddrüsenhormon, das entweder von Schlachttieren gewon­ nen oder synthetisch dargestellt wird, entfernt.

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IMPFSTOFF GEGEN MASERN

(8 Zeilen)

Einen Masernimpfstoff auf der Basis abgeschwächter lebender Viren, der in Form von Nasentropfen verabreicht wird, hat das amerikanische Arznei­ mittelwerk "Philips Electronics and Pharmaceutical Industries Corporation" entwickelt. Er wurde inzwischen an 800 Kindern erprobt, deren Eltern sie zur Teilnahme an diesem Versuch freiwillig gemeldet hatten; bei 86 Prozent dieser Kinder erwies er sich als wirksam. Das Arzneimittelwerk beabsichtigt, die Lizenz für die Massenproduktion beim Öffentlichen Gesundheitsdienst der USA zu beantragen.

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GOLDKRONEN VERRATEN "STRAHLUNGSUNFALL"

(10 Zeilen)

An jemandem, der Goldkronen oder Goldplomben trägt, läßt sich leichter als bei anderen Personen feststellen, ob er - etwa, durch einen Betriebsun­ fall in einer Reaktorstation oder in anderen Atomkraftanlagen - einer gefährlich hohen Strahlungsdosis ausgesetzt war. Die durch ionisierende Strahlung in der Goldmasse erzeugte Radioaktivität ist bereits meßbar, lange bevor Strahlenwirkungen an den Geweben oder klinische Symptome beobachtet werden können. Die Intensität der künstlich erzeugten Radioaktivität ist ein genaues Maß für die von der betreffenden Person zuvor empfangene Strah­ lendosis, wie Versuche des Instituts für Flugmedizin iier US-Luftstreitkräfte an Affen ergeben haben.

(Nach "Dental Times". Bei Nachdruck ist Angabe der Quelle unbedingt erforderlich.)

- 5 - "AMERIKA DIENST" 30. September 1960

TIERKNOCHENFILTER GEGEN STRONTIUM-90

( 27 Zeilen)

Chemiker der Universität Minnesota haben ein Verfahren zur Entfernung von Strontium-90 aus der Milch entwickelt. Von der Tatsache ausgehend, daß Knochensubstanz das dem Kalzium sehr ähnliche Strontium-90 anreichert, stellten sie aus pulverisierten Tierknochen Filter her, die praktisch die gesamte Menge von Strontium-90, welche bei einem Strahlenunfall in Milch gelangen kann, aus dieser absorbiert.

Zur Ausschaltung oder zumindest Reduzierung von Schädigungen, wie sie bei der jetzt heranwachsenden Generation durch die ständige Aufnahme von Strontium-90 mit der Milch und mit Milchprodukten infolge der Anreicherung dieses radioaktiven Isotops im Skelett und an den Zähnen entstehen könnten, schlägt Kinderarzt Dr. Thomas L. Perry (Beverly Hills, Kalifornien) die regelmäßige Verabreichung von Kalzium-Präparaten vor. Er stützt sich dabei auf Untersuchungen von Dr. Linus Pauling, denen zufolge eine Tages­ menge Kalzium, die etwa der in der täglichen normalen Nahrung enthaltenen entspricht, genügte, um die zur Zeit vom Körper absorbierte Menge Stron­ tium-90 auf die Hälfte zu reduzieren. Dr. Pauling schlägt überdies vor, dem Futter der Kühe Kalziumverbindungen, etwa Dikalziumphosphat, zuzusetzen. Experimentell sei nachgewiesen, daß Tiere, die kalziumreiches Futter erhal­ ten, weniger Strontium resorbieren als Tiere, die von kalziumarmem Futter leben; auch der Strontiumgehalt der Milch sei dann niedriger.

Der höchstzulässige Strontium-90-Gehalt von einem Liter Milch wurde in den USA auf Anordnung des Ministeriums für Gesundheits-, Erziehungs­ und Sozialfragen inzwischen von 80 auf 33 Mikromikro-Curie herabgesetzt. Wie Minister Fleming in diesem Zusammenhang bekanntgab, sind zur Zeit in Zusammenarbeit mit dem Landwirtschaftsministerium und der Atomenergie-Kommis­ sion Versuche zur Reduzierung des Strontium-90-Anteils durch Ionen-Austausch­ verfahren im Gange. (Nach "Dental Times". Bei Nachdruck ist Angabe der Quelle unbedingt erforderlich.) *

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IMMUNOTHERAPIE BEI SCHWEREN VERBRENNUNGEN

( 40 Zeilen) Eine revolutionäre neue Methode zur Behandlung schwerer Verbrennungen durch Injektionen von Frischblut oder Serum wurde von amerikanischen und sowjetrussischen Wissenschaftlern erfolgreich erprobt. Wie aus einigen Referaten zu diesem Thema, die Ende September i960 auf dem 1. Internatio» nalen Kongreß über Brandwundenforschung in Bethesda (Maryland) gehalten wurden, hervorgeht, kam bei Verletzten mit sehr schweren Brandwunden eine auffällige Besserung ihres Zustandes buchstäblich über Nacht. Sie hatten Blut von Personen erhalten, die selbst nicht allzulange vor dem Blutspenden von Verbrennungen genesen waren.

Über die in den USA bisher gemachten Erfahrungen berichtete Dr. Sol R. Rosenthal von der medizinischen Akademie der Universität Illinois (Chicago). Die dem neuen Verfahren zugrunde liegende Überlegung ist die künstliche Erzeugung einer Immunität gegen die bei Brandverletzungen im Körper gebildeten Giftstoffe. Wohl produziert der Körper in einem solchen Fall selbst Antitoxine, jedoch häufig nicht in der ausreichenden Menge.

Nach Dr. Rosenthal wurde die Immunreaktion des Körpers bei Brandver­ letzungen im Jahre 1937 entdeckt. Eine Bestätigung der daraus entwickelten Theorie an Hand der bei Brandwundenbehandlung gesammelten Erfahrungen war dem amerikanischen Forscher jedoch erst in den letzten Jahren möglich. Unter den Opfern, die ein Schulbrand in Chicago im Jahr 1958 gefordert hatte, befanden sich viele Kinder im Alter zwischen 8 und 14 Jahren. Da nicht genügend Frischblut oder Serum von Personen vorhanden war, die selbst vor nicht allzulanger Zeit die Folgen von Brandverletzungen überstanden hatten, konnte er jedoch nur bei sechs Kindern das neue Behandlungsver­ fahren anwenden. Ein neunjähriges Mädchen, dessen Körper zu fast 50 Prozent mit Brandwunden bedeckt war und an vielen Stellen Schwellungen aufwies, befand sich schon seit fast zwei Wochen in einem Zustand hochgradiger Schlaflosigkeit, war vollkommen apathisch, hatte nur geringen Appetit und konnte sich kaum bewegen. Dr. Rosenthal übergab dem behandelnden Arzt 400 ccm Blut, die dieser dem Kind injizierte. Kurz darauf fiel es

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es in einen ruhigen Schlaf, aus dem es erst nach fünf Stunden wieder erwachte. Am nächsten Tag hatte sich sein Zustand auffallend gebessert. Das Kind entwickelte guten Appetit, hatte viel weniger Schmerzen, konnte sich verhältnismäßig gut bewegen und zeigte großes Interesse für seine Umgebung.

Ähnliche Erfahrungen machte man nach den Angaben Dr. N.A. Feodorows vom Zentralinstitut für Hämatologie und Bluttransfusionen (Moskau) in der Sowjetunion in Tierversuchen und beim Menschen. Auch Vertreter anderer amerikanischer und europäischer Forschungsinstitute und Univer­ sitäten konnten die Theorie von Immunreaktionen des Körpers bei Brand­ verletzungen auf Grund eigener Beobachtungen erhärten.

* * * * *

NEUES MEDIKAMENT GEGEN RHEUMA UND ARTHRITIS

Mit dem neuen Medikament "triamcinolone acetonide (Kenalog)" sind, wie erste Versuche in den USA ergaben, offenbar bessere Ergebnisse bei der Behandlung von Rheuma und Arthritis zu erzielen als mit Hydrocortison, einem der meistgebrauchten Arzneimittel in der modernen Therapie. Dies berichtete vor kurzem Dr. Emil D. W. Hauser (Chicago) im "Journal of the American Medical Association". Dr. Hauser erprobte die Wirkung der neuen Verbindung an 67 Kranken - 18 Männern und 49 Frauen - in den Altersgruppen zwischen 19 und 85 Jahren. Als Symptome zeigten sich bei allen deutliche Schwellungen, Schmerzen und Druckempfindlichkeit im Verein mit stark eingeschränkter Beweglichkeit im Gelenk. Mit Ausnahme eines einzigen Patienten reagierten alle sehr positiv auf die Behandlung, bei der trotz häufiger Applizierung des Medikaments keine unangenehmen Nebenwirkungen auftraten. Besonders in Form von niedrig­ dosierten Injektionen in den Gelenkspalt oder die Gelenkflüssigkeit hat nach Dr. Hauser "triamcinolone acetonide" eine ausgezeichnete Wirkung. *****

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WAHLJAHR 1960

DER WAHLKAMPF LÄUFT AUF VOLLEN TOUREN Die Rolle der Minderheiten-Parteien in den USA

(84 Zeilen) Für den kritischen Beobachter des politischen Lebens in den USA gehört die Aktivität der kleineren Parteien in den Wahljahren mit zu den interessantesten Erscheinungen. Obwohl im allgemeinen immer nur von den Präsidentschaftskandidaten der beiden großen Parteien gesprochen wird, sind es doch eine ganze Anzahl mehr, die sich für ihre Parteien um das Amt des US-Präsidenten bemühen. In diesem Jahr sind es mit Nixon und Kennedy ein rundes Dutzend.

Nur wenigen Wählern dürften indessen die Namen Decker, Haff, Krajewski, Gould oder Dobbs wirklich etwas bedeuten. Sie sind die Namen der Kandidaten von Splitterparteien wie etwa der "Prohibitionists", der "American Vegetarians", "Social Laborites", "American Thirds" oder der "Socialist Workers". Mit Sicherheit ist jedoch anzunehmen, daß 95 Prozent aller Wähler ihre Stimmen für den Republikaner Nixon oder den Demokraten Kennedy abgeben werden.

Wer also sind diese anderen? Warum bemühen sie sich um ein Amt, wenn ihre Chance dabei gleich Null ist?

Schon in den Anfängen der Geschichte der USA bildeten sich Partei­ gruppen, die sich oft einer einzigen Meinungsverschiedenheit wegen ent­ zweiten, absplitterten und neue Parteien bildeten. Bei diesen Minderhei­ ten handelte es sich aber niemals um ethnische, rassische oder religiöse Gruppen. Sie entstanden vielmehr stets als Verfechter bestimmter prak­ tischer Interessen und Grundsätze. Ihre politische Skala reichte von der äußersten Rechten bis zur äußersten Linken. Aus ihrem Namen ist oft schon "AMERIKA DIENST" 30. September i960 schon zu ersehen, wofür sie eintraten: 3ie "anti-Mason Party" hegte ein fanatisches Vorurteil gegen die Freimaurerei; die "Know Nothing Party" vertrat die Ausschaltung aller nicht gebürtigen Amerikaner - sie konnte überraschenderweise bei den Wahlen von 1856 in sechs Staaten durchkommen und 22 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen. Als drittes Beispiel sei noch die gegen die Sklaverei auftretende "Liberty Party" genannt, die, obwohl sie nur 62 300 Stimmen erhielt, im Staat New York, unterstützt von den "Whigs", im Jahre 1844 die Wahl des demokratischen Präsidentschaftskandidaten James Knox Polk maßgeblich beeinflussen konnte. Sehr viel später gaben die beiden großen Parteien selbst den Anstoß zur Absplitterung und Bildung neuer Parteigruppen, so Präsident Theodore Roosevelt, der sich über den "Konservativismus" seiner Partei beklagte und 1912 die "Progressive" oder "Bull Moose Party" gründete. Roosevelt, der die Wahl gegen die Kandidaten William Howard Taft und Woodrow Wilson nicht gewinnen konnte, schwächte die Republikaner indes derart, daß diese Wahl zugunsten des Demokraten Woodrow Wilson ausging.

Im Jahre 1948 gab es bei den Demokraten zwei Splittergruppen, als die "Progressives" unter der Führung von Henry Wallace ihre demokratischen Parteifreunde "zu konservativ", die "Dixiecrats" sie aber "zu radikal" fanden.

Diese sogenannten dritten Parteien haben wohl mitunter die Wahler­ gebnisse anderer Parteien beeinflußt, für sich selbst aber nie viel errei­ chen können. Sie haben gelegentlich auch Abgeordnete gestellt, Senatoren, niemals aber einen Präsidenten.

Die Hauptursache dafür dürfte in der Tatsache zu suchen sein, daß immen dann, wenn einer ihrer Programmpunkte die Interessen eines großen Wahl­ blocks fesseln konnte, die großen Parteien sich stets sofort beeilten, diesen Punkt in ihr Parteiprogramm aufzunehmen. So gibt es z.B. in den USA einfach aus dem Grunde keine eigene Labor Party, weil sich die Labor-Leute vor längerer Zeit bereits dafür entschieden haben, die großen Parteien um die Stimmen der Arbeiterschaft wetteifern zu lassen, i960 gilt es insbesondere die Negerstimmen zu gewinnen - ein Ziel, das seinen

. 10 "AMERIKA DIKNST" 30. September 1960 seinen entsprechenden Niederschlag in den Programmen der Demokraten wie der Republikaner fand, die sich in ausführlichen Bürgerrechtskapiteln mit fast gleichlautenden Forderungen für die restlose Beseitigung aller noch vorhandenen Rassenschranken einsetzen.

Obwohl keine der "dritten" Parteien mit einer der großen Parteien bis­ her eine Koalition eingehen konnte, weigern sich die Parteiführer, ihre Belange nicht auch weiterhin nachdrücklich zu vertreten. Der Grund: Sie sind von ihren Aufgaben und Zielen überzeugt.

Die Partei der "American Vegetarians" verkündete in diesem Jahr ein Programm, das beansprucht, alle humanitären Lehren eines Buddha, Christus, Pythagoras, Plato, Sokrates, Aristoteles, Shelley, Tolstoi, Thoreau und Ghandi zum Inhalt zu haben,"die alle - Christus ausgenommen - Vegetarier sind (sie!)". Ihre Verurteilung allen Tötens, so argumentieren sie weiter, schlösse den Krieg automatisch aus.

Die "Prohibitionists" verabscheuen nach wie vor alles, was in Flaschen kommt, in wehmütiger Erinnerung an die "Trockenlegung" des ganzen Landes im Jahre 1917; während die "American Third Party", angeführt von Mr. Krajewski, Wirt aus New Jersey und ehemaliger Schweinezüchter, eine völlig unkomplizierte Parteipolitik verfolgt, die von manchen Leuten sehr be­ grüßt wird; ihre großen Schlagworte sind: Freibier und niedrigere Einkommen­ steuern.

Die "National Socialist Party", deren Kandidat viele Jahre hindurch der Sozialist Norman Thomas war, hat für 196O auf die Nominierung eines eigenen Kandidaten verzichtet.

Obzwar das Zweiparteiensystem in den Vereinigten Staaten seit den frühesten Tagen der jungen Republik fester Bestandteil der amerikanischen Regierungsform ist und der Wille der Mehrheit den politischen Kurs des Landes bestimmt, mag doch mancher die Idee von Freibier und niedrigeren Steuern als heiteres Zwischenspiel empfinden, bevor er am 8. November i960 seine wohlüberlegte Entscheidung trifft.

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LEBEN IS DEN USA

GEBURTSJAHRGANG 1838 Amerikas älteste Pensionäre kennen keine Langeweile Von Lynn Poole Johns-Hopkins-Universität

( 65 Zeilen) BALTIMORE (Maryland) -(AD) - Einer neuen Statistik der Sozialver­ sicherten ist zu entnehmen, daß 130 Rentenempfänger in den USA über 100 Jahre alt sind - der älteste von ihnen hat sogar schon die 121 über­ schritten. Da das amerikanische Sozialversicherungsgesetz erst vor 25 Jahren in Kraft trat, dürfte sich die Zahl dieser hundertjährigen Pen­ sionäre in den nächsten Jahren noch weiter erhöhen. Die Zahl der über 65jährigen hat sich seit 1900 vervierfacht, ob­ wohl die Gesamtbevölkerung der USA heute nur doppelt so groß ist wie vor 60 Jahren. Dieser auffallende Wandel in der Altersstruktur gibt immer wie­ der neuen Anlaß zur Erörterung der damit verbundenen sozialen Probleme. Nicht weniger interessant ist aber auch ein Blick auf das reiche und far­ bige Leben unserer Senioren.

Ältester Pensionär ist William E. Davis. Er wurde 1838 geboren - in jenem Jahr, als der transatlantische Dampfschiff-Liniendienst allmählich Wirklichkeit wurde und sich die New Yorker Damenwelt auf dem Washington Parade Ground mit Reifenrollen, dem neusten Modefimmel, vergnügte. William E. Davis lebt in seiner Heimatstadt Charleston in West-Virginia, und da­ mit ihm das Leben als Rentner nicht langweilig wird, übernimmt er trotz seiner 121 Jahre immer noch ganz gern etwas Gartenarbeit wie Rasenmähen und Heckenstutzen.

Ein

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Ein anderer unternehmungslustiger alter Herr ist James Williams aus Tampa in Florida, der erst letztes Jahr seinen 100. Geburtstag gefeiert hat und seitdem eine - Abendschule besucht. Auch James Purcell wurde 1859 geboren. Er kann sich noch an Präsident Lincoln erinnern, dem er einmal auf einer - - Bahnstation in Pennsylvanien bei einer Rede zugehört hat. Heute ist James Purcell noch recht aktiv in Bürgerschafts­ angelegenheiten seiner Heimatstadt Erde (Pennsylvanien) tätig.

Eines der allerersten Siedlerkinder im Wilden Westen war Frank Lee. Als er 1857 unweit von Durango in Colorado geboren wurde, geschah es das zweite F*\| daß ein weißes Kind in dieser Gegend zur Welt kam. Er arbei­ tete später als Cowboy und Postkutscher und findet auch heute nichts Be­ sonderes dabei, wenn er mit seiner 85jährigen Frau im Wohnwagen von Utah einige hundert Kilometer südwärts nach Arizona fährt, um dort den Winter zu verbringen.

Vor drei Jahren entschloß sich Elizabeth Barton zum Verkauf ihrer großen Walnuß-Plantage, eine der größten in Kalifornien überhaupt. Sie überließ sie ihren Söhnen, denn schließlich war sie 100 Jahre alt und durfte sich ohne Zweifel ein ruhigeres Leben gönnen. Langweilig wird es ihr nicht. Nähen, Gartenarbeit und Malen vertreiben die Zeit, und jedes ihrer 40 Urenkelkinder hat bereits ein Ölgemälde erhalten. Der Vater von Mrs. Barton war übrigens ein persönlicher Freund Präsident Lincolns.

"Damals, 1874» haben mir die Indianer in Texas mein Pferd gestohlen*', erzählt William A. Fullingim eine Episode aus der Zeit, als er noch Cowboy war. Er wurde 1855 geboren und lebt heute auf seiner Ranch in Lawton (Okla­ homa). Weit bitterer war die Kindheit von Charlie Smith, der im Juli 118 Jahre alt geworden ist. Der große, kräftige Neger stammt von der afrikanisch« Westküste, aus dem Gebiet des heutigen Liberia. Sklavenhändler hatten ihn im Alter von 12 Jahren gefangen und - er weiß das Datum noch ganz genau - am 4. Juli 1855 auf dem Sklavenmarkt in New Orleans verkauft. Fünf Peitschen­ striemen erinnern noch an jene Zeit.

Auch eine "Rothaut" gehört zu den hundertjährigen Pensionären. Carl Smith ist ein Cherokee-Indianer, der viel von der Welt gesehen hat. Dreißig Jahre lang diente er als Maultiertreiber in der amerikanischen Armee, geriet

13 - "AMERIKA DIENST 30. September i960 geriet in einen Indianerüberfall bei Fort Laramie, ging mit der $. Ka­ vallerieabteilung während des BoxeraufStandes im Jahre 1900 nach China und verbrachte einige Zeit auf den Philippinen. Joseph LaBarge aus Cleveland wiederum hat vor allem die technische Entwicklung der letzten 100 Jahre aus nächster Nähe erlebt. Er war Straßenbahn-, Autobus- und Lastwagenfahrer, Taxichauffeur, Lokomotiv­ führer und Ballonpilot, führte auf einer Weltausstellung einen Einzylin­ derwagen vor, steuerte die Fördermaschine eines Bergwerks und - last not least - machte mit 100 Jahren einen Rundflug im Hubschrauber. Daneben hat er immer Sport getrieben und geht auch heute noch mit seinen 103 Jahren gerne eislaufen, oder schwimmen; nur das Skifahren hat er vor sechs Jahren leider aufgeben müssen.

Braucht es noch mehr Beweise? Amüsant ist das Leben auch im biblischen Alter.

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1,4 "AMERIKA DIENST" 50. September 1 96O

GEDENKTAGE IM OKTOBER 1960

2. Oktober 1871 Cordeil Hüll, ehemaliger US-Außenminister, in Overton County (Tennessee) geboren (gest. 23.7*1955 in Bethesda, Maryland). 3. " 1900 Thomas Wolfe, amerikanischer Dichter, in Asheville (Nordkarolina) geboren (gest. 15 *9•1938 in Baltimore). (60. Geburtstag) 5. " 1830 ehester A. Arthur, 21. Präsident der USA, in Fairfield (Vermont) geboren (gest. 18.11. 1886 in New York). (130. Geburtstag) 6. " 1683 Gründung von Germantown (Pennsylvanien), der ersten deutschen Siedlung in der Neuen Welt. 7. " 1849 Edgar Allan Poe, amerikanischer Dichter, in Baltimore gestorben (geb. 19-1 1809 in Boston). 11. " 1884 Eleanor Roosevelt, Witwe des Präsidenten Franklin D. Roosevelt (lebt in Duchess County, New York, Hyde Park), in New York City geboren. 12. " 1870 Robert Edward Lee, nordamerikanischer General der Süd­ staaten, in Lexington (Virginia) gestorben (geb.19* 1 • 1807 in Stratford, Virginia). (90 Todestag) 12. 11 Kolumbus-Tag. Jahrestag zu Ehren des Mannes, der 1492 Amerika entdeckte. 14. 11 1890 Dwight D. Eisenhower, 34« Präsident der USA, in Denison (Texas) geboren. (70. Geburtstag) 16. 11 1758 Noah Webster, amerikanischer Lexikograph und Historiker, in Hartford (Connecticut) geboren (gest. 28.5.1843 in New Haven, Conn.). 16. " 1888 Eugene O'Neill, amerikanischer Dramatiker, 1936 Nobelpreisträger für Literatur, in New York geboren (gest. 27.11. 1953 in Boston). 16. " 1945 Gründung der Ernährungs- und Landwirtschafts-Organisation (Food and Agriculture Organization-FAO) der UN zur Hebung des Lebensstandards der Welt (15. Jahrestag) 18. 11 1867 Alaska wird Territorium der USA. 19. it 1781 Kapitulation von Lord Cornwallis in Yorktown beendet den Unabhängigkeitskrieg der USA. 20. 11 1883 Eröffnung der "" in New York. 20. 11 1859 John Dewey, amerikanischer Philosoph und Pädagoge, in Burlington (Vermont) geboren (gest. 1.6.1952 in New York).

23. Oktober 1956

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23. Oktober 1956 Beginn des ungarischen Freiheitskampfes. 24. " Tag der Vereinten Nationen (1945 Charta der Vereinten Nationen in Kraft getreten) 25. " 1888 Richard Byrd, amerikanischer Admiral und Polarforscher, in Winchester (Virginia) geboren (gest. 4.3.1957 in Boston). 27. " 1858 Theodore Roosevelt, 26. Präsident der USA, in New York geboren (gest. 6.1.1919 in Sagamore Hill, N.Y.). 28. " 1886 Enthüllung der Freiheitsstatue auf Bedloe's Island (heute Liberty Island) durch Präsident Cleveland. 28. " 1793 Eli Whitney stellt die erste Baumwoll-Entkemungs- maschine her. 29. " 1949 Aufnahme Westdeutschlands in die OEEC. 30. " 1735 John Adams, 2. Präsident der USA, in Braintree (Quincy, Massachusetts) geboren (gest. 4«7«1826 in Braintree). (225. Geburtstag) 31. " Halloween, der Vorabend zum Allerheiligenfest wird in Amerika mit festlich heiterem Mummenschanz begangen.

* * * * •

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RAUMFLUG

WASSERSTOFF UND FLUOR ALS NEUE RAKETENTREIBSTOFFE

( 28 Zeilen)

Neben den Projekten zur Entwicklung neuer Antriebssysteme für Rake­ ten gehen die Bemühungen um eine Verbesserung der chemischen Raketen wei­ ter, die wie alle bisher gebräuchlichen Düsenaggregate ihre Schubkraft durch Verbrennungsreaktionen erzeugen. Ein entscheidender Durchbruch gelang jetzt auf diesem Gebiet der Bell Aerosystems Company in Buffalo (New York), die durch die Treibstoffkombination Wasserstoff-Fluor die Leistung einer solchen chemischen Rakete samt ihrer Tragfähigkeit für Nutzlasten wesent­ lich erhöhen konnte. Das unter Kontrakt des US-Bundesamtes für Aeronautik und Weltraumforschung (NASA) arbeitende Unternehmen hat das neue Wasser- stoff-Fluor-Triebwerk kürzlich erfolgreich erprobt.

In der vorangegangenen vierjährigen Entwicklungsarbeit wurde u.a. ver­ sucht, neben flüssigem Wasserstoff auch verflüssigtes Ammoniakgas, Hydrazin und Hydrazinverbindungen mit Fluor zu verbrennen. Nach Angaben des Präsiden­ ten der Gesellschaft, Mr. William G. Gisel, waren im Verlauf der Versuchs­ serien mehr als 600 Abschüsse von Raketen mit Schubleistungen bis zu 16 000 kg erforderlich.

Die durch Turbopumpen geförderten Treibmittel Wasserstoff und Fluor zünden, sobald sie in der Brennkammer zusammenkommen, spontan, so daß die Mitführung einer elektrischen Zündanlage entfällt. Die Fluor-Wasserstoff- Raketen sollen als obere Stufen von mehrstufigen Trägerraketen verwendet werden. Die Gewichtseinsparung infolge der viel einfacheren Raketenausrü­ stung bei Spontanzündung ermöglicht eine entsprechende Erhöhung der Nutz­ last bzw. Reduzierung der Größe bei gleicher Leistung. Das neue Zündver­ fahren erleichtert außerdem das Abschalten und die Reaktivierung eines Triebwerks im Fluge. Fluor gilt als das stärkste verfügbare Verbrennungsa­ gens. Die Experimente der Bell Aerosystems Company haben außerdem gezeigt.

1 - 'AMERIKA DIENST 7. Oktober 196O gezeigt, daß flüssiger Wasserstoff und flüssiges Hydrazin von allen flüssigen Treibmitteln den höchsten Nutzeffekt haben.

WELTWEITE WETTERBEOBACHTUNG MIT TIROS II

(27 Zeilen) Die Vereinigten Staaten haben 21 Länder zur Teilnahme an einem welt­ weiten meteorologischen Forschungsprogramm eingeladen, das mit dem Start des nächsten TIROS-Wetterbeobachtungssatelliten im Herbst dieses Jahres beginnen soll. Ähnlich wie zur Zeit des Internationalen Geophysikalischen Jahres ist vorgesehen, durch intensive meteorologische Beobachtungen in be­ stimmten Gebieten, in diesem Fall ergänzt durch zahlreiche Aufnahmen der Wolkenformationen durch TIROS II, synoptische Daten zu gewinnen, die als Grundlage für eine Verbesserung der Wettervorhersage dfenen könnten.

Die amerikanische Raumflugbehörde NASA, die zusammen mit dem Meteorolo­ gischen Bundesamt der USA das neue Forschungsprojekt ausgearbeitet hat, würd im Austausch gegen meteorologische Daten aus den einzelnen Ländern die über deren Gebieten aufgenommenen Wolkenbilder zur Verfügung stellen. Ebenso wie TIROS I wird auch TIROS II mit zwei Kameras ausgerüstet sein, darüber hinaus jedoch auch Infrarot-Strahlungsdetektoren enthalten, um die von der Erde abgegebene Wärmestrahlung zu messen.

Einladungen zur Teilnahme an diesem Versuch, die gesamte meteorolo­ gische Beobachtung auszubauen und dadurch die notwendigen Voraussetzungen für eine Verbesserung der Wettervorhersage zu schaffen, ergingen bisher an die Mitgliedstaaten im Ausschuß für Weltraumforschung (COSPAR) des in­ ternationalen Rates wissenschaftlicher Vereinigungen (ICSU) - Argentinien, Australien, Belgien, Dänemark, Bundesrepublik Deutschland, England, Frank­ reich, Indien, Italien, Japan, Kanada, Mexiko, Niederlande, Norwegen, Po­ len, Südafrikanische Union, Spanien, Schweden, Schweiz, Sowjetunion und Tschechoslowakei. An den Ergebnissen interessierte Länder, die nicht COSPAR-Mitglieder sind, können entsprechende Informationen sowie Aufnah­ men, die TIROS II liefert, durch die zentrale Auswertungsstelle des ICSU erhalten.

2 "AMERIKA DIENST 7. Oktober 196O

STAND DER ENTWICKLUNG THERMISCHER ATOMTRIEBWERKE IN DEN USA

( 42 Zeilen) Eine gemeinsame Arbeitsgruppe für Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet des Raketenantriebs durch Kernenergie wurde jetzt vom US- Bundesamt für Aeronautik und Weltraumforschung (NASA) und der US-Atom­ energie-Kommission (AEC) geschaffen. Das "Nuclear Propulsion Office - NPO" steht unter der Leitung von Harold B. Finger (NASA) und hat seinen Sitz in Germantown (Maryland).

Im Rahmen des Projekts ROVER wurden von NASA und AEC auf einem Ge­ lände in Nevada bereits gemeinsam Experimente mit den Versuchsreaktoren KIWI-A (Juli 1959) und KIWI-A Prime (Juli i960) durchgeführt; ein dritter Reaktor, KIWI-A 3» soll im Herbst 196O erprobt werden. Das zentrale Pro­ blem dieser Experimente ist die Übertragung der nuklearen Reaktionswärme auf den chemischen Treibstoff einer Rakete, um auf diese Weise die Aus­ strömgeschwindigkeit der Treibmasse und damit die Schubleistung zu er­ höhen. Der Reaktor spielt dabei eine ähnliche Rolle wie der Überhitzer­ kessel in einem Kraftwerk.

Solche thermischen Atomraketen ermöglichten eine wesentliche Steige­ rung des mit einer gegebenen Treibstoffmenge erzeugten Schubs. Sie weisen überdies einen Weg zur Einsparung von Raketenstufen bei gleicher Schub­ leistung. Die Bestrebungen der USA gehen dahin, einen Reaktor zu ent­ wickeln, der klein und kompakt genug ist, um in eine Rakete eingebaut werden zu können, und der innerhalb von Sekunden die Energiemenge erzeugt, für die ein herkömmlicher Reaktor Stunden oder gar Tage benötigt.

Bei den Experimenten im Rahmen des gegenwärtigen KI.VI-Reaktorpro- gramms läßt man flüssigen Wasserstoff durch die Reaktionswärme aufheizen. Jedoch sind noch so viele Probleme der Wärmetechnik, der Werkstofftechnik und Reaktionskontrolle zu lösen, daß vor 1965 nicht mit Testflügen thermi­ scher Atomraketen gerechnet werden kann.

Nach Koordinierung der wissenschaftlichen und technischen Aufgaben des Projekts ROVER in der NFO-Arbeitsgruppe ist die AEC weiterhin für die Entwicklung der Reaktoren und deren Zubehör zuständig, während die NASA

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NASA die Verantwortung für die nicht-nuklearen Teile und die Integration der nuklearen Komponenten in die Triebwerke und in den Raketenkörper trägt.

Inzwischen hat die NASA zwei Forschungsaufträge in Höhe von je 100 000 Dollar an die Lockheed Aircraft Corporation und die Martin Company vergeben. Innerhalb von 6 Monaten, also bis Ende Januar 1961, sol­ len die beiden Firmen Konstruktionspläne als Arbeitsbasis für die Durch­ führung praktischer Versuche mit thermischen Atomraketen vorlegen sowie Unterlagen für das Entwicklungsprogramm, für Flugtests und Flugkontroll­ einrichtungen, über alle Sicherheitsfaktoren und über die zeitliche Koor­ dinierung der verschiedenen Entwicklungsphasen ausarbeiten. Praktische Versuche im Rahmen dieser Studie sind nicht vorgesehen.

VIERSTUFIGE FESTSTOFFRAKETEN ERPROBT

( 42 Zeilen) Der erste Flugversuch mit einer vierstufigen Rakete vom Typ SCOUT, den die US-Luftstreitkräfte am 21. September i960 von Cape Canaveral aus unternahmen, kennzeichnet ebenso wie der Abschuß der Strahlenmeß-Sonde NERV mit einer ARGO D-8 am 19• September von Point Arguello (Kalifornien) aus den Fortschritt im Bau von Feststoffraketen in den USA. SCOUT und ARGO D-8 verbrennen in allen vier Stufen,auch in der Startstufe, festen Treibstoff. Die komplizierten Systeme zur Treibstoff-Förderung, die bei den Flüssigkeitsraketen das Startgewicht erheblich erhöhen und überdies eine häufige Gefahrenquelle in bezug auf die Auslösung eines Fehlstarts darstellen, sind bei Feststoffraketen überflüssig. Diese können, was bei Flüssigkeitsraketen undenkbar ist, mitsamt dem Treibstoff längere Zeit gelagert und sogar transportiert werden. Die bisherigen technischen Schwie­ rigkeiten hinsichtlich der Kontrolle ihrer Schubleistung, Schubrichtung und des Brennschlusses der einzelnen Stufen scheinen überwunden zu sein.

Ziel des SCOUT-Programms ist die Entwicklung von Raketensystemen, die wesentlich billiger als Flüssigkeitsraketen sind und für wissenschaftliche wie militärische Aufgaben gleichermaßen eingesetzt werden können. Der erste

- 4 - "AMERIKA DIENST" 7. Oktober i960 erste Testflug der BLUE SCOUT JR, wie die Forschungs- und Entwicklungs­ abteilung der US-Luftstreitkräfte (ARDC) den neuen Raketentyp bezeich­ net, diente nur der praktischen Erprobung von Antrieb, Steuerung und Flugstabilität. Im Gegensatz zum Flugversuch mit der ARGO D-8 war eine Bergung der etwa 15 kg schweren, in der Endstufe mitgeführten Instrumen­ tenkapsel nicht vorgesehen; diese hatte verschiedene Strahlenmeßgeräte an Bord, jedoch war schon bald nach dem Start die Funkverbindung zum Instrumentenbehälter abgerissen.

Inzwischen sind Wissenschaftler des Goddard-Instituts für Raumflug (in der Nähe Washingtons) dabei, die mit Hilfe des Instrumentensatzes der ARGO D-8 ermittelten Meßdaten auszuwerten. Die 37»6 kg schwere Instru­ mentenkapsel war aus fast 2000 km Höhe am Fallschirm wohlbehalten zur Erde zurückgekehrt und etwa drei Stunden nach dem Start der Rakete durch einen amerikanischen Zerstörer aus dem Pazifik geborgen worden.

In die glockenförmige Kapsel war ein beweglicher Zylinder eingebaut, der 25 Filmpacks mit Kernspuremulsionen enthielt. Auf Grund der von ener­ giereichen Teilchen im Zusammenwirken mit den Atomen der Emulsion ausge­ lösten Reaktionen, die als charakteristische Bahnspuren auf dem Film sicht­ bar gemacht werden können, hofft man, Art und Stärke der Weltraumstrahlung bis in etwa 2000 km Höhe genauer als bisher ermitteln zu können. Ein klei­ ner Elektromotor bewirkte das Einziehen des dünnwandigen Metallzylinders in die stoß- und wasserfeste Kapselglocke, ehe diese die "Hitzebarriere" beim Passieren der dichten Luftschichten zu überwinden hatte. NERV(» Nuclear Emulsion Recovery Vehiclej-Experimente sollen später mit SCOUT-Raketen auf Höhenbereiche um 8000 km ausgedehnt werden.

ACHTUNG! Auf Anforderung der Redaktionen übersendet der AMERIKA DIENST an Zeitungen und Zeitschriften kostenlos folgendes Bild:

Ein Techniker erprobt die Beweglichkeit des Metallzylinders am NERV-Instrumentenbehälter, der die Kernspuremulsionen zur Regi­ strierung energiereicher Weltraumstrahlung enthält. Die bei dem Experiment außerdem mitgeführten und inzwischen an die Staats­ universität Florida zur Untersuchung übergebenen Pilzkulturen dürften wertvolle Hinweise zur Frage der Auswirkungen kosmischer Strahlen auf lebende Zellen, insbesondere der Auslösung von Mutationen,liefern.

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^ "ALIERIKA DIENST 7. Oktober 196O

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ZULl WAHLJAHR 1 960

WAHLVERSAMMLUNG MIT MILLIONENBETEILIGUNG Nixon und Kennedy vor der Fernsehkamera Von John Kerigan

(60 Zeilen) WASHINGTON - (AD) - Wer sich von der Fernsehdiskussion der beiden amerikanischen Präsidentschaftskandidaten in der vergangenen Woche eine Art politisches Feuerwerk versprach, war falsch beraten.

Das Gegenteil war der Fall. Die Sendung spielte sich vor einem überaus schlichten Hintergrund in überaus würdiger Form ab. Die Kandidaten nahmen abwechselnd zu den zur Diskussion stehenden Themen Stellung, ganz ohne je­ nes flammende Pathos, das den politischen Rednern von gestern so unentbehr­ lich schien. Dennoch fehlte ihren Ausführungen keineswegs die Überzeugungs­ kraft, wenn auch deutlich wurde, daß den Sprechern mehr daran lag, ihre Erläuterungen verständlich vorzutragen, als daran, dem Publikum den Ein­ druck eines gegenseitigen politischen Kreuzverhörs zu vermitteln.

Dem Studio fehlte ebenfalls jene mit Wahlpropaganda häufig überladene und den meisten Leuten sattsam bekannte WahlVersammlungsatmosphäre. Einige wenige Stühle, zwei einfache Rednerpulte, ein kleiner Schreibtisch, alles von spartanischer Einfachheit, bildeten das Szenarium. Als die Millionen Bildschirme im Lande aufflammten, zeigten sie zu beiden Seiten der Bild­ fläche sitzend die Präsidentschaftskandidaten, die auf die Ansage des Netzwerksprechers warteten, der an dem kleinen Schreibtisch in der Mitte Platz genommen hatte.

Die einstündige Diskussion war sehr gut vorbereitet worden und ver­ lief glatt. Das Ergebnis war ein informativer und nachhaltiger Eindruck von den beiden zur Zeit wichtigsten Männern der USA in Aktion, unbeein- t rächtigt durch überflüssige Studioausstattung und Programmdetails oder auch eine zu intensive Kameratätigkeit. Die Kameras folgten den Sprechern "AMERIKA DIENST" 7. Oktober i960

Sprechern ständig, zeigten diese zeitweilig auch in Großaufnahme, "jedes Stirnrunzeln, jedes Zucken des Augenlids, jeden Anflug eines Lächelns", wie ein Zuschauer es beschrieb.

Kein anderes Medium hätte Vizepräsident Nixon und Senator Kennedy die Möglichkeit eines solcherart direkten Kontaktes mit den Wählern auf so breiter Basis bieten können. Fernsehen ist zwar in den USA seit Jahren eine der Selbstverständlichkeiten des modernen Lebens, aber man macht sich noch immer keinen rechten Begriff davon, wie wirksam es bei der Herstellung persönlicher Beziehungen zu einer großen Anzahl von Leuten sein kann. Im vorliegenden Falle waren es nach vorsichtiger Schätzung mehr als 73 Millionen Fernseher - die Rundfunkhörer nicht eingeschlossen -, die sich aus eigenem Hören und Sehen ein Bild von ihrem zukünftigen Präsidenten machen konnten.

Die Diskussion, kreiste ausschließlich um Fragen der Innenpolitik, um Landwirtschaft, Erziehungswesen, Steuern, Staatshaushalt, Wirtschaft und staatliche Gesundheitsfürsorge. Jedem Sprecher standen acht Minuten Sprechzeit zu, um seine Auffassung zu dem jeweiligen Themenkreis darzu­ legen, und drei Minuten für eine abschließende Zusammenfassung. Dazwischen hatten sie die Aufgabe, die von Nachrichtenleuten von vier großen Netz­ werken an sie gestellten Fragen zu beantworten und selbst zu Antworten des Gegenkandidaten Stellung zu nehmen. Obwohl sich die Zeit am Ende dennoch als nicht ausreichend erwies, war es erstaunlich, mit welcher Umsicht, Weitsicht und Gründlichkeit die Kandidaten sich ihrer Aufgabe entledigten.

Die Presse hat sich anschließend ausführlich mit der Frage, wer besser war, wer "gewann", beschäftigt, und Meinungsbefrager gingen sogar so weit, Einzelpersonen danach zu befragen,ob die Diskussion ihre bisherige poli­ tische Einstellung beeinflußt habe. Die Ergebnisse der Umfragen lassen in­ des keine Rückschlüsse zu. Insgesamt aber konnte festgestellt werden, daß das Programm den Belangen der Demokratie einen bemerkenswerten Dienst er­ wiesen hat.

Jetzt, da man diesen Schritt einer Gegenüberstellung von Kandidaten erstmals getan und das Fernsehstudio wie selbstverständlich in den Wahl­ kampf mit einbezogen hat, wird nach diesen ersten positiven Erfahrungen mit weiteren Sendungen dieser Art auch in Zukunft zu rechnen sein. Zunächst

- 7 - "AMERIKA DIENST" 7. Oktober i960

Sprechern ständig, zeigten diese zeitweilig auch in Großaufnahme, "jedes Stirnrunzeln, jedes Zucken des Augenlids, jeden Anflug eines Lächelns", wie ?in Zuschauer es beschrieb.

Kein anderes Medium hätte Vizepräsident Nixon und Senator Kennedy die Möglichkeit eines solcherart direkten Kontaktes mit den Wählern auf so breiter Basis bieten können. Fernsehen ist zwar in den USA seit Jahren eine der Selbstverständlichkeiten des modernen Lebens, aber man macht sich noch immer keinen rechten Begriff davon, wie wirksam es bei der Herstellung persönlicher Beziehungen zu einer großen Anzahl von Leuten sein kann» Im vorliegenden Falle waren es nach vorsichtiger Schätzung mehr als 73 Millionen Fernseher - die Rundfunkhörer nicht eingeschlossen -, die sich aus eigenem Hören und Sehen ein Bild von ihrem zukünftigen Präsidenten machen konnten.

Die Diskussion; kreiste ausschließlich um Fragen der Innenpolitik, um Landwirtschaft, Erziehungswesen, Steuern, Staatshaushalt, Wirtschaft und staatliche Gesundheitsfürsorge. Jedem Sprecher standen acht Minuten Sprechzeit zu, um seine Auffassung zu dem jeweiligen Themenkreis darzu­ legen, und drei Minuten für eine abschließende Zusammenfassung. Dazwischen hatten sie die Aufgabe, die von Nachrichtenleuten von vier großen Netz­ werken an sie gestellten Fragen zu beantworten und selbst zu Antworten des Gegenkandidaten Stellung zu nehmen. Obwohl sich die Zeit am Ende dennoch als nicht ausreichend erwies, war es erstaunlich, mit welcher Umsicht, Weitsicht und Gründlichkeit die Kandidaten sich ihrer Aufgabe entledigten.

Die Presse hat sich anschließend ausführlich mit der Frage, wer besser war, wer "gewann", beschäftigt, und Meinungsbefrager gingen sogar so weit, Einzelpersonen danach zu befragen,ob die Diskussion ihre bisherige poli­ tische Einstellung beeinflußt habe. Die Ergebnisse der Umfragen lassen in­ des keine Rückschlüsse zu. Insgesamt aber konnte festgestellt werden, daß das Programm den Belangen der Demokratie einen bemerkenswerten Dienst er­ wiesen hat.

Jetzt, da man diesen Schritt einer Gegenüberstellung von Kandidaten erstmals getan und das Fernsehstudio wie selbstverständlich in den Wahl­ kampf mit einbezogen hat, wird nach diesen ersten positiven Erfahrungen mit weiteren Sendungen dieser Art auch in Zukunft zu rechnen sein. Zunächst

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Zunächst sind für den Monat Oktober drei Sendungen vorgesehen, und wenn die Vorhersagen korrekt sind, werden sie noch mehr Amerikaner vor die Fernsehschirme bringen als beim erstenmal, wo 65 Prozent aller Apparate besitzenden amerikanischen Familien die Sendung verfolgten.

AMERIKAS PRÄSIDENTEN KAMEN AUS ALLEN BEVÖLKERUNGSSCHICHTEN Washington war Gutsbesitzer. Lincoln wurde im Blockhaus geboren. Wilson lehrte als Universitätsprofessor

(80 Zeilen)

Die beiden diesjährigen Präsidentschaftskandidaten der Vereinigten Staaten haben zumindest eines nicht nur miteinander, sondern auch mit fast allen bisherigen Präsidenten der USA gemeinsam: eine reiche Erfahrung im öffentlichen Dienst. Nixon ist seit acht Jahren Vizepräsident und war vor­ her Kongreßabgeordneter und Senator; Kennedy gehört dem amerikanischen Kongreß seit Anfang 1947 an, er war zunächst Abgeordneter und wurde 1953 in den Senat gewählt.

Was ihre Herkunft und ihre Berufstätigkeit betrifft, so haben beide Kandidaten "Vorläufer" unter den bisherigen 33 *) Präsidenten der Vereinig­ ten Staaten. Nixon kommt aus dem Mittelstand (sein Vater betrieb ein Le­ bensmittelgeschäft und eine Tankstelle in einem kleinen kalifornischen Ort); er studierte Rechtswissenschaft und war fünf Jahre lang als Anwalt tätig. Kennedy entstammt einer sehr reichen Familie aus Massachusetts, studierte an der Harvard-Universität und in England Volkswirtschaft und Staatswissen­ schaften, tat während des Krieges Dienst in der Kriegsmarine und arbeitete im Jahre 1946 als Journalist. - All dies hat es aber auch schon unter den früheren Präsidenten gegeben: Es gab solche, die sehr begütert waren und solche aus bescheideneren Verhältnissen, viele mit juristischer Vorbildung und einen,Warren G. Harding, der eine journalistische Tätigkeit ausübte. (Einer der berühmtesten Journalisten Amerikas, Horace Greeley, war übrigens ebenfalls Präsidentschaftskandidat, unterlag aber in der Wahl des Jahres 1872.) lei JÜ Die offizielle Liste umfaßt 34 Namen, da Präsident Grover Cleveland, dessen zwei Amtsperioden nicht aufeinanderfolgten, als 22. und 24. Prä­ sident gezählt wird. - 8 - "AMERIKA DIENST" 7. Oktober 196O

Bei einer Umfrage, die vor einigen Jahren unter der Leitung des bekannten Schriftstellers und Historikers Arthur M. Schlesinger durch­ geführt wurde, erklärten 55 Geschichtsforscher und Staatswissenschaft­ ler, die bedeutendsten Persönlichkeiten unter den Präsidenten Amerikas bis zum Ende des zweiten Weltkrieges seien George Washington, Thomas Jefferson, Andrew Jackson, Abraham Lincoln, Woodrow Wilson und Franklin D. Roosevelt gewesen.

In den ersten Zeiten der jungen Republik kamen die Präsidenten meist aus begüterten Kreisen: George Washington könnte man einen Landedelmann nennen, Thomas Jefferson war ein angesehener Jurist und Politiker, Abraham Lincoln hingegen, der von vielen Amerikanern als der größte Präsident der amerikanischen Geschichte betrachtet wird, wurde in einem armseligen Blockhaus am Rande der Wildnis geboren und erreichte nur durch ungeheuren Fleiß und Willenskraft jene Kenntnisse, die ihn befähigten, Rechtsanwalt zu werden und sich auf diesem Gebiet schließlich einen Namen zu machen. Andrew Jackson war in vielen Eigenschaften im Dienste der Öffentlichkeit tätig, ehe er Präsident wurde: er war Rechtsanwalt, Berufsoffizier, Rich­ ter, Kongreßabgeordneter und Senator.

John Quincy Adams war - so wie die meisten Präsidenten der frühen amerikanischen Geschichte - zur Zeit seiner Wahl schon eine bekannte Per­ sönlichkeit, war er doch Diplomat, Senator und Außenminister gewesen. Er wurde übrigens bald nach Ablauf seiner Amtszeit als Abgeordneter in den Kongreß gewählt und übte sein Abgeordnetenmandat bis zu seinem Tode noch 17 Jahre lang aus.

Woodrow Wilson war Professor für Wirtschafts- und Staatswissenschaf­ ten, Präsident der berühmten Princeton-Universität und Gouverneur von New Jersey, ehe er zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt wurde. Für seine Friedensbemühungen während und nach dem ersten Weltkrieg erhielt er 1919 den Friedensnobelpreis.

Auch Präsident Franklin D. Roosevelt war vor seinem Amtsantritt Gouverneur (des Staates New York) gewesen. Insgesamt 12 der bisherigen 33 Präsidenten waren Gouverneure von Bundesstaaten, ehe sie zum Präsiden­ ten gewählt wurden, sehr viele waren Kongreßmitglieder und neun hatten vor­ her einen Ministerposten inne. Zehn waren Vizepräsidenten gewesen und wurder

- 9 - "AMERIKA DIENST 7. Oktober i960 wurden später entweder selbst zum Präsidenten gewählt oder rückten durch den Tod eines Präsidenten in dessen Amt auf. Zwei Drittel aller Präsi­ denten hatten als Rechtsanwälte gearbeitet oder zumindest Rechtswissen­ schaft studiert, fünf waren Berufsoffiziere, zwei waren Richter, und viele von ihnen hatten Ämter in einer Landesregierung ausgeübt.

Geographisch gesehen, kam der weitaus größte Teil der amerikanischen Präsidenten aus dem Nordosten des Landes und aus Staaten an der Atlantik­ küste: 18 Präsidenten stammen aus dem Nordosten (Massachusetts, New York, New Hampshire, New Jersey, Ohio, Pennsylvanien, Vermont),11 aus Südstaaten an der Atlantikküste (davon gleich 7 aus Virginia) und nur 4 aus anderen Staaten, darunter die beiden letzten Präsidenten: Präsident Truman (Missouri) und Präsident Eisenhower (Texas). Das erklärt sich hauptsächlich daraus, daß noch bis vor wenigen Jahrzehnten der Bevölkerungsschwerpunkt der USA in diesen Gebieten lag. Auch heute noch ist die Bevölkerungsdichte in den Neuenglandstaaten am größten, wenn auch die neuen Einwohnerzahlen eine Verschiebung des Schwerpunktes nach Westen zeigen. Nixon wäre der erste Präsident aus Kalifornien, Kennedy der dritte Präsident aus Massachusetts (und der erste seit 1829).

Mit Ausnahme von James Buchanan waren alle amerikanischen Präsidenten verheiratet. Sieben Präsidenten starben während ihrer Amtszeit; das bisher höchste Alter aller Expräsidenten erreichte John Adams (Amtszeit 1797- 1801), der 90 Jahre alt wurde, und Expräsident Hoover (1929-1933), der im 87» Lebensjahr steht; Expräsident Truman hat das 76» Lebensjahr vollendet. Der jüngste Präsident war Theodore Roosevelt, der 1901, nach der Ermordung Präsident McKinleys,als Vizepräsident im Alter von nicht ganz 43 Jahren das Amt des Präsidenten übernahm. Senator Kennedy wäre also im Falle seiner Wahl zwar nicht der jüngste Präsident der amerikanischen Geschichte, wohl aber der jüngste direkt in dieses Amt gewählte Kandidat.

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VON KUNST UND KÜNSTLERN

DIE WELT DER KINDERMUSEEN Von Dorothy Barclay

Nachstehenden Artikel entnehmen wir in gekürzter Passung der Zeitschrift "The New York Times Ma­ gazine". Wir bitten zu beachten, daß der Nach­ druck nur mit Angabe des Verfassers, der Quelle und dem Vermerk "(c) i960 by The New York Times Company" gestattet ist. (72 Zeilen)

Es ist bekannt, daß auf dem Gebiet des Bildungswesens gewöhnlich mehrere Jahrzehnte vergehen, bis eine neue Idee sich allgemein durchge­ setzt hat. So gesehen, wären auch die auf dem Gebiete der Kindermuseen im Laufe der vergangenen 50 Jahre erzielten Fortschritte durchaus normal.

Es war in der Weihnachtszeit des Jahres 1899, als in Brooklyn (New York das erste Kindermuseum der USA eröffnet wurde: zwei bescheidene Räume im Erdgeschoß einer alten, im viktorianisehen Stile erbauten Villa im Bezirk von Bedford Park. Vierzehn Jahre später erfolgte die Eröffnung eines Kinder­ museums in Boston (Massachusetts), und weitere vierzehn Jahre später gab es ein solches auch in Indianapolis (Indiana) in Detroit (Michigan) und in Hartford (Connecticut) .

Das Brooklyn-Kindermuseum konnte im Jahre 1949 sein 50jähriges Be­ stehen feiern, ein Ereignis, das auch andere Städte dazu veranlaßte, sich mit dem Gedanken der Errichtung eines eigens für Kinder geschaffenen Mu­ seums einmal näher zu befassen.

Zu den ersten Schaustücken des Brooklyn-Kindermuseums gehörten umfangreiche und interessante Muschel- , Insekten- und Mineraliensammlungen die ihm vom Brooklyn-Museum für Kunst und Wissenschaften zur Verfügung gestellt wurden, dessen Unterabteilung es ist. Inzwischen

11 "AMERIKA DIENST" 7. Oktober 196O

Inzwischen freilich sind aus den ursprünglichen zwei Räumen zwei geräumige Häuser geworden, die jährlich eine Besucherzahl von rund einer Viertelmillion aufzuweisen haben. Durch seine reichhaltigen Sammlungen, das Planetarium, seine sorgfältig zusammengestellten und fachkundig durch­ geführten Lehr- und Bildungsprogramme versteht es das Museum großartig, das Interesse der Kinder auf den verschiedensten Gebieten des Wissens zu wecken, Indianer, Raumfahrt, Vogelbeobachtung und das Schachspiel, um nur einige herauszugreifen, eingeschlossen.

Alle Eltern, die einmal in der peinlichen Situation waren, ihren

i Kindern die oft hochwissenschaftlichen Beschriftungen an Museumsschau­ kästen und Ausstellungsstücken verständlich machen zu müssen, wissen die Arbeit zu schätzen, die die Kuratoren der Kindermuseen in den USA insbe­ sondere in dieser Hinsicht geleistet haben. Und sie sind nicht minder dank­ bar für das Verständnis, das sie für die Befriedigung kindlicher Neugier aufbringen, wenn sie den Kindern gestatten, die Dinge nicht nur anzuschauen, sondern auch zu berühren. Im Brooklyn-Museum jedenfalls ist es so. Ritterrüstungen dürfen an­ probiert werden; man darf in alten Holzschuhen herumstapfen, an Butterfäs­ sern aus der Kolonialzeit drehen, mit primitiven Handwaffen wie auch mit echten indianischen Pfeilen und Bögen umgehen, und man darf Tiere - aus­ gestopfte und lebende - berühren und sogar auf den Arm nehmen. Dies ist insofern wichtig, als vielen Stadtkindern von heute eine Henne ebenso fremd ist wie ein Ameisenbär. Und auch zu Steinen und Felsbrocken hat man eine andere Beziehung, wenn man sie erst einmal in der eigenen Hand gespürt hat.

Es gibt kaum einen geeigneteren Platz für einen vergnüglichen Nach­ mittag mit Kindern als ein gutgeführtes Kindermuseum. Eine Mutter von zwei wißbegierigen Buben hat es einmal ganz reizend folgendermaßen for­ muliert: "Das Museum ist wie ein Fernrohr oder ein Vergrößerungsglas. Es bringt ferne Dinge näher und läßt die kleinen groß erscheinen, so daß man sie bequem beobachten kann. Es hat den Gesichtskreis der Buben gewei­ tet und ihr Auge und Auffassungsvermögen geschärft. Es hat sie sehender und wissender gemacht, und es hat ihnen gezeigt, daß die ganz großen Dinge wie die Eroberung des Weltraums und die ganz kleinen Dinge wie das Kennen­ lernen der verschiedenen Moose nicht so weit voneinander entfernt sind, wie sie es sich vorgestellt hatten." Die

- 12 "AMERIKA DIENST" 7. Oktober 1960

Die Initiative, die hinter Einrichtungen wie diesen steckt, geht immer von einzelnen Erwachsenen aus. Sie haben die Idee, sorgen für ihre Verwirklichung, bringen Gelder auf, opfern Zeit und Arbeitskraft. An den amerikanischen Kindermuseen haben Frauenorganisationen und Männerklubs gleichen Anteil. Ein gutes Beispiel dafür ist die kürzlich in Brooklyn gegründete Children's Museum Guild. Ihr gehören Eltern an, die sich abwechselnd für die Arbeit im Museum zur Verfügung stellen, die Bibliothek betreuen, sich als Führer betätigen oder Spendenwerbung betreiben.

Auch das Kindermuseum in Hartford erfreut sich bei seiner Arbeit einer regen Beteiligung der Elternschaft. Sie zeigte sich besonders hilfsbereit, als kürzlich umgezogen wurde. Siebzig Wagenladungen waren zu bewältigen. Die Mütter richteten ein, während die Väter tünchten, hämmerten und überall dort zufaßten, wo Väter eben am besten helfen können.

Im Staten Island Museum besorgt die Junior Museum Guild, eine Eltern­ vereinigung, das Programm des Kindermuseums. Bazare bringen das Geld ein, das man braucht, um erstklassige Pädagogen und Fachkräfte für das Bildungs­ programm des Museums engagieren zu können und Ankäufe zu tätigen, die sonst nicht möglich wären. So erwarb das Museum kürzlich die Holzplastik einer spanischen Madonna aus dem 12. Jahrhundert, eine ägyptische Grab­ figur und eine Hieroglyphen-Tafel. Großen Spaß bereitet Müttern wie Kindern die Arbeit im Naturschutzgehege, das zum Museum gehört.

Aus "The New York Times Magazine". Copyright-Vermerk beachtenl

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- 13 - "AMERIKA DIENST" 14. Oktober 196O

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MEDIZIN

WELTWEITE ERFOLGE IM KRIEG GEGEN DIE MALARIA

Aus "United Nations Review". Bei Nachdruck Quellenangabe erforderlich.

( 110 Zeilen)

Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit schlössen sich vor fünf Jahren die Nationen zu einer Koalition zusammen, die aus der schärf­ sten Kampfansage gegen die Menschheitsgeißel Malaria geboren war. Der Be­ schluß dazu war auf der 8. Jahreskonferenz der Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Jahr 1955 in Mexico City gefaßt worden und hatte nicht mehr und nicht weniger als die vollständige Ausrottung der Malaria zum Ziel.

Warum ausgerechnet der Malaria? Nun, dafür gab es zwei gewichtige Gründe: Einmal ist Malaria eine verheerende Volksseuche, und die teuerste dazu. Zum andern war auf Grund der in kleinerem Rahmen bereits durchgeführ­ ten Bekämpfungsaktionen erwiesen, daß die Ausrottung dieser Krankheit tech­ nisch und praktisch möglich ist.

Malaria ist alles andere denn ein Kreuz, das der Bevölkerung - und den Volkswirtschaften - tropischer und subtropischer Gebiete nun einmal auf­ erlegt ist und mit dem sie sich, so gut es eben geht, abfinden. Abgesehen davon, daß diese hartnäckige Volksseuche und soziales Elend in enger Wechsel. Wirkung miteinander stehen, kann Malaria sehr schnell in eine schwere Epide­ mie und - wie es im Jahr 1958 in Äthiopien der Fall war - in eine nationale Katastrophe ausarten. Schon im Juni, drei Monate vor der üblichen Zeit, be­ gann sie sich damals epidemisch auszubreiten. Sie drang selbst in die sonst malariafreien Gebirgsgegenden in 2000 m Höhe und darüber vor, in denen nor­ malerweise die Moskitos, die die Krankheit übertragen, nicht lebensfähig sind. Die Bergbevölkerung, der Malariaattacken völlig ungewohnt, wurde be­ sonders hart betroffen. Nach vorsichtigen Schätzungen erkrankten mindestens drei Millionen Menschen, 100 000 starben. Derartige "AMERIKA DIENST' 14. Oktober 196O

Derartige Malaria-"Explosionen" können unübersehbare Katastrophen heraufbeschwören - aber daneben nagt ja die chronische Malaria jahrein, jahraus an Gesundheit, Wohlstand und Glück. Man schätzt beispielsweise die volkswirtschaftlichen Verluste, die jährlich durch Malaria entstehen, in Thailand auf 15 Millionen, in Mexiko auf 175 Millionen und in Indien auf 500 Millionen Dollar. Gegenüber solchen Zahlen erscheinen die Kosten für die Aktionen zur Ausrottung dieser Krankheit einfach lächerlich gering. In Afghanistan wurden von 1949 bis 1959 für die gesamten Bekämpfungsmaß­ nahmen nicht mehr als 750 000 Dollar aufgewandt - wohlgemerkt, zur Bekämpfung der gleichen Malaria, die unter den Betroffenen Einkommensverluste in Höhe von 20 Millionen Dollar zur Folge hatte.

Das erste Gebiet, das durch moderne Bekämpfungsmaßnahmen malariafrei gemacht wurde, war Sardinien. Dr. Paul F. Russell von der Rockefeller- Stiftung schreibt dazu: "Als ich im Jahr 1929 das erstemal Sardinien be­ suchte, war ich entsetzt, unter welchen Verhältnissen viele Kinder in ma­ lariaverseuchten Gegenden aufwuchsen. Überall in den Straßen traf ich auf traurige kleine Gestalten mit aufgedunsenen Bäuchen und blassen Gesichtern die teilnahmslos in den Torwegen und Hauseingängen hockten. Bei meinem letzte Besuch, 1950} dagegen sah ich, wo ich auch hinkam, gesunde Kinder, die, wie überall in der Welt, sich draußen vergnügten - lebendiger Beweis für den Erfolg und die Notwendigkeit der Aktion."

Im gleichen Jahr besuchte Dr. Russell auch Oristano in WestSardinien. Es gab einmal ein Sprichwort: "Chi va al Oristano resta al Oristano" ("V/er einmal nach Oristano geht, kommt nie mehr zurück1'). In dem inmitten von Sümpfen gelegenen Ort herrschte früher ein unbeschreibliches Elend, Krankheit und Hunger waren die Hausgenossen der Menschen. Aber auch hier war 1950 nichts mehr von der Seuche zu spüren: blühende Bauernhöfe, wohin man blickte, Menschen mit neuem Unternehmungsgeist und, was das Wichtigste war, eine gesunde Jugend. Der Gesundheitsstandard der Jugend in Malariage­ bieten ist ein zuverlässiger Gradmesser für die endemische Erkrankung der gesamten Bevölkerung.

Mit kostspieligen und mühsamen Methoden, die in vielen Ländern vor dem zweiten Weltkrieg mit unterschiedlichem Erfolg angewandt worden waren, hatte Sardinien den Kampf gegen die Malaria geführt: Man versuchte zunächst

2 "AMERIKA DIENST" 14. Oktober i960

zunächst,die Kranken mit Chinarinde (später mit Chinin) zu behandeln, drang auf die Anbringung von Moskitonetzen, sorgte für eine hygienische Trink­ wasserversorgung und eine systematische Trockenlegung der Sümpfe, man schickte, wie beim Bau des Panamakanals, Spezialtrupps zur Vernichtung der Anophelesmücken aus, die die Malaria übertragen, und ging mit Gasöl und Deckgrün ihren Larven zu Leibe. Solche Maßnahmen waren aber nur in Gemeinwesen durchführbar, bei denen dies angesichts ihrer völkischen, wirtschaftlichen oder militärischen Bedeutung als ein dringendes Gebot erschien; wenige Bevölkerungsgruppen erhielten somit eine "bevorzugte Behandlung". Die Gebiete, in denen die Malaria unter Kontrolle gebracht wurde, waren nur kleine Punkte auf der großen Seuchenkarte.

Erst die Entdeckung des DDT durch den 1948 mit dem Nobelpreis für Medizin ausgezeichneten Schweizer Chemiker Paul Hermann Mueller brachte hier eine entscheidende Wende. Die Malariabekämpfung begann nunmehr mit dem Besprühen der Zimmer- und Hausinnenwände, an denen sich die Moskitos nach dem Vollsaugen mit Menschenblut festsetzen, mit DDT. Die Malariakran­ ken wurden mit chemotherapeutischen Mitteln behandelt, womit der Ausbrei­ tung der Krankheit selbst Einhalt geboten wird. Denn wenn die blutsaugen- den Mücken keine Malariaerreger (Malariaplasmodien, die beispielsweise nach Chiningebrauch im Blut nicht mehr feststellbar sind) übertragen können, ist die Volksseuche praktisch unter Kontrolle gebracht und ihre endgültige Ausrottung nur noch eine Frage der Zeit.

Es ist ein gigantisches Unternehmen, das die Weltgesundheitsorgani­ sation zur weltweiten Malariabekämpfung mit Tausenden von Spezialisten­ gruppen und Millionen Tonnen von Material begonnen hat. Millionen Häuser müssen desinfiziert, Millionen von Blutproben gesammelt und untersucht werden. In die entlegensten Siedlungen transportiert man mit Fahrzeugen aller Art, mit Elefanten, Kamelen und Eseln die notwendigen Utensilien. Die Arbeit Hunderter von Laboratorien muß koordiniert und ein regelmäßiger Erfahrungs- und Meinungsaustausch zwischen Forschern und technischem Per­ sonal gewährleistet werden. Ohne regelmäßige und eindringliche Aufklärungs­ und Beratungsaktionen unter der Bevölkerung, Ausdauer in der Anwendung vorbeugender Maßnahmen sowie eine genaue Überwachung der Bevölkerungszahl und der Einwohnerfluktuation in malariaverseuchten Gebieten brächten .jedoch

- 3 - AMERIKA DIENST" 14. Oktober 196O jedoch auch diese Mühen nur halben Erfolg.

Die Ausrottung der Malaria ist aber auch eine finanzielle Frage. Man schätzt, daß pro Kopf der Bevölkerung nicht ganz 1 Dollar aufgewen­ det werden muß. 1958 brachten WHO, Panamerikanische Gesundheitsorganisa­ tion, UN-Kinderhilfsfonds und ICA (die von den USA geschaffene Verwaltung für Internationale Zusammenarbeit) zusammen 29 Prozent der in jenem Jahr für die Malaria-Aktion ausgegebenen 109 Millionen Dollar auf, 71 Prozent die malariabetroffenen Länder selbst. Die größten freiwilligen Beiträge zu dem von der WHO eingerichteten "Sonderkonto Malaria-Ausrottung" leiste­ ten bisher die Vereinigten Staaten.

Die Bilanz zum augenblicklichen Stand der Malariabekämpfung in aller Welt ergibt folgendes Bild: Von 1 237 000 000 Menschen in malariaver­ seuchten Gebieten sind 2^8 000 000 von dieser Geißel befreit worden. Wei­ tere 641 000 000 leben in den 65 Ländern bzw. Territorien, in denen rea­ listische Pläne für die Durchführung wirksamer Großaktionen bereits vor­ liegen. In den Vereinigten Staaten, auf Martinique, den Barbados-Inseln, Puerto Rico, in Chile, in den holländischen Marsch-Gebieten, auf Korsika, in Italien, der Ukraine, in Weißrußland, den meisten anderen Teilen der Sowjetunion und auf Zypern ist die Malaria völlig, in Israel nahezu ausgerottet. In die Bekämpfungsaktion sind ganz Indien, Indonesien und Brasilien einbezogen, alles Länder, die bisher der Malaria den höchsten Tribut zu zollen hatten. In einer Zeit, da der Mensch im Begriff ist, den Mond zu erobern, sollte er wahrlich in der Lage sein, einem der schlimmsten Feinde des Menschengeschlechts auf seinem eigenen Planeten den Garaus zu machen.

Aus "United Nations Review". Bei Nachdruck Quellenangabe erforderlich.

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VEREINTE NATIONEN

DIE BEITRÄGE DER UDSSR ZU DEN UN-HILFEPROGRAMMEN SIND NACH WIE VOR GERING

(65 Zeilen) NEW YORK - (AD) - Obgleich die Sowjets ständig den Reichtum und die Macht der UdSSR im Munde führen, sind es dennoch nur geringfügige Beträge, die sie zu den Hilfeprogrammen der Vereinten Nationen beizusteuern bereit sind.

Diese UN-Hil e an die sogenannten Entwicklungsländer kann auf ver- schiedene Weise gsleistet werden, immer aber stellt sich am Ende heraus, daß die Vereinigt 2n Staaten wieder einmal die Hauptlast getragen haben, während die Sowje tunion nur geringen oder überhaupt keinen Anteil daran hat,

Es stehen den Vereinten Nationen beispielsweise für ihre Erweiterte Technische Hilfe ind den Sonderfonds 75 Millionen Dollar zur Verfügung. Sie stammen zu 40 Prozent aus amerikanischer Quelle; der Anteil der UdSSR beträgt - nach dr sijähriger völliger Enthaltung - jetzt 3 Prozent.

Ähnlich lieg b der Fall bei der Weltbank. Sie vergibt jährlich an Entwicklungslande r niedrigverzinsliche Kredite in Höhe von 750 Millionen Dollar in "harter ' Währung. Zum größten Teil wurden sie in den ersten Nach- kriegsjahren von ien USA finanziert. Trotz des Rückgangs des Anteilsatzes in den letzten Ja iren beläuft sich der USA-Beitrag noch immer auf 50 Pro- zent. Die UdSSR d igegen hat sich für eine Beteiligung an den Aktionen der Weltbank und dere 1 Schwesterinstitution, dem Internationalen Währungsfonds, offensichtlich ni 3 interessiert.

Dieser Fonds dient dem doppelten Zwecke, einmal durch kurzfristige Kredite den Mitgl Lednationen den Ausgleich ihrer Zahlungsbilanzen zu er­ leichtern und zum anderen faire Praktiken im internationalen Geldverkehr einzuführen. Der "AMERIKA DIENST" 14. Oktober i960

Der Grund dafür, warum die Sowjets den beiden Institutionen fern­ blieben, mag darin zu suchen sein, daß sie nicht gewillt waren, gewisse Informationen hinsichtlich ihrer Währung und Finanzen zu geben, wie sie zur Durchführung der Aufgaben dieser Körperschaften notwendig sind und von den Mitgliednationen auch bereitwillig zur Verfügung gestellt werden.

Um den Entwicklungsländern ferner die Möglichkeit der Aufnahme von Krediten in "weicher" Währung, d.h. von solchen, die die Kreditnehmer in Landeswährung zurückzahlen können, zu geben, wurde kürzlich die Inter­ national Development Association (IDA) - ebenfalls eine Schwesterinsti­ tution der Weltbank - ins Leben gerufen. Diese Kredite können auf längere Frist und zu niedrigeren Zinssätzen, als die Weltbank sie gewährt, ver­ geben werden. Kongreß und Präsident der Vereinigten Staaten haben die Beteiligung der USA gutgeheißen und gesetzgeberisch verankert. Der amerikanische Anteil an dem auf eine Milliarde Dollar festgesetzten Subskriptionskapital beträgt 320 Millionen Dollar, also fast ein Drit­ tel der Gesamteinlage, wobei noch zu berücksichtigen ist, daß der IDA 69 Nationen als Mitglieder angehören. Die Sowjetunion beteiligte sich nicht an dieser neuen Möglichkeit der Entwicklungshilfe.

Ähnlich liegen auch die Verhältnisse bei anderen Organisationen der Vereinten Nationen, die soziale Hilfeprogramme unterhalten: so z.B. im Falle der Erfiährungs- und Landwirtschafts-Organisation (FAO), die dem Hunger und der Not in der Welt den Kampf angesagt hat, deren Ziele die Hebung des Lebensstandards und die Verbesserung der Ernährung durch höhere Erträge aus Landwirtschaft, Fischerei und Forstwirtschaft sind und die für die Finanzierung ihres Fünfjahresplanes gegen den Hunger viel Geld braucht. Beteiligung der USA: 32 Prozent; der UdSSR: Null.

Zum Fonds der Weltgesundheitsorganisation (WHO), deren Aufgabe die Bekämpfung von Krankheit und die Förderung der geistigen und körperlichen Gesundheit von jedermann ist, steuert die Sowjetunion ihren Pflicht­ anteil bei, der aber nur ungefähr die Hälfte des amerikanischen Beitrags ausmacht. Und auch die 2 1/2 Prozent vom Gesamtbeitrag, die die Sowjets für den Fonds des Weltkinderhilfswerks (UNICEF) zu geben bereit sind, sind wenig im Vergleich zu den 48 Prozent, die die USA aufbringen.

Nicht "AMERIKA DIENST" 14. Oktober 196O

Nicht vertreten ist die UdSSR auch überall dort, wo Geldgeber für freiwillige UN-Hilfeprogramme gesucht werden, wie etwa die Betreuung der arabischen Palästinaflüchtlinge, die ebenfalls zu 70 Prozent von den USA finanziert wird.

Ganz allgemein wäre festzustellen, daß die Sowjetunion sich nur dann zu einer Beteiligung an Hilfeprogrammen der Vereinten Nationen herbeiläßt, wenn eine Nichtbeteiligung peinlich für sie wäre. Und ob­ gleich ihre Vertreter nur zu gerne mit der wirtschaftlichen Wettbewerbs­ fähigkeit ihres Landes prahlen, ist davon bei der UN-Hilfe an Entwick­ lungsländer nur herzlich wenig zu merken.

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ARCHITEKTUR

GLASHAUS UND SCHIRMLACH Der New Yorker Flughafen Idlewild besitzt ein neues modernes Abfertigungsgebäude

(40 Zeilen)

NEW YORK - (AD) - Einem riesigen elliptischen Sonnenschirm, der sich im nächtlichen Spiel von Licht und Schatten in einen seltsam geformten, phosphoreszierenden Pilz verwandelt, gleicht das neue Abfertigungsgebäude der Pan American Airways (PAA) auf dem Internationalen Flughafen Idlewild bei New York. Einzigartig in seiner architektonis chai Linienführung ist das weit ausgreifende, parabolisch aufsteigende Dach, das eine Fläche von der Größe eines Stadion-Spielfeldes oder, genauer gesagt, 1,6 Hektar über­ deckt. Es schwingt 54 Meter über das Hauptgebäude vor, so daß unter seinem Schutz sechs Düsenverkehrsmaschinen mit einer Kapazität von 120 Passagieren gleichzeitig abgefertigt werden können. Die Reisenden gelangen aus der Halle des Hauptgebäudes direkt in die Flugzeuge, die ebenso wie das Gepäck unter dem Dach vor Schnee und Regen geschützt sind. Nur das Heck der Maschinen ragt ins Freie. Die äußere Dachkante schwebt 15 Meter über dem Erdboden.

Das Gebäude selbst ist ein dreistöckiges "Glashaus", dessen Glaswände mit den davorliegenden Aussichtsbaikonen einen ungehinderten Blick auf das weite Flugfeld freigeben. Auf dem mächtigen, 60 Meter langen und 7 Meter hohen gläsernen Windfang vor dem Haupteingang sind große Flachreliefs aus Bronze - Darstellungen der zwölf Tierkreiszeichen, die von Mi 1ton Hebald entworfen wurden - angebracht. Ein "Luftvorhang", 27 Meter breit und 3 Meter hoch, vor dem Eingang gestattet größtmögliche Bewegungsfreiheit und sorgt darüber hinaus für ein normales Arbeiten der Klimaanlage.

Aus den sechs Abfertigungszonen der Halle gelangen die Passagiere über verstellbare Flugsteige zu den einzelnen Flugzeugen. Transportbänder schaffer

- 8 "AMERIKA DIENST" 14. Oktober 196O schaffen das Gepäck heran. Für Reisende und Gäste stehen im Gebäude ein erstklassiges Restaurant mit Bar, ein Cafe mit Bar und eine Imbißstube zur Verfügung. Kinder v/erden während der Wartezeit im Kindergarten betreut. Im Museum sind Schaustücke und Modelle aus der 32jährigen Geschichte der PAA ausgestellt. Eine elektronische Fluginformationstafel zeigt die An- und Abflüge an, die von Beobachtungsbaikonen aus verfolgt werden können.

Die achtspurigen Zufahrtsstraßen sind für eine Verkehrsdichte von stündlich 1800 Fahrzeugen ausgebaut. Besonders wenn man bei Tage mit dem Wagen vorfährt, verstärken die rippenförmigen Träger, die wie Speichen unter dem Dach verlaufen, den Eindruck eines aufgespannten Schirms. Zwei Gruppen von Vertikalstützen tragen das Dach - ein äußeres Oval aus 32 Stahlbeton­ pfeilern und eine innere Nabe aus sechs Spannsäulen. Sie sind in Fundamenten aus Tausenden Tonnen Beton und Sand verankert, und das gesamte Gebäude ist so stabilisiert, daß es selbst stärkste Orkane mit Windgeschwindigkeiten von über 24O km/st aushält. Kostenpunkt dieses "Airline Terminal", des jüngsten und modernsten in einer wachsenden Familie von zehn Abfertigungsgebäuden auf dem Idlewilder Flughafen: 12 Millionen Dollar.

ACHTUNG! Auf Anforderung der Redaktionen übersendet der ALIERIKA DIENST an Zeitungen und Zeitschriften kostenlos folgende Bilder:

1) Das neue Abfertigungsgebäude der PAA auf dem Internationalen Flug­ hafen Idlewild bei New York. - Oben: Unter dem weit ausgreifenden- Runddach finden sechs Düsenverkehrsmaschinen Platz, so daß Passa­ giere und Gepäck während der Abfertigung vor Regen und Schnee ge­ schützt bleiben. Unten: Ein Blick in die Halle des Gebäudes. Gleich hinter dem Haupteingang übernehmen Transportbänder das Gepäck und schaffen es ohne Verzögerung zur Waage und später zum Flugzeug. Lichtzeichen verständigen die Passagiere, wenn ihr Flug­ zeug bereitsteht.

2) Passagiere gehen an Bord einer Boeing-707 der PAA. Ihr Weg führt aus der Halle über einen verstellbaren Flugsteig direkt in die Maschine, so daß ihnen jedes Treppensteigen erspart bleibt.

* * * * * "AMERIKA DIENST" 14- Oktober 196O

Die Artikel des AMERIKA DIENSTES sind honorarfrei und neben der Verwendung durch Rundfunk und Fernsehen ausschließlich zum Abdruck in Zeitungen und Zeitschriften und sonstigen Publikationen bestimmt, die sich direkt an den Leser wenden.

KULTURNACHRICHTEN AUS DEN USA

MUSEUM OF MODERN ART ZEIGT "VISIONÄRE ARCHITEKTUR"

( 20 Zeilen) NEW YORK - (AD) - Eine interessante Schau von Entwürfen hypermoderner Architektur, deren Ausführung selbst dem avantgardistischen 20. Jahrhundert noch tollkühn erscheint, zeigt das Museum of Modern Art gegenwärtig in New York. In über 30 Vorschlägen zu einer fortschrittlichen Städteplanung stellen die modernen Architekten Bauten, die auf und über dem V/asser errich­ tet werden oder unterirdisch ausgeführt werden können sowie Häuser, in die Straßen und Straßen in die Häuser inkorporiert wurden, im Großfoto oder im Modell vor. Viele der Bauvorhaben lassen deutlich eine ernsthafte Aus­ einandersetzung des Architekten mit den sozialen Erfordernissen der Zeit erkennen; vielfach warten sie mit geradezu radikalen und revolutionierenden Lösungen insbesondere des leidigen Verkehrs- und Raumproblems auf. Die Architekten Le Corbusier, Kiyonori Kikutake, Buckminster Füller, Frank Lloyd Wright und Frederick Kiesler, zusammen mit anderen europäischen und amerikanischen Kollegen, illustrieren an zahlreichen Beispielen neue Konzeptionen, die, wie es scheint, in der Architektur immer mehr an Bedeu­ tung gewinnen. "Visionäre Architektur" wird in New York bis zum 4. Dezember 1960 zu sehen sein. Sie soll dann als Wanderschau einem größeren Kreis auch in anderen Städten zugänglich gemacht werden. Der museumseigene Verlag plant ferner, den Ausstellungskatalog zu erweitern und in Buchform heraus­ zugeben.

10 "AMERIKA DIENST" 14. Oktober 196O

FILM UND FERNSEHEN WERDEN PARTNER

(15 Zeilen) NEW YORK - (AD) - Die alte Konkurrenz zwischen Fernsehen und Film gilt nicht mehr: dies ist einer Meldung zu entnehmen, wonach ein großer Teil der in dieser Spielzeit in den USA gezeigten Fernsehspiele Hollywood- Produktionen sind. So füllt beispielsweise das Columbia Broadcasting System von den 24 1/2 Stunden seiner wöchentlichen Hauptsendezeiten (zwischen 19 und 23 Uhr) 15 Stunden mit Fernsehprodukten aus Hollywood. Von den 37 Haupt- Shows, die die American Broadcasting Company für diese Spielzeit vorgesehen hat, sind zwei Drittel in der amerikanischen Filmmetropole entstanden. Die Verlagerung der Fernsehfilmproduktion von New York an die Westküste ist einschneidend und kommt fast einer totalen Neuorientierung gleich. In Holly­ wood sind die Hälfte der Filmstudios, wenn nicht mehr, mit Fernsehaufträ­ gen beschäftigt. Die großen Filmproduktionsfirmen drehen nicht nur in ihren eigenen Studios, sondern mieten dazu auch noch die Studios anderer Firmen. Gegenwärtig werden in Hollywoods Studios an die hundert Fernsehfilme - Serien und Einzel-Features - abgedreht.

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AMERIKANISCHE THEATERTOURNEE FÜR EUROPA GEPLANT

(9 Zeilen) WASHINGTON - (AD) - Drei Bühnenstücke, die als Höhepunkte des amerika­ nischen Theaters gelten, sollen im Frühjahr 1961 in amerikanischer Inszenie­ rung und Besetzung in europäischen Städten gezeigt werden: Thornton Wilders "Wir sind noch einmal davongekommen"; Tennessee Williams' "Die Glasmenagerie" William Gibsons Helen-Keller-Story "The Miracle Worker". Die bekannte Schau­ spielerin Helen Hayes wird in den beiden erstgenannten Stücken eine tragende Rolle spielen; Madrid wird die erste Station dieser Theatertournee sein, die vom US-Außenministerium in Zusammenarbeit mit The American National Theater and Academy arrangiert wird.

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1 1 "AMERIKA DIENST" 21 . Oktober 196O

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DAS PORTRÄT

DIE DAME KENNT IHRE RAKETEN Dr. Dorothy Simon ist einer der führenden Raumflugexperten der USA Von Roul Tunley

Aus "The Saturday Evening Post". Der Abdruck dieses Artikels ist nur mit Angabe des Verfassers und dem Vermerk "Mit besonderer Genehmigung von 'The Saturday Evening Post'» Copyright 1959 'The Curtis Publishing Company" gestattet.

(130 Zeilen)

Bei einer Reparaturwerkstatt in Andover im amerikanischen Bundesstaat Massachusetts klingelt das Telefon. Am anderen Ende des Drahtes meldet sich eine Dame und bittet, ihr einen Mechaniker zu schicken und diesem einen neuen Riemen für die Wäscheschleuder gleich mitzugeben, da der alte kaputt sei. Der Mann kam, aber ohne Riemen - "Was verstehen Frauen schon von Ma­ schinen? Sicher ist es was ganz anderes", hatte er noch zu seinem Kollegen gesagt, ehe er sich auf den Weg machte. Mit männlichem Selbstvertrauen un­ tersuchte er die Schleuder, um schließlich zur gleichen Feststellung zu kom­ men wie die Dame des Hauses.

Ungläubig schüttelte er den Kopf. In seinem Beruf hatte er immer nur mit Hausfrauen zu tun gehabt, die schon bei einer durchgebrannten Sicherung völlige Hilflosigkeit zeigten. Aber woher sollte er auch wissen, daß er hier auf eine Frau getroffen war, die nicht nur die Ursache des Versagens ihrer Wäscheschleuder herausfand, sondern auch durchaus das Zeug dazu hatte, so ein Ding zu konstruieren? Erst später erfuhr er, daß Dorothy Simon, eben jene ungewöhnliche Hausfrau, deren ungemein anziehendes Äußere schon gar nicht auf irgendwelche technischen Ambitionen schließen ließ, eine der be­ deutendsten amerikanischen Wissenschaftlerinnen auf dem Gebiet der Raketen­ technik und des Raumflugs ist. Doktor "AMERIKA DIENST" 21 . Oktober 1960

Doktor Dorothy, wie sie zur Unterscheidung von ihrem ebenfalls als Wissenschaftler tätigen Mann Dr. Sidney Simon gerufen wird, arbeitet auf einem Gebiet, das noch fast völlig dem Mann vorbehalten ist. Es sei aber gleich hinzugefügt, daß sie dadurch weder zur streitbaren Amazone noch zu einer Imitatorin männlich-forschen Schaffens wurde. Mit ihrem zurück­ haltenden, dabei so charmanten Wesen ist sie eine liebenswürdige und lie­ benswerte Vertreterin des weiblichen Geschlechts. Dies, gepaart mit einem bestens fundierten Fachwissen und einem bemerkenswerten Ideenreichtum, bringt ihr die uneingeschränkte Achtung und Wertschätzung ihrer männlichen Kollegen ein.

Die Öffentlichkeit - was in diesem Fall mehr oder weniger gleichbe­ deutend ist mit "die Presse" - wurde erst im Jahre 1959 anläßlich der Ein­ weihung der neuen Forschungsanstalt "Avco Corporation" in Wilmington (Massachusetts) auf sie aufmerksam, als sie vor den geladenen Gästen, unter ihnen Nobelpreisträger, Kongreßmitglieder, Generäle und andere hochgestellte Persönlichkeiten,im Namen ihrer Wissenschaftlerkollegen eine kleine Rede hielt. Sie war maßgeblich an der Entwicklung der reibungshitzefesten Kegel­ spitze der THOR-ABLE-Rakete beteiligt gewesen, die man im Frühjahr 1959 zum ersten Mal über die ganze Flugstrecke erprobt und anschließend geborgen hatte.

In ihrem hellen, geschmackvoll in den Farben Beige, Koralle und Braun gehaltenen und mit den modernsten Utensilien ausgestatteten Arbeitsraum empfängt sie ihre Besucher und erzählt ihnen, sofern ihre Zeit es zuläßt, bereitwillig aus ihrem Leben und über ihren beruflichen Werdegang. Sie ist groß und schlank - mit der Figur eines Mannequins -, und wenn sie spricht, spiegeln ihre Züge und ihr Lächeln die Lebhaftigkeit ihres Wesens und ihre charmante Art wider.

"Über meine Arbeit möchten Sie etwas wissen? Nun, ich habe hier zwei Aufgaben zu erfüllen. In meiner Eigenschaft als technischer Assistent des Präsidenten der "Avco Corporation", der selbst kein Wissenschaftler ist, gehe ich Ideen und Projekten, die an uns herangetragen werden, auf den Grund und berate ihn darin, ob sich unsere Firma damit befassen sollte oder nicht. Uind zweitens arbeite ich hier auf bestimmten Gebieten der Grundlagenforschung völlig unabhängig und kann dabei eigenen wissenschaftlichen Plänen nachgehen." Nicht

2 - "AMERIKA DIENST 21 . Oktober i960

Nicht selten werden die Ideen der ersten Kategorie, die sie zu begutach­ ten hat, bei den ungezwungenen Gesprächen geboren, zu denen sich an Sonn­ tagen nach dem Frühstück - aber "zu einer zweiten Tasse Kaffee" - regel­ mäßig Freunde und Bekannte bei den Simons einfinden. Die Arbeit in ihrem zweiten Aufgabenbereich gilt jedoch im wesentlichen der Konstruktion und Vervollkommnung von Raketen und Raketenabwehrwaffen. Ihr Hauptgebiet ist der Raketenantrieb. Sie ist einer der führenden Experten auf den Gebieten "Verbrennung" und "Theorie der Flammenbildung". Chemikerin von Haus aus, hat sich Doktor Dorothy inzwischen völlig auf chemische Raketen speziali­ siert, wenn auch ihre wissenschaftlichen Interessen weiter reichen und bei­ spielsweise auch der Nutzung von Sonnenenergie oder dem medizinischen In­ strumenten- und Gerätebau gelten. Die Wohnung der Simons liegt in einem neuen, modernen Villenviertel von Andover. Sie hat ein riesengroßes Wohnzimmer mit viel Licht und Glas und vier Schlafzimmer, von denen zwei in Arbeitsräume für Dorothy und Sidney umgestaltet sind. Warum ein so großes Haus für ein kinderloses Ehepaar? "Daran ist nur der große Flügel schuld", erklärt Dorothy. "Sidney spielt gerne Klavier, und für den Flügel brauchten wir einen gro­ ßen Raum. Da es den aber nur in Wohnungstypen wie dem unseren gibt, haben wir eben das große Haus mit in Kauf genommen." Drei Jahre leben die Simons jetzt in Andover, wo sie sich ungemein wohl fühlen. Blumenzuchten im Frei­ land und Gärtnern ist die neueste Liebhaberei von Doktor Dorothy, die sie viel Zeit kostet, ihr aber auch viel Freude bereitet und Entspannung bringt. Denn der Arbeitstag von 8 Uhr morgens bis 17*30 Hhr nachmittags ist lange und anstrengend genug.

Die Freunde und Bekannten der Simons, zu denen keineswegs nur Wissen­ schaftler, sondern Menschen mit allen möglichen Interessen und aus den ver­ schiedensten Berufsmilieus zählen, schildern die Ehe von Dorothy und Sidney als selten glücklich. "Es konnte ja auch gar nicht schiefgehen", meint ein Nachbar, "beide sind verliebt in die Wissenschaft und ineinander außerdem."

Die Liebe Dorothys zur Naturwissenschaft begann schon in der Schule, im Backfischalter von 13 Jahren, obgleich sie es sich als 17jährige nicht nehmen ließ, sich im Dichten zu versuchen. Am Southwest Missouri State Colleg in Springfield (Missouri), wo ihr Vater Chemieprofessor war, war außerdem

- 3 - "AMERIKA DIENST" 21. Oktober i960 außerdem der Sport ihre große Stärke. Ihr Studium aber absolvierte sie an der Universität Chicago, dann an der Universität Illinois, wo sie gegen Kriegsende ein Lehramtsstipendium erhielt. Sie promovierte zum Dr. phil. Das neugebackene Fräulein Doktor bewarb sich bei der "E»I. du Pont de Nemours and Company" in Buffalo, »o sie das systematische, gezielte Arbeiten kennen und schätzen lernte, wie es in der Industrie üblich und auch notwendig ist.

Auf einer Chemikertagung in Chicago traf sie Sidney wieder, den sie schon auf der Universität kennengelernt hatte. Nach kurzer Zeit waren die beiden ein Paar. Sidney ging nach Oak Ridge in Tennessee, und auch Dorothy fiel es nicht schwer, dort eine Stellung zu finden. Sie arbeitete auf radio­ chemischem Gebiet, wobei es ihr gelang, ein Kalziumisotop zu isolieren. 1949 ging Sidney zum National Advisory Committee for Aeronautics nach Cleveland. Hier entdeckte Doktor Dorothy ihre wirklichen Interessen - Chemie der Verbrennung, speziell Chemie der Flammen. Ihre Arbeit der folgenden Jahre fand so viel Beachtung, daß sie ihr den mit 10 000 Dollar dotierten Rockefeiler Public Service Award einbrachte. Sie ging nun nach England und studierte dort fast ein Jahr lang Strömungsmechanik. In die­ ser Zeit besuchte sie auch Laboratorien in Frankreich, Holland und Belgien. Zu ihrer großen Überraschung kannte man sie bereits überall - durch ihre zahlreichen Veröffentlichungen in Fachzeitschriften. Sie gesteht, daß sie sich damals mit manchen Professoren, obgleich sie nicht ihre Sprache sprach, besser verstand als mit Landsleuten zu Hause.

Nach ihrer Rückkehr in die USA ging sie mit Sidney nach Texas, wo die­ ser eine Stellung bei den Convair-Werken annahm; sÄ.e selbst befaßte sich mit Problemen der unterirdischen Verbrennung in Zusammenhang mit der Erd­ ölgewinnung. 1956 nahm das Ehepaar ein Angebot der "Avco Corporation" an, die Wissenschaftler für ihre raketentechnischen Forschungen suchte. Das zentrale Problem ihrer Arbeiten war damals die Entwicklung von Flug­ körpern und Methoden, die unter Überwindung der Hitzebarriere die Rückkehr zur Erde erlauben.

Nach "AMERIKA DIENST" 21 . Oktober i960

Nach den Schwierigkeiten befragt, die sich für eine Frau aus einer solchen Tätigkeit ergeben, gibt sie das Auftauchen von Hindernissen und Unannehmlichkeiten freimütig zu - gesellschaftliche Schranken und Vorur­ teile, nicht zu vergessen die Voreingenommenheit von Männern Frauen gegen­ über in solchen Berufen,und schließlich die Schwierigkeit für eine Hausfrau oder gar Mutter, eine Halbtagsbeschäftigung auf diesen Fachgebieten zu finden. Dies alles darf aber nach Dorothys Ansicht eine Frau nicht ent­ mutigen, die den Wunsch und die Begabung für einen solchen Beruf mitbringt. Das Wichtigste ist Ausdauer und noch einmal Ausdauer.

Auf die Jugend von Andover üben die Simons eine geradezu magische An­ ziehungskraft aus. Kürzlich war Dr. Dorothy ständig von einer kleinen Armee von Jungen belagert, nachdem sie in einem Interview im Bostoner Fernsehen über Raketen und Raumflug gesprochen hatte. Die Väter der Jungen riefen sie an und erklärten, daß sie zwar wenig von dem verstanden hätten, was sie in der Sendung gesagt habe, aber "mein I2jähriger Junge hat's verstanden. Nun hat er noch einige Fragen. Darf ich ihn zu Ihnen schicken?"

Aus "The Saturday Evening Post". Der Abdruck dieses Artikels ist nur mit Angabe des Verfassers und dem Vermerk "Mit besonderer Genehmigung von •The Saturday Evening Post', Copyright 1959 The Curtis Publishing Company" gestattet.

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WAHLJAHR 1960

DIE WAHLMASCHINE VERDRANGT DEN STIMMZETTEL

(62 Zeilen)

Wenn am 8. November die Vereinigten Staaten an die "Wahlurnen" gehen, um einen Präsidenten, einen Vizepräsidenten, Gouverneure, Sena­ toren, 437 Abgeordnete sowie zahlloser Mitglieder von einzelstaatlichen Organen, Bürgermeister, Kreis- und Gemeindefunktionäre zu wählen, dann werden diese "Wahlurnen" meist nur symbolische Urnen, d.h. Wahlmaschinen sein. Von Jahr zu Jahr hat die Anzahl der Wahlmaschinen zugenommenj und heute finden sie bereits in 42 der 50 US-Staaten Verwendung; in sieben Staaten ist die Verwendung solcher Maschinen ausdrücklich durch Landes­ gesetz vorgeschrieben.

Auf den ersten Blick mögen diese Maschinen mit ihren unzähligen Hebeln recht verwirrend erscheinen, aber der Amerikaner ist es ja nicht nur gewohnt, ellenlange Stimmzettel auszufüllen, er ist es auch gewohnt, mit technischem Gerät aller Art umzugehen: nicht selten kommt es vor, daß in einem Wahlbezirk mehrere Dutzend Ämter zur Wahl stehen (vom Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten bis zum lokalen Sheriffposten, vom Gouverneur des Bundesstaates bis zu den Mitgliedern des Schulrates einer Dorfgemeinde). Der Unterschied für ihn besteht also vornehmlich darin, statt ein Bleistiftkreuz in ein Feld einzusetzen einfach einen Hebel zu bedienen.

Dieser kleine Unterschied bringt aber mannigfaltige Vorteile: die Wahlmaschine verhindert Wahlbetrug, erschwert die ungültige Stimmabgabe (man kann z.B. auf einem Stimmzettel versehentlich die Kandidaten zweier Parteien für dasselbe Amt ankreuzen, bei der Wahlmaschine: jedoch sind alle anderen Hebel für dasselbe Amt blockiert, sobald man einen davon

- 6 - "AMERIKA DIENST 21 . Oktober 196O davon umgelegt hat; bei einem Irrtum muß der falsche Hebel vom Wähler erst zurückgestellt werden); sie liefert ein fertig ablesbares Wahlresul­ tat und verhütet damit Irrtümer oder Verzögerungen bei der Stimmenaus­ zählung.

Die Wahlmaschinen werden je nach den örtlichen Gegebenheiten und Wünschen in verschiedenen Ausführungen geliefert: elektrisch oder nur mit Handbetrieb, mit oder ohne Einrichtung für die Eintragung zusätz­ licher, auf den offiziellen Listen nicht erscheinender Kandidaten usw. Die Anschaffung besorgt zumeist das Kreisamt (County), und die Kosten werden teilweise dadurch hereingebracht, daß die Apparate bei lokalen Wahlen an die Gemeinden verliehen werden, und teilweise durch die Re­ duzierung der Wahlkosten: es müssen z.B. weniger Wahlbeobachter und Wahl­ leiter bezahlt werden. Die Stadt Kansas City soll durch die Verwendung von Wahlmaschinen bei einer einzigen Wahl über 91 000 Dollar eingespart haben. Zwischen den Wahlen werden die Apparate entweder in Lagerhäusern oder aber, um Kosten zu sparen, in öffentlichen Gebäuden wie Schulen, Rathäusern auf­ bewahrt.

Während der Wahl ist jede Maschine von einem automatisch schließenden Vorhang umgeben. Erst wenn der Vorhang geschlossen ist, kann die Maschine benutzt werden. Ebenso öffnet sich der Vorhang erst dann wieder, wenn alle Hebel nach Registrierung der Stimmabgabe in die neutrale Ausgangsposition zurückgeschnappt sind. Der nächste Wähler kann also keinerlei Hinweis da­ rauf vorfinden, wie sein Vordermann gestimmt hat. Durch das automatische Öffnen des Vorhangs ist es auch unmöglich, etwa mehrmals hintereinander denselben Hebel zu drücken.

Zählwerke innerhalb der Maschine registrieren laufend die für die einzelnen Kandidaten abgegebenen Stimmen; jeder Versuch eines gewaltsamen Eingriffes in den L^chanismus führt sofort zum völligen Versagen der Ma­ schine. Drei Sichen.eitsschlösser und zwei Plomben bieten weiteren Schutz gegen Manipulationen. Außerdem ist an der Außenseite der Maschine sichtbar ein von den anderen Zählwerken unabhängiges "Wählerzählwerk" angebracht, dessen Ziffern mit der Summe der im Inneren der Maschine registrierten Stimmabgaben sowie mit der Anzahl der auf den Wahllisten abgehakten

- 7 - "AMERIKA DIENST" 21. Oktober 196O abgehakten Personen übereinstimmen muß.

Die Bedienung der Wahlmaschinen ist kinderleicht, und bei Befra­ gungen der Wählerschaft zeigte sich, daß die weitaus überwiegende Mehr­ heit die Wahlmaschinen den Stimmzetteln vorzog. Im Wahllokal stehen außerdem meist kleine Modelle von Wahlmaschinen zur Verfügung, die zur Unterweisung unerfahrener Wähler dienen.

ACHTUNG! Auf Anforderung der Redaktionen übersendet der AMERIKA DIENST an Zeitungen und Zeitschriften kostenlos folgendes Bild:

Der Hebel, der die Wahlmaschine "betriebsbereit" macht und gleich­ zeitig den Vorhang an der Wahlzelle schließt, ist betätigt. Der Wähler gibt jetzt seine Stimme ab, d.h.,er drückt die Hebel, die für seine Kandidaten vorgesehen sind oder trägt, falls er einem nicht offiziell aufgestellten Kandidaten seine Stimme geben will, dessen Namen in einem Schiebefenster im oberen Teil der Wahlmaschine nach. Bevor sich der Vorhang der Zelle wieder öffnet, springen alle Hebel der Maschine automatisch in ihre neutrale Ausgangsstellung zurück. Völlige Geheimhal­ tung der Stimmabgabe ist auf diese Weise "automatisch" ge­ währleistet .

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ZEHN MILLIONEN NEGER IN DEN USA WAHLBERECHTIGT

(l0 Zeilen) WASHINGTON - (AD) - Etwa zehn Millionen amerikanischer Neger werden bei den amerikanischen Wahlen im November dieses Jahres stimmberechtigt sein, geht aus einer soeben vom US-Bundesamt für Statistik herausgegebenen Übersicht hervor. Bei einer Gesamtzahl von rund 107 Millionen Wahlberech­ tigten beträgt der Anteil der Negerstimmen bei den Wahlen am 8. November rund 10 Prozent.

Während in den meisten amerikanischen Bundesstaaten die Wahlberechti­ gung an die Erreichung des 21. Lebensjahres gebunden ist, wird in Georgia und Kentucky sowie in Alaska und Hawaii die Wahlberechtigung schon mit 18 Jahren bzw. mit 19 und 20 Jahren erreicht.

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VON KUNST UND KÜNSTLERN

CRANBROOK: TORTBEGRIFF EINER PFLEGESTÄTTE DER BILDENDEN KUNST

(82 Zeilen)

An die 32 Kilometer nördlich der Automobilstadt Detroit liegt, ein­ gebettet in hochstämmige Fichtenwälder, Wiesen und blühende Gärten, um­ geben von säuberlich beschnittenen Hecken, spiegelnden Teichen und einer künstlichen Lagune, das 120 Hektar große Areal Cranbrook.

Cranbrook ist ein Pädagogium par excellence, Wertbegriff einer Pflegestätte der bildenden Kunst und des Kunsthandwerks, deren Schüler ihr im Überschwang der Begeisterung gerne das Adjektiv "utopisch" bei­ geben. Zu Cranbrook gehören je eine Elementar- und Aufbauschule für Jun­ gen und Mädchen, ein naturwissenschaftliches Institut und eine Kunstaka­ demie, letztere seine wohl bekannteste Institution.

Cranbrook ist eine Stiftung des Zeitungskönigs George G. Booth, der vor 50 Jahren das Land kaufte, das er nach dem Geburtsort seines Va­ ters, eines geborenen Engländers,benannte. Auf dem großen Farmgelände errichtete er zunächst eine kleine Schule für die Kinder der Umgebung, später stellte er daneben eine Kirche und mit der Zeit schlössen sich ein Internat und eine Tagesschule für Knaben an, die dort aufs College vorbereitet wurden.

Um die Mitte der zwanziger Jahre lernte George G. Booth den finni­ schen Architekten Eliel Saarinen kennen, einen für seinen Bruch mit dem damals bevorzugten neo-klassizistischen Stil in Europa weithin bekannten Baumeister. Diesen hatte damals ein Lehrauftrag an die Staatsuniversität Michigan mitsamt seiner Familie nach Amerika verschlagen; George Booths Sohn war sein Schüler. So

- 9 - "AMERIKA DIENST" 21. Oktober i960 So kam es, daß die Knabenschule in Cranbrook Eliel Saarinens er­ ster Auftrag in Amerika war. Er sollte die Schule "in Harmonie" mit den übrigen Liegenschaften errichten, eine Forderung, die er glänzend erfüllte. Eindeutig aber tragen die ehemaligen Parmhäuser des Cranbrook- Komplexes das Meistersiegel des genialischen Architekten noch in jedem ihrer Details. Dasselbe gilt für ganz Cranbrook, an dem nicht nur der Va­ ter Saarinen beteiligt ist, sondern auch dessen Frau, Tochter und ins­ besondere sein Sohn,, der als Architekt heute internationalen Ruf genießt. So stammen beispielsweise die Teppiche, Vorhänge, Tischwäsche und Bettdecken der "Kingswood School for Girls" aus der Kunstweberwerk­ statt von Frau Saarinen; Pipsan Saarinen schuf die Innenausstattung, die Möbel wurden nach Entwürfen von Eero Saarinen angefertigt.

Einträchtig wohnen in Cranbrook Kunst und Kunsthandwerk nebeneinander. George Booth gab der Institution 1927 die finanzielle Basis, als er mit 20 Millionen Dollar Einlage (davon 12 Millionen Dollar aus dem eigenen Vermögen) die Cranbrook Foundation gründete. Der Gebäudekomplex von Cran­ brook wurde Zug um Zug erweitert, Ateliers, Wohnhäuser, eine Bibliothek und eine Galerie entstanden, denen als letztes das Naturwissenschaftliche Institut angegliedert wurde.

Die verschiedenen Schulen haben zwar separate Zufahrtsstraßen und auch eigene Eingänge, aber innerhalb der Mauern von Cranbrook herrscht ein ständiger und überaus befruchtender Austausch von Gedanken, Anregungen und Interessen.

Cranbrook hat viel zu bieten: architektonische Schönheit, herrliche Grünanlagen, Brunnen und Teiche, einen Reichtum an Kunstwerken und form­ schönen Kunstgegenständen, alles Dinge, die jährlich viele Besucher und Gäste aus den USA und aus Übersee anlocken.

Schon 1929 kamen europäische Künstler nach Cranbrook, um dort zu lehren und dessen Ruf als Bahnbrecher modernen kunsthandwerklichen Schaf­ fens mitbegründen zu helfen, so insbesondere auf den Gebieten der Keramik, Textilien und der Metallbearbeitung.

Unvergessen ist in Cranbrook das Andenken des schwedischen Bildhauers Carl Milles, der viele Jahre in Cranbrook gelehrt hat und dessen Brunnen­ figuren vor dem Naturwissenschaftlichen Institut mit zu den Sehenswürdig-

- 10 - AMERIKA DIENST 21 . Oktober 1 96O

Sehenswürdigkeiten von Cranbrook gehören.

Aber auch andere Europäer haben sich um Cranbrook verdient gemacht. Als sich Mrs. Saarinen 1943 vom Lehrbetrieb zurückzog, übernahm die Schwe­ din Marianne Strengen die Werkstatt, die im übrigen auch kommerzielle Aufträge ausführt. Die Finnin Mai ja Grotell ist Leiterin der Keramikklasse. Sie ist eine international bekannte Künstlerin; 18 amerikanische Museen ha­ ben ihre Arbeiten angekauft. Leiter der Kunstakademie ist der Ungar Zoltan Sepeshy. Alle übrigen Angehörigen des Lehrkörpers sind Amerikaner.

Booth wie Saarinen vertraten die Ansicht, daß ein Künstler zum ersten zwar Anregung, zum zweiten aber eine stille Ecke brauche, um wirklich schaf­ fen zu können. In Cranbrook haben die Kunstschüler eigene kleine Studios, eine Art Zellen mit hoher Decke und viel Licht, das durch eine Glaswand von außen einfällt, zur Verfügung. Auch sonst verläuft der Akademiebetrieb ziemlich unakademisch. Die Schüler genießen größte Freiheit in ihrer Werks­ wahl, sie arbeiten völlig selbständig, und sie dürfen, ja sollen auch Fremd­ aufträge ausführen, sofern diese bildend und fördernd für ihre Arbeit sind.

Cranbrook hat einen beachtlichen Beitrag zur Bereicherung des kul­ turellen Lebens in den USA geleistet. Von seinen erfolgreichsten Schülern seien indes nur einige genannt: so Harry Bertoia, der in verschiedenen Kunstmedien zu Hause ist und vielfach mit Preisen ausgezeichnet wurde; die aus Hawaii stammende Alice Kagawa Parrott, eine hervorragende Weberin; der Keramiker Harvey Littleton, Leiter der Keramikklasse der Universität Wisconsin, dessen Arbeiten in den Kunstinstituten Detroit und Milwaukee sowie an der Universität Michigan ausgestellt sind; und Toshiko Takaezu, In­ haberin des Horace-E.-Potter-Gedächtnispreises, die heute Leiterin der Keramikklasse des Cleveland Institute of Art ist.

Wohl gibt es unter den Kritikern in den USA auch solche, die die Ar­ beitsmethode in Cranbrook als zu utopisch oder auch ein wenig weltfremd empfinden; doch scheint das Ergebnis das Gegenteil zu bestätigen. Die Ab­ sonderung ist den Meisterschülern außerordentlich gut bekommen: In den Jahren 1956/57 haben 60 eigene Ausstellungen veranstalten können, 200 haben an Gruppenausstellungen teilgenommen. Ihre Arbeiten sind mi t

- 11 "AMERIKA DIENST" 21. Oktober 1960 mit 180 Preisen ausgezeichnet worden.

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1) Rund 32 km nördlich von Detroit liegt Cranbrook, eines der interessantesten pädagogischen Institute der USA. Zu dem Komplex gehören eine Knaben- und eine Mädchenschule, ein naturwissenschaftliches Institut und eine Kunstakademie. Unser Bild zeigt das von dem finnischen Architekten Eliel Saarinen erbaute Institute of Science; im Vordergrund Skulpturen des in Europa bekannten schwedischen Bildhauers Carl Milles, der vor seinem Tode lange Zeit in Cranbrook gelehrt hat.

2) Die jährlichen Ausstellungen der Akademieklassen in Cranbrook sind sehenswerte Kunstschauen und in der Tat ein mächtiges Stimulans für das ständig wachsende Interesse der Amerikaner an den bildenden Künsten und dem Kunsthandwerk.

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12 "AMERIKA DIENST" 28. Oktober i960 Die Artikel des AMERIKA DIENSTES sind honorarfrei und neben der Verwendung durch Rundfunk und Fernsehen ausschließlich zum Abdruck in Zeitungen und Zeitschriften und sonstigen Publikationen bestimmt, die sich direkt an den Leser wenden.

WISSENSCHAFT UND TECHNIK

DAS FRANKLIN-INSTITUT IN PHILADELPHIA

Einst Maschinenbauschule - heute Museum und Forschungszentrum

23 Wissenschaftler und Techniker wurden am 19» Oktober 1960 vom Franklin-Institut in Philadelphia durch die Verleihung von Medaillen geehrt. Unter den Trägern dieser wissenschaftlichen Auszeichnungen befanden sich auch die beiden Engländer Herbert Sammon und Ernest Chatterton von den Motorenwerken Napier and Sonf Ltd., die für die Erfindung des Delta-Dieselmotors geehrt wurden, und der Franzose Dr. Raymond B. Castiang vom Laboratoire de Physique des Solides der Universität Paris, der die Medaille für die Entwicklung eines Elektronenresonanz-Spektrometers zur Strukturauf­ klärung und chemischen Analyse erhielt. Der nachstehende Artikel gibt einen Überblick über Geschichte und Tätigkeit des Instituts. Aus "The Christian Science Monitor". Nachdruck ist nur mit Angabe der Quelle und dem Ver­ merk "Copyright i960 The Christian Science Publishing Society" gestattet.,

(88 Zeilen) Am Benjamin Franklin Parkway von Philadelphia liegt das Franklin- Institut, das neben einem naturwissenschaftlichen Museum, einem Plane­ tarium, einer technischen Bibliothek und der Benjamin-Franklin-Gedächt­ nisstätte noch ausgedehnte Forschungslaboratorien umfaßt.

Das Institut wurde 1824 nicht als Museum oder Forschungszentrum, sondern als Schule gegründet. Es war zu der Zeit, als Präsident James Monroes zweite Amtsperiode zu Ende ging, als die Seminolen- Indianer in Florida und Georgia im Aufstand lagen - und Samuel Vaughan Merrick, ein junger Mann ohne technische Ausbildung, sich plötzlich der Erbschaft einer Maschinenfabrik gegenübersah. Merrick "AMERIKA DIENST» 28. Oktober 196O Merrick war sich über eines klarl er wollte nicht erst Lehrling werden - damals die einzige Möglichkeit, einen technischen Beruf zu erlernen -, um die Fabrik übernehmen zu können. Deshalb ent­ schloß er sich, eine Maschinenbauschule zu gründen. Am 5• Februar 1824 öffnete sie als "Franklin-Institut des Staates Pennsylvanien für die Förderung der Maschinenbaukunde" ihre Tore. Schon bald sollte sich das Institut zu einem Zentrum des wissenschaftlichen Lebens in den Vereinigten Staaten entv/ickeln. Seine Sammlung an Patentschriften, Fachbüchern und Zeitschriften wuchs rasch und bildet heute den Kern seiner international anerkannten Bibliothek.

Das Franklin-Institut, das sich heute u.a. mit Fragen der Raum­ fahrt und des Reaktorbaus befaßt, konnte auch schon in den ersten Jahrzehnten seines Bestehens manche wissenschaftliche Großtat voll­ bringen. Als im Jahre 1844 das erste seegängige Dampfschiff mit Schraubenantrieb, die U.S.S. Princeton, in Anwesenheit von Präsident John Tyler in Dienst gestellt wurde, explodierte die Salut schießende 52-cm-Kanone. Die Regierung bat das Franklin-Institut, die Ursache dieses Unglücks zu untersuchen. Der Untersuchungsausschuß, dem der Physiker Joseph Henry angehörte, stellte fest, daß die Bruchstellen des Rohres tassenförmige Gestalt aufwiesen und gelangte über diese Entdeckung zu der Erkenntnis, daß der Zusammenhalt der Moleküle und damit die Materialfestigkeit an der Oberfläche eines Werkstücks größer ist als in seinem Innern.

1864 machte das Franklin-Institut den Vorschlag, Schraubengewinde, Bolzenköpfe und Muttern zu standardisieren. Als die Regierung diesen Vorschlag ein Jahr später billigte, war damit ein entscheidender Schritt zur Normung getan, ohne die unsere heutige Massenproduktion undenkbar wäre. Während in den Laboratorien hinter verschlossenen Türen neben eigenen Forschungsprojekten auch Auftiagsarbeiten für Stiftungen und private Firmen ausgeführt werden, defilieren jährlich rund 400 000 Besucher durch die nebenan liegenden Museums- und Ausstellungsräume des Instituts. Sie haben Gelegenheit, ihre Stimme im Bell-Telephonsaal abzuhören, in der Eisenbahnausstellung eine Modellanlage zu studieren, in einer Miniatur-Papierfabrik zu sehen, wie Papier gemacht wird. Das

- 2 - "AMERIKA DIENST" 28. Oktober 1960 Das Planetarium gewährt den Besuchern einen Blick in die verwirrende Welt der Sterne.

Die Besuöherschaft rekrutiert sich aus allen Schichten der Bevölkerung, und auch zahlreiche ausländische Wissenschaftler finden den Weg in die Ausstellungssäle und Laboratorien des Franklin-Instituts.

Besonders gern gesehene Gäste sind Kinder und Jugendliche. Das wurde seit der Gründung des Instituts schon immer so gehalten, sieht es doch die naturwissenschaftliche Ausbildung junger Menschen als eine seiner wesentlichsten Aufgaben an.

Gerade in diesem Jahr, 1960, hat das Franklin-Institut in Zusammen­ arbeit mit der Stadtverwaltung von Philadelphia probeweise ein neues Erziehungsprogramm eingeleitet. Eine Lehrkraft wurde beauftragt, vor Grundschulklassen in Ergänzung des normalen naturwissenschaftlichen Unterrichts in den Ausstellungsräumen des Instituts Fachvorträge zu den Themen zu halten, die gerade im Unterricht in der betreffenden Klasse behandelt werden. Das neue Programm ermöglicht es beispielsweise einem Lehrer, der Fragen der Aerodynamik im Physikunterricht behandelt, mit seiner Klasse in die Luftfahrtausstellung des Franklin-Instituts zu kommen und seinen Schülern dort an Modellversuchen im Collinsschen Rauchtunnel die aerodynamischen Grundbegriffe erläutern zu lassen.

Daneben verpflichtet das Institut häufig bekannte Wissenschaftler zu Vorträgen vor Fachleuten und interessierten Laien. Für dieses Programm konnten in jüngerer Zeit so bekannte Männer wie Wernher von Braun vom US-Bundesamt für Aeronautik und Weltraumforschung, Professor Dr. Bengt Stromgren vom Institute for Advanced Study in Princeton, Vizeadmiral John T. Hayward, Stellvertretender Stabschef der US-Marine, gewonnen werden.

Eines besonderen Zulaufs erfreut sich die alljährlich im Oktober stattfindende Feier anläßlich des sogenannten Medaillen-Tags, bei der die Namen der neuen Medaillenträger bekanntgegeben und ihre Verdienste und technischen und wissenschaftlichen Leistungen in einem Festvortrag gewürdigt werden. Zu den Medaillenträgern gehören so berühmte Männer wie Thomas A. Edison, Guglielmo Marconi, Orville Wright, Max Planck, Albert Einstein, Enrico Fermi und Hans Albrecht Bethe, der 1959 eine

- 3 - "AMERIKA DIENST" 28. Oktober i960 eine Medaille für die Entwicklung einer Theorie über die Rolle des Kohienatcff-Stickstoff-Zyklus im Energiehaushalt der Sonne erhielt. Das "Journal" des Franklin-Instituts, eine wissenschaftliche Zeitschrift, erscheint ohne Unterbrechung seit 1826 und wird von Wissen­ schaftlern in aller Welt hochgeschätzt.

Eine weitere Funktion erfüllt das Institut mit der Bewahrung des Andenkens an den Mann, dessen Namen es trägt* Benjamin Franklin, den bekannten amerikanischen Gelehrten und Staatsmann. Jährlich erreichen das Institut Hunderte von Anfragen, die das Leben, das Werk und die geistvollen Aussprüche Franklins betreffen.

ACHTUNG! Auf Anforderung der Redaktionen übersendet der AMERIKA DIENST an Zeitungen und Zeitschriften kostenlos folgendes Bild!

Hauptportal des Franklin-Instituts in Philadelphia, Pennsylvanien. Im Hauptbau des Instituts ist auch die Benjamin-Franklin-Ge­ dächtnisstätte untergebracht, die die Erinnerung an diesen großen amerikanischen Patrioten, Diplomaten, Gelehrten, Erfinder und Schriftsteller wachhalten hilft. Im Sinne der Vielseitig­ keit Franklins entwickelte sich das 1824 gegründete Institut zu einem Mittelpunkt des wissenschaftlichen und kulturellen Lebens in den Vereinigten Staaten. Es umfaßt neben der Franklin- Gedenkstätte noch ein naturwissenschaftliches Museum, ein Planetarium, eine technische Bibliothek und Forschungslabora­ torien,

Aus "The Christian Science Monitor". Copyright-Vermerk beachten!

- 4 - "AMERIKA DIENST" 28. Oktober 1960

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WAHLJAHR 1960

DIE ROLLE DER FRAU IM WAHLKAMPF 1960 Es gibt dreieinviertel Millionen mehr wahlberechtigte Frauen als Männer in den USA (60 Zeilen)

WASHINGTON - (AD) - An vielen Orten in den Vereinigten Staaten hat es sich seit längerer Zeit so eingebürgert, daß sich die Hausfrauen, nachdem sie die Kinder zur Schule fortgerichtet und den Frühstücks tisch abgeräumt haben, auf ein Stündchen mit anderen Hausfrauen zum politischen Meinungs­ austausch zusammensetzen. Man steht ja kurz vor den Wahlen; man will in­ formiert sein, und man will selbst entscheiden können.

Dies ist um so bemerkenswerter, als die Stimmen der weiblichen Wäh­ ler gegenwärtig die der männlichen um dreieinviertel Millionen überwiegen, wie einem Zwischenbericht des U.S. Census 1960 zu entnehmen ist. Die Prä­ sidentschaftskandidaten der beiden großen Parteien zitieren diese Tatsache oft. Vizepräsident Nixon erklärte die Rolle der Frauen für "entscheidend bei den diesjährigen Wahlen", und Senator Kennedy bezeichnete die immer umfangreichere Beteiligung der Frauen am politischen Leben der USA als "ein Vordringen der Frau in neue Territorien". Auffallend zugenommen hat in den letzten Jahren außerdem das Interesse der amerikanischen Frau an Fragen der Außenpolitik.

Jede der beiden großen Parteien hat eine Frau in eines ihrer führen­ den Ämter berufen, der sie die Organisation der an der Wahlkampagne betei­ ligten Frauenhilfskorps übertragen hat. Stellvertretender Vorsitzender des Demokratischen Nationalausschusses ist Margaret Price, die zusammen mit Senator Kennedy auf einer 7/ahlreise von Alaska bis nach Nordkarolina mehr als 27 00C km zurückgelegt hat. Nach einem nur dreitägigen Aufenthalt in Washington ging es weiter in den Mittelwesten und die sogenannten Rocky- Mountain-Staaten. Dem

- 5 "AMERIKA DIENST" 28. Oktober 196O Dem Nationalausschuß der Republikaner gehört als Beisitzer des Vor­ standes Cläre B. Williams an, die als Begleitung Botschafter Henry Cabot Lodges, des von der Partei für die Vizepräsidentschaft nominierten Kandi­ daten,die Staaten Florida, Texas, Connecticut und Pennsylvanien bereist hat und zur Zeit Vizepräsident Nixon auf dessen Wahlreise assistiert.

Die beiden für ihre Partei tätigen Frauen sind Anhänger der gleichen Philosophie, die Mrs. Williams wie folgt umreißt: "Man kann einen Wahl­ kampf nicht vom Hauptquartier in Washington aus führen, man muß zu den Leuten in die 'Maple Streets' und 'Main Streets' gehen, wenn man gewinnen will. Die freiwilligen Mitarbeiter sind die Kraftquelle unserer Parteiarbeit."

Daß alles richtig klappt, dafür sind die Frauen da. Sie sorgen dafür, daß sich die neuen Wähler rechtzeitig und ordnungsgemäß registrieren lassen, damit es am Wahltag keine Pannen gibt; daß die Wahlliteratur verteilt wird; daß die Empfänge bei Tee oder Kaffee arrangiert werden, auf denen die Kan­ didaten mit den Wählern zwanglos ins Gespräch kommen können; daß Parteiver­ sammlungen reibungslos ablaufen und daß am Wahltag ausreichende Transport­ mittel zur Verfügung stehen, um die Wähler zu den Wahllokalen zu bringen.

"Wir haben nie so viele freiwillige Parteihelfer gehabt", erklärte Mrs. Price kürzlich, "und nie waren sie aufgeschlossener." Sechzehn Ver­ anstaltungen, die die Strategie des Friedens als Leitgedanken hatten, wurden allein von den demokratischen Frauen durchgeführt.

Neben den Kandidaten selbst sind es insbesondere auch ihre Frauen, denen von Seiten der Wähler größtes Interesse entgegengebracht wird. Mrs. Kennedy, die im kommenden Monat ein Kind erwartet, kann sich an den Wahl­ reisen ihres Mannes nicht mehr beteiligen. Die frühere Journalistin wendet sich dafür in ihrer wöchentlichen Kolumne "Campaign Wife" über Zeitungen und Zeitschriften an die Frauen und Mädchen in den USA. Mrs. Johnson, die Frau des demokratischen Vizepräsidentschaftskandidaten Senator Lyndon B. Johnson, betrachtet es als ihre erste Pflicht, ihrem Manne in diesen entscheidenden Wochen beizustehen. Auch Mrs. Nixon ist immer dabei. "Sie wird", wie Mrs. Williams berichtete, "überall im Lande geliebt und bewundert; sie würde eine gute First Lady abgeben..." Mrs. Emily Lodge, die nach sieben Jahren nun erneut wieder die Scheinwerfer der politischen Bühne auf sich gerichtet

6 - "AMERIKA DIENST" 28. Oktober 1960 gerichtet sieht - sie war inzwischen als Frau des US-Chefdelegierten bei den Vereinten Nationen der internationalen Diplomatie eine reizende Gast­ geberin -, weiß, welche Anforderungen ein Wahlkampf um die Vizepräsi­ dentschaft der USA stellt, wie ihn ihr Mann, Henry Cabot Lodge, derzeit zu führen hat. Sie war schon dabei, als sich Henry Cabot Lodge um Ämter in der Legislative von Massachusetts und im US-Senat zu bewerben hatte.

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REKORDWAHLBETEILIGUNG IN DEN USA ZU ERWARTEN

( 12 Zeilen) WASHINGTON — AD — Die diesjährigen Präsidentschaftswahlen in den Vereinigten Staaten, die am 8. November stattfinden, werden nach Angaben des nationalen Stimmregistrierungsausschusses eine Rekordbeteiligung zu verzeichnen haben. Wie aus einer Veröffentlichung des Ausschusses am 21. Oktober hervorgeht, ist damit zu rechnen, daß sich bis zum Wahltag rund 76 Millionen Wähler in die Wahllisten einge­ tragen haben werden. Dies würde die stärkste Wahlbeteiligung in der Geschichte der USA bedeuten. Bei den Präsidentschaftswahlen im Jahre 1956 hatten 61,8 Millionen Amerikaner von ihrem wichtigsten demokratischen Recht Gebrauch gemacht, den Mann für das höchste Amt in den USA zu wählen. Damals bedeutete dies eine Wahlbeteiligung von etwa 60 Prozent.

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- 7 "AMERIKA DIENST" 28. Oktober 196O

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VON KUNST UND KÜNSTLERN

AUFTAKT ZUM KONZERTWINTER 1960/61 IN DER RENOVIERTEN CARNEGIE HALL Von Norman Smith

(76 Zeilen) NEW YORK - (AD) - Die alte Dame der 57. Straße in New York ist noch einmal zu neuem Leben erwacht. Ihr strahlendes Debüt dürfte auf die kommende Musiksaison Amerikas nicht ohne Einfluß bleiben.

Diese Old Lady - es ist die ehrwürdige Carnegie Hall - ist auch von ganz besonderem Reiz, der die Musikliebhaber nicht nur New Yorks, sondern der ganzen Nation in ihren Bann zwingt. Bekanntlich sollte sie ja abgerissen werden, und im letzten Winter war es nahe daran, als plötzlich von überall her Proteste und auch die eindringliche Mahnung laut wurde, es müßte doch möglich sein, das traditionsreiche Konzerthaus, so müde und abgenutzt es auch war, vor dem Abbruch zu retten. Auch wird das im Lincoln Center for the Performing Arts neu erstehende Haus, an dem man noch mehrere Jahre zu bauen haben wird, nach Meinung der Musikfreunde die alte Carnegie Hall lange nicht ersetzen können.

Ein Bürgerausschuß unter der Leitung des berühmten Geigers Isaac Stern nahm sich der Sache an. Schließlich gelang es auf dem V/ege staat­ licher Verordnung, im Verein mit der New Yorker Stadtverwaltung einen Modus procedendi auszuarbeiten, der der Stadt New York die Möglichkeit gab, das 70 Jahre alte Gebäude käuflich zu erwerben und es einer gemein­ nützigen Organisation zur Verfügung zu stellen.

Im Sommer dieses Jahres wurde die Carnegie Hall renoviert, der Schmutz von Jahrzehnten von den Außenwänden abgekratzt; das Innere des früher dunkelroten Hauses erstrahlt seither ganz in Weiß und Gold.

Mit einem Galakonzert wurde die Carnegie Hall kürzlich wiedereröff­ net. Der Reinertrag floß in die Pensionskasse der New York Philharmonie. Mag - 8 "AMERIKA DIENST" 28. Oktober 1 960 Mag sein, daß die neue Umgebung die Musiker besonders beflügelte, jedenfalls schien das Orchester, das unter der Leitung des phänomenalen Leonard Bernstein spielte, sich selbst zu übertreffen, und niemand merkte ihm an, daß es gerade erst von einer transkontinentalen Tournee, die es von Honolulu bis nach Berlin geführt hatte, zurückgekehrt war. Solist des Abends war Isaac Stern. Er spielte Beethovens Violinkonzert vollendet und verfehlte auch kaum eine Note, als er mit der großen Geste des wahren Virtuosen wegen einer gerissenen Saite seine Geige mit der des Konzertmeisters auswechseln mußte.

Wenngleich von dem glücklichen Ausgang der Carnegie Story auch kein umwälzender Einfluß auf das Musikleben in anderen Teilen der USA zu erwarten ist, so ist die Carnegie Story selbst doch symptomatisch für den regen Anteil, den die Amerikaner an der Musik und der Musik­ pflege in ihrem Lande haben. Wie vielschichtig dieses Interesse ist, ist auch den Programmvorschauen der zahlreichen Operngesellschaften und Orchestervereinigungen zu entnehmen, die gegenwärtig dabei sind, ihre Wintervorhaben bekanntzugeben.

Vielfach enthalten sie musikalische Genüsse von nicht alltäglicher Art: neue Solisten, neue Werke, neue Programmzusammenstellungen und er­ weiterte Spielzeiten. In Kentucky z.B. hat das Louisville Orchestra sein Programm weitgehend "argentinisch" ausgerichtet 5 in Washington begeht die National Symphony ihr 30jähriges Jubiläum mit fünf verschie­ denen Konzertreihen; in Arizona unternimmt die Tucson Symphony den lo­ benswerten Versuch, in jedem ihrer Konzerte auch einen modernen Amerika­ ner zu spielen. Im Mittelwesten dagegen verdient eine ungewöhnliche Ent­ wicklung ganz besondere Aufmerksamkeit: Dort hat eine Farmergenossenschaft zur Krönung ihrer diesjährigen Jahresversammlung die Kansas City Phil­ harmonie für ein Sonderkonzert verpflichten können.

Während die meisten Operngesellschaften - wie die bekannte Chicago Lyric oder die Opernvereinigungen in Dallas und Philadelphia - noch an ihren Neuinszenierungen arbeiten, hat die die Saison 1960/61 mit Puccinis "Das Mädchen aus dem Goldenen Westen" bereits be­ gonnen. Den Opernauftakt der Brooklyn Academy of Music brachte der Einakte]

- 9: - "AMERIKA DIENST" 28. Oktober 196O Einakter "Gianni Schicchi", in dem der Schauspieler und Regisseur Jose Ferrer mitwirkt, der sich übrigens als ausgezeichneter Bariton entpuppt hat.

Die New York City Opera bringt demnächst unter der Stabführung des Komponisten als amerikanische Premiere Werner Egks "Revisor"; die Metropolitan Opera inszeniert Verdis "Nabucco", das damit in den USA seit über hundert Jahren zum erstenmal wieder als Opernwerk auf­ geführt wird; ein weiterer seit langem erwarteter Genuß ist ferner das Met-Debüt der amerikanischen Sopranistin Eileen Farrell in Glucks "Alcestis". *

Der Konzertwinter bringt Hunderte Veranstaltungen von Solisten und Orchestern, die mit ihren Programmen den nordamerikanischen Kontinent bereisen werden. Im einzelnen sind diese Programme noch nicht bekannt. Eines aber ist gewiß: es wird viel Kammermusik dabei sein, da die Nach­ frage des Publikums nach dieser anspruchsvollen Musik in den letzten Jahren ständig gestiegen ist. Die Tatsache, daß sich der Komponist und Pianist Lukas Foss mit seinem Improvisation Chamber Ensemble für eine Amerika-Tournee entschieden hat, bestätigt diese Gewißheit. Seine Werke, oft als "klassisches Gegenstück der Jazzimprovisation" bezeichnet, sind zweifellos ein musikalischer Hochgenuß und ein Höhepunkt des kommenden Musikwinters.

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10 ~ "AMERIKA PIEKST" 28. Oktober i960 Die Artikel des AMERIKA DIENSTES sind honorarfrei und neben der Verwendung durch Rundfunk und Fernsehen ausschließlich zum Abdruck in Zeitungen und Zeitschriften und sonstigen Publikationen bestimmt, die sich direkt an den Leser wenden.

WELTPOLITIK CHRUSCHTSCHOW UND DAS REGELBUCH AUS DEM JAHH 1920 Vor 40 Jahren wurde die kommunistische Taktik gegenüber parlamentarischen Institutionen festgelegt

( 100 Zeilen) VEREINTE NATIONEN, NEW YORK -- AD -- Chruschtschows Auftreten vor den Vereinten Nationen, das von der Welt mit solcher Bestürzung registriert wurde, war keineswegs derart neu oder unüberlegt, wie es erscheinen mag« Es handelte sich vielmehr um eine seit über 40 Jahren gegen parlamentari­ sche Systeme angewandte kommunistische Taktik. In der freien Welt hat sich die parlamentarische Regie:rungsform als die geeignetste Arbeitsmethode einer Gruppe von Gesetzgebern entwickelt, deren Einzelinteressen in freier Diskussion gegenüber den Bedürfnissen und Wünschen der Gesamtheit abgewogen werden müssen. Nach kommunistischer Auffassung ist das Parlament nicht viel mehr als ein Instrument, das speziell den Zielen des Kommunismus zu dienen hat. Sobald sie erreicht sind, ist es zu vernichten.

Die 4. Reichsduma (1912-17) ließ zum ersten Mal die kommunistische Haltung gegenüber dem Parlament deutlich werden. Lenin instruierte die Mitglieder seines Flügels innerhalb der russischen Sozialdemokratischen Partei, daß die Reichsduma als Resonanzboden für die Propagierung des Kommunismus zu benutzen sei. Die kommunistischen Abgeordneten stellten die Arbeit dieses Parlaments als Komödie hin und hielten Reden, die auf eine Aufwiegelung der Massen in den umliegenden Städten abzielten. Nur solche Gesetzesvorlagen wurden eingebracht oder unterstützt, die sich dazu eigneten, fraktionelle Gruppen zu wütender Auseinandersetzung zu reizen. Als Lenin daranging, die nach Abdankung Zar Nikolaus II. im März 1917 eingesetzte Provisorische Regierung zu stürzen, wandte sich seine gefühlsbetonte Propaganda besonders an diejenigen, die sich zu unverantwortlichen Handlungen hinreißen lassen würden. ^

- 11 - "AMERIKA DIENST" 28. Oktober i960 Der II. Kominternkongreß 1920 in Moskau legte in allen Einzelheiten die kommunistische Taktik gegenüber parlamentarischen Institutionen fest. Die damals angenommenen "Thesen über die kommunistischen Parteien und das Parlament" besitzen auch heute noch Gültigkeit. Zunächst wird in ihnen die "Auflösung" der Allrussischen Verfassung—gebenden Versammlung durch den Allrussischen Sowjetkongreß als notwendige und legitime Maßnahme er­ klärt, und dann heißt es u.a.i

"Der Parlamentarismus ist eine besondere Form des Staates; daher kann er nicht die Form der kommunistischen Gesellschaft sein, in der es weder Klassen noch Klassenkampf, noch irgendwelche Staatsgewalt gibt ... Die Aufgabe des Proletariats ist es, den bürgerlichen Staatsapparat zu zer­ rütten, ihn zu vernichten und mit ihm zusammen die parlamentarischen Institutionen, gleichgültig, ob sie sich von einer Republik oder einer konstitutionellen Monarchie herleiten ... Der Kommunismus verwirft den Parlamentarismus als Form der zukünftigen Gesellschaft... Er leugnet die Möglichkeit, ein Parlament auf die Dauer für sich zu gewinnen; sein Ziel ist es, den Parlamentarismus zu vernichten. Daraus folgt, daß der Kommu­ nismus nur ein Interesse daran haben kann, die bürgerlichen Staatseinrich­ tungen auszubeuten, mit dem Ziel, sie zu vernichten." Folgende Methoden sind dabei anzuwenden» "Die Kommunistische Partei betritt diese Institution nicht, um dort als organischer Bestandteil des Parlaments zu fungieren, sondern um durch Tätigkeit innerhalb des Parla­ ments den Massen zu helfen, den Staatsapparat und das Parlament selbst zu zerrütten." Eine Beteiligung an Wahlen wird befohlen, um eine. Anzahl von Parlamentssitzen zu sichern, von denen aus die kommunistischen An­ schauungen ins Volk getragen werden können» Von jedem einzelnen Kommunisten der sich um ein Amt innerhalb eines parlamentarischen Systems bewirbt, wird gefordert, voll und ganz dem Zentralkomitee zur Verfügung zu stehen! "Jedes kommunistische Parlamentsmitglied muß sich darüber im klaren sein, daß seine Rolle nicht die eines Gesetzgebers ist, der die Verständigung mit anderen Gesetzgebern sucht, sondern die eines Parteiagitators, der zur Ausführung von Parteibeschlüssen ins feindliche Lager entsandt wurde. Der kommunistische Abgeordnete ist nicht der lockeren Masse seiner Wähler, sondern seiner Kommunistischen Partei, sei sie legal oder illegal, verant­ wortlich." Diese "AMERIKA DIENST" 28. Oktober i960 Diese Thesen fanden bei zahlreichen Gelegenheiten ihre praktische Anwendung. Eines der frühesten Beispiele war die kommunistische Aktivi­ tät in der amerikanischen Gewerkschaftsbewegung. James B. Carey, Vor­ sitzender der Gewerkschaft der Elektro-, Radio- und Maschinenarbeiter in der AFL-CIO, hat sehr eingehend die Taktik der Kommunisten dargelegt, die vor ihrem Ausschuß im Jahr 1949/50 versucht haben, mit Hilfe ihrer Positionen in den Gewerkschaftsleitungen die Gewerkschaften selbst unter ihre Kontrolle zu bringen. "Vor allem waren die Kommunisten eine diszi­ plinierte Gruppe« Es handelte sich bei ihnen um Leute, die genau so ab­ stimmten, wie sie instruiert worden waren; nie wurde ihnen eine Abweichung oder eine Frage gestattet ... Sie gaben Schlagworte von sich, rezitierten feststehende Formeln und schienen alle Antworten fein säuberlich in Kap­ seln abgefüllt vorrätig zu haben."

Bei jedem Versuch, die Regierungsgewalt eines Staates auf dem Weg über sein Parlament unter Kontrolle zu bringen, hält sich das Vorgehen der Kommunisten an die Thesen des Jahres 1920. Eine wirksame Minderheit wird im Parlament eingepflanzt, deren Loyalität und Marschrichtung von der Kommunistischen Partei streng kontrolliert werden. Sie regt die Bil­ dung von "Volksfronten" an, beginnt dann ihre unermüdliche Spaltungs­ taktik, während sie in Richtung auf ihre eigenen Ziele vorstößt.

Xhnlich ist die sowjetische Taktik bei internationalen Konferenzen, Auch hier werden die parlamentarischen Verfahrensweisen zur Förderung kommunistischer Ziele ohne Rücksicht auf die Wünsche und Bedürfnisse anderer betroffener Staaten ausgenutzt. Ein deutliches Beispiel war die Belgrader Donau-Konferenz des Jahres 1948. Hier besaß die Sowjet­ union die Majorität und sorgte dafür, daß ihre Interessen in allen gesetz­ lichen Bestimmungen Berücksichtigung fanden. Erreicht wurde dies in kür- zestmöglicher Frist, wobei dem Verlauf der Konferenz ein Minimum an Publi­ zität gewidmet wurde.

Wo sich Kommunisten in der Minderheit befinden, wie im Tfirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen (ECOSOC), verhalten sie sich ganz anders. Hier richten die Sowjets heftige Attacken gegen die Mehrheit und sabotieren durch eine Vielfalt von Mitteln das erfolgreiche Funktionieren dieser Organisation, um dann den Vorgängen eine möglichst umfangreiche Behandlung in der Öffentlichkeit zu geben. . ,

- 15 - • "AMERIKA DIENST" 28. Oktober 1960

Auch in der 15« Vollversammlung der Vereinten Nationen stand das Regelbuch des Jahres 1920 hinter Chruschtschows Versuch, ein parlamentari­ sches System, ganz im Sinne Lenins, für die Ziele des Kommunismus einzu­ spannen - und es nach einem kommunistischen Sieg zu vernichten. Wäre Chruschtschow eine Strukturänderung der UNO-Exekutive gelungen, hätte dies wohl den ersten Schritt auf dem Weg zur Zerstörung der Vereinten Nationen bedeutet. Chruschtschow kennt jedenfalls den Wert des alten, von der Komintern gegebenen Ratschlages, daß dem Kommunismus sehr daran gelegen sein muß, "Aufklärungseinheiten in den parlamentarischen Institutionen der Bourgeoisie zu haben, um das Werk der Vernichtung zu erleichtern."

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- 14 - ST" 28. Oktober i960

GEDENKTAGE IM NOVEMBER 1960

1734 Daniel Boone, Pionier der Besiedlung des amerikanischen Mittelwestens und Vorbild zu James Fenimore Coopers "Lederstrumpf", in Berks County, Pa. geboren (gest. 26.9.1520 in 3t. Charles County, Missouri).

1956 Einmarsch sowjetischer Panzer in Budapest und Niederschlagung der ungarischen Voiksaui'stanues

1060 Wahl Lincolns zum Präsidenten der USA; Regierungs­ antritt am 4 «3 .1861. (100. Jahrestag)

1837 Elijah ?. Lovejoy in Alton (Illinois) erschossen. Er starb als einer der Vorkämpfer der Redefrei­ heit, der in der Presse für die Abschaffung der Sklaverei eingetreten war (geb. 9.11.1802 in Albion, Maine).

1837 iviount Kolyoke, das erste Frauen-College der USA, in South Hadley (Massachusetts) eröffnet.

1924 Texas und Wyoming wählen als erste amerikanische Bundesstaaten Frauen als Gouverneure.

1935 Der amerikanische Gewerkschaftsverband CIO ge­ gründet. (25. Gründungstag)

1880 Sir Jacob Epstein, britischer Bildhauer ameri­ kanischer Abstammung, in New York geboren (gest. 19.8.1959 in London). (80. Geburtstag)

"Veterans Day" (Tag der Kriegsteilnehmer)

1620 "Llayflower Compact" unterzeichnet. Aus England wegen ihres Glaubens geflohene Puritaner unter­ zeichnen auf der "Mayflower" einen Vertrag, der die idert"M" Grundlage für die spätere demokrati­ sche Verfassung der USA bildet. (340. Jahrestag)

1765 Robert Fulton, amerikanischer Ingenieur und Er­ finder des Dampfschiffes, in Little Britain (jetzt Fulton), Pa. geboren (gest. 24.2.1815 in New ¥ork). (195 • Geburtstag)

1910 Eugen Ely startete vom Deck des US-Kreuzers "Birmingham" und landet in Hampton Roads (Virginia); erster Start eines Flugzeuges von Bord eines Schiffes. (50. Jahrestag) ru

- 15 - "AMERIKA DIENST" 23. Oktober 196O

17« November 1800 Der amerikanische Kongreß tritt zu seiner ersten Sitzung in Washington D.C. zusammen (vorher tagte er in Philadelphia). (160. Jahrestag)

18. " 1860 Ignacy Paderewski, polnischer Komponist, Pianist und Politiker in Kurylcwka (Podolien) geboren (gost. 29.6.1941 i-n ^eV! York). (100. Geburtstag)

19. " 1865 Abraham Lincoln, 16. Präsident der USA, hält seine berühmte Rede von Gettysburg.

20. " 1942 Der "Alcan Highway", der die USA mit Alaska verbindet, für den Verkehr freigegeben.

24. " "Thanksgiving Day" (Erntedankfest) in den USA, von Präsident Abraham Lincoln 1863 zum National­ feiertag proklamiert.

25» " 1835 Andrew Carnegie, amerikanischer Großindustrieller und Stahlkönig, in Dunfermline (Schottland) ge­ boren (gest. 11.8.1919 in Lenox, Massachusetts). (125. Geburtstag)

(26.) " 1607 John Harvard, amerikanischer Geistlicher, nach dem Amerikas älteste Universität benannt wurde, in Southwark (England) geboren; genaues Geburts­ datum unbekannt (gest. 24.9.1638 in Charlestown, Massachusetts).

27. 1953 Eugene O'Neill, amerikanischer Dramatiker und Nobelpreisträger für Literatur, in Boston (Massachusetts) gestorben (geb. 16.10.1888 in New York) .

29. 1929 Commander Richard E. Byrd überfliegt den Südpol.

30. 1835 Mark Twain (Samuel Langhorne Clemens), amerikani­ scher Schriftsteller, in Florida, Mo. geboren (gest. 21.4.1910 in Redding, Connecticut). (125. Geburtstag)

30. 1782 Unterzeichnung der "Vorläufigen Friedensartikel" zwischen den USA und Großbritannien. Ende des amerikanischen Freiheitskrieges.

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- 16 - "AMERIKA DIENST" 4. November 1 960

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WELTPOLITIK

UNGARN - VIER JAHRE DANACH Resignation und geheime Opposition Von Paul Landy

Am 4« November 1956 rückten sowjetische Panzer in Budapest ein und schlugen den ungarischen Volksaufstand mit Gewalt und Terror nieder. Paul Landy, der seit seiner Flucht aus Budapest als Journalist in Wien lebt, gibt in nachfolgendem Artikel ein Bild der Lage im heutigen Ungarn.

(100 Zeilen) In den vier Jahren, die seit dem ungarischen Volksaufstand vergan­ gen sind, hat das kommunistische Regime in Ungarn seine stark erschüt­ terte Position wieder einigermaßen festigen können - nicht zuletzt des­ halb, weil sich nach der blutigen Niederschlagung des Freiheitskampfes von 1956 allgemeine Resignation und Apathie ausgebreitet haben. Dennoch gilt Ungarn weiterhin als der unberechenbarste unter den sowjetischen Satellitenstaaten, und kaum jemand zweifelt daran, daß der Kommunismus binnen weniger Stunden aus Ungarn hinweggefegt wäre, gäbe es nicht die allgegenwärtige Drohung der Sowjetmacht. Seit Anfang 1957 hat das Regime unter Janos Kadär die entschieden­ sten Sprecher der Opposition ausgeschaltet, um damit die Gefahr eines neuerlichen Aufruhrs zu verringern. Zugeständnisse an die Bevölkerung sollten die Lage beruhigen helfen. Die .Virtschaft wurde einer Gewaltkur unterzogen und befindet sich gegenwärtig in einer besseren Verfassung, als man dies vor vier Jahren für möglich gehalten hätte. Das Regime gibt sich größte Mühe, Ungarn als kulturell hochstehendes und blühendes Land erscheinen zu lassen, von dem "Friede und Freiheit" in die Welt ausstrahlen. Zu

1 - "AMERIKA DIENST" 4. November 196O

Zu den Konzessionen, die darauf abzielen, die Bevölkerung für das Regime zu gewinnen, zählen eine Verbesserung in der Konsumgüterversor­ gung, eine bescheidene Lockerung der Ein- und Ausreisebeschränkungen sowie vor allem eine erst kürzlich erlassene Teilamnestie. Aber all diese "taktischen" Maßnahmen zeitigen offensichtlich nicht den gewünsch­ ten Erfolg; sonst hätte das stellvertretende Politbüromitglied Istvan Szirmai kaum öffentlich erklärt, daß es in Ungarn noch "mehrere hundert­ tausend aktive, gegen das Regime eingestellte Elemente gibt, deren tat­ sächlicher Einfluß auf die Bevölkerung wesentlich größer ist als ihre zahlenmäßige Stärke".

In Privatgesprächen beschrieben ungarische Regierungsfunktionäre die "Besänftigungstaktik" der letzten Monate als einen Versuch, die öffent­ liche Meinung zu neutralisieren, bevor die letzte Phase der totalen Kollek­ tivierung der Landwirtschaft und damit die beschleunigte Realisierung einer rein kommunistischen Gesellschaftsordnung eingeleitet werde.

. In den ersten zwei Jahren nach der Revolution hatte das Kadar-Regime nicht nur in Sachen Kollektivierung Zurückhaltung geübt, sondern den Bauern auch verschiedene andere Zugeständnisse gemacht, die eine wesentliche Besserstellung gegenüber der arbeitenden Stadtbevölkerung bedeuteten. Dazu gehörten u.a. die Abschaffung der Ablieferungspflicht für landwirtschaft­ liche Produkte sowie die Einführung freierer Marktmethoden. Gegen Ende 1958 jedoch wurde die Kollektivierung plötzlich wieder oberstes Ziel des Regimes, dessen Drohungen und Druckmitteln die Bauern nur wenig Widerstand entgegensetzen konnten, so daß nach zwei intensiven Winterkampagnen in den Jahren 1958 und 1959 bereits 75 Prozent der ge­ samten landwirtschaftlichen Nutzfläche kollektiviert waren. Daß es hier­ bei zu Ausschreitungen seitens der Behörden gekommen war, wurde im Mai i960 vom Zentralkomitee der ungarischen KP offiziell bestätigt. Janos Kadar suchte sich zwar durch die Absetzung seines Landwirtschaftsmini­ sters Imre Dogei von den Ereignissen zu distanzieren, die Ergebnisse des Kollektivierungsfeldzuges jedoch blieben erhalten. Den wenigen noch freien Bauern ist es klar, daß auch ihre Tage gezählt sind. Allerdings müssen selbst hohe Funktionäre des Kadar-Regimes zugeben, daß die Kollektivierung der Landwirtschaft bisher im wesentlichen nur auf dem Papier ein Erfolg war. Der führende Landwirtschaftsexperte der - 2 - "AMERIKA DIENST" 4. November 196O der ungarischen KP, Lajos Feher, sprach erst kürzlich von "Überbleibseln des Kleinbauerngeistes, die noch bei vielen Mitgliedern von Kollektiv­ betrieben festzustellen sind" und zu ernsten Versorgungsschwierigkeiten insbesondere auf dem Pleischsektor geführt haben. Feher sah sich tat­ sächlich gezwungen, hier auf Privatinitiative zurückzugreifen und die Viehzucht vorderhand in privaten Händen zu lassen. Das Parteiblatt "Nepszabadsag" beklagte sich kürzlich darüber, daß Bauern, die früher regelmäßig von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang auf ihren Feldern gear­ beitet hatten, nunmehr nach der Kollektivierung mitunter mit dreistündi­ ger Verspätung zur Arbeit erscheinen.

Passiver Widerstand und heimliche Opposition sind auch unter der Ar­ beiterschaft weit verbreitet, wenngleich durch die allgegenwärtige Geheim­ polizei, durch die. zahllosen Spitzel und nicht zuletzt durch die allgemeine Resignation eine offene Auflehnung gegen das Regime verhindert wird. Viele ungarische Arbeiter haben sich die Parole "Was dem Staat gehört, gehört niemandem" zu eigen gemacht und nehmen es mit kleinen Diebstählen und Veruntreuungen nicht allzu genau. Die Verluste an "Volkseigentum" gehen jährlich in die Milliarden Forint, und trotz der sogenannten "Kamerad­ schaftsgerichte" und "Wachhundkommissionen" ist die Arbeitsmoral denkbar niedrig. Paradoxerweise haben nämlich die 1,3 Millionen Arbeiter Ungarns, die tragende Klasse dieses "Arbeiterstaates", den geringsten Nutzen aus den vom Regime gewährten Konzessionen gezogen. Ihr Leben ist nach wie vor recht unerfreulich. Für ein Paar Schuhe der unteren Preisklasse müssen sie ein Drittel ihres Monatslohnes anlegen; und ein bescheidener russischer Wagen kostet vier bis fünf volle Jahresverdienste.

Studenten und Intellektuelle machen oft sehr wenig Hehl aus ihrer Abneigung gegenüber dem ungarischen Regime und ihrer Vorliebe für den Westen. Zahlreiche jüngere Schriftsteller, unter ihnen auch viele Partei­ mitglieder, mußten bereits schwere Angriffe über sich ergehen lassen, weil sie ihrer Verehrung für Kafka, Camus, Hemingway und James Joyce Ausdruck gaben, prominente Autoren der Sowjetunion und des kommunistischen Ungarn dagegen ignorieren. Klassische wie zeitgenössische Bühnenstücke aus dem Westen waren die größten Erfolge der letzten Theaterspielzeit. Am

3 - "Alt:ERIKA DIENST" 4. November 196O

Am 51 • März 196O wurde eine Teilamnestie verkündet, die man in Budapest vielfach als Zeichen dafür wertet, daß sich Partei und Geheim­ polizei wieder sicher im Sattel fühlen. Allerdings wurde eine Reihe pro­ minenter Persönlichkeiten von dieser Amnestie ausgenommen. Entweder waren sie erst nach dem Mai 1957 verurteilt worden oder hatten Freiheitsstrafen von über sechs Jahren erhalten. Das Internierungslager Tököl auf der Insel Csepel soll aufgelöst worden sein; aber von offizieller Seite liegt keine Erklärung vor, was mit seinen Insassen geschehen ist. Reisende in Ungarn berichten in diesem Zusammenhang, daß schätzungsweise mindestens 8000 Personen im Konzentrationslager Szeged sowie in mehreren anderen Inter- nierungs- und Zwangsarbeitslagern festgehalten werden.

Die Auslandspost unterliegt ganz offensichtlich einer Zensur. Nicht selten weisen Briefe, die aus Ungarn im Westen eintreffen, deutlich erkenn­ bare Beschädigungen auf. Wiederholt haben ungarische Zensoren nach getaner Arbeit auch schon Briefbögen in die falschen Kuverts gesteckt, so daß man­ cher in Wien oder München lebende Ungar Briefe erhielt, die an Fremde gerichtet waren.

Die Ungarn sind ein tief religiöses Volk, ihre Kirchen füllen sich auch heute noch, sehr zum Ärger des Regimes, das seine atheistische Hetze in letzter Zeit noch gesteigert hat. Um so größer ist der Mißerfolg, den die kommunistischen Machthaber aller Bespitzelung, Einschüchterung und Propaganda zum Trotz auf diesem Gebiet zu verzeichnen haben - -dem Gebiet des Glaubens, der manche Bitterkeit und Verzweiflung lindern hilft.

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1) Ein Strom von Flüchtlingen ergoß sich in den Tagen des ungarische Volksaufstandes nach Westen. Sie sind heute das Ziel der Bemühun­ gen der "Weltunion der Ungarn", die sie im Auftrag des kommuni­ stischen Regimes wieder in ihre Heimat zurückzulocken versucht. 2) Die Straßen Budapests zeigen heute, vier Jahre nach dem Volksauf­ stand des Jahres 1956, ein "normales" Bild. Trotzdem spürt man deutlich die lastende allgemeine Resignation und Apathie, die ganz Ungarn ergriffen haben.

***** "AMERIKA DIENST" 4. November 196O Die Artikel des AMERIKA DIENSTES sind honorarfrei und neben der Verwendung durch Rundfunk und Fernsehen ausschließlich zum Abdruck in Zeitungen und Zeitschriften und sonstigen Publikationen bestimmt, die sich direkt an den Leser wenden.

DAS PORTRAT

"... NIEMALS FÜR SICH SELBST" Mary McLeod Bethune - Amerikas bedeutende Negerpädagogin

(70 Zeilen) Im Lincoln-Park in Washington wird ein neues Denkmal stehen - öffentliches Gelände hat der US-Kongreß kürzlich durch einstimmigen Be­ schluß dafür bereitgestellt -, das Amerika seiner bedeutenden Neger- pädagogin Mary McLeod Bethune widmet. Ihre Arbeit ist Symbol und Teil des Fortschritts der amerikanischen Neger, denen Präsident Abraham Lincoln im vergangenen Jahrhundert die Freiheit brachte. Am 1. Januar 1963» dem 100. Jahrestag der Unterzeichnung der "Emancipation Proclamation", hofft der Nationalrat der Negerinnen das neue Denkmal enthüllen zu können. Darü­ ber hinaus soll als Sitz des Nationalrates und als Aktions- und Dokumen­ tationszentrum für Angelegenheiten der Negerinnen ein "Bethune Memorial Educational Center" entstehen. Glaube und Entschlossenheit waren die Eigenschaften, die Mary McLeod Bethune auch scheinbar unüberwindliche Hindernisse bezwingen halfen. Ihr Morgengebet hieß: "Gott, verleih mir neue Kraft»" Und Kraft floß ihr täglich neu für ihre Arbeit zu, deren Erfolge sie bereits lange vor ihrem Tod im Jahre 1955 - sie wurde fast achtzig Jahre alt - zu einer der hervor­ ragendsten Frauen der amerikanischen Geschichte werden ließen.

Ihre Eltern waren ehemalige Negersklaven. Mit ihnen zusammen arbei­ tete sie auf den Reis- und Baumwollfeldern Südkarolinas, ehe sie mit elf Jahren zum ersten Mal die in ihrem Bezirk neueröffnete Schule für Negerkin­ der besuchen durfte. Für Mary bedeutete es einen Schulweg von acht Kilome­ tern. Abends erklärte sie ihrer Familie, was sie tagsüber gelernt hatte; und mit fünfzehn hatte sie alles Wissen, das ihr die kleine Schule bie­ ten konnte, in sich aufgenommen. Ihr Hunger nach Bildung war damit aber nur geweckt, keineswegs gestillt. gin

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Ein kleines Stipendium, das eine weiße Amerikanerin für ein Neger­ mädchen, "aus dem etwas werden konnte", ausgesetzt hatte, ermöglichte Mary McLeod den Besuch des Scotia-Seminars in Concord (Nordkarolina), wo sie acht Jahre lang durch Nebenarbeit ihre Ausbildung finanzieren half. Zwei Jahre Studium am Moody-Bibelinstitut in Chicago - auch hier war ein Stipendium die Grundlage - brachten den notwendigen Abschluß, und sie be­ gann zu unterrichten. 1899 heiratete sie Albert L. Bethune, der Lehrer war wie sie selbst. Das Jahr 1904 wurde der Beginn einer einzigartigen Laufbahn im Dienste der Mitmenschen. Damals eröffnete Mary McLeod Bethune mit einem Grundkapi­ tal von 1,50 Dollar ihre eigene Schule in Florida und startete zugleich eine "Einmannkampagne", um die fehlenden Gelder aufzutreiben. Das erste "Daytona Normal and Industrial Institute" war ein winziges gemietetes Blockhaus, dessen Einrichtung aus sorgfältig gesäubertem und repariertem Behelfsmo­ biliar bestand. Die ersten Schüler - fünf kleine Mädchen und Mrs. Bethunes Sohn - schrieben mit angekohlten Holzsplittern und benutzten den Saft von ausgepreßten Holunderbeeren als Tinte. Später kaufte diese unerschütterliche Frau gegen einen geringen Barbetrag einen Schuttabladeplatz. Aus Abfallma­ terial baute sie mit freiwilligen Helfern dort eine Schule auf, die erwei­ tert werden konnte, je mehr weiße und schwarze Freunde ihr mit Geld und Rat zur Seite standen. 1923 vereinigte sich diese Schule mit dem Cookman-In- stitute, einem Knaben-College, und es entstand das Bethune-Cookman-College, das Mrs. Bethune bis 1942 als Präsidentin leitete. Heute besuchen 600 Studen­ ten diese Hochschule, an der Koedukation herrscht; dem Lehrkörper gehören 41 Professoren und Dozenten an.

Aber nicht nur ihrem College galt Mrs. Bethunes Arbeit. 1935 gründete sie den amerikanischen Nationalrat der Negerinnen, einen Verband, dem gegen­ wärtig 22 nationale Organisationen und 36 Regionalräte angehören. Ihr gemein­ sames Ziel ist die Heranbildung der amerikanischen Negerinnen zu einer wirk­ samen Macht im Leben der Vereinigten Staaten. Als Präsidentin des Nationalrates und leitendes Mitglied einer Reihe weiterer Organisationen übte Mrs. Bethune starken Einfluß im Sinne einer Aufhebung jeder Rassendiskriminierung und einer Zusammenarbeit zwischen den weißen und farbigen Bürgern der USA aus. Man hat sie "einen der mächtigsten Faktoren des wachsenden Verständnisses

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Verständnisses zwischen den Rassen in Amerika" genannt.

Mary McLeod Bethune hat es verstanden, in allen Schichten der Be­ völkerung Freunde zu gewinnen. Unter Präsident Roosevelt war sie Sonder­ berater für Minoritätsfragen und Direktor für Negerfragen in der Nationa­ len Jugend-Verwaltung (National Youth Administration). Präsident Truman ernannte sie zum Berater der US-Delegation bei der Gründung der Vereinten Nationen. Später nahm sie als sein persönlicher Vertreter an der feierlicher Amtseinführung des Präsidenten der Negerrepublik Liberia an der afrika­ nischen Westküste teil.

Auch als sie 1949 die Leitung des Nationalrates ihrer Nachfolgerin übergab, legte sie nicht die Hände in den Schoß. "Mein Ziel ist es jetzt", sagte sie, "all meine Kräfte, soweit ich es vermag, dem Zusammenschluß der Frauen Amerikas und der Welt zu widmen, um jene so wichtige weltweite Gemeinschaft aufzubauen, in der Frauen jeder Rasse, jedes Glaubens und je­ der Hautfarbe zusammenarbeiten können, um unsere Welt in eine bessere Welt zu verwandeln."

Obwohl diese außergewöhnliche Frau nie eine Hochschulerziehung ge­ nossen hat, wurde ihr von einem Dutzend amerikanischer Colleges und Uni­ versitäten die Ehrendoktorwürde verliehen. Preise wurden ihr zuteil und Auszeichnungen dreier ausländischer Regierungen. Präsident Roosevelt hatte sehr klar den Sinn ihrer Arbeit erkannt. Bei einem ihrer Besuche begrüßte er sie: "Es freut mich immer, Sie zu sehen, Mrs. Bethune, denn Sie kommen und bitten immer nur um Hilfe für andere - niemals für sich selbst."

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Die Artikel des AMERIKA DIENSTES sind honorarfrei und neben der Verwendung durch Rundfunk und Fernsehen ausschließlich zum Abdruck in Zeitungen und Zeitschriften und sonstigen Publikationen bestimmt, die sich direkt an den Leser wenden. DIE WISSENSCHAFT NOTIERT

VOM KRISTALL-DETEKTOR ZUM TRANSISTOR Entwicklung von Halbleiter-Bauelementen Von Wallace K. Waterfall

Nach "Science World". Bei Nachdruck sind Angabe des Verfassers, der Quelle und der Vermerk "Copyright 196O by Scholastic Magazines, Inc." unbedingt erforderlich. Das Nachdruckrecht erlischt am 16. Mai 1965.

(130 Zeilen)

Die Entwicklung des Transistors ist, wie die meisten Errungenschaf­ ten der modernen Technik, nur zu einem Bruchteil einer Zufallsentdeckung zu verdanken. Im großen und ganzen ist auch er das Ergebnis rein theore­ tischer Überlegungen, verbunden mit systematischer experimenteller Ar­ beit. In den 12 Jahren, die seit den ersten erfolgreichen Versuchen mit Transistoren in den Bell Telephone Laboratories (1948) vergangen sind, schuf man mit Hilfe dieser ständig weiter verkleinerten Miniatur-Bau­ elemente wahre Wunderwerke der Elektronik - angefangen vom Taschenradio und Brillenhörgerät bis zum "sprechenden Erdsatelliten" und der Daten­ verarbeitungsmaschine, die die Automation in immer weitere Bereiche un­ serer Zivilisation vordringen läßt.

Die Tatsache, daß der Transistor die Funktion der guten alten Elek­ tronenröhre zu übernehmen vermag, wird aber vielfach falsch interpretiert. Die Vakuumröhre ist durch ihn keineswegs verdrängt, sondern erfüllt nach wie vor auf den verschiedensten Gebieten von Industrie und Technik wich­ tige Aufgaben. Dort aber, wo ihr Leistungsbereich aus den verschiedensten

- 8 "AMERIKA DIENST" 4. November 1 96O verschiedensten Gründen begrenzt ist, greift man heute zum Transistor und erschließt dadurch Möglichkeiten - vor allem auf dem Gebiet der Nach­ richtentechnik -, an die früher einfach nicht zu denken war.

Es begann Anfang der vierziger Jahre mit einem Versuch bei den Bell Telephone Laboratories, zu dem auch Dr. Walter H. Brattain, Experimental­ physiker an der Bell-Forschungsanstalt, gebeten wurde. Er befaßte sich damals gerade mit dem elektrischen Verhalten von Feststoffen. Skeptisch betrachtete er die primitive Versuchsanordnung, die aus weiter nichts als einem Stück Silizium, zwei davon ausgehenden und an ein Voltmeter angeschlossenen Drähten sowie einer Taschenlampe bestand und die seinem Kollegen Dr. Russell S. Ohl dazu dienen sollte, dem Leiter der Forschungs­ anstalt "etwas Besonderes" zu demonstrieren. Dr. Ohl schaltete die Taschen­ lampe ein. Der Zeiger des Voltmeters schlug aus - aber um den zehnfach höheren Wert als bei den übrigen bis dahin bekannten photoelektrischen Substanzen. "Ich glaubte es einfach nicht", erinnerte sich fast 20 Jahre später Dr. Brattain. Die speziellen Eigenschaften von Silizium, die über­ dies durch geringste Veränderungen in der Zusammensetzung des Grundstoffes und in der Art und Weise, in der er erschmolzen war, offenbar sehr leicht zu beeinflussen waren, begannen auch ihn zu faszinieren.

Es war kein neues Problem. Schon mehrere Jahre zuvor hatte man in verschiedenen Laboratorien festgestellt, daß manche Stoffe - man nennt sie heute Halbleiter - unter dem Einfluß von Licht oder Wärme eine elektrische Spannung entwickeln oder andere auffällige elektrische Eigenschaften zei­ gen. Man betrachtete dies aber mehr oder weniger als Kuriosität ohne be­ sonderen praktischen Wert. Dr. Brattain ging es um eine Erklärung des Phänomens, daß in bestimmten Substanzen die Träger der Elektrizität an­ scheinend entweder elektrisch positiv oder auch negativ sein und sich da­ bei ebenso frei wie "normale" Elektronen bewegen konnten. Das Geheimnis liegt in der Natur der Halbleiter begründet, die, wie schon der Name sagt, elektrischen Strom weniger gut als Leiter, aber besser als Isolatoren transportieren. Eine Erklärung des Halbleiter-Effekts gab ein britischer Wissenschaftler schon in den dreißiger Jahren. Er ging bei der Formulierung seiner Theorie von dem Gedanken aus, daß in einem Halbleiter nicht nur

- 9 - "AMERIKA DIENST'' 4. November i960 nur infolge der Bewegung elektrisch negativer Elektronen ein Stromfluß erfolgt, sondern ebenso durch die Verlagerung der beim Abwandern von Elektronen im Atomgitter freigewordenen Plätze in der dem negativen Elektronenstrom entgegengesetzten Richtung. In einem gut leitenden Metall, beispielsweise Kupfer, gibt es viele Elektronen ohne besondere Funktionen; sie können sich daher bei Anlegen eines elektrischen Feldes frei in dem Draht oder Metallstück bewegen und dem Feld folgen. Bei anderen Substanzen aber, beispielsweise metallischen Halbleitern, Oxyden oder anderen Verbindungen mit Halbleitereigenschaften, haben die Elektronen wichtige Funktionen als Verbindungsbrücken zum Nach­ baratom, d.h., sie sind örtlich gebunden. Um sie dennoch in Bewegung zu bringen, bedarf es eines zusätzlichen Anstoßes durch Wärme oder Licht, wie dies beim Silizium der Fall ist. Sobald ein solches Elektron aber aus der Brücke ausbricht, springt ein benachbartes Elektron auf den freigewordenen Platz, so daß sich - vom Elektronenstrom aus gesehen - das "Loch" im Atom­ gerüst immer weiter nach rückwärts verlagert. Dabei ehtsteht ein positiver Stromfluß, denn der Verlust eines elektrisch negativen Elektrons macht das normalerweise neutrale Atom elektrisch positiv. Oder, wie es Dr. John Bardeen, der 1956 zusammen mit Dr. Brattain und Dr. William Shockley für die Entwicklung des Transistors den Nobelpreis für Physik erhielt, auf der Festrede in Stockholm formulierte :'"Ein fehlendes negatives Elektron ist' ein positiver Defekt in der Elektronenstruktur", weshalb man auch von "positiven Defektelektronen" als Ladungsträgern spricht.

Neben der Einwirkung von Licht und Wärme auf einen Halbleiterkristall ist dessen elektrische Leitfähigkeit auch durch bestimmte Zusatzmengen an Fremdstoffen beeinflußbar. "Fremdatome" nehmen in einem bestimmten Verhält­ nis zum Grundstoff dessen Atomplätze im Kristallgitter ein. Besitzt das Fremdatom beispielsweise ein Elektron weniger als das Siliziumatom, das es ersetzt, so entsteht dadurch ein Elektronenmangel; der Kristall ist positiv-- bzw. p-leitend geworden. Umgekehrt ist er negativ- bzw. n-lei- tend, wenn die Atome des Zusatzstoffes mehr Elektronen als die des Grund­ stoffes besitzen. Diese

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Diese Legierungs- oder "Dotierungs"-Technik, wie man sie auch nennt, wurde in den letzten zehn Jahren immer weiter verfeinert, nachdem man sich über die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten des Transistors klargeworden war. Transistor ist ein Kunstwort, gebildet aus "TRANsferring a Signal across a reSISTOR". zu deutsch: Signalübermittlung über einen Widerstand. Den Stromfluß durch Zusätze oder Schaffung von Kristallschichten verschie­ dener Leitfähigkeit zu regulieren, ist zu einer umfassenden Wissenschaft geworden. Im Grunde war schon der Kristall-Detektor in den ersten Rundfunk­ geräten ein Halbleiter-Bauelement, bei dem eine spitze Nadel die geeignete Stelle ausfindig machen mußte, über die elektromagnetische Wellen in Schall­ wellen umgesetzt wurden. Brattain erinnerte sich des alten Silizium-Detektors, als er während des zweiten Weltkrieges an der Entwicklung eines geeigneten Detektors für Radarsignale mitarbeitete. Die damals vorhandenen Typen von Elektronenröhren reagierten auf die sehr kurzen Radarwellen höchst unvoll­ kommen, vor allem, wenn sie als Gleichrichter - also Empfänger - dienen soll­ ten. Erst der Silizium-Detektor machte damals die weitverbreitete Anwendung von Radar möglich.

Nach dem Kriege wieder rein wissenschaftlichen Aufgaben zugewandt, be­ faßte sich Dr. Brattain vor allem mit den Oberflächenphänomenen von Halb­ leitersubstanzen. Y/enn ein Halbleiter die Wirkung eines Gleichrichters, ge­ wissermaßen eines elektrischen Ventils haben konnte, das ebenso wie eine Diodenröhre den Stromfluß nur in einer Richtung zuläßt - warum sollte er, ebenso wie die Röhre durch Zwischenschalten eines Gitters zwischen Heiz­ faden und Anode, nicht auch als Verstärker dienen können? Heute sind die Anwendungsmöglichkeiten für Transistoren als Verstärker so vielfältig, daß sie sich kaum aufzählen lassen. Der große Vorteil des Transistors gegenüber der Röhre ist der wesentlich kleinere Eingangswiderstand, der Fortfall der Heizung und die Kleinheit der Bauteile, die sich nicht zuletzt aus der sehr niedrigen Betriebsspannung ergibt. Als "langsame" und "schnelle" Schalter haben Transistoren in der Steuerungs- und Regeltechnik große Bedeutung er­ langt .

Halbleitergleichrichter aus Germanium- oder Siliziumkristallen werden heute für die diversen Leistungsbereiche in den verschiedensten Formen, von winzigen Spitzendioden bis zu großen Flächengleichrichtern für Starks trom.

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Starkstrom, fabriziert. Eine Ergänzung der Halbleiterdioden, im wesent­ lichen aus einem Kristall und einer Gegenelektrode bestehend, stellen die in jüngster Zeit entwickelten Tunneldioden dar. Im Gegensatz zu den übrigen Dioden sperren sie jedoch nicht den Stromfluß in einer bestimmten Richtung, sondern haben eine Zone mit fallender Spannungskennlinie. Auf Grund ihrer besonderen elektrischen Eigenschaften können sie zur Schwingungserzeugung bis in ungemein hohe Frequenzbereiche benutzt werden. Außerdem finden sie als Verstärker und Schaltelement Verwendung. Sili­ zium-Vierschichtdioden, Photodioden und Phototransistoren seien noch als wichtige Mitglieder der ständig wachsenden Familie der Halbleiterbauelemente genannt, mit deren Herstellung heute die Industrie wahre Wunderwerke der Mikrotechnik vollbringt - mikroskopisch kleine Baueinheiten, die der Elektronik-Fachmann zu Schaltsystemen für Geräte mit gigantischem Lei­ stungsvermögen arrangiert.

Nach "Science World". Bei Nachdruck sind Angabe des Verfassers, der Quelle und der Vermerk "Copyright i960 by Scholastic Magazines, Inc." unbedingt erforderlich. Das Nachdruck- recht erlischt am 16. Mai 19^5•

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KULTÜRNACHRICHTEN AUS DEN USA

PADEREWSKI-GEDENKKONZERT IN NEW YORK

(12 Zeilen) NEW YORK - (AD) - Anläßlich des 100. Geburtstages von Ignacy Jan Paderewski, dem bekannten polnischen Klaviervirtuosen und ehemaligen Mini­ sterpräsidenten der Republik Polen, wird am 6. November in New York ein Konzert stattfinden, dessen Erlös der Paderewski Foundation zufließt. Die Stiftung wird ihn in Form von Studien- und Forschungsstipendien für Amerikaner polnischer Abstammung und Flüchtlinge aus Polen und den ost­ europäischen Staaten, die in den Vereinigten Staaten oder Westeuropa le­ ben, zur Verfügung stellen. Die Paderewski Foundation fördert das Studium der Orientalistik an Universitäten und Hochschulen des Mittleren Ostens und Südostasiens sowie der Slawistik an der Universität Montreal (Kanada); ferner gewährt sie Absolventen polnischer Universitäten Stipendien für Stu­ dien in Westeuropa und den Vereinigten Staaten.

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AMERIKANISCHE INDUSTRIESTADT ERÖFFNET NEUES KULTURZENTRUM

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UTICA (N.Y.) - (AD) - Ein neues Kulturzentrum - das Munson-Williams- Proctor-Institut - wurde in der amerikanischen Industriestadt Utica (N.Y.) eröffnet. "Art Across America" ist der Titel der Eröffnungsausstellung, die 111 amerikanische Gemälde und Skulpturen aus den Jahren 1670 bis 196O zeigt. Dabei handelt es sich um Leihgaben aus öffentlichen Sammlungen an­ derer Städte von etwa derselben Größe wie Utica, das rund 100 000 Einwohner

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Einwohner zählt. - Emily Genauer, Kunstkritikerin der New York Herald Tribüne, schrieb, die Ausstellung solle beweisen, "wie weit verbreitet das Kunstmäzenatentum in Amerika ist, wie stark sich selbst kleine Städte der Bedeutung und Vitalität der Kunst bewußt geworden sind und wieviel schöne Dinge auch einem Kunstliebhaber, der fern von den großen Metropolen lebt, zur Verfügung stehen." John Canaday, Kunstkritiker der New York Times, hob "den Reichtum und die Vielfalt amerikanischer Gemälde und Skulpturen" hervor, die - wie die Ausstellung zeige - überall in den Vereinigten Staaten, in kleinen Sammlungen verborgen, erhalten geblieben seien»

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KRIMINALSTÜCK WIRD IN ZEICHENSPRACHE AUFGEFÜHRT

(7 Zeilen) WASHINGTON - (AD) - Die Schauspielgruppe des Washingtoner Gallaudet College, der einzigen Gehörlosen-Hochschule der Welt, wird ihre Spielzeit 1960/61 im November mit einem Kriminal-Dreiakter, "Ten Little Indians" von Agatha Christie, eröffnen, dem ihr Kriminalroman "And Then There Were None" (Das letzte Weekend) zugrunde liegt. Die Aufführungen finden unter Verwendung der Zeichensprache statt; Textbücher stehen für Theaterbesucher zur Verfügung, die mit der Zeichensprache nicht vertraut sind.

• AMERIKA DIENST 4« November i960

BOSTONER VIOLINIST GEWINNT HÖCHSTDOTIERTEN MUSIKPREIS

( 10 Zeilen)

BOSTON- (AD) - Joseph Silverstein (28) vom Boston Symphony Orchestra ist der Gewinner des höchstdotierten Musikpreises, der je einem Violini­ sten in den Vereinigten Staaten verliehen worden ist. Es handelt sich um den alle zwei Jahre vergebenen "Walter W. Naumburg Foundation Award", mit dem ein Barbetrag in Höhe von 5000 Dollar und zusätzliche Vergünsti­ gungen im Werte von 20 000 Dollar verbunden sind - u.a. ein Konzert mit der New York Philharmonie, ein Solo-Abend in New York, Konzertreisen im In- und Ausland und eine Schallplattenaufnahme bei . Silverstein wurde Sieger in einem öffentlichen Wettbewerb, an dem sich außer ihm noch vier Cellisten und 22 Violinisten beteiligt haben.

VERTRETER DER AMERIKANISCHEN KIRCHEN UND JUGENDPFLEGE IN DEUTSCHLAND

(.12 Zeilen) WASHINGTON - (AD) - Vier amerikanische Geistliche und sechs leitende Persönlichkeiten der amerikanischen Jugendpflege sind am 50. Oktober als Gäste der deutschen Bundesregierung zu einer vierwöchigen Deutschland- Reise aus den Vereinigten Staaten abgeflogen. Nach einem offiziellen Empfang durch die Bundesregierung in Bonn und Gesprächen mit Vertretern von Bundes­ ministerien und anderen Behörden besuchen die amerikanischen Gäste ver­ schiedene deutsche Städte, einschließlich West-Berlins. Ihre Reise ist Teil eines 1952 ins Leben gerufenen Austauschprogramms zwischen den Ver­ einigten Staaten und der Bundesrepublik Deutschland, das Amerikanern die Möglichkeit gibt, das Alltagsleben in Deutschland kennenzulernen und mit Persönlichkeiten in Gedankenaustausch zu treten, die sich mit ähnlichen Problemen beschäftigen wie die Gäste aus den USA.

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" 15 " "AMERIKA DIENST" 11. November 196O

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AUS DER MEDIZINISCHEN FORSCHUNG

IMPFEN - BESTER SCHUTZ GEGEN KINDERLÄHMUNG Großaktionen mit Lebendvakzin nach Dr. Sabin 1 961 in USA

(86 Zeilen)

Der Salk-Impfstoff gegen spinale Kinderlähmung hat in den Vereinigten Staaten seit Einführung der Massenimpfungen im Jahr 1955 einen drastischen Rückgang von Polioerkrankungen zur Folge gehabt. Nach den statistischen Erhebungen des Öffentlichen Gesundheitsdienstes der USA sank die Zahl der Erkrankungen an Poliomyelitis von 38 476 (davon 18 308 Fälle mit Lähmungs­ folgen) im Jahr 1954 auf 8425 (davon 6289 Fälle mit Lähmungsfolgen) im Jahr 1959. Die bisher für i960 vorliegenden Unterlagen lassen eine noch günsti­ gere Entwicklung vermuten. Für eine komplette Impfung muß das aus abgetö­ teten Viren gewonnene Vakzin in drei "Raten" im Abstand von mehreren Wochen injiziert werden. Eine Dauerimmunität ist damit aber nur bei regelmäßiger Wiederholung der Impfung in Perioden von mehreren Jahren zu erwarten.

Wesentlich einfacher und billiger, dabei nach den bisherigen Erfahrun­ gen mindestens ebenso sicher und wirksam, ist die Schutzimpfung mit dem von Dr. Albert B. Sabin auf der Basis abgeschwächter lebender Polioviren ent­ wickelten Vakzin. Es wird in Form einer Flüssigkeit oder eines Bonbons ver­ abreicht. Eine dreimalige Impfung vermag, so glaubt man, lebenslange Immuni­ tät herbeizuführen.

Der Saoinsche Impfstoff wird in den USA wahrscheinlich schon für die nächste Großaktion im Jahr 1961 in ausreichender Menge zur Verfügung stehen, nachdem kürzlich der Öffentliche Gesundheitsdienst seine Anwendung als Mas­ senimpfstoff genehmigt hat. Privat- wie Amtsärzte hoffen, daß viele, die aus Abneigung gegen Injektionen von der Salkschen Schutzimpfung keinen Gebrauch machten, sich ohne Zögern der Sabinschen Schutzimpfung gegen Polio unterziehen

- 1 - "AMERIKA DIENST" 11. November 196O unterziehen werden. Das bedeutet, daß der Kreis der gegen Poliomyelitis anfälligen Personen in den nächsten Jahren immer weiter eingeengt wird.

Für Dr. Sabin ist dies die Krönung seines bisherigen wissenschaftli­ chen Werkes, obgleich er in den vergangenen 25 Jahren bereits durch andere Erfolge auf dem Gebiet der Virusforschuhg hervorgetreten ist - so durch die Entdeckung, daß das Virus B, mit dem Affen häufig infiziert sind, beim Menschen den Tod herbeiführt, ferner durch die Identifizierung eines Virus, das Symptome, ähnlich denen der Darmgrippe, hervorruft, als zu einer be­ stimmten Gruppe von Echo-Viren gehörig und die Entwicklung eines Impfstof­ fes gegen das vor allem in den Tropen und Subtropen auftretende Dengue-Fie- ber sowie gegen Japonica-B, eine Form der Enzephalitis.

Albert B.Sabin, 1906 in Bialystok geboren, war mit seiner Familie als Fünfzehnjähriger nach den Vereinigten Staaten ausgewandert, um den Schika­ nen zu entgehen, denen jüdische Bürger in der Heimat ausgesetzt waren; seit 1930 ist er in den USA naturalisiert. Verwandte ermöglichten ihm den Besuch einer zahnmedizinischen Akademie. Es war im dritten Jahr seines Studiums, als ihm das Buch "Mikrobenjäger" in die Hand fiel und - so übertrieben dies klingen mag - seine weitere Laufbahn entschied. Wie Sabin selbst gesteht, wurde ihm erst beim Lesen dieses Buches klar, was wissenschaftliches Arbei­ ten bedeutet. Er entschloß sich, auf allgemeine Medizin umzusatteln.

Der junge Akademiker mußte sich nun das Studium selbst verdienen, war aber bemüht, nur solche Nebenarbeiten zu tun, die ihn seinem Studienziel näherbrachten. Seine Bewerbung um einen Arbeitsplatz im Laboratorium des berühmten Mikrobiologen William H. Park von der Universität New York war erfolgre-cn; bald begann sich Dr. Park persönlich für den jungen Wissenschaft­ ler Sabin zu interessieren und förderte ihn nach Kräften.

Sabins eigen*". 1 icher Kampf gegen die Kinderlähmung begann im Jahr 1935» als er an das Rcckefeller-Institut für Medizinische Forschung berufen wurde. Zusammen mit Dr. Peter K. Olitsky erarbeitete er zunächst den wichtigen Nach­ weis, daß das Poliovirus im Reagenzglas auf Nervengewebe gezüchtet werden kann. 1939 als a.o. Professor für Kinderheilkunde an die Universität Cincinnati berufen, konnte er im weiteren Verfolg seiner Arbeiten fest­ stellen, daß sich Polioviren, die die paralytische Form der spinalen Kinder­ lähmung hervorrufen, im Magen-Darm-Trakt vermehren und das zentrale Nerven-

2 "AMERIKA DIENST" 11. November 1 96O

Nervensystem angreifen. Mit dieser bedeutsamen Entdeckung war ein Weg gewiesen, auf dem man zum Angriff gegen die Poliomyelitis übergehen konnte. Wenn es nun noch gelang, einen Stamm abgeschwächter, nicht para­ lytischer Polioviren zu züchten, die sich ebenfalls im Darm vermehrten, so würden diese den Körper veranlassen, natürliche Abwehrstoffe auch gegen die Stämme zu bilden, die die paralytische Polio verursachen.

Der zweite Weltkrieg unterbrach für eine gewisse Zeit die Verfolgung dieses Zieles. Die Arbeiten sowohl Dr. Sabins als auch Dr. Salks erfuhren aber einen neuen Impuls, nachdem Wissenschaftler der Harvard-Universität eine Züchtungsmethode für Polioviren mit anderem denn Nervengewebe als Nährboden entwickelt hatten, wofür sie übrigens 1949 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurden.

In schier endloser Folge züchtete nun Dr. Sabin Poliovirusstämme, um auf dem Weg der natürlichen Auslese Mutationen zu erhalten, die für die Gewinnung eines Impfstoffes geeignet waren. 1953 endlich war der gesuchte abgeschwächte Stamm gefunden. Nach erfolgreichen Experimenten ah Affen bewies er im Selbstversuch die Unschädlichkeit des neuen Impf­ stoffes sowie seine Wirksamkeit in bezug auf die Aktivierung der Anti­ körperbildung. Weitere Experimente an Kollegen und anderen freiwilligen Versuchspersonen führten schließlich zur Isolierung und Massenzüchtung von drei bestimmten Stämmen abgeschwächter Viren, die eine Immunisierung gegen die gefährlichen drei paralytische Polio hervorrufenden Stämme bewirken sollten.

Außer Dr. Sabin haben sich auch die beiden Amerikaner Dr. Hilary Koprowski und Dr. Herald R. Cox mit Erfolg um die Entwicklung eines Le- bendvakzins gegen die spinale Kinderlähmung bemüht. Der Öffentliche Ge­ sundheitsdienst der USA gibt jedoch dem allein an 77 Millionen Personen in der Sowjetunion sowie in Polen, Mexiko, auf den malaiischen Inseln und in anderen Ländern erprobten Sabinschen Impfstoff den Vorzug, da dieser nach den bisherigen Erfahrungen die größte Sicherheit bietet.

Dr. Albert B. Sabin wird sich im kommenden Jahr, wenn in den USA die neuen Impfaktionen gegen Kinderlähmung mit dem von ihm entwickelten Vakzin beginnen, bereits voll und ganz mit seiner neuen Aufgabe befassen - der

- 3 - 'AMERIKA DIENST" 11 . November 1 96O der Erforschung und Bekämpfung des Krebses. Das Zentralinstitut des amerikanischen Öffentlichen Gesundheitsdienstes betraute ihn inzwischen mit der Leitung einer vorläufig auf sechs Jahre befristeten Aktion zur Intensivierung der Krebsforschung, für die 600 000 Dollar bereitgestellt wurden.

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SCHACH DEM KOPFSCHMERZ

(26 Zeilen)

Die Bekämpfung von Kopfschmerzen jeglicher Genese ist die Aufgabe einer eigens zu diesem Zweck geschaffenen Abteilung des Montefiore-Kran- kenhauses in New York. Aus der Erkenntnis der modernen Medizin heraus, daß der Kopfschmerz größtenteils nur Symptom einer physischen oder emo­ tionellen Störung mit einem Ursachenherd außerhalb der schmerzenden Kopf­ partien ist, sind in der Klinik 1-4 Spezialisten für Neurologie, Psychia­ trie, Allergien,Röntgenologie und innere Medizin tätig. Eine genaue phy­ sisch-psychische "Bestandsaufnahme" am Patienten, angefangen von der mi­ nutiösen Aufzeichnung der Krankengeschichte über die Anfertigung eines Blutbildes, einer Röntgendarstellung des Schädels, Beobachtung der Blut­ versorgung von Kopf- und Nackenpartien und Druckmessung an den Kopfarterien mit den modernsten Geräten, Feststellung von Muskelspasmen und Untersuchung des Augenhintergrundes bis zu psychologischen Tests, steht am Beginn jeder Behandlung.

Zur Bekämpfung der Schmerzen oder irgendwelcher Krankheitsherde wer­ den selbstverständlich auch Medikamente verwandt. Für einen echten Behand­ lungserfolg spielen aber nach Ansicht Dr. Arnold P. Friedmans, des Lei­ ters der Anstalt, neben dem Wissen des behandelnden Arztes um die patho- ganen Faktoren des Einzelfalls auch die Persönlichkeit des Kranken und das Arzt-Patient-Verhältnis eine wichtige Rolle. Von den mehr als 10 000 Männern, Frauen und Kindern, die bisher an der größten Spezialklinik die­ ser Art in den USA Hilfe suchten, wurden etwa 90 Prozent völlig von ihrem Leiden befreit. Die bis jetzt erzielten Fortschritte wären nach Meinung der Ärzte noch größer, wenn man auch mit Tieren experimentieren könnte, an­ statt darauf angewiesen zu sein, sich ausschließlich an Hand der verfüg -

. 4 - "AMERIKA DIENST" 11. November 1 96O verfügbaren Unterlagen über Diagnose und Behandlung der einzelnen Fälle an das eigentliche Problem heranzutasten.

RÖNTGENOLOGISCHE DIAGNOSE VON BRUSTKREBS ERLEICHTERT

Aus "Medical News". Bei Nachdruck Quellenangabe unbedingt erforderlich.

(33 Zeilen)

Über ein radiologisches Verfahren zur frühzei ti gern und in 99 Prozent der Fälle sicheren Erkennung von Brustkrebs wurde auf der 4« Nationalen Konferenz für Krebsforschung in Minneapolis (USA) berichtet. Bei der von Dr. Robert L. Egan (Anderson Hospital in Houston, Texas) entwickelten Methode arbeitet der Arzt mit sehr weichen Röntgenstrahlen (Röhrenspannung 26-28 kV statt, wie bisher üblich, 45-50 kV) und einem sehr feinkörnigen Film. Hierdurch wird der natürliche Kontrast zwischen Gewebepartien, die gutartige Geschwülste oder bösartige Wucherungen sind, wesentlich ver­ stärkt. Dies erleichtert die röntgenologische Diagnostizierung kleiner Krebsgeschwülste ganz erheblich, und zwar auch bei Patientinnen, bei denen starke Fetteinlagerungen die Erkennung kleiner Neoplasmen bis zu 8 mm Durch­ messer sehr schwierig oder ganz unmöglich machen.

Bisher wurden 4000 Kranke mit verschiedenen Symptomen von Brust- oder Schweißdrüsenerkrankungen nach der neuen Methode untersucht. Nach Auskunft Dr. Egans bestätigte der spätere Befund an 245 von den ersten 1000 zwischen 1956 und 1959 geröntgten Patientinnen den durch die Röntgendarstellung er­ kannten Brustkrebs, wobei in 19 Fällen vor der röntgenologischen Untersu­ chung keinerlei Krebsverdacht bestand. Bei zwei Kranken blieb Krebs unerkannt aber nur deshalb, weil die Achselhöhle, in der die Geschwülste lagen, in diesen Fällen nicht in die Röntgendarstellung einbezogen worden war. Die Auswertung der zweiten Serie von ebenfalls 1000 Darstellungen nach dem neuen Aufnahmeverfahren ist noch nicht abgeschlossen, scheint aber _in

- 5 - "AMERIKA DIENST" H. November 1 960 in bezug auf die diagnostische Genauigkeit im Ergebnis ganz ähnlich zu sein.

Dr. Egan verweist außerdem darauf, daß der Strahlenarzt sich gar nicht genug darum bemühen könne, um völlig sicher zwischen gutartigen und bösartigen Geschwülsten zu unterscheiden. Die Diagnostizierung maligner Geschwülste beruhe in erster Linie auf der Erkennung charakteristischer Schattenbildungen auf dem Röntgenbild, feiner Kalkablagerungen und Verän­ derungen an fibrösen Scheidewänden.

Die geringere Intensität der für die Aufnahme verwendeten Röntgen­ strahlung hat außerdem den Vorteil, daß die Strahlenbelastung für den Patienten niedriger ist.

Aus "Medical News", Bei Nachdruck Quellanangabe unbedingt erforderlich.

IMMUNMILCH GEGEN RHEUMATISCHE ERKRANKUNGEN IN DEN USA AUF DEM MARKT

(14 Zeilen) Die gegen rheumatisch-arthritische Erkrankungen sowie gegen bestimmte Allergien angewandte Immunmilch, deren Wirkung z.Z. auch in der Bundesre­ publik wissenschaftlich erforscht wird, kann in den Vereinigten Staaten jetzt auf Rezept durch Apotheken bezogen werden. Das Herstellerwerk "Collins Products Inc." in Waukon (Iowa) liefert das Präparat, das den Mar­ kennamen IMPRO erhielt, in gefrorenem Zustand in 2-Liter-Kartons entweder als homogenisierte Vollmilch oder als Magermilch. Als Tagesdosis wird 1 Li­ ter empfohlen - ein halber Liter soll morgens, der andere abends getrunken werden. Gewinnung und Verabreichung von Immunmilch als pharmazeutisches Prä­ parat gehen auf Untersuchungen von Wissenschaftlern der Universität Minne­ sota zurück; die Heilkraft und immunisierende Wirkung der Milch, in der auf natürliche Weise Antikörper gegen bestimmte Krankheiten angereichert werden können, wurde in den Vereinigten Staaten schon in zahllosen Fällen bewiesen. * * * * * - 6 - "AMERIKA DIENST 11. November 1960

Die Artikel des AMERIKA DIENSTES sind honorarfrei und neben der Verwendung durch Rundfunk und Fernsehen ausschließlich zum Abdruck in Zeitungen und Zeitschriften und sonstigen Publikationen bestimmt, die sich direkt an den Leser wenden. AGRARPOLITIK

KOMMUNISTEN MISSBRAUCHEN BODENREFORM ZUR ENTEIGNUNG DER BAUERN

(96 Zeilen) Unter Bodenreform versteht man im allgemeinen alle jene Bestrebungen, die eine Neuverteilung des Landbesitzes in den Agrargebieten im Sinne des Grundsatzes zum Gegenstand haben, daß das Land demjenigen gehören soll, der es selbst bebaut.

So ausgelegt, verspricht eine vernünftige Bodenreform den Bauern und dem gesamten Staatswesen ein höheres Maß an wirtschaftlicher und politischer Gerechtigkeit. Besondere Bedeutung kommt der Bodenreform heute in den weni­ ger hochindustrialisierten Staaten und in den reinen Entwicklungsländern zu. In Italien, Japan, Indien, Pakistan, Thailand, Nationalchina, Vietnam und auf den Philippinen hat man denn auch mit der Neuordnung der Boden­ besitzverhältnisse große Erfolge erzielt. Eine Hebung des Lebensstandards und Stärkung der demokratischen Institutionen waren die Folge.

Es ist eine Ironie, daß die Konzeption der Bodenreform von den Kommu­ nisten zu einem mächtigen Instrument der Unterdrückung des Landvolkes verfälscht wurde. Durch skrupellose Perversion der Zielsetzungen der Bo­ denreform haben sie es verstanden, die gesamte landwirtschaftliche Nutz­ fläche in den Besitz des Staates zu überführen. Die Zugkraft des Schlag­ wortes von der Bodenreform wurde von ihnen dazu benutzt, sich das Land­ volk gefügig zu machen. Ebenso wie die Begriffe "Demokratie" und "Freiheit" wurde auch der Begriff "Bodenreform" seines eigentlichen Inhalts beraubt und in das glatte Gegenteil verkehrt.

Der Unterschied zwischen einer echten Bodenreform und ihrer kommuni­ stischen Abwandlung besteht in der Anfangsphase darin, daß demokratische Staaten den Großgrundbesitzern eine gesetzlich geregelte Entschädigung

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Entschädigung für die enteigneten Flächen geben, während sie in kommu­ nistischen Staaten als Volksfeinde behandelt werden, die nicht mit einer Entschädigung rechnen können, sondern Haftstrafen und Schlimmeres zu be­ fürchten haben.

Die Neuaufteilung des Grundbesitzes ist jedoch nur der Anfang jeder echten Bodenreform. Die neuen Landbesitzer müssen ein verbrieftes Recht auf den neu erlangten Besitz erhalten, und sie bedürfen der staatlichen Hilfe, um die neuen Höfe gewinnbringend bewirtschaften zu können. Die Neubauern müssen fachlich geschult werden, sie brauchen Kredite für den Erwerb von Maschinen und Saatgut. Im weiteren Sinne gehört auch der Bau von Straßen, Bewässerungsanlagen und Schulen sowie die Förderung der Bil­ dung von Genossenschaften zur gemeinsamen Benutzung kostspieliger Maschi­ nen und zur Absatzregelung zu den Aufgaben des Staates nach einer Boden­ reform.

Bei der Bodenreform kommunistischer Provenienz erhalten die Neubauern zunächst auch einen nominellen Besitztitel auf das Land. Doch gilt er nur für die kurz1* Übergangsphase zum nächsten Schritt der sozialistischen Bo­ denreform« der Kollektivierung.

Als Beispiel möge die Entwicklung der Bodenreform in Sowjetrußland und in der Sowjetzone dienen.

Im Jahre 1917 begann die russische Bodenreform damit, daß man die Großgrundbesitzer in die Gefängnisse sperrte, hinrichtete oder des Landes verwies und ihren Besitz aufteilte.

Das Jahr 1924 aber brachte das Ende des freien Bauerntums. Stalin verfügte die Liquidation der Bauern und übereignete die gesamten land­ wirtschaftlichen Nutzflächen den neugeschaffenen Staatsgütern, den Kol­ chosen.

In den Satellitenstaaten wurde diese Entwicklung, in abgewandelter Form, in der Nachkriegszeit nachvollzogen. Das Endergebnis ist das gleiche.

In der Sowjetzone wurden schon 1945 alle großen Güter, mit insgesamt 3 Millionen ha landwirtschaftlicher Nutzfläche, enteignet und unter Bauern und Neubauern aufgeteilt. Das war die sogenannte "demokratische Bodenreform In "AMERIKA DIENST" 11. November i960

In ihrem Rahmen wurden 57 i° dieser Fläche an Bewerber vergeben, die noch nie zuvor in der Landwirtschaft tätig waren.

Im Jahre 1952 kündigte Walter Ulbricht, der Erste Sekretär des Zentralkomitees der SED, die Schaffung der Landwirtschaftlichen Produk­ tionsgenossenschaften an, die nichts anderes sind als Kolchosen nach dem Muster der Sowjetunion. Die Bauern wurden aufgefordert, ihr Land, ihre Höfe und Maschinen freiwillig in die LPGs einzubringen. Ulbricht konnte zunächst damit einige Erfolge erzielen. Die 600 000 Bauernstellen, die es damals in der Sowjetzone gab, waren absichtlich so klein bemessen worden, daß sie die Bauern kaum über V/asser halten konnten. So sahen viele unter ihnen, besonders die in der Landwirtschaft unerfahrenen Neubauern, in den LPGs eine günstige Gelegenheit, das Land und die damit verbundenen Verpflich­ tungen loszuwerden. Der Großteil der Bauern aber wollte von der Kollekti­ vierung nichts wissen, und so gingen die Kommunisten zu Schikanen über, die von Drohungen über die Einziehung des Führerscheins bis zu Repressalien gegenüber Angehörigen reichten.

Anfang i960 schließlich verkündete das ostzonale Regime das Ziel der Vollsozialisierung der Landwirtschaft, was nichts anderes besagte als die restlose Kollektivierung. Jeder Widerstand war nutzlos, und so war im Mai i960 der gesamte private landwirtschaftliche Landbesitz liquidiert. Zehn­ tausende Bauern flohen nach dem Westen.

Nach Beendigung der Aussaat im Frühjahr i960 brachte die Moskauer "Prawda" einen längeren Bericht, in dem ausgeführt wurde, daß der zu geringe Rinderbestand, die Verzögerung der Aussaat und der Rückstand in der Mechani­ sierung darauf hindeuten, daß die Nahrungsmittelproduktion auch weiterhin hinter den gesteckten Zielen zurückbleiben werde.

Und das kommunistische Regime in der Ostzone veröffentlichte im Mai dieses Jahres einen Aufruf, in dem die Bauern aufgefordert wurden, die landwirtschaftliche Produktion zu steigern. Die Parteifunktionäre wurden gleichzeitig angewiesen, alles zu vermeiden, was die Landbevölkerung be­ unruhigen könnte.

Die 'AMERIKA DIENST" 11 . November 1960

Die "Prawda"-Kritik kommt mehr als 30 Jahre nach der Stalinschen Kollektivierung, der Bodenreform kommunistischer Prägung. Der Aufruf der ostzonalen Machthaber erfolgte nur einen Monat nach dem Abschluß der Kollektivierung mit Hilfe einer rücksichtslos betriebenen Kampagne.

Daß die kommunistischen Staaten in der Landwirtschaft manchen Fort­ schritt erzielt haben, wird im Westen offen zugegeben. Hinter solchen Er­ folgen stehen aber strengste Regierungskontrollen und die größte Plackerei und Schinderei, die einer streng organisierten Landarbeiterschaft je ab­ verlangt wurde. Eine ruhige und gleichmäßige Entwicklung, wie sie die Land­ wirtschaft in den Staaten des freien Westens kennt, ist unter kommunistischer Herrschaft nicht gewährleistet, wie in dem "Prawda"-Artikel und dem ostzo­ nalen Aufruf implizite zugegeben wird.

FÜR AUSSERORDENTLICHE VERDIENSTE UM DIE MENSCHHEIT

(14 Zeilen)

NEW YORK - (AD) - Im Rahmen der 37« Internationalen Ausstellung der Frauen, die vom 7 - — 13 • November 1 96O in New York stattfindet, wurden in die­ sem Jahre sechs Frauen für ihre außerordentlichen Leistungen im Dienste der Förderung von Freundschaft und Verständigung in der Welt mit Medaillen aus­ gezeichnet, während der erste Preis der Women's International Exposition der amerikanischen Negerführerin Eunice Hunter Carter zugesprochen wurde. Die sechs Medaillen erhielten die Nonne Anna Maria Dengel (Rom) für ihre unermüdliche Missionsarbeit; Elizabeth I. Berentzen, Therapeutin an der Nervenheilanstalt Overbrook in Essex County (New Jersey); Amalia R. Guerrero (Puerto Rico) für ihre portorikanisch-amerikanisehe Kulturarbeit; Mollie Lewis Moon, Sozialfürsorgerin in New York City; die Philanthropin Hortense F. Schimmel (New York City) für 30jährige Blindenarbeit; Ollie . Chinn Porter, Journalistin (New York) und Mitgründerin der Organisation der Klubs amerikanischer Negerfrauen.

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VON KUNST UND KÜNSTLERN

ARCHITEKTONISCHE MODERNE UND IHRE INTERPRETEN Von Norman Smith

(95 Zeilen)

NEW YORK - (AD) - Jeder große Architekt ist zwangsläufig auch ein Dichter - und als solcher ein Interpret seiner Zeit.

Dieses Wort des 1959 verstorbenen Frank Lloyd Wright paßt ausgezeich­ net als Leitwort zu einer Biographionreihe über namhafte Vertreter der archi­ tektonischen Moderne, die seit kurzem den amerikanischen Büchermarkt be­ reichert.

Doch nicht allein die Fülle des Angebots zeichnet diese Art Bücher aus, die zum großen Teil zur Buchreihe "Meister der Weltarchitektur" ge­ hören. Sie stellen gedankentiefe Analysen der Suche sieben bedeutender Ar­ chitekten nach individuellen Lösungen der Raum- und Formprobleme dar - Lösungen, die die moderne Architektur in aller Welt mitgeprägt haben.

Die Namen dieser Männer sind wie ihre Bauwerke praktisch überall be­ kannt - der Schweizer Le Corbusier, der Italiener Pier Luigi Nervi und der Finne Alvar Aalto ebenso wie der nicht mehr unter den Lebenden weilende spanische Surrealist und Mystiker Antonio Gaudi, dem man in Fachkreisen wachsende Aufmerksamkeit zollt.

Die drei verbleibenden Architekten sind es, die hier besonders in­ teressieren: Louis P. Sullivan als der Pionier der modernen amerikanischen Architektur, Frank Lloyd Wright als der visionäre Genius Amerikas, Ludwig Mies van der Rohe, der als Ausländer durch sein Schaffen in den USA den stärksten Einfluß auf die amerikanische Baukunst ausüben konnte.

Wenngleich

11 'AMERIKA DIENST 11 . November 196O

Wenngleich es nicht richtig wäre zu sagen, die moderne Architektur verdanke ihre Existenz einigen wenigen, vereinzelt dastehenden Meistern, so war deren Beitrag doch so einschneidend und bedeutungsvoll, daß sie die Aufmerksamkeit, die ihnen gezollt wird, zweifellos verdienen. Für Amerika jedenfalls trifft dies zu. Ihre Bauwerke sind Marksteine der großen Wandlung, die in der amerikanischen Architektur seit dem Ende des 19. Jahrhunderts im Gange ist.

Form folgt der Funktion - Neue Sachlichkeit

Die Lebensgeschichte des Pioniers der amerikanischen modernen Archi­ tektur wurde unter dem Titel "Louis Sullivan as He Lived: The Shaping of American Archi tecture" von Willard Connely verfaßt. Sullivan, der all­ gemein als Vater der modernen amerikanischen Architektur angesehen wird, begann seine Tätigkeit als Baumeister 1875 in Chicago, zwei Jahre nach dem großen Brand, bei dem 18 000 Gebäude zerstört wurden. Am Aufbau dieser Stadt mitwirken zu können, war eine große Chance und eine lohnende Aufgabe für einen jungen Architekten. Das Ruinenfeld gestattete ein neues Von- vorne-Anfangen, kühne Ideen konnten verwirklicht werden, neue Baumaterialie man verwendete damals zum erstenmal Stahlkonstruktionen und hydraulische Elevatoren - schufen neue Möglichkeiten. Auf Sullivans Reißbrett erhielt das typischste aller amerikanischen Bauwerke, der Wolkenkratzer, seine endgültige Form.

Rasch brach Sullivan mit dem Neoklassizismus, der zu seiner Zeit en vogue war, und folgte der eigenen Maxime "Form folgt der Funktion". Er ließ klare, durch geschickte Ornamentik in ihrer Geradlinigkeit noch akzentuierte Linien und Formen erstehen; und er verwendete bis unter den Dachabschluß aufwärts verlaufende Pfeileranordnungen. Zurückgesetzte ornamentierte Spandrillenplatten verstärkten den Eindruck des Aufwärts­ strebenden. In den nachfolgenden Jahren baute er Hochhäuser, die durch stufenweises Zurücksetzen sich nach oben zu stetig verjüngten, ein An­ blick, der jedem Amerikaner überaus vertraut ist.

Plötzlich und scheinbar ohne eigentliche Ursache ließ Sullivans Popularität nach 15 Jahren des beruflichen Erfolgs nach. Er starb 1924 als ein gebrochener und unglücklicher Mann. Der "AMERIKA DIENST 11. November i960

Der größte Baumeister seiner Zeit Sullivans bester Schüler war wohl Frank Lloyd Wright, der dem geliebten Meister zeit seines Lebens ein treues Andenken bewahrte, über den Menschen und Architekten Frank Lloyd Wright ist sehr viel schon ge­ schrieben worden. Die amerikanische Literatur wurde in diesem Jahr gleich um zwei Frank-Lloyd-Wright-Bücher bereichert: eine Monographie aus der Feder von Vincent Scully jr. von der Yale-Universitat gibt eine brillante Analyse des genialen Meisters; erbaulicher freilich ist die von Edgar Kaufmann und Ben Raeburn zusammengestellte und herausgegebene Schriften­ sammlung Wrights.

In seinen Essays zeigt Wright die verschiedenen Aspekte seines Lebens und seines Schaffens auf, er schreibt über die Souveränität des Individuums, die Destruktion der Kiste und die Prinzipien der Neuen Architektur. Ein­ dringlicher jedoch als Worte sprechen seine Bauwerke zu uns als lebendige Denkmäler für den wohl größten Baumeisters seiner Zeit.

Die Form ist alles

Der stärkste fremdländische Einfluß auf die Entwicklung der modernen Architektur in den USA ging von dem Schaffen des deutschen Architekten Ludwi Mies van der Rohe aus, dessen vorliegende Biographie Arthur Drexler vom New Yorker Museum of Modern Art besorgt hat. Mies van der Rohe lebt seit 1938 in den Vereinigten Staaten und ist seit 1944 amerikanischer Staats­ bürger. Ihm verdanken die USA eine ganze Reihe eindrucksvoller, eigenwilli­ ger Bauwerke, deren Hauptmerkmal stets in einem Weniger-ist-mehr liegt. Für Mies van der Rohe ist die Form alles; dies galt für das 1939/40 ent­ standene- eingeschossige Illinois Institute of Technology sowohl wie für den 1958 gebauten, 38 Stockwerke hohen Seagram-V/olkenkra tzer in New York, eine einzigartige Konstruktion aus Glas und Stahl.

In allen seinen Bauten strebte Mies van der Rohe die rationale Ordnung an, ein Ideal, das auch viele junge amerikani s--he Architekten mit Fleiß verfolgen - leider nicht mit dem gleichen Ergebnis. Im Überschwang der Begeisterung für die gläserne Vernunft und den Miesianischen Funktionalismus bescheren sie oft wenig ansprechende kilometerlange Glasfronten.

Unvermeidlich AMERIKA DIEKJT" 11 . November i960

Unvermeidlich war daher eine allmählich immer stärker um sich greifende Aversion gegen die Kiste aus Glas. Eine neue Ära gewagter Kurven und Schwünge und erregender Formen setzte mit Eero Saarinen ein, dem in Finnland gebore­ nen und in den USA erzogenen jungen Architekten von Weltrang. Eine Ornamen­ tik, wie Sullivan sie bevorzugte, scheint derzeit in Form von Gitterwerk, Blendflächen und sogar Fialen neu aufzuleben. Die Poesie in der Architektur kommt wieder mehr zu ihrem Recht. Einer ihrer fähigsten Vertreter ist Edward D. Stune (amerikanischer Pavillon Brüssel 1958); aber auch Ludwig Mies van der Rohe entwickelte in seinen jüngeren Bauten wie beispielsweise dem Bacardi-Haus in Santiago de Cuba schon weniger "austerity", als es die von ihm propagierte kalte Sachlichkeit je ahnen ließ.

Ein neuer Wandel in der amerikanischen Architektur bahnt sich an.

ACHTUNG! Auf Anforderung der Redaktionen übersendet der AMERIKA DIENST an Zeitungen und Zeitschriften kostenlos folgende Bilder:

1) Ein von Frank Lloyd Wright 1952 für seinen Sohn David entworfenes Wohnhaus im westlichen Arizona.

2) Das Farnsworth House ist typisch für Mies van der Rohes gläserne Sachlichkeit und seine Konzeption des "Beinahe-nichts" in der Architektur, wie er selbst seine Bauweise einmal so treffend definiert hat.

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DIE WISSENSCHAFT NOTIERT

35 MILLIONEN GRAD - ABER NOCH ZU WENIG

Neue Experimente in den USA auf dem Gebiet der kontrollierten Kernfusion

(36 Zeilen)

Als einen "ermutigenden Fortschritt" bezeichnete Anfang November 196O Dr. Frederic H. Coensgen, Leiter einer Forschergruppe des Lawrence-Strah­ leninstituts der Universität Kalifornien in Livermore, die Ergebnisse der jüngsten Experimente zur Erzielung einer kontrollierten thermonuklearen Reaktion. Mittels eines Systems starker Magnete wurde ein Wasserstoff­ plasma - unter Plasma versteht man ein weitgehend ionisiertes, in gleich viele freie elektrisch positive Ionen und elektrisch negative Elektronen aufgespaltenes Gas - von ursprünglich 16,3 ccm Rauminhalt immer weiter zusammengepreßt, bis es sich infolge der damit einhergehenden verstärkten Bewegung der darin eingeschlossenen Teilchen auf etwa 35 Millionen Grad Cel­ sius aufgeheizt hatte.

In diesem Stadium fanden zweifellos Verschmelzungen von Wasserstoff­ ionen zu Heliumkernen statt; bei jeder derartigen Fusionsreaktion wurden gleichzeitig ein Strom von Neutronen und elektrische Energie von ungefähr 3 MeV als "Nebenprodukt" freigesetzt. Die Dauer der Plasmakontraktion be­ trug nach Angaben Coensgens 1 tausendstel Sekunde. Die Tatsache, daß sie sich so lange halten ließ, läßt auf die Erzielung eines stabilen Plasmas im Magnetfeld schließen; ein instabiles Plasma wäre bestenfalls 1 million- stel Sekunde lang eingeschnürt geblieben. Im Vergleich hierzu lagen die Ergebnisse der Versuche Dr. Kolbs vom amerikanischen Marineforschungsamt, über die im vergangenen Jahr berichtet wurde, bei etwa 20 Millionen Grad, die Dr. Tucks und seiner Mitarbeiter in Los Alamos mit dem Gerät Scylla bei

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bei 13 Millionen Grad (Einschnürungsdauer 19 millionstel Sekunden).

Das jetzt in Livermore verwendete Gerät war eine zweistufige Kom- pressions-Spiegelmaschine, wobei unter "Spiegel" Gebiete größerer magne­ tischer Feldstärken zu verstehen sind, die geladene Partikeln reflektieren, sie dadurch im Plasma festhalten und gleichzeitig eine wesentliche Stei­ gerung der Bewegungsenergie bei ihnen bewirken. Mit der geplanten drei­ stufigen Maschine hofft man die Plasmatemperatur und die Dauer der Plasma­ kontraktion weiter steigern zu können.

Vom Endziel, nämlich der Auslösung einer sich selbsttätig erhaltenden, kontrollierten Fusionsreaktion zur Energiegewinnung aus Wasserstoff, ist man allerdings noch immer weit entfernt; dafür wären Temperaturen von mehr als 100 Millionen Grad erforderlich. Die einzelnen Forschergruppen nicht nur in den USA, sondern auch in anderen Ländern gehen verschiedene Wege, um zu diesem Ziel zu gelangen.

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FLUORESZENZ-DETEKTOR FÜR ATMOSPHÄRISCHE ÜBERWACHUNG VON KERNEXPLOSIONEN

(24 Zeilen)

Ein Detektor, mit dem von Bodenstationen aus nukleare Detonationen innerhalb eines bestimmten Höhenbereichs auf Grund der dabei auftretenden atmosphärischen Lumineszenz festgestellt werden können, wurde von Mitar­ beitern des AEC-Instituts Los Alamos entwickelt. Den Anlaß dazu gaben Meßer­ gebnisse, die im Sommer 1958 bei den Kernexplosionsversuchen TEAK und ORANGE in mehr als 60 bzw. 30 km Höhe im Bereich der Johnston Islands im Pazifik an Hand der dadurch ausgelösten Strahlungseffekte in der Atmosphäre gewonnen wurden.

Der Fluoreszenz-Detektor besteht aus einem Schmalbandfilter und einem hinter einer Weit winkellinse montierten optischen Detektor zur Registrierung sichtbarer Fluoreszenzerscheinungen in der oberen Atmosphäre. Die dafür er­ forderlichen Instrumente wurden von Edgerton, Germeshausen & Grier, Inc. _in_

- 2 - "AMERIKA DIENST" . 18. November i960 in Boston (Massachusetts) gebaut. Ihr Einsatz in einem weltweiten Über- wachungssystem dürfte die Feststellung nicht abgeschirmter Nuklearexplo­ sionen im Weltraum, die in erdnahen Bereichen vorgenommen wurden, bei Tag und Nacht - klarer Himmel vorausgesetzt - ermöglichen.

Versuchsweise wurde vor einigen Wochen ein solcher Fluoreszenz-De­ tektor zur Messung von Leuchterscheinungen in hohen atmosphärischen Schich­ ten auf dem Dach eines AEC-Gebäudes in Los Alamos installiert. Die Erpro­ bung des Geräts erfolgt im Rahmen des Projekts VELA, das der Entwicklung und Verbesserung von Möglichkeiten zur Feststellung von Kernexplosionen dient und vom US-Verteidigungsministerium, der Atomenergie-Kommission, dem Amt für Weltraumforschung und anderen amerikanischen Behörden gemeinsam durchgeführt wird.

118 MILLIONEN WÖRTER IN EINEM MONAT Hohes Leistungsvermögen des Nachrichtensatelliten COURIER I-B

(10 Zeilen)

Der am 4« Oktober i960 von Cape Canaveral aus gestartete Fernmeldesa­ tellit COURIER I-B übertrug bis zum 4« November 118 Millionen Wörter, was ungefähr dem Umfang einer Bibliothek von 1400 Büchern mit 250 Druckseiten pro Band entspricht. Darüber hinaus empfing und sendete er in der gleichen Zeit 60 Photographien. Die Ursache der technischen Schwierigkeiten, die in den letzten Tagen in der Wiedergabe von Sendungen aufgetreten sind, hoffen Spezialisten der US-Armee mit Hilfe eines dem Satelliten in allen Details nachgebildeten Versuchsmodells herauszufinden.

Die Umlaufbahn von COURIER I-B verläuft zwischen 929 und 1217 km Höhe. Das von dem Satelliten ausgestrahlte ErkennungsSignal ist nach wie vor deut­ lich zu empfangen.

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DIE GEFAHREN GROSSER HÖHEN Stress-Situationen bei Piloten

(54 Zeilen)

Wissenschaftler des Höhenlaboratoriums auf dem Mount Evans nahe Denver (Colorado), das von mehreren amerikanischen Universitäten gemeinsam betrie­ ben wird, kamen im Verlauf ausgedehnter Untersuchungen über die physiologi­ sche Belastbarkeit und Anpassungsfähigkeit von Höhenfliegern zu interessan­ ten Ergebnissen. Wie Dr. John L. Chapin in einem Interview mit der Zeit­ schrift "Medical News" erklärte, bildet die Hyperventiiation, d.h. die Be­ schleunigung oder Vertiefung der Atmung mit übermäßiger Durchlüftung der Atemwege eine der größten Gefahren beim Plug in großen Höhen; möglicher­ weise ist in einer derartigen Störung der normalen Sauerstoffversorgung des Piloten sogar die Ursache mancher unerklärlicher Flugzeugabstürzte zu suchen.

Wie die Ergebnisse von Versuchen an Freiwilligen in dem in 4317 m Höhe gelegenen Institut zeigen, veranlassen Angst, Spannung oder auch die Furcht vor Sauerstoffmangel den körperlich nicht genügend trainierten oder unge­ eigneten Piloten, die Dosierung der Luftzufuhr durch das Atemgerät zu er­ höhen. Schon nach kurzer Hyperventiiation, die das Kohlendioxyd aus dem Blut "auswäscht" und zu Alkalose führt, macht sich bei den an ein Atem­ gerät angeschlossenen Versuchspersonen eine rasche Verschlechterung des Wahrnehmungsvermögens allgemein sowie in der Koordination der Bewegungen bemerkbar. Einige unterließen bald jeden Versuch, die Testgeräte überhaupt noch zu bedienen, und brachen in hysterisches Lachen aus. Dr. Chapin, Phy­ siologe der Universität Colorado, schlägt vor, diesen Test zur Untersuchung besonderer Anfälligkeit gegen Hyperventiiation in einer Stress-Situation bei der Piloten-Eignungsprüfung anzuwenden.

In einem anderen einfachen Test untersuchte Dr. Chapin die Auswirkungen von Sauerstoffmangel auf die Leistungsfähigkeit. Er weist darauf hin, daß viele Menschen durch Akklimatisierung oder entsprechendes Training in Höhen­ bereichen um 6100 m ohne Sauerstoffraaske leben und arbeiten können. Piloten "AMERIKA DIENST 18. November 196O

Piloten fallen jedoch im allgemeinen nicht unter diese Personengruppe; schon in einer Atmosphäre, die 3000 m Höhe entspricht, reagieren sie, sofern sie keine Sauerstoffmaske tragen, mit körperlichem Unbehagen und abnehmender Leistung, und bei 4500 m ist ihr Leistungsvermögen ganz er­ heblich beeinträchtigt.

Dies zeigt deutlich ein Respirationstest in einem geschlossenen System, bei dem die Versuchsperson durch ein Spirometer (ein Gerät zur Bestimmung des Luftwechsels in den Lungen)atmet. Während sie allmählich den Sauerstoffvorrat aufbraucht, wird Kohlendioxyd chemisch aus dem Sy­ stem entfernt. Der Versuchsperson wird die Aufgabe gegeben, Zahlen, mit 1000 beginnend, in rückwärtiger Reihenfolge niederzuschreiben. Der jewei­ lige Sauerstoffgehalt des Atemgeräts, der während des Experiments regel­ mäßig gemessen wird, entspricht dabei einer bestimmten Flughöhe. Schon nach wenigen Minuten ergeben sich Anzeichen von Hypoxie - Sauerstoffmangel in den Geweben. Das Schreiben geht langsamer und bereitet Schwierigkeiten, die Zahlen sind schlecht leserlich. Das nächste Stadium ist Unsicherheit der Versuchsperson in bezug auf die Zahlenfolge; sie wiederholt bereits niedergeschriebene Zahlen oder schreibt in falschen Reihenfolge; schließ­ lich gibt sie, völlig verwirrt, das Schreiben überhaupt auf. Sie ist nicht mehr fähig, zu denken, sitzt da und starrt vor sich hin, bis ihr der Bleistift aus der Hand fällt.

Angesichts des unaufhaltsamen Fortschreitens der Luftfahrttechnik mit immer schnelleren Maschinen und immer größeren Flughöhen sowie ange­ sichts der Entwicklung bemannter Raumflugkörper kommt den Untersuchungen Dr. Chapins und seiner Mitarbeiter größte Bedeutung zu. Ein Pilot, der körperlich Stress-Situationen nicht gewachsen ist, riskiert sein Leben und gefährdet das Leben seiner Mitmenschen.

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DIE WELT DER FRAU

VIERZIG JAHRE US-AMT FÜR FRAUENFRAGEN Dreiundzwanzig Millionen berufstätige Frauen

(55 Zeilen)

WASHINGTON - (AD) - Das amerikanische Bundesamt für Frauenfragen im US-Arbeitsministerium (U.S. V/omen's Bureau) begann das fünfte Jahrzehnt seines Bestehens mit einem Rückblick auf das bisher Erreichte und einer Vorschau auf künftige Aufgaben.

Das Bundesamt für Frauenfragen verdankt seine Entstehung einem Kon­ greßbeschluß aus dem Jahre 1920, der dem neu zu errichtenden Amt auferlegte, "Normen zu schaffen, die der für Lohn arbeitenden berufstätigen Frau dienlich waren, ihre Arbeitsbedingungen verbesserten sowie ihre Leistungsfähigkeit und beruflichen Chancen förderten".

Damals gab es in den Vereinigten Staaten 8 250 000 berufstätige Frauen, eine Zahl ,die heute - obwohl gegenwärtig über die Hälfte aller Amerikanerin­ nen mit Begeisterung dem Beruf der Nur-Hausfrau nachgehen - auf 23 Millionen angestiegen ist und 1970 wohl die JO-Millionen-Grenze erreichen dürfte. In­ teressant ist vor allem die Verschiebung im Durchschnittsalter der Lohnempfän­ gerin, das sich von der ledigen Achtundzwanzigjähtigen auf die reife, verhei­ ratete Frau von vierzig verlagert hat.

Um den Anforderungen der sich ständig wandelnden Verhältnisse auf dem weiblichen Arbeitsmarkt gerecht zu werden, hat das amerikanische Bundesamt für Frauenfragen seine Programme laufend überprüft und revidiert. Ein eigenes Komitee ist mit der Beschaffung der Unterlagen für diese Überprüfungen betraut worden, das allerdings nur eine beratende Funktion hat und mit keinerlei Voll­ zugsvollmachten ausgestattet ist. Mit zu den Hauptanliegen des Bundesamtes für Frauenfragen gehört u.a. die gerechte Entlohnung der Frauenarbeit in der "AMERIKA DIENST" 18. November i960 der Industrie. Ein Arbeitskodex für Frauen wurde ausgearbeitet, der genaue Vorschriften für die Verwendung von Frauen in Industriebetrieben enthält. Sie betreffen insbesondere-die Sicherheit am Arbeitsplatz, faire Behandlung, garantierte Mindestlöhne, geregelte Arbeitszeiten, das Verbot von Nachtarbeit und ausreichenden Mutterschutz.

Die berufstätigen Frauen verkörpern heute ein Drittel des gesamten Arbeitspotentials der Nation und sind in über 400 verschiedenen Berufs­ zweigen tätig - eine Tatsache, die die Unterhaltung des Bundesamtes für Frauenfragen nicht nur rechtfertigt, sondern notwendig macht. Die Leitung dieses Amtes liegt seit 1954 in den Händen von Alice K. Leopold, die als Assistant to the U.S. Secretary of Labor dem Arbeitsminister in allen sein Ministerium betreffenden Frauenfragen beratend und koordinierend zur Seite steht.

Mrs . Leopold ist verheiratet und Mutter von zwei bereits erwachsenen Söhnen. Sie gehört dem Amt für Frauenfragen des US-Arbeitsministeriums schor seit 1955 an; vorher war sie in der Legislative von Connecticut in verschie­ denen Ämtern tätig, so u.a. (1949-1950)als Secretary of State ' dieses Staates.

Der Aufgabenbereich des US-Bundesamtes für Frauenfragen umschließt ferner auch alle Fragen der Berufsberatung. Zu den Programmen, die 1954 in Angriff genommen wurden, gehört daneben auch ein von Colleges und Lehrer­ bildungsseminaren unterstütztes Förderprogramm zur Behebung des Lehrer­ mangels in den USA, das ältere College-Absolventinnen in Kurzlehrgängen für den Lehrberuf ausbildet. Eine andere Neuerung, die der Frau den Arbeitsmarkt in größerem Umfang erschließen sollte, waren die eintägigen sogenannten "Earning-Opportunity"-Foren, auf denen verschiedene Interessen­ gruppen mit arbeitswilligen älteren Frauen zu einem Meinungsaustausch zusam mengebracht wurden. Bisher sind 22 solche Foren abgehalten worden. Der internationalen Zusammenarbeit dienen ein weitverzweigtes Informa- tions- und ein Personenaustauschprogramm. Wie ihre beiden Vorgänger im Amt vertritt Mrs. Leopold ferner die Ver­ einigten Staaten bei den Konferenzen einer Reihe internationaler Gremien wi z.B. des Internationalen Arbeitsamtes (ILO) und der UN-Kommission für die Rechtsstellung der Frau. Jj im Federal Government der Außenminister; in den Einzelstaaten ein Mit­ glied des Kabinetts des Gouverneurs, das mit der Evidenzhaltung von Stantiesrecistern und anderen Akten betraut ist. 'AMERIKA DIENST 18. November i960

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VON KUNST UND KÜNSTLERN

NEUE STRÖMUNGEN IM JAZZ Von Norman Smith

( 87 Zeilen)

NEW YORK - (AD) - In der Jazzwelt ist seit einiger Zeit eine Revolu­ tion im Gange, und wo immer Jazzenthusiasten auch zusammentreffen, werden die Ergebnisse ausgiebig diskutiert.

Die Suche nach neuen Klängen führt immer wieder zu Kontroversen. Als der Bop vor etwa zehn Jahren abzubröckeln begann und ein Ansturm auf das einsetzte, was als "cool school" angekündigt wurde, gab es natürlich Pro­ teste, einige von Seiten des Publikums, andere von Jazzleuten, die dem alten Stil treu blieben und die neuen "seltsamen Akkorde" reichlich gering­ schätzig beurteilten.

Aber viele Experten begrüßten die Neuerer. Sie sahen in Männern wie Miles Davis und Stan Getz Musiker, die den Jazz von seinen alten Klängen wegführen könnten - von seiner Lautheit, seinen rasenden Tempi und seiner Uberbetonung der technischen Perfektion.

Allmählich eigneten sich die Jazzmusiker, die diese Mängel erkannten, einen Stil an, den man als "introvertiert" bezeichnen könnte: präzise Arrangements, raffinierter Einsatz von Harmonien und kontrapunktischen Effekten, geringere Lautstärke und die Einbeziehung jazzfremder Instru­ mente wie Waldhorn, Tuba, Cembalo und Geige.

In der vordersten Reihe dieser progressiven Musiker, die den Jazz­ enthusiasten in aller Welt bekannt sind, stehen z.B. der Saxophonist Gerry Mulligan, dessen Hauptverdienst die Einführung der kontrapunktischen

- 8 "AMERIKA DIENST" 18. November 196O kontrapunktischen Textur in das Jazz-Idiom gewesen ist; Dave Brubeck mit seinem Quartett, der Klassisches mit Dixieland und dem typischen "West coast sound" vermischt; Jimmy Giuffre, dessen Entwicklung eines ganz persönlichen Stils eine Anzahl junger Komponisten von der klassi­ schen Musik weg und zum "cool jazz" geführt hat; und endlich John Lewis, als- Komponist, Pianist und Leiter des hochentwickelten Modern Jazz Quartet.

Besonders Giuffre und Lewis repräsentieren die neuen Dimensionen, die man im heutigen Jazz findet: eine gewisse Verhaltenheit, die Verwendung durchaus jazzfremden Materials und eine Melancholie, die dem Spiel zeitweise einen ungewöhnlichen lyrischen Akzent verleiht.

Trotz alledem ist der alte Stil nicht totr Ganz im Gegenteil. Dixie­ land, Chicago, Bop und Swing werden nach wie vor gehört, und der Jazz als Ganzes war in den Vereinigten Staaten zu keiner Zeit lebendiger als heute. Vorherrschend aber ist der "cool", der mit seinen flüchtigen, kaum greif­ baren Melodien und differenzierten Rhythmen^ mehr im Konzertsaal als im "Night Club" zu Hause ist.

Alles dies scheint darauf hinzuweisen, daß eine neue Musik im Kommen ist, und zwar eine dritte Strömung, die siph zwischen den Hauptströmungen des Jazz und der klassischen Musik bewegt. Natürlich versuchte man schon früher, die Elemente dieser beiden Formen einander anzugleichen. In nennenswerten Umfang geschah dies bereits in den 20er Jahren, aber erst vor kurzem hat sich die Musik dieses Genres das bedeutende Element der Improvisation zu eigen machen können.

Auf beiden Seiten spotteten Puristen über diese Kreuzung, aber die Tatsache bleibt bestehen, daß sich eine wachsende Anzahl Komponisten und junger Musiker daran versucht. Selbstverständlich haben nicht alle Erfolg. Der Trend besteht aber zweifellos.

Das interessanteste Ensemble in dieser Richtung dürfte das Modern Jazz Quartet sein. Wenn man sein "cooles", müheloses Spiel hört, fällt es nicht schwer zu glauben, daß die Geburtsstunde der dritten Strömung - neben den beiden Haupt Strömungen, der klassischen Musik und dem Jazz - nicht weit sein kann. Vor

9 "AMERIKA DIENST 18. November i960

Vor nicht allzu langer Zeit hörten wir die Gruppe im "Berkshire Music Barn", dem Mekka hervorragender Jazzmusiker in Lennox (Massachusetts), das nur einen Sprung vom Tanglewooder Besitz der Bostoner Symphoniker ent­ fernt liegt. Das grün-weiß gestreifte Zelt war von einem sehr unterschied­ lichen Publikum besetzt - von "bouncenden" Teenagern und ernsthaft in­ teressierten Ästheten bis zu gesetzten Ehepaaren war alles vertreten -, und doch machte das Quartett offensichtlich auf alle Eindruck.

In ihrer leichten, maßvollen Art brachten die vier Musiker - John Lewis (Piano), Percy Heath (Baß), Connie Kay (Schlagzeug) und Milt Jack­ son (Vibraphon) - neben Evergreens wie "How High the Moon" auch neuere Nummern wie "Festival Sketch" (mit einem virtuosen symphonischen Schluß). Der Abend endete mit "The Comedy", einer Suite in sieben Sätzen von John Lewis. (im Sommer wurde die Suite einem Ballett der Commedia dell'arte in Paris zugrunde gelegt.) Am stärksten aber beeindruckte ihre Version eines alten englischen V/eihnachtsliedes, "God Rest Ye Merry, Gentlemen", das mit einem schwachen, einmaligen Klang ferner Glocken begann und endete.

Wir sagten uns später, wenn dies die neue Strömung im Jazz ist, müßten die Puristen wohl bald ihren hartnäckig verteidigten Standpunkt aufgeben. Es ist offensichtlich, daß die Spielweise des M.J.Q. den Jazz einem breiteren Publikum schmackhaft macht, während sie gleichzeitig neue Anforderungen an die jungen Jazzmusiker stellt, die am Anfang ihrer Karriere stehen. Um diesen Anfängern zu helfen, wurde 1957 - entstanden aus den jähr­ lichen Versammlungen traditioneller und moderner Jazzmusiker - in Lennox (Massachusetts) eine Jazz-Schule gegründet. Jährlich finden dort dreiwöchige Arbeitsseminare statt, die unter der Leitung von John Lewis stehen.

Dieses einzigartige Experiment hat talentierte junge Musiker aus allen Teilen Amerikas wie auch aus dem Ausland - Kanada, Brasilien, Ceylon, Holland, Indien, Türkei - angezogen. Und alie sind sie erpicht darauf, mit den besten Jazzmusikern arbeiten zu können. Eine Anzahl Absolventen hftben. bereits eine erfolgreiche Karriere begonnen. Der prominenteste unter ihnen ist wohl der Saxophonist Ornette Coleman, dessen furioses, unglaublich farbiges Spiel durchaus den Jazz der Zukunft prägen könnte,

Die

- 10 - "AMERIKA DIENST" 18. November 1960

Die Hauptthemen des Lehrplans ändern sich von Session zu Session. Dieses Jahr war erstmalig ein Geigenkursus mit eingeschlossen , und zwar in der Anwendung dieses Instruments innerhalb kleiner und großer Jazz-Ensembles.

Vielleicht ist diese Neuerung ein weiterer Schritt zur dritten Richtung. Ganz gewiß aber zeigt sie, daß Jazz eine dynamisch wachsende Kunstform ist.

ACHTUNG! Auf Anforderung der Redaktionen übersendet der AMERIKA DIENST an Zeitungen und Zeitschriften kostenlos folgendes Bild:

Einer der profiliertesten Vertreter des modernen Jazz ist John Lewis, Pianist und Leiter des Modern Jazz Quartet. Diesem differenzierten Musiker untersteht außerdem die Leitung der Jazz-Schule in Lennox, Massachusetts, deren Seminare von jungen Jazzmusikern aus aller Welt besucht werden,

* * * * *

AMERIKANISCHE KÜNSTLER IN POLEN UND RUSSLAND GEFEIERT

( 9 Zeilen)

WASHINGTON - (AD) - Der junge amerikanische Pianist Byron Janis und der bekannte Schauspieler und Mark-Twain-Rezitator Hai Holbrook verzeich­ neten bei ihren Tourneen in Polen und Rußland sensationelle Erfolge. Janis brachte den Moskauern die sowjetische Premiere des "Concerto in F-Dur" von George Gershwin, von dem sich das Publikum derart beeindruckt zeigte, daß es dem erst 28jährigen Künstler in einer halbstündigen Ovation begei­ stert applaudierte. Gleichzeitig buchte Hai Holbrook einen neuen großen Erfolg mit seinem Mark-Twain-Abend in Warschau, zu dem polnische Studenten und Künstler aus allen Teilen des Landes in die Hauptstadt gekommen waren.

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- 11 AMERIKA DIENST" 25 . November 1 96O

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DIE WISSENSCHAFT NOTIERT

TEILCHEN UND ANTITEILCHEN Unser Kosmos im Spiegel seiner selbst Von Emilio Segrfe

(90 Zeilen)

Die neuen Preisträger der Nobelstiftung, unter ihnen die beiden Amerikaner Prof. Dr. Willard F. Libby und Prof. Dr. Donald A. Glaser, nehmen am 10. Dezember in Stockholm aus der Hand des schwedischen Königs Urkunde, Goldmedaille und Scheck entgegen. Während sich Prof. Libby durch seine wissenschaftlichen Ar­ beiten schon vor Jahren im In- und Ausland einen Na­ men gemacht hat, fiel mit der Wahl Dr. Glasers der Preis an einen jungen Forscher, der bisher nur in Fachkreisen bekannt war. Er ist der Erfinder der Blasenkammer, eines in der modernen Experimental­ physik unentbehrlichen Hilfsgeräts. Dieses Gerät, das die Beobachtung sehr schneller Reak­ tionen von Kernteilchen und den Nachweis der dabei entstehenden Partikeln erlaubt, ermöglichte in den letzten Jahren bedeutsame Entdeckungen, vor allem in bezug auf die Erforschung der sogenannten Antiteil­ chen. Diese "Bausteine" einer Materie, die als das Spiegelbild unserer Materie bezeichnet werden kann, haben zum Teil die gleichen, zum Teil die genau umge­ kehrten Eigenschaften wie die Bausteine der "gewöhnli­ chen" Materie. Die Bedeutung der Erfindung Dr. Glasers auch für seine eigenen Forschungen hob bereits Prof. Emilio Segrfe in seinem Vortrag hervor, den er als vorjähriger Nobel­ preisträger für Physik - er war für die Auffindung des Antiprotons ausgezeichnet worden - im Dezember 1959 in Stockholm gehalten hat. Im folgenden bringen wir einen Auszug aus dieser Rede Segrfes, die jetzt in der ameri­ kanischen Zeitschrift "Science" im Wortlaut erschienen ist. Der Nachdruck auch der gekürzten Fassung ist nur mit Angabe der Quelle, des Autors und dem Vermerk "Copyright i960 by the American Association for the Advancement of Science" gestattet. Ich - 1 - "AMERIKA DIENST" 25. November 196O

Ich habe der Schwedischen Akademie für die große Ehre zu danken, die sie mir erwiesen hat. Die Namen der bereits mit dem Nobelpreis Ausgezeichneten verleihen dem Preis ein so hohes Ansehen, daß ich mich kaum würdig fühle, in diesen Kreis aufgenommen zu sein. An dieser Stelle möchte ich daher gleich zwei Männer nennen, die, allerdings auf verschie­ dene Weise, großen Einfluß auf meine Arbeit genommen haben - nämlich Enrico Fermi und Ernest Orlando Lawrence.

Enrico Fermi verdanke ich nicht nur ein gut Teil meines Wissens der Physik, sondern er lehrte mich auch vor allem die unermüdliche Liebe zur Wissenschaft, die mein ganzes Arbeiten beherrscht. Ernest Orlando Lawrence schuf die Geräte, die meine wichtigsten Forschungen überhaupt erst ermög­ lichten. Dies gilt besonders für eines der jüngsten Ergebnisse - den Nach­ weis des Antiprotons.

Das 1954 betriebsfertige Bevatron in Berkeley war für Energiestufen konstruiert worden, die die paarweise Erzeugung von Nukleor.en (Protonen und Neutronen) und Antinukleonen zuließen, und viele Physiker, unter ihnen auch meine Mitarbeiter und ich, suchten natürlich nach Wegen, das so schwer zu fassende Antiproton zu jagen. Obgleich seine Existenz sehr wahrschein­ lich war, fehlte ein definitiver experimenteller Nachweis; angesichts der entscheidenden Bedeutung des Problems, die Diracsche Theorie vom Elektron auf das Nukleon auszudehnen, bemühten wir uns um eine Versuchsanordnung, die eine eindeutige Lösung dieser Frage erwarten ließ.

Die Merkmale zur Identifizierung des Antiprotons, von Dirac schon lange vorausgesagt, dienten uns als Wegweiser zur Auffindung des Teilchens. Als wir es aber hatten, sahen wir uns einer Vielzahl neuer Probleme gegen­ über. Da ging es zunächst darum, bessere Antiprotonenstrahlen zu erzeugen. Mit "besser" meine ich Strahlen mit mehr Antiprotonen in der Zeiteinheit, in denen auch das Zahlenverhältnis zwischen Antiprotonen und nicht erwünsch­ ten Partikeln günstiger ist. In diesem Zusammenhang sei nur erwähnt, daß wir heute(1959)in Berkeley Strahlen mit etwa 10 Antiprotonen pro Minute gegenüber 1 Antiproton in 15 Minuten im Jahr 1955 erzeugen können, überdies Strahlen mit Antiprotonen im Mengenverhältnis von 1:10 zu den übrigen Par­ tikeln, verglichen mit 1:50 000 im Jahr 1955« Wir können dadurch an schwie­ rigere und kompliziertere Experimente herangehen, und die Entwicklung der

- 2 - "AMERIKA DIENST" 25. November "i960 der elektronischen Meßtechnik sowie der Blasenkammern hat mit den er­ weiterten Möglichkeiten Schritt gehalten. Die Schwierigkeiten, auf die wir jetzt stoßen, betrachten wir als den hohen Preis, der für die Er­ langung eingehenderer physikalischer Erkenntnisse bezahlt werden muß.

Die Lösung mancher Probleme, die sich allein aus der Existenz des Antiprotons ergeben, läßt sich voraussagen, so wie sich beispielsweise die Existenz des Antineutrons voraussagen ließ und all der Antiteilchen der Baryonen, obgleich es großer Geschicklichkeit bedarf, sie überhaupt zu finden. Sicherlich werden Antineutronen im Bevatron reichlich erzeugt, jedoch sind primäre Antineutronen schwer zu identifizieren. Deshalb suchte man bald nach dem ersten experimentellen Nachweis des Antiprotons das Antineutron durch Untersuchung der Ladungsaustausch-Reaktion zu ermitteln, in der ein Proton und ein Antiproton ein Neutron und ein Antineutron er­ geben.

Cork, Lambertson, Piccioni und Wenzel fanden vor einiger Zeit eine sehr elegante Lösung für den experimentellen Nachweis des Antineutrons. Das Antineutron ist an seinen Zerstrahlungsmerkmalen zu erkennen; es bil­ det bei der Zerstrahlung einen Stern, der dem Antiproton-Stern äußerst ähnlich ist. (in Blasenkammeraufnahmen sind diese Vorgänge festgehalten.) Ähnlich wurde das Antilambda durch Baldo-Ceolin und Prowse in photo­ graphischen Emulsionen, die man einem Pi-Mesonen-Strahl aussetzte, gefunden und durch Wasserstoff-Blasenkammerexperimente bestätigt. Auch das Antisig- ma-Null wiesen Alvarez und seine Mitarbeiter kürzlich in Berkeley mit Hilfe der Wasserstoff-Blasenkammer nach.

Einige der Partikeleigenschaften - insbesondere Spin,I-3pin und Pari­ tät - der Antinukleonen lassen sich mit Sicherheit vorhersagen; darüber hinaus gibt es aber Probleme, die zu ihrer Lösung ein recht detailliertes Wissen um Wechselbeziehungen und Struktur von Kernpartikeln erfordern, das wir zur Zeit noch nicht haben. Wohl ist uns bekannt, daß ein Nukleon und ein Antinukleon einander vernichten können - was aber sind die Produkte dieser Vernichtung? Welche Energie haben sie? Welches sind die Wirkungsquer' schnitte (das Maß für das wahrscheinliche Auftreten solcher Reaktionen)? Dies ist die Richtung, in der wir zur Zeit arbeiten, und hier müssen wir

- 5 - "AMERIKA DIENST" 25. November 1960 wir uns - zumindest vorläufig - in erster Linie durch die experimentelle Erfahrung leiten lassen und uns auf noch mehr Überraschungen gefaßt ma­ chen als sie uns bereits begegnet sind.

Was das populäre Thema der "Antiweit" angeht, so möchte ich Dirac zitieren, der 1933 in seinem Nobelpreis-Vortrag u.a. sagte: "Wenn wir die Vorstellung einer vollständigen Symmetrie zwischen positiver und nega­ tiver elektrischer Ladung insoweit akzeptieren, als sie die Grundgesetze der Natur betrifft, so müssen wir es eigentlich als Zufall betrachten, daß die Erde (und wahrscheinlich das gesamte Sonnensystem) in der Haupt­ sache aus negativen Elektronen und positiven Protonen besteht. Es ist durchaus möglich, daß andere Sternenwelten mit umgekehrten Vorzeich.en existieren und (statt aus negativen Elektronen) aus Positronen und (statt aus positiven) negativen Protonen bestehen."

Dem können wir heute hinzufügen, daß die erwiesene Existenz von Antinukleonen die damals erörterte Möglichkeit wesentlich erhärtet, hat, obgleich wir jetzt ebenfalls wissen, daß die Symmetrie zwischen elektrischen Ladungen für sehr schwache Wechselwirkungen nicht gilt. Dabei ist es interessant, daß die jüngsten wichtigen Entdeckungen hin­ sichtlich des Beta-Zerfalls und des Neutrinos eine - vorläufig aller­ dings noch nicht praktizierbare, aber im Prinzip richtige -Methode der Suche nach Antimaterie eröffnen. Wenn sich diese Methode durchführen läßt, würde sie eindeutig die Frage lösen, ob es Anti-Welten gibt oder nicht..

Aus "Science" . Der Nachdruck auch der gekürzten Passung ist nur mit Angabe der Quelle, des Autors und dem Vermerk "Copyright 1 96O by the American Association for the Advancement of Science" gestattet.

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DAS PORTRÄT

DER MANN, DER 300 MILLIONEN DOLLAR VERSCHENKTE Zum 125. Geburtstag des amerikanischen Philanthropen Andrew Carnegie am 25. November 1960

( 95 Zeilen) Andrew Carnegie, der am 25. November 1835 in Dunfermline (Schottland) geboren wurde, ist einer jener Männer, deren märchenhafter Aufstieg immer wieder angeführt wird, wenn von den "unbegrenzten Möglichkeiten Amerikas" die Rede ist. Seine Geschichte ist die eines armen Jungen, der sich im Laufe seines Lebens eines der größten Vermögen erworben hat, die je ein einzelner Mensch besessen hat. Im Alter von 65 Jahren zog er sich von den Geschäften zurück und begann sein zweites Leben mit dem einen Ziel, sei­ nen Reichtum sinnvoll zu verschenken.

Ein tiberblick über Carnegies Schenkungen und Legate ergibt eine Summe von genau 311 594 230 Dollar, die für Stiftungen Verwendung fanden, deren Fondsmittel im übrigen heute noch über 350 Millionen Dollar betragen. Seit ihrem Bestehen haben die Stiftungen über 400 Millionen Dollar für gemein­ nützige Zwecke ausgeworfen.

Carnegies Philanthropie entstammt indes keineswegs allein der Erkennt­ nis reifen Alters; früh schon hatte er seine Absicht verwirklicht, "jedes Jahr von seinem Überfluß etwas für das Gemeinwohl abzuzweigen". Diesem Ge­ danken räumte er in seinen Büchern - er hat etwa ein Dutzend geschrieben - viel Platz ein und brachte ihn auch in seinen zahlreichen Zeitungsartikeln immer wieder zum Ausdruck. "Reiche Leute sollen für die eine unschätzbare Gabe, die ihnen gegeben ist, dankbar sein", schrieb Carnegie, "denn sie haben die Möglichkeit, Gutes zu tun." Daß

- 5 'AMERIKA DIENST" 25. November 1 96O

Daß er selbst einmal die Möglichkeit dazu haben würde, hätte er sich in seiner Jugend bestimmt nicht träumen lassen. Andrew Carnegie kam in Schottland als Sohn eines Webers zur Welt. Als die fortschreitende Industrialisierung immer mehr Handwerker brotlos machte, mußten auch die Carnegies auswandern. Sie kamen 1848 nach Allegheny im Staate Pennsyl- vanien, jener Stadt, die später als erste der USA eine Carnegie-Biblio­ thek erhalten sollte.

Andrew arbeitete bereits mit 13 Jahren als Laufbursche in einer Tex- tilfabrik, in der auch sein Vater tätig war. Später fand er einen Job als Telegraphenbote in Pittsburgh. Dabei lernte er auch, Kode-Depeschen zu entschlüsseln, und erregte dadurch die Aufmerksamkeit von Thomas Scott, einem der maßgebenden Männer im amerikanischen Eisenbahnwesen jener Zeit, als dessen Sekretär und späterer Mitarbeiter er bei der Pennsylvania Rail- road eine rasche Karriere machte.

Nach Beendigung des Sezessionskrieges wandte sich Carnegie der Eisen- und Stahlproduktion zu, einem rasch aufblühenden Wirtschaftszweig. Seinen Aufstieg verdankte er wohl auch manchen glücklichen Umständen, insbesondere aber seinem eigenen Weitblick. Er gründete zahlreiche Unternehmen, haupt­ sächlich Eisen- und Stahlwerke, und rüstete sie in den Zeiten der Wirt­ schaf tsdepreasion aufs modernste mit leistungsfähigen Maschinen aus. Da­ durch war er, als die Wirtschaftslage sich besserte, in der Lage, konkurrenz­ los billig zu arbeiten. Auch hatte er es immer verstanden, tüchtige Mitar­ beiter zu finden, die er meist zu Geschäftspartnern machte nach dem Grund­ satz: "Man muß zuerst das Herz eines fähigen Mannes erobern, ehe sein Ge­ hirn etwas leisten kann."

Im Jahre 1901 wurde die Carnegie Steel Company für 492 Millionen Dollar verkauft; sie bildete fortan den Kern der neuen United States Steel Corpora­ tion. Carnegie ließ sich seinen Anteil von 250 Millionen Dollar in Obliga­ tionen auszahlen und zog sich aus dem Geschäftsleben zurück.

Von nun an begann er sein Vermögen ebenso planvoll, wie er es erworben hatte, zum Segen der Menschheit wieder auszugeben. In jüngeren Jahren hatte er bedürftige Freunde und Bekannte finanziell unterstützt. Jetzt aber ver­ trat er den Standpunkt, daß die Direkthilfe nicht die beste Art Hilfe ist, m

- 6 - AMERIKA DIENST 25. November i960 und er nahm sich vor, jenen zu helfen, die gewillt waren, sich selbst zu helfen. Carnegie dachte an seine Jugend und seinen nie ganz gestill­ ten Wissensdurst und baute über 3000 Bibliotheken für das Volk. Im Jahre 1901 gründete er das Carnegie Institute of Technology in Pittsburgh (eine technische Hochschule), und für die Erziehung der Neger bedachte er das Tuskegee Institute in Alabama mit Zuwendungen. Er gründete außer­ dem eine Klinik, eine Gewerbeschule und in seiner Geburtsstadt Dunferm- line in Schottland eine Musikschule. Ferner stattete er 76OO Kirchen in aller Welt mit Orgeln aus und gründete zu Beginn des Jahrhunderts (1904) den Carnegie Hero Fund für die Anerkennung und Auszeichnung nicht­ militärischen Heldentums.

Unschätzbar sind Carnegies Verdienste um die wissenschaftliche For­ schung. Ihr ist die Carnegie-Stiftung für Forschungen (Washington, 1902) gewidmet, deren Zweck es ist, "auf großzügige //eise der Forschung zu die­ nen und ihre Erkenntnisse zum Wohle der Menschheit zu nutzen". Die For­ schungen dieses Instituts bewegen sich auf den Gebieten der Meeresbiologie, des Erdmagnetismus, der Sternkunde - die berühmten Sternwarten Mount Palo­ mar und Mount Wilson verdanken ihre Entstehung zum Teil der Carnegie- Stiftung -, der Archäologie, der Vererbungslehre, der Ernährungswissenschaft und der Pflanzenbiologie. Ihre wissenschaftlichen Ergebnisse umfassen bis­ her rund tausend Bände.

Ebenfalls der Verbreitung des Wissens dient die 1911 in New York gegründete Carnegie Corporation, der Carnegie später den Hauptteil seines Vermögens vermachte. Eine andere bedeutende Carnegie-Stiftung ist die 1910 gegründete Carnegie Endowment of International Peace.

Carnegies Großherzigkeit erstreckte sich auch auf das Ausland. So erhielten beispielsweise die Akademie von Paris 50 000 Dollar zur Förderung der Radiumforschungen der Madame Curie und das Robert-Koch-Institut in Berlin 120 000 Dollar zur Stützung der Kochschen Tuberkuloseforschung. Auch vier schottische Universitäten wurden mit namhaften Beträgen bedacht.

Bis in sein hohes Alter widmete Carnegie seine Zeit und sein Vermögen den Idealen seiner Kindheit. Am 11. August 1919 ist er, 83jährig, in Lenox (Massachusetts) gestorben. Sein Andenken aber lebt weiter. Wenn

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Wenn in seinen Bibliotheken studiert, in seinen Konzertsälen musiziert - man denke nur an die 1891 eingeweihte, berühmte Carnegie Hall in New York - und in seinen Instituten experimentiert wird, wenn junge Menschen, die mit seinem Geld an seinen Instituten studiert haben, ihre Kraft und ihr Wissen zum Wohle der Menschheit einsetzen, trägt sein Wohltun Zins und Zinseszins.

Das US-Postministerium ehrte den großen Philanthropen durch die Aus­ gabe einer 4-Cent-Sondermarke, die das Bildnis Andrew Carnegies trägt und vom 25. November 196O an in einer Auflage von 120 Millionen Stück zur Ausgabe gelangen wird.

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BEVÖLKERUNGSZAHL DER USA AUF 179,3 MILLIONEN ANGESTIEGEN

(22 Zeilen)

WASHINGTON - (AD) - Die Bevölkerungszahl der USA ist im vergangenen Jahrzehnt um rund' 28 Millionen angestiegen und beträgt - nach dem Stand vom 1. April i960 - 179 323 185. Im Jahre 1950 zählte die Bevölkerung der USA 151 325 798 Personen. Auf Grund dieses Ergebnisses wird sich die Zahl der Abgeordneten, die die einzelnen Bundesstaaten in das Repräsentantenhaus entsenden, er­ neut ändern. Das Repräsentantenhaus zählte bisher 435 Abgeordnete. Diese Zahl erhöhte sich vorübergehend auf 437» nachdem Alaska und Hawaii zu Bundesstaaten erhoben worden waren. Mit der Neuverteilung der Sitze im Repräsentantenhaus, die erstmals bei den Kongreßwahlen des Jahres 1962 zu­ grunde gelegt wird, soll die Gesamtzahl der Abgeordneten wieder auf 435 herabgesetzt werden. Auf Grund der gestiegenen Bevölkerungszahlen werden neun amerikanische Bundesstaaten mehr und 16 weniger Abgeordnete als bisher in das Repräsentantenhaus entsenden. Die Zahl der Abgeordneten, die Kali­ fornien in das Repräsentantenhaus entsendet, wird sich dann um acht auf 38 erhöhen. Florida wird weitere vier Sitze erhalten und dann zwölf Abge­ ordnete nach Washington entsenden. In Kalifornien hatte die Bevölkerungs­ zahl gegenüber 1950 um 5 130 981, in Florida um 2 180 255 zugenommen. Von der diesjährigen Volkszählung wurden die im Ausland stationierten amerikanischen Soldaten und ihre im Ausland lebenden Familienangehörigen, die Besatzungen der auf hoher See oder in ausländischen Häfen befindlichen Schiffe und die im Ausland lebenden Amerikaner nicht erfaßt. * -x * * *

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FERNSEHEN

AMERIKANISCHES FERNSEHEN - NAH BETRACHTET Struktur des Fernsehens als privater Wirtschaftszweig Von Gilbert Seldes Direktor der Annenberg School of Communications, Universität Pennsylvanien,, Philadelphia

( 90 Zeilen) Fernsehen in den USA ist zunächst und vor allem ein kommerzielles Unternehmen. Seine Programme, deren Empfang gebührenfrei ist, werden von privaten Geldgebern (Sponsors) zu Werbezwecken finanziert. Öffentliche Mittel werden nur für erzieherische Zwecke aufgewendet, für Fernsehpro­ gramme der Schulen und Universitäten.

Dieses System spiegelt eines der Grundprinzipien der amerikanischen Gesellschaft wider: Eine gewinnbringende Tätigkeit wird dann bejaht, wenn sie dem öffentlichen Interesse dient. Im Einklang damit vergibt die Federal Communications Commission (FCC), eine vom US-Kongreß eingesetzte Bundesbe­ hörde für das Nachrichtenwesen, an Einzelpersonen und Gesellschaften Sende­ lizenzen für die kommerzielle Nutzung bestimmter Wellenlängen unter der Voraussetzung, daß dies "im öffentlichen Interesse" geschieht. Auf dieser Basis arbeiten gegenwärtig 544 private Fernsehstationen in den USA.

Kritiker des privaten Fernsehens wenden ein, daß dem öffentlichen In­ teresse kaum gedient sei, wenn es nur als "Nebenprodukt" einer auf Gewinn gerichteten Tätigkeit betrachtet werde. Sie plädieren für den Aufbau eines nichtkommerziellen Fernsehsystems, zu dem Ansätze in den Sendern des Schul­ fernsehens bereits vorhanden sind. Im September 196O verfügte das amerika­ nische Schulfernsehen über insgesamt 50 aus öffentlichen Mitteln oder pri­ vaten Spenden finanzierte Stationen, deren Zahl sich im Lauf der nächsten

- 9 - "AMERIKA DIENST" 25. November i960 nächsten Jahre auf 100 erhöhen dürfte. Ihre Programme sind in erster Linie für den Empfang in Schulen bestimmt; teilweise wenden sie sich mit kulturellen Sendungen aber auch an die erwachsenen Fernsehzuschauer ihres Sendebereichs. Ein Drittel der Schulfernsehstationen sind sogenannte UHF- Sender, d.h., sie arbeiten auf _ultra-_hohen .Frequenzen, die nur in den seltensten Fällen vom kommerziellen Fernsehen benutzt werden. Ohne den Einbau eines Zusatzteiles ist ihr Empfang mit den handelsüblichen Fernseh­ geräten nicht möglich. Hierin liegt auch einer der Gründe, weshalb Pro­ gramme der UHF-Stationen beim Publikum weniger Zuspruch finden als Sen­ dungen auf den üblichen Wellenlängen.

Drei große Gesellschaften - American Broadcasting Company (ABC), Columbia Broadcasting System (CBS) , National Broadcasting Company (NBC) - sind tonangebend auf dem Feld des kommerziellen Fernsehens. Jedes dieser drei Netzwerke besitzt einen Sender in den Hauptzentren der amerikanischen Fernsehproduktion New York, Chicago und Los Angeles; ihre übrigen Stationen deren Zahl pro Gesellschaft gesetzlich auf insgesamt fünf beschränkt ist, verteilen sich auf den Rest der Vereinigten Staaten. Darüber hinaus gibt es jedoch die sogenannten "angeschlossenen" Sender, die zwar nicht im Besit der großen Netzwerke sind, mit ihnen aber enge vertragliche Bindungen ein­ gegangen sind. Nur eine geringe Zahl kommerzieller TV-Stationen in den USA ist in dieser Hinsicht vollkommen unabhängig geblieben. Ungefähr je 150 Ser der haben sich einer der drei großen Gesellschaften angeschlossen.

Im wesentlichen geht es bei diesen vertraglichen Bindungen um fol­ gendes: Eine private Fernsehstation stellt einem der großen Netzwerke be­ stimmte feste Sendestunden - oft innerhalb der Hauptsendezeit zwischen 18 und 24 Uhr - zur Verfügung. Das Netzwerk schließt seinerseits weitere Parallelverträge mit werbewilligen Firmen ab, die als "Sponsors" das Pro­ gramm und seine Übertragung finanzieren. Die Höhe des Betrages, den das Netzwerk der angeschlossenen Fernsehstation für die eingeräumte Sende­ zeit überweist, wird gewöhnlich nach der Zahl der Fernsehteilnehmer ihres Sendebereichs errechnet. Außerdem stellen die großen Netzwerke den lokalen Fernsehsendern auch andere, freie Programme zur Verfügung, die sie annehme] oder ablehnen können«

Die

10 "AMERIKA DIENST 25 . November 1 96O

Die Vorteile dieses Systems liegen auf der Hand. Lokale Fernsehsta­ tionen haben kaum die Möglichkeit, zugkräftige Unterhaltungsprogramme in Eigenproduktion herauszubringen; überdies helfen ihnen die populären Sendungen der großen Fernsehgesellschaften, ihren bescheideneren Lokal­ programmen mehr Zuschauer zu gewinnen. Natürlich sind auch Nachteile damit verbunden. Ein lokaler Sender kann z.B. gelegentlich finanzielle Einbußen erleiden, wenn er auf Grund seines Vertrages Programme übernehmen muß, die ihm weniger Einnahmen bringen als Sendungen, die er in eigener Regie hätte ausstrahlen können.

Wie und wo entstehen nun die wichtigeren TV-Programme? Nachrichtenpro­ gramme, Dokumentarfilme und zeitkritische Sendungen werden vor allem in New Yorker Studios produziert; Fernsehspiele kommen etwa je zur Hälfte aus New York und Hollywood, während sich die Produktion der halbstündigen Fernsehserien fast gänzlich auf Hollywood konzentriert. Im allgemeinen gibt es für diese Serien zunächst keinen bestimmten Auftraggeber, sondern eine Fernsehgesellschaft oder Werbefirma stellt ein fertiges Programmuster her und versucht einen "Sponsor" zu finden, der bei entsprechender Werbung für seine Firma die Finanzierung der geplanten Sendereihe übernimmt.

Die Fernsehproduktion hängt somit weitgehend von jenen Industriezweigen ab, deren Werbung hauptsächlich über das Fernsehen läuft: Lebens- und Genuß­ mittelindustrien, Hersteller von Arzneimitteln, Kosmetika und Haushaltgeräten, Zigarettenfirmen, Automobilwerke, Mineralölgesellschaften. Durch ihre Pro­ grammwahl beeinflussen sie maßgeblich das Klima und die Programmgestaltung des amerikanischen Fernsehens. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, daß im Jahr 1959 den großen amerikanischen Fernsehgesellschaften insgesamt 625 Millionen Dollar für die Finanzierung ihrer Programme zuge­ flossen sind.

Das amerikanische Fernsehpublikum - rund 50 Millionen Haushalte besitzen ein Fernsehgerät - ist im großen und ganzen mit dem Gebotenen durchaus zu­ frieden. Dafür gibt es manchen Anhaltspunkt - so etwa die rund 25 Stunden, welche die meisten amerikanischen Familien wöchentlich vor dem Bildschirm verbringen; die Viertelmillion Postkarten, die regelmäßig bei einem wö­ chentlichen Quizprogramm einlaufen; das plötzlich stark ansteigende In­ teresse für ein Buch, das von einem beliebten Schauspieler im Fernsehen

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Fernsehen erwähnt wurde; und nicht zuletzt die steigenden Verkaufsziffern eines Produkte», für das im Fernsehen geworben wurde.

Wichtigster Index für den kommerziellen Wert eines Programms ist je­ doch nicht die Zufriedenheit des Publikums, sondern ein Klassifizierungs­ system, das anzeigt, wieviel Fernsehteilnehmer sich zu einer bestimmten Zeit auf ein bestimmtes Programm eingestellt haben. Dazu sind laufend umfangreiche statistische Erhebungen notwendig, deren Ergebnisse zwar nicht unbedingt beweisen, daß ein Programm gut gefallen hat, die aber doch genau erkennen lassen, ob Programm A ein größeres Publikum anziehen konnte als die gleichzeitig ausgestrahlten Konkurrenzprogramme B und C.

Wie die Filmindustrie hat auch das amerikanische Fernsehen einen "Sittenkodex" und bemüht sich, jede Verletzung, des guten Geschmacks und der öffentlichen Moral zu vermeiden. Im übrigen sitzen in verschiedenen Teilen der USA Beobachter, die über etwaige Verstöße an die Federal Communications Commission oder die Presse berichten. Auch übermäßige Reklame ist verpönt. Die heutige "Fernsehgeneration" in Amerika scheint sich anderer­ seits auch mit den übertriebenen Reklamesendungen abgefunden zu haben. Man schimpft zwar oft genug über sie, nimmt sie aber nicht allzu ernst.

Die Vorschläge zu einer grundlegenden Änderung des amerikanischen Fern­ sehens zielen in zwei Richtungen: einmal auf staatliche Subventionen für Fernsehsender, die in erster Linie kulturelle Programme ausstrahlen sollen, ohne dabei zugleich eine möglichst große Zahl von Zuschauern gewinnen zu müssen; zum anderen auf die Einführung eines "Pay-TV", bei dem der einzelne Teilnehmer für die Programme zahlt, die er sehen will. Die größten Aussichten auf eine praktische Erprobung scheint gegenwärtig das "Pay-TV" zu haben - um so mehr, als im benachbarten Kanada ein ähnliches Experiment mit großem Er­ folg durchgeführt wurde.

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12 rpn 25« November 1960

GEDENKTAGE IM DEZEMBER 1960

1823 Monroe-Doktrin verkündet. 1910 Mary Eddy geb. Baker, Gründerin der Christian Science, in Boston gestorben (geb. 16.7.1821 in Boston).(50. Todestag) 1933 Aufhebung der Prohibition in Amerika. 1776 Phi Beta Kappa Fraternity, die älteste akademische Vereinigung in den USA, gegründet. 1890 Fritz Lang, amerikanischer Regisseur, in Wien geboren (lebt in Beverly Hills, Kalifornien). (70. Geburtstag) 1941 Überfall auf Pearl Harbor. 1876 Willa S. Cather, amerikanische Schriftstellerin, in Winchester (Virginia) geboren (gest. 24.4*1 947 in New York) . 1953 Präsident Eisenhower unterbreitet der 8. Vollver­ sammlung der Vereinten Nationen seinen epochema­ chenden Plan "Atome für den Frieden". 1898 Friedensvertrag von Paris beendet den spanisch­ amerikanischen Krieg. 1930 Sinclair Lewis erhält als erster Amerikaner den Nobelpreis für Literatur. 1830 Emily E. Dickinson, amerikanische Dichterin, in Amherst (Massachusetts) geboren (gest. 15« Mai 1886 daselbst). (130 . Geburtstag) UN-Tag der Menschenrechte, eingeführt anläßlich der Erklärung der Menschenrechte durch die UN- Vollversammlung im Jahre 1948. 1946 Weltkinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) gegründet. 1946 John D. Rockefeiler jun. schenkt der UNO das Grund­ stück am East River (Wert 8,5 Millionen Dollar) . 1952 UNO entscheidet sich für die Gründung eines Kriegs­ gefangenen-Ausschusses, der den Verbleib von 1,5 Millionen nicht repatriierten Gefangenen des 2. Welt­ krieges untersuchen soll. 1953 Major Charles E. Yeager von den US-Luftstreitkräften stellt mit Raketenflugzeug in Kalifornien Schnellig­ keitsrekord von 2650 km/st auf. 12. Dezember

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12. Dezember 1800 Washington, D.C. wird Sitz der Regierung. (160. Jahrestag) 14« 1799 George Washington, erster Präsident der USA, auf Mount Vernon gestorben (geb. 22.2.1732 in Westermoreland County, Virginia). 15. 1791 Bill of Rights wird rechtskräftig. 17. 1903 Den Gebrüdern Wright gelingt der erste Motorflug bei Kitty Hawk in Nordkarolina. 17. 1959 Präsident Eisenhower proklamierte den 17« Dezember zum Gebrüder-Wright-Tag. 20. 1880 In New York wird der Broadway auf einer Strecke von einer Meile erstmals mit elektrischen Bogen­ lampen beleuchtet. (80. Jahrestag) 21. 1620 Die Pilgerväter landen mit der "Mayflower" in Plymouth. (340 . Jahrestag) 21. 1890 Professor Hermann J. Muller, amerikanischer Biologe und Nobelpreisträger, in New York geboren (lebt in Bloomington, Indiana). (70. Geburtstag) 22. 1890 Edgar Varfese, amerikanisch-französiseher Komponist, in Paris geboren (lebt in New York). (70. Geburtstag) 22. 1921 US-Kongreß genehmigt 20-Millionen-Dollar-Hilfe für die notleidende Bevölkerung Rußlands. 25. 1805 Joseph F. Smith, Gründer der Mormonen-Religionsge­ meinschaft, geboren (gest. 27.6.1844). 25. 1915 U.S. Federal Reserve System gegründet. 28. 1856 Woodrow Wilson, 28. Präsident der USA, in Staunton (Virginia) geboren (gest. 3.2.1924 in Washington). 9fl " Internationales Währungsabkommen unterzeichnet (Gründung der Weltbank). (15« Jahrestag)

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Die Artikel des AMERIKA DIENSTES sind honorarfrei und neben der Verwendung durch Rundfunk und Fernsehen ausschließlich zum Abdruck in Zeitungen und Zeitschriften und sonstigen Publikationen bestimmt, die sich direkt an den Leser wenden.

POLITIK

BÜRDE UND WÜRDE DER AMERIKANISCHEN PRÄSIDENTSCHAFT Von John F. Kennedy

(Anmerkung der Redaktion: Der Mann, der am 20. Januar 1961 als 35« Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika ins Weiße Haus einziehen wird, hat versichert, daß er die Geschicke der Nation mit Festigkeit und Entschlossenheit lenken wolle. Er legte seine Ansichten über die Aufgaben des US-Präsidenten bereits am 14. Januar 196O in einer Rede vor dem National Press Club in Washington dar. Selten hat ein Präsident in der Geschichte der USA lange vor seiner Wahl so klar zu seinem Amte Stellung genommen. Wir geben im folgenden Auszüge aus dieser Rede wieder.)

(130 Zeilen)

"Die Geschichtsschreibung dieser Nation - in ihren hellsten wie in ihren dunkelsten Punkten - ist weitgehend von der verschiedenen Einstel­ lung der Präsidenten zur Präsidentschaft bestimmt worden..."

"Die Frage ist, was die Zeit - und das Volk - in den kommenden vier Jahren vom Weißen Haus fordern werden. Sie fordern einen starken Vertreter der nationalen Interessen... sie fordern, daß er gleichzeitig Führer der Regierungspartei ist... sie fordern einen Mann, der ihre Gesetze formulieren und ihre Rechte verteidigen wird..."

"In der heutigen Zeit ist eine nur begrenzte Konzeption von der Prä­ sidentschaft nicht ausreichend. Denn unter der glatten Oberfläche von Frie­ den und Wohlstand schlummern ungelöste Probleme, die eine ständig wachsende Gefahr bilden, Probleme, die in den nächsten vier Jahren mit explosiver Kraft zur Oberfläche durchstoßen werden..." In

1 - "AMERIKA DIENST 2. Dezember 1 96O

"In dem vor uns liegenden Jahrzehnt - den kritischen, revolutionie­ renden sechziger Jahren - wird die amerikanische Präsidentschaft es erfor­ dern, daß der Präsident seihst mitkämpft, und zwar dort, wo der Kampf am heftigsten entbrannt ist, daß er sich leidenschaftlich für die Interessen des seiner Führung anvertrauten Volkes einsetzt, daß er gewillt ist, die­ sem Volke zu dienen, selbst wenn er sein augenblickliches Mißfallen erre­ gen sollte ..."

"Was immer seine persönliche Meinung über die Aufgaben, die auf uns eindrängen werden, auch ist, er muß in jedem Falle der Chief Executive der Vereinigten Staaten in des Wortes umfassendster Bedeutung sein... (Der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika ist zugleich Repräsen­ tant des Landes, Chef der Regierung, Führer der Regierungspartei, Oberbe­ fehlshaber der Streitkräfte und der Sprecher des ganzen Volkes. - Anmerkung der Redaktion)... Er muß darauf vorbereitet sein, alle Machtbefugnisse sei­ nes Amtes - die ausdrücklich bezeichneten und die nicht gesondert genannten einzusetzen..."

"Ulysses Grant sah im Präsidenten 'einen reinen Verwaltungsbeamten''. Wenn er nur seine einzelnen Dienststellen gut verwaltete, seine Vollmachten richtig delegierte und seinen repräsentativen Pflichten mit Dekorum und Würde nachkam, das war alles, was man von ihm verlangte. Das aber war es nicht, was die Väter der Verfassung bei der Institution dieses Amtes im Sinne hatten. Der Präsident steht allein - an der Spitze der Nation im 'einsamsten Amt überhaupt', wie Harry Truman einmal gesagt hat..."

"Wenn die Regierungsorgane sich uneins sind, er allein darf einschrei­ ten und braucht nicht zu warten, bis sie sich geeinigt haben. Wenn andere Dienststellen ihre Mandate nicht erfüllen, wenn Buschfeuer an verschiedenen Stellen des Globus aufzuflackern drohen, er allein kann eingreifen und handeln, ohne auf die Zustimmung des Kongresses warten zu müssen..."

"'Der Präsident ist frei - vor dem Gesetz und seinem Gewissen -, ein so großer Mann zu sein, wie er nur kann', schrieb der Staatsrechtler

2 "AMERIKA DIENST 2 . Dezember i960

Staatsrechtler Woodrow Wilson; der Präsident Wilson mußte indessen ent­ decken, daß man, um ein großer Mann im Weißen Haus zu sein, immer auch den Vorwurf der Diktatur mit in Kauf nehmen muß..."

"Die gleiche Erfahrung machten Lincoln, Jackson und die beiden Roose- velts. Und nicht anders mag es dem neuen Mann im Weißen Haus ergehen, wenn er der Mann ist, den die Zeit fordert... und wir werden einen brauchen, wie ihn die Verfassung vorsah: einen Chief Executive als das lebendige Zentrum des Handelns innerhalb unseres gesamten Regierungssystems.,."

"Nach vierzehn Jahren Staatsdienst in der Legislative kann ich eine Vorherrschaft der Exekutive nicht gutheißen. In unserem System der Gewalten­ trennung... dürfen die Verantwortlichkeiten des Kongresses nicht geschmälert werden; aber er soll auch nicht herrschen. Wie groß sein Anteil an der For­ mulierung innenpolitischer Gesetzesmaßnahmen auch ist, in außenpolitischen Fragen fällt allein der Präsident die ausschlaggebenden Entscheidungen, wie es die Verfassung in weiser Voraussicht von ihm fordert..."

"Und selbst auf innenpolitischem Gebiet obliegt dem Präsidenten die Einbringung von Richtlinien und Gesetzesvorlagen, um den nationalen Belangen nachzukommen... Er muß darauf vorbereitet sein, alle Reserven seines Amtes einzusetzen, um diese Gesetzesvorlagen durch alle Instanzen durchzupauken, selbst wenn sich dabei Konflikte ergeben sollten. Nach Ablauf seiner Amtszeit war Theodore Roosevelt keineswegs ein populärer Mann im Kongreß... und noch verärgerter war Präsident Woodrow Wilson, als er es 1920 ablehnte, für den Senat zu kandidieren..."

"Wie bitter ihr Abschied von der Politik für sie auch war, sie waren Männer, die gehandelt haben... und nicht allein kraft ihrer Exekutivgewalt, sondern auch durch den Kongreß..."

"Meiner Meinung nach kann sich kein Präsident der Politik entziehen. Er wurde ja nicht allein vom Volke, sondern auch von seiner Partei gewählt. Wenn er darauf besteht," 'Präsident des ganzen Volkes zu sein',und deshalb

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deshalb keinem weh tun will, wenn er die Sachverhalte und die Meinungs­ verschiedenheiten zwischen den Parteien verschleiert, wenn er die Partei­ maschinerie vernachlässigt und sich von der Führung seiner Partei drückt, dann hat er damit nicht nur die politische Partei als Instrument des demokratischen Prozesses geschwächt, sondern er hat dem demokratischen Prozeß selbst einen Schlag versetzt..."

"Ich halte mich an das Vorbild von Abraham Lincoln, der die Politik mit der Leidenschaft eines geborenen Praktikers liebte. Er saß beispiels­ weise 1863 die ganze Nacht auf, um den Ausgang der Gouverneurswahlen von Ohio abzuwarten (bei der es um die Wahl des unionierten Kandidaten ging). Lincoln schrieb damals: 'Gott im Himmel sei gelobt, Ohio hat die Nation gerettet'..."

"Das Weiße Haus ist nicht allein politisches Zentrum, es muß auch Mittelpunkt der moralischen Führung der Nation sein... Denn nur der Prä­ sident repräsentiert das nationale Interesse, sein Amt ist der Konvergenz­ punkt, an dem die Nöte und Zielsetzungen des Landes, aller Abteilungen der Regierung und aller Nationen der Welt zusammenlaufen..."

"Wir werden in den sechziger Jahren einen Präsidenten brauchen, der willens und befähigt ist, die nationale Wählerschaft... um sich zu scharen, sie auf die Gefahren und Chancen aufmerksam zu machen und von ihr die Opfer zu verlangen, die notwendig sind..."

"F.D. Roosevelts Worte, die er bei seiner ersten Amtseinführung gesprochen hat, haben nichts an Gültigkeit eingebüßt: 'In jeder dunklen

Stunde unseres nationalen Lebens: haben Offenheit und Entschlossenheit noch immer das Verständnis und die Unterstützung des Volkes gefunden, die so wesentlich für den Sieg sind'..."

"Der Präsident muß sein Amt mit außerordentlicher Weitsicht und mit Entschlossenheit ausüben. Er muß im Sinne Lincolns handeln, der einst "AMERIKA DIENST" 2. Dezember i960 einst sein Kriegskabinett zusammenrief, um mit ihm die Emanzipations- Proklamation zu erörtern. Das Kabinett war sorgfältig zusammengestellt worden und verkörperte die verschiedensten Elemente des Landes. Lincoln erklärte den Mitgliedern: "... ich habe Sie gerufen, damit Sie hören, was ich niedergeschrieben habe. Ihren Rat wünsche ich nicht in dieser Sache, die ich bereits bei mir beschlossen habe'.

Und später, als er sich anschickte, das Dokument zu unterzeichnen - nach ermüdendem stundenlangem Händeschütteln -, sagte er zu den Anwesenden: "Wenn mein Name in die Geschichte eingeht, dann durch dieses Gesetz. Meine ganze Seele liegt in ihm. Wenn meine Hand bei der Unterschrift zittert, werden alle, die das Dokument nachher sehen werden, sagen: Er zögerte!1 Seine Hand zitterte nicht. Er zögerte nicht. Er gebrauchte keine Ausflüchte. Denn er war der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika."

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DIE PHILIPPINEN Aufstieg einer .jungen Nation zu Freiheit und Souveränität Von Eunice Towle

Vor 25 Jahren trat die erste philippinische Verfassung in Kraft, die der Inselgruppe im Pazifischen Ozean - seit 1898 Territo­ rium unter amerikanischer Verwaltung - den Status eines Dominion verlieh. Die Philippinen hatten damit einen wichtigen Abschnitt auf dem Wege zur vollen Unabhängigkeit und Souveränität erreicht, die das Jahr 1946 brachte. Nicht ohne Grund zogen sich die Spre­ cher der philippinischen UNO-Delegation.iwährend der turbulenten Tage der 15. Vollversammlung im September/Oktober 196O den be­ sonderen Groll Ministerpräsident Chruschtschows zu, als sie die Verdienste der Vereinigten Staaten bei der Entwicklung ihres Landes hervorhoben und die Verurteilung jeder Art von Kolonialis­ mus auch auf die Völker Osteuropas ausgedehnt sehen wollten. "Mit Amerikanern kann man diskutieren, man kann Argumente vorbringen und Einwände erheben..., ohne zusammengeschlagen oder im Morgen­ grauen erschossen zu werden", erklärte der 74jährige philippi­ nische Delegierte Francisco A. Delgado zu Chruschtschows Angrif­ fen auf den amerikanischen "Kolonialismus". Er fügte weiter hin­ zu: "Manchmal fragt man sich, was mit einem Letten, Esten oder Litauer geschehen würde, der bei Herrn Chruschtschow Einwände erhebt. Allerdings wissen wir, was mit den Ungarn geschah, die genau das gewagt haben." (80 Zeilen) Die Inselgruppe der Philippinen, die sich vor der Küste Südostasiens über etwa 1800 Kilometer von Nord nach Süd erstreckt, kam 1898, nach dem spanisch-amerikanischen Krieg, in den Besitz der Vereinigten Staaten. Ziel der amerikanischen Verwaltung in diesem neuerworbenen Territorium war von Anfang an die Vorbereitung seiner Bevölkerung auf eine spätere Unabhängig­ keit. Das zunächst eingesetzte Militärgouvernement wurde drei Jahre später durch eine Ziviladministration abgelöst. Eine neue Rechtsordnung wurde ge­ schaffen; Kommunalwahlen fanden statt, und im Oktober 1907 trat bereits das erste frei gewählte Parlament der Philippinen zusammen. Eine fünfkppfige, ursprünglich rein amerikanische Kommission stand dem vom Präsidenten der USA ernannten Generalgouverneur bei seiner Verwaltungsarbeit zur Seite. Bis 1908 waren an die Stelle amerikanischer Mitglieder vier Filipinos in die Kommis­ sion berufen worden, deren Funktionen 1916 ein 24köpfiger gewählter Senat übernahm. Im Einklang mit dem Ziel der amerikanischen Regierung, der Insel-

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Inselgruppe, sobald sie eine eigene stabile Regierung aufgebaut habe, die volle Unabhängigkeit zu gewähren, wurde eine immer größere Zahl von Filipino» in die öffentliche Verwaltung aufgenommen. Unternehmen wie die • Philippinische Nationalbank und die Manila-Eisenbahn fanden besondere Un­ terstützung.

Nach dem ersten Weltkrieg bildete der US-Kongreß mehrere Kommissionen, die über den Fortschritt auf den Philippinen berichteten. 1934 wurde das Tydings-McDuffie-Gesetz verabschiedet, das die Ausarbeitung einer philippi­ nischen Verfassung genehmigte. Des weiteren sah es bis zur Gewährung der vollen Souveränität eine Übergangsperiode von zehn Jahren vor, während der die Philippinen den Status eines amerikanischen Dominion (Commonwealth) einnehmen sollten. Die Bevölkerung wählte ihren eigenen Präsidenten; der Dominion-Regierung wurde das Selbstbestimmungsrecht in allen inneren Ange­ legenheiten übertragen. An Stelle des Generalgouverneurs trat ein amerika­ nischer Hochkommissar, der als offizieller Vertreter des Präsidenten der Vereinigten Staaten fungierte. Die neue Verfassung wurde 1935 von Präsident Roosevelt unterzeichnet und durch Volksentscheid von der philippinischen Bevölkerung akzeptiert. Mit ihren Zusatzartikeln des Jahres 1940 bildete sie die Grundlage einer Staatsform, die sich in ihrer demokratischen Struk­ tur an das Vorbild Amerikas anlehnt.

Volle Unabhängigkeit erlangten die Philippinen am 4« Juli 1946. Sie stellte die junge Nation zugleich vor gewaltige Wiederaufbauprobleme - ein Erbe der japanischen Besetzung während des zweiten Weltkrieges. Schätzungs­ weise eine Million Inselbewohner hatten ihr Leben verloren. Manila, die am zweitstärksten zerstörte Hauptstadt der Welt, lag in Trümmern. Schulen, Häuser und anderer Besitz waren vernichtet.

Während sich die Bevölkerung der Philippinen der Mammutaufgabe des Wiederaufbaus widmete, entwickelte sich eine mächtige Gruppe kommunistisch gelenkter Guerillakrieger zur ernsten Gefahr für die junge Republik. Ent­ standen war sie 1942 in Zentral-Luzon als "Volksarmee zum Kampf gegen Japan (Hukbalahap oder Huks). Opfer ihrer rücksichtslosen Überfälle nach Beendi­ gung des zweiten Weltkrieges« wurde die Schicht der Landbesitzer; 1949 schließlich erklärten die Aufständischen den gewaltsamen Sturz der neuen 'AMERIKA PIEKST" 2. Dezember 1960 neuen Regierung und die Errichtung eines kommunistischen Regimes ganz offen als das eigentliche Ziel ihrer Aktionen. Im Jahr 1950 verfügten sie über eine Streitmacht von 10 000 Mann unter der Führung geschulter Kommunisten.

Im selben Jahr wurde Ramon Magsaysay zum philippinischen Verteidigungs­ minister ernannt. Er reorganisierte die Armee und leitete persönlich eine durchschlagende Offensive gegen die Huks. Zugleich bot er Überläufern eine eigene Heimstatt in dünnbesiedelten Gebieten an mit der Möglichkeit, unge­ stört zu arbeiten und in Frieden ihre Familien zu ernähren. Ende 1951 waren die Aufständischen unter Kontrolle gebracht; ihre Bewegung ist heute fast völlig erloschen.

Hebung des Lebensstandards auf dem Lande, Bau neuer Straßen und Schulen, Reform des Landbesitzes und Erschließung neuer Anbaugebiete waren die näch­ sten Aufgaben, denen sich Magsaysay nach seiner Wahl zum Präsidenten der Philippinischen Republik 1953 zuwandte. Vier Jahre später wurde er Opfer eines Flugzeugabsturzes; doch war es ihm vor seinem Tode gelungen, das Vertrauen zur parlamentarischen Demokratie wiederherzustellen, das Ver­ trauen in die Fähigkeit einer demokratischen Regierung, eine notwendige Aus­ weitung der Volkswirtschaft und unumgängliche Sozialreformen auch durch­ führen zu können.

24 Millionen Filipinos - Angehörige der verschiedensten Volksstämme und Sprachgruppen - haben vor der Welt bewiesen, daß sie in der Lage sind, als geschlossene Nation ihrem Willen Ausdruck zu geben. Die Unterstützung der Vereinigten Staaten, die den Philippinen in jeder Phase ihrer wirt­ schaftlichen Entwicklung zuteil wurde, half die vielfältigen Aufgaben einer Selbstverwaltung mit Erfolg zu bewältigen. Als vorwiegend landwirtschaftlich orientierter Staat sieht sich die Inselgruppe vor ähnliche Probleme gestellt wie die übrigen Entwicklungsländer Asiens und Afrikas, in denen sich eine beginnende Industrialisierung abzeichnet. Eine positive Lösung wird dazu beitragen, die Stellung dieses antikommunistischen Bollwerks im pazifischen Ozean beträchtlich zu festigen.

ACHTUNG!

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ACHTUNG! Auf Anforderung der Redaktionen übersendet der AMERIKA DIENST an Zeitungen und Zeitschriften kostenlos folgende Bilder:

1) Präsident Ram6n Magsaysay bespricht mit einer Gruppe von Sachverständigen und Dorfbewohnern in der Provinz Bataan den Bau eines artesischen Brunnens - einer der vielen kleinen Beiträge zur Besserung der Lebensverhältnisse auf dem Lande.

2) Lebenswichtig für die Wirtschaft der Philippinen ist der Ausbau ihrer Verkehrswege. Schwere Straßenbaumaschinen vereinfachen den Bau einer zweiten Fahrbahn. Zur Verfügung gestellt wurden sie vom US-Amt für Internationale Zusammenarbeit.

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DIE WISSENSCHAFT NOTIERT

THERMOELEKTRISCHER WÄRMEREGLER

(16 Zeilen) Die im Jahre 1854 von dem Franzosen Jean Feitier gemachte Entdeckung, daß der durch die Kontaktstelle zweier verschiedener Metalle gesandte elek­ trische Strom je nach der Richtung, in der er fließt, die Verbindungsstelle entweder abzukühlen oder zu erwärmen vermag, wurde jetzt von der Garrett Corporation in Los Angeles (Kalifornien) bei der Konstruktion eines kombi­ nierten Kühl», und Heizelements für elektronische Lenkwaffen- und Raketen­ systeme nutzbar gemacht. Ausgelöst wird dieses sogenannte Peltier-Phänomen durch die Verlangsamung oder Beschleunigung des Elektronenflusses infolge der negativen oder positiven Berührungsspannung des zweiten Metalls, die wiederum durch dessen Stellung in der Spannungsreihe der Metalle bestimmt wird. Zu' einer Abkühlung kommt es, wenn der Strom von einem in dieser Reihe höher ran­ gierenden Element (z.B. Wismut) zu einem niedriger rangierenden Metall (z.B. Antimon) gesandt wird, weil die Elektronen beim Übertritt in das Antimon wegen der negativen Berührungsspannung verlangsamt werden; in der umgekehrten Richtung aber werden sie infolge der positiven Berührungsspannung beschleunigt, so daß an der Verbindungsstelle eine Erwärmung eintritt.

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NEUES GERÄT ZUR LAUFENDEN BESTIMMUNG DES SALZGEHALTS IM MEER

(10 Zeilen)

Ein Salinometer, d.h. ein Gerät, das Schwankungen im Salzgehalt des Meeres kontinuierlich zu messen vermag, wird von der Atlantic Research Corporation in Alexandria (Virginia) für den amerikanischen Küsten- und Landesvermessungsdienst gebaut. Es soll die verfügbaren Instrumente er­ gänzen, mit denen man den Verlauf von Meeresströmungen, die Drift von Eis­ bergen und den Reichtum der einzelnen Meereszonen an Mikroorganismen er­ mittelt; die letztgenannten Feststellungen sind von großer Bedeutung für die Auffindung neuer Fischfanggebiete. Man hofft, mit Hilfe des neuen Geräts auch Zusammenhänge zwischen Salzgehalt und Fortpflanzungsgeschwindigkeit von Schallwellen im V/asser aufklären zu können.

SEISMOGRAPH MISST SCHRUMPFBEWEGUNGEN DER ERDRINDE

(10 Zeilen)

Ein Seismograph größter Empfindlichkeit wurde vom Lamont-Institut für Geologie (Columbia-Universität, New York) in einem Tunnel in der Nähe von New York installiert. Er soll zusammen mit zwei weiteren solchen Instrumen­ ten für die genaue Messung von Schrumpf- und Expansionsbewegungen der Erd­ rinde verwendet werden, wozu über längere Zeiträume hinweg Ablesungen in einem genau festgelegten Turnus erforderlich sind. Nach Angaben der Wissen­ schaftler registriert das Gerät Erdbebenwellen auf viele Tausende von Kilometern Entfernung und mißt mit größter Genauigkeit Veränderungen in der Erdrinde in der Größenordnung von nur einem Millimeter noch auf die Entfernung New York-Chicago, die ungefähr 1500 km beträgt.

1 1 "AMERIKA PIEKST" 2. Dezember i960

GESICHTSMASKE FÜR MUND-ZU-MUND-BEATMUNG

(23 Zeilen) Eine einfache Gesichtsmaske mit Atemschlauch wurde an der medizinischen Akademie der Staatsuniversität Ohio in Columbus (Ohio) für die Mund-zu-Mund- Beatmung entwickelt, die man heute vielfach bei Wiederbelebungsversuchen anwendet. Die Gesichtsmaske soll die Infektionsgefahr für den Patienten abwenden, die bei direkter Beatmung leicht gegeben ist. Das Gerät ist außer­ dem mit einem Druckventil versehen, das aufspringt, sobald die Gefahr einer zu starken Belüftung der Lungen des Kranken besteht.

Das Beatmungsgerät kann zur Unterstützung der von drei Ärzten der Johns- Hopkins-Universität entwickelten Druckmassage zur Wiederbelebung bei Herz­ stillstand oder Kammerflimmern wertvolle Dienste leisten; allerdings sind dann zwei Personen erforderlich, die sich um den Kranken bemühen. Diese Methode macht einen operativen Eingriff mit Öffnung des Brustkastens zur Herzmassage unnötig. Der Patient wird flach auf den Rücken - möglichst auf eine harte Unterlage - gebettet. Der Helfer kniet oder steht so neben ihm, daß er sein volles Körpergewicht für die Druckausübung wirken lassen kann. Der Ballen der einen Hand ruht auf der Brust des Patienten unmittelbar über dem unteren Brustbeinrand, die zweite Hand liegt quer darüber. Nun drücken die Hände in regelmäßigem Rhythmus - 60 Mal in der Minute - so kräftig in genau vertikaler Richtung nach unten, daß sich das Brustbein um drei bis vier Zentimeter gegen das Rückgrat zu bewegt, und lassen sofort wieder los, damit sich der Brustkorb des Kranken wieder voll weiten kann. Diese Druckmassage wird so lange angewandt, bis die Herztätigkeit wieder einsetzt und das Herz gleichmäßig arbeitet.

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EINZELKOMPONENTEN IM KOMBINATIONSIMPFSTOFF V/IRKSAMER

(.11 Zeilen) Untersuchungen an 192 Kindern, die mit einem Kombinationsvakzin gegen Kinderlähmung, Diphterie, Keuchhusten und Wundstarrkrampf geimpft wurden, haben gezeigt, daß die Antikörperbildung gegen Diphterie- und Polioerreger

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Polioerreger wesentlich höher war als bei der getrennten Anwendung der ein­ zelnen Impfstoffkomponenten zur Immunisierung gegen diese vier Krankheiten. Als Immunisierungspräparat gegen Kinderlähmung wurde dabei der Salksche Impfstoff verwandt. Die Untersuchungen führten Wissenschaftler des amerika­ nischen Arzneimittelwerks Pittman-Moore Co. in Chicago, dessen Vierfach­ impfstoff "Compligen" im Mai dieses Jahres vom Öffentlichen Gesundheits­ dienst der USA freigegeben worden war. Er kann bei Kindern bis zum Alter von 5 Jahren angewandt werden.

CHROMOSOMENVERANDERUNG DURCE KREBS?'

(8 Zeilen) Ein abnorm kurzes Chromosom in Zellen, die von einer bestimmten Form der Leukämie befallen sind, entdeckten jetzt zwei Wissenschaftler in Phila­ delphia bei ihren Untersuchungen. In ihrem Bericht an die amerikanische Na­ tionale Akademie der Wissenschaften weisen sie darauf hin, daß dies "die erste Beobachtung einer spezifischen bleibenden Chromosomenveränderung ist, die im Zusammenhang mit einer bestimmten Krebsform auftritt". Seit mehr als 50 Jahren werden solche Veränderungen vermutet; sie konnten jedoch bisher nie nachgewiesen werden.

BLUTSAUERSTOFF-ANALYSE DURCH DIE INJEKTIONSNADEL

( 12 Zeilen) Die Rolle des Sauerstoffs in lebenswichtigen physiologischen Prozessen läßt sich mit Hilfe einer winzigen Elektrode wesentlich genauer als bisher ermitteln. Das von der Beckman Instruments, Inc. (New York) entwickelte Miniaturgerät für die "physiologische Gasanalyse" ("physiological gas ana- lyzer") besitzt eine Platinspitze von 12/100 Millimeter Durchmesser und wird mit einer gewöhnlichen Injektionsnadel in Blutgefäße oder andere mit Körper­ flüssigkeiten gefüllte Gefäße - auch in Schädelpartien - eingeführt. Es hat große Bedeutung sowohl für die biologische Forschung als auch für die medi­ zinische Diagnostik und vermag beispielsweise die Lokalisierung von Herzfeh­ lern, die Untersuchung vorgeburtlicher Schädigungen des Gehirns oder alters­ bedingter Degenerationsprozesse zu erleichtern sowie dem Anästhesisten Auf­ schluß über die Sauerstoffabsorption in den Körpergeweben zu geben. ***** - 13 - 'AMERIKA DIENST 2. Dezember 196O

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KULTURNACHRICHTEN AUS DEN USA

RODGERS ALS FERNSEHKOMPONIST

(7 Zeilen)

NEW YORK - (AD) - Richard Rodgers, der weltweit bekannte Komponist amerikanischer Musicals, hat für die jetzt angelaufene 26teilige Fernseh­ serie der American Broadcasting Company "Winston Churchill - The Valiant Years" (Winston Churchill - Die heroischen Jahre) die Begleitmusik geschrie­ ben. Eine von Rodgers für eine frühere Sendereihe über die Rolle der US- Seestreitkräfte im zweiten Weltkrieg verfaßte Musik hatte vielfachen Bei­ fall gefunden.

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HANDELS "MESSIAS" IN DER MET

(5 Zeilen) NEW YORK - (AD) - Die Oratorien-Vereinigung von New York beginnt am 18. Dezember ihre 88. Konzertsaison mit einer Aufführung von Händeis "Messias" in der Metropolitan Opera. Es handelt sich um die ungekürzte Wiedergabe der Coopersmith Edition unter der Leitung des Chorleiters, Dr. T. Charles Lee.

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- 14 - "AMERIKA DIENST" 2. Dezember 1 96O

UNIVERSITÄTSORCHESTER RÜSTET FÜR EUROPATOURNEE

( 7 Zeilen) ANN ARBOR (Michigan) - (AD) - Das Symphonieorchester der Universität Michigan rüstet gegenwärtig für eine im Februar 1961 beginnende Europa­ tournee, die Konzerte in der Sowjetunion und anderen osteuropäischen Län­ dern einschließen wird. Das 110 Mann starke Orchester, das seit 25 Jahren von Musikdirektor William D. Revelli geleitet wird, ist vor anderen Uni­ versitätssymphonieorchestern vom akademischen Beirat der American National Theatre and Academy (ANTA) für diese Mission ausgewählt worden.

"RASHOMON" ALS FERNSEHSPIEL

(7 Zeilen) NEW YORK - (AD) - Ricardo Montalban, Carol Lawrence und Oscar Homolka spielen die Hauptrollen in Fay und Michael Kanins Fernsehspiel "Rashomon", dem zwei Erzählungen des japanischen Schriftstellers Ryunosuke Akutagawa zugrunde liegen. Es wird im kommenden Monat als "Stück der Woche" vom amerikanischen Fernsehen übertragen werden. "Rashomon" ist als Bühnenstück bereits 1959 - mit Rod Steiger und Ciaire Bloom in den führenden Rollen - viereinhalb Monate am Broadway gelaufen.

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- 15 - "AMERIKA DIENST 9. Dezember 1960 Die Artikel des AMERIKA DIENSTES sind honorarfrei und neben der Verwendung durch Rundfunk und Fernsehen ausschließlich zum Abdruck in Zeitungen und Zeitschriften und sonstigen Publikationen bestimmt, die sich direkt an den Leser wenden.

WEIHNACHTEN IN DEN USA

SANTA CLAUS ZIEHT ÜBER EINEN KONTINENT Amerikanische Weihnachtsbräuche aus aller Welt

( 90 Zeilen) Nun wird das magische Fluidum des nahenden Weihnachtsfestes bald allerorten spürbar sein. Von Ende November bis zum Beginn des Neuen Jahres werden überall in den Häusern und Wohnungen, in den Vorgärten, auf den Ra­ senflächen und öffentlichen Plätzen hochgewachsene Nadelbäume, das altehr­ würdige Symbol dieser Festzeit, den Glanz ihrer bunten Lichter und ihres glitzernden Behanges in die Nacht hinausstrahlen. Stechpalmenzweige schmük- ken Fenster und Türen. In Kirchen und Wohnungen baut man Krippen auf, die die Geburt des Heilands darstellen; und die farbigen Glasfenster der Kirche scheinen in tieferem, wärmerem Lichte zu glühen.

Der holländische Sankt Nikolaus Es war in den Tagen von Peter Stuyvesant, dem letzten holländischen Gouverneur New Yorks. Damals standen noch kaum mehr als 120 Häuser auf der Insel "Manna-hata", wie die Indianer das spätere Manhattan nannten. Dieses kleine Dorf der holländischen Pioniere war nach Norden hin nu-r durch einen Erdwall geschützt; auf der Seeseite boten ein paar kleine Kanonen Schutz gegen Eindringlinge, die einen Angriff vom Meer her versuchen wür­ den.

Trotz ihrer schwierigen Lebensbedingungen in der Neuen Welt versäumten die Siedler nicht, ihr Weihnachtsfest wie einst in der Heimat zu feiern. Die Kinder stellten am Abend des 5« Dezember ihre mit Heu gefüllten Schuhe vor den Herd, wo Sankt Nikolaus sie füllen sollte, und am nächsten Morgen fanden die Buben und Mädchen hölzerne Spielsachen, Zuckerherzen, Honigku­ chen und die köstlichen "Speculaas", das typische holländische Weihnachts­ gebäck. Sankt _ 1 _ "AMERIKA DIENST 9. Dezember i960

Sankt Nikolaus war also derselbe geblieben, der Weihnachtsschmaus aber gehörte untrüglich in die Neue Welt. Zum Frühstück gab es "Mush" , ein Maisgericht, wie es die Indianer bereiteten. Dann gingen die Männer auf Jagd und brachten nach Hause, was ihnen vor die Büchse kam. Dann gab es Truthähne, Enten, Rebhühner, Wild und Schweinebraten und aus den Küstengewässern riesige Hummer, die oft bis zu einem Meter lang waren. Dazu bereiteten die Frauen reichlich Soßen und Pasteten, und es gab Gemüse und Obst, das ebenfalls über den Atlantik gewandert war, denn die Hollän­ derinnen hatten Sämereien aus der alten Heimat mitgebracht.

Wie damals vor Hunderten von Jahren wird Santa Claus an jedem Weih­ nachtsfest sehnsüchtig erwartet. In seinem achtspännigen Rentierschlitten kommt er in der Nacht vom 24. zum 25. Dezember vom Nordpol gefahren und füllt mit seinen Gaben die Strümpfe der Kinder. "Er segelte als Bugfigur des ersten holländischen Einwandererschiffes nach New York und eroberte ganz Amerika", so schrieb einmal die "New York Herald Tribüne". "Er kam als magerer Asket, aber in dem neuen Land wurde er ein dicker, gemütlicher alter Herr mit roten Bäckchen und einer Kirschennase."

Englischer Plumpudding - mährisches Weihnachtsmahl Auch andere Nationen brachten ihre weihnachtlichen Bräuche mit übers Meer. Die fröhliche englische Weihnachtstradition, die in allen Teilen des Landes gepflegt wird, findet sich am reinsten in Neuengland und den Südstaaten. Wenn dort auch nicht auf allen Tischen der berühmte "Plum- pudding" steht, so fehlt doch wenigstens der "Turkey" nicht, der Truthahn. In Denver (Colorado) wird noch die ursprünglich altgermanische Julfeier begangen: An einem Sonntagnachmittag vor Weihnachten ruft ein Hornsignal die Jugend zum Rathaus, und nach einigen gemeinsam gesungenen Weihnachts­ liedern ziehen die Jungen mit roten und grünen Mützen in den Wald und holen Holz und Zweige, die dann feierlich angezündet werden.

V/o Nachkommen skandinavischer Einwanderer leben, gibt es den "Winter­ karneval". In Minnesota, Michigan, Wisconsin, Nord- und Süddakota gedenken die Schweden alljährlich der Heiligen Lucia, die einst das Licht des Glau­ bens in eine heidnische Welt gebracht hat. Die Königin der Lucia-Feier trägt ein langes weißes Kleid und eine Krone mit brennenden Kerzen. Nach der Feier folgt eine vergnügte Party.

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Die Weihnachtsbräuche von Pennsylvanien lassen sich bis zum Jahr 1741 zurückverfolgen. "Wir hatten ein Weihnachtsmahl für 24 Kinder, und jedes von ihnen erhielt einen schönen Weihnachtsspruch und Süßigkeiten." Diese Eintragung machte einer der "Mährischen Brüder", die der Verfolgung in der Alten Welt entronnen waren und Zuflucht in Amerika gefunden hatten. Heute noch veranstalten ihre Ururenkel Weihnachtsmahle, an denen Nachbarn und Freunde teilnehmen.

Weihnachten bei den Pueblo-Indianern Kommt man dann weiter nach Süden und nähert sich der mexikanischen Grenze, so ändert sich das Klima und mit ihm die weihnachtlichen Bräuche. Spanische Tradition überdeckt dort die angelsächsische,und in Arizona, Kalifornien, vor allem aber in Neu-Mexiko stößt man auf ein Gemisch von alten indianischen und christlichen Riten. Die Straßen der Städte sind mit Blumen und Lichtern geschmückt, und vor den Häusern der hispano- amerikanisehen Familien stehen brennende Kerzen. Die Vorliebe des Südens für Maskeraden und bunte Kostüme findet ihren Ausdruck in einem mittel­ alterlichen Weihnachtsspiel, das Franziskaner von Spanien nach Mexiko brachten und das seitdem in der Grenzstadt San Antonio in Texas von den spanischsprechenden Katholiken jedes Jahr in der Weihnachtswoche aufgeführt wird.

Aber auch die Pueblo-Indianer Neu-Mexikos kennen ihr Weihnachten. Wintersonnenwende und Christi Geburt sind hohe Feste, die sie in der "Kiva" feiern, einem großen, meist unterirdisch gelegenen Raum für religiöse Zeremonien. Dumpf dröhnen die Trommeln. Ein paar Kerzen flackern, und in einem Ofen prasselt das Feuer. Dann erscheinen die ernsten, feierlichen Tänzer, und ihre mokassinbeschuhten Füße stampfen den Takt. Stundenlang dauert der Tanz. Man ist wie verzaubert durch den Rhythmus, die Farben und die Lieder. Plötzlich bricht der Tanz ab. Mehr Kerzen werden entzündet. Sie lassen in der Ecke des Raumes einen "Stall" aus Immergrün und präch­ tigen, handgewebten Decken sichtbar werden, in dem, von Tieren umgeben, das Kind von Bethlehem liegt. Indianerfrauen mit ihren schlafenden Kleinen in den Armen singen davor Lieder, die einst die spanischen Eroberer mit­ gebracht haben. Ein

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Ein Fest der Freude und des Friedens

Weihnachten in den USA ist bei aller Vielfalt der Bräuche und Traditionen ein Fest der gemeinsamen Freude, ein Fest des Singens, für das die Chöre zahlreicher Kirchen schon Wochen vorher mit den Proben beginnen. Sänger und Musiker bereiten Feiertagsprogramme mit Oratorien und Weihnachtsliedern aus vielen Ländern vor. Singgruppen erfreuen ihre Kachbarn mit den altvertrauten Weisen, und Familien finden sich zum Weihnachtsliedersingen in ihren Wohnungen zusammen.

In der Hauptstadt Washington zündet am Abend des 24. Dezember, kurz nach Eintritt der Dämmerung, der Präsident der Vereinigten Staaten, umge­ ben von seinen Familienangehörigen und Freunden, die Lichter an einem bunt geschmückten riesigen Tannenbaum an, der auf dem Rasen vor dem Weißen Haus steht. Auf diese Weise leitet der Präsident in einer kurzen, schlichten Feier, deren Höhepunkt die Verlesung einer Botschaft des Friedens und des guten Willens an alle bildet, für seine Landsleute das Weihnachtsfest ein.

ACETUNG! Auf Anforderung der Redaktionen übersendet der AMERIKA DIENST an Zeitungen und Zeitschriften kostenlos folgende Bilder:

1) Santa Claus ist in den USA zur Weihnachtszeit wohl die wichtigste Persönlichkeit. Aber er ist dort kein anonymer Gast. Die Kinder kommen schon lange vor dem Fest zu ihm, um ihm ihre kleinen und großen Wünsche ins Ohr zu sagen.

2) Zur amerikanischen Weihnacht gehört auch der große Weihnachtsbaum vor dem Weißen Haus in Washington, dessen Lichter der amerikani­ sche Präsident im Rahmen einer Feierstunde, die von Rundfunk und Fernsehen übertragen wird, am Vorabend des »Veihnachtstages anzündet. In seiner Botschaft mahnt er die Nation an den Sinn des Weihnachtsfestes, an die 'Vorte des Evangeliums, das Frieden auf Erden denen verkündet, die guten Willens sind.

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"STERNENZEIT WEIHNACHT"

( 20 Zeilen) NEW YORK - (AD) - "Christmas Startime", ein Weihnachtsprogramm des amerikanischen Farbfernsehens, wird auch in diesem Jahr wieder am ersten Weihnachtstag übertragen werden. Es hatte im vergangenen Jahr so viel Zu­ stimmung und Anklang bei Publikum und Presse gefunden, daß sich die Ford­ werke, wie ihr Präsident Henry Ford II. erklärte, ermutigt fühlten, ein zweites Mal die Finanzierung dieser Fernsehsendung des Columbia Broad- casting System (CBS) zu übernehmen. Von der amerikanischen Fernseh-Aka- demie war ihr im Sommer als der beste ernster Musik gewidmeten Sendung der Fernsehspielzeit 1959/60 eine "Emmy" zuerkannt worden. Stars des Programms sind Leonard Bernstein mit den New Yorker Phil­ harmonikern und die Sängerin Marian Anderson. New Yorks berühmte Schola Cantorum unter Leitung von Hugh Ross - eine Chorvereinigung, deren Grün­ dung übrigens auf eine Anregung Gustav Mahlers zurückgeht - vereinigt sich mit den Philharmonikern zu einer großartigen Aufführung des "Magnificat" von Johann Sebastian Bach, in der auch Marian Anderson als Solistin mit­ wirkt. Sie singt außerdem zwei Negro-Spirituals und das weltumspannende "Stille Nacht, heilige Nacht". Der Knabenchor der Londoner St.-Pauls-Kathe­ drale unter Leitung von A. Jessop Price singt Weihnachtslieder und wird dabei von Leonard Bernstein am Flügel begleitet. Die Aufnahmen dieses Programmteiles wurden in London gedreht.

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EINEN GOLDFISCH FÜR DEN HERRN LEHRER Amerikanische Waisenkinder kaufen Weihnachtsgeschenke

( 26 Zeilen) An einem Tag in der Vorweihnachtszeit öffnen sich für Hunderte von Waisenkindern die Tore der großen Warenhäuser in verschiedenen ameri­ kanischen Städten. Aber die Kinder werden nicht etwa selbst beschenkt, vielmehr erhält jedes von ihnen fünf Dollar und darf damit für seine Freunde, Lehrer und Mitschüler kaufen, was es will.

Eingeführt wurden diese Einkaufstage von der amerikanischen Junior- Handelskammer, einer Vereinigung junger Unternehmer, die erkannt hatten, daß das Schönste an Weihnachten die Freude des Schenkens ist. Sie wollten auch Waisenkindern dieses Glück bescheren. Aufrufe in der Presse, im Rund­ funk und Fernsehen brachten die Spenden, die ihre Aktion finanzieren helfen

Für die Kinder ist die Einkaufstour ein Tag des Glücks. Schon wochen­ lang vorher versuchen sie, durch versteckte Fragen die Wünsche ihrer Freunde herauszubekommen, und legen lange Geschenklisten an. Ist dann der große Tag da, gehen sie mit hochroten Wangen von einer Abteilung des Waren­ hauses zur anderen, prüfen und wählen unter den Waren, um die richtigen Ge­ schenke zu finden. Sie sehen sich alles sehr genau an und sind sehr darauf bedacht, für ihr Geld nur das Beste zu bekommen; nur haben sie mitunter ihre eigene Vorstellung von Geschenken, über die sich Erwachsene freuen. So ließ sich ein kleiner Junge durch nichts davon abhalten, für seinen Lehrer einen Goldfisch zu kaufen, und ein kleines Mädchen zog stolz mit Straßklipsen für die Heimleiterin ab.

Am Weihnachtsabend, zu dem Besucher und Gäste geladen sind, beobachten die Kinder dann mit strahlenden Augen, wie ihre Pakete geöffnet werden, und packen selig ihre eigenen Geschenke aus. Und sehr oft halten sie dann überrascht die Puppe oder das Spielzeugauto in der Hand, die ihnen im Warenhaus insgeheim so gut gefallen hatten.

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Die Artikel des AMERIKA DIENSTES sind honorarfrei und neben der Verwendung durch Rundfunk und Fernsehen ausschließlich zum Abdruck in Zeitungen und Zeitschriften und sonstigen Publikationen bestimmt, die sich direkt an den Leser wenden. VON KUNST UND KÜNSTLERN

TRADITIONSPFLEGE IN VIRGINIA Das Werk des amerikanischen Malers Edward Hicks Von Norman Smith

( 75 Zeilen)

WILLIAMSBURG (Virginia) - (AD) - Frühe amerikanische Malerei, ausge­ stellt in einer Stadt, die sich die Vergangenheit zur Gegenwart erwählt hat, birgt für den Beschauer einen ganz besonderen Reiz.

Die Stadt ist Williamsburg im Staate Virginia, das ganze Stadtteile der Historie getreu restauriert und wiederaufgebaut hat; der Maler ist Edward Hicks, der im frühen 19. Jahrhundert in dieser ältesten und größ­ ten ehemaligen englischen Niederlassung im kolonialen Amerika gelebt und gewirkt hat.

Trotz der zeitlichen Differenz - Williamsburg hatte seine große Blüte in den Jahren von 1699 bis 1780 - fügt sich Edward Hicks1 naive Kunst wun­ dervoll in den Rahmen der altväterlichen Straßen, die man auf dem Weg zum Abby-Aldrich-Rockefeller-Museum für Volkskunst durchwandert. Dieses Haus erweckt Reminiszenzen an unschuldigere Tage voller inniger Frömmigkeit. In seinen Räumen finden sich Sammlungen von Wetterfahnen, Firmenschildern, Zunftzeichen, Gallionsfiguren, eine große Anzahl von Familienporträts, Skizzenblöcke, Tagebücher, Kinderzeichnungen und auch sogenannte "theorems feine, von zarten Frauenhänden auf Samt gemalte Stilleben, die ein wärmen­ des Licht auf ein Kapitel amerikanischer Geschichte werfen, das ohne diese Volkskünstler weitgehend unbekannt geblieben wäre.

Die meisten von ihnen gehörten dem Handwerkerstand an; ihre Kunst­ werke waren in der Hauptsache auch saubere Werkmannsarbeit mit klaren Formen, leuchtenden Farben und reichlichem Dekor.

Unter "AMERIKA DIENST" 9. Dezember 196O

Unter ihnen befanden sich eine Reihe begabter Männer, die ihr handwerkliches Können mit erstaunlicher Imagination anzuwenden verstanden. Einer der bedeutendsten war zweifellos Edward Hicks, dessen Leben und Werk Gegenstand der zur Zeit in Williamsburg gezeigten Ausstellung ist.

Edward Hicks wurde 1780 als Sohn einer Quäkerfamilie auf einer Farm nördlich von Philadelphia im Staate Pennsylvanien geboren. Er betätigte sich nach seiner Schul- und Lehrzeit als Kutschen- und Schildermaler und übte später im Nebenberuf das Amt eines Quäkergei-stlichen aus. So sind denn auch seine seltsam rührenden Malereien in der Hauptsache Spiegel­ bilder seiner frommen Seele, Auseinandersetzungen mit dem stillen Traum der Quäker von Brüderlichkeit, mit dem Glauben an das innere Licht und dem historischen Schicksal der Quäkergemeinde, das ihn zeitlebens be­ kümmerte - Auseinandersetzungen, die ihn immer wieder aufs neue zu den vielfältigen Darstellungen von den "Peaceable Kingdoms", den Friedlichen Königreichen, veranlaßt haben.

Edward Hicks verdankt seine Popularität in der Hauptsache diesen Bildern, die Illustrationen der Weissagung des Propheten Jesaja sind, bei dem es heißt:... Wolf und Lamm sollen weiden beieinander...

Ein ganzer Ausstellungsraum ist diesen Bildern eingeräumt worden; sie lassen in den 16 Versionen der Darstellung dieses Themas den künst­ lerischen Reifeprozeß Hicks1 deutlich werden. Jedes einzelne Bild ist mit liebevoller Akribie, stets mit demselben englischen Kupferstich als Vorlage, gemalt worden. Mit den Jahren indessen gelang es Hicks, sich ständig mehr von der Vorlage zu lösen, er malte die Hintergründe besser aus verewigte auf dem einen die Natural Bridge of Virginia, auf einem anderen eine Gruppe fahnentragender Quäker oder auch William Penns historisches Freundschaftsbündnis mit den Indianern.

Dieser Freundschaftsbund, den er als ein "heiliges Experiment" des Quäkerführers ansah, dem Pennsylvanien Existenz und Namen verdankt, ist ein zweites Hauptthema des Malers. Die Szene taucht als Vignette in zahl­ reichen Bildern auf, und er widmet ihr auch eigene Kompositionen. Neun verschiedene Abwandlungen des Themas sind noch erhalten, alle in leuchten­ den, rauschhaften Farben gemalt. , , Andere _ 8 _ "AMERIKA DIENST 9. Dezember i960

Andere Zeitdokumente von Edward Hicks sind Darstellungen wie die Unterzeichnung der Unabhängigkeitserklärung, Washingtons historische Uberquerung des Delaware-Flusses und die Landung des Christopher Ko­ lumbus .

Mit zu den eindrucksvollsten seiner Bilder gehören auch seine Traumlandschaften, die ihren Ursprung in dem Farmleben der Kindheit hatten. Sie zeigen Tiere in Positionen, die denjenigen auf Darstellun­ gen von den Friedlichen Königreichen ähnlich sind.

An dieser Stelle ist auch noch eine Darstellung der Arche Noah zu nennen, die - obgleich nur die Nachbildung einer Lithographie - eine starke künstlerische Gestaltungskraft verrät. Die rotbelaubten Bäume, die grünen Wasser unter dem Kiel der Arche, der dräuende Himmel und die eigentümlich anrührende Anordnung der sanftäugigen Tiere, einschließlich des weißgesichtigen Löwen, geben dem Bild Würde und geistige Distanz.

Die insgesamt 40 Bilder umfassende Schau aber ist mehr als eine Legitimation für Edward Hicks als einem der bedeutendsten unter den amerikanischen Primitiven; sie weckt beim gebildeten Beschauer eine Art wehmütige Ehrfurcht vor der unbewußten, kindlich-naiven Frömmigkeit und dem nicht fragenden und nicht zweifelnden Glaubenseifer einer ganzen Ge­ neration kunstbegabten Männer und Frauen, die einen wesentlichen Abschnitt der Kulturgeschichte Amerikas verkörpern.

ACHTUNG! Auf Anforderung der Redaktionen übersendet der AMERIKA DIENST an Zeitungen und Zeitschriften kostenlos folgende Bilder:

1) Edward Hicks - der bedeutendste Maler der frühen amerikanischen Kolonialperiode, wie ihn sein Vetter und bekannter Schüler Thomas Hicks sah.

2) Edward Hicks' Hauptthema war die Darstellung der Jesajaschen Weissagung von den friedlichen Königreichen - im Hintergrund eine Vignette, die das Freundschaftsbündnis des Quäkerführers William Penn mit den Indianern darstellt.

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DIE WISSENSCHAFT NOTIERT

AUF DEM WEGE ZU EINEM V/ELTWETTERDIENST Verbesserung der Voraussagemöglichkeiten durch Erdsatelliten Von John Kerigan

(78 Zeilen)

Der amerikanische V/ettervorhersagedienst verwendet seit Ende November erstmals auch Wolkenbilder, die TIROS II, der am 23. November i960 von Cape Canaveral gestartete Wetterbeobachtungssatellit, mittels seiner beiden Fernsehkameras aufnimmt und auf Abruf zur Erde funkt. Obgleich für den zentralen US-Wetterdienst in Washington das Ganze erst einen Versuch dar­ stellt, hatte er durch TIROS I, den Vorläufer von TIROS II, doch schon wertvolle Erfahrungen sammeln und sich vom Organisatorischen her darauf einstellen können, die neuen, zusätzlichen Beobachtungswerte in allerkürze­ ster Zeit in das Vorhersagesystem einzubauen.

Nichts scheint so in Abhängigkeit von der Zeit zu stehen wie Wettermel­ dungen. Deshalb darf auch die Auswertung von Informationen, die Satelliten liefern, nicht länger dauern als die Auswertung der auf dem bisher üblichen Wege gewonnenen Daten. Eine der dabei auftretenden Schwierigkeiten ist na­ türlich die, daß die meisten Meteorologen noch nicht darin geübt sind, Wolkenaufnahmen zu interpretieren, die aus 64O km Höhe gemacht wurden. Der US-Wetterdienst veranstaltete daher vor dem Start von TIROS II Sonderkurse für Meteorologen, in denen an Hand der vorliegenden Aufnahmen von TIROS I, auf Erdkarten projiziert, und der Meldungen von amerikanischen Wetterwarten die Wettersituation an bestimmten Tagen und für bestimmte Zeiträume rekon­ struiert und die Deutung der TIROS-Bilder geübt werden konnte. Darüber hinaus wurden Techniker des Wetterdienstes sowie der Armee und der Marine, die auf San Nicolas Island und in Fort Monmouth stationiert sind, speziell für

- 10 - "AMERIKA DIENST" - 9. Dezember 1960 für die Aufnahme und Interpretierung von TIROS-II-Funkbildern und der anderen von ihm gesendeten Daten ausgebildet. Über Bildfunk stehen sie mit der Wettervorhersagezentrale des US-Wetterdienstes in Washington ständig in Verbindung, der seinerseits die Meldungen an die zuständigen Dienststellen auf dem nordamerikanischen Kontinent und in Übersee unter Benutzung der militärischen Funkverbindungen der US-Luftstreitkräfte und der Marine weitergibt.

Für den US-Wetterdienst ist es bereits Tradition, für seine Arbeit irgendwie brauchbare neue technische Verfahren sofort aufzugreifen und in seinen Arbeitsplan einzubauen. Er war auch eine der ersten Organisa­ tionen, die die Radartechnik für die Wetterbeobachtung nutzten. Eine sei­ ner Radarstationen für die Sturmwarnung ist auf einem 70 Stockwerke hohen Wolkenkratzer in New York installiert. Umfang und Schwere zu erwartender Regenfälle über weiträumigen Meer- und Landgebieten werden ebenfalls durch Radar ermittelt. Außerdem dienen etwa 600 Ballonsonden als ständige Höhen- Wetterwarten der nördlichen Hemisphäre und funken laufend Meßdaten zur Erde; diese Daten werden von einer elektronischen Rechenanlage automatisch für die Zeichnung einer Wetterkarte sowie für die auf zwei bis drei Tage be fristete Wettervorhersage verwendet. Vor kurzem wurde mit einem Dreijahres- programm begonnen, in dessen Rahmen die Tornadoforschung intensiviert und die Vorhersage über Weg und Stärke dieser Stürme, von denen im vergangenen Jahr 600 das Gebiet der USA streiften, verbessert werden soll.

Ergebnisse der Forschung und regelmäßige Beobachtung bilden die Grund­ lage für die periodisch gegebenen Wetterberichte des US-Wetterdienstes. Täglich viermal erscheinen Wettervoraussagen, die für die Allgemeinheit über Zeitungen, Rundfunk und Fernsehen und teilweise auch über den Te­ lephon-Wetterdienst zahlreicher Postämter verbreitet werden. Wöchentlich dreimal werden Voraussagen für fünf Tage, monatlich zweimal solche für 30 Tage ausgegeben. Eine ganz besonders große Verantwortung trägt der Vorhersagedienst für die Luftfahrt, der Tag und Nacht besetzt ist und in ständigem Kontakt mit den Flugzentralen steht. Auf einem New Yorker Flug­ hafen werden überdies alle 12 Stunden Karten über den Verlauf und die Ge­ schwindigkeit der "Strahlströme" über dem Atlantik ausgegeben, jener Höhen­ orkane, die in bestimmten Luftschichten auftreten und durch eine ziemlich "AMERIKA DIENST" 9. Dezember i960 ziemlich genaue Höhen- und Seitenbegrenzung gekennzeichnet sind. Das zu­ verlässige Y/arnSystem für die Landwirtschaft in Gebieten, wo vor allem im Herbst und Frühjahr gelegentlich plötzliche Temperaturstürze zu er­ warten sind, ist inzwischen ebenso zur Selbstverständlichkeit geworden wie der Warndienst für die Schiffahrt auf den Großen Seen oder allgemein für Gebiete, die vom Durchzug einer Schlechtwetterfront betroffen werden.

Was man jetzt anstrebt, sind Wettervorhersagen für längere Zeiträume und größere geographische Räume sowie regelmäßige Vorhersagen für den Luft­ raum weit oberhalb 6000 m Höhe. Der erste Schritt zur Verwirklichung eines Weltwetterdienstes wurde am 1. Oktober 196O getan, als die ersten vier Weltwetterdienst-Stationen in New York, Offenbach (Main), Moskau und Neu-Delhi als untereinander in Verbindung stehende Informationszentren für die nördliche Halbkugel ihre Arbeit aufnahmen. Im Frühling 1961 soll mit der Eröffnung der Station in Tokio die Kette nördlich des Äquators ge­ schlossen werden; als nächste Phase ist von der Internationalen Meteorolo­ gischen Organisation (WMO), einer Sonderorganisation der Vereinten Nationen mit 102 Mitgliedstaaten, die Errichtung eines ähnlichen Beobachtungsnetzes für die südliche Halbkugel vorgesehen.

Die Verbesserung der Übertragungs- und Auswertungstechnik für Meßdaten, die Erdsatelliten zur Wetterbeobachtung liefern, wird ein übriges dazu bei­ tragen, um ein zuverlässiges, weltweites Wettervorhersagesystem zu schaffen. Taifune und taifunähnliche 'Virbelstürme, die vor allem Südostasien häufig heimsuchen und aus heiterem Himmel zu kommen scheinen, ließen sich dann bereits beobachten, wenn noch Zeit ist, die Bevölkerung zu warnen und ge­ eignete Schutzmaßnahmen zu ergreifen.

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PUNKWETTER-VORHERSAGE VOM U.S. BUREAU 0F STANDARDS

( 27 Zeilen) Das amerikanische Bundesamt für Technische Normen (U.S. Bureau of Standards) in Washington gibt einmal im Monat ein Bulletin heraus, das für die jeweils folgenden drei Monate die günstigsten Frequenzen für den Funk-

- 12 - 'AMERIKA DIENST" 9. Dezember 1 96O

Funkverkehr zwischen zwei beliebigen Punkten auf der Erde voraussagt. Die Genauigkeit dieser Voraussagen konnte dank den Erfahrungen aus dem IGJ (1957/58) und der internationalen Zusammenarbeit auf dem Gebiet geophysikalischer Untersuchungen im Jahr 1959 in letzter Zeit ganz er­ heblich verbessert v/erden. Die Unterlagen dafür liefern die Beobachtungs­ ergebnisse von Stationen zur Erforschung der Ionosphäre und Sonnenobser­ vatorien.

Die vier elektrisch leitfähigen Schichten in der Ionosphäre, deren untere Grenze man zwischen 60 und 80 km, deren obere zwischen 1000 und 2000 km Höhe annimmt, reflektieren wechselweise mit der Erdoberfläche Kurzwellen und ermöglichen so die Fortpflanzung dieser elektromagneti­ schen Wellen über Tausende von Kilometern. Die Höhe, der Verlauf und die Spiegelwirkung der ionosphärischen Schichten sind jedoch keineswegs kon­ stant, sondern außerordentlich stark von der Sonneneinstrahlung zu den verschiedenen Tages- und Jahreszeiten, dem Sonnenfleckenzyklus und dem geographischen Ort abhängig. Darüber hinaus machen sich aber noch andere Einflüsse bemerkbar, die bisher nicht zu erklären waren.

Nur auf Grund laufender Beobachtungen der Verhältnisse in der Ionosphäre lassen sich "Funkwetter-Voraussagen" machen. Das US-Bundesamt für Technische Normen unterhält zu diesem Zweck ein eigenes Institut in Boulder (Colorado), das die Meßdaten von zahlreichen Beobachtungsstationen sammelt und analysiert. Als im Jahr 1942 mit der Veröffentlichung von Funkwetterkarten begonnen wurde, gab es erst drei solcher Beobachtungs­ stationen, während des IGJ dagegen 161, von denen die meisten beibehalten wurden.

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POLITIK

DIE ABRÜSTUNGSVERHANDLUNGEN IM JAHRE 196O

(58 Zeilen)

In der Frage der Abrüstung und der Einstellung der Kernwaffentests haben die Vereinigten Staaten im Jahre i960 vier getrennte Versuche unter­ nommen, eine weltweite Regelung herbeizuführen. Die Sowjetunion durch­ kreuzte zwei dieser Versuche, verfolgt hinsichtlich des dritten eine Ver­ schleppungstaktik und gab zu erkennen, daß sie den vierten zu boykottie­ ren gedenkt.

Zu Beginn des Jahres schienen die Aussichten für eine Abrüstungsre­ gelung relativ günstig. Am 12. Januar wurden die im Dezember 1959 vertag­ ten Genfer Verhandlungen über die Einstellung der Kernwaffenversuche wie­ der aufgenommen; der Zusammentritt des Zehn-Mächte-Abrüstungsausschusses, der auf Grund eines Vier-Mächte-Beschlusses vom September 1959 gegründet worden war, stand für Mitte März in Aussicht, und die Völker der Erde blickten der für Mai geplanten Pariser Gipfelkonferenz, auf der die Re- gierungsschefs auch diese Fragen erörtern sollten, hoffnungsvoll ent­ gegen.

Präsident Eisenhower erklärte in seiner Botschaft über die Lage der Nation am ~[. Januar vor dem US-Kongreß, daß die Russen wohl ihre "Bereit­ schaft zu ernsthaften Verhandlungen" zum Ausdruck gebracht haben, daß sie aber bisher nichts über "die Pläne bekanntgegeben haben, die sie, wenn überhaupt, für eine gegenseitige Inspektion und Verifizierung haben - die die unerläßliche Vorbedingung für jede umfassende Abrüstung sind".

Am 11. Februar legten die Vereinigten Staaten auf der Genfer Kon­ ferenz einen Plan über die stufenweise Einstellung der Kernwaffentests vor, dem zufolge mit jenen Versuchen begonnen werden sollte, bei denen eine Kontrolle gewährleistet war. Der Plan sah eine Ausdehnung des

1 AMERIKA DIENST 16. Dezember 196O des Verbots der Kernwaffenversuche auch auf andere Tests vor, sobald ausreichende Kontrollmöglichkeiten gegeben seien.

Der sowjetische Delegierte bezeichnete den amerikanischen Vorschlag jedoch als "unannehmbar" und gab zu verstehen, daß ein Stufenplan ein unzureichender Vorschlag sei - Moskau stellte sich auf den Standpunkt; eine uneingeschränkte Einstellung der Versuche oder nichts.

Im März erarbeitete die amerikanische Delegation einen Katalog von .24 Fragen, die bisher noch nicht gelöst werden konnten. Die Konferenz, die inzwischen in ihr drittes Jahr eingetreten war, schleppte sich wei­ terhin mühsam fort und wurde schließlich am 5« Dezember bis zum 7» Fe­ bruar 1961 vertagt.

Die Aufmerksamkeit der Welt wandte sich im Frühjahr dem Zehn-Mächte- Ausschuß zu, der aus je fünf Ländern der freien Y/elt und fünf Staaten des Sowjetblocks gebildet worden war und an 15. März erstmals zusammen­ trat. Die Aussichten, im Rahmen dieses Ausschusses wesentliche Fortschritte in der Abrüstungsfrage zu erzielen, schienen sehr gering - die Vertreter beider Seiten konnten ihre Auffassungen nicht miteinander in Einklang bringen. Da ohnehin der Termin für die Pariser Gipfelkonferenz immer näher rückte, vertagte sich der Ausschuß am 29. April bis zum 7« Juni, d.h. bis nach der Gipfelkonferenz. Man hoffte, daß die Regierungschefs vielleicht in der Lage sein würden, die Verhandlungen aus der Sackgasse herauszuholen, in die sie geraten waren.

Diese Hoffnungen wurden mit einem Schlage zunichte gemacht, als die Sowjetunion unvermittelt und in letzter Minute die Gipfelkonferenz dadurch vereitelte, daß sie sich weigerte, die Besprechungen auch nur aufzunehmen.

Kurz nach dem Wiederzusammentritt des Genfer Zehn-Mächte-Ausschusses im Juni arbeiteten die Vereinigten Staaten neue Vorschläge aus, um eine Basis für eine erfolgreiche Fortführung der Verhandlungen zu schaffen. Unmittelbar bevor dieses "Programm für eine allgemeine und vollständige Abrüstung unter wirksamer internationaler Kontrolle" der Konferenz unter­ breitet werden konnte, verließen die Delegierten der Sowjetblockstaaten geschlossen den Verhandlungsraum und machten damit in praxi weitere •AMERIKA DIENST 16. Dezember i960 weitere Verhandlungen unmöglich.

Als Präsident Eisenhower am 22. September vor die Vollversammlung der Vereinten Nationen trat, wies er darauf hin, daß die Menschen in aller Welt die Abrüstung herbeisehnen.Er erklärte, die Vereinigten Staa­ ten forderten nur das eine, "daß ein solches Programm nicht irgend einem Land militärische Vorteile bringt und daß es die Inspektion der Rüstung anderer Länder gestattet". Er fuhr fort: "Ein Abrüstungsprogramm, das keiner Inspektion unterliegt und für dessen Einhaltung keine Garantie gegeben ist, würde die Kriegsgefahr nicht reduzieren, sondern noch ver­ größern" .

Nunmehr sollte der Politische Ausschuß der Vollversammlung der Ver­ einten Nationen versuchen, den Engpass in der Abrüstungsfrage zu überwin­ den. Die Vereinigten Staaten, Großbritannien und Italien haben dem Aus­ schuß am 14« Oktober einen Resolutionsentwurf unterbreitet, der eine bal­ dige Wiederaufnahme der Abrüstungsverhandlungen fordert. Diese und andere diesbezügliche Vorschläge sind im Politischen Ausschuß noch anhängig, der seine allgemeinen Beratungen über die Abrüstungsfrage allerdings am 8. No­ vember beendet hat und sie voraussichtlich erst nach den Weihnachtsferien wiederaufnehmen wird.

Die Sowjetunion hat bereits wieder gedroht, die Erörterungen der Ab­ rüstungsfrage vor dem Politischen Ausschuß zu boykottieren, als ihr Ver­ treter die Erklärung abgab, daß sie "an einer derartigen Zeitverschwendung nicht teilnehmen" werde, wenn die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten "weiterhin auf ihrer negativen Haltung beharren".

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3 "AMERIKA DIENST" 16. Dezember i960

ZUR FRAGE DER RASSENINTEGRATION IN DEN USA

(1O6 Zeilen)

WASHINGTON - (AD) - Das Problem der Rassenintegration beschäftigte die Amerikaner im Jahre 196O intensiver als je zuvor in den letzten 50 Jahren. Die Wahlkampfdiskussionen haben den Blick von Politikern und Wählern für die reformbedürftigen Unzulänglichkeiten der amerikanischen Gesellschaftsverfassung geschärft. Diese Tatsache fand auch ihren Nieder­ schlag in den Programmen der beiden großen politischen Parteien, die sich in ausführlichen Bürgerrechtskapiteln mit nahezu gleichlautenden Forderun­ gen für die restlose Beseitigung aller noch vorhandenen Rassenschranken einsetzten.

Die Demokratische Partei betrachtet die Schaffung "eines neuen Klimas" als die erste Voraussetzung für die Rassenverständigung und fordert, daß allen Amerikanern auf der Basis der Gleichberechtigung Zugang zu allen Be­ reichen des Gemeinschaftslebens, einschließlich der Wahlkabinen, der Schul­ räume, der Arbeitsplätze, des Wohnungsmarktes und der öffentlichen Dienste, gewährleistet werden solle.

Freilich kam es im Jahre 196O hier und dort auch zu Zwischenfällen; aber im allgemeinen haben sich die offenen Übergriffe drastisch verringert, und eine wachsende Konzessionsbereitschaft begann sich mehr und mehr durch­ zusetzen.

Dies zeigte auch die von Negerstudenten zu Beginn des Jahres in rund 40 Gemeinden der Südstaaten durchgeführte "Sit-in"-Aktion der gewaltlosen Eroberung der "verbotenen" Theken, bei der sie in Gaststätten die für Weiße reservierten Tische und Imbißtheken so lange besetzten, bis sie entweder bedient oder aus dem Lokal gewiesen wurden. Diese Gleichberechtigungsdemon­ strationen gewannen den Negern viele Anhänger. Sie machten Schule und er­ streckten sich bald auch auf die Theater, Unterhaltungsstätten und Biblio­ theken in den Südstaaten. Weiße Kommilitonen schlössen sich den Demonstra­ tionen der farbigen Studenten an. Sie belegten in den Nordstaaten solche

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solche Läden mit Boykott, von denen bekannt war, daß sie im Süden Filialen mit den fraglichen "lunch counters" unterhielten.

Der gewaltlose Widerstand der Negerstudenten widerlegt eindeutig die Standardbehauptung der Südstaatler, daß der Neger mit der Rassentren­ nung durchaus zufrieden sei. In zahlreichen Städten der Südstaaten wurden Ausschüsse für Rassenverständigung gebildet, die sich mit den aktuellen Bürgerrechtsproblemen befaßten und sich um vernünftige Lösungen bemühten - eine Aktion, die auch von den Glaubensgemeinschaften, Bürgerverbänden, den Parteien und der Presse im ganzen Lande unterstützt wurde.

Im Norden und Westen der USA stößt die zwangsweise Rassentrennung in der Öffentlichkeit auf wenig Verständnis, schon weil die meisten Ein­ wohner dieser Landesteile sie von sich aus aus Tradition oder persönlicher Überzeugung ablehnen. Das heißt nicht, daß dort jedermann gegen Rassen­ vorurteile gänzlich gefeit wäre. Aber die Einsicht der moralischen Unhalt- barkeit der Rassentrennung ist hier doch so sehr Allgemeingut geworden, daß man vorhandene Ressentiments zu unterdrücken pflegt, wenn es gilt, ge­ setzgeberische Maßnahmen mit dem Ziele der völligen Gleichstellung aller Staatsbürger zu unterstützen.

Der Oberste Bundesgerichtshof hatte i960 in fünf Fällen in Fragen des Negerwahlrechts zu entscheiden; im Frühjahr i960 verabschiedete der Kongreß das zweite Bürgerrechtsgesetz • innerhalb von drei Jahren - nach­ dem 80 Jahre lang in dieser Hinsicht nichts geschehen war. Die weitaus schärferen Durchführungsbestimmungen des neuen Gesetzes geben den Bundes­ justizbehörden u.a. das Recht der Einsichtnahme in die Wahllisten, das Recht zur gerichtlichen Ahndung in Fällen,in denen Beschränkung oder Vorenthaltung des Wahlrechts vorliegen, und sie sehen ferner das Recht zur Bestellung eines Schiedsmannes vor, der die ordnungsgemäße Wähler­ registrierung und auch die Wahl selbst überwacht.

Bemerkenswert war 196O die Zunahme der Zahl abgegebener Negerwahl­ stimmen in verschiedenen Südstaaten, die in Alabama eine Steigerung um 50 Prozent, in Arkansas um 15 Prozent, in Florida um 20 Prozent, in Georgia um 12 Prozent, in Tennessee um 50 Prozent und in Virginia um 20 Prozent gegenüber 1956 erfahren hat.

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Das Bundesamt für Kriegsteilnehmerversorgung (Veterans Administration) verfügte i960, daß alle Personen, die mit dem Verkauf, der Vermietung oder der Verwaltung seiner Liegenschaften befaßt sind, sich streng an die Vorschriften der Statuten zu halten haben, die eine Diskriminierung von Staatsbürgern auf Grund der Hautfarbe, der Rassen- und Glaubens­ zugehörigkeit und der nationalen Herkunft verbieten.

Eine vom Beirat des Präsidenten für die Personalpolitik im Bundes­ dienst 196O durchgeführte Beschäftigungsstudie hat ergeben, daß in fünf Großstädten der USA, in Chicago, Washington, St. Louis, Los Angeles und Mobile (Alabama), im gehobenen Behördendienst heute 50 Prozent mehr Neger beschäftigt sind als im Jahre 1956. Einen weiteren entscheidenden Schritt zur völligen Aufhebung der Rassentrennung meldeten zwei bedeutende Ge­ werkschaften. Die Brotherhood of Railroad Trainmen (Eisenbahnergewerkschaft) befürwortete auf ihrer Jahresversammlung einstimmig die Streichung der Rassentrennungsklausel aus ihren Satzungen - innerhalb des AFL-CIO-Ver- bandes gibt es nur noch eine Gewerkschaft, die diese Klausel noch nicht in ihren Statuten gestrichen hat, aber auch dieser Fall ist nur noch eine Frage der Zeit -, während Ende des Jahres die Railroad Labor Executives Association, in der die Spitzenfunktionäre von 25 unabhängigen Gewerkschaf­ ten zusammengefaßt sind, eine Entschließung angenommen hat, die sich mit allem Nachdruck für die gleichen Rechte aller Eisenbahnbediensteten einsetzt, insbesondere für das Recht auf Einstellung an jedem angemessenen Arbeitsplatz und Beförderung nach Fähigkeit und Eignung.

Ebenfalls um die faire Behandlung am Arbeitsplatz ging es dem Kongreß von Delaware, der für Delaware als 16. Staat der USA 19&0 für seinen Be­ reich das Gesetz für gerechte Arbeitsnormen als rechtsverbindlich für alle Arbeitgeber eingeführt hat.

Auch die Aufhebung der Rassentrennung in den öffentlichen Schulen der Südstaaten machte weiterhin erfreuliche Fortschritte. An 153 von 277 aus Mit­ teln der öffentlichen Hand subventionierten Universitäten und Colleges gibt es keine Rassentrennung mehr. Und im Bereich der Mittelschulen haben im Laufe des Jahres 30 weitere Schuldistrikte den Prozeß der Desegregation als

- 6 - "AMERIKA DIENST 16. Dezember i960 als abgeschlossen gemeldet.

Bedauerlicherweise kam es zu Beginn des neuen Schuljahres in New Orleans zu unliebsamen Zwischenfällen; New Orleans aber liegt in Louisiana, das wie die Staaten Georgia, Mississippi, Alabama und Süd­ karolina mit zum sogenannten "Deep South" gehört, wo in verschiedenen Bezirken die Neger der weißen Bevölkerung zahlenmäßig weit überlegen sind und schon aus diesem Grunde eine Rassenintegration in den öffentlichen Schulen auf Schwierigkeiten stoßen kann. Die "New York Times" aber sah in den Ereignissen von New Orleans ein Zeichen dafür, daß es auch im tiefen Süden zu rumoren beginnt. "Wir kennen dies", so schrieb das Blatt, "wir haben das gleiche Drama in den "border states" und in anderen Südstaaten erlebt. Jetzt scheint es auch den Kern des Südens ergriffen zu haben." Kenner der Südstaatenverhältnisse bestätigen es, daß auch dort der Prozeß der Aufhebung der Rassentrennung nicht mehr aufzuhalten ist; denn alles ist längst keine Sache der Gesetzgeber und Gerichte mehr, sondern lediglich eine Frage der besseren Einsicht und der Zeit.

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Die Artikel des AMERIKA DIENSTES sind honorarfrei und neben der Verwendung durch Rundfunk und Fernsehen ausschließlich zum Abdruck in Zeitungen und Zeitschriften und sonstigen Publikationen bestimmt, die sich direkt an den Leser wenden.

ENTWICKLUNGSHILFE ERHIELT NEUE IMPULSE

( 54 Zeilen) WASHINGTON - (AD) - Das Problem der Wirtschaftshilfe für die unter­ entwickelten Gebiete erhielt im vergangenen Jahr durch die Erlangung po­ litischer Selbständigkeit zahlreicher Staaten auf dem afrikanischen Kon­ tinent einen besonders dringlichen Akzent. Gleichzeitig zeichneten sich aber auf Grund der Initiative der Vereinigten Staaten und der anderen freien Länder auch verschiedene Lösungen in dieser für alle Staaten so wichtigen Frage ab. Das Schwergewicht dieser Bemühungen verlagerte sich dabei immer stärker auf die Vereinten Nationen.

Die USA, die in der Nachkriegszeit im Rahmen des Auslandshilfeprogramms zahlreichen Ländern zusammen bisher über 70 Milliarden Dollar für die wirt­ schaftliche Entwicklung und die Hebung des Lebensstandards zur Verfügung stellten, haben im Laufe des Jahres wiederholt ihre Bereitschaft bekundet, die verschiedenen Programme der Vereinten Nationen tatkräftig zu unter­ stützen. In seiner vielbeachteten Rede vor der Vollversammlung der Verein­ ten Nationen unterbreitete Präsident Eisenhower den Mitgliedern dieser Welt­ organisation unter anderem ein spezielles Hilfsprogramm für die afrikanischen Staaten, wobei er auf die bedeutende Rolle der UN bei diesen internationa­ len Bemühungen hinwies.

Ebenso erklärten sich die USA in diesem Jahr bereit, bei der Ausarbei­ tung eines wirksamen Planes zur Versorgung der bedürftigen Länder mit Nah­ rungsmitteln im Rahmen der Vereinten Nationen mitzuarbeiten und hierfür ihre eigenen überschüssigen Nahrungsmittel zur Verfügung zu stellen.

Die

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Die fortgesetzten Bemühungen der USA um eine stärkere Beteiligung der anderen westlichen Industrieländer an der Wirtschaftshilfe für die jungen Entwicklungsländer waren im vergangenen Jahr von einem ersten größeren sichtbaren Erfolg gekrönt: zusammen mit fünf weiteren Ländern beteiligten sich die Vereinigten Staaten an dem von der Weltbank geför­ derten Projekt zur Entwicklung der Wasserkräfte des Oberlaufs des Indus zum Nutzen der beiden Anliegerstaaten Indien und Pakistan.

Auch in der in diesem Jahr vollzogenen Gründung verschiedener Insti­ tutionen für die Koordinierung und Intensivierung der Entwicklungshilfe kommt das zunehmende Interesse der einzelnen Länder an diesem Fragenkom­ plex zum Ausdruck. So wurde als Organisation der UN die "Internationale Entwicklungsgesellschaft" (IDA) gegründet, die als Weltbanktochter in Zukunft den Entwicklungsländern solche Anleihen zur Verfügung stellen soll, die durch die anderen, bereits bestehenden internationalen Insti­ tutionen nicht vergeben werden können - in erster Linie also Kredite, die in einheimischer Währung zurückgezahlt werden können.

Eine andere neue Institution ist die sogenannte "Planungsgruppe für Wirtschaftshilfe" (DAG), der zusammen mit den USA insgesamt 10 bedeutende Industrieländer angehören. Ziel dieser Planungsgruppe ist es, die Zusam­ menarbeit auf dem Gebiet der Entwicklungshilfe zwischen diesen Ländern zu koordinieren, die einzelnen Entwicklungsprojekte eingehender als bis­ her zu überprüfen, die Planung und Durchführung der einzelnen Programme zu verbessern und sie stärker auf die individuellen Bedürfnisse der ein­ zelnen Entwicklungsländer abzustimmen.

Von großer Bedeutung für den mittel- und südamerikanischen Raum ist die Konstituierung der "Inter-amerikanischen Entwicklungsbank" und der "Zentralamerikanischen Bank für Wirtschaftliche Integration" gewesen, die beide auf die Initiative der USA zurückgehen und in Kürze ihre Tätigkeit aufnehmen werden. Wie die Namen dieser beiden Institutionen schon andeu­ ten, besteht ihre Aufgabe darin, die wirtschaftliche Entwicklung in den lateinamerikanischen Staaten durch die Vergabe langfristiger Anleihen zu fördern und die Wirtschaftsstruktur dieser Länder stärker als bisher auf­ einander abzustimmen. *****

- 9 "AMERIKA DIENST" 16. Dezember 1960 Die Artikel des AMERIKA DIENSTES sind honorarfrei und neben der Verwendung durch Rundfunk und Fernsehen ausschließlich zum Abdruck in Zeitungen und Zeitschriften und sonstigen Publikationen bestimmt, die sich direkt an den Leser wenden,

WIRTSCHAFT HIELT SICH AUF EINEM HOHEN NIVEAU

(54 Zeilen) WASHINGTON — AD — Trotz stark gegenläufiger Trends und einer all­ gemein abgeschwächten wirtschaftlichen Aktivität konnte das Bruttosozial­ produkt der USA in diesem Jahr mit etwa 505 Mrd. Dollar einen neuen Spitzenstand erzielen und damit das Vorjahresergebnis um rund 5 Prozent übertreffen. Der gesamte Wirtschaftsablauf in den Vereinigten Staaten stand i960 unter dem Einfluß des starken Lagerabbaus von Industrie und Handel (die Lagerkäufe blieben schon in den ersten acht Monaten gegenüber 1959 um 12 Mrd. Dollar zurück). Die dadurch bedingte geringere Nachfrage wirkte sich dabei besonders nachteilig für die Dauergüterindustrie und einige Grund­ stoffzweige wie die Stahlindustrie aus, während andererseits die Konsum­ güterindustrie, die öffentlichen Versorgungsbetriebe und die Dienst­ leistungszweige im ganzen gesehen ein verhältnismäßig günstiges Geschäfts­ jahr hatten und ihre Vorjahresergebnisse meist übertreffen und neue Spitzen erzielen konnten. Der starke Rückgang der Lagerkäufe ist nach Ansicht des US-Finanz­ ministers, Robert B. Anderson, durch zwei fundamentale Entwicklungen ausgelöst worden! 1. die weitgehende Eindämmung der seit Jahren wirksam gewesenen inflationistischen Kräfte; und 2. die starke Kapazitätsauswei­ tung der amerikanischen Industrie in den vergangenen Jahren, durch die ein Produktionsvolumen geschaffen wurde, das weit über dem tatsächlichen Bedarf liegt.

Auf Grund dieser Entwicklung bestand daher für die Industrie und den Handel auch nicht länger die Notwendigkeit, größere Lager als Polster gegenüber etwaigen Preiserhöhungen oder Engpässen zu unterhalten. Diese zwangsläufige Zurückhaltung führte dann auch im Laufe des Jahres zu einer stärkeren Anpassung der laufenden Produktion an den gegebenen Bedarf, Die Folge davon war ein zeitweiliges Absinken der industriellen Produktion bei einem gleichzeitigen Rückgang der Zahl der in der Industrie Beschäftigten,

- 10 "AMERIKA DIENST" 16. Dezember i960 Beschäftigten. Aus diesen Gründen blieben 196O sowohl die Umsätze als auch die Gewinne in der Dauergüterindustrie allgemein hinter den ursprüng­ lichen Erwartungen zurück.

Trotz der enttäuschenden Ergebnisse in einigen Wirtschaftszweigen war das durchschnittliche Niveau der wirtschaftlichen Aktivität immerhin noch so hoch, daß die Masseneinkommen (rund 357 Mrd. Dollar) gegenüber 1959 um 5-6 Prozent anstiegen. Auch die im großen und ganzen behaupteten Verbrauaherausgaben beweisen, daß sich die positiven und negativen Trends innerhalb der amerikanischen Wirtschaft in diesem Jahr weitgehend gegen­ seitig aufhoben.

Neben den Verbraucherausgaben waren es in erster Linie noch die während des ganzen Jahres angestiegenen Ausgaben der Bundesstaaten und Gemeinden sowie die erst in der zweiten Jahreshälfte stark erhöhten Auf­ wendungen der Bundesregierung, die einen stimulierenden Einfluß auf die Gesamtwirtschaft ausübten. Ihr Einfluß war dabei so groß, daß in sämtlichen Monaten bis September die Zahl der Beschäftigten größer war als in den ent­ sprechenden Monaten des Vorjahres.

Alles in allem kann festgestellt werden, daß sich die US-Wirtschaft in diesem Jahr auf einem sehr hohen Niveau hielt und trotz einiger Schwäche- momente eine bemerkenswerte Stabilität bewies. Hinsichtlich der künftigen Entwicklung gehen die Meinungen der Wirt­ schaftsexperten zur Zeit noch weit auseinander. Einige rechnen für 1961 mit einer weiteren geringen Abschwächung der wirtschaftlichen Aktivität, während andere mit einem vorläufigen weiteren Auspendeln rechnen und erst für später einen erneuten starken Aufschwung erwarten.

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WISSENSCHAFT UND TECHNIK IN DEN USA - 196O

(500 Zeilen)

Raumflug

Der "Raumflug mit Rückfahrkarte" ist keine Utopie mehr, nachdem es den Vereinigten Staaten im Jahr 196O viermal gelungen ist, einen DISCOVERER- Satelliten zur Erde zurückzuholen. Die Lösung des überaus schwierigen Pro­ blems, einen nach den Gesetzen der Himmelsmechanik die Erde umkreisenden Flugkörper so zu dirigieren und abzubremsen, daß er die Hitzemauer unbe­ schädigt passieren und in einem vorbestimmten Zielgebiet geborgen werden kann, ist damit praktisch bewiesen - was aber nicht heißt, daß das Ver­ fahren bereits narrensicher sei. Zum bemannten Raumflug wird man erst dann übergehen, wenn für den Satelliten-Passagier das Risiko nicht größer ist als jenes, das der Testpilot eines Flugzeugwerkes auf sich nimmt.

Die Vorbereitungen für das Projekt MERKUR, dessen Ziel der bemannte Raumflug auf einer Satellitenbahn um die Erde ist, umfaßten im abgelaufenen Jahr mehrere wichtige Phasen. Neben dem intensiven Training der sieben Astronauten in der Personenzentrifuge, bei dem sie Kräften bis zum löfachen der Erdbeschleunigung ausgesetzt wurden, standen vor allem der Ausbau der Beobachtungsstationen in einem um die ganze Erde gespannten Netz, die tech­ nische Verbesserung der ATLAS als der Startrakete und die Konstruktion einer ausreichenden Zahl von Raumflugkapseln auf dem Programm.

Die Flugtests mit der X-15, die, mit einem Raketentriebwerk ausgerü­ stet, 160-200 km Höhe und 64OO km/st Geschwihdigkeit erreichen soll, sind inzwischen so weit gediehen, daß das Forschungsflugzeug in Kürze den zu­ ständigen Regierungsstellen zur Aufnahme des regulären Flugprogramms über­ geben werden kann; die Erprobung des neuartigen Triebwerks XLR-99 durch Testpilot Scott Crossfield von der North American Aviation, Inc. fiel zur vollsten Zufriedenheit aus. Mit den zuvor benutzten Triebwerken hatte NASA- Testpilot Joseph A. Walker am 4« August mit 3514 km/st einen neuen Geschwin­ digkeitsrekord, Luftwaffenmajor Robert M. White am 12. August mit 41 605 m einen neuen Höhenrekord aufgestellt. Einen neuen Rekord im Fallschirmspringen

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Fallschirmspringen und gleichzeitig im Ballonflug mit offener Gondel erzielte Fliegerhauptmann Joseph M. Kittinger, als er am 16. August 196O im Rahmen einer Versuchsserie zur Erprobung von Methoden und Ausrüstungen für Notlandemanöver künftiger Raumfahrer aus 31 330 m Höhe absprang. Die Satellitentechnik verzeichnete allgemein wichtige Fortschritte, vor allem hinsichtlich der Ausrüstung und der praktischen Nutzung solcher Geräte. Die Wolkenbilder von TIROS I und II oder die Nachrichten-, Bild- und Musiksendungen, übertragen durch COURIER I-B oder ECHO I, beeindrucken nicht nur den Fachmann. Vor allem ECHO I fasziniert mit seinem regelmäßigen Erscheinen die Menschen immer aufs neue; er ist der erste künstliche Erd­ satellit, den jeder mit bloßem Auge als hellen Stern am Nachthimmel ver­ folgen kann. Insgesamt 16 Satelliten haben die USA im Jahr 196O in Umlaufbahnen um Erde oder Sonne gebracht. Mit großer Spannung verfolgte die Öffentlich­ keit den Weg des am 11. März gestarteten PIONIER V, der jetzt als künstli­ cher Planet zwischen Erd- und Venusbahn um die Sonne kreist; seine letzten Meldungen waren aus 36 Millionen km Entfernung zu empfangen. Mit Hilfe dieses Meßgeräts stellte man u.a. fest, daß das Magnetfeld der Erde $6 000 km und damit doppelt so weit als zuvor angenommen in den Weltraum hinaus­ reicht. Er vermittelte neue Einsichten in den Mechanismus, der das Phänomen der Polarlichter auslöst, und entdeckte interplanetare Magnetfelder unbe­ kannter Herkunft. Die Existenz eines elektrischen Ringstromes über dem Xquator wurde durch PIONIER V bestätigt; dieser Elektronenfluß hoher Dichte bewegt sich in 64 000 km Höhe um die Erde.

In der Folgezeit wurden zwei mit Fernsehkameras ausgerüstete Satelli­ ten (TIROS) für die Wetterbeobachtung gestartet; allein TIROS I lieferte 23 000 wissenschaftlich zum Teil unschätzbar wertvolle Aufnahmen, die u.a. über Struktur und Ausmaß von Tornado-, Hurrikan- und Sturmfrontwolken Aus­ kunft geben. ECHO und COURIER sind die ersten Vertreter passiver und ak­ tiver Weltraum-Relaisstationen für die Fernmeldetechnik, TRANSIT I-B und TRANSIT II-A künstlicher "Navigationssterne" für Fliegerei und Schiffahrt, MIDAS fliegender Beobachtungestationen eines Vorwarnsystems "gegen feind­ liche Fernraketen. Flugtests

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Flugtests mit Feststoffraketen wie der dreistufigen MINUTEMAN, der vierstufigen SCOUT oder der von einem getauchten U-Boot startenden POLARIS kennzeichneten die Weiterentwicklung der Raketentechnik, die sich immer mehr auf die Konstruktion von Triebwerken zur Verbrennung fester Treibstoffe konzentriert; diese Raketen sind wesentlich unempfindlicher als Flüssigkeitsraketen, in kürzester Zeit startbereit und samt Treib­ stoff transportfähig. Die technischen Schwierigkeiten ihrer Steuerung sind jetzt überwunden. Flüssigkeitsraketen sind deshalb aber nicht ab­ geschrieben, vielmehr wurden auch auf diesem Gebiet wesentliche Fort­ schritte vor allem in der Verkürzung der Startvorbereitungen bis zum Ab­ schuß sowie in bezug auf Abschalten und Wiederzünden im Flug erzielt. Die Vorbereitungen für den Bau superstarker Flüssigkeitsraketen gehen wei­ ter; nach mehrfacher Erprobung der gigantischen Startstufe der Weltraum­ rakete SATURN im Standversuch in der George-C.-Marshall-Forschungs- und Versuchsanstalt in Huntsville (Alabama) wurde in Cape Canaveral mit dem Bau der SATURN-Abschußrampen begonnen. Die erste Phase der KIWI-Reaktor- versuche, die der Entwicklung einer thermischen Atomrakete dienen, wurde erfolgreich abgeschlossen; im kommenden Jahr folgen Standversuche mit verbesserten Aggregaten und flüssigem Wasserstoff als Raketentreibstoff.

Astronomie Das abgelaufene Jahr brachte nicht nur das erste Röntgenbild der Sonne, sondern auch die erste Photographie der Kern-Struktur von Sonnenflecken - wertvolles Anschauungsmaterial zur Erklärung von Energieumsetzungsprozessen .auf unserem Zentralgestirn. Zwei theoretische Physiker des Brookhaven National Laboratory haben ein Projekt in Angriff genommen, das nicht mehr und nicht"weniger als eine genauere "Gewichtsbestimmung" unserer gesamten Milchstraße zum Ziele hat; die besten bisher existierenden Schätzungen nehmen das 70miHiardenfache der Masse unserer Sonne dafür an. Die Forscher benutzen für ihre Untersuchungen Frequenzänderungen der von interstellarem Wasserstoffgas ausgesandten elektromagnetischen Schwingungen, die einmal durch die Bewegung der Wasserstoffatome innerhalb der Milchstraße, zum andern durch die Wirkung von Gravitationskräften auf diese Schwingungen verursacht werden. Ein Blick auf einen Sternennebel in optisch bisher nicht zu erfassenden Räumen des Universums, nämlich in einer Entfernung von

- 14 - "AMERIKA DIENST" 16. Dezember i960 von 6 Milliarden Lichtjahren, gelang amerikanischen Astronomen durch Anwendung einer besonderen Lichtverstärkertechnik am 5-m-Spiegelteleskop auf dem Mount Palomar; die äußerste "Sichf'-Grenze lag vorher bei 2 Milli­ arden Lichtjahren.

Wie sehr der Lichtdruck der Sonne die Umlaufbahnen von Erdsatelliten zu beeinflussen vermag, zeigen sowohl die Bahnveränderungen des vor fast drei Jahren gestarteten kleinen VANGUARD I als auch - und zwar in wesent­ lich stärkerem Maße - die von ECHO I; aus der fast kreisförmigen Umlauf­ bahn mit 1540 km Mindest- und 1670 km Höchstabstand von der Erde ist ECHO I innerhalb von vier Monaten in eine Ellipse mit Bahnpunkten zwischen 1050 km und 2100 km Höhe gezwungen worden.

Geophysik

Was niemand für möglich gehalten hätte, nämlich den Vorstoß einer For­ schungsexpedition zum Grund des Marianengrabens im Pazifik, der mit mehr als 11 000 m der tiefste bekannte Einschnitt in der Erdoberfläche ist, ge­ lang im Januar Jacques Piccard und dem amerikanis chen Marineleutnant Don Walsh mit dem Tauchschiff TRIESTE. Die beiden Forscher fanden unter anderem, daß selbst in solcher dem Laien schier unvorstellbarer Meerestiefe, wo der Wasserdruck mehr als 1100 at/qcm beträgt, Lebewesen existieren können.

Die Entdeckung, daß gewisse Einbrüche auf dem Grund des Atlantischen, Pazifischen und Indischen Ozeans in der Nachbarschaft der Kontinente in Wirklichkeit einen f2 000 km langen, zusammenhängenden Riss im Meeresboden bilden, war eine große Überraschung für die Ozeanographen. Die Auffindung einiger bisher unbekannter Unterwassergebirge im Golf von Alaska und im Atlantik trug dazu bei, die noch recht unzulängliche Kartographie des Meeres­ bodens weiter zu vervollständigen. Über ein interessantes Experiment der Schallfortpflanzung unter Wasser berichtete Dr. Maurice Ewing von der Columbia- Universität (New York). Die Detonationsgeräusche von drei vor der australi­ schen Küste unter Wasser ausgelösten Explosionen wurden nach 223 Minuten (nicht wie zunächst berichtet nach 144 Minuten) von einer 19 200 km davon entfernten SOFAR-Station auf den Bermudas registriert. Die Nutzung derar­ tiger "Schallkanäle" in den Weltmeeren für Navigationszwecke nach dem SOFAR- Verfahren hält Dr. Ewing, der Erfinder dieser für den Seerettungsdienst ent­ wickelten Methode,für sehr aussichtsreich. Eine

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Eine der bedeutsamsten geologischen Entdeckungen der letzten Jahre machten Mitarbeiter des Geological Survey der Vereinigten Staaten mit der Auffindung von Coesit, einer bisher nur synthetisch unter sehr hohem Druck und bei sehr hohen Temperaturen aus Quarz gewonnenen Modifikation der Kieselsäure, in der Natur. Die ersten Fundstellen waren Ränder riesi­ ger Meteoritenkrater auf dem amerikanischen Kontinent. Von noch größerer Tragweite für die Erforschung der Erdgeschichte ist aber die Entdeckung von Coesit im Nördlinger Ries durch Dr. Shoemaker vom Geological Survey im Juli dieses Jahres. Demnach muß diese nahezu kreisrunde Mulde von 25 km Durchmesser, für deren Entstehung man bisher vulkanische Ereignisse auf der Erde verantwortlich machte, ebenfalls durch einen Meteoreinschlag, und zwar Millionen Jahre früher als die Krater in Amerika,entstanden sein - zu einer Zeit, aus der bisher Meteoreinschläge nicht nachweisbar waren.

Physik und Chemie Weltweite Anerkennung wurde der amerikanischen Naturwissenschaft durch die Verleihung des Nobelpreises i960 für Physik an Prof. Donald A. Glaser und des Nobelpreises 1960 für Chemie an Prof. Willard F. Libby zuteil. Dr. Glaser wurde für die Erfindung der Blasenkammer, eines Instruments zum Nach­ weis von Elementarteilchen und zur Bestimmung einiger ihrer Eigenschaften, Dr. Libby für die Entwicklung der Kohlenstoff-14-Methode zur Altersbestimmung archäologischer und prähistorischer Objekte ausgezeichnet. Mit welch empfindlichen Verfahren die Kernphysik überhaupt schon arbeitet, erhellt aus der Nachricht, daß Wissenschaftler der Technischen Hochschule Kalifor­ nien und des Marineforschungsamts die Lebensdauer des Pi-Null-Mesons zu bestimmen vermochten - sie beträgt 0,000 000 000 000 000 23 Sefcunöc und ist damit noch geringer als der billiardste Teil dieser unserer klein­ sten Zeiteinheit.

Unter Anwendung des sogenannten Mößbauer-Effekts, der eine extrem genaue Messung von Schwingungsveränderungen elektromagnetischer Strahlen erlaubt, unternahmen Prof. R. Pound und Dr. G. Rebka von der Harvard-Uni­ versität mit Eisen-57 Experimente zur Nachprüfung der allgemeinen Relati­ vitätstheorie. Ergebnis: Einstein hat recht, ein Gravitationsfeld (in diesem Fall das der Erde) verändert die Frequenz elektromagnetischer Schwingungen.

Immer "AMERIKA DIENST" 16. Dezember 1960

Immer tiefer in die Geheimnisse des Materieaufbaus einzudringen, ist eines der Hauptziele der kernphysikalischen Forschung. Dazu müssen aber nicht nur die Atome, sondern selbst deren Bausteine zerlegt werden, was die Anwendung hoher Energien zur Überwindung der atomeigenen Binde­ kräfte erfordert. Das neue Magnetspektrometer im Institut für Hochenergie­ physik an der Stanford-Universität, verbunden mit einem starken Elek­ tronenbeschleuniger, und das im August i960 in Betrieb genommene AGS-Syn- chrotron von Brookhaven, mit einer Leistung von 30 Milliarden Elektronen­ volt der zur Zeit stärkste Protonenbeschleuniger der Welt, sind geeignet, die wissenschaftlichen Erkenntnisse auf diesem Gebiet wesentlich zu er­ weitern. Dennoch vermögen die in diesen Maschinen erzeugten Energien noch lange nicht mit jenen der Natur zu konkurrieren. Prof. Schein von der Universität Chicago wies durch direkte Beobachtungen nach, daß die Energie von Partikeln kosmischer Primärstrahlung 10 OOOmal höher sein kann als die Endenergie von Atomteilchen, die in den Vakuumröhren von Brookhaven oder im JERN-Synchrotron in Meyrin bei Genf beschleunigt werden.

In der Nachahmung des Energieprozesses der Sonne, der sogenannten Thermofusion von Wasserstoffkernen zum Zweck der Energiegewinnung, ist man zwar wieder ein Stück weitergekommen, jedoch reicht die durch elek­ trische und magnetische Plasmakompression erzielte Aufheizung noch lange nicht aus, um eine kontrollierte und sich selbsttätig erhaltende Reaktion auszulösen. "35 Millionen Grad", meldeten kürzlich Wissenschaftler des Lawrence-Strahleninstituts Livermore der Universität Kalifornien - er­ forderlich sind aber 100 Millionen Grad und mehr.

Bemerkenswerte Nachrichten kamen im Lauf des Jahres 1960 aus dem Gebiet der Chemie. Wenn sie meist auch nur in Form kurzer Meldungen in die Öffentlichkeit drangen, lassen sie doch erkennen, wo zur Zeit die Schwerpunkte der Forschung liegen - nämlich auf dem Gebiet der Kunst­ stoffe, meist in Verbindung mit der Strahlenchemie, und der organischen und physiologischen Chemie mit weitgehenden Auswirkungen auf die Physio­ logie und Biologie von Pflanze, Tier und Mensch.

In 'AMERIKA DIENST" 16. Dezember 196O

In der Gruppe der Polyuräthane gibt es jetzt gummielastische Kunst­ stoffe von höherer Dauerfestigkeit als der des Stahls; im Duolit hat man endlich einen Ionenaustauscher gefunden, der die Abscheidung schaum­ bildender Detergentien aus Wasser ermöglicht. Und der neue Nitrosegummi ist nicht nur unbrennbar, sondern wirkt sogar feuerlöschend.

Das Hypophysen-Hormon ACTH, das die Tätigkeit der Nebennierenrinde und damit auch die Cortisonproduktion reguliert, konnten Wissenschaftler der Universität Pittsburgh synthetisch darstellen; die Arbeiten an der Synthese des Insulins, des lebenswichtigen Hormons der Bauchspeichel­ drüse, sind gut vorangekommen. Die Synthese des Chlorophylls, das zusammen mit Sonnenlicht der Pflanze den Aufbau von Zucker, Stärke, Eiweiß und Fett aus Wasser und Kohlensäure überhaupt erst ermöglicht und damit Grundstein alles organischen Lebens ist, gelang Prof. E.B. Woodward von der Harvard- Universität fast zu gleicher Zeit und unabhängig von Prof. Strell und Dr. Kalojanoff in München. Nachdem 1939 ßin deutscher Wissenschaftler die Struktur des natürlichen Chlorophylls nach langjähriger Arbeit endgültig ermittelt hatte, versuchten sich berühmte Chemiker in aller Welt, unter ihnen auch Prof. J. B. Conant, an der Darstellung dieser Substanz; die Vollsynthese gelang aber erst 196O. Die Nachahmung eines weiteren Natur­ prozesses, der Bindung des Luftstickstoffs durch Bodenbakterien und seiner Assimilierung durch Pflanzen, meldete die Forschungsanstalt von Du Pont de Nemours.

Einen für die Vererbungsforschung wichtigen Versuch unternahmen Prof. Doty und Dr. Murmur von der Harvard-Universität mit Desoxyribonukleinsäure (DNS genannt), einem Moikül des Zellkerns, das alle Zellfunktionen steuert und die Vererbung aller individuellen Eigenschaften bewirkt. Es gelang ihnen, die Doppelspirale des DNS-Moleküls in ihre beiden Einzelfäden zu zerlegen, diese Komponenten mit ebensolchen DNS-"Halbmolekülen" anderer Zellen zu "kreuzen" und zu einem völlig neuen DNS-Molekülverband mit neu­ artigen Merkmalen zusammenzufügen.

Medizin Die enge Zusammenarbeit zwischen Biologen, Chemikern und Physikern in den letzten fünf Jahren hat auch die Krebsforschung revolutioniert; die noch vor wenigen Jahren vielgeschmähte Theorie, daß Krebs durch Viren oder

18 "AMERIKA DIENST 16. Dezember 1 960 oder durch virusähnliche Partikeln verursacht sein könnte, findet auf Grund neuer experimenteller Erfahrungen immer mehr Anhänger. Eine Gruppe amerikanischer Wissenschaftler vom Sloan-Kettering-Institut in New York hat ein Virus isoliert, das möglicherweise an der Bildung von acht ver­ schiedenen Arten von Krebsgeschwülsten beim Menschen beteiligt ist. Ob es aber wirklich als Krebs-"Erreger" anzusprechen ist, lassen die Forscher vorläufig dahingestellt. Biologen der Columbia-Universität konnten beobach­ ten, wie sich normales Lebergewebe von Ratten in Krebsgewebe umwandelt. Besonders bemerkenswert war dabei die Entdeckung, daß sich der Wandel zur "Krebszelle" innerhalb kürzester Zeitspanne, nämlich bei der Zellteilung, vollzieht; in einem "Krebsvorstadium" können Gewebezellen unter Umständen während ihrer gesamten Lebensdauer verharren. Ein interessantes Gegenex­ periment dazu war der erfolgreiche Versuch eines Pflanzenphysiologen, krebs­ artige Gewebewucherungen in Pflanzen unter sehr genau kontrollierten Be­ dingungen in normales Gewebe umzuwandeln. Nach einer Ende November veröffentlichten Mitteilung des Krebsfor­ schungsinstituts des öffentlichen Gesundheitsdienstes laufen zur Zeit in den Vereinigten Staaten 150 mit insgesamt 5»6 Millionen Dollar ausge­ stattete Forschungsprojekte, die die Aufdeckung von Zusammenhängen zwi­ schen Krebserkrankung beim Menschen und Viren sowie die Entwicklung mög­ licher Immunisierungsverfahren gegen Krebs zum Ziele haben.

Die Konstruktion eines winzigen physiologischen Sauerstoffmeßgeräts, das, in der Spitze einer Injektionsnadel untergebracht, sogar in Gehirn­ partien eingeführt werden kann, die Reaktivierung von Beinmuskeln bei be­ stimmten Lähmungsformen mit Hilfe kleiner, durch ein tragbares Transi­ storgerät erzeugter Stromstöße, die längere Frischhaltung von Blutkonserven durch neue Konservierungsmittel und Gefrierverfahren oder die Einrichtung einer Hypophysenbank durch die Universität Kalifornien werfen Schlaglichter auf jüngste Entwicklungen der praktischen Medizin in den Vereinigten Staaten.

Im April 196O stellte die US-Regierung Informationen über die Einzel­ heiten des Herstellungsverfahrens für Phenazocin, das 1959 von Dr. E. May und Dr. N. Eddy entdeckt wurde, allen Nationen zur Verfügung. Die synthe­ tische Verbindung ersetzt Morphin, ist drei- bis siebenmal stärker als

- 19 - "AMERIKA DIENST 16. Dezember i960 als dieses und hat nicht dessen gefährliche Nebenwirkungen. Um die Gesundheitspflege in asiatischen Ländern zu fördern, wurde die USS HOPE im Herbst in Dienst gestellt und als "schwimmende Klinik" zu­ nächst nach Indonesien geschickt.

Atom und Technik

Die Nutzung von Atomenergie als Kraftquelle oder die Anwendung energiereicher Strahlen in Forschung und Technik sind nichts Ungewöhn­ liches mehr; dennoch waren Ereignisse wie die Jltägige Nordpolfahrt des Atom-U-Bootes SARGO mitten im Winter, die 84tägige Tauchfahrt der TRITON um die ganze Welt oder die Eröffnung einer neuen Ost-West-Passage unter Wasser im Nördlichen Eismeer durch die SEADRAGON dazu angetan, die Welt aufhorchen zu lassen. Am 24. September war der Stapellauf der 85 350 t großen USS ENTERPRISE, eines mit acht Reaktoren ausgerüste­ ten Plugzeugträgers; er ist der größte der Welt und wird 3100 Mann Besatzung und 1500 Mann fliegendes Personal aufnehmen« Mit dem Stapel­ lauf der 6900 t großen ETHAN ALLEN am 22. November erhöhte sich die Zahl der amerikanischen Atom-U-Boote, die bereits in Dienst gestellt oder zu Wasser gelassen worden sind, auf 22. Das Atom-U-Boot SEAWOLF wurde erneut der US-Marine übergeben, nachdem in einjähriger Bauzeit der natriumge­ kühlte Reaktor gegen einen Druckwasserreaktor ausgetauscht worden war. Die Ausrüstung des Atomhandelsschiffes SAVANNAH ist so weit fortgeschrit­ ten, daß Anfang 1961 die Probefahr"ten aufgenommen werden können.

Das von amerikanischen Privatunternehmen errichtete Atomkraftwerk DRESDEN im Staate Illinois arbeitet seit Juli mit seiner vollen Leistung von 180 000 kW; der Uranbrennstoff (66 t) reicht für dreieinhalb Jahre und liefert die gleiche Strommenge wie 2 Millionen Tonnen Kohle. Nach fast fünfjähriger Entwicklung wurde ein neuartiger gasgekühlter Versuchs­ reaktor (GCRE-l) mit direktem, geschlossenem Gaskühlkreislauf erprobt, der als kleine transportable Kraftstation Verwendung finden soll. Be­ mühungen, Elektrizität direkt aus dem Reaktor, ohne den Umweg über Boiler und Generator, zu gewinnen, waren bei der Westinghouse Electric Corporation erfolgreich.

Aus

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Aus der Vielfalt der neuen technischen Entwicklungen im vergange­ nen Jahr seien hier nur einige typische Beispiele herausgegriffen:

Geräte zur direkten Umwandlung von Wärme, chemischer Energie und Sonnenlicht in Strom;

Weitere Verkleinerung elektronischer Schaltkreise durch die soge­ nannte Molektronik, die Moleküle als elektronische Funktionsblöcke verwendet;

Die Weiterentwicklung der MASER-Molekularverstärkertechnik zur LASER-Technik ermöglicht jetzt die Anwendung des MASER-Prinzips im Bereich des sichtbaren Lichts. Als Verstärker dient ein synthetischer Rubinkristall, der reinstes, kohärentes Licht ausstrahlt. Infolge der geringen Streuung dieses Lichts fällt der Energieverlust dieser Strahlung selbst bei Überwindung größter Entfernungen kaum ins Gewicht, weshalb die LASER-Verstärkung für die Radar-Technik und für die Nach­ richtenübermittlung im Weltraum interessant werden dürfte;

20 OOOfache Lichtverstärkung erzielt die ASTRACON-Röhre von Westing- house durch Freisetzung von Elektronen über mehrere Stufen;

Die hydraulische Verformung von superharten Metallen durch die Druck­ wellen von Sprengstoffen oder durch elektrische Hochspannungsentladungen gewinnt immer mehr an Bedeutung;

Die größte Radar-Anlage der Welt mit einer Schüsselantenne von 300 m Durchmesser ist in Puerto Rico in Bau. Die Anlage soll zur genaueren Erfor­ schung der Ionosphäre und gleichzeitig als Radioteleskop für den Empfang von Radiosignalen von Himmelskörpern dienen, die Milliarden Lichtjahre von uns entftmt sind;

Camp Century bei Thule auf Grönland, eine unterirdisch angelegte "Stadt im Eis" als Forschungszentrum für 100 amerikanische Meteorologen und Techniker, wurde fertiggestellt. Die Stadt verfügt u,a, über einen sehr wirtschaftlich arbeitenden Kernreaktor als Kraftstation, der bei einem Uranverbrauch von 22,5 kg pro Jahr die gleiche Energiemenge liefert wie ein Dieselaggregat mit fast 4 Millionen Litern öl. ACHTUNG 1

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ACHTUNG 1 Auf Anforderung der Redaktionen übersendet der AMERIKA DIENST an Zeitungen und Zeitschriften kostenlos folgendes Bild:

DAS BILD DES JAHRES - Hauptmann Joseph M. Kittinger jr. springt aus 51 330 m in die Tiefe. "Das schönste Erlebnis bei diesem Sprung waren die ersten Sekunden, nachdem ich die Gondel verlassen hatte. Ich fiel, mit dem Rücken zur Erde, um mich völlige Stille. Ich hatte nur geringe Geschwindigkeit. Es schien, als ob der Ballon steige - fort von mir, hinauf in den tiefblauen Himmel."

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VON KUNST Ui;P KÜNSTLERN

RÜCKBLENDE 196O .

Kulturelle Glanzlichter eines Jahres

(270 Zeilen)

DAS THEATER

Der Broadway, New Yorks repräsentative Theaterstraße, hat im Jahre 1960 unter 59 Neuinszenierungen und über hundert Bühnenwerken, die die rund dreißig kleinen, mitunter überaus experimentierfreudigen Off-Broad­ way-Theater in diesem Zeitraum zusätzlich anzubieten hatten, einige be­ merkenswerte Überraschungen gebracht - insbesondere auf Amerikas ureigen­ stem Gebiet, dem Musical.

Unter den Bühnenstücken ist zuerst Lillian Hellmans neues Schauspiel TOYS IN TEE ATTIC zu nennen, das als "bestes Theaterstück des Jahres" den New Yorker Theaterkritikerpreis für sich buchen konnte. Ebenfalls preis­ gekrönt wurde das köstliche Musical FIORELLO!, ein hinreißendes Stück von dem Aufstieg des kleinen Mannes mit dem großen Herzen, der New Yorks Bürgermeister wurde und zu nationaler, ja internationaler Berühmtheit ge­ langte. FIORELLO! wurde überdies zusammen mit THE SOUND OF MUSIC, dem Rodgers-Eammerstein-Musical von der Trappfamilie, ein Tonypreis zuerkannt, der, ähnlich dem Filmoscar, jährlich für hervorragende Theaterleistungen vergeben wird.

Mit dem Tode von Oscar Hammerstein II, dem langjährigen Partner des Rodgers-Eammerstein-Teams, im August dieses Jahres verlor die amerikani­ sche Musicalwelt einen ihrer prominentesten Vertreter.

Auch das Schauspiel hatte im laufenden Jahr namhafte Erfolge zu ver­ zeichnen. Gute Aufnahme fanden vor allem das Bürgerkriegsdrama THE

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THE ANDERSONVILLE TRIAL von Saul Levitt, ein Stück, das vor einigen Monaten auch von einigen großen deutschen Bühnen unter dem Titel "Der Andersonville-Prozeß" ins Repertoire genommen wurde; das Helen- Keller-Stück THE MIRACLE WORKER, dessen wundertätiger Titel vor allem der Lehrerin Anne Sullivan gilt, die durch ihre aufopfernde Hingabe dem blinden und stummen Kind die Welt erschlossen hat. Es folgen wei­ ter Paddy Chayefskys THE TENTH MAN, eine interessante Mischung von Volksstück und psychologisieremdem Drama; Tennessee Williams1 zärtliche Ehekomödie PERIOD OF ADJUSTMENT, was man mit "Zeit zum Eingewöhnen" übersetzen könnte, sowie die von Miliard Lampell besorgte Dramatisierung des John-Hersey-Romans von der Zerstörung des Warschauer Gettos THE WALL - Der Wall.

Als in der zweiten Spielzeit erfolgreich erwiesen sich das von Frederick Loewe und Alan Jay Lerner für die Musikbühne adaptierte Shaw1sehe Bühnenstück "Pygmalion", in dem "Eliza Doolittle" als MY FAIR LADY nach einer Broadway-Rekordspielzeit noch immer volle Häuser bringt; Leonard Bernsteins WEST SIDE STORY, das in Musik gesetzte und ins moderne New York transplantierte Romeo und-Julia-Motiv, sov/ie TAKE ME ALONG, die als Musical bearbeitete EugenÄ-0 Neill-Komödie der Er­ innerung - "0 Wildnis!".

Ebenfalls mit Bühnenlorbeer bedacht wurden einige namhafte Impor­ ten, so z.B. Peter Shaffers FIVE FINGER EXERCI3E (Fingerübungen), das den Ehrentitel "bestes ausländisches Bühnenwerk" der New Yorker Theater­ kritiker bekam. Beifall fanden ferner die Bühnenwerke BECKET - B«ck«t oder die Ehre Gottes - (Jean Anouilh) mit Sir Laurence Olivier und Anthony Quinn; CALIGULA (Albert Camus); A TASTE OF HONEY - Bitterer Honig - (Shelagh Delaney) wie auch die aus Frankreich über London nach New York gebrachte entzückende musikalische Farce IRMA LA DOUCE.

Off-Broadway wartete mit einer langen Liste großer Autoren auf. Man las neben Strindberg und Shaw die Namen von Samuel Beckett, Friedrich Dürrenmatt,Jean Genet, Sean O'Casey, James Forsyth und Eugene Ionesco, dessen NASHÖRNER im Januar auch am Broadway anlaufen werden.

Mi t

24 " "AMERIKA DIENST" 16. Dezember 196O Mit zu den beliebtesten Dramatikern englischer Zunge gehört nach wie vor Shakespeare, dessen dramatisches Werk in den Vereinigten Staa­ ten besonders gepflegt wird. Das Shakespeare Summer Festival in Stratford (Connecticut) meldet für 196O eine Rekordbesucherzahl, eine Peststellung, die im übrigen auch von Repertoirebühnen und den zahlrei­ chen Community-Theatern im ganzen Land gemacht werden konnte. Stark besucht waren ferner die Vorstellungen der über 150 Sommerbühnen in den Kur- und Erholungsorten der USA, und auch die Studiobühnen der üniver- sitätstheater meldeten eine gute Saison bei einem in der Hauptsache klas­ sischen Programm. Das Shakespeare-Festival-Theater im New Yorker Central Park brachte in seiner 5« Saison drei Shakespearedramen, für deren Auf­ führungen kein Eintrittsgeld erhoben wurde und die jeweils 3000 Besucher zählten. Von den ausländischen Attraktionen konnten Japans Kabuki-Spieler den größten Beifall ernten.

FILM Das Jahr 196O brachte den Filmtheatern in den USA gegenüber 1959 eine Steigerung der Besucherzahlen um mehr als sieben Prozent. Am zugkräftig­ sten erwiesen sich die nach berühmten Romanen gedrehten Filme. Erstaunlich war außerdem die Feststellung, daß New York im Laufe dieses Jahres weiter­ hin an Bedeutung als Filmstadt gewonnen hat und daß die Nachfrage nach größeren und aufwendigeren Filmwerken ebenso wie die Nachfrage nach den von Schauspielern, Regisseuren und Direktoren in eigener Regie hergestell­ ten Streifen noch immer im Steigen begriffen ist.

Unter den Schauspielern sind es vor allem Marlon Brando, Elizabeth Taylor, Cary Grant und Marilyn Monroe, die 196O besondere Erfolge erzie­ len konnten. Den Akademiepreis, den begehrten Oscar, erhielten als bester Film BEN HUR (nach Lew Wallace'berühmten Roman), William Wyler für die Regie in diesem Film und Charlton Heston für seine Darstellung des Jud'urcL'jn

" 25 ' "AMERIKA DIENST" 16. Dezember 1 96O judäisehen Prinzen Ben Hur.

Unter den Filmproduktionen des Jahres 1 96O wären weiterhin hervor­ zuheben "Das Tagebuch der Anne Frank" mit Millie Perkins; HUCKLEBERRY FINN, nach Mark Twains gleichnamigem Lausbubenroman; ELMER 5ANTRT, nach einer Satir« von Sinclair Lewis; zwei Tennessee-Williams-Verfilmungen, SUDDENTLY LAST SUMMER - Plötzlich im letzten Sommer - und THE FUGITIVE KIND (nach dem Bühnenstück ORPHEUS DESCENDING),das als "Der Mann in der Schlangenhaut", mit Anna Magnani, Joanne Woodward und Marlon Brando in den Hauptrollen, kürzlich auch in den Kinos der Bundesrepublik angelaufen ist; ferner die Verfilmung des berühmten Scopes-Prozesses um die Gültigkeit der Darwinschen Lehre mit Frederic March und Spencer Tracy; SPARTACÜS mit Sir Laurence Olivier, Charles Laughton und Kirk Douglas; und die beiden Lustspiele THE APARTMENT - Das Appartement -, in der Regie von Billy Wilder, und LET'S MAKE LOVE, ein bereits stark publizierter Filmstreifen mit Marilyn Monroe und dem Franzosen Yves Montand. Viel Publikums erfolg erntete auch der Film über Franklin Delano Roosevelt SUNRISE AT CAMPOBELLO - Sonnenauf­ gang in Campobello -, mit Ralph Bellamy als FDR und Greer Garson in der Rollo der Mrs. Eleanor Roosevelt.

DAS FERNSEHEN Den größten Aufschwung erlebte im Jahre 196O das pädagogische Fernsehen. Mit nunmehr 50 TV-Stationen, die ausschließlich bildende Programme senden, und immer mehr Universitäten, die für ihre Studenten Fernsehsemester einge­ führt haben, beginnt das Fernsehen in den USA seinen Ruf als kulturelle In­ stitution mehr und mehr zu festigen. 594 Fernsehsender mit regelmäßigen Programmen versorgen mehr als 50 Millionen Fernsehempfänger in rund 85 Pro­ zent aller amerikanischen Haushaltungen mit reicher Programmauswahl. New York allein verfügt über sechs Kanäle, die von 6 Uhr morgens bis 2 Uhr nachts ununterbrochen TV-Produktionen ausstrahlen. Die Bundeshauptstadt Washington verfügt über vier TV-Stationen, desgleichen eine ganze Reihe

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Reihe anderer Städte in den USA. Selbst der entlegenste Ort liegt noch immer im Sendebereich von wenigstens einer TV-Station.

In der Zeit vor den Wahlen beherrschte die Politik mehrere Monate lang den Bildschirm. Der Höhepunkt des Fernsehjahres 1 96O und eine No­ vität in der Geschichte des Fernsehens überhaupt waren zweifellos die Übertragungen der Fernsehdebatten zwischen den beiden Präsidentschafts­ kandidaten John F. Kennedy und Richard M. Nixon, die von mehr als 70 Millionen Amerikanern am Bildschirm verfolgt wurden und auch im Ausland große Beachtung fanden.

Die Fernsehpreise, die sogenannten "Emmys", gewannen im 12. Jahr des Wettbewerbs der National Academy for Television Arts and Sciences Ingrid Bergman und Sir Laurence Olivier - Ingrid Bergman für ihre schau­ spielerische Leistung in der Fernsehfassung von Henry James' THE TURN OF THE SCREW (Die sündigen Engel), Sir Laurence Olivier für seine Rolle in Somerset Maughams' Fernsehdramatisierung TLE MOON AND SIXPENCE -»während der Musikpreis der Akademie Leonard Bernstein für seine hervorragende Synpboaiekonzertreihe m't dem Orchester der New York Philharmonie zuerkannt wurde.

In einer Jahresrückschau wie dieser dürfen Fernsehinszenierungen wie die der Euripides'sehen MEDEA (in der Bearbeitung von Robinson Jeffers), von Schillers MARIA STUART, Ernest Hemingways WEM DIE STUNDE SCHLÄGT (mit Maria Schell), Thornton Wilders UNSERE KLEINE STADT, Archibald MacLeishs THE SEGRET OF FREEDOM sowie der Shakespearedramen DER STURM und HENRY IV. nicht übersehen werden, zu denen noch zahlreiche weitere Stücke der Theaterliteratur aus der Feder namhafter Autoren wie Bernard Shaw, Henrik Ibsen, Truman Gapote, Stefan Zweig, Maxwell Anderson, Sean O'Casey, John Steinbeck u.a. kommen.

Die National Broadcasting Company (NBC) brachte 1959/60 vier Opern­ übertragungen, darunter Aufführungen von Beethovens FIDELIO und Mozarts DON GIOVANNI. Insgesamt gesehen, erfreuten sich die Jugend- und Kinderpro­ gramme sowie religiöse Sendungen und besinnliche Betrachtungen kaum geringe­ ren Zuspruchs von Seiten des Publikums als die Übertragungen sportlicher Veranstaltungen wie insbesondere der Olympia-Reportagen aus Squaw Valley und Rom. _

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MUSIK

Wie einer neuen Statistik des amerikanischen Orchesterverbandes zu entnehmen ist, erreichten die Vereinigten Staaten im Jahre i960 mit 1113 Sinfonischen Orchestern eine bisher noch nicht dagewesene Rekordzahl.

Besonders bemerkenswert sind ferner die zahlreichen Uraufführungen, die während der Musiksaison 1959/60 zu verzeichnen waren. Eine Umfrage bei 34 namhaften Orchestern ergab Werkuraufführungen von 27 Komponisten, wobei der begabte Günther Schuller allein mit vier neuen Werken vertre­ ten war. Den ersten Platz auf dem Konzertpodium des Jahres beanspruchte allerdings Samuel Barber, der i960 seinen 50. Geburtstag beging und mit 32 Auffüünrungen von acht neuen Werken die Spitze hielt.

Die größte Ehrung aber widerfuhr Gustav Mahler, dessen 100. Geburts­ tag von fast allen Orchestern der USA gewürdigt wurde. Die New York Philhar­ monie widmete dem Werk Mahlers - der selbst einmal Dirigent des Orchesters war - neun Konzerte.

Ein Blick auf die Konzertprogra..;ne des letzten Jahres läßt indes deut­ lich erkennen, daß auch die Musik der Avantgarde allerseits berücksichtigt wurde. Unter den Ankündigungen fanden sich u.a. Henry Brants ANTIPHONY ONE, eine Musik, die das Orchester in fünf Gruppen im Auditorium verteilt, und als ein weiteres Novum der experimentellen Musik das sogenannte CONCERTED PIECE FOR TAPE RECORDER AND GRCKESTRA (Konzertantes Stück für Tonband und Orchester) von Otto Luening und Vladimir Ussachevsky, zwei namhaften Vertretern der seriellen Musik.

Die New York Philharmonie begann nach einem Konzertsommer im Ausland, der das Orchester von Hawaii bis nach Berlin führte, die neue Saison (1960/61) mit einem Galakonzert in der renovierten Carnegie Hall.

Große Konzerte, verdienter Applaus und die Namen einer Anzahl junger Künstler, die sich bei den verschiedensten Musikwettbewerben auszeichnen konnten, kennzeichnen das Konzertleben des laufenden Jahres. Erwähnt seien hier lediglich Doris Yarick, die den Town Hall Award im Rahmen der "Joy-of- Singing"-Serie gewann und der Pianist Malcolm Frager, der mit dem Leventritt- preis und dem Preis der Königin Elisebeth von Belgien ausgezeichnet wurde. Von

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Von den zwölf zu vergebenden Preisen des letztgenannten Musikwettbe­ werbs gingen die Hälfte an junge Amerikaner.

Bemerkenswert und neu ist die Tatsache, daß der Pulitzerpreia für Musik i960 erstmals einem Kammermusikwerk zugesprochen wurde - er ging an Elliott Carter für sein Streichquartett No. 2 -, während die New Yorker Musikkritiker ihren Preis an drei bekannte Komponisten vergaben, an Norman Dello Joio (für die Oper THE TRIUMPH OF ST. JOAN),Paul Hindemith (Sechs Madrigale) und Leon Kirchner (Streichquartett No. 2).

Die Metropolitan Opera eröffnete ihre 75» Spielzeit (1959/60) mit einer glanzvollen Neueinstudierung von Verdis TROUBADOUR, mit der Italie­ nerin Giulietta Simionato in einem sensationellen Debüt als "Azucena". Das stärkste Erlebnis der Saison war die schwedische Sopranistin Birgit Nilsson, deren strahlende Stimme eine Renaissance der Wagneroper an der Met herbeiführte. Großen Beifall spendeten Publikum und Kritik auch dem kanadischen Tenor Jon Vickers und dem amerikanischen Bassisten Jerome Hines. Beethovens FIDELIO stand nach neun Jahren erstmals wieder auf dem Opernprogramm der Met und erwies sich als ein äußerst glücklicher Griff ins Repertoire.

Die neue Spielzeit 1960/61 wurde vor wenigen Wochen mit Verdis NABUCCO, mit am Pult und dem jungen amerikanischen Barito Cornel MacNeil in der Titelrolle, eingeleitet.

Die New York City Opera machte Operngeschichte durch eine fünfwö­ chige Gastspielreise mit vier amerikanischen Opern und deren Aufführungen in 19 Städten: Carlisle Ployds "SUSANNAH"; Douglas Moores THE BALLAD OP BABY DOE; Hugo Weisgalls SIX CHARACTERS IN SEARCH OF AN AUTHOR und Kurt Weills STREET SCENE. Die Kosten der Gastspielreise wurden von der Ford- Stiftung getragen, die auch die Produktionskosten für weitere 18 zeitge­ nössische amerikanische Opernwerke übernommen hat. Die City Opera hat die neue Saison ebenfalls bereits begonnen, und zwar mit Werner Egks REVISOR als THE INSPECTOR GENERAL.

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LITERATUR

Der Büchermarkt zeigte im ablaufenden Jahr keine besonderen sensa­ tionellen Titel auf dem Gebiet der schöngeistigen Literatur, dafür aber um so bemerkenswertere auf dem biographischen Sektor, angefangen bei FELIX FRANKFURTERS REMINISZENZEN, den fesselnden Berichten aus Leben und Werk des bekannten amerikanischen Obersten Bundesrichters, bis zu den Tagebuchauszügen des PASSIONATE SIGHTSEER, des großen Kunsthistorikers und Weltmanns Bernard Berenson.

Die im Laufe des Jahres erschienenen Lebensbilder in Buchform brach­ ten viele interessante Namen und Ereignisse wieder ins Gespräch des Tages - Bosley Crowthers HOLLYWOOD RAJAH, die Lebensgeschichte des verstorbenen Filmproduzenten Louis B. Mayer, nicht weniger als Willard Connelys packendes Buch über Louis Sullivan, den Vater der modernen amerikanischen Architektur (LOUIS SULLIVAN, AS HE LIVED), oder Elizabeth Nowells THOMAS-WOLFE-Bio- graphie.

Dem greisen Dichter Robert Frost sind gleich drei Bücher dieser Saison gewidmet, unter denen ROBERT FROST: THE TRIAL BY EXISTENCE von Elizabeth Shepley Sergeant wohl den stärksten Publikumsappeal haben dürfte. Unter den Geschichtswerken fiel insbesondere RISE AND FALL OF TEE THIRD REICH aus der Feder des früheren Berlinkorrespondenten William L. Shirer auf.

Obgleich die Belletristik in diesem Jahre keine Sensationen aufzu­ weisen hat, müssen der Fairness halber an dieser Stelle doch der Roman ADVISE AND CONSENT (Macht und Recht) von Allen Drury und James Micheners Hawaiibuch erwähnt werden, die zwar beide schon 1959 erschienen sind, aber noch immer die Bestseller-Listen beherrschen.

Die Pulitzerpreise für Literatur fielen an Allen Drury für ADVISE AND CONSENT, an Samuel Eliot Morison für JOHN PAUL JONES:; an Margaret Leech für das historische Werk IN THE DAYS OF MCKINLEY und an W.D. Snodgrass für den Gedichtband HEART'S NEEDLE. Den Nationalen Buchpreis 1959 erhielten Philip Roth für seinen Erstlingsroman GOODBYE, COLUMBUS; Richard Ellmann für seine JAMES-JOYCE-Biographie und Robert Lowell für seine Gedichtsana- lung LIFE STUDIES. #

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DER TANZ

Das Jahr 1959/60 konnte mit einer Anzahl bezaubernder Ballettpre­ mieren aufwarten. Ein Höhepunkt des New York City Ballet war PAN AMERICA, eine Tanzsuite in acht Bildern, die in der Koproduktion latein- und nord­ amerikanischer Choreographen entstanden ist. Viel Beifall fanden vor allem die VARIACIONES CONCERTANTES, ein lyrisches Spektakulum in der Choreographi( von John Taras und mit der Musik von Alberto Ginostera (Argentinien). Im Frühjahr 196O inszenierte George Balanchine THE PIGURE 0N THE CARPET, ein einstündiges Ballett im höfischen Stil des 18. Jahrhunderts, das an­ läßlich einer Internationalen Ausstellung Persischer Kunst in New York aufgeführt wurde. Das Herbstprogramm des Ensembles brachte fünf neue Ballette, darunter zwei Studien im Jazzstil.

Bevor das American Ballet Theatre zu einer neuen Europatournee auf­ brach, krönte es sein 20jähriges Bestehen mit einem sensationellen Tanz­ festival in New York. Höhepunkt der Festtage war die Premiere der Tanzfan­ tasie LADY FROM THE SEA (Choreographie:Birgit Cullberg) mit den Solotänzern Lupe Serrano und Glen Tetley.

Das San Francisco Ballet, das eine Gastspielreise nach dem Fernen und Mittleren Osten sowie nach Südamerika durchgeführt hat, konnte nach 23 Jah­ ren seines Bestehens in diesem Jahre endlich ein eigenes Tanztheater ein­ weihen. Bemerkenswerter als diese Tatsache ist aber für die Situation des Bühnentanzes in den USA die Gründung verschiedener neuer Tanzensembles wie z.B. des Anchorage Civic Ballet in Alaska, zusätzlich zu den bereits be­ stehenden 125 Tanztruppen in den USA.

Der moderne Bühnentanz erlebte in der fraglichen Zeit außerdem das Comeback der illustren Tänzerin und Choreographin Martha Graham und ihrer Truppe in dem abendfüllenden Ballett KLYTÄMNESTRA sowie zwei weitere neue Kreationen, das erstaunlich einfallsreiche Ballett ACROBATS 0F GOD, das als ein Tribut an die Tänzer und ihre Welt aufzufassen ist, und ALKESTIS, eine neue Folge in Martha Grahams Ballettserie griechischer Tanzsuiten. Miss Graham wurde in diesem Jahre außerdem mit dem Capezio Dance Award aus­ gezeichnet.

Außerdem "AMERIKA DIENST 16. Dezember i960

Außerdem brachte auch das 13. American Dance Festival verschiedene interessante moderne Ballette wie etwa SHIRA (Choreographie: Pearl Lang), eine Huldigung an das Leben, oder Lucas Hovings herbes Scherbengericht mit dem Titel WALL OF SILENCE. Das berühmte Jacob's Pillow Dance Festival, das in diesem Sommer zum 28. Male stattfand, brachte ebenfalls ein reich beschicktes Programm, das allen Tanzstilen gerecht wurde. Ein Sonderpro­ gramm aber war dem modernen Ballettanz vorbehalten worden, mit EARLY VOYAGERS, einer neuen Tanzschöpfung von Valerie Bettis, in der auch das gesprochene Wort als Ausdrucksmittel mitgestaltet, und mit hervorra­ genden tänzerischen Begabungen, den lyrischen Talenten Robert Cohan und Matt Turney und der bouncenden Dynamik von Talley Bcattieund Ensemble.

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GEDENKTAGE IM JANUAR 1 961

1 . Januar 1863 Sklavenbefreiungs-Proklamation Präsident Lincolns erhält Gesetzeskraft. 1 . 1942 26 Staaten unterzeichnen die Atlantik-Charta. 5. 1925 Amtsantritt des ersten weiblichen Gouverneurs der USA, Nellie Tayloe Ross, im Staate Wyoming. 6. 1941 Franklin D. Roosevelt verkündet die "Vier Freiheiten": 1. Freiheit der Rede und der Meinungsäußerung - überall in der Weltj 2. Freiheit eines jeden Menschen, Gott in seiner eigenen Weise zu verehren - überall in der Welt 3- Freiheit von Not (d.h. wirtschaftliche Verständigung unter den Völkern); 4« Freiheit von Furcht (d.h. weltweite Abrüstung). (20. Jahrestag) 7. 1789 Erste allgemeine Wahlen in den USA. Die Bürger der Bundesstaaten wählten Wahlmänner, die dann den Prä­ sidenten und den Vizepräsidenten nominierten. 8. 191 8 Woodrow Wilson legt dem amerikanischen Kongreß seine "14 Punkte" für den Frieden vor. 10. 1920 Offizieller Gründungstag des Völkerbundes. 10. 1946 Erste Vollversammlung der Vereinten Nationen in London eröffnet. Anwesend waren Vertreter von 51 Nationen. (15. Jahrestag) 10. 1951 Sinclair Lewis, Schriftsteller und Nobelpreisträger, in Rom gestorben (geb. 7*2.1885 in Sauk Center, Minnesota).(10. Todestag) 12. 1856 John Singer Sargent, amerikanischer Maler, geboren (gest. 1 4«4» 1 925 in London) . 14. 1896 John Dos Passos, amerikanischer Schriftsteller, in Chicago geboren. (65« Geburtstag) 15. 1936 Edsel Ford errichtet mit einer Schenkung von 25 000 Dollar die "Ford-Stiftung". (25. Jahrestag) 16. 1795 Als erster amerikanischer Bundesstaat eröffnet Nord­ karolina eine Staatsuniversität. 16. 1920 Das "Liquor Prohibition Amendment" trat in den USA in Kraft. Herstellung, Verkauf und Transport berauschender Getränke wurde verboten. 17. 1706 Benjamin Franklin, amerikanischer Staatsmann und Wissenschaftler, geboren (gest. 17-4*1790 in Philadelphia) 17. 1955 Das erste mit Atomkraft getriebene Schiff, das amerika­ nische Unterseeboot "Nautilus", machte seine erste Probefahrt. 18.

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18. Januar 1782 Daniel Webster, amerikanischer Staatsmann, geboren (gest. 24.10. 1852 in Marshfield, Mass.). 19. " 1809 Edgar Allan Poe geboren (gest. 7.10.1849 in Bal­ timore, Maryland). 25. " 1954 Beginn der Berliner Viererkonferenz. 27. " 1850 Samuel Gompers, Gründer und erster Präsident der AFL (American Federation of Labor), geboren (gest. 13.12.1924 in San Antonio, Texas). 28. " 1880 Thomas A. Edison erhält Patent für seine elektrische Glühbirne. 28. " 1902 Gründung des Carnegie-Instituts in Washington. 30. " 1882 Franklin D. Roosevelt, 32. Präsident der USA, geboren (gest. 12.4.1945 in Warm Springs, Georgia). 31. " I896 Lewis L. Strauss, Admiral und Politiker, in Charleston (West-Virginia) geboren. (65. Geburtstag)

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